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Full text of "Zeitschrift für Ethnologie"

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ZEITSCHRIFT 


1/1  n» 


ETHNOLOGIE. 


Organ  der  Berliner  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Sechsunddreissigster  Jahrgang. 
1904. 


Mii    » ;  Tafeln    und   : ;    Kartenbeilageti. 


BERLIN. 
Verlag   von   A.   As  her   &   Co. 

1904. 


Für  den  Inhalt  der  Abhandlungen  und  Vorträge 
sind  die  Autoreu  allein  verantwortlich. 


THE  GLIi/ CENTER 

I  IRDADV 


( hronolo^isclies  Inhaltsverzeichnis 

der  einzelnen  Hefte. 


Heft  I. 

Seite 
Verzeichnis  des  Vorstandes,    des    Ausschusses   und    der   Ehrenmitglieder  S.  1.  —  der 
korrespondierenden  Mitglieder  S.  2.  —  der  ordentlichen  Mitglieder  (einschliesslich 

der  immerwährenden) 5 

l'bersicht    der    durch  Tausch,    Ankauf    oder    als    Geschenk    zugehenden    periodischen 
Veröffentlichungen U 

1.    Abhandlungen  und  Vorträge. 

I.  K.  H.  Mathews:    Langnage,  Organization  and  Initiation  Ceremonies  of  the  Kogai 

Tribes,  Queensland 28 

2    Wilke- Grimma:    Archäologische  Parallelen  aus   dem   Kaukasus    und    den    unteren 
Donauländern  (120  Textabb.) ^ 

II.   Verhandlungen. 

Sitzung  uim  '.).  Januar  190-1.  Begrüssung  der  Mitglieder  durch  den  Vorsitzenden 
S.  KG.  —  J o  1 1  y  und  Zittel  t  S.  105.  —  Dankschreiben  Seiner  Excellenz  des  Herrn 
Generaldirektor  Dr.  Schöne  S.  1U5.  —  SOjähriges  Doktorjubiläum  des  Herrn  Professor 
Dr.  Möbius  S.  105.  —  Tu  Gebnrtstag  des  Herrn  Dr.  Strebel  S.  105.  —  Neuwahl  des 
Ausschusses  S.  106.  —  Neu«'  Mitglieder  S.  106.—  Einladung  zum  Geographenkongress  in 
Neapel  S.  106.  —  Ernennung  des  Herrn  Waldeyer  zum  auswärtigen  Mitgliede  der  Societe 
I  ■  Biologie  in  Paris  und  zum  Elirenmitgliede  der  Universität  Jurjew  S.  106.  —  Anerkennung 
des  Herrn  W.  v.  Landau  seitens  der  Hohen  Pforte  S.  106.  —  Begrüssung  der  Gäste 
S.  106.  -■  Der  Bronzesichelfund  von  Oberthau,  Kr.  Mersebung,  H.  Schmidt  S.  loG.  — 
Brettchenweberei  in  Karthago  (2  Tcxtabb.)  W.  Liidtke  S.  loti  —  Ausgrabungen  in  Sieben- 
bürgen,  E.  Lemke  S.  L07.  —  Feuersteinknollen  vom  Wohlenberge,  K.  Audree  S.  1<»7.  — 
Ein  eigentümliches  Hügelgrab  aus  der  Bronzezeit  (1  Textabi'. ).  Kofier  S.  108.  —  Monolith- 
gräber  5  Tcxtabb. \  A.  Götze  S.  112.—  Böschungsmesser  1  Textahb.),  A.  Gölze  S.  115. 
—  Brettchenweberei  im  Altertum,  A.  Götze  S.  117.  —  Fossile  Knochen  aus  der  Heinrichs- 
höhle bei  Sundwig,  11.  Klaatscb  S.  117.  -■  Di«1  Bedeutung  der  Funde  in  der  Grvpo- 
theriumhöhle  bei  Ultima  Esperanza  in  anthropologischer  Beziehung,  Hauthal  S.  11 1. 
K.  von  den  Steinen,  Hauthal,  Hätschle,  Neuniann,  Klaatscli,  K.  von  den  Steinen, 
llnutbal  S.  128. 

Sitzung  vom  20.  Februar  1904*  v.  Djfalvy,  F.  Ascherson,  Kosenthal  r 
s.  185.  —  Ernennung  der  Herren  Beinach,  Koganei  und  Tsuboi  zu  korrespon- 
dierenden  Mitgliedern  S.  135.  —  Neue  Mitglieder  S.  185.  —  Dankschreiben  von  Strebel 
und  von  der  archäologischen  Sektion  des  Museums  in  Prag  S.  135.  -*  Jubiläum  des 
Coppemikus- Vereins  in  Thorn   s.  136.        Versammlung  der  Folkloristen  In    Leinaig.  — 

II.  Internationaler  Kongress  für  Allgemeine  Roligionsgeschichte  in  Basel.  —  Betro- 
jpektive  Ausstellung  über  das  Transportwesen  iu  Mailand  S.  136  —  Forschungsreise  des 
Herrn  Klaatscli  nach  Australien  und  des  Herrn  llul>«Tt  Schmidt  nach  Russisch  Turkestan 


—     IV     — 

g  i.;i;  —  Wahl  des  Herrn  v.  Kaufmann  zum  Obmann  des  Ausschusses  S.  136.  —  Dank 
der  Gesellschaft  ar.  die  Kgl.  Generalverwaltung  für  die  Aufstellung  eines  neuen  Bibliothek- 
Sclirankes  S.  136.  —  Dank  an  Herrn  Koehl  in  Worms  für  die  Übersendung  zweier  Skeletc 
S.  13G.  —  Mongolenflecke  bei  Indianern,  Herrmann  S.  Ü'>7.  —  Aufbewahrung  der  Nephrit- 
platte zu  Leiden  in  Rijks  Ethnographisch  Museum,  Schmeltz  S.  1:17.  —  Prähistorische 
Brettchenweberei  in  Russland  (l  Textabb.),  Schnippe!  S.  137.  —  Die  Lage  der  Ahaus  bei  den 
Mayas,  Förstemaun  S.  138.  —  Zur  Nepliritfrage,  0.  Schoetensack  S.  141.  —  Keramik 
der  makedonischen  Tumuli  bei  Saloniki  und  Troja-Mykene-Ungarn,  Hubert  Schmidt 
g(  i  (.;.  _  Some  Initiation  Ceremonies  of  the  Aborigines  of  Victoria,  Mathews  S.  143.  — 
Ausgrabungen  von  Hügelgräbern  bei  Seigenau,  Zedliu  und  Rowen,  Götze  S.  14.'j.  —  Prä- 
historische Funde  im  Kreise  Beeskow-Storkow,  Donmick  S.  143.  —  Ethnologische  Objekte 
ans  Japan,  F.  W.  K.  Müller  S.  144.  —  Die  spätneolithischen  Ansiedelungen  mit  bemalter 
Keramik  am  oberen  Laufe  des  Altilusses,  Hubert  Schmidt  S.  145.  —  Über  Steinkisten, 
Tepetlocalli  mit  Opferdarstellungen,  E.  Seier  S.  146.  —  Über  den  Einfluss  der  Rachitis 
auf  die  Schädelform,  v.  Hausemann  S.  14G.  —  Über  ein  Os  praebasioccipitale  an  einem 
Chinesenschädel  (2  Textabb.),  Paul  Bartels  S.  147.  —  Untersuchungen  über  baltischen  Bern- 
stein (Succinit)  und  andere  fossile  bernsteinähnliche  Harze,  0.  Olshausen  und  F.  Rathgen 
S.  i.-,:;.  _  Tränkung  von  Gipsabgüssen  zur  Konservierung,  F.  Rathgen  und  R.  Borr- 
iiiann  S.  L63. 

III.  Literarische  Besprechungen. 
Ho  ein  es,  Moritz,  Der  diluviale  Mensch  in  Europa,  Braunschweig  1903  S.  1(56.  — 
KHz,  Martin,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Quartärzeit  in  Mähren,  Steinitz  19U3  S.  168.  — 
Stratz,  C.  H.,  Der  Körper  des  Kindes,  Stuttgart  1903  S.  170.  —  Bellucci,  Giuseppe, 
La  grandine  nelP  ümbria,  Perugia  1903  S.  171.  —  Maass,  A.,  Quer  durch  Sumatra, 
Berlin  1904  S.  171. 

IV.  Eingänge  für  die  Bibliothek S.  172 


Heft  II. 

I.  Abhandlungen  und  Vorträge.  _ 

1.  F.  von  Luschau:  Einige  türkische  Volkslieder  aus  Nordsyrien  und  die  Bedeutung 
phonographischer  Aufnahmen  für  die  Völkerkunde 177 

l'.    0.  Abraham    und    E.  von  Hornbostel:    Phonographierte  türkische  Melodien    .    .   20:'> 

:•».  0.  Abraham  und  E.  von  Hornbostel:  Über  die  Bedeutung  des  Phonographen 
für  vergleichende  Musikwissenschaft 222 

I.  H.  Hess  von  Wichdorff:  Spuren  ehemaliger  Eisenerzgewinnung  und  alter  Eisen- 
schmelzhütten im  Kreise  Naugard  i.  Pommern  (2  Textabb.) 237 

5.  !•:.  Seier:  Über  Steinkisten,  Tepetlicalli,  mit  Opferdarstellungen  und  andere 
äbnlichc  Monumente  (54  Textabb.) 244 

II.  Verhandlungen. 
Sitzung  vom  19.  März  1904.     Siebzigster  Geburtstag  des  Herrn  Kollmann  S.  291. 

—  Dankschreiben  des  Herrn  Salomon  Reinach  S.  291.  —  Neue  Mitglieder  S.  291.  — 
bureige  des   Herrn   Kiessling  nach  Griechenland  S.  291 .  — Begrüssung  der  Gäste  S.  291. 

—  Einladung  zum  VI.  Internationalen  Zoologenkongress  in  Bern  und  zur  76.  Versammlung 
Deutscher  Naturforscher  und  Ärzte  in  Breslau  S  292.  —  Mitteilung  über  die  Gründung 
eines  Bundes  „Hehnatschutz''  S.  292.  —  Bildung  einer  Rethra-Kommission  S.  292.  — 
Aufdeckung  einex  alten  Nekropole  in  Baku.  Rösler  S.  292.  —  Mitteilung  über  die 
Forschungsrei  -  d<  Herrn  Theodor  Koch  in  Südamerika,  K.  v.  d.  Steinen  S.  293.  — 
Dir  Sammlung  der  „Tertiär-SUex-  des  Herrn  Klaatsch,  Lissauer,  Keilhack,  Hahne, 
Wali n schaffe.  Jentzgch,  Branco,  Noetling  8.  299.  —  Beobachtungen  an  Kiescl- 
iiianutakt.n  in  Igypten,  \.  Luschan  S  317.  Studien  in  den  Ruinen  voii  Yukatau, 
Seier   B.  321. 


—     V     — 

III.  Literarische  Besprechungen. 

Etapport  der  Commi.ssic  van  Advies  betreffende  "s  Rijks  Ethnographisch  Museum. 
Leiden  1903  S.  322.  —  Hellwig,  A.,  Das  ABylrecht  der  Naturvölker  I.  Berlin  1903 
8.  323.  —  Nictzold,  J.,  Die  Ehe  in  Ägypten  zur  ptoleuiäisch-römischen  Zeit,  nach  den 
griechischen  Heiratekontrakten  und  verwandten  Urkunden.  Leipzig  1903  8.  324. 
Chalikiopoulos,  L.,  Sitia,  die  Osthalbinsel  Kretas.  Berlin  L903  8.326.  —  Preyer,  A.. 
Indo-nialayisclie  Streifzüge.     Leipzig  1903    S.  326. 

IV.  Eingänge  für  die  Bibliothek S.  327 


Heft  III  und  IV. 

I.    Abhandlungen  und  Vorträge. 

1.  Richard  Kandt:  Gewerbe  in  Ruanda  (98  Textabb.  und  Tafel  I-IV) 329 

2.  I).  von  Hansemann:   Über  die  rachitischen  Veränderungen  des  Schädels 

(5  Textabb.) 373 

3.  Ueinpwolff:    Über  aussterbende  Völker  (8  Textabb.  und  Tafel  V) 384 

I.  Hubert  Schmidt:    Der  Bronzesichelfund  von   Oberthau,  Kr.  Merseburg 

(34  Textabb.) U6 

II.  Verhandlungen. 
Sitzung  vom  23.  April  1904.    Pudil,   Petermanu,   Belli  f  S.  453.  —    70.  Ge- 
burtstag des  Frl.  Prof.  Mestorf  S.  453.  —  Krankheit  des  Herrn  Bartels  S.  45:).  —  Brief 
des  Herrn  Lis sauer  aus  Mentone  S.  45o.  —  Brief  des  Herrn  Roesler  aus  Titlis   S.  155. 

—  Nachrichten  über  Herrn  Bastian  aus  Jamaica  S.  456.  —  Programm  über  die  Ver- 
sammlung der  Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Agram  S.  156.  —  Gäste  S.  456.  — 
Zahnverstümmelungen  und  ihre  Bedeutung  für  den  Lautwandel,  Über  die  Frauensprache. 
Die  Dorsalen  des  Sango,  Cleve  S.  456.  —  Einige  wesentliche  Fortschritte  in  der  Technik 
der  physischen  Anthropologie,  v.  Luschan  S.  -t»'>5.  —  Nachrichten  über  die  Kayabi- 
Indianer  (3  Textabb.).  Max  Schmidt  S.  466.  —  Handwerkszeug  eines  tunesischen 
Tätowierers  (6  Textabb.),  Traeger,  Mielke  S.  169.  —  Über  einen  Ausflug  nach 
Dr.  Hahnes  diluvialen  Fundstätten  bei  Schönebeck  a.  E  ,  Olsbausen  S.  477.  Hahne, 
»'ahnschaffe.  Krause,  Farreau,  Götze.  Hahne  S.  482.  —  Ethnologisches  und  Archäo- 
logisches aus  dem  westlichen  Persien,  Oskar  Mann    S.  486. 

Sitzung  vom  14.  Mai  1904.  Gemellaro,  His,  Stanley  f  S.  487.  —  Wahl  der 
Herren  Capitan  und  Manouvrier  zu  korrespondierenden  Mitgliedern  8.4^7.  —  Wahl 
des  Herrn  Maass  zum  Mitglied  der  Bibliotheks-Kommission  S.  4S7.  —  Einladung  zur 
20.  Hauptversammlung  der  Niederlausitzer  Gesellschaft  in  Kottbus,  zu  dem  8.  Internationalen 
Geographenkongress  in  Washington  und  zu  der  Exkursion  der  Wiener  Anthropologischen 
Gesellschaft  nach  Agram  und  Krapina  S.  487.  —  Brief  von  Herrn  Bartels  aus  Sestri 
Levante  und  von  Herrn  Klaatsch  aus  Brisbane  S.  487. —  Anfertigung  einer  Gedenktafel 
für  Schliemann  in  Fürstenberg  in  Mecklenburg  S.  4S8.  —  Über  neu  gefundene  chal- 
dische  Inschriften,  ('.  F.  Lehmann  S.  488.  —  Ein  pfriemartiges  Knochenstück  aus  der 
Oborniker  Kiesgrube,  F.  v.  Chl&pOWSki  S.  490.  —  Beobachtungen  in  Kamerun.  A.  Plelm 
8.  190.  —  Ableitung  amerikanischer  Geflechtmuster  aus  der  Technik  des  Flechtens 
40  Textabb.),   Max  Schmidt   S.  49o.    K.  v.  d.  Steinen  S.  512. 

Sitzung  vom  18.  Juni  1904.  Dankschreiben  der  Herren  Capitan  und  .Manouvrier 
S.513.  —  70.  Geburtstag  des  Herrn  P.  As« herson  und  60j&hriges  Doktorjubiläum  des 
Herrn  Förstemann  S.513.  —  Begrüssung  der  Herren  Schweinfurth  und  Boas  S.  514- 

—  Einladung  zu  der  35.  allgemeinen  Versammlung  der  Deutschen  anthropologischen  Ge- 
sellschaft in  Greifswald  und  zu  dem  14.  Internationalen  Amerikanistenkongress  in  Stuttgart 
8.  51  I.  —  Exkursion  nach  Fürstenberg  in  Mecklenburg,  Enthüllung  und  Übergabe  der 
Gedenktafel  für  Schliemann   8.511.  —   Ägyptische  Knallpeitsche  .Fergille"  (l  Textabb.'. 


—      VI     — 

G.  Sohweinfurth  S.  517.  —  Steinskulpturen  von  der  Insel  Java  (5  Textabb.),  Stornier 
S.  519.  —  Knochen  aus  der  Oborniker  Kiesgrube.  E.  Krause.  Strauch  S.  524.  —  Studien 
in  den  Ruinen  von  Yucatan,   Seier    S.  526. 

III.  Literarische  Besprechungen. 

Schumann,  H..  Die  Steinzeitgräber  drr  Uckermark.  Prenzlau  1904  S.  527.  — 
Moiitelius,  0.,  Die  ältesten  Kulturperioden  im  Orient  und  in  Europa.  I.  Stockholm  und 
Berlin  1903  S.  528.  —  Schellhas.  P.,  Die  Göttergestalteu  der  Mayahandschriften.  Berlin 
190-1  S.  528.  —  Frobenins,  L,  Geographische  Kulturkunde.  Leipzig  1904  S.  529.  — 
Rawitz.  D.  B..  Urgeschichte,  Geschichte  und  Politik.  Berlin  1903  S.  530.  —  Wilutzki,  P., 
Vorgeschichte  des  Rechts  II  und  III.  Berlin  190.!  S.  5oU.  —  Krauss,  F.  S.,  Die  Anmut 
des  Frauenleibes.  Leipzig  1904  S.  531.  —  Schnitz,  H.,  Völkerkunde.  Leipzig  und 
Wien  1903   S.  531. 

IV.  Eingänge  für  die  Bibliothek S.  532 


Heft  Y. 

I.  Abhandlungen  und  Vorträge.  geite 

1.  A.  Lissauer:  Erster  Bericht  der  von  der  Deutschen  anthropologischen  Gesellschaft 
gewählten  Kommission  für  prähistorische  Typenkarten.  (62  Textfiguren  und 
3  Kartenbeilagen) 5;>7 

■J.    Hubert  Schmidt:   Troja-Mykene-Ungarn.    (34  Textfiguren) 608 

II.   Verhandlungen. 

Sitzung  vom  10.  Juli  1904.  Nicoluc ci,  Hilgendorf  f  S.  G57.  —  Neue  Mit- 
glieder S.  (157.  —  Wahl  des  Herrn  Waldeyer  zum  Mitgliede  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  Paris  und  des  Herrn  Robert  Koch  zum  Mitgliede  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  Berlin  S.  657.  —  Wahl  der  Herren  Traeger  und  Ehrenreich  als  Delegierte 
der  Gesellschaft  zum  Amerikanisten-Kongress  in  Stuttgart  S.  <>57.  —  Bewilligung  der 
Heihilfe  durch  den  Herrn  Unterrichts-Minister  für  das  laufende  Rechnungsjahr  S.  657.  — 
Beitritt  zum  Verband  deutscher  Vereine  für  Volkskunde  S.  658.  —  Gäste  S.  658.  —  Reise 
des  Herrn  Kiessling  in  Griechenland  S.  658.  —  Liegen  die  Tonalamatl  der  Maya- 
handschriften in  bestimmten  Jahren?  Försteuiann  S.  659.  —  Neuere  Ausgrabungen  in 
Skandinavien,  Finu  S.  668.  —  Das  Schiff  von  Torsberg,  Gustaf'son  S.  <>70.  —  Eine 
Methode  farbiger  Konservierung  frischer  Leichenteile  für  die  Zwecke  der  somatischen 
Anthropologie,  C.  Strauch  S.  671,  Waldeyer  S.  <i75.  —  Danewerk  und  Hedeby  (2  Karten- 
skizzen im  Text),  Meissner  S.  r>75.  —  Reise  von  Peking  nach  Rangoon  durch  China  und 
Chinesisch-Tibet,  Assmy  S.  G97.  —    Schädel  eines  Battakers,  Waldeyer  S.  697. 

Ausserordentliche  Sitzung  vom  23.  Juli  1904  in  Zehlendorf.  Die  Neuerwerbungen 
der  chinesisch-japanischen  Sammlung  des  Herrn  A.  Fischer,    Fischer    S.  698. 

111.  Literarische  Besprechungen. 

Stratz,  C.  H,  Die  Frauenkleidung  und  ihre  natürliche  Entwicklung.  ."!.  Auflage 
Stuttgart  1904  S.  700.  —  van  der  Bürgt.  .1.  M.  M.,  Dictionnaire  Francais -Kirundi. 
Bois-Le-Duc  1903  S.  7n.;.  —  Iwanowski.  A.  A.,  Über  die  anthropologische  Zusammen- 
setzung der  Bevölkerung  Russlands.  Moskau  1904  S.  704.  —  Wilser,  Ludwig.  Die 
Germanen.  Eisenach  und  Leipzig  1904  S.  706.  Haack,  Hermann,  Geographenkalender. 
j.  Jahr-.     1904  05.    Gotha  L904    S.  708. 

IV.    Eingänge  für  die  Bibliothek S.  709 


—     VII 


Heft  VI. 

I.  Abhandlungen  und  Vorträge.  Seitt. 

1.  A.  Plehn:  Beobachtungen  in  Kamerun.    Über  die  Anschauungen  and  Gebräuche 

einiger  Negerstämme  (4  Textabb.) 713 

2.  It.  II.  Mathews:  Language  of  the  Wuddyäwürrn  Tribe,  Victoria 729 

3.  Carl  .Meinhof:  CJber  M.  Merkers  „Masai" 735 

II.  Verhandlungen. 

Sitzung- vom  22.  Oktober  1904.  M.  Bartels,  Philippi,  A.  Nehring,  v.  Martens, 
Abraham,  Härche,  Meyer  Cohn,  Robel,  Drory,  Ratzel,  Sixt,  F.  Plehn  f  8.745. 
Dankschreiben  von  Koganei  in  Tokyo  S.  717.  —  Verleihung  der  goldenen  .Medaille 
für  Kunst  und  Wissenschaft  an  Fräulein  Mestorf  S.  747.  —  Neue  Mitglieder  S.  747.  — 
Reise  dos  Hrn.  von  Le  Co<j  nach  Chinesisch-Turkestan  8.  718.  —  Wahl  der  Herren 
Lissauer  und  Kiessling  als  Delegierte  für  den  Internationalen  archäologischen  Kongress 
in  Athen  S.  748,  —  Brettchenweberei,  Handtmaun  8.  748.  —  Tätowieren  in  Nordafrika. 
A.  vau  Geunep  S.  719.  —  Eolithen  von  Biere,  Brecht  8.  7.">o.  —  Gräber  in  Tburow  bei 
Züssow  (4  Textabb.)  Peroice  S.  752.  -  Fälschung  einer  Statuette,  Bobriusky  S.  758.  — 
Bericht  der  Rethra-Kommission  (4  Textabb. )  Voss,  Oesten  S.  758.  -  Nachtrag  über 
chaldiscbe  Inschriften,  C.  F.  Lehmann  S.  765.  —  Beitrag  zur  Vorgeschichte  des  Picenum, 
S.  Baglioni  S.  7(55.  —  Altpenianische  Metallgeräte,  Baessler,  Weeren  S.  765.  —  Peru- 
anische Mumien,  Untersuchungen  mit  X-Strahlen.  Baessler  S.  7i',;>.  -  Steinzeitliche 
Forschungen  in  Oberägypten  (49  Textabb.  und  Tafel  VI),  Schweinfurth  S.  766.  Lissauer. 
Hahne.  Jäkel,  E.  Krause,  Favreau  S.  825.  —  Vorlage  eines  Berichtes  über  die  Schokleng, 
K.  v.  (1.  Steinen  S.  830.  —  Über  die  wilden  Waldindianer  Santa  Catharinas:  die  Schokleng 
(1  Textabb.),  Bleyer  S.  830.  -  Schädel  eines  Schokleng  und  eines  Bugre  aus  Santa 
Catharina,  Brasilien  (mit  5  Textabb.),  Lissauer  S.  844.    Ehrenreicb  S.  852. 

Sitzung  vom  19.  November  1904.  Wahl  des  Hrn.  Neuhauss  zum  Schriftführer 
S.  853.  —  Gruss  des  Hrn.  Traeger  aus  Kroatien  und  Serbien  S.  853.  —  Gattel,  Ideler, 
Stübel  r  8.  853.  —  Neue  Mitglieder  S.  853.  —  60jähriges  Stiftungsfest  der  Prussia  S.  853. 
-  Begriissung  der  Gäste  S.  85:!.  —  Altpatagonische,  angeblich  syphilitische  Knochen  aus 
dem  Museum  zu  LaPlata  ."»Textabb.),  Lehmann- Nitsche  S.  854.  v.  Hausemauu  S.  859. 
—  Zwei  Fundstücke  aus  der  Oldenburg  bei  Hedehy,  H.  Virchow  S.  862.  —  Sechs  Photos 
von  Westgrönländern,  II.  Virchow  S.  862.  —  Bericht  über  den  14.  Amerikanistenkongress 
in  Stuttgart,  Ehrenreicb  8.  *&2.  —  Kulturkreise  und  Kulturschichten  in  Ozeanien  und 
Afrika,  Graelmer  und  Ankermann  8.  866. 

Sitzung  vom  17.  Dezember  1904.  R.  Langerhans,  J.  Lange,  filieck,  Vougat 
S.  867.  —  Neue  Mitglieder  für  1904  S.  867.  —  Verwaltungsbericht  für  das  Jahr  VMH, 
Lissauer  S.  867.  —  Rechnungsbericht  für  das  Jahr  1904,  Sökeland  S.  871.  —  Bericht 
über  den  Stand  der  Rudolf  Virchow- Stiftung  für  das  Jahr  1904,  H.  Virchow  S.  87."..  — 
Wahl  des  Vorstandes  für  das  Jahr  1905  S.880.  -  Neue  Mitglieder  für  1905  S.  880.  — 
Brief  des  Hrn.  Kiessling  aus  Arta  S.880.  —  Einladung  zum  Internationalen  Anthro- 
pologenkongress  in  Monaco  im  Jahre  19<>6  S.  881.  —  Bericht  von  Hrn.  Klaatsch, 
Waldeycr  S.881.  —  Oa  tibiale  ezternum  l'titzner.  Waldeycr  S.  881.  —  Canalis  cranio- 
pharyngeus,  Waldeyer  8.  882.  —  Sammlung  Boggiani  von  [ndianertypen  aus  dem  zentralen 
Südamerika,  Lehmann-Nitsche  8.  882.  -  Der  Götze'sche  Böschungsmesser  [3  Textabb. \ 
Bellmlcb  S.  885.  Götze  S.  890.  —  Nachtrag  zu  „Troja-Mykene-Ungarn",  Hubert  Schmidt 
8.  890.  —  Ober  Schädel  der  Steinzeil  und  der  frühen  Bronzezeit  aus  der  Umgegend  von 
Worms  a.  Rh.  (6  Textabb.),  P.  Harteis  S.  891  —  Beitrage  zur  vorgeschichtlichen 
Metallurgie,  Götze  8.  897. 

III.   Literarische  Besprechungen. 

Matiegka,  Heinrich.  (Jber  Schädel  und  Skelette  von  Santa  Rosa  i Santa  Barbara- 
Archipel    bei    Kalifornien).     Prag  1904    S.  8!  S  Krause.    Eduard,    Die    Werktätigkeit 


—     VIII     — 

der  Vorzeit.  Berlin  1904  S.  899.  —  Behlen,  H.,  Der  Pflug  und  das  Pflügen  bei  den 
Eömern  und  in  Mitteleuropa  in  vorgeschichtlicher  Zeit.  Dillenburg  1904  S.  900.  — 
Krause,  Eduard,  Vorgeschichtliche  Fischereigerate  und  neuere  Vergleichsstücke.  Berlin 
1904   S.901. 

IV.  Eingänge  für  die  Bibliothek S.  902 

Berichtigung S.  904 

Alphabetisches  Inhaltsverzeichnis S.  905 


Verzeichnis  der  Tafeln  und  Kartenbeila^en. 


Tafel  I— IV.     Gewerbe  iu  Ruanda  S.  329—372. 

V.  Typen  junger  männlicher  Eingeborener  von  Wuwulo  (Maty-Insel)    S.  384—41"). 

VI.  Austrittsstelle    des   Hauptarmes    der  Uadije'n    und   Lakustre  Ablagerungen  des 

Altdiluviums  in  der  Umgegend  von  Theben  S.  814—825. 

Kartenbeilage  1 — 3.    Typunkarten    der  Flach-    und  Randäxte,    der    Ruder-  und  Scheiben- 
nadeln und  der  Radnadeln   S.  537 — 6<)7. 


Berliner  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

l'.mi. 

Vorstand,  1.  Januar  1904. 

Dr.  W.  Waldeyer,  Professor,  Geh.  Med.-Rat,  Vorsitzender. 

Dr.  A.  Lissauer,  Sanitätsrat,  |  Dr.  A.Voss,  Geh.  Regierungsrat,  Direktor 


Professor.                        I   s< "iu,l't,'eter  der    vaterländischen    Abteilung    des 

Dr.     K.     von     den    Steinen,   I    Vorsitzenden  Königl.    Museums    für    Völkerkunde, 

Professor.                         J  Schriftführer. 
Dr.  M.  Bartels,  Geh.  Sanitätsrat,  Professor,  Hermann     Sökeland.     Fabrikant,     Schatz- 
Schriftführer,  meister. 
Dr.  phil.  Paul  Traeger,   Schriftführer. 

Ausschuss,  9.  Januar  1904. 
Dr.  jur.  v.  Kaufmann,  Geh.  Regierungsrat,  Professor,  Obmann. 


Dr.  phil.  A.  Bässler,  Geh.  Hofrat,  Professor. 
Di-,  med.  et  phil.  P.  Ehrenreich,  Privatdozent. 


Dr.  med.  et  phil.  F.  v.  Luschan.  Professor. 
Dr.  jur.  G.  Minden,  Syndikus. 


E.   Friedel.    Geh.   Regierungsrat,   Stadtrat.   P.  Staudinger. 


Dr.   F.  W.  K.  Müller,   Direktorial-Assistent 
am  Königl.  Museum  für  Völkerkunde. 


Dr.  med.  C.  Strauch.  Privatdozent. 


Organ  der  Gesellschaft:  Zeitschrift  für  Ethnologie. 

Redaktions-Kommission:  Lissauer.  K.  von  den  Steinen  und  Voss. 
Anthropologische  Kommission:  Lissauer,  v.  Luschan  und  C.  Strauch. 
Bibliotheks-Kommission:  Lissauer  und  Traeger. 
Kustos  der  Photographien-Samndung:  Bartels. 

Ehrenmitglieder,  1.  Januar  1904. 

1.  Frau  Grälin  Uwarow,  Präsident  der  Kaiserlieh  Russischen  Archäologischen 
Gesellschaft,  Moskau,  erwählt  den  21.  Dezember  L889. 

2.  Fräulein  Johanna  Mestorf,  Professor  und  Direktor  des  Museums  vaterländischer 
Altertümer  in  Kiel,  erwählt  den  18.  Juli  1891. 

3.  Ministerialrat,  Freiherr  Ferdinand  v.  Andrian-Werburg,  Präsident  der  Wiener 
anthropologischen  Gesellschaft,  Aussee.  Steiermark,  erwählt  den  14.  Juli  1894. 

4.  Prof.  Di-.  Johannes  Ranke,  erster  Vorsitzender  der  Münchener  Gesellschaft 
für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte,  General -Sekretär  der 
Deutschen  anthropolog.  Gesellsehali.    München,   erwählt  den  8.  März  li 

5.  Prof.  Dr.  Rudolf  A.  Philippi.  Santjago,  Chile,  erwählt  den    17.  März  1900. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.  1 


Korrespondierende  Mitglieder, 

mit  Angabe  des  Jahres  der  Ernennung. 


1.  Anutschin,  D..    Dr.,    Professor,     1889  119. 
Präsident  der  Kaiserl.  Gesell- 
schaft der  Freunde  der  Natur-  20. 
Wissenschaften,  der  Anthropo- 
logie und  Ethnographie,    Mos- 
kau. 21. 

2.  Aspelin,  J.  R.,  Dr.,  Staatsarchae-     1874 
olog,  Helsingfors,  Pinnland. 

3.  Barnabei,  Professore,  Rom.  1894   22. 

4.  Baye,  Baron  Joseph  de,  Chateau     1890 
Baye,   Depart.  Marne,   Frank-  23. 
reich. 

5.  Beddoe,  John,  M.  D.,  F.  R.  S.     1871 
The  Chantry,  Bradford-on-Avon 

(Wilts)  England.  |  24. 

6.  Beliucci,    Giuseppe,   Prof.,   Dr., 
Perugia. 

7.  Blumentritt,    Ferdinand,    Prof., 
Leitmeritz,  Böhmen. 

8.  Boas,    Franz,  Dr.  phil.,   Prof., 
New -York. 

9.  Bonaparte,  Roland,  Prinz,  Paris. 

10.  Brigham,  William,  T.,  A.  M., 
A.  A.  S.,  Director  of  the  Bernice 
Pauahi  Bishop  Museum  of  Poly- 
nesian  Ethnology  and  Natural 
History,  Honolulu,  Hawaiian 
Islands. 

11.  Brizio,  E.,  Professor,  Director 
des  Museo  civico,  Bologna. 

12.  Burgess,  J.,  L.  L.  D.,  C.  I  E., 
Director  Gen.  oftheArchaeolog. 
Survey  of  India,  Edinburgh. 

13.  Calvert,  Frank,  Amer.  Konsul, 
Dardanellen,  Kleinasien. 

14.  Capellini.  G. ,  Prof.,  Senator. 
Bologna. 

lö.  Capistrano  de  Abreu,  Dr.  Joäo, 
Rio  de  Janeiro. 

16.  Cartailhac,  F..  Toulouse. 

17.  Castelfranco,  Pompeo,  R.  Ispet- 
torc  dcgli  Scavi  e  Monumenti 

di  Antichitä,    Mailand. 

18.  Chantre,  Erncst,  Professor,  Sub-     1881 
direktor  desMuseums  für  Natur- 
geschichte, Lyon.  37. 


1881 

1900 

25 

1899 

1885 

2G 

1898 

27 

28 

29 

30 

1891 

31 

1887 

32 

33 

1875 

1871 

34 

1895 

35 

1881 

1883 

3G. 


Costa,    Pereira   da,   Dr.,   Prof.,     1872 
Lissabon. 

Dawkins,   W.  Boyd,    Professor.     1877 
M.  A.,    F.  R.  S.,    Woodhurst, 
Jallowfleld,  Manchester. 
Delgado,  Joaquim  Filippe  Nery,     1881 
Chef  der  Geologisch.  Landes- 
aufnahme, Lissabon. 
Delorme,    D.    Ancien    Ministre     1897 
d'Haiti,  Brüssel. 

Dörpfeld,   Wilh.,  Professor,  Dr.,     1903 
erster  Sekretär  des  Kaiserlich 
Deutschen  Archäologischen  In- 
stituts, Athen. 

Dupont,  Ed.,  Direktor  des  Kgl.     1871 
naturgeschichtlichen  Museums, 
Brüssel. 

Evans,  Sir  John,  D.  C.  L.,  L.  L.     1874 
D.,  F.  R.,  S.,  Pres.  Num.  Society 
London,    Nash    Mills,    Hemel 
Hempsted,  England. 
Fewkes,  J.  Walter,  Washington.     1900 
Flex,  Oscar.  Missionär,    Karls-     1873 
ruhe. 

Garson,  J.  G.,  M.  D.,  London.  1889 
Gemellaro.  Direktor  des  paläont.  1883 
Museums,  Palermo. 
Gerlach,  Dr.  med.,  Hongkong.  1880 
Gross,  V.,  Dr.  med.,  Neuveville,  1880 
Schweiz. 

Guimet,  Emile,  Lyon.  1882 

Haddon,  A.  C.,  Sc.  D.,  F.  R.  S.     1903 
President  of  the  Anthropolog. 
Institute   of  Great  Britain   and 
Ireland,  Cambridge. 
Hamdy  Bey,  Direktor  d.  Grossh.     1894 
Ottomanischen  Museums,  Kon- 
stantinopel. 

Hampel,  Josef,   Professor,  Dr.,     1884 
Kustos    am  National -Museum, 
Budapest. 

Hamy,   Einest,   Dr.,  Professeur     1882 
d'  Anthropologie     au    Museum 
d'hist.    naturelle,    Membre    de 
l'Institut,   Paris. 
Hausmann,  Professor,  Dorpat.         1896 


38 


10, 

41. 
42. 
43. 

44. 

45. 

46. 

47. 
48. 

4  I. 


50. 
51. 

53. 


54. 


DO. 


."'.. 


w. 


Heger.  Franz.  K.  und  K.  Regie-     1893    5!» 

rungsrat,  Leiter  der  Anthropo- 
logisch i-E&hnogra phischen  Ab- 
teilung am    K.  K.  Naturhistor. 

Hofmuseum,  Wien.  60. 

Heierli,  J.,  Dr.  hon.  <•..  Privat-     1890 

Docent,  Zürich. 

Heibig,  Wolfgang,  Dr..  Professor,     188:;   61. 

Rom. 

Herrmann.     Anton.     Dr.    phil..     1889 

Professor,  Budapest.  62. 

Hildebrand,  Hans,  Dr..   Reichs-     1872 

antiquar,  Stockholm. 

Hirth,  Fr..  Dr.,  Professor,  New-     1886 

York. 

Holmes,\Villiamll.,HeadCurator     1903    63. 

ofthe  Unit.  States  National  Mu- 
seum, OhiefBureauof  American 

Ethnology,  Washington.   D.  C.  G4. 

Hörmann.    Konstantin.     Holrat,     1894 

Direktor  des  Landes-Museums,  65. 

Sarajevo,  Bosnien. 

Hörnes.  Moriz,  Dr.  phil.,  Prof., 

Wien. 

Houtum-Schindler.  A..    General, 

Teheran. 

Jacques. Victor.  Dr..Seeretairede 

la  Societe  d'Anthrop.,  Brüssel. 

Jhering.     Hermann     von.     Dr.. 

Director  do  Museo  zoologico, 

Säo   Paulo.   Brasilien. 

Kate.  H.  ten,  Dr.,  Batavia,  Java. 
Kern,  H.,  Prof.  Dr.  phil.,  Leiden. 
Kollmann,  J.,Dr.med.,  Pro  f.,  Basel. 
Lacerda.  Dr..  Professor,  Direktor 
des  National-Museiinis,  Rio  de 
•Janeiro. 

Lortet.  l.dii is.  Prof.  Dr.,  Direktor     1883    70. 
des  naturhistorischen  Museums, 
Lyon. 

Lubbock.  Sir  John,  Bart.,  M.  P.,     187]    71. 
High  Firns.  Farnborough.  Kent. 
England. 

Macalister.   Prof.  der  Anatomie.      1893 
Cambridge,  England.  72. 

Makowsky.  Alexander.  Dr.  phil..     1897 
Professor,  Brunn,  Mähren.  73. 

Man.    Edward    Horace,    früher     1885 
\.wi sunt  Superintendent.  Kings- 
ton upoii  Thames,  Surrey,  Eng-  74. 
land. 


1894 

66. 

67. 

1878 

1889 

68. 

1886 

69. 

1886 

1898 

1887 

1889 

Mantegazza,    Paolo,    Prof.,    Di-     1871 
rector   des   National -Museums 
für     Anthropologie,     Senator. 
Florenz. 

Marchesetti,  Carlo  de,  Dr..  Dir.     1887 
des  naturhistoi  im  heu  Museums, 
Triest. 

Martin,  F.  R.,  Dr.  phil.,  Assistent     1898 
am   archäologisch -historischen 
Staatsmuseuni,  Stockholm. 
Mason,  Otis  T.,  A.  M.,  Ph.  D.,     1895 
Curator  of  the  Department  of 
Ethnology  in  the  United  States 
Nat.  Mus.,    Smiths.   Institution, 
Washington,  D.  C. 

Mc  Gee,   W.  J.,  Dr ,    President     1903 
of    the     American    Anthropol. 
Association,  Washington.  D.  C. 
Montelius,  Oscar.  Dr.  phil.,  Prof..     1872 
Stockholm. 

Moreno.  Don  Francisco,  Director     187* 
desNational-Museums,  La  Plata. 
Morgan,  J.  de,  z.  Z.  in  Persien.     1897 
Morse,  Edw.  S.,   Professor  Dr..     1889 
Director  der  Peabody  Academv 
of  Science,  Salem,  Mass. 
Morselli,  Enrico,  Dr.  med..  Pro-     1881 
fessor,   Direttore  della  Clinica 
Psichiatrica  della  R.  Universitä. 
Genua. 

Much.  Matthäus.  Dr.  jur..  Re-  1894 
gierungsrat,  Mitglied  und  Kon- 
servator der  K.  K.  Central- 
Kommission  zur  Erforschung 
und  Erhaltung  der  Kunst-  und 
historischen  Denk  male.  Hietzing 
bei  Wien. 

Müller.    Sophus,    Dr..    Direktor     L882 
des  Xational-Museums,  Kopen- 
hagen. 

Munro.    Hoheit.   M.  A..    M.  D..     1897 
F.  R..   S.  E  .   Secretary  of  the 
Society  of  Antiquaries  of  Scot- 
land,  Edinburgh. 

Nicolucci.     Giustiniano,    Prof..      1871 
Dr..  [sola  di  Sor.i.  Neapel. 
Noetling.    Dr.  phil..    Palaeonto-     1894 
lo^ist  of  the  Geological  Surrey 
of  India.  Caleutta. 

Orsi.  Paolo,    Dr..  K.    [spettore     1888 
degli  seavi.  Svracus. 


—     4 


75.  Penafiel.  Antonio,  Dr.,  Prof., 
Mexico. 

76.  Petrie,W.  M.  Plinders,  M.C.L., 
L.  L.  D.,  Edwards-Professor  of 
Egyptology  in  the  University 
College,  London. 

77.  Pigorini,  Luigi,  Prof.,  Direktor 
des  prähistorisch-ethnographi- 
schen Museums,  Rom. 

78.  Pisko,  Leiter  des  K.  und  K. 
österr.-ungar.  General-Konsu- 
lates in  Shanghai  (China). 

79.  Prosdocimi ,  Alessandro,  Cav., 
Professor,  Dr.,  Este,  Italien. 

80.  Putnam,  F.  W.,  Professor,  Cu- 
rator  of  the  Peabody  Museum, 
Harvard  University ,  Cam- 
bridge, Mass. 

81.  Radioff,  W..  Dr.,  Akademiker, 
St.  Petersburg. 

82.  Retzius,  Gustaf,  Dr..  Professor, 
Stockholm. 

83.  Riedel,  J. Gerard  Friedr.,Nieder- 
ländischer  Resident,  Haag. 

84.  Risley,  H.  H.,  President  Asiatic 
Soc.  of  Bcngal,  Calcutta. 

85.  Rivett-Carnac,  J.  H.,  Colonel, 
Aide  de  Camp  of  His  Majesty 
the  King,  Schloss  Wildeck, 
Aargau,  Schweiz. 

86.  Salinas,  Antonio,  Professor, 
Direktor  d.  National-Museums, 
Palermo. 

87.  Schmeltz,  .1.  D.  E.,  Dr.  phil, 
Direktor  des  Ethnographisch 
Rijksmuseum,  Leiden. 

88.  Schulze,  L.  F.  M.,  Kapitän  a.  D., 
Batavia,  Java. 

89.  Sergi,  Giuseppe,  Professor  Dr., 
Direktor  d.  anthrop.  Museums, 
Rom. 

90.  Stieda,  Ludw..  Geh.  Medizinal- 
rat, Professor  Dr..  Königs- 
berg i.  Pr. 

91.  Stolpe.  Iljalmar.  Dr.  phil., 
Direktordes  ethnographischen 
Reichsmuseums,  Stockholm. 

9-2.  Studer.  Theophil,  Dr..  Prof. 
Bern. 


1891      93.    Stuers,    Jonkheer  Victor    de,     1900 
Meester,    Referendaris    Chef 

1897 .  der    Afdeeling    Künsten     en 

Wetenschapen  aan  het  De- 
partement van  Binnenlandsche 
Zaken,  Haag. 

1871      94.    Szombathy,  Josef,   Kustos  am     1894 
K.K.  naturhistor.  Hofmuseum, 
"Wien. 

1895     95.    Tarenetzky,  Dr.,  Prof.,  Präsident     1899 
der  Anthropolog.  Gesellschaft 
der  Kaiserl.  Militär-Akademie, 
St.  Petersburg. 

96.  Topinard.  Paul,  Dr.,  Professor.     1879 
Paris. 

97.  Troll,  Joseph,  Dr.,  Wien.  1890 

98.  Truhelka,     Ciro,     Kustos    am     1894 
Bosnisch  -  Hercegowinischen 

1884  Landes  -  Museum,     Sarajevo, 

Bosnien. 

99.  Turner,  Sir  William,  Prof.  der     1890 
Anatomie,  Edinburg. 

1871  !  100.    Tylor,   Edward,  B.,    Professor     1893 

d.  Anthropologie,  Kurator  des 
1895  j  Museums,  Oxford. 

101.  Ujfalvy  de  Mezö-Kövesd,  Ch,  E.     1879 
de,  Professor,  Florenz. 

102.  Vedel,    E.,     Amtmann,    Yize-     1887 
Präsident     der    Königl.     Ge- 
sellschaft für  nordische  Alter- 

1883  tumskunde,   Sorö,   Dänemark. 

103.  Watson,  Dr.  med.,  Professor,     1898 
Adelaide,  Australien. 

:    104.    Weisbach,  Augustin.  Dr.  med.,     1871 
General-Stabsarzt,  Graz, 
i  105.    Wheeler,   George  M.,    Captain     1876 
1898  |  Corps  of  Engineers  U.S.Army. 

Washington,  D.  C 
1891    106.    Wieser,    Ritter  von  Wiesenhort,     1894 
Franz,    Dr.   phil.,    Professor, 
Präsident  des  Ferdinandeums, 
1883  Innsbruck. 

107.    Wilson,    Dr.  med.,    Professor,     1898 
Sydney,  Australien. 
18941108.    Zampa,    Raffaello,    Professor     1891 
Dr.,  Perugia  per  Bosco. 
109.    Zichy,  Eugen,  Graf,  Budapest.     1897 
1885    110.    Zwingmann,  Georg,  Dr.,  Med.-     1873 
Inspektor,  Kursk,  Russland. 


—      .)     — 


Ordentliche  Mitglieder,    1904. 


a)    Immerwährende  (nach  ^  14  der 
Statuten). 

1.  Cahnheim,  U.,  Dr.  med.,  Dresden. 

2.  Corning,  Dr.  med.,  Morillon,  Genf. 

3.  Ehrenreich,    Paul,    Dr.   med.   et  phil., 
Privatdozent,  Berlin. 

4.  Loubat,  Duc  de,  Exzellenz,  Paris. 

5.  Riegler.  ('..  Direktor,   Stuttgart. 

b)  Jährlich   zahlende   (nach   §  11    der 
Statuten). 

1.  Abel,  Karl,  Dr.  med.,  Berlin. 

2.  Abraham.    Dr.  med..   Geh.  Sanitätsrat, 
Berlin. 

3.  Adler,  E.,  Dr.  med.,  Sanitätsrat,  Berlin. 

4.  Adolf   Friedrich,    Herzog  zu  Mecklen- 
burg, Hoheit,  Berlin. 

5.  Ahrens,  Dr.  med.,  Berlin. 

6.  Albrecht.  Gustav,  Dr.  phil.,  Charlotten- 
burg. 

7.  Albu,  Dr.  med.,   Privatdozent,  Berlin. 

8.  Aisberg,  M.,  Dr.  med.,  Kassel. 

9.  Altertumsverein,  Worms. 

10.  Altrichter.  Karl.  Gerichts  -  Sekretär, 
Berlin. 

11.  Andree,  Rieh..  Dr.  phil.,  Professor 
München. 

12.  Ankermann.  Bernhard, Dr.  phil.,  Direkto- 
rial-Assistent  am  Künigl.  Museum  für 
Völkerkunde.  Berlin. 

13.  Aschenborn,  Oscar,  Dr.  med..  Geh. 
Sanitätsrat,  Berlin. 

14.  Ascher,  Hugo,  Kaufmann,  Berlin. 

15.  Ascherson.  P..  Dr.  phil.  et  med.,  Prof., 
Berlin. 

16.  Aschoff,  Albert,  Dr.  med.,  Berlin. 

17.  Aschoff,  L..  Dr.  med..  Geh.  Sanitäts- 
rat, Berlin. 

18.  Ash,  Julius,  Fabrikant,  Berlin. 

19.  Audouard.A..  Majora.D., Charlottenburg. 

20.  Auerbach.  Richard,  Kaufmann,  Char- 
lottenburg. 

21.  Bab,  Hans,  prakt.  Arzt.  Charlottenburg. 

22.  Baelz.  E.,  Dr.  med.,  Geh.  Hofrat, 
Professor  an  der  Kaiserl.  Universität 
Tokio,  Japan. 


23.  Bär.  Adolf,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäts- 
rat, Berlin. 

24.  Bässler,  Arthur,  Dr.  phil.,  Geh.  Hof- 
rat, Professor,  Berlin. 

2.">.  Barschall.  Max,  Dr.  med.,  Geheimer 
Sanitätsrat,  Berlin. 

26.  Bartels,  Max,  Dr.  med.,  Professor,  Geh. 
Sanitätsrat,  Berlin. 

27.  Bartels,  Paul,  Dr.  med.,  Berlin. 

28.  Bassermann,  Reichtags -Abgeordneter, 
Mannheim. 

-J9.  Bastian,  A.,  Dr.  med.  et  phil.,  Geh. 
Reg. -Rat,  Professor,  Direktor  des 
Königl.  Museums  für  Völkerkunde, 
Berlin. 

30.  Bauer,  D.  Guillermo,  Dr.,  Mexiko. 

31.  Bauer,  Fr.,  Baurat,  Magdeburg. 

32.  Begemann,  Dr.  phil..  Gymnasial- 
Direktor,  Xeu-Ruppin. 

33.  Behla,  Robert,  Dr.  med..  Medizinalrat, 
Potsdam. 

34.  Behlen,  Heinr..  Oberförster,  Haiger, 
Reg.-Bez.  Wiesbaden. 

35.  Behrend,  Adolf,  Verlags-Buchhändler, 
Berlin. 

36.  Belck,  Waldemar,  Dr.  phil.,  Frankfurt 
a.  Main. 

37.  Belli,  Ludwig,  Dr.  phil.,  Frankfurt  a.M. 

38.  Benda,  C,  Dr.  med.,  Privatdozent. 
Berlin. 

39.  Berendt,  G.,  Dr.  phil.,  Prof.,  Berlin. 

40.  Bergmann,  Ernst  v.,  Dr.  med ,  Professor, 
Wirkl.  Geheimer  Rat.  Exzellenz. 
Berlin. 

41.  Bernhardt.  M..  Dr.  med..  Prof..  Geh. 
Medizinalrat,  Berlin. 

42.  Beuster,  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrat. 
Berlin. 

43.  Bibliothek.  Grossherzogliche.  Xeu- 
Strelitz. 

44.  Bibliothek,  Stadt-,  Stralsund. 

45.  Bicliothek,  Universitäts-,  Basel. 

46.  Bibliothek,  Universitäts-,  Greifswald. 

47.  Bibliothek,  Universitäts-,  Tübingen. 

48.  Bindemann,  Hermann.  Dr.  med..  Berlin. 
41'.    Blankenhorn.  M..  Dr.  phil.,  Privatdozent, 

Pankow-Berlin. 


50. 
51. 

52. 

53. 

54. 
55. 
56. 

57. 

58. 

59. 
60. 

61. 

62. 

68. 

64. 
65- 

06. 
67. 
68. 
69. 
70. 
71. 


73. 

74. 
7.'). 
76. 

77. 

7m. 

7!). 
80. 


Blasius,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Geheimer     81. 
Hofrat,  Professor,  Braunschweig.  82. 

Bleyer,    Georg,    Dr.    med.,    Tijucas, 
Estado  de  Santa  Catharina,  Brasilien.  :    83. 
Bloch,   Iwan,  Dr.  med.,  Berlin. 
Blumenthal,   Dr.  med.,    Geh.  Sanitäts-     «4. 
rat,  Berlin.  85. 

Bohls,  J.,  Dr.,  Lehe.  86. 

Bolle,  Dr.  med.,  Alt-Moabit-Berlin.  87. 

Bong.  Verlagsbuchhändler,  Berlin.  88. 

Bormann,  Alfred,  Dr.   med.,  Oberarzt,     89. 
Engers  bei  Koblenz. 

Born,   L.,    Dr.,    Prof..    Corps  -  Ross-     90. 
arzt  a.  D.,  Berlin. 

Bouchal,  Leo,  Dr.  jur.,  Wien.  91. 

Bracht,     Eugen,     Landschafts -Maler,      92. 
Professor,  Dresden.  93. 

Bramann,    v.,     Dr.    med.,    Professor,     94. 
Halle  a.  S. 

Brand,  E.  v.,  Oberstleutnant  a.  D.,  Wutzig     95. 
bei  Woldenberg  in  der  Neumark. 
Brandt,  v.,  K.  deutscher  Gesandter  und     96. 
bevollmächtigter  Minister  a.  D.,  Wirk]. 
Geheimer  Rat,  Exz.,  Weimar.  97. 

Brasch,  Felix,  Dr.  med.,  Berlin.  98. 

Brecht,  Gustav,  Dr.,  Oberbürgermeister 
a.  D.,  Quedlinburg.  99. 

Bredow,   v.,  Rittmeister  a.  D.,  Berlin. 
Bredow,  Ernst  v.,  Retzow  b.  Buschow. 
Brösike,  G.,  Dr.  med.,  Haiensee  b.  Berlin.    1 00. 
Bruchmann,  K.,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Brühl,  Dr.  med.,  Berlin. 
Brunner,    K.,    Dr.    phil.,    Direktorial-    101. 
Assistent    am    Königl.    Museum    für    102. 
Völkerkunde,  Steglitz  b.  Berlin. 
Brunnhofer,  Hermann,  Dr.  phil.,  Biblio-    LOS. 
thekar  a   d.  Eidgenöss.  Centralbiblio-    104. 
fchek,  Bern. 

Buchholz,    Rudolf,    Kustos  des  Miirki-    105. 
sehen  Provinzial-Museums,  Berlin.         106. 
Busch.  Friedr.,  Dr.  med.,  Prof.,  Char- 
lottenburg.  107. 

Buschan.  Gr.,  Dr.  med.  et  phil.,  Kaiserl. 
Marine-Stabsarzl  a.  I)..  Stettin.  108. 

Buschke.   A..    Dr.  med..  Privatdozent, 
Berlin.  109. 

Busse.  Herrn.,  Woltersdorfer  Schleuse    L10. 
bei  Erkner. 

Caro.  Henry.  Dr.  med.,  Berlin.  111. 

Cleve.  G.  L,  Pastor,  Tandala,  Afrika. 
Cohn.    Uex.  Meyer,    Bankier,   Berlin. 


Cohn,   William,  stud.  phil.,  Berlin. 
Cordel,  Oskar,  Schriftsteller,  Nicolas  - 
see,  Post  Wannsee  bei  Berlin. 
Croner,  Eduard,  Dr.  med..  Geheimer 
Sanitätsrat.  Berlin. 
Davidsohn,  EL,  Dr.  med.,  Berlin. 
Dempwolff,  Dr.  med..  Stabsarzt,  Berlin. 
Diercks,  Gustav,  Dr.  phil..  Steglitz. 
Dittmer.  Ludwig,  Dr.  med.,  Berlin. 
Domnick,  Pfarrer,  Pfaffendorf.  Mark. 
Dönhoff-Friedrichstein,  Graf,  Friedrich- 
stein bei  Löwenhagen,   Ostpreussen. 
Doutte,  Edmond,  Professeur  d'Arabe, 
Algier. 

Drory,  Ed.,  General-Direktor,  Berlin. 
Ehlers,  Dr.  med.,  Berlin. 
Elkan,  Max,  Kaufmann.  Berlin. 
Ende,  H.,  Königl.   Baurat,  Geheimer 
Regierungsrat,  Professor,  Berlin. 
Engel,  Hermann.  Dr.  med.,  Sanitätsrat. 
Berlin. 

Eperjesy,  Albert  von.  K.  K.  Österr. 
Gesandterund  Kammerherr,  Lissabon. 
Erdeljanovic,  Jovan,  Professor,  Berlin. 
Erdmann.  Max.  Gymnasiallehrer.  Mün- 
chen. 

Ewald,    Ernst,     Professor,     Direktor 
des  Königl.  Kunstgewerbe-Museums, 
Wilmersdorf  bei  Berlin. 
Falkenberg,  Wilh..  Dr.  med  .  Oberarzt 

a.  d.  Irrenanstalt  Herzberge,  Lichten- 
berg-Berlin. 

Fasbender,  H,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin. 
Favreau,  Dr.  jur..  Rechtsanwalt.  Neu- 
haldensleben. 

Felkin,  Robert  W..  Dr.  med.,  London. 
Feyerabend,    Dr.   phil.,    Direktor  des 
Kaiser  Friedrich  Museums,  Görlitz. 
Finn,  W.,  K.  Translator,  Berlin. 
Fischer.  Adolf,  Professor,  Zehlendorf- 
Berlin. 

Fläschendräger.     Fabrikdirektor    und 
Stadtrat  a.  1)..   <  Jassel. 
Fliedner,    Karl.   Dr.  med..  Monsheim 

b.  Worms. 

Florschütz,  Dr.   med.,  Gotha. 
Förtsch,     Major    a.     1).,     Dr.    phil., 
Halle  a.  S. 

Foy,  Willy,  Dr.,  Direktor  am  Rauten- 
strauch-Joest- Museum  (Städtisches 
Museum  für  Völkerkunde),  CÖln  a.Rh. 


112.  Fränkel,  Bernhard, Dr. med., Professor, 
(ich.  Medizinalrat,  Berlin. 

113.  Freudenthal,  Arnold,  Dr.  med.,  Berlin. 
11  1.    Freund,  G.  A  ,   Dr.  phil.,   Berlin. 

115.  Friedel,  Ernst,  Geh.  Regiefüngsrat, 
Stadtrat,  Berlin. 

116.  Friedemann.  Max.  cand.  med.,  Berlin. 

117.  Friedländer.  Benedict.  Dr.  phil., 
Berlin. 

118.  Friedländer.  Immanuel,  Dr.  phil.. 
Neapel. 

119.  Friedrich.  Woldemar,  Maler,  Prof.. 
Berlin. 

120.  Frisch,  A.,  Druckereibesitzer,  Berlin. 

121.  Fritsch,  Gustav,  Dr.  med..  Professor, 
Geh.  Medizinalrat,  Gross-Lichter- 
ielde  b.  Berlin. 

122.  Fritsch.  K.P.  ()..  Professor.  Waren, 
Mecklenburg. 

123.  Fritsche,  Dr.  med.,  Generalarzt  a.  D.. 
IViedenau-Berlin. 

124.  Frobenius,  Leo,  Berlin. 

125.  Fühner,  Hermann,  Dr.,  Strassburg  i.  E. 
12«;.    Fülleborn,   Dr.  med..  Regierungsarzt, 

Hamburg. 

127.  Gaedcke,  Karl,  Ober-Lebrcr,  Salz- 
wedel. 

128.  Gattel.  P.,  Dr 

129.  Gesellschaft. 
(Abteilung 
Berlin. 

130.  Gesellschaft,  historische  Bromberg. 

131.  Gessner,  Hans,  Baumeister,  Berlin. 

132.  Glogner.  Dr.  med.,  Stadsgeneesheer, 
Samarang,  .Java.  z.  Z.  Berlin. 

113.  Glümer,  v..  Leutnant  a.  D.,  Sekretär 
der  Zentralstelle  für  Arbeiter-Wohl- 
fahrts-Einrichtungen, Essen  (Ruhr). 

134.  Görke.   Franz,  Direktor,  Berlin. 

135.  Götz.  (i..  Dr.  med..  Obermedizinalrat, 
Xeu-Strelitz. 

136.  Götze,  Alfred.  Dr.  phil.,  Direktorial- 
Assistent  am  Rönigl.  Museum  für 
Völkerkunde,  Berlin. 

117.    Goldschmidt.  Heim-..    Bankier,    Berlin. 

138.  Goldschmidt.  Oskar,  Dr.  jur..  Grune- 
wald 1».  Berlin. 

139.  Golm.  Bugen,  Verlagsbuchhändler, 
Berlin. 

110.  Gottschalk.  Sigismund,  Dr.  med.. 
Privatdozent.    Berlin. 


med.,  Berlin. 
Deutsche     Kolonial-, 
Berlin  -  Charlottenburg) 


141.  Grempler.  Wilhelm,  \)v.  phil.  hon.  c., 
Dr.  med.,  Professor,  lieh.  Sanitätsrat. 
Breslau. 

142.  Grimm,  Theodor,   Berlin. 

143.  Grosse,  Hermann,  Lehrer,  Berlin. 

144.  Grossmann.  Louis.  Rabbiner  und 
Professor  am  Bebrew  Union  College, 
Cincinnati,  Ohio,  America. 

145  Grubert.  Dr.  med..  Falkenberg,  Pom- 
mern. 

146.  Grünwedel.  A..  Prof.  Dr..  Direktorial- 
Assistent  am  .Museum  für  Völker- 
kunde, Gross-Lichterfelde. 

147.  Gudewill.  .lohn  Carl.  Rentner,  Braun- 
schweig. 

148.  Günther,  Carl,  Photograph,  Berlin. 

149.  Güterbock.  Bruno,  Dr.  phil.,  Berlin. 

150.  Gusserow,  A..  Dr.  med.,  Prof..  Geh. 
Medizinalrat,  Berlin. 

151.  Guthknecht.  Gustav.  Maler.  Steglitz  b. 
Berlin. 

152.  Gutzmann.  H..  Dr.  med..  Berlin. 

153.  Haake,  Dr.  med..  Braunschweig. 

154.  Hänisch.  Harry,  Dr.  med.,  Berlin. 

155.  Haerche,     Bergwerks  -  Direktor. 
SchwTeidnitz,  Schlesien. 

156.  Hagen,  B.,  Dr.,  Hofrat,  Frankfurt  a.  M. 

157.  Hagenbeck,   Karl,    Tierhändler. 
Stellingen  bei  Hamburg. 

158.  Hahn,  Eduard,  Dr.  phil.,  Berlin. 

159.  Hahne,  Hans.  Dr    med.,  Magdeburg. 

160.  Hake,  Georg  v..  Ritterguts- Be-itzer. 
Klein-Machnow  b.  Berlin. 

161.  Hallgarten.  Charles  L.,  Frankfurt  a.  M. 

162.  Handtmann,  E.,  Prediger,  Seedorf  bei 
Lenzen  a.  d.  Elbe,  Westpriegnitz. 

163.  Hansemann.  David  v.,  Dr.  med..  Prof.. 
Prosektor  am  Krankenhause  Pried- 
richshain,  Grunewald. 

164.  Hardenberg.  Freiherr  v..  Majoratsherr 
in  Schlöben  b.  Roda.  Sachsen-Alten- 
burg. 

lti.'i.  Hartmann.  Herrn..  Dr.  phil..  Brot'.. 
Landsberg  a.  W. 

166.  Hartwich.  Karl.  Dr.  phil..  Professor, 
Zürich. 

167.  Hattwich.  Emil,  Dr.  med..  Geheimer 
Sanitätsrat,  Berlin. 

168     Heck.    Dr.  phil..    Direktor  des   /."•  - 

logischen  Gartens,  Berlin. 
169.    Hecker.  Hilmar.  Dr.  phil..  Bonn  a.  Rh. 


8 


170.  Heilborn,  Ad. .  Dr. med.,  Steglitz-Berlin.    199. 

171.  Heimann.  Ernst  A..    Dr.  med..    Char- 
lottenburg. 200. 

172.  Heintzel.  C.  Dr.,  Lüneburg.  201. 

173.  Heibig.  Georg.  Maler,  Berlin. 

174.  Helff,  Albert,   Rechtsanwalt.   Frank-    202. 
fürt  a.  M.  203. 

175.  Hellmann.  Gustav,  Dr.  phil.,  Geh.  Re-   204. 
gierungsrat,  Professor,  Berlin.  205. 

176.  Hennig,  Paul.  Rechtsanwalt,  Berlin. 

177.  Henning.  R..    Dr.  phil.,  Prof.,    Strass-   206. 
bürg  im  Elsass.  207. 

178.  Hermann.  R..  Berlin. 

179.  Herrmann.  Wilh., Eisenbahn-Ingenieur,    208. 
Neuweissensee-Berlin.  209. 

180.  Heyl,  Erwin,  Frhr.  v.,  Gesandtschafts- 
Attache,  Worms  a.  Rh. 

181.  Hilgendorf,   F.,    Dr.  phil.,    Professor,   210. 
Kustos  am  Königl.  Museum  f.  Natur- 
kunde, Berlin.  211. 

182.  Hirschberg,  Julius,  Dr.  med.,  Professor,   212. 
Geheimer  Medizinalrat,  Berlin. 

183.  Hobus,  Felix,  Provinzialvikar  der  Neu-   213. 
mark,  Dechsel,  Kr.  Landsberg  a.  W.    214. 

184.  Holder,  v.,  Dr.  med.,  Ober-Medizinal- 
rat, Stuttgart.  215. 

185.  Höner,  F.,  Zahnkünstler,  Berlin. 

186.  Hofmeier.    .1.,    Dr.  med.,    Sanitätsrat, 
Berlin.  216. 

187.  Hörn,  O.,  Dr.  med.,  Sanitätsrat,  Kreis- 
physikus,  Tondern.  217. 

188.  Houzik,  Ed.,  Ingenieur,  Architekt  beim 
Kriegsministerium,  Bukarest. 

189.  Huguenel.  E.,  Apotheker,  Potsdam.        218. 

190.  Ideler,    Dr.   med..    Geh.   Sanitätsrat,   219. 
Wiesbaden. 

191.  Institut.    Kaiserlich    Archäologisches,    22<». 
Berlin. 

192.  Israel,  Oskar,  Dr.  med.,  Prof.,  Berlin.    221. 

193.  Jackschath,    E.,   Tierarzt,   Reinicken- j  222. 
dorf  bei  Berlin. 

194.  Jacobi,   Alfred,   Dr..  prakt.  Zahnarzt,  i  223. 
Steglitz,  b.  Berlin. 

195.  Jacubowski.  Apotheker,  Borsigwalde  b.    224. 
Tegel. 

196.  Jänicke.     Ernst,    Kaufmann,    Gross-   225. 
Ldchterfelde. 

197.  Jaffe.  Benno,  Dr.  phil.,  Berlin.  226. 

198.  Jannasch.  R.,  Dr.  jur.  ct.  phil.,  Vor- 
sitzender   des    Zentral -Vereins    für  227. 
Bändelst  Geographie,  Berlin. 


Jaquet,    Dr.  med.,    Geh.   Sanitätsrat. 
Gross-Lichterfelde  bei  Berlin. 
Jentsch,  Hugo,  Dr.  phil.,  Prof.,  Guben. 
Jumpertz,    Dr.,    Oberlehrer,     Gross- 
Lichterfelde  b.  Berlin. 
Kandt,  R.,  Dr. med.,  prakt.  Arzt,  Berlin. 
Katz,  Otto,  Dr.  med.,  Charlottenburg. 
Kaufmann,   Felix,   Justizrat,   Berlin. 
Kaufmann,  Richard  v.,  Dr.  phil.,  Prof., 
Geh.  Regierungsrat,  Berlin. 
Kaufmann,  Dr.  med.,  Professor,  Rom. 
Kay,  Charles  de,  General-Konsul  a.D., 
New  York. 

Keller,  Paul,  Dr..  Berlin. 
Kieszling,    Max,    Dr.   phil.,    Assistent 
am    Seminar    für    historische    Geo- 
graphie, Berlin. 

Kirchhoff.  Dr.  phil.,  Prof.,  Giebichen- 
stein  bei  Halle  a.  S. 
Klaar,  W.,  Kaufmann,  Berlin. 
Klaatsch,  Hermann.  Dr.  med.,  Prof.. 
Heidelberg. 

Koch,  Max,  Dr.  med.,  Berlin. 
Koch,  Robert,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh. 
Medizinalrat,  Berlin. 
Koch,  Theodor,  Volontär -Assistent 
beim  Königl.  Museum  für  Völker- 
kunde, Gross-Lichterfelde  b.  Berlin. 
Kofier,  Friedrich,  Hofrat,  Darm- 
stadt. 

Kollm,  Hauptmann  a.  D.,  General- 
Sekretär  der  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde, Berlin. 

Konicki,  Julius,  Rentier,  Berlin. 
Kossinna,  Gustaf,  Dr.  phil.,  Professor, 
Gross-Lichterfelde  b.  Berlin. 
Kraemer,   Augustin,  Dr.  med.,   Ober- 
Stabsarzt,  Kiel. 
Kraemer,  Hans,  Berlin. 
Krause,  Eduard,  Konservator  am  Kgl. 
Museum  für  Völkerkunde,  Berlin. 
Krause,    Hermann,   Dr.  med.,    Prof., 
Berlin. 

Krause.  Karl.  Dr.  med.,  Stabsarzt. 
Berlin. 

Krause,  L.,  Versichcrungs-Beamter, 
Rostock. 

Krause,  Wilhelm.  Dr.  med.,  Prof., 
Charlottenburg. 

Kretschmer,  Konrad,  Dr.  phil.,  Pro- 
fessor, Charlottenburg. 


—     9     — 


228.  Kretschmer.  Paul.  Dr.  phil.,  Professor,    259. 
Wien. 

229.  Krieget,  Friede..  Dr.  med..  Berlin.         260. 

230.  Kronecker,  Franz,  Dr.,  Berlin.  261. 

231.  Kroner, Moritz,  Dr.  med..  Geh.  Sani- 
tätsrat, Berlin.  "J<i_. 

232.  Kronthal.  Karl.  Dr.  med.,  Berlin.  263. 

233.  Kruse.  W..  Dr.  med.,  Prof.,  Bonn.       264. 

234.  Kuhnert,    Willi..    Tier-    und    Orient-   265. 
maier,  Berlin. 

235.  Kurtz,   F.,   Dr.  phil.,    Prof.,  Cördoba,    266. 
Repübliea  Argentina. 

236.  Kuttner.    Ludwig,   Kaufmann,   Berlin.    267. 

237.  Lachmann.  Georg,   Kaufmann.  Berlin.    268. 

238.  Lachmann.    Paul.     Dr.    phil..     Fabrik- 
besitzer.  Berlin.  2G(J. 

239.  Lahr.  Dr.  med.,  Prof.,  Geh.  Sanitäts- 
rat. Zehlendorf.  270. 

•J4ti.    Landau,  H.,  Bankier,  Berlin.  271. 

241.  Landau.  \Y..    Freiherr   v..    Dr.   phil., 
Berlin.  272. 

242.  Langay,  J..  Architekt,  Berlin. 

243.  Lange. -lulius.  Versicherungs-Direktor,    273. 
Berlin. 

l'44.    Langen.  Rönigl.  Baurat,  Berlin.  27  4. 

245.  Langenmayr,      Paul.      Rechtsanwalt,    275. 
Pinne.  Prov.  Posen. 

246.  Langerhans.  Robert,  Dr.  med.,  Prof.,    276. 
Prosektor  am  Krankenhause  Moabit, 
Berlin.  277. 

247.  Langerhans.   Wilhelm.    Landgerichts-   278. 
rat.  Grunewald -Berlin.  279. 

248.  Lanz-Liebenfels.   .1..   Dr..    Etodaun  bei   280. 
Wien. 

249.  Lasch.    Richard.     Dr.    med..     K    K. 
Bezirksarzt,  Hörn,  Nieder-Österreich. 

250.  Laschke.    Alexander,    Kais.    Reichs-   281. 
bank-Oberbuchh  alter,  Berlin. 

251.  Lassar.    ()..     Dr.    med..    Professor.   282. 
Berlin.  283. 

252.  LeCoq, Albert v.,  Dr..  Charlottenburg.    284. 

253.  Lehmann,   Carl  F..    Dr.  jur.  et  phil.,    285. 
Professor.   <  harlottenburg.  286. 

254.  Lehmann.  Walter,  cand.  med  .   Berlin.    287. 
2'>5.    Lehmann- Nitsche.    K..    Dr.    med.    et 

phil.,  La  Plata.  Argentinien.  288. 

256.  Lehnerdt.  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrat, 
Berlin. 

257.  Lemcke.  Dr.  phil..    Prof.,  Gymnasial- 
Direktor.  Stettin. 

Lemke.  Elisabeth,   Fräulein.   Berlin. 


Leonhardi.  Moritz  Freiherr  v..  Gross- 
Karben.  Grossherzogtum  Hessen. 
Levin,  Moritz,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Levinstein.  Walter.  Dr.  med.,  Schöne- 
berg b.  Berlin. 

Liebe.  Th.,  Dr.  phil..  Prof..   Berlin. 
Liebermann,  F.  v.,  Dr.  med.,  Berlin. 
Liebermann.  F..  Dr.  phil.,  Prof.,  Berlin. 
Liebreich.  Oskar,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh. 
Medizinalrat,   Berlin. 
Lindenschmit,    Dirigent    dee    Germa- 
nischen Museums,  Mainz. 
Lion,  Landgerichtsrat  a.  D.,  Berlin. 
Lippstreu,  Otto,  Dr.,  Privatdozent  an 
der  Technischen  Hochschule,  Berlin. 
Lissauer,    A. ,    Dr.    med.,   Professor. 
Sanitätsrat,   Berlin. 
Low,  E..  Dr.  phil.,  Oberlehrer,  Berlin. 
Lohmann.  Ernst,  Pastor,  Freienwalde 
a.  d.  O. 

Lucae,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh.  Medizinal- 
rat, Berlin. 
Lüdemann,  R.,    Landmesser    und 

Kulturingenieur,  Oebisfelde. 
Ludwig.  EL,  Zeichenlehrer,  Berlin. 

Luhe,    Dr.    med..    Generalarzt   a.  D.. 

Königsberg  i.  Pr. 

Luschan,  F.  v.,  Dr.  med.  et  phil.,  Prof.. 

Friedenau  bei  Berlin. 

Maass,  Alfred,  Berlin. 

Maas.  Heinrich,  Kaufmann,  Berlin. 

Maas,  Julius,  Kaufmann,  Berlin. 

Mac  Curdy,    George  Grant,    Lecturer 

in  Anthropology  and  Curator  of  th- 

Anthropol.  Collection,   Yale  Univer- 

sity,  New  Haven,  America. 

Madsen,   Peter,    Baumeister.    Steglitz 

bei  Berlin. 

Magnus,  P.,  Dr.  phil.,  Prof.,  Berlin. 

Majewski.  Erasm.,  Dr.  phil-,  Warschau 

Majewski.   Fräul.  Xenia.  Trapezunt. 

Mankiewicz.  Otto.  Dr.  med..  Berlin. 

Mansfeld.  Dr.  med..  Stabsarzt.  Berlin. 

Marcuse.  Louis,  Dr.  med..  Sanitätsrat, 

Berlin. 

Martens.   E.  v..    Dr.  phil..    Geh.  Re- 
gierungsrat,   Prof..   Zweiter  Direktor 

der   zoolog.    Abteilung   des    Königl. 

Museums  für  Naturkunde,  Berlin. 

Martin,    A.  E..    Dr.  med..    Professor. 

Greifs  wald. 


10 


290.  Martin,  Rudolf,  Dr.  med.,  Professor 
für  Anthropologie,  Zürich. 

291.  Maska,  KarlJ.,  Oberrealschuldirektor, 
Teltsch,  Mähren. 

292.  Matschie,  Paul,  Prof.  Dr.,  Kustos  am 
Zoolog.  Museum,  Berlin. 

293.  Maurer,  Herman,  Revisor,  Berlin. 

294.  Mayet,  Lucien,  Dr.  med.,  Interne  des 
Höpitaux,  Preparateur  ä  la  Faculte, 
Lyon,  Prankreich. 

295.  Meisner,  Dr.  med.,  Generalarzt  a.  D., 
Berlin. 

296.  Meitzen,  August,  Dr.,  Professor,  Geh. 
Regierungsrat,  Berlin. 

297.  Mendel.  E.,  Dr.  med.,  Professor,  Berlin. 

298.  Merker  Hauptmann  in  der  Kaiserl. 
Schutztruppe,  Militärstation  Moschi, 
Ostafrika. 

299.  Messerschmidt.  Dr.,  Assistent  an  der 
Vorderasiat.  Abteilung  des  Königl. 
Museums,  Berlin. 

.100.  Meyer,  Alfred  G.,  Dr.  phil.,  Prof., 
Direktor  des  Luisenstädtischen  Real- 
Gymnasiums,  Berlin. 

30L  Meyer,  Eduard,  Prof.  Dr.,  Gross- 
Lichterfelde. 

302.  Meyer,  Ernst,  Pastor,  Königsmark  in 
der  Altmark. 

303.  Meyer,  Ferdinand,  Bankier,  Frank- 
furt a.  M. 

304.  Meyer,  Hans,  Dr.  phil.,  Prof.,  Leipzig. 

305.  Meyer,  Herrmann,  Dr.  phil.,  Leipzig. 

306.  Michel,  Gustav,  Dr.  med.,  Hermes- 
keil b.  Trier. 

307.  Mielke,  Robert,  Zeichenlehrer  und 
Schriftsteller,  Charlottenburg. 

308.  Milchner,  M.,  Kaufmann,  Berlin. 

309.  Milchner,  R.,  Dr.  med.,  Berlin. 

310.  Minden,  Georg,  Dr.  jur.,  Syndikus  des 
städt.  Pfandbriefamts,  Berlin. 

311.  Miske,  Kaiman,  Freiherr  v.,  Köszeg 
(Günz),  Ungarn. 

•;12.  Möbius,  Dr.  phil.,  Prof.,  Geh.  Re- 
gierungsrat, Direktor  d.  zoologischen 
Abteilung  des  Königl.  Museums  für 
Naturkunde,  Berlin. 

313.  Möller.  Armin,  Kustos  am  städtischen 
Museum,  Weimar. 

314.  Möwes,  Dr.  phil.,  Berlin. 

315.  Morwitz,  Martin,  Rentier,  Cbarlotteri- 
burg. 


316.    Müller-Beeck,  Georg,  Kais.  Deutscher 

Konsul,  Nagasaki,  Japan. 
817.    Müller,  Carl,  Privatier,  Berlin. 

318.  Müller,  F.  W.K..  Dr.  phil.,  Direktorial- 
Assistent  am  Königl.  Museum  für 
Völkerkunde,  Wilmersdorf  bei  Berlin. 

319.  Müller,  W.,  Stud.  rer.  nat.,  Berlin. 

320.  Münsterberg,  Oscar,  Dr.  phil.,  Berlin. 

321.  Munk,  Hermann,  Dr.  med.,  Professor. 
Geh.  Regierungsrat,  Berlin. 

322.  Museum,  Gräflich  Dzieduszyckisches, 
Lemberg,  Galizien. 

323.  Museum.  Städtisches.  Dortmund. 

324.  Museum,  Grossherzogl.  Germanisches. 
Jena. 

325.  Museum  für  Völkerkunde,  Leipzig. 

326.  Museum  für  Völkerkunde,  Lübeck. 

327.  Museum,  Provinzial-,  Halle  a.  S. 

328.  Museum,   städtisches.    Braunschweig. 

329.  Museum,  städtisches,  Gera. 

330.  Muskat.  Gustav,  Dr.  med.,  Berlin. 

331 .  Neergaard,  Dr..  Inspektor  amNational- 
Museum,  Kopenhagen. 

332.  Nehring,  A..  Dr.  phil.,  Prof.,  Berlin. 

333.  Neuhauss.  Richard,  Dr.  med.,  Gross- 
Lichterfelde  b.  Berlin. 

334.  Neumann,  Alfred.  Dr.  med.,  Ober- 
arzt am  Krankenhaus  Friedrichshain, 
Berlin. 

335.  Neumann.  II.,  Dr.  med.,  Privatdozent 
Berlin. 

336.  Neumann,  Oskar,  Berlin. 

337.  Neumayer,  G.v.,  Dr.  phil.,  Wirk!.  Geh. 
Rat,  Prof.,  Neustadt  a.  Haardt. 

338.  Nordheim,  Jakob.  Hamburg. 

339.  Obst,  Dr.  med.,  Direktor  des  Museums 
für  Völkerkunde,  Leipzig. 

340.  Oesten, Gustav. Ober-Ingenieur, Berlin. 

341.  Olshausen,  Otto,  Dr.  phil..  Berlin. 

342.  Oppenheim,  Max.  Freiherr  v.,  Dr.  jur., 
Legationsrat,  Kairo. 

343.  Oppenheim.  Faul,  Dr.  phil.,  Charlotten- 
burg. 

344.  Oppert,  Gustav,  Dr.  phil.,  Professor, 
Berlin. 

34.").  Orth,  AI,  Dr.  phil.,  Prof.,  Geh.  Ete- 
gierungsrat.  Berlin. 

346.  Orth,  Joh..  Dr.  med.,  Professor,  Geh. 
Medizinalrat,  Grunewald-Berlin. 

347.  Osborne,  Wilhelm.  Rittergutsbesitzer, 
München. 


—    11   — 


348.  Ossowidzki,  Dr.  med.,  Sanitätsrat,  380. 
Oranienburg,  Reg.-Bez.  Potsdam.  381. 

349.  Oster,  Heinrich,  Dr.,  Berlin. 

:VjO.  Paetel,  Alfred,  Verlags-Buchhändler,  382. 
Berlin. 

351.  Palliardi, -laroslav,  K.  K.  Notar,  Frain.  383. 
Mähren.  384. 

352.  Palm,  Julius,  Dr.  med.,  Berlin.  385. 

353.  Passow,  Dr.  med..  Professor,  Heidel- 
berg. 386. 

354.  Paulus,  Adolf,   Hofrat,  Berlin. 

355.  Peiser,  Felix,  Dr.  phil.,  Privatdozent,  387. 
Königsberg  i.  Pr. 

356.  Pelizaeus,  W.,  Kgl.  Spanischer  Konsul,  388. 
Kairo,  Aegypten. 

357.  Peronne,  Prediger,  Prenzlau.  389. 

358.  Petermann,  Georg,  Apotheker,  Frank- 
furt a.  0.  390. 

359.  Pflugmacher,   F.,   Dr.  med.,  General- 
arzt a.  D.,  Potsdam.  391. 

360.  Pfuhl,  F.,  Dr.  phil.,  Professor,  Posen.  392. 

361.  Philip,  P.,  Dr.  med.,  Berlin.  393. 

362.  Pinckernelle.  IL,    Dr.  med.,  Breslau. 

363.  Pinkus,  Felix,  Dr.  med.,  Berlin.  394. 

364.  Pippow,  Dr.  med...  Geh.  Medizinalrat. 
Grunewald-Berlin. 

365.  Pittier  de  Fabrega,  Dir.  des  Instituto  395. 
Fisico-Geografico,  San  Jose,  Costa  396. 
Rica. 

366.  Platen-Venz,  v.,  Rittergutsbesitzer,  397. 
Stralsund. 

367.  Plötz,  AI  fr.,  Dr.  med.,  Schlachtensee  39<s. 
bei  Berlin. 

368.  Pöch,  Rudolf.  Dr.  med.,  Wien.  399. 

369.  Poll,  Heinrich,  Dr.  med.,  Berlin.  400. 

370.  Ponfick,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh.  Medi-  401. 
zinalrat,  Breslau.  402. 

371.  Posner.  G,  Dr.  med.,   Prof.,  Berlin.  403. 
.172.    Preuss, Theodor,  Dr.  phil.,  Direktorial- 

Assistcnt  am  Kgl.  Museum  fürVölker-  404. 

künde,  Steglitz  b.  Berlin.  405. 

373.  Prochno,  Apotheker,  Blankenburg  a.H.  406. 

374.  Pudil,  IL,  Baudirektor,  Prag.  407. 

375.  Putjatin,  Fürst  Paul  Arseniewitsch,  408. 
St.  Petersburg.  409. 

376.  Rabl-Rückhard.  IL.  Dr.  med..  Prof.,  410. 
Oberstabsarzt  a.D.,  Berlin. 

177.    Rademacher.  C,  Rektor,  Köln  a.  Rh.  411. 

378.  Reich,  Max,  Dr.  med.,  Ober-Stabsarzt 

der  Marine.  Leibarzt,    Kiel.  412. 

379.  Reinecke.  Paul.  Dr.  phil.,  Main/.  413. 


Reinecke,  Major  a.  D.,  Charlottenburg. 
Reinhardt. Dr.  phil.,  Oberlehrer,  Rektor, 
Berlin. 

Reiss,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Geh.  Regie- 
rungsrat,  Schloss  Könitz  (Thüringen  . 
Remak,  E.  -L,  Dr.  med..  Prof.,  Berlin. 
Richter,  Berth.,  Bankier.  Berlin. 
Richthofen,  F..  Freiherr  v. ,  Dr.  phil., 
Prof.,  Geh.  Regierungsrat,  Berlin. 
Riedel,  Beruh..  Dr.  med..  Sanitätsrat. 
Berlin 

Robel,    Ernst,   Dr.  phil.,  Oberlehrer. 
Gross-Lichterfelde  b.  Berlin. 
Rogatz.    Hermann.     Lehrer,    Gross- 
Lichterfelde  bei  Berlin. 
Röhl.  Baron  v..  Dr.  jur.,  Landrichter. 
Altona. 

Rösler,  F.,  Staatsrat.  Tiflis,  Kau- 
kasus, Russland. 

Rosenbaum,  Adolf,  Dr.  med.,  Berlin. 
Rosenstein,  Siegmund,  Direktor,  Berlin. 
Rosenthal,  L..  Di\  med..  Sanitätsrat. 
Berlin. 

Rotter,  Dr.  med.,  Prof.,  dirigierender 
Arzt  am  St.  Iledwigs-Krankenhause. 
Berlin. 

Rück,  D.,  Thiendorf  bei  Grossenhain. 
Rüge,  Karl,  Dr.  med..  Sanitätsrat. 
Professor,  Berlin. 

Rüge,  Paul.  Dr.  med..  Medizinalrat. 
Berlin. 

Runkwitz.  Dr.  med..  General-Oberarzt 
der  Marine,  Kiel. 

Ruprecht,  Verlagsbuchhändler,,  Berlin. 
Salomon,  O.,  Dr.,  Berlin. 
Samson.  Alb.,  Brüssel. 
Samter,  Dr.   med.   Berlin. 
Sander,  \\\.  Dr.  med.,  Geh. Medizinal- 
rat, Direktor,   Dalidorf  b.  Berlin. 
Sander.  Marine-Stabsarzt  a.D., Berlin. 
Sarasin,  Fritz.  Dr.  phil..  Basel. 
Sarasin,  Paul.  Dr.  phil..  Basel. 
Saude,  Emil,  stiul.  phil..  Berlin. 
Scharrer.  Viktor.  Nürnberg. 
Schedel.  Joseph,  Apotheker,  München. 
Scheve,   Alfred.    Prediger,    Missions- 
Sekretar  a.  D..  Berlin. 
Schilling.  Hermann.  Dr.med.,  Sanitäts- 
rat, Berlin. 

Schlemm,  Julie.  Fräulein,  Berlin. 
Schliz.   Dr..    Hofrat,    Heilbronn   a.  \. 


—     12     — 


414.  Schmidt,    Colmar,    Landschaftsmaler,   442. 
Berlin.  443. 

415.  Schmidt,  Emil,  Dr.  med.,  Prof.,  Jena.   444. 

416.  Schmidt,   Max,  Dr.  jur.,   Direktorial- 
Assistent  am  Kgl.  Museum  für  Völker-  445. 
künde,  Steglitz  bei  Berlin.  446. 

417.  Schmidt,  Hubert,  Dr.  phil.,  Berlin. 

418.  Schöne,    Richard,  Dr.  phil.,    Wirkl. 
Geh.    Rat,     General  -  Direktor    der  447. 
Königl.  Museen,  Exzellenz,  Berlin. 

419.  Schötensack,0.,Dr.  phil.,  Heidelberg.   448. 

420.  Scholl,  Arthur,  Dr.  med.,  Berlin.  449. 

421.  Schütte,  Dr.  med.,  Iserlohn. 

422.  Schütz,  W.,  Dr.  med.,  Professor,  Geh. 
Regierungsrat,  Rektor  der  tierärztl. 
Hochschule,  Berlin.  450. 

423.  Schütze,  Alb.,  Akademischer  Künstler, 
Berlin. 

424.  Schultze,    Hauptmann,  Bischofsburg,  |  451. 
Ostpreussen.  452. 

425.  Schultze,  Rentier,  Charlottenburg.       ;  453. 

426.  Schulze-Veltrup,  Dr.  phil.,  Oberlehrer, 
Berlin.  454. 

427.  Schumann,  Hugo,  prakt.  Arzt,  Löcknitz,  j  455. 
Pommern. 

428.  Schuster,  G.,  Dr.  phil.,  Königl.  Haus-  |  456. 
Archivar,  Charlottenburg. 

429.  Schwabacher,  Adolf,  Bankier,  Berlin.   457. 

430.  Schweinfurth,  Georg,  Dr.  phil.,  Prof., 
Berlin,  z.  Z.  auf  Reisen.  !  458. 

431.  Schweinitz,      Graf     Hans     Hermann,  1 459. 
Premierleutnant,  Berlin. 

432.  Seier,  Cäcilie,  Frau  Professor,  Steglitz 

b.  Berlin.  :  460. 

433.  Seier,  Eduard,  Dr.  phil.,  Professor,  j  461. 
Steglitz  b.  Berlin.  |  462. 

434.  Siebold,    Heinr.    v.,    Baron,    Schloss  | 
Freudenstein,  Eppan  b.  Bozen,  Süd-  j  463. 
Tirol.  !  464. 

435.  Sieglin,  Dr.  phil.,   Professor,  Berlin. 

436.  Siehe,  Dr.  med.,    Sanitätsrat,    Kreis- 1 465. 
physikus,  Züllichau. 

437.  Sierakowski,    Graf    Adam,    Dr.  jur.,  j  466. 
Waplitz  bei  Altmark,  Westpreussen. 

438.  Sökeland,  Hermann,  Fabrikant,  Berlin.   467. 

439.  Sokolowsky,  Alexander,  Dr.  phil., 
Düsseldorf.  468. 

440.  Solger,  Friedr.,  Dr.  phil.,  Berlin.         469. 

441.  Sonnenburg,  Dr.  med.,  Geh.  Medizinal- 
rat, Professor,  Direktor  am  Kranken- 
hause  Moabit,  Berlin.  470. 


Staatsschule,  höhere,  Cuxhaven. 
Staudinger,  Paul,  Naturforscher,  Berlin. 
Stechow,  Dr.  med.,  General-Oberarzt, 
Divisions-Arzt,  Hannover. 
Stegemann,  Privatier,  Charlottenburg. 
Steinen,  Karl  von  den,  Dr.  med.  et 
phil.,  Professor,  Berlin,  Charlotten- 
burg. 

Steinen,  Wilhelm  von  den,  Maler, 
Gross-Lichterfelde  b.  Berlin. 
Steinthal,  Leop.,  Bankier,  Steglitz. 
Steudel,  Dr.  med.,  Oberstabsarzt  vom 
Oberkommando  der  Schutztruppen, 
Kolonialabteilung  des  Auswärtigen 
Amtes,  Berlin. 

Stephan,    Georg,    Mühlen  -  Besitzer, 
Lichterfelder  Buschmühle   bei  Sall- 
gast,  Kr.  Luckau. 
Stephan,  J.,  Buchhändler,  Berlin. 
Stönner,  Dr.  phil.,  Berlin. 
Strassmann,  Paul,  Dr.  med.,  Professor, 
Berlin. 

Stratz,  Prof.,  Dr.,  Haag,  Niederlande. 
Strauch,  Curt,  Dr.  med.,  Privatdozent, 
Berlin. 

Strauch,  Franz,  Kontre-Admiral  z.  D., 
Friedenau  b.  Berlin. 
Strebel,    Hermann,     Dr.   phil.   h.  c, 
Hamburg,  Eilbeck. 
Stucken,  Eduard,  Berlin. 
Stuhlmann,    Dr.  med.,    Kaiserl.  Re- 
gierungsrat,   Dar  -  es  -  Salam,     Ost- 
Afrika. 

Taubner,  Dr.  med.,  Charlottenburg. 
Teige,  Paul,  Hof-Juwelier,  Berlin. 
Teutsch,    Julius,     Likör  -  Fabrikant, 
Kronstadt,  Siebenbürgen. 
Thilenius,  Dr.  med.,  Professor,  Breslau. 
Thorner,    Eduard,    Dr.    med.,    Geh. 
Sanitätsrat,  Berlin. 
Thurnwald,  Richard,  Dr.,   Friedenau 
bei  Berlin. 

Tillmanns,    Dr.    med.,     Medizinalrat, 
Professor,  Leipzig. 
Timann,    F.,    Dr.  med.,    Generalarzt 
XIV.  Armeekorps,  Karlsruhe. 
Titel,  Max,  Kaufmann,  Berlin. 
Török,  Aurel  v.,  Dr.  med.,  Prof.,  Di- 
rektor    des    anthropologischen    Mu- 
seums, Budapest. 
Tornow,  Max  L ,  Montreux,  Schweiz. 


13     — 


471.  Traeger.  Paul,  Dr.  phil.,  Zehlendorf 
b.  Berlin. 

472.  Uhle,  Max,  Dr.  phil.,  Philadelphia. 

473.  Umlauff,  J.  F.  G.,  Naturalienhändler, 
Hamburg-. 

474.  Unger,  Ernst,  Dr.  med.,  Berlin. 

475.  Urach.  Fürst  von,  Karl,  Graf  von 
Württemberg,  Stuttgart. 

476.  Vasel,  Gutsbesitzer,  Beyerstedt  b. 
Jerxheim. 

477.  Velde,  Dr.  med.,  Ober  -  Stabsarzt, 
Charlotten  bürg. 

478.  Verein,  anthropologischer,  Koburg. 

479.  Verein,  anthropologischer,  Hamburg- 
Altona,  Hamburg. 

480.  Verein  für  Heimatskunde.  Münche- 
bcrg. 

4SI.    Verein,  Museums-,  Lüneburg. 

482.  Vierkandt,  A.,  Dr.,  Privatdozent, 
Gross-Lichterfelde. 

483.  Virchow.  Hans,  Dr.  med.,  Professor, 
Berlin. 

484.  Vohsen,  Konsul  a.  D.,  Berlin. 

485.  Volborth,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitätsrat, 
Berlin. 

486.  Volmer.  Dr.  med.,  Geh.  Sanitätsrat, 
Berlin. 

187.  Vorländer,  H.,  Ritterguts -Besitzer, 
Dresden. 

488.  Voss,  Albert,  Dr.  med.,  Geh.  Re- 
gierungsrat, Direktor  der  vater- 
ländischen Abteilung  des  Königl. 
Museums  für  Völkerkunde,  Berlin. 

489.  Voswinkel,  Carl,  Dr.  med.,  Berlin. 

490.  Wahl, H.,  Bergwerksbesitzer,  Hamburg. 

491.  Waiden,  Edgar,  Halensee-Berlin. 

492.  Waidenburg.  Alfr.,    Dr.  med.,    Berlin. 
193.    Waldeyer,  W.,  Dr.  med.,  Prof.,  Geh. 

Medizinalrat,  Berlin. 

494.  Weber,  W.,  Maler,  Berlin. 

495.  Weeren,  Julius,  Dr.  phil.,  Professor, 
Geh.  Regierungsrat,  Halensee-Berlin. 

496.  Wegner,  Fr.,  Rektor,  Berlin. 

497.  Weigelt.  Dr.,  Prof.,  General-Sekretär  d. 
Deutschen  Fischerei-Vereins,  Berlin. 

498.  Weinitz.  F.,  Dr.,  Berlin. 


499.  Weissenberg,  S.,  Dr.  med.,  Elisabeth- 
grad, Süd-Russland. 

50« ).  Weisstein,  Hermann.  Reg.-Baumeister, 
Orteisburg,  Ostpr. 

501.  Wendeler,  Paul,  Ökonom  u.  Brauerei- 
besitzer, Soldin. 

502.  Wensiercki-Kwilecki.  Graf.  Wroblewo 
bei  Wronke,  Prov.  Posen. 

5»>3.    Werner,  Georg,   Dr.  med.,  Stabsarzt. 

Thorn. 
504.    Werner.     Job..,     Scblachthofdirektor, 

Stolp  in  Pommern. 
50.").    Wetzstein,  Gottfried,  Dr.  phil.,  Konsul 

a.  D.,  Berlin. 

506.  Widemann,  Wilhelm,  Prof.,  Berlin. 

507.  Wiechel.    Hugo,    Baurat,    Chemnitz. 

508.  Wiese,  Karl,  Berlin. 

509.  Wilke,    Dr.    med.,     Oberstabsarzt. 
Grimma  i.  S 

510.  Willers,  Heinr.,   Dr.  phil.,  Hannover. 

511.  Winkler,  Hugo,  Dr.  phil.,  Privatdozent. 
Deutsch -Wilmersdorf  bei  Berlin. 

512.  Wittgenstein.  Wilhelm  v.,  Gutsbesitzer, 
Berlin. 

513.  Wolff,  Max,  Dr.  med.,  Geh.  Medizinal- 

rat, Professor,  Berlin. 

514.  Wossidlo,  Dr.phil.,  Oberlehrer, Waren, 
Mecklenburg-Schwerin. 

515.  Wolter,  Carl,  Chemulpo,  Korea. 

516.  Wutzer,  H.,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäts- 
rat, Berlin. 

517.  Zahn,  Robert,  Dr.  phil.,  Direktorial- 
Assistent  bei  den  Königl.  Museen. 
Berlin. 

518.  Zander,  Kurt,  Dr.  jur.,  Geh.  Regierungs- 
rat,  Generaldirektor  der  Anatolischen 
Eisenbahn,  Konstantinopel. 

519.  Zechlin.  Konrad,  Apothekenbesitzer. 
Salzwedel. 

520.  Zenker,  Wilhelm,  Dr.  med..  Geh. 
Sanitätsrat,  Kreis  -  Physikus  a.  D.. 
Bergquell-Frauendorf  bei  Stettin. 

521.  Zimmer.  Bd.,  Chemiker.  Xeuenheim  b. 
Heidelberg. 

522.  Zschiesche.  Paul.  Dr.  med..  Erfurt. 


(Abgeschlossen  am  19.  Januar  1904.) 


Übersicht  der  unserer  Gesellschaft  durch  Tausch,  Ankauf oder 
Geschenk  zugegangenen  periodischen  Veröffentlichungen. 


Das  nachstehende  Verzeichnis  dient  zugleich  als  Empfangsbestätigung  der  uns  im  letzten  Jahre 

zugegangenen  Schriften. 

l>ie  mit  *  vermerkten  Gesellschaften,  deren  Schriften  wir  nicht  erhalten  haben,   bitten  wir  um 

gefällige  Nachlieferung  der  etwa  erfolgten  Publikationen  ausschliesslich  an  die  Adresse: 

Anthropologische  Gesellschaft,  Berlin  SW.,   Königgrätzer  Strasse  120. 


Abgeschlossen  am  18.  Januar  1904. 


I.    Deutschland, 

nach  Städten  alphabetisch  geordnet. 

1.    Berlin.     Amtliche  Berichte  aus  den  Königl.  Kunstsammlungen.   XXIV.  Jahrg. 
Nr.  3.     XXV.  Jahrg.     Nr.  1. 
*2.         ,.       Veröffentlichungen  aus  dem  Königlichen  Museum  für  Völkerkunde. 
(1  u.  2.  von  der  General-Direktion  der  Königlichen  Museen.) 
'■''6.         ..       Ethnologisches  Notizblatt.  Herausgegeben  von  der  Direktion  des  Königl. 
Museums  für  Völkerkunde.     (V.  d.  D.) 

4.  ..       Zeitschrift  für  Erdkunde.     1903.    Nr.  1—10. 

5.  ..       Mitteilungen  von  Forschungsreisenden  und  Gelehrten  aus  den  deutschen 

Schutzgebieten.    Bd.  XVI.    Heft  1—4. 
(4  u.  5  v.  d.  G.  f.  E.) 
*6.         .,       Jahrbuch  der  Königl.  Geologischen  Landesanstalt.     (V.  d.  G.  L.) 

7.  ..       Berliner  Missions-Berichte.    1903.    Nr.  2— 12.    (Von  Hrn.  M.  Bartels.) 

8.  Die  Flamme.     Zeitschrift  zur  Förderung  der  Feuerbestattung  im  In- 

und  Auslande.     (V.   d.  Red.)     XX.  Jahrg.     1903.     Nr.  261— 283. 
XXI.  Jahrg.     1904.     Nr.  284. 
*9.  Verwaltungsbericht  über  das  Märkische  Provinzial-Museum. 

10.  Brandenburgia.     Monatsblatt    der  Gesellschaft    für  Heimatskunde  der 

Provinz    Brandenburg    zu    Berlin.      XI.  Jahrg.      1902.     Nr.  7—12. 
XII.  Jahrg.     1903.     Nr.  1—  6. 
"11.  Brandenburgia.     Archiv. 

(10  u.  11   V.  d.  G.  f.  H.) 

12.  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde.    XI  IL  Jahrg.    1903.    Heft  1—4. 

(V.  d.  V.  f.  V.) 

13.  ..       Deutsche    Kolonial-Zeitung.     XVI.  Jahrg.     Nr.  4—5*2.     XVII.  Jahrg. 

Nr.  L— 2.     (V.  d.  D.  K.-G.) 


15 

14.    Berlin.     Sitzungsberichte  der  Gesellschaft   naturforschender  Freunde.      1902. 

Nr.  10.     1903.     Nr.  1—9.     (Von  Hrn.  M.  Bartels.) 
l.i.         ..       Zeitschritt    für    afrikanische    und    ozeanische    Sprachen.      VI.  Jahrg. 

Heft  4.     VII.  Jahrg.     Heft  1.     (V.  d.  Red.) 

16.  ..       Mitteilungen    aus    dem  Museum    für    deutsche  Volkstrachten.     (V.   d. 

Vorstand.) 

17.  ..       Die  Denkmalpllege:    Herausgegeben  von  der  Sehriftleitung  des  Central- 

Blattes  der  Bau-Verwaltung.    V.  Jahrg.    1903.    Nr.  2— 16.  VI.  Jahr-. 

1904.    Nr.  1.     (V.  d.  Red.) 
18 Afrika".     Herausgegeben  vom  evangelischen  Afrika-Verein.    X.  Jahrg. 

1903.    Nr.  1-  4.     (Von  Hrn.  M.  Bartels.) 
1'.'.         ..       Korrespondenz-Blatt  des  Gesamtvereius  der  deutschen  Geschichts-  und 

Altertums-Vereine,     öl.  Jahrg.     1903.     Nr.  1-12.    (Angekauft.) 
2t».         ..       Mitteilungen   der  Vorderasiatischen  Gesellschaft.     Jahrg.  VIII.     1903. 

Nr.  2—6.     (Angekauft.) 

21.  ..       Helios.     Bd.  XX.     (V.  d.  V.) 

22.  ..       Societatum  Litterae.     (V.  d.  V.) 

2.'i.    Berlin-Charlottenburg.      Verhandl.   der  Deutschen   Kolonial-Gesellschaft. 
(Von  Hrn.  Dr.  Minden.) 

24.  Berlin-Stuttgart.     Mitteilungen   des   Seminars    für    orientalische   Sprachen. 

Jahrg.  VI.    1903.     (V.  d.  0.  S.) 

25.  Bonn.      Jahrbücher  des   Vereins  von  Altertumsfreunden.     Heft  110.     (V.  d. 

V.  v.  A.) 

26.  Brandenburg  a.  d.  H.    Jahresberichte  des  Historischen  Vereins.    (V.  d.  H.  V.) 

27.  Braunschweig.    Archiv  für  Anthropologie.    Bd.  XXVIII.    Heft  3  u.  4.    Neue 

Folge.     Bd.  I.    Heft  1—3.     (Von  d.  HHrn.  Fr.  Vieweg  &  Sohn.) 
28  ..       Globus.  Illustrierte  Zeitschrift  für  Länder- u.Völkerkunde.  Bd.LXXXIII. 

Nr.  4—24.     Bd.  LXXXIV.     Nr.   1—24.     Bd.  LXXXV.     Nr.  1—3. 

(Angekauft.) 
*29.    Breslau.     Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift.    (V.  d.  Museum  Schlesischer 

Altertümer.) 
10.    Colmar  (Elsass).    Mitteilungen  der  Naturhistorischen  Gesellschaft  in   Colmar. 

(V.  d.  G.) 
31.    Da n zig.     Bericht  über  die  Verwaltung  der  naturhistorischen,  archäologischen 

und  ethnologischen  Sammlungen.   XXIII.  Bericht.  1902.  (V.  d.West- 

preussischen  Provinzial-Museum.) 
Schriften  der  Naturforschenden  Gesellschaft.     (V.  d.  X.  G.) 

33.  Da  rm  stadt.     Quartal  blattet  des  Historischen  Vereins  für  das  Grossherzogtum 

Hessen.    Neue  Folge.    Bd.  I.    Jahrg.  1891— 95.    Bd.  II.    Jahrg.  1896 
bis  1900.     Bd.  III.    Jahrg.  1901—03.     (Von  Hrn.  Lissauer.) 

34.  ..       Archiv    für    Hessische  Geschichte    und  Altertumskunde.     Neue  Folge. 

Bd.  I— III.     1*93—1902.     (Von  Hrn.  Lissauer.) 
*35.    Dessau.     Mitteilungen    des   Vereins    für  Anhaltische   Geschichte  und  Alter- 
tnmskunde.    (V.  d.  V.) 
36.    Dresden.     Sitzungsberichte   und   Abhandlungen   der  Naturwissenschaftlichen 
Gesellschaft  Isis.     Jahrg.  1902,  Juli-Dezbr.     Jahrg.  1903,  Jan.-Juni. 
(V.  d.  G.  I.) 
7        ..      Jahresberichte  des  Vereins  für  Erdkunde.     (V.  d.  V.  f.  E.) 
38.    Dürkheim.     Mitteilungen   der   Pollichia.     58.   Jahrg.     1901.     Nr.   14  u.   15. 
59.  Jahr--     1902.     Nr.  16  u.  17.     (V.  d.  V.) 


—     16 

*39.    Emden.     Jahrbuch   der  Gesellschaft   für  bildende   Kunst  und  vaterländische 

Altertümer.     (V.  d.  G.) 
40.    Erfurt.      Mitteilungen  des  Vereins  für  die   Geschichte   und  Altertumskunde 

von  Erfurt.     Heft  XXIV.    Jahrg.  1903.     Teil  I  u.  II.     (V.  d.  V.) 
*41,    Flensburg.     Bericht  über  Verwaltung  und  Ankäufe  des  Städtischen  Kunst- 
gewerbe-Museums.    (V.  d.  Direktor  des  Museums.) 
42.    Giessen.    Mitteilungen  des  Oberhessischen  Geschichtsvereins.     (V.  d.  0.  G.) 
■43.    Görlitz.    Jahreshefte    der  Gesellschaft    für  Anthropologie  und  Urgeschichte 

der  Oberlausitz.     (V.  d.  G.) 
44.    Gotha.     Dr.    A.  Petermanns  Mitteilungen    aus    Justus    Perthes'   Geogra- 
phischer Anstalt.     Bd.  49.    1903.    1—12.     (Angekauft.) 
*45.    Greifswald.     Jahresberichte  der  Geographischen  Gesellschaft.    (V.  d.  G.  G.) 
46.    Greifs wald    und    Stettin.     Internationales    Centralblatt    für   Anthropologie, 
Ethnologie  und  Urgeschichte.     Jahrg.  VIII.     Heft  1 — 6.     (Von  Hrn. 
M.  Bartels.) 
::47.         „       Berichte  der  Gesellschaft  für  Völker-  und  Erdkunde  zu  Stettin.     (Von 
der  Gesellschaft.) 

48.  Guben.     Mitteilungen  der  Niederlausitzer  Gesellschaft  für  Anthropologie  und 

Urgeschichte.    Bd.  VII.    Heft  G-8.     (V  d.  N.  G  f.  A.  u.  ü.) 

49.  Halle   a.  S.     Mitteilungen   des  Vereins   für  Erdkunde.     Jahrg.  1903.     (V.  d. 

V.  f.  E.) 

50.  ,,       Jahresschrift  für  die  Vorgeschichte  der  sächsisch-thüringischen  Länder. 

II.  Bd.    1903.     (V.  d.  Provinzial-Museum  der  Prov.  Sachsen.) 

51.  Hannover.  Zeitschrift  des  Historischen  Vereins  für  Niedersachsen.  Jahrg.  190-2. 

Heft  4.     Jahrg.  1903.     Heft  1—3.     (V.  d.  V) 

52.  Kassel.    Mitteilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereins  für  Hessische  Geschichte 

und  Landeskunde.     Jahrg.  1901. 

53.  „       Zeitschrift  des  Vereins    für    Hessische  Geschichte    und   Landeskunde. 

Neue  Folge.     Bd.  XXVI. 

(52  u.  53  v.  d.  V.  f.  H.  G.  u.  L.) 

54.  Kiel.     Mitteilungen  des  Anthropolog.  Vereins  in   Schleswig-Holstein.     1903. 

Heft  16.     (V.  d.  A.  V.) 

*55.         ,,       Bericht   des  Schleswig- Holsteinischen  Museums  vaterländischer  Alter- 
tümer.    (V.  d.  M.) 

"56.    Königsberg    i.  Pr.      Sitzungsberichte    der  Altertums  -  Gesellschaft    Prussia. 

(V.  d.  A.-G  P.) 
57.         „       Schriften  der  Physikalisch-Ökonomischen  Gesellschaft.   43.  Jahrg.    1902. 
(V.  d.  Ph.-Ök.  G.) 

*58.    Leipzig.    Bericht  für  das  Museum  für  Völkerkunde.     (V.  d.  M.) 

59.  ..       Der  Alte  Orient,  Gemeinverständliche  Darstellungen.    V.  Jahrg.    Heft  1 

bis  3.     (Angekauft.) 

60.  Hessische  Blätter  für   Volkskunde.    Bd.    II.    Heft  1   u.  2.    (V.  d.  Hess. 

Vereinigung  für  Volkskunde.) 

61.  „       Mitteilungen  betreffend  die  Weltausstellung  in   St.  Louis  1904.     (Von 

der  Redaktion.) 

62.  Lötzen.     Mitteilungen  der  Literarischen  Gesellschaft  Masovia.     VIII.  Jahrg. 

Heft  8.    (V.  d.  L.  G.  M.) 

63.  Meiningen.     Neue    Beiträge  zur  Geschichte  deutschen  Altertums.     Herausg. 

v.    d.    Henneb.   Altcrtumsforschenclen  Verein.     Lieferung  16  u.  17. 
(V.  d.  H.  A.  V.) 


17      — 

63.    Metz.    Jahrbnch   der  Gesellschaft  für  Lothringische  Geschichte   und  Alter- 
tumskunde.   XIV.  Jahrg.    1902.     (V.  d.  G.) 
*64.    München.    Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns.     (V.  d. 
Münchener  G.  f.  Anthr.,  Ethn.  u.  U.  ß.) 

65.  „       Altbayerische  Monatsschrift.     Herausg.  vom  Histor.  Verein  von  Ober- 

Bayern.    Jahrg.  IV.     Heft  1—3. 

66.  _       Oberbayerisches  Archiv. 

(65  u.  66  von  dem  Hist.  Verein  von  und  für  Ober-Bayern.) 

67.  ..       Prähistorische  Blätter.    XV.  Jahrg.    1903.    Nr.  1—6.     (Von  Hrn.  Prof. 

J.  Naue.) 
:68.    Münster.     Jahresberichte  des  Westfälischen  Provinzial -Vereins  für  Wissen- 
schaft und  Kunst.     (V.  d.  V.) 
*69.        „       Zeitschrift  für  vaterländische  Geschichte  und  Altertumskunde.    Bd.  60 

u.  Register  zu  Bd.  1—50.     (V.  d.  Red.) 
*70.    Neu-Brandenburg.     Jahresbericht  über  das  Museum  in  Neu-Brandenburg. 

(V.  d.  M.) 
*71.    Neu-Haldensleben.     Aus  dem  Alier-Verein.     (V.  d.  V.) 
*72.    Nürnberg.     Mitteilungen  aus  dem  Germanischen  National-Museum. 
*73.         „       Anzeiger  des  Germanischen  National-Museums.   Jahrg.  1901.     Heft  4. 

Jahrg.  1902.    Heft  1—4.    Jahrg.  1903.    Heft  1—3. 
(72  u.  73  v.  d.  G.  N.-M.) 
74.         „       Abhandlungen    der   Naturhistorischen  Gesellschaft.     Bd.  XV.     (Von 

der  Gesellschaft.) 
*75.    Oldenburg  (im  Grossherzogtum).     Schriften   des  Oldenburger  Vereins   für 

Altertumskunde  und  Landesgeschichte.    Bd.  XL   1902.    (V.  d.  0.  V.) 

76.  Osnabrück.     Mitteilungen  des  Historischen  Vereins.     Bd.  XXVII.     1902. 

(V.  d.  H.  V.) 

77.  Posen.     Historische  Monatsblätter  für  die  Provinz  Posen.    III.  Jahrg.    1902. 

Nr.  7—12.     (V.  d.  H.  G.) 

78.  „       Zeitschrift    der    Historischen    Gesellschaft    für    die    Provinz    Posen. 

XVII.  Jahrg.  2.     (V.  d.  H.  G.) 
TU.         „       Roczniki     towarzystwa     Przyj.     nauk    Poznänskiego.       Tom    XXIX. 

(V.  d.  G.) 
80.    Prenzlau.     Mitteilungen  des  Uckermärkischen  Museums-  und  Geschichts- 
Vereins.    Bd.  II.    Heft  1  u.  2.     (V.  d.  V.) 
*81.    Salzwedel.    Jahresberichte  des  Altmärkischen  Vereins    für  vaterländische 
Geschichte.     XXVIII.  Jahrg.     (V.  d.  a.  V.  f.  v.  G.) 
82.    Schwerin.    Jahrbücher  und  Jahresberichte  des  Vereins  für  Mecklenburgische 
Geschichte  und  Altertumskunde.    Jahrg.  68.    (V.  d.  V.  f.  M.  G.  u.  A.) 
*83.    Speyer.     Mitteilungen  des  Historischen  Vereins  der  Pfalz.   XXVI.    (V.  d.  V.) 
*84.    Stettin.     Baltische   Studien.     Xeue   Folge.     Bd.  VI.     Inhaltsverzeichnis  zu 
Bd.  I— XLVI. 
85.  n       Monatsblätter.     Herausgegeben  von  der  Gesellschaft  für  Pommerische 

Geschichte  und  Altertumskunde.     1901.     Nr.  1—12. 
(84  u.  85  V.  d.  G.  f.  P.  G.  u.  A.) 
*8(l.   Stuttgart.    Württemberg.  Vierteljahrshefte  für  Landesgeschichte.    (V.  d.  V.) 

87.  „       Fundberichte  aus  Schwaben.     X.  Jahrg.    1902.     (V.  d.  V.) 

88.  „       Zeitschrift  für  Morphologie  und  Anthropologie.     Bd.  V.     Heft  2  u.  3. 

Bd.  VI.     (V.  d.  Red.) 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahr-:.  19W.  2 


—     18     — 

89.  Trier.     Westdeutsche  Zeitschrift    für  Geschichte  und   Kunst.     XXI.  Jahrg. 

Heft  4.     XXII.  Jahrg.    Heft  1  u.  2. 

90.  „       Korrespondenzblatt  für  Geschichte  und  Kunst.      XXI.  Jahrg.     1902. 

Nr.  12.     XXII.  Jahrg.     1903.     Nr.  1—10. 

91.  „       Limesblatt.     Nr.  35. 

*92.         ..       Jahresberichte  der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen. 
(89—92  v.  d.  G.  f.  n.  F.) 

93.  Tübingenund  Leipzig.  Archiv  für  Religionswissenschaft.  Bd. VI.  Heft  1 — 4. 

(Von  Hrn.  M.  Bartels.) 

94.  Wernigerode.    Zeitschrift  des  Harz-Vereins  für  Geschichte  und  Altertums- 

kunde.   XXXV.  Jahrg.    1902.    Heft  2.  XXXVI.  Jahrg.  1903.  Heftl. 
(V.  d.  H.-V.) 

95.  Wiesbaden.      Annalen   des  Vereins  für  Nassauische  Altertumskunde    und 

Geschichtsforschung.     XXXIII.  Bd.    190.2    Heft  1. 

96.  „       Mitteilungen  des  Vereins   für  Nassauische  Altertumskunde    und  Ge- 

schichtsforschung.    1902/1903.    Nr.  1—4.     1903/1904.    Nr.  1. 
(95  u.  96  v.  d.  V.  f.  N.  A.  u.  G.) 

97.  Wolfenbüttel.     Braunschweigisches  Magazin.     Bd.  VIII.     Jahrg.  1902. 

98.  .,       Jahrbuch    des    Geschichtsvereins    für    das  Herzogtum  Braunschweig. 

Bd.  1.    1902. 

(97  u.  98  vom  Geschichtsverein.) 


II.   Europäisches  Ausland. 

Nach  Ländern  und  Städten  alphabetisch  geordnet. 

Belgien. 

99.    Brüssel.     Bulletins  de  l'Academie  Royale  des  Sciences,  des  Lettres  et  des 
Beaux-Arts  de  Belgique.     1902.    No.  12.    1903.    No.  1—10. 

100.  „       Annuaire  de  l'Academie  Royale  des  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaux- 

Arts  de  Belgique.     1903. 
(99  u.  100  v.  d.  Ac.  R.) 

101.  M       Annales  de  Musee  du  Congo    .  .  .    Ethnographie    et   Anthropologie. 

Ser.  IV.     Fase.  1—3.     (V.  Musee  du  Congo.) 

102.  Bulletin    de    la   Societe    d' Anthropologie.      Tome  XIX.      1900/1901. 

(V.  d.  S.  d'A.) 

103.  .,       Annales  de  la  Societe  d'Archeologie.     Tome  XVI.    1902.    Liv.  3  et  4. 

Tome  XVII.    1903.    Liv.  1—4. 

104.  „       Annuaire  de  la  Societe  d'Archeologie.     Tome  XIV.    1903. 

(103  u.  104  v.  d.  S.  d'Arch.) 

105.  Lütt  ich.      Bulletin    de    1' Institut    archeologique  Liegeois.     Tome  XXXII. 

(V.  d.  I.) 

Dänemark. 

106.  Kopenhagen.     Memoires  de  la  Societe  Royale  des  Antiquaires  du  Nord. 

N.  S.    1902. 
1<>7.         „       Aarböger    for  nordisk  Oldkyndighed  og  Historie.     1902.     Bd.  XVII. 


1!»      — 

](»8.    Kopenhagen.  Nordiske  Fortidsminder,  udgevne  af  det  Kgl.  Xordiske  Oldskrift 
Selskab.    Heft  5  u.  6. 

(106—108  v.  d.  N.  0.  S.) 

109.  Reykjavik  (Island).    Arbök  hins  tslenzka  fornleifafelag.    1903.    (V.  d.  I.  f.) 

Finnland. 

110.  Helsingfors.       Journal    de     la     Societe     Finno  -  Ougrienne.      (Suomalais- 

Ugrilaisen  Seuran  Aikakauskirja.) 
•111.         „       Memoires  de  la  Societe  Finno-Ougrienne.   (Suoraalais-Ugrilaisen  Seuran 

Toimituksia.) 
*112.         „       Finska  Fornminnesföreningens  Tidskrift. 

•113.         „       Finskt  Museum.     Finska  Fornminnesföreningens  Mänadsblad. 
*114.        „       Suomen  Museo.     Suomen  Muinaismuisto-Yhdistyksen   Kuukauslethi. 
(110—114  durch  Hrn.  Aspelin.) 

Frankreich. 

115.  Bordeaux.    Actes  de  la  Societe  Linneenne  de  Bordeaux.    Vol.  57.    Tome  VII. 

(V.  d.  G.) 

116.  Grenoble.     Bulletins  de  la  Societe  Dauphinoise  d'Ethnologie  et  d'Anthro- 

pologie.    Tome  IX.    1902.    Nr.  3  u.  4.    TomeX.     1903.    Xr.  1  u.  2. 
(V.  d.  S.) 

117.  Lyon.     Bulletin  de  la  Societe  d' Anthropologie.    Tome  XXI.     1902.    fasc.  2. 

(V.  d.  S.  d'A.) 

118.  ..       Archives  du  Museum  d'histoire  naturelle.     Tome  VIII.     (V.  d.  M.) 

119.  Paris.     L'Anthropologie.      [Materiaux  pour    l'histoire   de  l'homme,    Revue 

d'Anthropologie,  Revue  d'Ethnographie  reunis.]    1902.    Tome  XIII. 
Nr.  6.    1903.   Tome  XIV.  Nr.  1—5.  (Von  d.  Verleger  Hrn.  Masson.) 

120.  „       Le  Tour  du  Monde.    Jahrg.  1903.    Nr.  3— 52.    Jahrg.  1904.    Xr.  1  et  2. 

121.  „       A  Travers  le  Monde.    Jahrg.  1903.  Xr.  3— 52.    Jahrg.  1904.  Nr.  1  et  2. 

(120  u.  121  von  Hrn.  M.  Bartels.) 

122.  ..       Bulletin  de  Correspondence  Hellenique.     Jahrg.  1901.    XXV.    7 — 12. 

Jahrg.  1902.    XXVI.    1—6.     (V.  d.  Ecole  Franchise  d'Athenes.) 
::  123.        „       Memoires  de  la  Delegation  Franchise  en  Perse.   (V.  M.  J.  de  Morgan.) 

124.  ..       Memoires  de  la  Societe  d'Anthropologie.    Tome  IL    Fasc.  3. 

125.  ..       Bulletins  de  la  Societe  d'Anthropologie.    Tome  III.    1902.    Fasc.  3— 6. 

(124  u.  125  v.  d.  S.  d'A.) 

126.  ..       Revue    mensuelle    de    l'Ecole    d'Anthropologie.     Jahrg.  XIU.     1903. 

Heft  1—12.     (V.  d.  Ecole  d'Anthrop.) 

127.  ..       Annales  du  Musee  Guimet.     Tome  XXX,  III •  Partie. 

128.  ..       Annales  du  Musee  Guimet.  (Bibliotheque  d'etudes.)  Tome  XI,  XIV.  XV. 

129.  ..       Revue  de  l'histoire  des  religions.  Tome  XL  VI.  Xo.  1— 3.  Tome  XLVII. 

No.  1—3. 

(127 — 129  v.  d.  Ministere  de  ['Instruction  publique.) 

Griechenland. 

130.  Athen.     BtjSXto&qxt]   rv;;  hf  'Advjvatg  ap^ats/.oyjxv;;  sTxiptctz.     (V.  d.  G.) 

131.  „        Asknov    r-^q    Ijropiy.Y,;  x.cc:  s\\\  :/.:-,.:<; :   '=to.ic.-j.z    ty:  'E'K't.x'::.     (Von  der 

Historischen  und  Ethnologischen  Gesellschaft  von  Griechenland.) 


—     20     — 

r  132.    Athen.     Ilpa/mx«.  rv[q  ev  'Advjvaig  'Ap^a.ioXo'yixyjs  'Eroupeiag. 
133.         „      'E^vj/xepi;    ap^oucXoYtxv;.      Jahrg.    1902.     Heft  3    u.    4.      Jahrg.   1903. 

Heft  1  u.  2. 
:134.  „       'EneTYipic,  IIa,p\>öt.<r<rou. 

(132—134  v.  d.  archäol.  G.) 

135.  „       Mitteilungen    des    Kaiserlich  -  deutschen    Archäologischen    Institutes. 

Bd.  XXVII.     1!»02.    Heft  3-4.    Bd.  XXVIII.    1903.    Heft  1  u.  2. 
(V.  d.  Archäolog.  Institut.) 

Grossbritannien. 

136.  Edinburgh.  The  Scottish  Geographical  Magazine.  Vol.  XIX.  1903.  Nr.  2— 12. 

Vol.  XX.     1904.    Nr.  1.    (V.  d.  Sc.  G.  Society.) 

137.  „       Proceedings  of  the  Society  of  Antiquaries  of  Scotland.    Vol.  XXXVI. 

1901—1902.     (V.  d.  S.) 

138.  London.     The  Journal  of  the  Anthropological  Institute  of  Great  Britain  and 

Ireland.    Vol.  XXXII,  July-Dec,  1902.     Vol.  XXXIII,  Jan. -June, 
1903.     (V.  d.  A.  I.) 

139.  „       The  Reliquary  and  illustrated  Archaeologist.    Vol.  VIII.   1902.    Nr.  4. 

Vol.  IX.     1903.     Nr.  1—4.     (Angekauft.) 

Italien. 

140.  Bologna.     Memorie  della  R.  Accadenüa  delle  Scienze.    Serie  V.  Tomo  VIU. 

141.  „      Rendiconto  delle  sessioni  della  Reale  Accademia  delle  Scienze  dell' 

Istituto  di  Bologna.    Vol.  IV.     (1899—1900.) 
(140  u.  141  v.  d.  R.  A.) 

142.  Como.     Rivista    archeologica    della   provincia    e    antica    diocesi    di  Como. 

Pasciculo  47.     (V.  d.  Societä  Archeologica  Comense.) 

143.  Florenz.     Archivio  per  l'Antropologia  e  la  Etnologia.    1902.    Vol.  XXXII. 

Fase  3.     1903.    Vol.  XXXIII.    Fase.  1—2.     (Von  Hrn.  P.  Mante- 
gazza.) 

144.  „       Bollettino  di  Publicazione  Italiane.     1903.    Nr.  25—36.     (V.  d.  R.) 

145.  „       Rivista  Geografica  Italiana.     Vol.  X.     Fase.  1 — 10.     (V.  d.  Societä 

di  studi  geografici  e  coloniali.) 

146.  Neapel.     Bollettino   della  Societä  Africana  d'Italia.     Ann.  XXI.     Fase.  11 

bis  12.     Ann.  XXII.     Fase.  1—2.     (V.  d.  S.  A.) 

147.  „       Rivista  mensile  di  Psichiatria  forense,  Antropologia  criminale  e  scienze 

affini.     Anno  V.     Nr.  11-12.     Anno  VI.     Nr.  1  —  11.     (Von   der 
Redaktion.) 

148.  Parma.      Bullettino    di  Paletnologia  Italiana.     Serie  HI.     Tomo  IX.     Anno 

KXIX.    Nr.  1—9.     (Von  Hrn.  L.  Pigorini  in  Rom.) 

149.  Rom.      Atti    della  Societä  Romana  di  Antropologia.    Vol.  IX.    Fase.  1 — 3. 

(V.  d.  S.) 

150.  fl      Bullettino  doli' Istituto.    Mitteilungen  des  luiiserlich  Deutschen  Archäo- 

logischen   Instituts.     Vol.  XVII.     li»(»2.     Fase.  3— 1.    Vol.  XVIII. 
1903.     Fase.  1—2.     (V.  d.  Arch.  Inst.) 

151.  „       Atti  della  Reale  Accademia  dei  Lincei.   Vol.  XII.    I"  Sem.  Fase.  1  —  12. 

Vol.  XII.    II"  Sem.   Fase.  1-12. 


—     21     — 

152.  Rom.    Rendiconti  della  Reale  Accademia  dei  Lincei.    Vol.  XI.    Fase.  11— 12. 

Vol.  XII.    Fase.  1—10. 

153.  „       Noti/.ie  degli  seavi  di  antichitä.  1902.   Fase.  10— 12.   1903.  Fase.  1—9. 

(151  —  153  v.  d.  R.  A.  d.  L.) 

Luxemburg. 

\')4.    Luxemburg-.     Ons    Hemecht.     Organ    des  Vereins    für  Luxemburger  Ge- 
schichte, Literatur  und  Kunst.     IX.  Jahrg.     Heft  2.     (V.  d.  V.) 

Niederlande. 

155.  Assen.     Verslag'  van  de  Commissie  van  bestuur  van  het  Prov.  Museum  van 

Oudheden  in  Drenthe  aan  de  gedeputeerde  staten.     (V.  d.  Mus.) 

156.  's  Gravenhage.     Verslag    van    den   Directeur    van    Rijks    Ethnographisch 

Museum  te  Leiden.     1901/1902.     (V.  d.  R.  E.  Museum.) 

157.  Haag.     Bijdragen  tot  de  Taal-,   Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch- 

Indie.     1903.    7e  volgr.    I,  1 — 4.     (V.   d.  Koninklijk  Instituut  voor 
de  T.-,  L.-  en  V.  v.  N.-I.) 

158.  Leiden.      Internationales  Archiv    für    Ethnographie.     Bd.  XV.    Heft  5  —  6. 

Bd.  XVI.     Heft  1—3.      (Von   dem  Kgl.   Niederländischen  Kultus- 
Ministerium.) 

Norwegen. 

159.  Bergen.     Beryens    Museums    Aarsberetning.      2.  Jahrg.     1902.     Heft  3 — 4. 

1!>03.     Heft  1—2.     (V.  d.  Mus.) 

160.  Kristiania.    Aarsberetning  fra  Foreningen  til  Norske  Fortidsmindesmerkers 

bevaring.     1902. 

161.  ..       Aarsberetning  fra  Foreningen  for  Norsk  Folkemuseum.    1902.    VI II. 
*162.         ,,       Kunst  og  Handverk  fra  Norges  Fortid. 

(160 — 162  v.  d.  Universitets  Sämling  af  nordiske  Oldsager.) 

Österreich-  Ungarn. 

::  L63.    Brunn.   Museum  Francisceum:  Annales.  (Von  der  k.  k.  Mährischen  Ackerbau- 
Gesellschaft.) 
164.    Budapest.     Archaeologiai  Ertesitö.     XXII.  Bd.     1902.     Nr.  5.     XXIII.  Bd. 
190.!.    Nr.  1—5.    (V.  d.  Anthropolog.-archäologischen  Gesellschaft.) 
lt>5.         .,       Sammlungen  des  Ungarischen  Xational-Museums.  (Von  dem  Museum.) 
*  166.    öaslau.     Vestnik  ceskoslovanskych   musei  a  spolkü  archaeologickych.     (V. 
d.  V.) 

167.  Hermannstadt.      Archiv    des    Vereins    für    Siebenbürgische    Landeskunde. 

Bd.  XXX.    Heft  3.     Bd.  XXXI.    Heft  1.     Bd.  XXXII.    Heft  1. 

168.  fl       Jahresbericht  des  Vereins  für  Siebenbürgische  Landeskunde.     Jahrg. 

1902. 

(167  u.  168  v.  d.  V.) 

169.  Innsbruck.      Zeitschrift    des    Ferdinandruins    für    Tirol    und    Vorarlberg. 

III.  Folge.   Heft  47.     (V.  d.  F.) 
17(i.    Krakan.    Anzeiger  der  Akademie  der  Wissenschaften.    bfathem.-natnrwiss. 
Klasse.    Jahrg.  1902.  Nr.  8— 10.   Jahrg.  1903.  Xr.  1—9.    Historisch- 
philosophische   Klasse.      Jahrg.    1902.     Nr.   8-  10.      Jahrg.    190... 
Nr.    1      '.». 


—    22     — 

171.    Krakau.     Materialy  antropologiczno-archeologiczne.     Tom  VI.    1903. 
*172.         „       Rozprawy  Akademii  umiejetnosci. 
(170— 172  v.  d.  A.  d.W.) 

173.  Laibach.     Argo,  Zeitschrift  für  krainische  Landeskunde.    IX.  Jahrg.    1902. 

Nr.  1.     (V.  d.  Red.) 

174.  „       Mitteilungen  des  Museal- Vereins  für  Krain.     XV.  Jahrg.     Heft  3 — 6. 

175.  „       (Ljubjani.)     Izvestja    muzejskega    drustva  za  Kranjsko.     Letnik  XII. 

Sesit  1—6. 

(174  u.  175  v.  d.  M.-V.) 

176.  Lemberg.     Kwartalnik  historyczny.    1902.    Jahrg.  XVI.    Nr.  4.    (Von  dem 

Historischen  Verein.) 

177.  „       Chronik  der  Uckrainischen  Sevcenko-Geseilschaft  der  Wissenschaften. 

Jahrg.  1902.     1903.    Heft  1.  u.  2. 

178.  „       Sbirnik  [Ruthenisch].     Ethnographische  Sammlung.     T.  10 — 13. 

179.  „       Materiaux  [ruthenisch]  pour  l'ethnologie  ukraino-ruthene.    T.  1 — 5. 

(177—179  v.  d.  Sevcenko-Geseilschaft.) 

180.  Olmütz.    Casopis  vlasteneckeho  Musejniho  spolku  Olomuckeho.    Roenik  XX. 

Cislo  77—80.     (V.  d.  V.) 

181.  Prag.     Pamatky  archaeologicke  a  mi'stopisne.     Dilu  XX.     Sesit  2 — 8.    (Von 

dem  Museum  Regni  Bohemiae.) 
1*2.         „       Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte   der  Deutschen  in  Böhmen. 
XLI.  Jahrg.     (V.  d.  V.) 

183.  „       Bericht  der  Lese-  und  Redehalle  deutscher  Studenten.    1902.     (V.  d. 

V.  d.  L.  u.  R.) 

184.  „       Cesky  Lid.     Roenik  XII.     1902.     Cislo  4—10.     Rocmk  XIII.     1903. 

Cislo  1—  :i.    (V.  d.  Red.) 

185.  „       Casopis  Spolecnosti  Pratel  Staroznitnosti  Ceskych.    Roenik  IX  u.  X. 

Roenik  XI.     Cislo  1-3.     (V.  d.  Sp.) 

186.  „       Narodopisny  sbornik  Ceskoslovansky.    Svazek  IX.    (Von  dem  Verein.) 
*187.         „       Vestnik  slovanskych   starozitnosti.     1901.     Roenik  2.     (Von  Hrn.  L. 

Niederle.) 
*188.         „       Bericht   über    das  Museum    des   Königreichs  Böhmen.     Jahrg.   L902. 
(Von  dem  Museum.) 

189.  Salzburg.     Jahresberichte    des    städtischen    Museum    Carolino-Augusteum. 

Jahrg.  1902.    (V.  d.  M.) 

190.  Teplitz.     Tätigkeits  -  Bericht   der   Teplitzer  Museums  -  Gesellschaft.     1902. 

(V.  d.  G.) 

191.  Tri  est.     Atti  del  Museo  civico  di  storia  naturale.     X.     Vol.  4.     (V.  d.  M.) 

192.  „       Bollettino    della    Societä    Adriatica    di    Scienze    naturali.     Vol.  XX. 

(V.  d.  S.) 

193.  Ungarisch-Hradisch,    Prav<'-k.     Üstredni    list  pro  praehistorii  u   anthro- 

pologii  zemi  Ceskych.    1903.    Cislo  2 — 3.     (V.  d.  Red.) 

194.  Wien.   Annalen  des  k.  k.  Naturhistorischen  Hofmuseums.  Bd.  XVII.  Nr.  3  — 4. 

Bd.  XVIII.   Nr.  1—3.    (V.  d.  M.) 

195.  „       Mitteilungen  der  Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft.    Bd.  XXXIII. 

Heft  1-5.     (V.  d.  A.  G.) 

196.  „       Mitteilungen    der  prähistorischen  Kommission  der  Kaiserl.  Akademie 

der  Wissenschaften.     Bd.  1.    Nr.  6.    1903.     (V.  d.  Pr.  K.) 

197.  „       Mitteilungen  der  k.  k.  Central-Kommission  zur  Erforschung  und  Er- 

haltung der  Kunst-  und  historischen  Denkmale.  Bd.  XXVIII.  Heft  1. 
X.  P.    Bd.  I.    Nr.  1—12.    Bd.  II.    Nr.  1—10.     (V.  d.  k.  k.  C.-K.) 


-     23     - 

•  198.  Wien.  Wissenschaftliche  Mitteilungen  aus  Bosnien  und  der  Herzegowina. 
Herausgegeben  von  demBosnisch-Herzegowinischen  Landes-Museum 
in  Sarajevo.     Bd.  VIII.     (V.  d.  L.-M.) 

199.  „       Zeitschrift  für  österreichische  Volkskunde.    VIII,  Jahrg.    1902.    Heft  6. 

IX.  Jahrg.     1903.     Heft  1—4.     (V.  d.  V.  f.  üsterr.  Volkskunde.) 

Portugal. 

200.  Lissabon.     0  Archeologo    Portuguez.     Vol.  \IL     Nr.  10—12.     Vol.  VIII. 

Nr.  1 — 9.     (V.  d.  Museo  Ethnographico  Portuguez.) 

201.  Porto.     Portugalia.     Materiaes  para  o  estudo  do  povo  portuguez.     Tomo  I. 

Fase.  1—4.     1899— 1903.     (Ton  der  Redaktion.) 

Russland. 

202.  Dorpat.    Sitzungsberichte  der  gelehrten  Estnischen  Gesellschaft.    Jahrg.  1902. 
•203.         „       Verhandlungen  der  gelehrten  Estnischen  Gesellschaft. 

(202  u.  203  v.  d.  G.) 
*204.    Kasan.      Mitteilungen    der    Gesellschaft    für    Archäologie,    Geschichte    und 

Ethnographie.    (V.  d.  G.) 
*205.    Moskau.      Arbeiten    der    anthropologischen    Abteilung.      [Nachrichten    der 

Kaiserlichen   Gesellschaft    der  Freunde    der  Naturwissenschaften.] 

(Von  Hrn.  Anutschin.) 

206.  .,       [Russisch.]     Denkschriften  der  Russischen  Gesellschaft  1903.  Bd.  27. 

(V.  d.  G.) 

207.  „       „Erdkunde".    [Russisch.]    Periodische  Zeitschrift  der  geographischen 

Abteilung  der  Kaiserl.  Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturkunde, 
Anthropologie  und  Ethnographie.  1902.  Heft  4.  1903.  Heft  2— 3. 
(V.  d.  G.) 
*208.  „  Kawkas.  [Russisch.]  Materialien  zur  Archäologie  des  Kaukasus  und 
der  östlichen  Gouvernements  Russlands.  (Von  der  Moskauer 
k.  archäolog.  G.) 

209.  .,       Journal     [russisch],     Russisches,    anthropologisches.      Jahrg.    1902. 

Nr.  3—4.     (V.  d.  Anthropol.  Gesellschaft.) 

2 1 0.  St.   Petersburg.     Arbeiten    der  Anthropol.   Gesellschaft    der  militär-medi- 

zinischen  Akademie.     (V.  d.  G.) 

211.  „       Bulletin     [russisch]    de     la    Commission    Imperiale    Archeologique. 

Livr.   1—5.     1901—1903.     (V.  d.  k.  Archäolog.  Kommission.) 

212.  „       Mäteriaux    [russisch]    pour    servir    a    rareheologie    de    la    Russie. 

Livr.  22—29. 

213.  „       Compte  [russisch]  rendu  de  la  Commission  Imperiale  Archeologique. 

1896—1900. 

(212  u.  213  d.  k.  Archäologischen  Kommission.) 

214.  „       Bericht    [russisch]    der    k.    Russischen   Geographischen  Gesellschaft. 

Jahrg.  1902.     Heft  1—2.     (V.  d.  G.) 

215.  Warschau.     Wisla.     Tome  XVII.    1903.    Nr.  1-6.     (V.  d.  Red.) 
-Mi;.         „       Swiatowit.     (V.  d.  Red.) 

Schweden. 

217.  Stockholm.     Antiqvarisk  Tidskrift  for  Sverige.     Del  XVII.     Nr.  I  u.  2. 

218.  ..       Akademiens  Mänadsblad.     Jahrg.  L900. 

(217  u.  218  v.  d.  Kgl.  Vitterhets  Historie  ogAntiqvitets  Akademien.) 


—     24     — 

::219.    Stockholm.     Sarnfundet  för  Nordiske  Museet  främjande  Meddelanden  ut- 
gifna  af  Artur  Hazelius. 

220.  „       Meddelanden  frän  Nordiska  Museet  1901.     Stockholm:  Norstedt  et  S. 

1903.     8°.     (Von  dem  Museum.) 

221.  „       Minnen  fra  Nordiske  Museet.    Bd.  II.    Heft  8—12. 
*222.         ..       Handlüigar  angäende  nordiske  Museet. 

(221  u.  222  von  Hrn.  Hazelius.) 
223.         .,       Svenska  Forenrainnesförening.     Tidskrift.     Bd.  XII.    Heft  1. 
*224.         „       Svenska  Konstminnen  frän  Medeltiden  och  Renässansen. 
(223  u.  224  v.  d.  G.) 

225.  „       Ymer.     1903.    Heft  1—3. 

226.  „      Svenska  Landsmälen.     Heft  78—80.    1903.    a—c. 

(225  u.  226  v.  d.  Universitäts-Bibl.  i.  Upsala.) 

Schweiz. 

227.  Zürich.    Anzeiger  für  Schweizerische  Altertumskunde.    Neue  Folge.    Bd.  IV. 

1902/1903.    Nr.  4.     Bd.  V.    1903/1904.    Nr.  1. 

228.  „       Jahresbericht  des  Schweizer.  Landesmuseums  in  Zürich.    Jahresb.  11. 

(227  u.  228  v.  d.  Schweizerischen  Landes-Museura.) 
*229.         „       Jahresbericht    der    Geographisch  -  Ethnographischen    Gesellschaft    in 
Zürich.     (Von  Hrn.  Heierli.) 
230.         ,,       Mitteilungen    der   Antiquarischen    Gesellschaft.     Bd.  XXVI.     Heft  1. 
(V.  d.  A.  G.) 
*231.         „       Mitteilungen    aus    dem    Verbände    der    Schweizerischen    Altertums- 
Sammlungen  usw.     (V.  d.  Red.) 
232.         „       Schweizerisches  Archiv  für  Volkskunde.    VII.  Jahrg.  Heft  1 — 4.    (V.  d. 
Schw.  Ges.  f.  V.) 


III.    Afrika. 


233.    Tunis.     Revue  Tunisienne,  publiee  par  le  Comite  de  l'Institut  de  Carthage. 
Tome  X.    1903.    Nr.  38—42.     (V.  d.  Ass.  T  d.  L.  Sc.  et  Arts.) 


IV.   Amerika. 


234.  Austin.     Transactions  of  the  Texas  Academy  of  Science,    for  1899  Vol.  III. 

for  1900—1901   Vol.  IV.     Part  I  u.  U.     (V.  d.  A.) 

235.  Boston   (Mass.  U.  S.  A.).     Proceedings  of  the  Boston  Society  of  Natural 

History.    Vol.  XXX.    Nr.  3— 7.    Vol.  XXXI.    Nr.  1.    (V.  d.  Society.) 
'236.    Buenos -Aires    (Argentinische    Republik).      Anales    del    Museo    Nacional. 

(V.  d.  M.) 
237.         „      Boletin  de  la  Academia  Nacional.    TomoXVII.    Nr.  2— 3.    (V.  d.  A.N.) 
2'»8.    Cambridge,  Mass.  Memoirs  of  the  Peabody  Museum  of  American  Archaeology 

and  Ethnology,  Harvard  University.     Vol.  II.    Nr.  2. 
c239.         „       Archaeological  and  ethnological  papers  of  the  Peabody  Museum. 
(238  u.  239  v.  d.  Peabody  Museum.) 


—     25     — 

240.  Chicago.     Publications   of  thc   Pield   Columbian  Museum.     Report  Series. 

Vol.  II.    Nr.  2—5.    Anthropological  Series.    Vol.  III.    Nr.  3.     (Von 
dem  Museum.) 

241.  Cincinati.    Annual  report  ofthe  Cincinati  Museum  Association.    XXII.   J 9< »2. 

(V.  d.  Mus.  Assoc.) 

242.  Colorado  Spring,  Col.     Studios  of  thc  Colorado  College.    Vol.  X.    (V.  d. 

Col.  College.) 
*243.    Davenport.     Proceedings  of  the  Academy  of  Natural  Sciences.     (V.  d.  \.j 
244.    La  PI  ata.     Revista  del  Museo  de  La  PI  ata. 
24/).         ..       Anales  del  Museo  de  La  Plata. 

(244  u.  245  v.  d.   M. 
-46.    Madison.    Collections  ofthe  State  Historical  Society  of  Wisconsin.  Vol.  XVI 
1902.     (V.  d.  Gesellschaft.) 
*247.    Milwaukee.    Annual  Report  of  the  Board  of  Trustees  of  the  Public  Museum 
of  the  City  of  Milwaukee.     (V  d.  B.  o.  T.) 
24«     Nrw  York.    American  Anthropolo<;ist.    Vol.  IV.    1902.    Nr.  4.   Vol.  V.  1903. 
Nr.  1—3.     (V.  d.  Red. 

249.  ..       The  American  Museum  of  Natural  Historv.    Annual  Report  for  1902. 

(V.  d.  M.) 

250.  „       Bulletin  of  the  American  Museum  of  Natural  History.    Vol.  XVI.   1902. 

Vol.  XVIII.    Part  1.     (V.  d.  M.) 

251.  ..       Memoirs    of   the  American   Museum    of  Natural    History.      Vol.  IV. 

Anthropol.  Vol.  III.     Part  II.     (V.  d.  M.) 

252.  Parä  (Brazil).     Boletim  do  Museu  Paraense.     Vol.  III.    No.  3  u.  4. 

*253.         ..       Memorias  do   Museu  Paraense  de   Historia  Natural   e  Ethnographia. 
(252  u.  25:!  v.  d.  M.) 

254.  earana  (Entre  Bios).    Ano  I  u.  II.    1—11.    (Von  Hrn.  H.  J.  B.  Pernandez.) 

255.  Philadelphia.    Bulletin  ofthe  Free  Museum  of  Science  and  Art,  Dep.  ofArcli. 

a.  Pal.,  In.  of  Pennsylvania.     (V.  d.  M.) 

256.  Proceedings  of  the  American  Philosophical  Society.    Vol.  XLI.    1902. 

Nr.  171.     Vol.  XLII.    1903.     Nr.  172— 173.     (V.  d.  P.  S.) 
*257.    Rio  de  Janeiro.     Revista  do  Museu  Nacional.     (V.  d.  M.) 

258.  Säo  Paulo.     Revista  do  Museu  Paulista.     Vol.  V.     (V.  d.  Mus.) 

259.  Toronto  (Canada).     Proceedings  of  the  Canadian  Institute.    Part  5.    No.  11. 

260.  .,       Transactions  of  the  Canadian  Institute.     Vol.  III.     Part  2. 

(259  u.  260  v.  d.  C.  I.) 

261.  Wash  in g ton  (I).  C,  U.  S.  A.).    Annual  Report  of  the  Smithsonian  Institution. 

5Tear  ending  Jnne  30.    1900/1901.     (V.  d.  S.  I.) 
*262.         ..       Annual  Report  of  the  Geological  Survey. 
263.         ..       Annual  Report  ofthe  Bureau  of  Ethnology.    19*^    1897/98.  Part  1  u.  2. 

V".  d.  Bureau  of  Ethnol.) 
:2ti4.         ..       Special  Papers  ofthe  Anthropological  Society.     (V.  d.  S.  I.) 

265.  _       Bulletin  of  the  Bureau  of  American  Ethnology.     26. 

266.  Publications  of  the  Bureau  of  American  Ethnology  of  the  Smithsonian 

Institution.     Bulletin  27. 

267.  _       Bulletin  of  the  V.  S.  National  Museum.    Nr.  50.    Part  II.    Nr.  51.  52. 

Proceedings  of  the  U.  S.  National  Museum.    Vol.  24.     1902.    Vol.  25. 
1903.     Vol.  26.    1003. 

('2G~> — 268  v.  d.  Smithsonian   Inst.) 


—     26     — 

V.  Asien. 

269.  Batavia.    Tijdschrift  voor  Indische  Taal-,  Land-  enVolkenkunde.   Deel  XLVL. 

Afl.  1—6. 

270.  ..       Notulen  van  de  Algeraeene  en  Bestuursvergaderingenvan  hetBataviaasch 

Genootschap  van  Künsten  en  Wetenschapnen.  Deel  XL.  1902.  Afl.  4. 
Deel  XLI.    1903.    Afl.  1. 

271.  „       Verhandelingen  van   het  Bataviaasch  Genootschap    van  Künsten    en 

"Wetenschappen.     Deel  LIV.    2.     Deel  LV.    3. 
*272.         „       Nederlandsch-indisch  Plakatboek. 

273.  „       J.  A.  van  der  Chijs,  Dagh-Register.     Anno  1675.  1676. 

(269—273  v.  d.  G.) 

274.  Bombay.     The  Journal  of  the  Anthropological  Society.     Vol.  VI.    Nr.  3 — 6. 

(V.  d.  S.) 
*275.         „       Report  on  the  search  for  Sanskrit  Mss.  in  the  Bombay  Presidency. 

276.  Calcutta.     Epigraphia  Indica  and  Record  of  the  Archaeological  Survey  of 

India.     Vol.  VII.    Part  4—7. 

277.  „       A  descriptive  catalogue  of  Sanskrit  Mss.  in  the  Library  of  the  Calcutta 

Sanskrit  College.     Nr.  17—18. 
*278.         „       Report  on  the  search  of  Sanskrit  Mss. 

*279.         „       Notices  of  Sanskrit  Mss.  pbl.  under  orders  of  the  Government  of  Bengal. 
(275—279  v.  d.  Government  of  India.) 

280.  „       Proceedings    of  the  Asiatic    Society    of   Bengal.      1902.     Nr.  6 — 11. 

1903.    Nr.  1—5. 

281.  „       Journal  of  the  Asiatic  Society  of  Bengal.  Philological  Series.  Vol.  LXXI. 

Part  III.    Nr.  1—2.    Vol.  LXXII.    Part  III.    Nr.  1.     Anthropological 
Series.     Vol.  LXXI.    Part  III.    Nr.  2. 
2x2.    Colombo.     Journal    of   the   Ceylon    branch   of  the  Royal  Asiatic  Society. 
Vol.  XVII.    Nr.  53. 

(280—282  v.  d.  Gesellschaft.) 
283.    Hanoi.     Bulletin  de  l'Ecole  Francaise  d'Extreme- Orient.     1902.     Tome  II. 
Nr.  4.    Tome  III.    Nr.  1—3.     (V.  d.  Ecole  Fr.  d'E.-Orient  in  Hanoi.) 
"284.    Kyoto.     The  Calendar,  Imperial  University  of  Japan.     (V.  d.  I.  U.  o.  J.) 
285.    Madras.     Bulletin    (of  the)   Madras  Government  Museum.     Vol.  IV.    Nr.  3. 

(V.  d.  M.) 
::286.         „       Report  on  a  search  for  Sanskrit  and  Tamil  Mss.  prepared  under  the 
orders  of  the  Government  of  Madras.     (V.  d.  Goverment.) 

287.  Shanghai.     Journal    of   the  China  Branch    of   the  Royal  Asiatic  Society. 

N.    S.     Vol.  XXIX.      1894—1895.      Vol.   XXXIII.     1899  —  1900. 
(V.  d.  S.) 

288.  „■     Der  ferne  Osten.    Bd.  I.  1902.  Bd.  II.   1903.  Heft  1—2.    (Angekauft.) 

289.  Singapore.     Journal    of   the  Straits  Branch    of   the  Royal  Asiatic  Society. 

Nr.  39.     (V.  d.  S.) 
*290.    Tiflis.     Bericht  über  das  Kaukasische  Museum  und  die  öffentliche  Bibliothek 

in  Tiflis. 
*291.         „       Mitteilungen  des  Kaukasischen  Museums. 
(290  u.  291  v.  d.  Museum.) 
292.    Tokio.     Mitteilungen  der  deutschen  Gesellschaft  für  Natur- und  Völkerkunde 

Ost -Asiens.     Bd.  IX.    Teil  2  u.  3.     (V.  d.  G.) 
"293.    Wladivostok.     Denkschriften  der  Gesellschaft  für  Erforschung  des  Amur- 
Gebietes.     (V.  d.  Gesellsch.) 


-     27     - 

VI.   Australien. 

294.    Adelaide.     Memoirs  of  the  Royal  Society  of  South  Australia.  Vol.  II.  Parti. 

(V.  d.  R.  S.) 
2ü5.        „       Transactions  of  the  Royal  Society  of  South  Australia.     Vol.  XXVI. 

Vol.  XXVII.    Part  I.    (V.  d.  Anthropological  Society  of  Australasia.) 
29G.    Brisbane  (Queensland).     Bulletin  of  North- Queensland  Ethnography  190o. 

Nr.  5  u.  6.     (Von  Hrn.  W.  Roth). 
•297.    Sydney.     Report  of  the  trustees  of  the  Australian  Museum. 

298.  ,,       Records  of  the  Australian  Museum.     Vol.  IV.    Nr.  8.     Vol.  V.Nr.  1. 

299.  B       Memoirs  of  the  Australian  Museum.     Mem.  IV.    Part  6. 

(297—299  v.  d.  M.) 

300.  „       Science  of  man.     Vol.  V.    Nr.  11— 12.    Vol.  VI.    Nr.  1—6.  10.    (Von 

der  Red.) 


VII.  Polynesien. 

301.  Honolulu.     Memoirs  of  the  Bernice  Pauahi  Bishop  Museum  of  Polynesian 

Ethnology  and  Natural  History.    Vol.  I.    Nr.  5. 

302.  „       Occasional  papers  of  the  Bernice  Pauahi  Bishop  Museum  of  Polynesian 

Ethnology  and  Natural  History. 
(301  u.  302  v.  d.  M.) 


I.   Abhandlungen  und  Vorträge.1) 


1.    Language,  Organization  ancl  Initiation  Ceremonies 
of  the  Kogai  Tribes,  Queensland. 

By 
R.  H.  Mathews,  L.  S. 

Synopsis.         Introductory  —  Orthography  —  Kogai  Grammar.  —  A  mystic 

Language  —  Social  Organization.  —  Initiation  Ceremonies  — 

Kogai  Vocabulary. 

The  aboriginal  tribes  who  speak  the  Kogai  language  are  scattered 
over  an  extensive  region  of  Southern  Queensland,  watered  by  the 
Balonne,  Maranoa  and  Coogoon  rivers,  and  extending  westerly  towards 
^Yallam  Creek.  On  the  south-east  they  are  bounded  by  the  tribes  speaking 
the  Yualeai  language2).  a  grammar  and  vocabulary  of  which  1  contributed 
to  the  Royal  Society  of  New  South  Wales  last  year.  The  Murawarri 
tribes  adjoin  the  Kogai  on  the  south-west,  and  their  language  has  been 
dealt  with  by  nie  in  a  communication  to  the  Royal  Geographical  Society 
of  Queensland3).  Eastward  of  the  Yualeai  is  the  territory  of  the  Pikumbil 
tribe,  a  grammar  of  whose  speech  has  also  been  published  by  me*).  It  will 
be  evident,  therefore,  that  the  present  article  on  the  Kogai  is  the  fourth 
native  language  of  Queensland  of  which  T  have  explained  the  grammatical 
strueture. 

It  will  be  admitted  by  every  one  that  the  study  and  preservation  of 
the  language«  of  any  primitive  and  uncultivated  people  must  possess  a 
high  and  enduring  interest  for  ethnologists  and  linguists  on  all  parts  of 
the  world.  More  especially  does  this  apply  to  the  Australian  aborigines. 
becausc  thev  are  rapidly  dying  out  before  the  advancing  tide  of  European 
civilization;  and  unless  something  shall  be  done  promptly,  their  languages, 
their  Initiation  ceremonies,  ancl  their  social  Organization,  will  be  lost 
to  science.  I  have  therefore  presumed  to  forward  to  your  Society 
thie    shori    treatise.    in  the  hope    that  you    will    publish   it,   and    by    that 

1)  Diese  Abteilung  enthält  nur  Abhandlungen  und  Vorträge,  welche  in 
früheren  Sitzungen  vorgelegt,  bezw.  gehalten  wurden,  aus  äusseren  Gründen 
aber  in  den   V  i irhan  '1 1  ungen  nicht  mehr  Aufnahme  fanden. 

2  „The  Xualeai  Language",  Journ.  Roy.  Soc.  N.  S.  Wales,  vol.  XXXVI,  pp.  1 : *. T — 1  12 
pp.  179—190. 

3  „The  Murawarri  Language",  Queensland  Geographical  Journal,  vol.  XVIII. 

I    „The  Pikumbil  Language«,  Journ.  Roy.  Soc.  N.  S.  Wals.  vol.  XXXVT,  pp.  14:'.— 1  l.\ 


-     29     - 

means  bring  fche  Languages  and  customs  of  the  Australian  aborigines 
prominently  before  the  linguists  of  fche  germau  Empire,  and  of  Hurope 
generally.  It  is  niuch  to  be  regretted  that  very  few  men  have  beeo  found 
capable  of  learning  and  recording  the  Constitution  of  the  native  lange 

of  Australia. 

In  common  with  other  Australian  languages  deali  with  by  me,  the 
Kogai  fcongue  possesses  a  double  form  of  the  first  person  of  fche  <lu;il  and 
plural,  in  every^  part  of  speech  snbject  to  infiection,  by  means  of  which 
rhu  person  spuken  to  inay  be  included  or  exeluded.  It  niay  l)e  mentioned 
that  I  was  the  first  author  to  give  füll  details  of  this  peculiarity  in  the 
aboriginal  languages  of  Australia1).  although  it  liad  been  observed  to  a 
certain  extent  in  soine  of  the  islands  of  the  Pacific  Ocean,  and  among 
fche  indians  of  North  America.  The  Kogai  likewise  contains  a  dual  as 
well  as  a  plural  number  in  all  parts  of  speech. 

In  the  following  pages  I  shall  endeavour  to  record  and  preserve  the 
elements  of  the  Kogai  grammar,  together  with  a  vocabulary  of  about 
335  words.  All  the  materials  of  the  grammar,  and  of  the  vocabulary 
have  been  collected  by  me  in  the  camps  of  the  aborigines,  and  were 
noted  down  direct  from  the  mouths  of  the  native  Speakers. 

The  usual  arrangement  of  words  in  a  sentence  is  to  place  the 
subjeet  first  —  then  the  direct  objeet  —  and  lastly  the  verb.  The  in- 
direct  objeet  often  follows  the  verb.  An  adjeetive  qualifying  either  the 
noniinative  or  objeetive,  follows  its  noun.  Many  assertive  sentences 
«an  likewise  be  given  an  interrogative  meaning  by  the  tone  of  the 
speaker's  voiee. 

Ir  should,  perhaps,  be  mentioned  that  Revd.  Wm.  Ridley8),  a  Pres- 
byterian  Missionary,  collected  a  brief  vocabulary  of  72  words  of  the  Kogai, 
but  1  am  the  first  author  to  deal  with  the  grammatical  Constitution  of 
the  language. 

Orthography. 

The  system  of  spelling  adopted  in  this  article  is  the  same  as  that 
recommeiided  by  the  Royal  Geographical  Society  of  England;  but  a  few 
additional  forms  of  spelling  have  been  incorporated  to  ineet  the  re- 
quirements  of  the  Australian  pronunciation,  as  follows: 

As  far  as  pussible,  vowels  are  unmarked,  but  in  some  instances  it  has 
been  thought  necessary  to  indicate  the  long  sound  of  a,  e,  o,  and  u  as 
follows:  a.  e.  ö,  ü.  In  a  few  cases  the  short  sound  of  u  has  been 
marked  thus,  n. 

G  is  hard  in  all  cases.  R  has  a  rough.  trilled  sound,  as  in  the 
English  word  ..hurralr.      W  always  commences  a  word  or  syllable. 

Ng  ai  the  beginning  et'  a  syllable  or  word  has  a  peculiar  nasal  sound. 
At  the  end  of  a  word  or  syllable  it  has  stib>rantiallv  fche  sound  of  ng  in 
tln-  Englisch  word  „kine". 


1)  Proc.  Amer.  Philos.  Soc,  Pliiladoliiliia,  vol.  XI  .  p.  1  I".:  Jonrn.  Roy.  Soc.  X.  S.  Wale.-, 
vol.  XXXV.  p.   Yl~\  Queensland  Geographical  Journal,  vol.  XVII,  p.  •>•''. 

2)  ..Kamilaroi  and  other  Australian  Languages-  (Sydney,  l>7,">  .  p.  55. 


—     30     — 

The  so  und  of  the  Spanish  n  is  frequent;  at  the  beginniug  of  a  ward 
or  syllable.  I  have  given  it  as  ny,  but  when  terminating  a  word,  the 
Spanish  letter  is  used. 

Dh  is  pronounced  nearly  as  th  in  the  English  word  „that",  with  a 
slight  sound  of  d  preceding  it.  Nh  has  also  nearly  the  sound  of  th  in 
..that'1',  but  with  a  slight  initial  sound  of  the  n. 

T  is  interchangeable  with  d;  p  with  b\  and  g  with  k. 

Ty  and  dy  at  the  commencement  of  a  word  or  syllable  has  nearly 
the  sound  of  the  English  j,  or  the  Spanish  ch;  thus,  dya  or  tya  closely 
resembles  ja  or  eha.  At  the  end  of  a  word  ty  is  sounded  as  one  letter, 
closely  approaching  tch  in  the  English  word  „watch". 

Y  at  the  beginniug  of  a  word  has  its  ordinary  value  as  an  English 
consonant. 

Elements  of  the  Kogai  Grammar. 

Articles. 

There  are  no  words  directly  corresponding  to  the  English  articles  a 
and  the;  but  the  demonstrative  pronouns,  in  their  various  forms,  supply 
the  place  of  the  definite  article,  the.  For  example,  a  native  will  say  „this 
man",  „that  man",  „yonder  man",  and  so  on.  The  English  adverb,  „here", 
in  its  several  native  forms,  is  frequently  treated  as  demonstrative,  and  is 
also  a  Substitute  for  the  definite  article. 

Nouns. 

Xouns  have  number,  gender  and  case. 

Xumber.  There  are  the  singular,  dual  and  plnral  numbers,  which 
are  declined  by  postfixes:  thus,  Dhangur,  an  opossum.  Dhangurgali,  a 
couple  of  opossums.     Dhangurburala,  several  or  many  opossums. 

Gender.  —  In  the  human  family,  gender  is  denoted  by  different 
words,  as,  murri,  a  man.  Umbi,  a  woman.  Among  animals,  however,  sex 
is  distinguished  by  usiug  words  signifying  „male"  and  „female",  as,  Dhangur 
m'dabe,  a  male  opossum;  dhangur  unal,  a  female  opossum. 

Case.  —  The  cases  consist  of  the  nominative,  causative,  instrumental, 
genitive,  accusative,  dative,  ablative  and  infinitive. 

The  Nominative  indicates  anything  at  rest,  and  is  without  inflection, 
ihn-,  wangal  a  boomerang;  unna,  a  yamstick.  lt  also  represents  the  subject 
of  an  intransitive  verb,  as,  ümbi  imbunna,  a  woman  sits. 

Cansative.  This  is  used  for  any  action  described  in  a  transitive  verb, 
as,  ambindu  nguran  uddyilla,  a  woman  a  dog  Struck. 

The  Instrumental  takes  the  same  suffixes  as  the  causative. 

Genitive.     Murringu  wangal,  a  maus  boomerang. 

The  accusative  is  the  same  as  the  nominative. 

The  «hitive,  ablative  and  infinitive  cases  are  also  shown  by  means  of 
Buffixed   particles  to  the  noun. 

Adjectives. 

Adjectives  are  placed  after  the  nouns  they  qualify,  and  take  the  same 
inflections  f'nr  number  and  case.     Comparison    is   ettected  by  two  positive 


—    31     — 


statements,   such  as,    tliis  is   good  —  fchat    is    bad.     Examples    cannot  be 
given,  for  want  of  space,  in  a  short  ;irticle. 

Pronou  iis. 
Pronouns  have  number  person    and  case,    and    contain    fcwo    forma  in 
the  first  person  of  the  dual  and  [dural,  one  of  which  includes  the  person 
addressed,  and  the  other  excludes  him. 

The  following  uro  examples    of   the    pronouna  in  the  nominative  and 
possessive  eases. 

S  i  ngu  I  ;i  r. 
I  Ngaia 

Thou  Enda 

He  Ngula 

Dual. 

I    We,  incl.   Ngulli 

I    We,  excl.  Ngullinyilla 
2d       „  You  Yuballa 

3d       „  They  Abangga 

Plural. 


1  si  Person 
2d       „ 

3d       .. 


1  si  Person 


Ist  Person 


AVe,  incl.   Ngunna 


r    we. 
I  We, 


.Mino 

Ngaidyn 

Thine 

Yunn 

Eis 

Ngungu 

()ni>.   incl. 

Ngullingu 

Ours,  excl. 

Ngullingangu 

Yours 

Yubulngu 

Theirs 

Abanggansru 

Ours,  incl. 

Ngunnangu 

Ours,  excl. 

Ngunnangangu 

Yours 

Yurangu 

Theirs 

Dhunnungu 

2d        „  You  Ynra 

3d       „  They  Dhunna 

In  the  objective  case  of  pronouns,    there    are    fornis    for    all   persons 
and  numbers,  but  they  must  be  omitted  for  want  of  space. 

There  are  also  variations    of   the    pronouns    meaning    „towards    ine", 
„away   t'roni  nie",  etc.,  as  follow 


Singular 


Singular 


Ist  Person 

2d 

3d 

1  st   Person 
2d       „ 
3d 

pronouns. 


Ngaddyunda 

Yununda 
Yabbunda 
Xgaddyuri 
Sunuri 
Yabburi 
ngnnni.     what  for? 


Towards  me 

Towards  thee 
Towards  him 

Away  from  me 
Away  from  thee 
Away  from  him 
Interrogative 
ngunnigo. 

Demonstrative  pronouns.  This,  or  liere,  yillanggo.  Tliat.  or  there. 
yabbanggo.  Yonder,  ünduaddhi.  Demonstratives  are  very  numerous.  and 
of  various  fornis,  frequently  taking  the  place  of  pronouns  of  the  third 
person,  in  the  singular,  dual  and  plural  numbers.  By  the  combination  of 
simple  root-words  these  demonstratives  can  be  made  fco  indicate  position, 
direction,  distance,  movement,  number  and  si/.e.  Tf  space  permitted, 
I  could  show  tables  of  these  demonstratives,  which  would  be  most 
important  for  comparative  purposes. 

Verbs. 
Verbs  have  the  singular,    dual    and    plural  numbers,    with    the    usual 
fcenses   and  nioods.     There  is  a  form  of   the  verb    for    each   tense,    which 


remains  coustant  through  all  the  persons  aud  nunibers  of  that  teuse.  Any 
required  person  and  number  can  be  expressed  by  using  the  proper 
pronouu  from  the  table  given  in  the  foregoing  page. 

The  following    is    a    short    conjugation    of   the  principal  parts  of  the 
aboriginal  verb,  nnaia,  to  beat. 

Indicative  mood,  pre sent  teuse. 


Singular 


Ist  Person 
2d       „ 


I  beat 

Thou  beatest 
3d        „  He  beats 

and  so  on  through  the  dual  and  plural. 

Fast  Teuse. 
Ist  Person  I  did  beat 

and  so  011,  as  in  the  last  example. 

Future  Teuse. 
1  st  Person  I  will  beat 


Xgaia 

ununna 

Inda 

ununna 

Xgula 

ununna 

Nü'aia 


N^aia 


unilla 


uuilo;o 


Imperative  Mood 
Beat,  unaia. 

Reflexive. 
I  am  beating  myself  Ngaia  unillunna 

Reciprocal. 
We  did  beat  each  other  Ngulli  uuimiulla 

There  are  also  conditional,    negative,    and    other    forms    of  the  verb, 
which  will  be  passed  over. 

Adverbs. 

The  following  are  a  few  of  the  more  comnionly  used  adverbs: 

Yes,    yo,      No,    urra.      Now,    dhengura.     To-day.,    ngilla.     Yesterday, 

muguru.    This  afteruoon,  ündanggo.    By  and  bye,  bäma.    Long  ago,  ulirru. 

Always,   öleyamala.     Soon,    addyari.     Really,  wara.     Here,  yillu.     Yonder, 

yarranggo.     How,  ugundhauggo.    How  niany,  ngundharan.    Where,  indyia. 

Prepositions. 
In  front,  urbo-urbo.    Behind,  ulugu.    [nside,  barrago.    Outside,  warrago. 
Beside,    argangga.     Between,    agabarra.     Down,    barroga.     Up,  ngarranga. 
Through,  dhargangga.    Other  side,  abambarro.    This  side,  illumbarro.    On 
the  left,  wargundha.     On  the  right,  yulumbarro. 

Conjunctions. 
The  general  absence  of  conjunctions    is  attributable  to  the  numerous 
modifications  of  the  different  parts  of  speech,  by  means  of  which  sentences 
are  brought  together  without  the  help  of  connecting  words. 

1  n terjections  and  Exclamations. 
These  parts  of  speech  are    not    numerous,    and    are    omitted    in    this 
brief  article. 

N  ii  in  oral  s. 

One,  wangarra.    Two,  bularri. 


—     33     — 

A  mystic  or  Beeret  Language. 

Before  concluding  tliis  short  paper  on  the  speech  of  tho  Australian 
aborigines,  I  wisli  fco  refer  to  a  secret  language,  uso<l  by  the  inen  at  fche 
ceremonies  of  initiation,  but  which  is  never  spoken  in  fche  presence  of 
women,  ore  in  fche  presence  of  fchose  youths  who  have  not  yet  entered 
lipon  the  prescribed  course  of  initiation.  Wliilst  the  novitiates  are  away 
in  the  bush  in  Charge  of  the  eiders  of  the  tribe,  they  are  taught  a  mystic 
aame  for  surrounding  objeets  of  their  everyday  life,  for  animals,  for  parts 
of  the  human    body,    and  short  sontences  of  general  utility. 

I  was  the  first  autlior1),  to  draw  attention  to  this  mystic  tongue,  and 
du  ring-  the  past  yoar  I  contributed  to  the  Royal  Society  of  New  South 
Wales  some  vocabularies  of  the  secret  languages  of  the  Kurnu2)  and  other 
Australian  tribes.  I  consider  my  discovery  of  this  mystic  form  of  speech 
is  dt*  great  linguistic  importance,  and  I  invite  the  reader  to  peruse  the 
vocabularies  in  the  book  referred  to. 

In  connection  with  this  sul)ject,  it  may  be  mentioned  that  in  1901, 
I  contributed  an  article  to  the  Eoyal  Geographica!  Society  of  Queensland, 
on  „Some  Songs  used  at  Initiation  Ceremonies"8),  in  which  I  published 
several  sacred  songs  in  this  mystic  tongue,  which  are  the  first  songs  of  fche 
kind  ever  set  to  music. 

Social  Organization  of  the  Kogai. 

In  examining  the  social  strueture  of  an  Australian  tribe,  we  find  that 
fche  people  are  divided  into  two  exogamous  intermarrying  phratries  or 
groups,  fche  inen  of  each  phratry  intermarrying  with  the  women  of  the 
opposite  one.  The  phratries  are  subdivided  iuto  sections  bearing  dis- 
tinetive  names.  These  divisions  liave  been  called  organisations  or  Systems. 
1  have  already  dealt  comprehensively  with  this  subjeet*),  and  will  there- 
fore  now  merely  refer  to  it  as  far  as  it  concerns  the  people  I  am 
dealing  with. 

The  Kogai  tribes  are  segregated  into  two  phratries,  called  Wütheru 
and  Vüngo.  The  former  phratry  is  again  divided  inlo  two  sections,  called 
Wungo  and  Oburu  respectively,  and  the  latter  inl  >  two.  called  Unbe  and 
Urgilla,  tlins  making  a  total  of  four  divisions.  The  following  table  shows 
which  sections  may  interniarry,  and  also  to  w  hat  section  the  resulting 
progenj    belong: 

Mother  Son  Daughter 

Unbegun  Urgilla  Urgillagun 

Urgillagun  Unbe  Unbegun 

Wungogum         Oburu  Oburugun 

Oburugun  Wungo  Wnngogun 

1)  Journ.  Antlirop.  Inst.,  London,  XXV,  p.  310.  Oongres  Internat,  d'anthrop.  et 
ifarclirol.  prehistoriques,  Compte  Rendu,  L2me  Session,  p.   I'.M, 

2)  Jonrn.  Roy.  Soc.  N.  S.  Wales.  ?ol.  XXXVI.  pp.   157—160. 

3)  Queensland  Geographica]  Jonrnal,  vol.  XV 11.  pp.  61—63. 

I    Joum.  Roy.  Soc.  N.  S.  Wales,  vol.  XXXIV,  pp.  liM-Mo. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahr-  1901  3 


Phratry 

Father 

Wutheru 

{ 

Wungo 

Oburu 

5Tüngo 

r 
i 

Unbe 

Urgilla 

—     34     — 

Iu  addition  to  the  above  divisions,  every  man,  woman  and  child  in 
the  Community  bears  the  name  of  some  animal,  plant,  or  otker  natural 
object,  which  have  been  called  totems.  It  is  therefore  evident  that  the 
tötende  animals  etc.,  like  the  people  themselves,  are  divided  into  the  two 
phratries  above  named.  The  totems  belouging  to  each  of  these  primary 
divisions  are  common  to  the  two  sections  of  which  it  is  composed.  Thus, 
the  totems  attached  to  Wutheru  are  common  to  the  sections  Wunsro  and 
Oburu;  and  the  Yüngo  totems  are  common  to  the  Unbe  and  Urgilla 
sections. 

As  the  space  at  my  disposal  in  this  article  will  not  allow  nie  to 
go  farther  into  this  highly  interesting  and  important  subject,  the  attention 
of  the  reader  is  invited  to  the  following  papers,  dealing  with  the  divisions 
and  totems  of  the  aboriginal  tribes  of  Queensland,  contributed  by  nie  to 
different  sientific  publications: 

„Divisions  of  the  Queensland  Aborigines",  Proc.  Am  er.  Philos.  Soc, 
Philadelhhia,  vol.  XXXVII,  pp.  327-336. 

„Some  Tribes  of  Cape  York  Peninsula",  Journ.  Roy.  Soc.  N.  S.  Wales, 
vol.  XXXIV,  pp.  131-135. 

„Divisions  of  some  ab  original  Tribes  of  Queensland",  Journ.  Roy.  Soc. 
X.  S.  Wales,  vol.  XXXIII,  pp.  108-111. 

„Divisions  of  Some  North  Queensland  Tribes1"',  Journ.  Roy.  Soc. 
X.  S.  Wales,  vol.  XXXII,  pp.  250—253. 

„Queensland  divisions",  Journ.  Roy.  Soc.  N.  S.  Wales,  vol.  XXXII, 
pp.  78—84. 

Initiation  Ceremonies  of  the  Kogai  Tribes. 

The  male  aborigine,  on  attain ing  puberty,  reaches  the  most  eventful 
period  of  his  life.  Hitherto,  his  place  has  been  among  the  women  and 
children,  but  he  now  passes  through  a  ceremony  admitting  him  to  a 
brotherhood  with  his  eiders,  and  entitling  him  to  the  privileges  of  a 
tribesman. 

This  inaugural  rite  is  known  by  various  names  in  different  parts  of 
Australia,  but  among  the  Kogai  it  is  identical  with  the  initiation  cere- 
monies of  the  Kamilaroi  tribes,  and  is  called  the  Bora.  As  I  have  given 
a  detailed  description  of  this  ceremony  in  a  paper  contributed  to  the 
Royal  Society  of  Victoria,  it  will  not  be  necessary,  to  enter  upon  it  in  these 
pages1).  The  attention  of  the  reader  is  also  requested  to  my  article  on 
„The  Joara  Ceremony  of  the  Dippil  Tribes  of  Queensland"2). 

Vocabulary  of  Kogai  Words. 
The  following  vocabulary,  containing  about  335  of  the  most  important 
and  useful  words  in  the  Kogai  language,  has  been  prepared  from  notes 
taken  by  nie  in  the  camps  of  the  natives.  Every  word  was  carefully 
written  down  by  myself  from  the  moutlis  of  old  nien  and  women  of  the 
Kogai   tri l><  b. 


I,  „The  Bora    <»l    the  Kamilaroi  Tribes",    Proc.  Roy.  Soc.  Victoria,   vol.  IX,   N.  S., 
pp.  137-  17.'.. 

_    American  Anthropoloirist,  vol.  XI,  N.  S.,  pp.   \'.V.)  — 


—     35     — 


English 

Kogai 

^nglish 

Kogai 

T1m 

•   Family. 

Man 

IM  Ulli  1 1 

[nitiate 

ö-ala 

Boy 

llll'lll 

Pather 

yabo 

Eider  brother 

wabburila 

Mother 

yanga 

Solinger  brother 

dhagundyilla 

Womarj 

umbi 

llushand 

arindula 

Old  woman 

murbulgul 

Old    man 

aiarra 

Wife 

uyerela 

Yery  old  man 

wuddhuran 

Young  woman 

mürgun 

Clever  man 

widdhubai 

Eider  sisrcr 

burrindyilla 

Ynlltll 

birre 

Younger  sist»M- 

mungunela 

Novitiate 

wominarai 

( 'hild  of  either  sex 

wamban 

The  II 

um  an  Body. 

Head 

dhuugu 

Ktiee 

mugu 

Porehead 

balga 

Shin 

ünggul 

lliiir  of  head 

addha 

Foot 

dhinna 

Beard 

ogunga 

Heart 

yulgo 

l',\  e 

dhilli 

1  j  i  ver 

thibba 

Nose 

ö 

Blood 

Lima 

.l;i\\ 

dhuggal 

Fat 

wittlia 

Neck 

urgu 

Bone 

ngago 

Throat 

aua 

Penis 

bunga 

Ear 

muuga 

Erection 

dhanunna 

Mnlltll 

.lim 

Testicles 

ora 

Lips 

biggi 

Hair  on  pudendae 

mundyul 

Teeth 

ira 

Sexual  desire 

ordwaggana 

Tongue 

dhullaü 

Copulation 

dhundamelgo 

Breast,  female 

Dgammuu 

Masturbation 

dhirgabudhanga 

Navel 

ibbun 

Semen 

dhirga 

Afterbirtb 

aggulan 

Emission 

budhanga 

Belly 

bandyur 

Vulva 

dhimban 

Back 

bürg  ii 

Clitoris 

bilgin 

üpper-arm 

dhuru 

Anus 

bundhi 

Fore-arin 

yurdu 

Excremeni 

una 

Shoulder 

wingal 

l  rine 

dhuthar 

Hand 

murra 

Venereal 

widdhin 

Thigh 

dhurra 

1  na  n  i  iiüite  . 

Natural  Objecto. 

Sun 

i Mi  uro 

Red  ochre 

dhuribarunbar 

.Moini 

dhilgan 

Fire 

buri 

Stars 

dhandhur 

Sl  linkt' 

dhuga 

Sky 

burndurra 

Food,  tlr-h 

uri 

Sunshine 

dhuromirrilinna 

Food,  vregetable 

dhuar 

Thunder 

ogulundhuuna 

Thirst 

amungin 

Lightning 

thigura 

Day 

thurunggo 

Rain 

amuwagunga 

Night 

ündai 

—     36 


English 

Kogai 

English 

Kogai 

Rainbow 

mundangarra 

Morning 

mukar-mukar 

Dew 

ibu 

Evening 

ünda-ünda 

Storni 

yügan 

Splinter 

mutthan 

Fog 

dhurbun 

Kill 

dhanggo 

Frost 

mitthar 

Sand-hill 

muba 

Hail 

balbari 

Grass 

wutlmn 

Water 

amu 

Leaves  of  trees 

argan 

Ground 

dhundhi 

Nest  (of  bird) 

wagu 

Mud 

dhunba 

Eggs 

abun 

Stone 

banggo 

Houey 

aba 

Sand 

urdea 

Tale-bearer 

wundyangulgan 

Light 

dhurban 

Grub  in  box-tree 

dhumbun 

Darkness 

ündanggo 

Grub  in 

Heat 

obandunna 

wattle-tree 

mirridhumbuii 

Cold 

yuggal 

Bloom  on  trees 

batthugah 

Camp 

yamba 

Bloom  on  grass 

bagun 

Hut 

öka 

Pathway 

yuruin 

Whirlwind 

bulburrin 

Shadow 

mallu 

Dust-storm 

dhurga 

Tail 

bunga 

Mirage 

birbirra 

Summer 

win-ngan 

Pipe-clay 

muggira 

Winter 
Mammals. 

mitthar 

Native  bear 

ula 

Bat,  small 

ngurrädhan 

Dog 

nguran 

Porcupine 

barbirra 

Opossum 

dhangur 

Kangaroo 

ngaragu 

Kangaroo-rat 

bandui 

Piatypus 

gunnundal 

Native-cat 

dhigul 

Flying  squirrel 

dhirre 

Bandicoot 

binbi 

Wild  mouse 

balgudharri 

Water-rat 

muge 

Bat,  large 

bibaia 

Pademelon 

bargula 

Birds. 

Birds  collectively 

dhibin 

Black  duck 

munnaru 

Crow 

waddha 

Mopoke 

ngun-ngun 

Laughing  jackass 

gagulgagul 

Bronze-wing 

( 'urlew 

oilban 

pigeon 

gurugan 

Mallee-hen 

wagunga 

Conimon-hawk 

bigugun 

Piain  Turkey 

bungai 

Peewee 

guridyal 

NativeCompanion 

buralga 

White  cockatoo 

thikari 

Swaii 

birrur 

Black  cockatoo 

iingirril 

Eaglehawk 

utthalla 

Bower  bird 

dhuril 

Emu 

nguruin 

Plover 

baldhurradhurra 

Common  magpie 

olba 

( Irane 

guraga 

Black  magpie 

dhiboral 

Fish. 

Cod 

uyabur 

Prog 

baibal 

Catfiah 

wakan 

Silverfish 

thirgan 

37     — 


Englisli 

Kog 

ai 
Re 

English 
ptiles. 

K<>gai 

Groimd  iguana 

thagan 

Venomoua  snake 

ulirri 

Tree  iguana 

warrun 

Tiger  snake 

ogangara 

Sleepy  lizard 

ubil 

Carpet  snake 

äbul 

Shingle-back 

muruna 

1  )eath-odder 

mntthäma 

Brown  snake 

dhambul 

Jew  lizard 

bubiiu 

Black  snake 

bümburra 

1  nver 

Wood  lizard 
tebrates. 

wibbir 

Locust 

ngullulla 

(irasshopper 

dhingga 

I5I.AV   11  v 

ngimun 

Spider 

munin 

Louse 

iilin 

Mosquito 

budhufi 

Mother-louse 

buluburri 

Bee 

munu 

Nif  of  louse 

wian 

Scorpion 

marangginggang 

Bull-dog  ant 

addhan 

( rreenhead  ant 

murun 

( lentipede 

dhulir 

Mussei,  small 

dhulin 

Jumper  ant 

dhumbalbuvra 

Mussei,  large 

biddhägan 

Maggot 

gummu-gummu 

Butterfly 

yabilyabil 

House-fly 

ngimniun 

T 

rees. 

Leaning  tree 

burra-burr« 

i-bukki 

ii  Brigalow 

ugarra 

Dead  tree 

ubal 

Kurrajong 

Dgüngga 

Myall 

ibar 

Wild  willow 

dhurri 

Wattle 

(Ihalli 

[ronbark 

fimburra 

Pine 

bümli 

Bendee 

wuiigur 

Oak 

unggo 

Bottle-tree 

mindharrin 

( !herry-tree 

bunburrian 

< larbeen 

man 

Red- gum- tree 

dhöngun 

Quandong 

yanbar 

>\"liit«'  l»ox 

i  miliar 

Nipan 

yandhar 

Sandalwood 

dliula 

Peruvian  bark 

bmnhar 

Beefwood 

munbo 

Wea  p 

Grass-tree 

on s  etc. 

liikun 

Tomahawk 

ball  im 

Hunting-club 

muru 

Koolamin 

warru 

Boomerang 

wangal 

Yamstick 

unna 

Xet  bag  for  child 

waigal 

War  spear 

bugga-bugga 

Net  bag,  small 

nguru 

Hunting  spear 

immun 

Net  bag.  large 

wündur 

Spear-le^  er 

pikindyal 

Headband 

dhungudhulla 

Spear-shield 

bürgo 

lieh 

birlia 

War-club 

mityir 

Adje 

Kilr 
ctives. 

wöambil 

Alive 

dhuar 

Afraid 

iddhilla 

Dead 

wullan 

Ki.uiit 

migan 

Large 

mulgadya 

Wrong 

ungur 

Small 

emburrafi 

Tired 

ündhirrilla 

Tal!  or  long 

ürgan 

Blum 

[arba 

Low   or  short 

bundun 

Sharp 

iardhal 

38 


Englisli 

Kogai 

Knglish 

Kogai 

Good 

migangurrin 

Fat 

witthamoguä 

Bad 

ungur 

Lean 

thurta-thurta 

Thirsty 

ngnliliaii 

Hot 

obandalla 

1  [imgry 

äbir 

Cold 

yuggal 

Red 

udlii-gndhi 

Angry 

wabba 

White 

buddha-budha 

Sleepy 

wuga 

Black 

oburgobur 

Gl  ad 

budyirangung 

Mad  or  crazy 

wambandhana 

Sony 

niilla-milla 

Füll 

wilgin 

Greedy 

dyilli-ürbaö 

Quick 

dhaugura 

Sick 

buddherunga 

Slow 

wikadyu 

Weary 

inggil 

Blind 

nmdyi-mudyi 

Stinking 

addya 

Strong 

niiivgir 

Pregnant 
Verbs. 

unabarrun 

Die 

ngilla 

Scratch 

barrallea 

Eat 

yugalga 

Tear 

mamulgo 

Drink 

amu-yuganga 

Forget 

warn  b  and  allo> 

Sleep 

wugailgo 

Voniit 

ungurringa 

Stand 

dhunnalgo 

Dance 

warralgo 

Sit 

bindalge 

Hunt 

wabalgo 

Talk 

ngalgalgo 

Go 

mundaia 

Teil 

uiburrilgo 

Come 

ugumundeia 

Walk 

niundalgo 

Know 

birrulinga 

Run 

waganilgo 

Put  down 

iddhalgo 

Bring 

mundaia 

Send 

dliabbea 

Take 

umirrilgo 

Shine 

mirrillina 

Make 

yammalgo 

Suck  as  a  child 

dhunbea 

Break 

unmalgo 

Suck  a  wound 

dhundunmea 

Strike 

udyalgo 

Swiui 

ngümbirra 

Beat 

unilgo 

Bathe 

ngabillea 

Arise 

burea 

Seek 

bilbaia 

Fall 

wnrraia 

Spit 

ngünilia 

See 

ngagaia 

Smell 

ngutthea 

Look 

ngagalgo 

Throw 

biddyia 

Hear 

imbalgo 

Roast 

waddhulgo 

Give 

umbaia 

Whistle 

ubia 

Sing 

bundyalgo 

Pretend 

addhia 

Weep 

barrilgo 

Kiss 

dhundaia 

Cook 

waddliuli: 

Dive 

bünya-arganga 

Steal 

ündhalgo 

Sting 

buddhanga 

Etequesi 

ngulgalga 

Burn 

ubamaia 

Blow  with  breath     woynngga 

Tick    up 

bundhalgo 

Cliinl. 

wagalga 

Lift 

wagalmulgo 

( lonceal 

thuthundalgo 

Figl.t 

onimelgo 

Jump 

dhumbaia 

Bite 

buddhanga 

Laugh 

yadhilgo 

39     - 


2.    Archäologische  Parallelen  aus  dein   Kaukasus 
und  den  unteren  Donauländern. 

Von 
Oberstabsarzi   Dr.  Wilke  in  Grimma. 

Die  Präge  nach  dein  l'rsprung  der  kaukasischen  Metallkultur  ist  bereits 
\un  verschiedenen  Autoren,  namentlich  Ohantre,  Virchow,  Morgan, 
LJwaröW,  Philimonow.  Ilörnes  u.  a.  erörtert  worden.  Zuletzt  hat  sie 
Utmeister  V  irchow  ')  durch  eine  Analyse  der  auf  den  kaukasischen  Bronzen 
dargestellten,  meist  phantastischen  Tierfiguren  zu  lösen  gesucht.  Aus  dein 
Fehlen  der  Löwen  und  der  relativen  Seltenheit  der  Stierbilder  hat  er  ge- 
folgert, dass  assyrisch-babylonische  Einflüsse  auf  die  kaukasische  Metallkunst 
nicht  eingewirkt  haben  können,  wie  man  zunächst  aus  den  eigentümlichen 
Doppeltieren  vermuten  könnte.  Andererseits  aber  sind  all«'  auf  den  kau- 
kasischen Bronzen  dargestellten  Tiere,  seien  dies  nun  wie  die  Pantherpferde 
Büffelpferde  usw.  phantastische  Doppelgestalten,  oder,  wie  die  sehr  realistisch 
gezeichneten  Hirsche  wirkliche  Tiere;  im  Kaukasus  tatsächlich  vorhanden 
gewesen,  so  dass  die  phantastischen  Doppeltiere  nicht  mit  Notwendigkeit 
auf  ein  entlegenes  Kultürgebiet  hinzudeuten  brauchen,  sondern  vielmehr 
auf  eine  rein   lokale  Kunstregung  hinweisen. 

Ist  also  diese  Kunst,  deren  buhe  Entwickelung  eine  lange  voraus- 
gegangene Übung  in  der  Metallurgie  zur  notwendigen  Voraussetzung  hat 
und  die  deshalb  verhältnismässig  spät  anzusetzen  ist,  gleich  den  noch 
später  zu  erwähnenden  höchst  merkwürdigen  Ruder-  und  Spiegelnadeln, 
den  eigentümlichen  Schläfenringen,  der  Kunst  der  Emaillierung  u.  a.  eine 
rein  örtliche  Erfindung  der  alten  Kaukasier,  so  ist  damit  die  Präge  nach 
dem  eigentlichen  Ursprung  der  kaukasischen  Bronzekultur  noch  um  keinen 
Schritt  der  Lösung  näher  gerückt.  Mine  deutliche  Abhängigkeit  von  anderen 
Kulturgebieten  verraten  dagegen  die  im  Kaukasus  vielfach  vorkommenden 
durchbrochenen  Bronzeglöckchen  und  ähnlich  gestalteten  Dolchknaüfe,  die 
eigentümlichen,  meist  sein-  geschmackvoll  ornamentierten,  oft  ebenfalls 
durchbrochenen  Zierscheiben,  die  typischen  dreikantigen  Pfeilspitzen,  die 
im  heutigen  Kin schal  noch  gegenwärtig  fortlebenden  dolchförmigen  Schwerter, 
und  endlich  gewisse  Typen  von  Bronze-  und  Eisenbeilen,  alles  Formen, 
die  in  analoger  Weise  im  ganzen  südlichen  Russland  bis  nach  Siebenbürgen 
und  Ungarn  einer-  und  nach  dem  Ural  und  Sibirien  andererseits  ausser- 
ordentlich  häutig  vorkommen.  Diesem  Kulturgürtel,  dessen  ürsprungsherd 
wir  im  Üral-Altaigebiete  zu  suchen  haben,  müssen  also  auch  die  analogen 
kaukasischen  formen  entnommen  sein.     Freilich  gehören  auch  diese  Alter- 

L)  Übei  die  kultunresch.  Stellung  des  Kaukasus  unter  lu>s.  Berücksichtigung  der 
ornamentierten  Bronzegürte]  aus  transkauk,  Gräbern,  Berlin  1895. 


40 


tum  er,  wie  Hr.  Rein  ecke  nachgewiesen  hat,  wenigstens  im  östlichen 
Europa,  zum  Teil  einer  verhältnismässig  späten  Zeit  an  und  dürften  kaum 
viel  über  die  Mitte  des  ersten  vorchristlichen  Jahrtausends  zu  verlesen 
sein,  also  in  eine  Zeit,  in  der  die  Metallkunst  im  nördlichen  und  südlichen 
Kaukasus  sich  schon  längst  .zur  vollen  Blüte  entfaltet  hatte.  Auch  diese 
Analogien  vermögen  daher  noch  keinen  Aufschluss  über  die  erste  Herkunft 
der  kaukasischen  Bronzekultur  zu  geben. 

Neben  diesen  auf  skythisch-sibirische  Einwirkung  zurückzuführenden 
oder  aus  rein  lokalen  Kunstregungen  herzuleitenden  Formen  finden  wir 
nun  aber  auch  noch  eine  ganze  Reihe  typischer  Geräte,  für  die  sich 
Parallelen  weder  in  dem  sibirischen  Kulturkreise,  noch  in  den  alten  Kultur- 
stätten im  Süden  des  Kaukasus  nachweisen  lassen,  wohl  aber  in  den 
unteren  Donauländern  im  Norden  der  Balkan-Halbinsel,  in  denen  die 
gräko-italischen  und  illyrischen  Völkerschaften,  bevor  sie  in  ihre  nach- 
maligen Sitze,  in  die  klassischen  Gefilde  Griechenlands  und  in  die  sonnigen 
Fluren  Italiens  hinabstiegen,  gemeinsam  die  älteste  Phase  der  Metall- 
kultur durchlebten. 

In  erster  Linie  gehören  hierzu  die 

Fibeln. 

Das  charakteristische  der  kaukasischen  Fibel  ist  der  halbkreisförmige, 
in  der  Mitte  verdickte  und  auf  dein   Querschnitte  kreisrunde,   meist  orna- 
mentierte Bügel,  der  auf  der  einen 
Fig.  1.  Seite    in    die   dreieckige    zur  Auf- 

nahme der  Nadel  bestimmte  Falz- 
platte, auf  der  anderen  Seite  mittelst, 
einer,  in  der  Regel  nur  einfachen 
Spiralwindung  in  die  federnde  Nadel 
übergeht.  (Fig.  1).  Dieser  Fibel- 
typus erscheint  besonders  häufig 
in  dem  Gräberfeld  von  Koban, 
nach  welchem  Virchow  diese  Form 
geradezu  als  „Kobanfibel"  benannt 
hat1),  doch  findet  er  sich  auch  in 
anderen  Fundstellen  des  Kaukasus 
nicht  selten,  so  in  Aul  Ataschukin  im 
Flachlande  derKabarda"),  in  Stepan- 
Zminda  (Kasbek)  an  dergrusinischen 
rleerstrasse,  in  Gruriel  bei  Tschuruk-Tsiche  am  Schwarzen  Meere3),  in 
Ssamthawro  bei  Mzcheti  unweit  der  Mündung  der  Aragwa  in  die  Kura*) 
in  Cheithan-thagh  und  Musscyerri 6). 

Ähnliche  Formen  sind  vereinzelt  auch  aus  der  Troas  bekannt  ge- 
worden.     Ein  Exemplar  bildet  Undset8)  ab,    bei  dem  der  Bügel  ebenfalls 


Fibel  von  Aul  Ataschukin,  Flachland  der 

Kabarda  u.  Gr. 

Verhandl.  1890,  S.  45:5,  Fig.  (50.) 


t)  Virchow,  das  Gräberfeld  von  Koban  im  Lande  der  Osseten,  S.  29.  —  2)  Verbdl. 
js'.io,  s.  153.  — 3)  Virchow  a.  a.  0.  —  4)  Bayern,  Untersuchungen  über  die  ältesten  Gräber 
und  Schatzfunde  in  Kaukasien,  Berlin  1885. —  •">)  Morgan,  Mission  scientiibjue  auCauease, 
Paria  L889.  I.«.   L 17,  Fig.  85  u.  87.     -  6)  Undset  in  Zeitscbr.  f.  E.  1889,  S.  216,Fig.  22. 


—     41      — 

halbkreisförmig  und  verdickt,  aber  auf  dem  Querschnitt  nicht  rund. 
sondern  oval  ist.  Eine  zweite  Fibel  von  dort  hat  Yirehow  beschrieben, 
aber  sie  erschein!  noch  weiter  ausgebildet,  insofern  der  Bügel  bei  dieser 
drei  Anschwellungen  belitzt  und  statt  einer  einfachen  eine  doppelte  Spiral- 
windung vorhanden  ist.  Bei  einer  dritten  ebendaher  stammenden  Fibel 
ist  der  Bügel  in  der  Mitte  zu  einer  runden  Kugel  von  2cm  Durchmesser 
angeschwollen,  die  beiderseits  von  einem  um  den  Bügel  laufenden  Quer- 
wulst  begrenz!  wird.  Die  Verbindung  mit  der  Nadel  erfolgt  durch  eine 
dreifache  Spirale,  während  auf  der  anderen  Seite  der  Bügel  unmittelbar 
hinter  dem  Querwulst  sich  abplattet,  um  so  in  den  Nadelhalter  aber- 
zugehen. Die  Verwandtschaft  dieser  drei  Formen  mit  der  typischen 
Kobanfibel  springt  sofort  in  die  Augen,  doch  ist  die  letztere  —  und  dies 
ist  für  die  Beurteilung  der  Herkunft  dieser  Form  besonders  wichtig-  —  die 
einfachere,  während  die  troischen  Fibeln  bereits  eine  Fortentwickelung 
der  ursprünglichen  Bogenfibel  darstellen.1) 

Die  troischen  Fibeln  gehen  offenbar  auf  griechische  Vorbilder  zurück. 
Die  Grundform  derselben  zeigt,  wie  die  Kobanfibel  einen  halbkreisförmigen 
verdickten  Bügel  (z.B.  eine  Fibel  von  Mykene,  Athen  und  Olympia2)  der 
alier  ähnlich  wie  bei  den  troischen  Stücken  meist  durch  wulstförmiee 
Verdickungen,  kuglige  Anschwellungen  usw.  weiter  ausgebaut  ist.3)  Hierzu 
gehören  auch  gewisse  auf  Cypern  vorkommende  Formen4),  obwohl  dort 
auch  die  ursprüngliche  Bogenform  nicht  völlig  fehlt.6) 

Sehr  häufig  findet  sich  der  echte  Kobantypus  in  Italien.  Als  Beispie] 
führe  ich  eine  Fibel  von  Santa  Lucia  im  Litorale  (abgebildet  Verhdlg. 
1891,  S.  691)  und  eine  aus  der  Campagna  (bei  Undset  a.  a.  0.  Fig.  40y  an. 

Ans    den    Ländern 
nördlich derAlpen kennt  -  £■  - 

man  von  Bogenfibeln 
ausser  verschiedenen 
Stinken  unsicherer  Pro- 
\  enienz  je  ein  Exemplar 
ans  <  lolmar  im  Elsass, 
Oppenheim  und  Kulm 
in  Hannover.0)  im  Ge- 
biete der  mittleren 
Donau  sind  sie  in  Hall- 
statt und  Watsch  in 
mehreren     Exemplaren 

I ''achtet.  7)         Weiter 

,..,,.,  ,.  Bruchstück  einer  Bron/elibel  mit  bandförmigem  Bügel 

ffenort     hierher    die    t\-  tri«   o*  vir-,    a  in 

v"ii  Yelem  >st.  Veit  (eigne  Sammlung. 

pische     ( rlasinacfibel 8) 

(Bosnien)  deren  Grundform  eine  Bogenfibel  mit  verdicktem  halbkreisförmigen 

Bügel  und  einfacher  Spirale  bildet.    Freilich  erscheint  auch  die  Glasinacfibel 

L)  Virchow  a.a.O.  —  2)  Undset  a.a.O..  Big.  L5,  Kg.  23,  Fig.  30.—  3]  Ebenda, 
Fig.  Ki.  24-29;  Fig.  20.  -  4)  Ohnefalsch- Richter  m  Verhandl.  1899,  Fig.  XXV.ö-14. 
Ders.a.a.O.  Nr.  l.  —  5  Obnefalsch-Richter  a.a.O.  Nr.  l.  —  6)  Verhdl  L892,  S.  267, 
Fig.  l.  —  7   Nach  Vii.liow  ebenda.-  8)  Hörnes,  Urgesch.  des  Menschen,  S.  538,  Fig.213. 


—     42     — 

bereits  nach  verschiedener  Richtung'  weiter  entwickelt,  namentlich  in  der 
Bildung  des  Nadelhalters,  dessen  phasenförmige  Gestalt  sehr  an  die  Formen 
von  Olympia  erinnert.  Von  Ungarn  besitze  ich  in  meiner  kleinen  Samm- 
lung ein  Bruchstück  einer  Bogenfibel  aus  Velenio  St.  Veit  (Fig.  2);  der 
ursprünglich  wohl  ebenfalls  halbkreisförmige  Bügel  ist  zu  einem  2  mm 
breiten,  0,5  mm  dicken  Bande  abgeplattet.  Nur  unmittelbar  oberhalb  des 
rinnenförmigen  '2,5  cm  langen  Nadelhalters  ist  er  rund.  Diese  Fibel  ist 
augenscheinlich  aus  einem  gleichmässigen  Draht  von  ca.  1,5  mm  Stärke 
hergestellt  werden,  der  durch  Hämmern  zu  dem  allgeplatteten  Bügel  und 
dem  dünnen  Falz  getrieben  wurde. 

Schon  Yirchow  hat  darauf  hingewiesen,  dass  die  Kobanhbel  trotz 
ihrer  Primitivheit  wegen  des  verdickten  Bügels  doch  nicht  die  einfachste 
Fibelform  darstellen  kann.  Als  diese  haben  wir  vielmehr  die  in  den 
Terramaren  und  namentlich  in  den  unteren  Donauländern  vorkommenden 
Fibelformen  anzusehen,  die  ganz  unseren  modernen  Sicherheitsnadeln 
gleichen.  (Fig.  3).  Beispiele  hierfür  bieten  die  Fibel  von  Waitzen  in 
Ungarn1),   Bodrog-Keresztur,    Comitat  Zemplen2),    Toplic-ia  in  Kroatien"), 

Fisr.  3. 


Fibel  aus  Waitzen,  Ungarn,  nat.  Gr. 
(Aus  Undset.  Z.  f.  E.  1889,  S.  207,  Fig.  li,  u.  Hörn  es,  ürg.  d.  M.,  S.  431.) 

Glasinac  in  Bosnien"),  Jezerine3)  ebendaselbst  usw.,  doch  ist  dieser  Typus 
auch  in  zwei  Tholosgräbern  von  .Mykenä  gefunden  worden.4)  In  dieser 
einfachsten  Form,  die  übrigens  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  den 
ältesten  nordischen  Fibeln  zeigt,  und  deren  Ursprungsgebiet  wohl  zweifel- 
los in  den  unteren  Donauländern  zu  suchen  ist,  haben  wir  also  die  un- 
mittelbare Vorstufe  des  Kobantypus  zu  suchen,  der  nur  eine  geringe 
und  unwesentliche  Modifikation  d^v  ältesten  Grundform  darstellt.  Die 
Fibel  von  Velem  St.  Veit  erscheint  als  eine  Übergangsform  zwischen 
beiden,  insofern  sie  wie  die  Fibel  von  Waitzen  noch  aus  einem  gleich- 
mässigen Draht  gebogen  ist,  aber  durch  die  halbkreisförmige  Gestaltung 
des  Bügels  doch  schon  die  kaukasische  Form  repräsentiert. 

Brillenspiralen. 

Ausser  den  Fibeln  verwandte  man  im  Altertum  zum  Verschluss  der 
Kleidung  auch  die  Brillenspiralen,  die  aus  zwei  hrillenförmig  miteinander 
verbundenen  Spiralscheiben  bestehen.  Der  Verschluss  erfolgt  entweder 
nach  Art    unserer   modernen  Heftel,    wobei    der  Bogen    der   einen    Spirale 


l    HSrnes  a.  a.  0.,  S.  431,  Fig.   L86.  —  2)  Abgebildet  bei  Undset  a.  a.  0.,  Fig.  7. 
—  3)  Hörnes  Urgesch.  der  bild.  Kirnst  in  Europa,  Tat  XIII,  Fig.  8.  —   1)  Verheil.  1890, 

S.  :;ü7. 


—    4:j    — 

einen  Haken  bildet,  der  in  den  Büge]  der  weiblichen  Schliesse  eingehakt 
wurde.     Oder  man  verwendete  zwei  weibliche  Formen  von  Schliessen,  die 

durch  einen   Faden   oder  einen  Doppelhaken   zusan ingehalten  wurden.1) 

Die  erstere  Form  scheint  im  Kaukasus  üblich  gewesen  zu  sein,  wenigstens 
hat  man  dort  eine  Reihe  von  Doppelspiralen  mir  linken  gefunden.  Das 
\  erbreitungsgebiei  «lieser  Schliessen  umfassl  Bowoh]  den  nördlichen,  al> 
südlichen  Teil  des  Kaukasus.  Sie  sind  in  Koban";.  Stepanzminda8), 
Tschmy*),  Helenendorf5),  Artschasdor,  dchmachi6),  Szamthawro  gefunden 
weiden,  scheinen  aber  dich  auf  vielen  südlichen  Gräberfeldern  (Akthala, 
Cheithan-thag  u.  a.)  zu  fehlen.  Wenigstens  werden  sie  von  Herrn  Morgan 
nicht  mit  aufgeführt. 

Piff.  I. 


Brillenspirale  aus  Köbölkut,  Korn.  Gran.     (Z.  f.  Ethn.  1890,  S.  81,  Fig.  46.) 


In  Ungarn  erscheinen  die  Doppelspiralen 
bereits  in  der  Kupferzeit  und  sie  gehören 
nach  Hrn.  Hampel  zu  den  charakteristischen 
Formen  dieser  Periode.  Hr.  Hampel  führt  in 
seinen  „Neuere  Studien  über  die  Kupferzeit" 
eine  ganze  Reihe  .lieser  Geräte  an.  und  zwar 
sowohl  weibliche  als  männliche  Schliessen.7)  Börnes  Urg.  d.  ST.,  S  131.; 
ausserdem  hat  der  grosse  Depotfund  von  Velem 

St.  Veit  eine  grosse  Reihe  von  einzelnen  Spiral  Scheiben  geliefert,  die  z.  T. 
von  Fibeln  stammen  mögen,  zum  andern  Teile  aber  sicher  ebenfalls 
von   Doppelspiralen   herrühren.8). 


1)  Verhandl.  lS'.'l    S.   !<»•'>.   —   2)   Hörnes:    Urgesch.    des  Menschen,    Vollbild    S 
und  S.  535;  Yirchow:  Koban.  S.  I.~>.  —  3)  Führer  durch  das  histor.  Museum  in  Moskau. 
2.  Ausgabe  L893;  Saal  III  No.  L849.  —4)  Verhandl.  1890,8.  125,  Fig.  L5.  —5)  Verhandl. 
L901,  8. 11. "i,  Fig.  36e.  —  6) Verhandl.  L899,  S.  273,  Fig.  52.  —  7)  a.  a  0..  S.  80,  81,  Fig.  l»> 
u.  17.  —  8)  Mitteil,  der  Anthrop.  Gesellsch,  in  Wien  L897,  Heft  1,  S.  L5. 


—     44     —  ♦ 

Von  hier  aus  lassen  sie  sich  einerseits  nach  Westen  bis  in  die  Schweiz1) 
andrerseits  nach  Norden  bis  weit  nach  Nordddeutschland  verfolgen.3) 

Ausser  als  Kleiderschliessen  wurden  die  Doppelspiralen  vielfach  auch 
bloss  als  Schmuckgerät  benutzt.  Für  Koban  hat  das  bereits  Virchow 
ausführlich  dargetan.  Für  Europa  wird  es  ausser  durch  einen  mit  Spiralen 
besetzten  Gürtel  aus  einem  Hügelgrabe  in  der  Gegend  von  Hagenau 
(Nesseische  Sammlung)  durch  die  Gesichtsurne  von  Garzigar,  Reg.-Bez. 
Köslin  bewiesen,  die  als  Halsschmuck  8  auf  einen  Bronzedraht  aufgereihte 
Doppelspiralen  trägt.3) 

An  die  Fibeln  und  heftelartigen  Schliessen  reihen  sich  weiter  die 

Knöpfe, 

die  mit  Ausnahme  von  dem  Gräberfeld  von  Lelwar4)  und  einigen  anderen 
im  Kaukasus  sehr  häufig  und  in  den  verschiedensten  Formen  vorkommen, 
für  die  es  teilweise  im  Abendland  an  Analogien  fehlt.  Yon  den  auch  im 
Westen  vorkommenden  Knopfformen  kommen  hauptsächlich  zwei  Typen 
in  Betracht 

1.  Runde  Hohlknöpfe:  Sie  sind  konvex  oder  halbkuglig,  hohl  und 
an  der  Innenfläche  mit  ein  oder  zwei  stegförmigen  Ösen  zum  Annähen  an 
die   Kleidung   versehen.     Meist    sind    sie  aus    Bronze,    bisweilen  auch  aus 


Fisr.  6. 


Fig.  7. 


Fig.  6.     Antimonknopf  von  Kedabeg.     (Im  Grassi-Museum  in  Leipzig  bef.) 
Fig.  7.     Bronzeknopf  von  Velem  St.  Veit.     (Mitt.  der  Anthrop.  Ges.  in  Wien  ls!>7, 

S.  15,  Fig.  3,  Nr.  37. 


Antimon,  wie  z.  B.  ein  Stück  von  Kedabeg  im  Grassi-Museum  in  Leipzig 
(Fig.  6  und  7).  Ihre  Grösse  beträgt  gewöhnlich  1  —  2  cm.  Diese  Form 
findet  sich  sowohl  in  den  nord-  als  südkaukasischen  Gräberfeldern  ausser- 
ordentlich häufig,  in  einzelnen  Gräbern  bisweilen  mehrere  hundert  Stück, 
ein  Beweis  dafür,  dass  sie  nicht  nur  zum  Zuknöpfen  der  Kleidung,  sondern 
auch  zur  Verzierung  derselben  dienten.6) 

Ganz  gleichartige  Knöpfe  hat  auch  der  Depotfund  von  Velem  St.  Veit 
geliefert  und  zwar  ebenfalls  in  so  grossen  Mengen,  dass  sie  auch  dort  als 
Besatzstücke  verwendet  worden  sein  müssen.6)  Die  gleiche  Verwendungs- 
weise   in    l'i!L!iini    beweist    auch    noch    ein    Grabfund    in  Tolcsva  auf  dem 


1)  Hampel  a.  a.  0.,  S.  80.  —  2)  Nachricht  enüber  deutsche  Alt,  Heft."»,  S.  71),  Fig.  H> 
and  II.  —  3)  Abgebildet  Verhandl.  1885,  S.  175.  —  4)  Morgan:  a.  a.  0.,  I,  S.  120.  — 
5)  Virchow:  Das  Gräberfeld  von  Koban;  das  Gräberfeld  von  Tschmy  in  Ossetien  (Ver- 
handlungen 1890),  Morgan,  a.a.O.,  Rösler,  Verhandl.  1901,  S.  99  u.v.a.  —  6)  Mitteil, 
der  Anthrop.  Gcsellsch.  i.  Wien  von  18!>7,  S.  15. 


—     45     — 

Tokayer  Gebirge,  der  nicht  weniger  als  392  Stück  konvexer,  3/8 — l1/4" 
breiter  Knöpfe  ergab.1) 

Noch  bedeutendere  Mengen  sind  in  vielen  (iräbern  von  Hallstatt  zum 
Vorschein  gekommen,  in  denen  die  Zahl  ineist  /.wischen  200— D»<h> 
schwankte,  doch  fanden  sich  in  einzelnen  Gräbern  noch  viel  grössere 
Mengen,  z.  B.  in  einem  weiblichen  Skelettgrab  3000,  in  einem  lvinder- 
grab  4001)  und  in  einem  Brandgrab    (Xo-  509)    sogar    über    5000  Stück.2) 

2.  Bronzeknöpfe  von  der  Form  der  Fig.  8:  Sie  sind  ebenfalls  rund 
und  konvex,  besitzen  aber  keine  Ösen,  sondern  sitzen  auf  einer  Art  von 
Gerüst  von  drei  bis  vier  Stützen  auf,  deren  Fuss  auf  einem  Bronzering 
ruht.  Bisweilen  ist  nur  das  Gerüst  aus  Bronze,  während  die  Scheibe 
aus  Email  besteht  und  in  einem  Bronzerahmen  eingelegt  ist,  der  auf  den 
Stützen  ruht.  Diese  Form  scheint  nicht  sehr  häufig  zu  sein,  wenigstens 
wird  sie  von  Herrn  Morgan  nicht  aufgeführt.  Sie  werden  erwähnt  von 
Helenendorf8),  Artschadsor*)  u.  a.  Fundstätten. 


Fig.  8. 


Fisr.  9. 


Fi?.  10. 


Figr.  11. 


r.ronzeknopf  von  Üawschanli-Artschadsor,  1/2xmt.  Gr.  (Verhdl.  1896,  S.O."),  Fi?.  13.) 
Fi?.  9.     Gerüst  eines  Emailknopfcs  von  Helenendorf,  Kauk.  (Verhdl.   L901,  S.   1-17,  Fig.  66. 
.  10  u.  11.     Bronzeknöpfe  von  Hallstatt,     (v.  Sacken,  Taf.  XVIII,  Fi?.  11  u.  16.) 

Im  Abendlande  finden  sich  ganz  analoge  Formen  in  Hallstatt,  und 
ausserdem  noch  mauche  Typen,  die  sich  offenbar  aus  den  ersteren  ent- 
wickelt haben.  So  bildet  v.  Sacken  einen  ähnlichen  Knopf  ab,  bei  dem 
jedoch  die  Basis  nicht  durch  einen  Ring,  sondern  durch  zwei  parallele 
Stangen  gebildet  wird;  auch  bildet  der  Oberteil  keine  konvexe  Scheibe, 
sondern  ein  Kreuz  mit  buckelartig  hervortretendem  Mittelstück.5) 

v.  Sacken  meint,  dass  diese  Knöpfe  dazu  bestimmt  gewesen  seien, 
„kreuzweise  durchgezogenen  Schmuck  an  ihrer  Durchkreuzungsstelle  in 
ihrer  richtigen  Lage  zu  erhalten  und  zu  zieren"  doch  finden  sich  bei  den 
kaukasischen  Stücken  oft  nur  drei  oder  zwei  Stützen.  Herr  R Osler 
hält  sie  für  Teile  eines  Pferdegeschirres.6) 

Nadeln. 

K  nopfnade  I  n. 

Sie  sind  sowohl  auf  den  nördlichen  wie  südlichen  Gräberfeldern  des 
Kaukasus  sehr  zahlreich  vertreten  und  zeigen  in  den  späteren  Epochen  die 


1    Seip,  Dio  Zahl  and  Schmuckringglieder,  S.  35.  —  2)  v.  Sacken:    Das  Gräberfeld 

von   Hallstatt,  S.  81.    —    3     Verhandl,    1901,   S.   NT.    —  4)    Verhandl.   1897,   S.  230; 

1696,  S.95.   —   ö   v.  Sacken  a.a.O.,   Taf.  Will.    Fig.  L6.  -  6}  Verhandl.  1896  a.  190J 

a.  a.  O. 


—     40     — 

mannigfachste  Form.1)  Von  den  älteren  Formen,  die  uns  hier  haupt- 
sächlich interessieren,  sind  am  häufigsten  Nadeln  von  dem  in  Fig.  12  — 10 
dargestellten  Typus.  Sie  haben  entweder  nur  einen,  oder  drei  bis  sechs 
senkrecht  übereinander  stehende  Knöpfchen  und  am  Halse  in  der  Regel 
•  •in  kreisrundes  Loch.")  Die  Nadel  ist  in  ihrem  unteren  Teile  häufig 
säbelartig  gekrümmt.3) 

Ähnliche  Knopfnadeln  finden  sich  nicht  nur  in  Troja4)  und  Olympia, 
sondern  auch  in  dem  Donaugebiete5)  und  überhaupt  im  ganzen  Abend- 
lande sehr  häufig.  Indessen  zeigt  sich  im  Abeudlande  überall  die  Neigung, 
den  Knopf  stärker  auszubilden,  sei  es  als  Scheibe,  sei  es  als  Kugel,  sei 
es  als  Knöpfchen,  wofür  im  Kaukasus  erst  in  der  oberen  Etage  von 
Ssamthawro  Analogien   hervortreten.6)     Aber  gerade    in  dieser  Beziehung 


Fig.  12. 


Fie.  17. 


Bronzenadeln  aus  dem  Kaukasus 
und  aus  Ungarn. 

Fig.  12.    Helenendorf,  72  nat.  Gr. 
(Verhdl.  1901,  S.  90,  Fig.  6c.) 

Fig.  13.     Chodshali. 
(Verhdl.  1896,  S.  180.) 

Fig.  14.    Karra-Schlucht. 

(Verhdl.  1898,  S.  217,  Fig.  3.) 

4 

Fig.  15.     Mussiyerri,  nat.  Gr. 
(Morgan  I.  S.  122,  Fig.  99.) 

Fig.  16.     Cheithan-thag,  nat.  Gr. 
(Morgan  I,  S.  119,  Fig.  91,  7.) 

Fig.  17.     Velem  St.  Veit, 

(Mitt.  der  Anthrop.  Ges.  in  Wien  1897, 

Fig.  3  u.  7.) 


scheinen  mir  die  ungarischen  Formen  den  Kaukasischen  ziemlich  nahe  zu 
stehen,  da  auch  bei  jenen  die  Kopfbildung  sich  meist  in  engeren  Grenzen 
hält  und  vielfach  nur,  wie  wir  es  auch  im  Kaukasus  finden,  auf  eine 
keulenförmige  Verdickung  des  oberen  Nadelendes  beschränkt.  Recht 
charakteristisch  ist  auch  die  Säbelform,  die  ja  auch  sonst  sehr  häufig  vor- 


1)  Morgan  a.  a.  O.,  Seite  (.>lff.  —  2)  Virchow,  Das  Gräberfeld  von  Koban,  S.  31, 
Taf.  I,  Fig.  20.  —  '•'<.  Hörn  es,  Urg.  des  Menseben,  S.  534,  Anmcrk.:  s.  a.  Fig.  12  u.  15.  — 
4)  Schlieraann,  Troja  S.  Jus.  —  5)  Mitteil,  der  Antbr.  Ges.  in  Wim  is<.(7,  S.  1.3,  Fig.  3, 
Nr.  54—59-;  Fig.  7,  Nr.  22—27;  Hampel,  Altertümer  d.  Br.  in  üng.  LTF,  LIII;  CXV; 
CXVII;  CXXV1I,  u.  andere.  —  6)  Virchow  a.  a.  0. 


-     47 


r 


kommt,    namentlich   im   Lausitzer  Formenkreise,    und    die    schon    in    der 
ältesten  Bronzezeit  erscheint. 

Eeftnadeln.  Fig.  20.     Fig.  21. 

Eine  weitere  Analogie  bilden  die  sogenannten 
Heftnadeln",  die  gewöhnlich  eine  sehr  scharfe 
Spitze  und  am  oberen  abgestumpften  und  in  der 
Regel  etwas  verbreitertem  Ende  ein  Längliches  Öhr 
besitzen  (Fig.  20  und  21).  Ähnliche  Nadeln  kennt 
man  im  Kaukasus  ausser  von  Helenendorf1)  auch  von 
anderen  Fundplätzen,  so  von  Achmachi,  Cheithan- 
thag  und  aus  den  nordischen  Gräberfeldern  von  Ko- 
ban.2)  In  Ungarn  sind  ganz  analoge  Stücke  in  Pilin3) 
in  St.  Veit4)  und  in  Sajö-Gömör6)  gefunden  worden, 
doch  lassen  sie  sich  nach  Virchow  auch  weiter  nord- 
wärts bis  Norwegen  und  östlich  bis  zur  kaum  und 
zum  Jenisei  nachweisen.8)  Schon  Virchow  hat  in 
Anbetracht  der  oft  sehr  bedeutenden  Grösse  dieser 
Nadeln  Zweifel  ausgesprochen,  ob  diese  Stücke  wirk- 
lich zum  Nähen  und  Heften  verwendet  worden  seien, 
fügt  jedoch  hinzu:  „wozu  sollten  sie  aber  sonst  ge- 
dient haben".  Diese  Frage  hat  neuerdings  Herr 
Voss7)  sehr  eingehend  beantwortet,  indem  er  nach- 
weist, wie  die  Gewandnadeln  zur  Verhütung  des 
Herausrutschens  aus  der  Kleidung  mit  einem  Faden 
umwunden  wurden,  zu  dessen  Aufnahme  und  Fixie- 
rung neben  anderen  Einrichtungen  eben  das  Ohr 
bestimmt  war.  Dass  tatsächlich  auch  die  Heftnadeln 
wenigstens  /..  T.  als  Gewandnadeln  dienten,  scheint 
mir  sehr  deutlich  aus  den  allerdings  einer  weit  späteren  I 

Zeit    angehörigen    gekröpften    Öhsennadeln    hervor-    Fig.  20.    ohmadeln  von 
zugehen,    die,    wenn    man    sich    die    Krümmung   am        Helenendorf,  Kauk. 

1/  f     C  — 

Halse  wegdenkt,  den  gewöhnlichen  Heftnadeln  völlig   _,      'j  °a'      '    _   . 
,   .  ,         £  °  °  (Vrh.1901,  S.  93,  Fig.  11c.) 

glichen.  )  _  _      Fi„  21    öhrnadel  von 

Als  Muster  für  diesen  Typus  haben  wir  die  in  pjii^ Ungarn, V.nat.  Gr. 
der  Steinzeit  vielfach  vorkommenden  beinernen  (Vrh.  1890, S. 573, Fig.  11.) 
Heftnadeln  zu  betrachten,    die   in   Europa  bis  in  den 

letzten    Abschnitt    des    Paläol ithicum    (z.  B.    Gudennshöhle    in    Nieder- 
<  Österreich  ;>)  zurückreichen. 

Nadeln  mit  seitl  icher  <  >se. 
Den   lieft-  und  Ohrnadeln  schliessen  sich  die  ( iewandnadeln  mit  seit- 
licher Öhse  an.    welche  die  ziemlich   schwierige  Durchbohrung  der  Nadel 


1 1  Yrrh.il.  l'.'oi.  S.  93.  -  •_')  Virchow.  Das Gräberfeld  von  Koban,  Tafel  VII,  Fig.  12.  — 

Verhdl.  L890.  —   I     Mitteilungen    dei    Anthrop.    Gtea.   in  Wien  1897,   Nr.  1.   S.  15.  — 

"))  Hampel,  Altertümer  der  Bronzezeit  in  Ungarn.    Tal'.  CXV,    Fig.  23.  —  6]  Virchow. 

a.  a.  O.  —    7)  Verhdl.  1898.  S.  216 ff.  —    8)  Z.  B.  eine  Nadel  v.  Tenipelhof,    Kr.  Teltow. 

Prov.  Brandenburg,   Berl.Mus.  K.  N.  II.  6  L01.  —  9    Hörncs,  ürg.  d.  Menschen.  S.  207. 


—     48 


ersetzen  soll.  Als  Beispiel  hierfür  diene  Fig.  22  von  Besinghy  im  Ober- 
land der  Kabarda.  Es  ist  dies  eine  durchbrochene  Scheibennadel,  bei  der 
an  dem  abgeplatteten    oberen  Teil    der  Nadel    an    der  Übergangsstelle    in 

dem  Rand  der  Scheibe  eine  ziem- 
Fig.  2:?.  Fig.  24.  lieh  starke  Öhse  angebracht  ist. 
Neben  dieser  Nadel  fand  sich 
auf  dem  gleichen  Gräberfelde 
noch  eine  ganz  ähnliche,  die 
ebenfalls  eine  seitliche  Öhse  be- 
sitzt.1) Ein  drittes,  sehr  ähn- 
liches Stück  stammt  von  Tscheg- 
hem  im  Unterlande  der  Ka- 
barda.") Hieran  schliesst  sich 
eine  dicke  Bronzenadel  von  Aul 
Ataschukin,  gleichfalls  im  Flach- 
lande  der  Kabarda,  die  an  Stelle 
des  Kopfes  eine  mit  vier  Spiralen 
verzierte,  2,2  cm  breite  Bronze- 
platte besitzt,  von  deren  unterer 
Fläche  henkelartig  eine  öhse 
nach  dem  verdickten  Nadelstiel 
abgeht.3)  Endlich  kann  ich  aus 
dem  südlichen  Kaukasus  noch 
eine  Nadel  von  Mussiyerri  an- 
führen (Fig.  23). 

Aus  Ungarn  bildet  Herr 
Hampel  in  seinen  Altertümern 
der  Bronzezeit  analoge  Öhsen- 
nadel  von  Salgö-Tarjän,  Com. 
Nograd5),  von  Sajö-Grömör,  Cmn. 
Gömör8),  von  Andras-falvä,  Com.  Lipto7),  und  endlich  ein  Exemplar 
aus  der  Sammlung  Graffenried, 8)  letzteres  ohne  nähere  Fundangabe, 
ab.  Zu  diesen  Stücken  kommen  noch  ein  Paar  von  Hrn.  Reinecke 
wiedergegebene  Nadeln  aus  Ungarn,  deren  Fundort  ebenfalls  nicht  zu 
ersehen  ist.9)  Ausser  vom  donauländischem  Gebiet  sind  ähnliche  Nadeln 
auch  aus  dem  nordöstlichen  Deutschland  bekannt,  so  eine  Bronzenadel  von 
Marzahne10),  Kr.  Westhavelland,  und  eine  ähnliche,  die  am  Halse  ge- 
bogen, von  Prützke11),  Kr.  Zauch-Belzig.  Endlich  finden  sie  sich  auch  in 
Bayern. ia) 

Rollnadeln. 
Weit  häufiger    als    die  verhältnismässig  selten  vorkommenden  Ohsen- 
nadeln  sind   die  sogenannten  Rollnadeln,    bei  denen  der    obere  Teil    der 

1)  Virchow,  Verhdl.  1899,  S.  499.  -  2)  Ebenda,  S.  444.  —  3)  Ebenda,  S.  455.  — 
I  Morgan  a.  a.  0.  I,  S.  122,  Fig.  98.  —  5)  Hampel  a.  ä,  0.  LH  1  a.  —  G)  LH  9a 
u.  c  and  CXI?  LS,  II,  15,  17.  —  7)  LIII,  1.  —  8)  LH,  7.  —  9)  Achaeologiai  'Ertesitö 
1899,  S.  239,  VI  Täbla,  Fig.  17  u.  S.  245,  IX  Täbla,  Fig.  2.  —  10)  Voss.  Verhdl.  1898, 
S.  217,  Fig.  G.  —  11)  Ebenda,  Fig.  7.  -  12)  Kgl.  Mus.  Berl.  KN  II  c.  659. 


Fiff.  21. 


Öhsennadeln. 

Fig.  22.     Bezingby,  nat.  Gr. 

(Verhdl.  1890,  S.  449,  Fig.  5Ga.) 

Fig.  23.     Mussiyerri,  8/4  nat.  Gr. 

(Morgan,  S.  122,  Fig.  9S ) 
Marzahne,  Kr.  W. -Havelland,  J/s  nat-  Gr. 
(Verhdl.  1898,  S.  217,  Fig.  6.) 


—     4!) 


Nadel  breitgehämmert  und  das  Kopfende  zu  einer  Rolle  umgebogen  ist, 
die  statt  des  Öhres  und  der  (Mise  der  vorhergehenden  Nadelformen  zum 
Durchziehen  des  Fadens  diente  (Fig.  25).  Sie  kommen  im  Kaukasus 
sowohl  in  der  unteren  Etage  von  SsamthawTO1),  als 
Fig.  25.  Fig.  i'<;.     namentlich  in  Koban8)  and  Stepan-Zminda  vor.8)     In 

llissarlik  fand  sie  Schliemann  in  seiner  1.  und 
_'.  Ansiedelung-4),  in  Cypera  Ohnefalsch-Richter 
bereits  in  Funden  der  ältesten  Schi  cht6),  in  Ägypten 
Plinders  Petrie.6)  Von  Ungarn  besitze  ich  selbst 
mehrere  Exemplare  ans  St.  Veit,  von  denen  eine  in 
Fig.  26  dargestellt  ist.  und  auch  in  dem  1 1  a  m  pe  I  sehen 
Atlas  ist  sie  vertreten.7)  Weiter  westlich  findet  sie 
sich  in  Hallstatt8),  in  der  Schweiz  und  Italien,9)  nach 
Korden  zu  in  .Mähren10)  ((Jräberfeld  von  (iava)  und 
Königreich  Sachsen11),  bis  nach  der  Provinz  Preussen 
hin.12)  Was  ihre  Zeitstellung  betrifft,  so  erscheint 
sie  überall  bereits  in  den  ältesten  Phasen  der 
Metallzeit,  doch  reicht  sie  andererseits  bis  weit  in 
die  Hallstattzeit  hinein. 

Eine  rein  lokale  Weiterbildung  dieser  von 
\  irchow  als  „kleine  Rollnadeln"  bezeichneten  ge- 
wöhnlichen Formen,  die  übrigens  bis  zu  20  c///  gross 
sind  und  verschiedene  Variationen  aufweisen  (Säbel- 
form, Drehung  des  Nadelschaftes,  Weiterbildung  der 
Nadel  zu  einer  Schleife)  bilden  die  sogenannten  Ruder- 
nadeln, die  bis  zu  30  cm  lang  und  in  ihrem  abgeplatteten 
Fig  •_'.:».    Rollnadel  von    Teüe  o  ^  brejt  werdeD      Sie  sind  bisher  ausser    in 

koban.  (NachVirchow, 


Kob.  Taf.) 
Fig.  26.     Rollnadel  von 
Velem  St.  Veit, 
(eigene  Sammlung.) 


Koban  nur  in  Kumbulte13)  aufgefunden  worden  und 
können  daher  als  rein  lokale  Erzeugnisse  bei  unseren 
Erörterungen  ausser  Betracht  gelassen  werden.  Da- 
gegen müssen  wir  noch  kurz  auf  eine  andere  kuba- 
nische Weiterentwickelung  der  Rollnadeln  eingehen. 
für  die  es  im  Westen  wenigstens  nicht  ganz  an  Beispielen  fehlt;  es  sind 
dies  die 

Spiegel-    oder    Scheibennadeln, 
bei    welchen    der    oben    abgeflachte   Teil    der   Nadel    zu    einer    mächtigen 
schaufelförmigen   Platte    sich    erweitert,    deren    freies  Ende    wie    bei    den 
einfachen  kleinen   Rollnadeln  und  den  ruderförmiffen  Nadeln  röhrenförmig 


1)  Friedr.  Bayern  a.  a.  0.  S.  24.  —  2)  Virchow,  Koban  a.  a.  0.  —  :">  E.  Chantre, 
Recherche«  anthropologiques  dans  le  Cauc,  T.  I.  —  4)  Schliemann,  Troja  1884,  S.  54, 
Nr.  L3  u.  S.  152,  Nr.  62,  63,  Ilios  S.  283,  Nr.  101  u.  8.  i'st,  Nr.  114.  —  5  Neues  über  die 
auf Cypern  äugest.  Ausgr.,  Verhdl.  1899,  S.333.  —  6)  Flinders  Petrie,  Ballaa  ondNagada, 
Taf.  LXV,  Fig.  15.  —  7)  Hampel,  Antiq.  prehist.  de  la  Hongrie.  pl  XXIV.  Fig.  43  u. 
Alt.  d.  Bronzez.  CXV,  17  u.  -J4;  s.  a.  Mitt.  d.  Anth.  Ges.  in  Wien  1897.  —  8  v.  Sacken. 
Das  Gräberfeld  von  Hallstatt,  Täf.  XVI.  —  9)  Hörn  es.  Urgeach.  d.  Menschen,  S. 
—  10)  Verhdl  1890.  S.  177.  —  11)  Deichmüller,  In  Wuttke.  Volkskunde  u.  a.  St.  — 
Voss,  in  Verhdl.  189s.  8.  217,  Fig.  8.  —  13)  Verhdl.   1890,  S.    162. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.  [ 


—     50     — 

umgebogen  ist  (Fig.  27).  Diese  eigentümlichen  Gebilde,  die  Chantre 
epingles  spatuliformes  bezeichnet,  sind  im  Kaukasus  bisher  nur  in  Koban 
gefunden  worden.  Sie  sind  bisweilen  mit  kleinen  getriebenen  Buckeln 
verziert,  häufig  aber  ganz  glatt  und  wurden  paarweise  am  Hinterhaupt  im 
Haar  getragen. 

Ausser  diesen  merkwürdigen  Schmuckstücken  kommen  aber  auch 
noch  Scheibennadeln  ohne  Rolle  vor,  bei  denen  die  Platte  nicht  schaufel- 
sondern herzförmig  oder  dreieckig  gestaltet  ist.1)  Dieser  Typus  ist  ausser 
in  Koban  aucli  noch  in  anderen  Gräberfeldern,  speziell  in  Kumbulte  in 
Digorien  gefunden  worden.2) 


Figr.  27. 


Fig.  28. 


Fiff.  29. 


Fk?.  29  a. 


Fig.  27.     Scheibennadel  von  Koban.     (Nach  Hörnes,  Urg.  d.  M.,  S.  535.) 

Fig.  28.     Scheibennadel  von  Lemmersdorf,  Kr.  Prenzlau,  1/3  nat.  Gr. 

(Verhandl.  1898,  S.  220,  Fig.  17.) 

Fig.  29.     Scheibennadel  von  Gaya,  Mähren,  2/3  nat.  Gr.     (Verhandl.  1890,  S.  173,  Fig.  20.) 

Fig.  29a.     Scheibennadel  aus  Ungarn.    Archäol.  Ertersitö  1899,  S.  240  VII,  Täbla  No.  12.) 

Schon  Virchow  hat  für  die  kaukasischen  Formen  unsere  norddeutschen 
Scheibennadeln  zum  Vergleich  herangezogen.  Doch  ist  bei  diesen  die 
Scheibe  stets  kreisförmig  oder  oval.  Auch  wird  zur  Bildung  der  Rolle, 
soweit  eine  solche  überhaupt  vorhanden  ist,  nicht  der  eigentliche  Scheiben- 
rand, sondern  eine  mehr  oder  weniger  breite  Fortsetzung  verwendet,  die 
von  dem  oberen  Rande  der  Platte  ausgeht.  Die  Rolle  ist  daher  in  der 
Regel  nur  sehr  schmal.3)  Als  Ersatz  der  Rolle,  die  wohl  zur  Anbringung 
von  Schmuck-  oder  ISTutzgerät  diente,  finden  sich  bisweilen   in  dem  oberen 


1)  Hörnes,  Urg.  d.  M.,  S.  532,  Vollbild  1.    -    2)  Verhandl.  1890,  S.  438.    —    3)  Z.  B. 
Die  Nadeln  von  Lemmersdorf,  Lehrake,  Angermünde,  Arnimshain;  usw. 


—     51     — 

Peil  der  Scheibe  mehrere  Löcher,  bo  bei  dem  Schabernacker  Exemplar. 
Zur  Verzierung  der  Platten  dienen  gewöhnlich  getriebeue  Buckel,  die 
meist  in  mehreren   Reihen  den   Kam!  der  Scheibe  umsäumen. 

Diese  Nadeln,  deren  Scheibendurchmesser  90 —  120  mm  beträgt,  kennt 
man  bei  uns  aus  Mecklenburg  (Sparov?  I».  Plau,  Lüssow  b.  Güstow,  Zier- 
zuw  b.  Grabow  und  Heinrichsfelde)1),  aus  der  Uckermark  (Lemmersdorf2), 
A.ngermünde8),  Arnimshain)*),  aus  Pomniern  (Clempenow  b.  Demmin), 
•ms  Ostpreussen  (Fritzen)6),  aus  Schabernak  (Ostpriegnitz)6),  aus  dem  Elbe- 
gebiete (Estorfsche  Sammlung)  und  uns  Hannover  (Lehmke,  Amt  Boden- 
teich; Marssei,  Amt  Zesum;  Sommerbeck,  Amt  Blekede.)7) 

Zu  der  nordischen  Gruppe  rechnet  Virchow  auch  die  livländischen 
Scheibennadeln,  die  zwar  nicht  rund,  sondern  mehr  abgerundet  dreieckig 
sind  and  an  den  Schultern  getragen  wurden.  Ausserdem  haben  sie  nach 
Yirchow  noch  das  Eigentümliche,  dass  an  dem  Übergange  des  Stieles  zur 
Scheibe  Ketten    mit  manchen    Zierraten   und    Nutzgerät  aufgehängt   sind.8) 

Den  nordischen  Stücken  reiht  sich  zunächst  eine  Scheibennadel  von 
Maskovica  in  Böhmen  an,  die  jedoch  als  Gürtelbeschlag  gedeutet  worden 
ist.'1)  Weiter  folgt  ein  Exemplar  aus  Gaya  in  Mähren10),  dass  zwar  an 
Grösse  sowohl  hinter  den  kaukasischen  als  den  nordischen  Stücken 
ziemlich  beträchtlich  zurücksteht  trotzdem  aber  zweifellos  dieser  Gruppe 
zuzurechnen  ist.  Es  ist  eine  Säbelnadel,  deren  oberer  abgeplatteter  Teil 
zu  einer  breiten  Scheibe  von  länglich  ovaler  Form  sich  erweitert.  Zwei 
ganz  ähnliche  Nadeln  mir  etwas  breiterer  Scheibe  von  rhomboider  Gestalt 
bildet  Herr  Keine cke  aus  Ungarn  ab;  auch  bei  ihnen  ist  das  obere  Ende 
zu  einer  Rolle  umgebogen.11)  Diese  drei  Stücke  bilden  eine  sehr  deutliche 
Obergangsform  von  den  einfachen  Rollnadeln  zu  den  nordischen  Scheiben- 
nadeln einerseits  und  den  kaukasischen  Spiegelnadeln  andererseits  und 
erscheinen  dadurch  um  so  bemerkenswerter,  als  sie  auch  geographisch 
die  räumlich  so  weit  auseinander  liegenden  Formen  einander  näher  bringen. 

Endlich  sind  den  nordischen  ähnliche  Scheibennadelu  auch  noch  in 
[strien  und  besonders  häufig  in  der  Westschweiz  gefunden  worden.1-) 

Auch  diese  Nadeln  erscheinen  bereits  sehr  frühzeitig,  wie  dies 
namentlich  die  Depotfunde  von  Angermünde  und  Arnimshain,  die  etwa 
der  Periode  II   Montelius  angehören,  beweisen. 

Radnadel  n. 
Vis  eine  Weiterentwickelung  der  im  Abendlande  heimischen  Rad- 
uadeln  fasse  ich  die  im  nördlichen  Kaukasus  verschiedentlich  beobachteten 
Nadeln  mit  ä  jour  durchbrochener  Scheibe  auf.  Dieser  Typus,  der  in 
Europa  von  Bosnien  bis  zur  Schweiz  und  nordwärts  von  Baiern  bis  nach 
Norddeutschland    vorkommt,    tritt    schon    in    diesem  Gebiete    in    ziemlich 


1)  Schumann,  Nachricht,  aber  deutsche  Altertumsfunde  1901,  Heft  2,  S.  30.  — 
J  Yin-liow,  a.a.O.,  und  Verhandl.  L898,  S.  IT.  —  3)  Schumann,  a.  a.  0..  S.  30, 
Fig,  l  u.  9.  —  1)  Schumann,  ebenda,  Heftö, S.  79,  Fig.  33— 35. —  5)  Schumann,  a.  a.  0. 
—  6)  Yirchow,  Gräberf.  v.  Koban.  —  7)  Lindenschmit:  Die  Alt.  uns.  h.  Yorz.,  Bd.  II, 
I  3,  Taf.  [V,  2-4.  —  8)  Virchow:  a.a.O.  —  9)  Richly:  Bronzezeit  in  Böhmen, 
Tut.  XX,  Fig.  26  u.  S.  10G.  —  10)  Verhandl.  L890,  S.  177.  —  11)  Arch.  Ertesitö  1899,  S.  55, 
Fig.  11  u.  S.  241,  Fig.  12.  —  12    Schumann,  a.  a.  0, 

4* 


—     52     — 

verschiedenen  Variationen  auf.  Bei  den  einfachsten  und  ursprünglichsten 
Formen  ist  das  Rad,  in  das  sich  die  in  ihrem  oberen  Teil  meist  ab- 
geplattete und  verbreiterte  Nadel  fortsetzt,  vierspeichig1)  und  die  vier 
Speichen  gehen  nach  der  Mitte  zu  bisweilen  in  einem  kleinen  Reifen  über,  der 
wohl  ursprünglich  den  Achsenring  des  Rades  andeuten  soll.2)  Eine  weitere 
Variante  bilden  Nadeln  mit  acht  Speichen,  von  denen  die  vier  Haupt- 
speichen sich  bis  zum  Mittelpunkte  des  Rades  fortsetzen,  so  die  Figur 
eines  senkrechten  Kreuzes  bildend,  während  die  vier  Nebenspeichen  nur 
bis  an  den  inneren  Ring  herantreten.3)  Etwas  stärker  von  dem  ursprüng- 
lichen Radtypus  weichen  schon  die  Nadeln  ab,  bei  denen  zwar  noch  vier 


Fig.  30. 


Fig.  31. 


Fig.  32. 


Fig.  :!0.     Nadel   mit   ä  jour   durchbrochener   Scheibe 

von  Tschegem,  3/4  nat.  Gr.' 
Fig.  31.    Desgl.  von  Besinghy,  Oberland  der  Kabardä, 

nat.  Gr.    (Verhdl.  1890,  S.  449,  Fig.  65b.) 

Fig.  32.     Eadförmige  Nadel  von  Glasinac  in  Bosnien, 

nat.  Gr.     (Hörnes,  Urg.  d.  M.,  S.  539,  Fig.  213.) 


zu  einem  stehenden  Kreuz  zusammenfiiesseiide  Hauptspeichen  vorhanden, 
die  vier  Quadranten  des  Rades  dagegen  in  irgend  welcher  Weise  aus- 
gefüllt sind.*)  Noch  eigentümlicher  ist  die  in  Fig.  32  dargestellte  Nadel 
von  Glasinac  in  Bosnien,  deren  Kopf  aus  einem  halben  Rad  gebildet 
wird,  das  an  seinem  äusseren  Rande  eine  kammartige  Krönung  zeigt.6) 
Eine  ähnliche  Krönung  findet  sich  übrigens  auch  bei  manchen  west- 
deutschen Radnadeln,  z.  B.  bei  der  von  Westerweihe  in  Hannover6),  einer 


1)  Lindenschmidt:  Die  Alt.  uns.  h.  V.,  Bd.  I,  Heft  1,  Taf.  IV,  Fig.  1  u.  5;  Nachr. 
6b.  (1.  Altertnmsfunde  L903,  S.  38,  Fig.  :*».  —  2)  Z.  B.:  Die  Nadel  von  Borstel,  Kreis 
Stendal:  Verband!.  1898,  S.  220,  Fig.  19  und  die  Nadel  von  Westerweihe  bei  Lindenschmit 
a.a.O.,  Fig.  2.  —  3)  Lindenschmit:  a.a.O.,  Fig.  3;  ferner  die  N.  von  Pappen- 
heim,  im  Kgl.  Mus.  zu  Berlin,  K.  N.  II  630.  —  I)  Lindenschmit:  a.  a.  0.,  Fig.  2  u.  4. 
—  5)  Hörnes:  L'rg.  d.M.,  S.  539,  Fig.  21.'!.  —    6)  Lindenschmit:  a.  a.  0,  Fig.  2.  u.  4. 


—     53     — 

Nadel  von  Hessen1)  u.a.     Endlich  gehört  in  diese  Gruppe  vielleicht  noch 

eine  sein-  merkwürdige  Xadel  von  (ilasinac,  deren  Kopf  Btatt  von  einem 
Rade  von  einer  ([uerliegenden  fünfsprossigen  Leiter  gebildet  wird.2)  Eine 
Analogie  für  diese  Leiternadel  findet  Herr  Börnes  in  einer  Nadel  ans 
Troja,  deren  ebenfalls  leiterförmig  geteilter  Kopf  ähnlich  wie  die  bosnische 
Radnadel  und  die  Exemplare  von  Hessen,  Westerweihe  und.Würzburg 
mit   einer  kammartigen   Krönung  verziert  ist. 

Von  den  kaukasischen  Können  dieser  ( Jruppe  haben  wir  bereits  unter 
den  Ohrnadeln  ein  Exemplar  kennen  gelernt  (Fig.  22).  Ein  zweites 
diesem  sein-  ähnliches  ebenfalls  aus  Besinghy  stammendes  Stück  bildet 
Yirchow  an  der  gleichen  Stelle  ab.  Endlich  gebe  ich  noch  die  Ab- 
bildung einer  nahe  verwandten  Nadel  von  Tscheghem  (Fig.  30).  Wie  bei 
den  beiden  vorgehenden  breitet  sieb  hier  die  Nadel  zu  einem  grossen 
Ring  ans.  dessen  Inneres  von  drei  Balken  durchzogen  ist,  doch  sind  bei 
dieser  die  Balken  glatt  und  ziemlich  schmal,  während  sie  bei  den  Stücken 
von  Besinghy  stärker  und  blitzartig  geschlängelt  sind;  auch  sind  bei 
letzteren  der  Hing  und  die  Balken  mit  rundlichen  Knöpfen  besetzt.  Alle 
Stücke  sind  mit  starken  Ohsen  versehen. 

Die  Abstammung  sowohl  der  europäischen  Radnadeln  als  der  kauka- 
sischen Nadeln  mit  ä  jour  durchbrochener  Scheibe  von  den  radförmigen 
.Medaillons  erscheint  mir  um  so  weniger  zweifelhaft,  als  letztere  eine 
ganz  ähnliche  Entwickelungsreihe,  wie  erstere  aufzuweisen  haben.  Ins- 
besondere steht  den  kaukasischen  Stücken  eine  Anzahl  von  Bleimedaillen 
von  Akthala,  Mussiyerri  und  Cheithanthag  sehr  nahe,  die  anstatt  von  zwei 
sich  sen  krocht  im  Zentrum  kreuzenden  Speichenpaaren  von  vier  bogenförmig 
gekrümmten  exzentrisch  zusammenstossenden  dicken  Balken  durchzogen 
werden  und  die  so  recht  deutlich  den  Übergang  von  dem  einfachen  vier- 
speichigen  Rade  zu  den  durchbrochenen  Scheiben  von  Tscheghem  und  von 
Besinghy  \  eranschaulichen.8) 

Volutenn  ad  ein. 

Bei  dieser  Gattung  gabelt  sich  das  obere  Nadelende  in  zwei  Ösen,  die 
in  eine  mehr  oder  weniger  breite  Spiralscheibe  aufgerollt  sind.  Aus  dem 
Kaukasus  ist  mir  diese  Form  nur  aus  Koban  und  Kumlmlte4)  in  Digorien 
bekannt.  Im  Abendlande  ist  sie  am  häufigsten  in  dem  Pfahlbau  von  Pes- 
chiera  beobachtet  worden,  der  ihr  auch  den  Namen  i  Peschieratypus)  gegeben 

1)  Desgl:  Bd.  II,  Heft  III,  Taf.  IV,  Fig.  1.  —  2)  Hörnes:  a.  a.  0.  —  3)  Morgan: 
a.  a.  0.,  T.  I,  S.  50,  Fig.  10,  3  u.  S.  131,  Fig.  11!».  —  Für  die  Abstammung  der  europäischen 
Formen  aus  den  älteren  radfürmigen  Anhängseln  spricht  vor  allem  die  häutig  vorkommende 
Öhse  ;nii  oberen  Rande,  aus  der  sich  dann  weiter  die  verschiedenartige  Krönung  heraus- 
gebildet hat  Ich  halte  es  nicht  für  wahrscheinlich,  dass  die  »Mise  zum  Durchziehen  des 
Befestigongsfadens  oder  zur  Anbringung  von  Schmuck^erät  diente,  sondern  erblicke  \iel- 
mehr  darin  lediglich  ein  Überbleibsel  der  ursprünglichen  Medaillons,  bei  denen  sie  ja 
zum  Anhangen  notwendig  war.  Da  die  Medaillons  bereits  in  Bfykenae  ^ehr  häutig  auf- 
treten und  auch  in  den  nordbalkanischen  Gebieten  in  eine  sehr  frühe  Zeit  zurück- 
reichen,  so  kann  auch  ihre  Weiterbildung  zur  Nadel  schon  sehr  früh  begonnen 
hal'en.  obschon  diese  selbst  und  namentlich  ihre  komplizierteren  Varianten  augenscheinlich 
einer  »päteren  Periode  angehören.  —   H  Virchow:  Verhdl.  1890,  S.  111'. 


—     54     — 

hat.1)  Doch  kommen  ganz  gleichartige  Stücke  nach  v.  Sacken  auch  in 
llallstatt,  in  den  Grabhügeln  zu  Erk  bei  Yöcklabruck  in  Oberösterreich, 
uud  in  Ungarn  vor.2)  Aus  Westdeutschland  bildet  Linden  seh  mit  ein 
Exemplar    von     Geiersbach    in    Hessen    ab3),    während    das    nordöstliche 


Fig.  33. 


Fisr.  34. 


Fig.  3öa. 


Fiff.  35  b. 


Fier.  36a.        Fig.  36b. 


Fig.  37. 


Fisr.  38. 


Fig.  33.  Volutennadel  aus  Kumbulte,  Digorien,  lj3  nat.  Gr.  (Verhdl.  1890,  S.  419,  Fig.  3. 
Fig.  34.  Volutennadel  von  Peschiera,  Gardasee.  (Hörnes,  ürg.  d.  M.,  S.  426,  Fig.  184.) 
Fig.  35a.     Bronzener  Fingerring  aus  Sadakhlo,  ;i/4  nat-  Gr.     (Morgan,    S.  113,   Fig.  TT. 

Fig.  35b.     Bronzespirale  aus  Veleni  St.  Veit. 

Fig.  36a.     Bronzene  Fingerspirale  von  Hadrut,  4/n  1)at-  Gr.     (Verhdl.  1896,   S.  164,  Fig.  3.) 

I'ig.  36b.     Bronzene  Fingerspirale  von    1  Windungen  aus  Pilin,  Ungarn. 

(Hanipel,  Antiq.  prehist.  pl.  XVI,  Fig.  I. 

Fig.  3T.     Bronzene  Ohrringe  von  Utch-Kilissa  und  Akthala,  nat.  Gr. 

(Morgan  I,  S.  IUI,  Fig.  66  u.  67.) 

I'ig.  38.    Ohrring  von  Komoxn.   (Berl.  Mus.  II. ,4730;  nach  01shausen:.Verh.  L886,  S.  ITI.) 

Deutschland  durch  eine  Nadel  von  Schroda,  Prov.  Posen4)  und  ein 
Bxemplar  von  Eichstädt,  Kr.  Osthavelland,  Prov.  Brandenburg')  vertreten 
ist.      Letzten'  zeigt  allerdings    insofern    eine    etwas    abweichende   Bildung, 


1)  Hörnes:  Orgesch.  d.  Menschen,  S.  126  u.  138,  Anmkg.  —  2)  v.  Sacken;  Das 
Gräberfeld  von  Hallstatt  und  Hampel:  Altert,  d.  Bronzezeit  LIII,  Fig.  7.  —  3)  Linden- 
Bchmit:  Altert,  uns.  heidn.  Vorz.  Bd.  I.  H.  IX,  Tat'.  II,  Fig.  T.  —  4)  Im  Berl.  Museum, 
K.  N.  I,  1243.   —   5)  Berl.  Museum  K.  N.  II  5606. 


ÜO      — 


als  der  Hals  in  einer  kropfartigen  halbhohlen  Anschwellung  besteht  und  der 
Nadelschaft  sein'  verkürzt  ist.  Ganz  eigentümlich  ist  eine  Nadel  von 
Szarlej  am  Goplo-See,  die  an  beiden  Seiten  je  zwei  senkrecht  über  ein- 
ander stehende   Spiralscheibeii   bildet.1) 

Als  eine  diesen  N;ideln  verwandte  Form  ist  eine  l'lattennadel  von 
Knmbulte  aufzufassen,  bei  welcher  die  Voluten  in  Blech  ausgeschnitten 
Bind.2)  Auch  für  dieses  Stück  lässt  sich  aus  dein  Aheiidlande  eine 
Parallele  aufweisen  und  zwar  in  einer  Nadel  von  Sammenthin,  Kr.  Arns- 
wahle,  l'rov.  Brandenburg,8)  nur  ist  bei  dieser,  wie  bei  den  typischen 
mittel-  und  norddeutschen  Spiralscheibennadeln  blos  eine  spiralförmig 
ausgeschnittene  Scheibe  vorhanden.*) 

Fingerringe 
finden  sich  im  Kaukasus,  wie  es  scheint,  nicht  allzu  häufig  und  fehlen 
sogar  auf  einzelnen  Gräberfeldern,  wie  in  Lehvar1)  vollständig.  Von  den 
verschiedenen  Formen  sind  einfache  Spiralringe  oder  aus  mehreren 
Windungen  bestehende  Bronzespiralen  am  häufigsten,  doch  kommen  auch 
breite  offene  Reifen2)  und  Siegelringe3)  vor. 

Als  Analogien  aus  dem  Abendlande  und  insbesondere  aus  dem  unteren 
Donaubezirke  kommen  hauptsächlich  die  beiden  ersten  Formen  in  Be- 
tracht, die  überall  heimisch  sind  und  überall  in  sehr  alte  Zeiten  zurück- 
reichen.    (Fig.  35 — 30). 

Eine  dritte  beiden  Gebieten  gemeinsame  Form,  die  im  Abendlande 
in  Ungarn*),  Bayern0)  und  Norddeutschland6)  vorkommt,  bilden  die  soge- 
nannten Scheibenringe,  bei  denen  die  verjüngten  Reifenenden  zu  zwei  in 
einer  Ebene  liegenden  Spiralrollen  aufgewickelt  sind.  Dieser  Typus  ist 
mir  au-  dem  Kaukasus  nur  von  Koban  bekannt  (Wiener  Hof -Museum 
K -N'o.  IS  77-1  und  18  293).  Wie  in  Mitteleuropa  erscheint  er  dort  auch 
als  Armschmftck  (vgl.  u.   Fig.  55). 

Ohrringe. 

Von  diesem  Schmiickgerät  lässt  sich  den  abendländischen  Formen 
aus  dem  Kaukasus  ein  Typus  an  die  Seite  stellen,  der  zu  den  sogenannten 
Noppenringen  der  Formel  I  H.  Olshausen  gehört.  (Fig.  37).  Aufgewickelt 
würden  diese  Ringe  einen  einfachen  Haken  mit  einem  kurzen  und  einem 
langen  Schenkel  bilden.  Sie  sind  bisher  nur  in  Koban.  Kamunta,  l  tseh- 
Kilissa   und   in   Akthala7)  gefunden  worden. 

Das  gleiche  Prinzip  liegt  gewissen   ungarischen  Ohrringen  zu  Grunde, 


1)  Kohn  u.  Mehlis;  Mat.  zur  Vorgesch.  des  Menschen  im  östl.  Europa.  Bd.  II, 
S.  221,  Fig.  24.  —  i'    Virchow  a.  a.  0.  —  3)  Berl.  Museum  K.  N.  I.  f.  3120. 

*)  Diese  Nadeln  erinnern  lebhaft  an  die  schönen  Goldspiralen  ans  dem  Schatz  von 
Bzarvasszd,  Comit.  Marmaros,  obschon  diese  nicht  als  Nadelköpfe  dienten  [vgl.  Hampel 
a.  a.  0.  XLVJ,  Fig.   L— 4). 

1)  Morgan  a.  a.  0.,  T.  I,  S.  111.  —  2)  Ebenda,  S.  L13,  Fig.  78,  S.  1'.'.  Fig.  5.  - 
'.  Verhdl.  L896,  Taf.  VIII,  Fig.  16— 19.  -  h  Hampel:  AntiM.  prob,  de  la  üongrie 
pl.  XVI  5;  All.  ,1.  Hr.  i.  0.  \UX  1:  Arrh.  Eretsitö  L899,  S.  239,  Fig.  1".  -  5]  Beil. 
Museum  K.  N.  EIc  li'ol  u.  K.  N.  II.-  1150.  —  6  Nachr.  über  .1.  Alt.  1901,  S.30,  Fig.5. 
—  7^  Morgan  a.  a.  0,  S.  104,  Fig.  66  u.  67. 


—     56     — 

von  denen  mehrere  Exemplare  aus  Komorn ')  und  anderen  Fundstellen  im 
Kgl.  Museum  in  Berlin  aufbewahrt  werden.2)  Ganz  ähnliche  Stücke  sind 
auch  von  Czofälva8)  Haromszeker  Stuhl,  beschrieben. 

Gleichfalls  als  Ohrringe  (Pendants  d'oreilles)  bezeichnet  Herr  Chantre 
jene  eigentümlichen,  in  Koban  ausserordentlich  häufig  vorkommenden  Ge- 
bilde, die  Yirchow  für  Schläfenringe  erklärt,  und  die  nach  ihm  ähnlich 
wie  die  slavischen  Schläfenringe  an  der  Mütze  oder  an  breiten  Bändern 
befestigt  waren/)  Auf  ihre  Zugehörigkeit  zu  deu  Noppenringen  (I,  S.  3) 
hat  schon  Herr  Olshausen  in  einem  Nachtrag  zu  seiner  Arbeit  hin- 
gewiesen. Wenn  auch  die  gleichen  Schmuckstücke'  im  Abendlande  und 
speziell  im  unteren  Donaugebiete  fehlen,  so  findet  sich  doch  wenigstens 
dasselbe  Prinzip  dort  vertreten,  so  z.  B.  bei  einem  im  Königl.  Museum 
aufbewahrten  goldenen  Noppenring  aus  Ungarn.5) 

Armringe  und  Armbänder 

als  Schmuck-  und  Schutzgerät  kommen  im  Kaukasus  ausserordentlich 
häufig  und  in  sehr  verschiedenen  Formen  vor,  für  die  es  z.  T.  im  Abend- 
lande an  Parallelen  fehlt.  Eine  Analogie  zu  den  donauländischen,  bezw. 
abendländischen  oder  nordischen  Typen  lässt  sich  bei  folgenden  Ring- 
formen nachweisen. 


Fi-    39. 


Fig.  40. 


Fig.  39.    Bronzehalsband,  rund  mit  Strich- 
ornament, Mussiyerri:  3/8  nat.  Gr. 
(Morgan,  T.  I,  S.  113,  Fig.  75.) 

Fig.  40.    Desgl.,  Velem  St.  Veit. 

(Mitt.  d.  Anthrop.  Ges.  in  Wien  1S97, 

S.  17,  Fig.  7,  17.) 


1.  Glatte,  offene  oder  geschlossene  Reifen  aus  rundem,  mehrere  Milli- 
meter starkem  Draht;  meist  mit  quer  oder  schräg  verlaufenden  Strich- 
gruppen  oder  Sparrenornament  verziert.  Sie  sind  nach  Morgan  in  kau- 
kasischen Gräbern  sehr  häufig  und  wurden  teilweise  vielleicht  erst  nach- 
träglich durch  Anbringung  von  Ornamenten  zu  Schmuckstücken  umgewandelt, 
nachdem  sie  vorher  als  Münzringe  gedient  hatten.")  Die  gleiche  Form  in 
Europa  sehr  verbreitet  und  sehr  alt.7)    (Fig.  39  u.  40). 

2.  Ähnliche  Reifen  mit  D-förmigem  Querschnitt. 8)  Sie  sind  anscheinend 
etwas  seltener.  als  die  Ringe  mit  kreisförmigem  Querschnitt.  Auch  im 
Abendlande    und   insbesondere    in   Ungarn  scheinen    sie  weniger   häufig  zu 


1)  II  4730,  zwei  Stück,  das  eine  Spiegelbild  d.  and.  und  II  5711,  ebenfalls  ein 
zusammengehöriges  Paar.  —  2)  II  5661—63  (vgl.  die  Arbeit  von  Olshausen,  Verhdl. 
1886).  --  •'!)  Arch.  f.  Siebenburgische  Landeskunde  N.  P.  13,  Taf.  8,  7.  —  4)  Virchow: 
D  Graberfeld  von  Koban.  —  5)  II  5710  abgebildet  bei  Olshausen,  Verhdl.  1886,  S.  140. 
—  6)  Morgan  a.  a.  0.,  S.  L12ff.  —  7)  Vgl.  die  Abbildungen  in  den  Mitt.  d.  Anthrop. 
Gec  in  Wien  L897,  8.  L6  u.  17.  —  8)  Beispiele:  Berti  (Verhdl.  1899,  S.  289,  Fig.  92.), 
Schuscha  (Verb. ||.  1898,  8.292,  Fig.  8),  Chodschali  (Verhdl.  L898,  8.  129.  Fig.  18).— 


—     \n     — 

sein  and  speziell  treten  sie  gegenüber  den   drei-  oder    vierkantiges  Arm- 
reifen zurück.1)     (  Fig.  41   it.  42). 

:;.  Gerippte  Armreifen,  auf  dem  Querschnitt  rund,  an  der  Innenseite 
glatt,  aussen  bald  nur  ganz  flach  eingefurcht,  bald  tief  eingeschnitten,  so- 
dass die  einzelnen  Segmente  zwischen  den  Einfurchungen  perlenartig  her- 
vortreten.    Im  Kaukasus  kennt  man   diese  Formen  aus   Koban,  Schuscha. 


Fiff.   II. 


I: 


Fig.    I::. 


v\s.  \:< 


Fij.    IC 


Fi-    II. 


Fig. 

Olli 

Fig. 


Fie.   I:;. 


Fig. 
I  ig 
Fie. 


11.  Offener  Bronzearmreif  im  Querschnitt,  D-förmig.    Kerbschnitt  u.  sparrenähnliches 
iment,  »/a  nat.  Gr.    Serti,   Langesurscher  Kr.,  Kauk.     (Verhdl.  1899,    S.  289,   Fig.  92.) 

12.  Offener  Bronzering   mit    D-förmigem   Querschnitt,   Velem  St.  Veit;   l/<  nat-  Gr- 

(a.  a.  0.,  S.  1!),  Fig.  5,  23.; 

Bronzereif,  glatt,  offen,  am  Ausseurande  gerippt,  Dschebreü,  Kauk.:    '  ,  nat.  Gr. 

(Verhdl.  1896,  S.  L68,  Fig.  10.) 

II     Bruchstück  eines  gerippten  Armreifes  von  Velem  St.  Veit:  nat.  Gr.  (Eigne  Samml. 

15.    Vierkantiger  offener  Ring  von  Damgolu,  Kauk.:  nat.  Gr.   (Verh.  18%,  S.  99,  Fig.  56. 

16     Bruchstück  eines  analogen  Ringes  von  Velem  St.  Veit:   nat.  Gr.    (Eigne  Samml.1 


i.rtschasdor,  Dschebrail  und  Mussijerri.9)  In  Ungarn  smd  ähnliche  Stücke 
ziemlich  häufig  gefunden  worden,  so  in  Pelsö-Csaj,  Blatnitza  bei  Szebeslo. 
Cum.  Turöcz,  in  Debreczin8),  und  St.  Veit  bei  Grüntz,  doch  sind  sie  auch 
im  Hallstatter  Kulturkreis  und  in  Büttel-  und  Norddeutschland  nicht  selten. 
(Fig.  43  u.  44). 

4.  Kantige  Ajmringe,  auf  dem  Querschnitt  drei-  oder  viereckig,  ver- 
ziert und  unverziert,  otlen  oder  geschlossen.  Ein  Bowohl  im  Kaukasus4) 
als  in  Ungarn  sehr  häufiger  Typus.0)     (Fig.  45  u.  46). 

1)  M..I.  Anth.  Ges.  in  Wien  1897  a.a.O.  —  2  Morgan  a.  a.  O..Yrh.  1896,  S.  7  u.  Fig.  10. 
—    3)    Eampel    a.a.O.  pl. XVI,  Fig.    14—16  u.   a.    -    5)  Verhdl.  L896,  S.  99  u.a.  - 
Mitt.  d.  Anth.  Ges.  in  Wien  L897  a.  a.  0.,  Bampel:  Alt.  d.  Br.  i.  ü.  LT,  I  u.  2  u.  a. 


—     58     — 

5.  Schwere,  dicke  Armringe1),  offen,  auf  dein  Querschnitt  rund  oder 
D förmig  oder  kantig'2)  mit  Querstreifen,  Sparrenornament  usw.,  verziert, 
oder  ganz  ohne  Ornament.  Für  die  Kaukasischen  Stücke  hat  Herr  Morgan 
ein  bestimmtes  Gewichtsverhältnis  nachzuweisen  gesucht,  das  dem  assy- 
rischen System  entspricht.  Das  Gewicht  der  einzelnen  Ringe  würde 
danach  das  zwei-,  drei-,  vier-  usw.  bis  achtzigfache  des  Gewichtes  des 
kaukasischen  (assyrischen)  Schekels  darstellen.  Diese  Form  wäre  daher 
nicht  sowohl  als  Schmuckgerät  als  vielmehr  als  Münzgewicht  anzusprechen. 
Auch    dieser  Typus    ist  in  Ungarn3)    und  weiter    in    ganz  Österreich    und 


Fig.  47, 


Fig.  48. 


Fig.  49. 


Fig.  50. 


Fig.  47.     Bronzeringe  von  Helenendorf,  Kauk. :  1J2  nat.  Gr.     (Verhdl.  1901,  S.  !>0,  Fig.  Ga.) 

Fig.  48.    Bronzearmring  von  Velem  St.  Veit;  72  n&t-  Gr-     (Eigne  Sammlung.) 

Fig.  49.     Geknöpfter  Bronzering  aus  Akthala.    (Morgan,  T.  I,  S.  129,  Fig.  113.) 

Fig.  50.     Stück  eines  geknöpften  Ringes  von  Velem  St.  Veit.     (Eigne  Sammlung.) 

Deutschland  im  Beginn  der  Bronzezeit  sehr  verbreitet4),  doch  vermag 
ich  nicht  zu  sagen,  ob  sich  für  diese  Stücke  ein  analoges  Gewichts- 
verhältnis hat  feststellen   lassen. 


1)  Morgan:  a.  a.  S.  110,  Fig.  Au.  71.  Virchow:  Koban,  Tat'.  V,5.  Verhdl.  1890, 
S.  Ii'l.  Fig.  7.  —  2)  Virchow:  Verhdl.  1890,  S.  Ii'o  (Kuinbulte  Dig.).  Hömes:  Urgesch. 
!.  Menschh.  8.534,  Bild  2.  -  3)  Hampel:  Antiqu.preb.ist.  pl.  L6,  Fig.  II,  17,  L9,  20,  23 
lind  pl.  X,  Fig.  :;  u.  I.  Kaiman  Freih.  v.  Miskc:  Mitt.  d.  Antr.  Ges.  zu  Wien, 
Jg.  L897,  S.  16,  Fig.  .")  ii.  6.  —  4)  z.  B.  im  Gräberfeld  v.  Knochenberg  bei  Niederrödern. 
Deichmüller:    Mitt.    a.  d.  Kl.  min.  geol.  u.  prah.  Mus.  i    Dresd.  S.   12. 


—     59     — 

C).  Einfache  Spiralringe  mit  P/gfacher  Windung,  rund  oder  kantig, 
verzier!  und  anverziert.  Analoge  Stücke  aus  Ungarn  vielfach  bekannt. 
Auch  in  Mittel-  und   Norddeutschland  häufig.     (Fig.  47  u.  48.) 

7.  Geknöpfte  Armringe:  auf  «lern  Querschnitt  rund  oder  Dförmig;  an 
der  Aussenfläche  warzen-  oder  kugelförmige  Ansätze.  Im  Kaukasus  Bind 
sie  in  Akthala,  Mussiyerri x),  Gagdaja8)  und  Helenendorf 8)  gefunden  worden. 
Im  Abendlande  kommen  sie  von  Ungarn  bis  zum  Rhein4)  und  weiter  in 
Böhmen  und  Norddeutschländ  vor,  doch  scheinen  die  europäischen  Buckel- 
ringe durchweg  einer  späteren  Zeit  und  zwar  der  La  Tene-Periode  an- 
zugehören.     (Fig.  41)  u.  50.) 

8.  Armbänder:  1— 2  cm  hoch,  glatt  oder  mir,  Mittelrippe  oder  wulst- 
artigen Keifen  verziert  (Fig.  51  u.  52),  die  ihrerseits  bisweilen  mit  Quer- 
strichen oder  Spurren  ornamentiert  sind.    Sie  sind  stets  offen  und  verjüngen 


Fi-    51. 


Fu 


Fig.  51.     Armband  aus    dem  Unterlage!-  von  Tschmv,  westl.  YYladikawkas    (Vorhdlg.  1890 

S.  124,  Fig.   11:  vergl.  auch  Cliautre  T.  IT,  pl.  XV,  Fig.  11  von  Kobau). 

I  ig.  52.   Armband  mit  dem  Sehatz    von  Rakos-Palota,    Com.  Past.    3  4  n.  Gr.     (Hampel, 

Alt.  d.  Br.  i.  M.  LXXXVII,  Fig.  G. 


sieh  in  der  Regel  nach  den  beiden  Enden  zu.  Letztere  sind  entweder 
glatt  oder  zu  einer  Rolle  oder  Spirale  umgebogen.  Im  Abendlande  kommen 
ähnliche  Formen  ausser  in  den  unteren  Donauländern5),  wo  sie  an- 
scheinend seltener  sind,  im  Pfahlbau  von  Peschiera'),  in  Este7)  Hallstatt. 
Süd-  und  Mitteldeutschland  bis  Skandinavien  vor.  Insbesondere  sind  dieser 
Grruppe  die  der  ältesten  dänischen  Bronzezeit8)  angehörigen,  auch  in 
Ungarn9)  vorkommenden  Goldringe  zuzurechnen,  die  manchen  kauka- 
sischen Bronzearmbändern  sehr  ähnlieh  sind:  nur  in  der  Gestaltung  der 
Enden  unterscheiden  sie  sich,  insofern  bei  jenen  jedes  Ende  je  zwei 
senkrecht  übereinander  stehende  Spiralen  bildet,  während  bei  letzteren 
meist  nur  eine  Spiral.,  an  jedem  Ende  vorhanden  ist  (Fig.  53  u.  54). 

9.    Handbergen:    Sie    bestehen    aus    einer    einfachen   Armspirale  oder 
einem    breiteren,    oft    mit   Mittel-  und    Randwülsten    versehenen  Armband. 


1)  Morgan:  a.  a.  0.  S.  199,  Fig.  110.  —  2)  Verhdl.  L890  S.  490.  —  3  Yerhdl.  L901, 
s.  L02,  Fig.  25  b.  —  i)  Verhdl.  L891,  S  191  and  Lindenschmit:  Die  Altert,  uns.  heidu. 
Vom.  Bd.  IV,  Taf.13.  —  5)  Hörnes:  Urg.  d.  bild.  Kunst.  Taf.  XXI  und  Hampel:  Alt. 
d.Br.  LXXXVII,  Fig.  6.  —  (!)  Hörnes:  ürg.  d.  Menschen  S.  126,  Fig.  L84  —7)  Ebenda. 
S.  574,  Fig  236.  —8]  S.  Müller:  a.  a.  0.  I.  S.  253,  Fig.  L16.  -  9  Hampel:  Alt. 
d.  Br.  KLVIf,  Fig.  2. 


—     60 


das  sich  nach  den  Enden  zu  zu  einem  runden  oder  kantigen  Draht 
verjüngt  und  zwei  mächtige,  senkrecht  übereinanderstehende  Spiralen 
bildet.  Aus  dem  Kaukasus J)  kenne  ich  diese  Formen  nur  aus  dem 
Norden,  während  sie  in  Transkaukasien  ebenso  fehlen,  wie  fast  alle  anderen 
Spiralgeräte.  Ähnliche  Stücke  kennt  man  aus  der  Krim2)  (Fig.  55  u.  56), 
Ungarn3),  Böhmen4),  Mittel-  und  Norddeutschland6)  bis  nach  Skandinavien, 
wo  sie  überall  den  älteren  Perioden  der  Metallzeit  angehören6).  Eine 
besondere  Varietät  bilden  Ringe  mit  nur  einer  Spiralscheibe,  die  ebenfalls 
von  dem  Donaugebiet  bis  nach  Norddeutschland  reichen.    Dass  es  sich  bei 


Fiar   55. 


Fig.  53. 


Fig.  50. 


Fig.  54. 


Fig.  53.  Bronzearmring  aus  Koban.  (Nach  Hörnes,  Urgescb.  d.  M..  S.  535  n.  f.). 

Fig.  54.     Goldner  Armring  a,  d.  alt.  Bronzezeit  Dänemarks.     2/s  n-  Gr. 

(Nach  Soph.  Müller,  Nordd.  Alt.  I,  253,  Fig.  116). 

Fig.  55.     Bronzearmring  von  Koban  (Morgan  S.  178,  Fig.  102). 

Fig.  56.     Bronzearmspange  von  Przygodzice,  Kr.  Adelnau,  Posen.     (Verhdlg.  1885,  S.  7!)). 

diesen  Stücken  nicht,  wie  Herr  Schumann  meint,  um  defekte  Exemplare 
handelt,  „bei  denen  man  das  zerbrochene  Schleifenende  durch  Hämmern 
verschmälert  und  ausgetrieben  hat"7),  gehl  daraus  hervor,  dass  sie  in 
Ungarn  vielfach  paarweise  auftreten8). 

1)  Virchow  a.  a.  0.;  Morgan  I,  S.  178.  —  2)  Mus.  zu  Kertsch.  —  3)  Hampel: 
Ant.  prob.  XVI  u.  X  u.  Alt.  d.  Br.  LXXXVII,  5.  ■  4)  Depotfund  von  Äehusic 
Verlull.  1889,  8.  I.V..  -  5)  Schumann:  Verhdl.  üb.  d.  Ges.  1901,  H.  2,  S.  31.  — 
6)  Sie  sind  in  Böhmen  -wiederholt  mit  Zonenbechern  zusammen  gefunden  worden;  Schneider, 
Corresp.  ßl.  Jg.  1903,  No.  I.  S.  27.  —  7)  a.  a.  0.  —  8)  Hampel:  Alt.  d.  Br.  XXXVII, 
I   u.  2;    CXII  2  u.  3;    XC1V  3  u.    I. 


—    61     — 

10.  Spiralarmschienen :  Sic  fehlen  gleich  den  vorhergehenden  im 
südlichen  Kaukasus,  sind  dafür  aber  in  Koban  umso  häufiger1).  Als 
Material  für  sie  wurden  breite  mit  Mittelrippe  versehene  Bänder  oder 
starker  kantiger  Draht  vou  dreieckigem  Querschnitt  verwendet.  Die  Enden 
sind  stets  rollenförmig-  oder  nocli  häufiger  zu  einer  Spirille  aufgewickelt. 
In  Europa  finden  sich  ähnliche  Armschienen  in  Ungarn2),  Böhmen8), 
.Mittel-4)  und  Norddeutschland 6),  sowie  in  Dänemark6)  and  Skandinavien7) 
Behr  häufig,  und  ebenso  kennt  man  sie  aus  Griechenland  and  Italien,  da- 
gegen fehlen  sie  in  Hallstatt  und  den  Schweizer  Pfahlbauten  fast  voll- 
ständig8). (Fig.  57  u.  58)  Die  angarischen  Formen  haben  mit  den 
kaukasischen  Spiralen  insbesondere  die  Aufrollung  der  Enden  und  die 
Verwendung  dreikantigen  Drahtes  gemein  und  schliessen  sich  hierin  den 
Inländischen    und    uralischen  Formen  an.     In    den    übrigen  Fundgebieten 


Fiff.  57. 


Fier.  58. 


Fig.  57.     Armspirale  von  Koban;  V4  n.  Gr.     (Morgan,  T.  I,  S.  179,  Fig.  202). 
Fig.  58.    Armspirale  von   Kis-Unyom,    Komitat  Vas,   Ungarn.     (Hampel,    Antiq.  prehist., 

Taf.  X,  Fig.  10). 


linden  sich  zwar  auch  Armschienen  mit  Spiralbändern  oder  kantigem 
Draht,  doch  dürfte  flach  gewölbter  Draht  von  D- förmigem  Querschnitt  die 
Regel  bilden  und  erstere  Form  wohl  nur  den  ältesten  Abschnitten  der 
Bronzezeit  angehören9). 

Halsringe. 

Als  Halsschmuck  wurden  im  Kaukasus  mit  Vorliebe  Kolliers  von 
I 'eilen  getragea.  Eigentliche  Halsringe  sind  daher  im  Verhältnis  zu  der 
sonstigen  Reichhaltigkeit  des  Gräberinventars  auf  den  kaukasischen  Xekro- 
polen  ziemlich  selten.  Am  häufigsten  begegnet  man  ihnen  noch  im  süd- 
lichen Kaukasus:  Akthala,  Utsch-Kilissa,  Cheithan-thag,  Musiyerri10),  ob- 
wohl   sie    auch    im    Norden    nicht  völlig  fehlen.     Die  typische  Form  sind 


1)  Vircho-w  a.  a.  0.;  Hörnes,  Urg.  d.  M.  S. 
a.  0.  XXXVI  1-:'.;  CXVI  12  u.  12;  CXIII  6,  7  u.  8; 
Frbr.  v.  Miske:  Mitt.  d.  Anthr.  Ges.  in  Wien  1897 
ürg.  d.  M.  S.  117,  Fig.  17u  u.  S.  423,  Fig.  182.  - 
Sachs.  Volkskunde,  1.  Aufl.  S.  34.  —  5)  Kohn  u.  Me 
333,  Fig.  155;  Nachr.  ü.  d.  Alt.  1901  S.  30,  Fig.  6,  8, 
6)  Hörnes:  Urg.  d.  M.  S.  398,  Vollb.  —  7)  Ebenda, 
a.  a.  0.  —  9)  In  Koban  fand  sieb  nur  ein  einziger  Ring; 
scblusses  interessant,  für  den  im  Abendlande  Parallelen 
erscheinen.  Virchow,  Gräberf.  v.  Koban  S.  IS.  —   10    M 


534,  Vollb.  2.    —   2)  Hampel:  a. 

(IX  28  u.  29  u.  a.  Kaiman 
,  S.  15,  Fig.  1.  —  3)  Hörnes: 
-  I  Deichmüller  in  Wuttkes 
blis:    Mat.  z.   Vorg.    d.    K.    I  S. 

12:    S.  79,    Fig.  1-6  u.  v.  a.    — 

S.  396,  Fig.  167.  —  8)  Virchow 
er  ist  besonders  wegen  seines  Ver- 

erst  in  der  römischen  Kaiserzeit 
organ  a.  a.  0.  I,  S.  lOlff.  Fig 


—     62     — 


Fig.  59. 


grosse,  offene,  aus  runden  oder  gedrehten  kantigen  Stäben  zusammengebo- 
gene Ringe,  deren  Enden  abgeplattet  und  aufgerollt  sind  (Fig.  59).  Dieser 
Typus,  der  über  ganz  Europa  verbreitet  ist,  gehört  überall  der  ältesten 
Epoche  der  Metallkunst  an.  Speziell  in  Ungarn  kommt  er  schon  in 
der  Kupferzeit  vor.  So  fanden  sich  in  einem  kupferzeitlichen  Depot- 
fund von  Ungarisch -Altenburg  über  1000  Stück1).  Bei  der  Kleinheit  der 
Öffnung  bei  vielen  dieser  Ringe  ist  es  zweifelhaft,  ob  sie  als  Halsschmuck 

dienten  oder  nicht  vielmehr  als  Fussringe. 
Wegen  ihrer  Häufigkeit  und  besonders  in  An- 
betracht  des  grossen  Depotfundes  in  Ungar. 
Altenburg  vermutet  Herr  Hampel,  dass  wir 
es  hier  nur  mit  einer  bestimmten  Form,  in 
der  das  noch  seltene  Metall  in  Verkehr  ge- 
bracht wurde,  zu  tun  haben.  Die  schleifen- 
artige Bildung  der  Enden  würde  dazu  dienen, 
eine  beliebige  Zahl  von  Ringen,  die  auf 
Stangen  transportiert  wurden,  zusammenzu- 
binden. Für  die  älteren  Stücke  mag  diese 
Erklärung  vielleicht  zutreffen,  doch  dienten 
sie  in  späterer  Zeit  zweifellos  als  Schmuck- 
gerät, wie  aus  der  Ornamentierung  erhellt, 
die  wir  sowohl  bei  den  kaukasischen3)  als 
namentlich  vielen  donauländischen  Stücken 
antreffen. 


Fig.  59.    Halsriug  von  Dschebrail, 
Kauk.   (Verh.1894,  S.  168,  Fig.  9.) 


Hängeschmuck. 

Bei  der  grossen  Neigung  der  alten  Kaukasier,  sich  auf  alle  erdenkliche 
Weise  zu  putzen  und  zu  schmücken,  ist  es  selbstverständlich,  dass  auch 
allerlei  Anhängsel,  die  teils  am  Halse  oder  auf  der  Brust,  vielleicht  auch 
in  den  Spiegel-  und  Rudernadeln  sowie  am  Gürtel  getragen  wurden, 
sich  einer  allgemeinen  Beliebtheit  erfreuten.  Derartige  Schmuckstücke 
sind  daher  auf  den  kaukasischen  Gräberfeldern  sowohl  im  Norden  als  im 
Süden  in  sehr  grosser  Zahl  und  in  den  verschiedensten  Formen  auf- 
gefunden worden,  die  teils  einer  rein  lokalen  Geschmacksrichtung  ihre 
Entstehung  verdanken,  z.  T.  aber  auch  nahe  Beziehungen  zu  dem  skytisch- 
sibirischen  Formenkreis  einerseits4)  und  zu  der  donauländischen  Kultur- 
sphäre andererseits  erkennen  lassen.  Zu  letzteren,  auf  die  wir  uns  hier 
allein  zu  beschränken  haben,  gehören 

1.  Kreuze. 
Sil    finden  sich  namentlich  in  Koban5)  sehr  häufig,  sind  aber  auch  in 
Kasbek   und   anderen  Fundstationen  beobachtet.6)  Gewöhnlich  ist  an  einem 


1)  Hampel:  Neuere  Studien  über  die  Kupferzeit.  Zeit  sehr,  l'.thn..  Ant.  u.  Urgesch. 
1896,  S.  79.  —  2)  Morgan:  a.  a.  0.  —  3)  Hömes;  Urgeschichte  der  Kunst.  Taf.  XXI, 
Fig.  1  ii.  2.  —  I)  Hierzu  gehören  z.B.  Fische;  vgl.  Führer  d.  d.  bist.  Museum  in  Moskau 
S.  III,  Nr.  1343  u.  der  Fund  von  Vettersf'elde.  —  5)  F.  d.  d.  h.  M.  i.  M.  III,  1399—3  106; 
Hömes:  Urg.  d.  M.,  S,  536.  -  G)  Verhdi.  L898,  S.  III,  Eig.  51. 


—     63     — 

der  Balken  eine  Öse  and  ein  Bronzering  angebracht,  mittelst  dessen  Bie 
aufgehängt  werden  konnten.  Ähnliche  Stück.'  finde!  man  anch  in  Süd- 
Russland  und  der  Krim.1)  Im  nordbalkanischen  Gebiet  kenni  mau  sie 
von  Glasinac  in  Bosnien,2)  weiter  westlich  von  [strien,8)  sowie  aus  Hall- 
statt*)  im  Norden  endlich  erscheinen  sie  in  litauischen  Kurganen.6) 
Von  Grüneberg,    Kr.  Ruppin,    hm   Eerr  Bartels    zwei  kreuzförmige  An- 


Piff.  60. 


Fi<r.  61. 


Für.  62. 


Fig.  60.     Bronzekreuz  aus  Kobau.  (Nach  Hörnes,   S.  55-2,  Vollb.  1.) 
Fig.  61.     Brouzekreuz  aus  Glasiuac  in  Bosnien.  (Nach  Hörnes,  Urg.  d.  M.  S.  539,  Fig.  21."..) 
Fig.  62.     Brouzekreuz  aus  Hallstatt,    (v.  Sacken,  Hallstadt,  S.  81,  Taf,  XVIII,  Fig.  15.) 


hängsei  beschrieben,  die  jedoch  Hr.  Voss  für  Köpfe  von  Latene-Nadeln, 
wie  sie  auch  sonst  vorkommen,  erklärt.6)  Diese  Kreuze  sind  jedenfalls 
als  Amulette  anzusprechen.*) 


1)  Z.  B.  v.  Wischenki,  Kr.  Ostjar,  Gouv.  Tschernigow.  Führer  d.  d.  hist.  Mus. 
i.  M.  III.  1122.  -  2)  Hörnes:  Urg.  d.  bild.  K.,  Taf.  12,  Fig.  8.  ein  Doppelbeil  in 
Kivuzform,  also  eine  Combination  von  Kreuz  und  Beil,  wie  sie  auch  sonst  vorkommt, 
z.  B.  dem  mit  einem  Kreuz  verzierten  Hammerbeil  von  Grossbogendorf,  (Kr.  Sagan)  Ver- 
handl,  18%,  S.  191.  -  ::  Hörnes:  Urgesch.  d.  Mensch.,  S.  54«»,  Vollbild  links.  — 
I  v.  Sacken:  Gräberf.  v.  Hallst.,  S.  S-'i,  dem  bei  Hörnes,  Urgesch.  d.  Mensch.,  Voll- 
bild 2  von  Koban  abgebildeten  Stücke  sehr  ähnlich,  aber  von  v.  Sacken  für  einen  Knopf 
erklärt — .">)  Kohn  u.  Mehlis:  Material,  z.  Vorgesch.  d.  Mansch,  im  östl.  Europa,  S.  320, 
Fig.  150.  —  G)  Verhdl.  1892,  S.   163,  Fig.  1. 

*)  Dass  das  Kreuz  wenigstens  in  späterer  Zeit  tatsächlich  ein  religiöses  Symbol 
bildete  and  insbesondere  als  Zeichen  des  Thor  galt,  scheint  folgender,  in  nordischen 
Sagen  erzählte  Vorgang  zu  beweisen.  Bei  den  dreimal  jährlich  stattfindenden  hohen 
altgermanischen  Opferfesten,  anderen  Feier  jeder  freie  Landesbewohner  teilzunehmen  ver- 
pflichtet war,  wurden  auch  Speise-  und  Trankopfer  gebracht  Als  nun  einst  bei  einem 
solchen  (»pleiteste  Sigurd  Jarl  den  Becher  dem  Odin  geweiht  hatte  und  ihn  dann  dem 
Könige  Hakon,  der  heimlich  zum  Christentum  übergetreten  war,  zutrank,  machte  dieser 
das  Zeichen  des  Kreuzes.     Seine  argwöhnischen  Genossen  bemerkten  das.    er    aber    - 

i  das  Zeichen  des  Hammers  gewesen,  das  er  gemacht  habe,  um  Thor  den  Becher 
darzubringen.  (Nach  Ballmann,  die  Ffahlbauten,  Greifswald  1866.  S.33).  Interessant 
bei    dieser    Darstellung    ist    die    Verquickung    des  Kreuze-    mit    dem   Hammer    oder  Beil. 

;?.  Fig.  u.). 


-     64     — 

2.  Radförmige  Medaillons. 
Die  Grundform  bildet  ein  vierspeichiges  Rad, x)  das  wohl  ursprünglich 
ebenfalls  irgend  eine  symbolische  Bedeutung  hatte  und  wahrscheinlich  mit 
dem  Sonnenkultus  zusammenhängt,  doch  haben  sich  im  Kaukasus2),  wie 
übrigens  auch  anderwärts3)  verschiedene  neue  Formen  daraus  entwickelt, 
die  kaum  noch  ihren  Ursprung  erkennen  lassen.  Die  südkaukasischen 
Exemplare,  die  den  Nekropolen  von  Akthala,  Mussiyerri  und  Cheithan- 
tagh*)  entstammen,  sind  sämtlich  aus  Blei  und  stimmen  darin  mit  den 
trojanischen5)  Stücken  überein,  doch  kommen  bleierne  neben  solchen  von 
Gold  auch  in  Mykenä6)  vor.  Im  Norden  der  Balkanhalbinsel,  in  Bosnien 
und  Ungarn  sind  radförmige  Bronzeanhängsel  in  Glasinac7),  Bihac,  Comit. 
Bihac8),  Rima  Szombat,  Com.  Gömör9),  Velem  St.  Veit10)  gefunden  worden, 
auch  kennt  man  aus  Ungarn  eine  Gussform  zu  solchen  Rädern,  die  im 
Museum  zu  Budapest  aufbewahrt  wird.11)  Weiter  westlich  kommen  sie  in 
den    Schweizer    Pfahlbauten12)    in  Bayern13),    Böhmen14)    bis    nach  Nord- 


Fi£.  64. 


Fier.  65. 


Fier.  GG. 


Fig.  G3.     Radförmiges  Medaillon  von  Cheithan-thag'.    (Morgan,  S.  50,  Fig.  10.) 
Fig.  64.    Desgl.  von  Bihac,  Ungarn.  (Hörues  Taf.  XII,  Fig,  14.) 
Fig.  G5.     Beilförmiges  Hängestück  aus  hellblauem  Stein  von  Chodshali.     Auf  beiden  Seiten 
Strichornament.    An  den  Enden  der  Schneide  sind  die  wagerechten  Striche  durch  je  4  Schräg- 
linien durchkreuzt.     Das   Stiellech    dient   als  Öse    für    den  Faden;  n.  Gr.     2  Exemplare. 

(Verhdlg.  1898,  S.  440,  Fig.  48). 
Fig.  66.    Beilförmige  Bernsteinperle    aus  Dänemark.     1/2  n.  Gr.     (Soph.  Müller, 

Nord.  Alt.     T.  1,  S.  53). 


deutschland15)  vor.  Ihr  Verbreitungsgebiet  entspricht  daher  im  wesent- 
lichen dem  der  Radnadeln,  die  sich,  wie  bereits  oben  erwähnt,  jedenfalls 
aus  ihnen  entwickelt  haben.  (Fig.  63  u.  64).  Sie  reichen  bis  in  den 
Beginn  der  Metallzeit  zurück. 


1)  Z.  B.  ein  Stück  von  Tscheghem,  Verhandl.  1900,  S.  111,  Fig.  47.  —  2)  Z.  B.  ein  Stück 
vom  Scharoj  i.  Bez.  des  Terek;  Zeitschr.  f.  Ethn.  1887,  S.  159,  Fig.  1.  —  3)  Bronzeanhänger 
von  Regensburg;  Kgl.  Mus.  in  Berlin  K.  N.  II  3180;  s.  a.  Lindenschmit  Alt.  u.  h.  Vorz.  III,  VI, 
Taf.  3.  —  4)  Morgan  a.  a.  0.  T.  I,  S.  50,  Fig.  10  u.  S.  131,  Fig.  119.  —  5)  Schliemann, 
Ilios  S.  631,  Fig.  1'253.  —  6)  Schliemann:  Mykenä  S.  83,  Fig.  120  u.  S.  234,  Fig.  316. 
—  7)  Hörn  es:  Urg.  d.  Menschen,  S.  539,  Fig.  213,  Nr.  6—8.-8)  Hampel:  Alt.  d.  Br. 
Taf.  LIV,  Fig.  2.-9)  Hampel:  a.  a.  0.,  LIV,  Fig.  1.  —  10)  Mitteil.  d.  Anthrop.  Ges.  in 
Wien  1897,  S.  15  ff.  —  11)  Hampel:  Antiq.  prehist,  pl.  XIV,  7.  —  12)  Hörnes:  Urg.  d.  M., 
S.  372,  Vollbild.  —  13)  Kgl.  Museum  in  Berlin,  K.  N.  II  c,  1070b.  —  14)  Hörnes:  Urg. 
(1.  b.  K.  in  Europa,  S.  460.  —  15)  Kgl.  Museum   in  Berlin. 


—     65     — 

3.   Beilförmige  Anhängsel. 

Eine  ebenfalls  symbolische  oder  talismanische  Bedeutung-  haben 
zweifellos  die  beilförmigeu  Anhängsel.  Sie  finden  sich  im  Kaukasus  be- 
sonders häufig  in  Chodschali,  wo  sie  sowohl  aus  Stein  als  aus  Antimon 
bestehen.1)  Auch  diese  Anhängsel  haben  ihre  Analogien  zunächst  in  den 
Doiiauländern.  Sie  erscheinen  in  (ilasinac  in  Bosnien,  hier  sowohl  in  der 
Form  von  einfachen  halbmondförmigen  Beilen  und  Doppeläxten,  als  von 
Hohlcelten.")  In  Ungarn  linden  wir  sie  sehr  häutig  als  Gehängeglieder 
der  Bronzezeit,  hier  meist  zusammen  mit  Radfiguren3),  wodurch  ihr  sym- 
liolischer  Charakter  noch  deutlicher  wird.  Weiter  begegnen  wir  ihnen  in 
den  bronzezeitlichen  Flachgräbern  von  Gemeinlebarn  in  Nieder-Osterreich, 
die  nach  Börnes  bis  etwa  1200  v.  Chr.  zurückreichen4).  In  Santa 
Lucia6)  und  der  Nekropole  von  Pesaro6)  hat  man  sie  als  Fibelanhängsel 
gefunden  und  auch  aus  den  Gräbern  von  Bisenzio  und  Picenum7)  kennt 
man  sie.  hier  als  Ton-  oder  Bernsteinamulette.  Endlich  gehören  hierhin 
noch  die  beilförmigeu  Bernsteinperlen  der  megalithischen  Grabdenkmäler 
Dänemarks8),  die  dem  jüngeren  Abschnitte  der  neoli  thischen  Zeit  zu- 
zurechnen sind  und  die  wir  daher  wohl  als  die  ältesten  Repräsentanten 
dieses  Typus  betrachten  müssen. 

Übrigens  spielen  Darstellungen  von  Beilen  auch  sonst  noch  eine  grosse 
Rolle.  Im  Kaukasus  erscheint  es  in  Koban  an  Nadeln9)  („Beilnadeln") 
und  in  Form  von  Miniaturbeilen10),  im  Hallstatter  Kulturkreis  als  Stock- 
aufsatz, in  Ungarn11)  und  Dänemark12)  in  Form  kleiner  Yotivgaben. 
Endlich  erwähne  ich  hier  noch  die  Beilzeichnungen  auf  den  steinzeitlichen 
Dolmen  der  Bretagne,  der  Normandie  und  Dänemarks,  und  weiter  eine 
Beildarstellung  auf  dem  Leibe  einer  weiblichen  Figur  im  Innern  einer 
spätneolithischen  Kreidegruft  von  Courjeonnet  im  Tale  von  Petit-Morin 
(Champagne18),  sowie  einige  verwandte  Steinskulpturen  aus  dem  Departe- 
ment Gard,  bei  denen  ebenfalls  Beile  auf  dem  Leibe  oder  der  Brust  einer 
Frauenfigur  dargestellt  erscheinen.  Man  wird  mit  Rücksicht  auf  die  letzt- 
erwähnten Tatsachen  Herrn  Hörnes  in  der  Annahme  zustimmen  müssen, 
dass  das  Beil  ursprünglich  nicht,  wie  es  der  herkömmlichen  Vorstellung 
entspricht,  ein  Symbol  einer  männlichen  Gottheit  bildet,  sondern  dass  es 
vielmehr  ein  uraltes  Attribut  der  Frau  darstellt1*).  Allerdings  erscheint 
es  in  der  Bronzezeit  häufig  in  Verbindung  mit  ithyphallischen  Figuren 
|s.  u.),  oiler  auch,  wie  bei  den  Steinbeilen  von  Gräfenhain  und  vom 
Schlossberg  bei  Burg  im  Spreewalde  mit  einem  Kreuze  verziert,  sodass 
man  es  namentlich  mit  Rücksicht  auf  die  oben  erzählte  Sage  in  den 
späteren  Perioden  wohl  als  ein  Symbol  eines  männlichen  Gottes,  und  zwar 


t)  Verhill.  L898,  S.  440  u.  141,  Fig.  öle  u.  f.;  S.  130,  Fig.  23;  Verhdi.  L896,  S.  171. 
Fig.  '.»c  —  2)  Hörnes:  Urgesch.  d.  bild.  K.,  S.  171;  Mitteil.  d.  Authrop.  Ges.  in  Wien 
L879,  S.  145,  Fig.  201;  Wissensch.  Mitt.  Bosinens  I,  S.  101,  Fig.  L84f.3  S.  L02,  Fig.  I93f. 
—  3)  Hörnes:  a.a.O.,  Tat".  12,  Fig.  12.  —  4)  Ebenda,  S.  171.  —  .">)  Marchesetti: 
Taf.  XII,  Fig.  •_'.  —  6)  Not.  d.  Scavi  L892,  S.  L6.  —  7)  Hörnes:  a.  a.  0.  —  8)  Soph. 
Müller:  Nord.Alt.  1.  S.  53  —  9)  Hörnes:  Urg.  d.  Mensch.,  S.  532ff,  Vollbild  1  u.  2.  — 
10    lli.  L332     l.'.ll.—  ll)Hampel:  Alt.  d.  Br..  Taf   I.XX.  —  12)  Soph.  Müller:  a.a.O. 

L3)  Hörnes:  Urg.  d.  M..  S.  299,  Fig.  128.  -   11    Hörnes:  örg.  d.  bild.  K..  S.   173. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahre.  1904.  5 


—     (>6     — 


Fig.  67. 


Thors,    betrachten    muss.      Zu    dieser    Auffassung    stimmt    auch    das    mit 
zwei  S-Figuren  verzierte  Steinbeil  von  Schlicht  (Fig.  115). 

4.  Vogelfiguren. 
Wenn  auch  im  Kaukasus  Vogelfiguren  als  Anhängsel  gegenüber  anderen 
Tierdarstellungen,  namentlich  von  Widdern  und  Hirschen,  sehr  bedeutend 
zurücktreten,  so  finden  sieh  doch  auch  diese  nicht  gar  zu  selten.  Sie 
sind  im  Norden  in  Koban1),  Stepan-Zminda2)  und  von  Tschegem3),  im  Süden 
von  Helenendorf4),  Chodschali5)  und  Kedabegü)  bekannt.  Die  aus  den  süd- 
lichen ( iräberfeldern  stammenden  Figuren    sind    merkwürdiger  Weise   mit 

dreieckigen,  in  Zonen  angeordneten  Öffnungen 
verziert,  wie  wir  dies  ganz  ähnlich  bei  vielen 
Dolchknäufen  und  glockenförmigen  Anhängseln 
finden  und  ebenfalls  bei  gewissen,  auch  in  Ungarn 
vorkommenden  Stockaufsätzen  beobachten.  Die 
nordkaukasischeu  Vogelfiguren  sind  dagegen,  so- 
viel mir  bekannt  ist,  sämtlich  undurchbrochen. 
Unter  den  verschiedenen  Vogelarten  erscheint, 
soweit  überhaupt  eine  bestimmte  Form  erkenn- 
bar ist,  am  häufigsten  die  Ente  dargestellt, 
seltener  Fasane,  deren  Heimat  ja  der  Kaukasus 
bildet,  und  andere  Vögel.  Dagegen  scheinen 
Tauben,  die  in  der  trojanischen  und  myke- 
nischen  Kunst  eine  so  grosse  Rolle  spielen, 
gänzlich  zu  fehlen. 

Sehr  ähnliche  xiuhängsel  sind  auch  in  den 
unteren  Donauländern  nicht  selten.  Man  kennt 
sie  hier  von  Kroatien7),  Bosnien s)  und  weiter 
Krain9).  Aus  dem  Szamosrlusse  bei  Szasmär  in 
Ungarn  stammt  ferner  ein  schiffchenförmiger 
Gegenstand,  der  in  zwei  Vogelköpfe  ausläuft 
und  ausserdem  zwei  Ringe  zum  Anhängen  be- 
sitzt.10) Zwei  andere  ebenfalls  als  Anhängsel 
dienende  Doppelvögel  lieferte  der  Depotfund 
von  Velem  St.  Veit11)  und  auch  aus  dem  Borsöder 
Komitat1")  ist  ein  analoges  Stück   bekannt  gewordon. 

Auf    die    sonstige  Verwendung   der  Vogelfigur,    die   sich   im   Kaukasus 
;iii   Beilnadeln18),  auf  Gürteln14)  und    in  der  Keramik1"')  findet,  und  die    in 


Fig.  G8. 

Fig.  67.     Bronzefigur  eines 
Vogels  von  Helenendorf,  Kauk. 

7:,  nat.  Gr. 
Verhol.  1901,  S.  '.«>,  Fig.  21a.) 
Fig.  68.    Bronzeanhängsel  von 

Glasinac,  Bosnien;  nat.  Gr. 

(Hörnes,  U.  d.  b.  K.,  S.  192, 

Fig.  L56. 


l    Hörnes:  Org.d.M.,  S.534,  Vollbild 2.  —  2)  F.  d.  d.  hist.  M.  i.  M.  S.  III,  No.  L342 
L667,  1688.        3)  Verhandl.  1890,  S.   143,  Fig.  18.  I)  Verhandl.  1901,  S.  99,  Fig.  2la. 

5)  Verhandl.   1896,    S.   177,  Fig.  LI.  (>)    Grassi-Museum    in    Leipzig,    zwei    Stück.    — 

7)  Ljubic:  Popis,  Taf.  XXII,  118,  119.  —  8)  Mitt.  d.  Naturf.-Ges.  in  Wien  L889,  S.  144, 
Fig.  198  u.  S.  I.;,  Fig.  79;  Glasnik,  Sarajewo  1890,  S.  90,  Fig.  78.  —  0)  Hörnes:  Urg. 
(I.  bild.  Kunst,  S.  190.  —  10)  Hampel:  Alt,  d.  Br.,  LXIX  7a  u.  b.  —  11)  Verhandl.  d.  Anthr. 
fies,  in  Wien  1897,  S.  15,  Fig.  ■'!.  No.  L8  u.  1'.».  —  12)  Hampel:  A  bronzkor  emlekei  Magyar- 
honban  III,  S.  L60,  Fig.29.—  13)  Hörnes:  Urg.  d.M.,  S.532,  Vollbild  1.  —  14)Virchow: 
Über  d.  kult.  St,  d.  Kauk.,  Taf.  IV,  N.  XIV,  XVI,  XVIII.  -  1."')  Morgan:  a.  a.  O.,  I 
S.  L55,  Fig.  169. 


—     67     — 

Italien.  Mitteleuropa  und  Dänemark  in  «Ich  verschiedensten  Formen,  als 
Aufsatzstücke  an  Grefässen,  an  Ringen,  als  Vogelwagen  und  Vogelgefässen 
erscheint,  will  ich  liier  nicht  eingehen.  Doch  Lässi  sich  gerade  an  manchen 
dieser  Geräte,  namentlich  an  den  Vogelwagen  und  den  bronzenen  Vogel- 
gefässen1),  für  die  übrigens  mich  aus  dem  Kaukasus,  hier  allerdings  nur 
aus  Ton,  ganz  auffallend  ähnliche  Stücke  vorliegen,  der  symbolische 
Charakter  des  Vogelmotivs  mich  weisen2).  Dies  ^ilt  auch  von  der  Kombi- 
oation  mancher  Vogelfiguren  und  Kaddarstellungen,  deren  symbolischen 
Charakter  wir  bereits  oben   kennen  gelerni   hatten8). 

Was  die  Zeitstellung  der  Vogelfiguren  anlangt,  so  gehören  diese  vor- 
wiegend der  Hallstattkultur  und  der  jüngeren  Bronzezeit  an,  doch  lässi 
sich  ihr  erstes  Erscheinen  im  östlichen  Europa  Ins  zum  Ausgang  der 
aeolithischen  Zeit  zurück  verfolgen,  in  der  ja  überhaupt  die  Wieder- 
geburt   der    seit  dem   Ende    *\cv  paläolithischen  Zeit    vollständig    verloren 

offenen  plastischen  Kunst  vor  sich  geht.  Besonders  interessant  sind 
aus  dieser  Periode  eine  Anzahl  von  Knochenschnitzereien  aus  dem  Jura- 
höhlengebiete bei  Krakau*),  die  entweder  für  Seitenansicht  oder  gleich 
dem  goldenen  Adler  von  Troja6)  für  Scheitelansicht  berechnet,  sich  teil- 
weise durch  sehr  naturtreue  Modellierung  auszeichnen. 

.").  Glockenförmige  Anhängsel. 

Sie  sind  teils  durchbrochen,  teils  undurchbrochen,  teils  konisch,  teils 
konkav  oder  konvex  gewölbt  und  auch  der  Klöppel  und  die  am  oberen 
Ende  angebrachte  Öhse,    die  zum  Aufhängen  bestimmt  war.    variieren  bei 

Fig.  69.  Fig.  70. 

Fig.  69.     Bronzeglocken  vonTschogem,  Kabarda, 
mit  Ring  1.7  ww,  ohne  3,2  ci»,  Öffnung  2,8: 2,2  cm. 

,  nat.  Gr.  (Verhdl.  L890,  S.  137,  Fig.  38.) 
Fig  70.  Bronzeglöckchen  von  Velem  St.  Veit, 
L'ngarn;  3,5cm  hoch,  Öffnung  3,5:2,8  cm.  In 
den  unteren  Partien  bildet  das  Glöckchen  eine 
vierseitige  Pyramide  mit  abgerundeten  Kanten, 
nach  oben  zu  dachen  sich  diese  allmählich  ab. 
um  schliesslich  in  die  runde  Kuppel  überzugehen. 
Von  letzterer  ein  grösseres  Stück  herausgebrochen. 
I  igne  Sammlung.'     -'    nat.  Gr. 

den  einzelnen  Exemplaren.  Diese  Schmuckstücke  sind  im  Kaukasus  sehr 
häufig.  .Man  kennt  sie  von  Akthala.  Musiyeri.  Cheithan-tagh 6) ,  Art- 
schasdor,  Gülaplü7),  Tschegem8),  Stepan-Zminda 9),  Koban10)  und  vielen 
amleren    Fundorten,     also     aus    Gräberfeldern,     die     sehr    verschiedenen 

1)  Hampel:  Alt.  d.  Hr..  Tat.  LVI1,  LVIII,  LXVII,  LXVIII.  u.  a.  -  2  Morgan: 
a.  a.  0.  —  :'■  Die  oben  erwähnte  Figur  aus  Adamsberg  bei  Hof  in  Krain  erscheint  als 
Endstück  eines  Gehänges  mit  radförmigem  Hauptstück;  s.  Hörues:  Vrg.  d.  bild.  K.. 
Tat.  XV,  Fig.  I.  -  I  Hörnes:  ebenda,  S.  255,  Fig.  81-83.  -  5)  Schliemann:  Ilion, 
No.  924  u.  926.  —  6)  Morgan:  a.  a.  0.,  I,  S.  124—127,  Fig.  103— 106.  —  ~r  Verhandl. 
L896,  S.  399.  —  8)  Verhandl.  L890,  S.  130.  —  9)  Bayern:  a.a.O..  Taf.  III  -I:  Chantre: 
a.a.O.,  Taf.IIB,  XXVII   1,3.  -  LO)  Hörnes:  [Jrg.  d.  M.,  S.  532,  Vollbüd  1. 


—     68     — 

Perioden  angehören  und  teilweise  bis  in  die  ältesten  Zeitabschnitte  der 
kaukasischen  Kultur  hinaufreichen.  Ganz  gleiche  Stücke,  z.  T.  ebenfalls 
mit  dreieckigen  in  Zonen  angeordneten  Öffnungen  verziert,  sind  in  Süd- 
Russland  ziemlich  verbreitet;  sie  sind  dort  von  Alexandropol1),  Krasno- 
kutsk2),  Tschertomlisk3),  Ananino4)  und  anderen  Fundplätzen  bekannt. 
In  Ungarn  sind  analoge  Glöckchen  in  grösserer  Zahl  und  verschiedenen 
Formen  in  Yelem  St.  Yeit  gefunden  worden,  doch  scheinen  durchbrochene 
Stücke  zu  fehlen6).  Allerdings  finden  sich  auch  mit  dreieckigen  Aus- 
schnitten versehene  glockenförmige  Gebilde,  die  den  kaukasischen  durch- 
brochenen Anhängseln  sehr  ähnlich  sind,  in  Ungarn  und  Siebenbürgen 
nicht  selten,  doch  dienten  diese  nicht  als  Hängeschmuck,  sondern  als 
Stangenköpfe.  Sie  sind  dementsprechend  auch  nicht  mit  einer  Ohse  aus- 
gestattet, sondern  tragen  auf  ihrem  Scheitel  eine  kleine  Tierfigur.  Diese 
Stücke  gehören  einer  viel  jüngeren  Periode  an  und  sind  dem  skythisch- 
sibirischen  Formenkreise  zuzuweisen6).  Ausser  den  Funden  von  Yelem 
St.  Yeit  existiert  aus  Ungarn  auch  noch  eine  Gussform  zu  Bronzeglöckchen, 
die  aus  der  Gegend  von  Pecs,  Kom.  Baranya,  stammt7). 

Ob  man  die  in  Hallstatt  gefundene  drei  Zoll  hohe  Glocke,  die  in 
Form  und  Ton  an  die  noch  jetzt  landesüblichen  Kuhglocken  erinnert, 
hierher  rechnen  darf,  erscheint  mehr  als  zweifelhaft8).  Dagegen  kennt 
man  glöckchenförmige  Anhängsel  aus  den  Schweizer  Pfahlbauten9).  Diese 
Stücke  ähneln  auffallend  einzelnen  Exemplaren  von  Gülaplü  und  vom 
Tscheghem. 

6.   Durchbohrte  Astragali. 

Einen  recht  sonderbaren  und  auffallenden  Schmuck  bilden  die  durch- 
bohrten Tierknöchel,  die  entweder  von  Schafen  oder  Ziegen  stammen. 
Yon  diesen  primitiven  Zierstücken  kommen  in  Kobau  ganze  Reihen  vor, 
welche  wahrscheinlich  als  Schmuck  um  den  Hals  getragen  wurden  und 
vielleicht  als  Amulette  dienten10).  Für  eine  derartige  Deutung  scheinen 
mir  wenigstens  die  Funde  von  Hissarlik-Troja  zu  sprechen,  wo  sie  in 
den  verschiedenen  Schichten  in  grosser  Zahl  sich  finden,  aber  undurch- 
bohrt  sind  und  noch  jetzt  werden  in  manchen  Gegenden  Deutschlands 
die  Fusswurzelknochen    von  Hasen  als   Schutz-   und  Heilmittel    geführt11). 

Aus  dem  Donaugebiete  werden  durchbohrte  Astragali  von  dem 
Flachgräberfelde  aus  Gemeinlebarn12)  in  Niederösterreich  erwähnt,  das  nach 
den  sonstigen  Funden:  den  einfachen  Terramarefibeln,  den  dreieckigen 
Dolchklingen,  den  schweren  offenen  Armbändern,  Flachbeilen,  Goldringen  usw. 
als  der  ältesten  Bronzezeit  angehörig  sich  charakterisiert  und  die  Über- 
reste einer  rein  arischen  oder  germanischen  Bevölkerung  vom  Typus  der 
alemanischen  Reihengräber  birgt. 


1)  Eecueil  d'antiquites  de  la  Scythie  (1886-1873),  PI.  II,  III,  IV.  —  2)  Ebenda, 
PI.  XXIV,  1,2.  —  3)  Ebenda,  PI.  XXVIII,  1—4.  —  I)  Aspelin:  Antiquites  du  Nord 
finno  ougrien,  Fig.  157,  458.  —  5)  Mitt.  d.  Anth.  Ges.  in  Wien  1897  S.  (15)ff,  Fig. '■'>,  4,  •">. 
6  Beinecke:  Die  skyth.  Alt.  in  Europa,  Z.  f.  Eth.,  1896,  Taf.  I.  —  7)  Hampel:  Antiq. 
prehiat,  PL  XIV,  Fig.  5.  —  8)  v.  Sacken:    Das  Gräberfeld  von  Hallstatt.—  9)  Hörnes: 

.  AI.,  S.  372,  Vollbild.  —  10)  Hörnes:  Urg.  d.  M.,  S.  422.  —  11)  German.  Museum 
in  Nürnberg.  —  12)  Hörnes  a.  a.  0.  S.  421,  Fig.  181. 


—     69     — 


Bronzeröhren 
finden  sich  im  Kaukasus  in  den  Gräbern  aller 
PeriodeD  sdir  häufig',  und  zwar  ebensowohl  auf* 
den  Gräberfeldern  des  Nordens1)  als  des  Südens.8) 
[hre  Bedeutung  war  lange  Zeit  rätselhaft,  bis  es 
Herrn  Morgan  bei  einem  Grabfunde  von  Mussi- 
\<'iri  gelang,  das  Rätsel  zu  lösen.  Sic  waren 
nämlich  abwechselnd  mir  einer  grösseren  Anzahl 
von  Knochenperlen  auf  Schnüre  gereiht,  an  deren 
unterem  Ende  ein  kleines  Bronzeglöckchen  hing. 
Drei  in  dieser  Weise  hergerichtete  Ketten  von 
.">(»  C>(\  ci/t  Lange  liilden  zusammen  eine  Hänge- 
Garnitur,  dir  mittelst  eines  Bronzeringes  an  eine 
Brustnadel  befestigt  war.8)  Da  die  Bronze- 
röhren und  -Glöckchen  bei  jeder  Bewegung 
des  Körpers  aneinander  schlugen  und  klangen, 
haben  wir  es  hier  also  mit  einem  Klapper- 
schmuck zu  tun. 

Als  Gegen  st  i'ud-;  zu  den  kaukasischen  Bronze- 
röhren  gebe  ich  die  Abbildung  einer  Bronze- 
röhre  von  St.  Margarethen  in  Krain,  die  der 
ersteren  in  ihren  Dimensionen  ziemlich  genau 
entspricht  und  nur  eine  etwas  andere  Orna- 
mentierung  zeigt.  Auch  dieses  Stück  diente  als 
Hängeschmuck,  trägt  aber  noch  eine  Anzahl 
(hier  nicht  abgebildete)  Klapperbleche,  die  mit 
vier  kleinen  Kettchen  in  Ösen  am  oberen  Rande 
der  Röhre  befestigt  sind.  Den  Abschluss  nach 
unten  bildet  eine  kleinere,  ebenfalls  mit  Klapper- 
blechen  garnierte,  konisch  zulaufende  Röhre,  die 
unten  durch  eine  kreisförmige  Scheibe  abge- 
schlossen wird.  Wie  beide  Röhren  miteinander 
zusammenhängen,  ist  aus  der  Zeichnung  nicht 
zu  ersehen,  doch  dienten  vielleicht  auch  hier 
ein ler  mehrere  Reihen  von  Perlen  zur  Ver- 
bindung beider  Stücke.     (Fig.  71   u.  Fig.  72). 

Klapperschmuck  kommt  in  den  Hallstatt- 
zeitlichen Gräbern  der  Donauländer  auch  sonst 
sehr  häufig  vor6).  Ob  jedoch  auch  diese  Bronze- 
röhren gleich  häufig  wie  im  Kaukasus  sind,  ist 
mir  unbekannt.  Vielleicht  dienten  die  konischen 
Bronzeblechhülsen,  die  in  dem  Depotfund  von 
Velem  St.  Veit9    in   grösserer  Menge    zum  Vor- 


Fig.  TL. 


&1] 


V/W 


W^ 


5ö 


Fig.  71.    Brouzeröhre  aus 
Sadakhlo,    Kauk.:    3/-»  uat.  Gr. 
Nach  Morgan  I  L23,  Fig.  L02.) 

Fig.  7'J.     Brouzeröhre  aus 

St.  Bfargarethen;    l/s  na^-  Gr. 

(Nach    Hörnes,    U.  d.  b.  K.. 

Taf.  XI,  Fig.  2.; 


1  Virchow,  Das  Gräberfeld  v.  Kuban,  S.  ".7.  —  2  Morgan  a.  a.  0.  I,  S.  124.  — 
3  Morgan  a.  a.  0..  Fig.  L02.  —  i)  Hörnes,  ürgesch.  der  bild.  K.,  Tafel  XL  Fig.  2. 
5    Hörnes  a,  a.  0.,  S.  440ff.   —  6)    Mitteil.  d.  Anthrop.  Ges.  in  Wien  1897. 


—     70     — 

schein  kamen,  und  die  auch  aus  anderen  Fundstätten1)  bekannt  sind, 
in  ähnlicher  Weise  wie  das  Margarethener  Exemplar  zum  Abschlnss  solcher 
Klappergehänge. 

Weiter  westlich  kennt  man  Bronzeröhren  ans  den  Schweizer  Pfahl- 
bauten. So  eiue  13,5  cm  lange,  an  beiden  Enden  offene  Röhre  von  Gresin, 
Lac  du  Bourget"),  an  der  von  oben  nach  unten  drei  Reihen  von  ring- 
förmigen Ösen  angebracht  sind,  in  denen  je  ein  grösserer,  einmal  ausser- 
dem noch  ein  kleinerer  Bronzering  befestigt  ist.  Auch  diese  Röhren  sind 
offenbar  als  Klapperinstrumente  aufzufassen,  nicht  aber  als  Apparat  zum 
Befestigen  von  Angelschnüren,  wofür  man  sie  angesprochen  hat.  Ein  ganz 
gleiches  Exemplar  findet  sich  in  Chambery3), 

Eine  den  Bronzeblechröhren  nahestehende  Form  bilden  die 

Spiralröhren. 

Sie  sind  namentlich  in  den  nördlichen  Gräberfeldern  des  Kaukasus 
sehr  zahlreich,  während  sie  im  Süden  zwar  nicht  völlig  fehlen,  aber  doch, 
wie  das  Spiralgerät  überhaupt,  weit  seltener  vorkommen4).  Ihre  Länge 
schwankt  zwischen  3 — 4  cm,  ihr  Durchmesser  von  0,5— 1,0  cm.  Am  be- 
merkenswertesten ist  die  Gestalt  des  aufgewickelten  Bandes  oder  Drahtes, 
der  niemals  rund,  sondern  auf  dem  Querschnitte  stets  D-förmig  oder  drei- 
eckig ist,  sodass  die  innere  Fläche  stets  glatt,  die  Aussenfläche  dagegen 
gewellt  oder  gerippt  erscheint.     (Fig.  73  u.   74). 

Fig.  7:.'). 


Fig.   ..•;.     Spiralröhre  von  Tschmy,    Ossetien;    mit,  Gr.     (Verheil.  1890,    S.  426,    Fig.  19b.) 
Fig.  74.    Spiralröhre  von  Pilin,  Ungarn.    (Verhdl.  1892,  S.  573,  Fig.  14.) 

Ganz  analoge  Röhren  von  gleicher  Form  und  Grösse  sind  in  Ungarn 
sehr  vielfach  gefunden  worden,  so  namentlich  in  Pilin5).  Koni.  Nograd, 
Veleni  St.  Veit6),  Räkos-Palota  T).  Com.  Fest,  Ercsi8),  Com.  Tejer,  Bozsök9), 
Com.  Baranya,  Sajö-Gömör10),  Com.  Gömör,  Orczi11),  Com.  Somogy  und 
anderen  Fundplätzen,  darunter  auch  eine  Goldspirale  aus  Doppeldraht13) 
(II  G.   Olshausen),    doch    sind    sie    auch    in    Italien  (Saltaleoni)    sehr 

zahlreich,  und  ebenso  kennt  man  sie  ans  Mittel-  und  Norddeutschland 18). 
Sehr  häufig  erscheinen  sie  endlich  in  Livland,  Kurland  und  Finland1*) 
Hier  winden  sie,  mich  einem  Grabfund  von  Leal  in  Kurland  zu  scnKessen, 
in  ähnlicher  Weise    wie    die    kaukasischen   Bronzeröhren    mit   Perlen    auf 

1)  Misdroy,  [Jos  ow,  Kammin,  Kr.  Zarnow  in  Pommern,  ferner  in  Thüringen, 
Böhmen  und  I  ogarn.  Nachrichten  über  d.  Altertumsfunde  L9U1,  H.  5,  S.  8ü. —  2)  Verhdl. 
1890,8.  181,  Fig.  •">.  -  3)  Ebenda.  1  \  irchow,  Das  Gräberfeld  von  Kuban,  S  38; 
Gräber   von    Tschmy,    Ossetien,    Verhdl.    1890,   S.    126.  5     Virchow:    Verhdl.    1892, 

S.  573,  Fig.  II.        6)  Mitr.  d.  Antli.  Ges.    in  Wien   1897,  S.  L3ff.  —  7)  Hampel:    Alt.  d. 
Br.  in  i  ngarn  LXXXVII,    Fig.  12.—  8    Ebenda,    XCIII,    Fig.  II  u.  12.  —  9)  Ebenda,  C, 
10    CXVr,  Fig.  II  q.  fXIV.  Fig.  38  II)  CXVII,  Fig.  29.  -      Vi)  XXVIII, 

Fig.  7.  —  13    Nachr.  ab.  d.  Alt.  1901,  H.  .">,  S.  79,  Fig.  5.  —    I  I)  Nach  Virchow  a.a.O. 


—     71     — 

Schnüre  gereiht,  als  Diadem  getragen,  in  Holstein  dienten  sie,  aus  Gold 
hergestellt,  wie  die  mykenischen  Lockenhalter  Schliemanns  als  Haar- 
Bchmuck,  in  Pyrit/.,  wo  zahlreiche  Saltaleoni  mir  kleinen  Torquesringen 
und  Pferdegeschirren  zusammen  in  einer  Urne  gefunden  wurden,  vielleichl 
als  Pferdeschmuckj  doch  scheint  man  sie  teilweise  ebenfalls  bei  Klapper- 
garnituren verwendel  zu  haben,  wenigstens  deuten  darauf  die  anelli 
bacchici  aus  den  .Museen  von  Turin  und  Parma,  die  mit  Spiralröhren 
besetz!   waren  1). 

In   Europa  gehen  diese  Saltaleoni    überall    in    sehr    frühe   Zeiten,    im 
Norden  wenigstens  bis  in  die  Periode   II   Montelius  zurück. 

Pinzetten. 
Im   Kaukasus  kommen    zwei    Formen    von    Pinzetten  vor.     Die    erste 
hat  breite  geschweifte  Branchen,  die  sich  mich  oben   verjüngen    und    ohne 
Absatz  in  einen  schmalen   runden   Bügel    übergehen.     (Fig.  75;.     Bei    <\<'i 


Pig.  7."). 


Fig.  76. 


^ 


Fig.  .5.    Bronzepinzette   von  Cheitnan-thag 

Morgan  S.  19,  Fig.  da  u.  b). 
Fig.  76.     Desgl.  von  Akthala.    (Morgan, 

S.  L31,  Fig.  na; 

Fig.  77.     Pinzette   aus    der  Umgebung   von 

Aszöd,  Com.  Pest. 

Bampel,  Alt.  d.  Br.  i.  U..  Taf.  XVII, 

Fig.  9. 


/weiten  Form  sind  die  Branchen  schlanker  und  -  was  besonders  charakte- 
ristisch ist  —  der  Übergang  in  den  Bügel  wird  durch  eine  bald  nur  sanfte 
Einbiegung,  bald  stärkere  AJbknickung  vermittelt,  sodass  die  Pinzette  von 
vorn  betrachtet,  die  Gestalt  einer  8  zeigt.  Pig.  76).  Bei  dieser  Kon- 
struktion erhielt  man  eine  bedeutend  kräftigere  Federung  als  bei  der  ein- 
fachen Bügelpinzette,  die  wir  wühl  als  Stammform  betrachten  dürfen.  Für 
den  älteren  Typus,    von  dem    ich    als  Repräsentanten    ans    dem  Kaukasus 


I      N.irli    V  ITC  how    ;i.  a.  (  >. 


—     72     — 

ausser  dem  abgebildeten  Exemplar  von  Cheithan-thag  noch  Stücke  von 
Schuscha  und  Artschasdor1)  anführen  kann,  liegen  Analogien  aus  Mykenä2) 
und  namentlich  Cypern3)  vor,  die  nur  in  der  Bildung  der  Branchen  ge- 
wisse Abweichungen  zeigen.  Sie  treten  an  letzterem  Punkt  bereits  in 
vormykenischer  Zeit  in  der  Per.  IV  Ohnefalsch- Richters  auf  (2500 
bis  1600  v.  Chr.)  und  zwar  so  massenhaft,  dass  der  genannte  Forscher 
Cypern  geradezu  als  die  Heimat  dieses  Gerätes  ansieht*).  In  etwas  modi- 
fizierter Form  findet  sich  dieser  einfache  Typus  auch  in  Ungarn  (Fig.  77)> 
doch  erscheint  hier  der  Bügel  nicht  kreisförmig,  sondern  nach  unten  ein- 
gestülpt5). Weiter  nach  Westen  und  Norden  hin  scheint  er  zu  fehlen. 
Dagegen  lässt  sich  die  zweite  Form,  die  im  Kaukasus  in  Akthala,  Mussi- 
yerri,  Cheithan-thag6),  Damgalu,  Serti8)  und  Koban7)  vertreten  ist,  über 
die  Donauländer9)  hinaus  einerseits  bis  nach  Hallstatt10),  andererseits  bis 
nach  Skandinavien11)  verfolgen.  Die  glatten  geschweiften  Formen,  welche 
unter  denen  des  Typus  II  am  häufigsten  vertreten  sind,  schreibt  Sophus 
Müller  seiner  älteren  Bronzezeit  zu,  während  er  die  geknickten  Nipp- 
zangen  in  die  jüngere  Bronzezeit  verlegt12).  Diese  Chronologie  dürfte  im 
Wesentlichen  auch  für  die  Donauländischen  Formen  zutreffen,  nur  dass 
hier  die  jüngere  Bronzezeit  der  Hallstattperiode  entspricht. 

Bernstein. 

Im  Anschluss  an  die  Schmuck-  und  Toilettengegenstände  müssen  wir 
auch  noch  kurz  des  Bernsteins  gedenken,  der  allerdings  auf  den  süd- 
kaukasischen Gräberfeldern  gänzlich  zu  fehlen  scheint  und  im  Norden 
meines  Wissens  nur  in  Tscheghem13)  in  etwas  grösseren  Mengen  beobachtet 
worden  ist.  In  dem  grossen  und  an  Schmucksachen  so  reichen  Gräber- 
feld von  Koban  fand  Virchow14)  nur  zwei  Perlen,  von  denen  die  eine  die 
Gestalt  einer  dicken,  runden,  nicht  ganz  regelmässigen  Scheibe16)  besitzt, 
während  die  andere,  kleinere,  eine  tonnenförmige  Gestalt  zeigt.  Beides 
sind  Formen,  die  auch  im  Norden  wohl  bekannt  sind  und  hier  dem  Ende 
der  Steinzeit  angehören16).  Im  Donaugebiete  finden  sich  erstere  noch 
häufig  in  der  Bronzezeit  17),  letztere  in  der  Hallstattperiode,  und  nament- 
lich sind  sie  in  Hallstatt  selbst  in  sohr  grossen  Mengen  zur  Bildung  reicher 
Hängestücke  verwendet  worden18). 

1)  Morgan  a.  a.  0.,  S.  49,  Fig.  9,  da  und  b.  Verhdl.  l.s'.M  u.  !>.">.  -  2)  Schlie- 
mann,  Mykenä,  Fig.  169.  -  -  3)  Hampcl.  Zeitschr.  f.  Eth.  1896,  S.  87,  Fig.  4!).  — 
4)  Neues  über  die  auf  Cyp.  angest.  Ausgrab.  Verhdl.  1899,  S.  .">•"><).  —  5)  Hampel,  Alt. 
der  Bronzezeit  in  Ung.,  XVII,  Fig,(J.  —  <>)  Morgan  a.  a.  0.,  T.  I,  S.  128.  —  7)  Rösler, 
Verhdl.  L895.  —  8)  Virchow,  Das  Gräberfeld  von  Koban.  —  !))  Hörnes,  Urg.  d.  M., 
S.  539,  Fig.  213.  —  LO)  v.  Sacken,  Das  Gräberfeld  von  Hallstatt,  Taf.  XIX,  Fig.  17: 
allerdings  ist  in  Hallstatt  selbst  nur  ein  einziges  Exemplar  gefunden  worden.  —  11)  Bei- 
spiele: Luschwitz,  Prov.  Posen,  Mus.  für  Volk.,  Berl.  Id.  L364;  Kleinkatz,  Westpreusseu, 
ebenda  II,  2032;  Schwarzenbeck  in  Dithmarschen,  Schleswig-Holstein  II,  !)525  u.  11,2819; 
Kgr.  Sachsen,  Deichinüller  in  Wuttkes  Volksk.,  S.  85;  Schweden,  Hörnes,  Urg.  d.  M., 
8.  396,  Fig.  L67.  —  12)  Sophus  Müller,  Nord.  Alt.  I,  S.  264.  —  13)  Verhdl.  1899,  — 
14)  Virchow,  Koban,  S.  100  bis,  Fig.  40.—  15)  Ebenda,  Taf.  VI,  Fig.  I.  —  Ki)  Vgl.  die 
Abbildungen  bei  Klebs:  Der  Bernstuinschmuck  d.  Steinzeit,  Königsberg  L882.  —  17)  Vgl. 
Hörnes:  üesch.  d.  bild.  K.,  Taf.  XIII,  Fig.  6  u.  Fig.  8.  —  18)  v.  Sacken  a.  a.  0., 
Taf.  XVII.  Fig.  28  u.  a. 


—     73     — 


Eine  grössere  Mannigfaltigkeit  der  Form  weisen  die  von  Tscheghem 
stammenden  12  PerleD  auf.  Sie  sind  meist  sehr  gross  und  mit  sehr 
grosser  Schonung  geschliffen,  sodass  dadurch  höchst  sonderbare  Formen 
entsteheu,  die  in  Bezug  auf  primitives  Aussehen  nichts  zu  wünschen  übrig 

hl  — en  l). 

Waffen  und  Werkzeuge. 
Steinbeile  mit  Schaftrille. 

Yen  Wulfen  und  Werkzeugen  verraten  zunächst  die  Steinbeile  mir 
Umlaufsrille,  die  zur  Befestigung 


an  den  Schaft  bestimmt  war. 
einen  Zusammenhang  mit  dem 
A.bendlande.  Sie  kommen  im 
letzteren  hauptsächlich  in  Nord- 
end Mitteldeutschland8)  und 
Dänemark3)  vor,  lassen  sich  aber 
auch  noch  mich  Böhmen4)  und 
weiter  südlich  bis  Dalmatien') 
verfolgen.  Ob  sie  mich  weiter 
südwärts  vorkommen,  vermag 
ich  nicht  bestimmt  anzugeben, 
doch  scheinen  sie  in  Griechen- 
land und  Italien  zu  fehlen.  Da- 
gegen kann  ich  aus  dem  unteren 
Donaugebiete  ein  Exemplar  aus 
der  Gegend  von  Kronstadt6), 
Sammlung  des  Eerrn  Teui  seh 
in  Kronstadt)  sowie  je  ein  Stück 
von  Vodastra,  distr.  Romanatzi, 
und  Petresti-Patruzeci  de  ( Iruci, 
distr.  Vlaska  in  Rumänien  an- 
führen (Mus.  in  Bukarest). 

Im  Kaukasus  sind  ganz  ana- 
loge Stücke  ausKulpi  amArarat7) 
und  aus  Helenendorf,  südlich 
von  Elisabethpol8)  im  Tal  der 
Gandsha,  bekannt.  HerrRösler 
fand    sie    dort    neben    gewöhn- 


Fie.  78. 


Piff.  79. 


Fig.  78.     Beil  mit  Schaftrille  von  Curzola, 

Dalmatien;    '/a  nat-  Gr. 

(Mitt.  d.  Anthrop.  Ges.  iu  Wien  1898,  Nr.  2, 

S.  19,  Fig.  22.; 

Fig.  TM.     Beil  mit  Schaftrille  von  Helenendorf. 

Kauk.;   7s  nat-  Gr. 

(Verheil.  1901,  S.  108,  Fig.  30b. 


1'  Virchow,  inVerh.  1890,  S.  193.  —  2)  Niedersachsen  b.  Nordhausen:  Verh.  1894, 
S.329.  Quedlinburg,  Prov.  Sachsen;  Eugwalde  b.  Halberstadt;  Oberjohnsdorf,  Schlesien: 
I  lingen,  Schwarzburg-Sondershausen:  Wiche  a.  d.  Finne,  Thüring.;  Cöthen;  Grabe,  Kr.  Mühl- 
baasen,Thüring.;  Meisdorf.  Prov.  Sachsen:  Erfurt.  Thüring.;  Ostrowoam  Gopsee:  Inowrazlaw. 
Prov.  !'  isi  n;  Insel  Rügen  (Verh.  1894—1895);  Leipzig,  Hins.  d.  Vereins  f.  Gesch.  Leipzigs.  — 
3)  Hörnes.  Urgesch.  d.  M,  S.  288,  Fig.  25;  Soph.  Müller,  Nord.  Altert..  S.  144,  — 
I  Hruälowan  bei  Leitmerite;  Vokovic  bei  Prag:  Liebitz  u.  a.  Fundstellen;  (Verhdl.  h'.'l 
bis  1895.  —  5)  Mitt.  der  Antli.  Ges.  in  Wien.  Jg.  L898  Nr.  2,  S.  ■-".,  zwei  Exemplare).  — 
tl)  •Jnl.  Tentsch,  Präbißt.  Funde  aus  dem  Burzenlande,  Mitt.  der  Anth.  Ges.  in  Wien. 
Jg.  Lönu.        7    Verhdl.  1894,  S.  587  (zwei  Exemplare),        8)  Verhdl.  1901,  S.  108. 


—     74     — 

liehen  Steinbeilen  und  durchbohrten  Hämmern  aus  Diorit  und  Porphyr, 
von  denen  er  aber  leider  keine  Abbildung'  gibt,  und  in  Verbindung  mit 
Feuersteinsägen,  Schabern  usw.  in  alten,  verfallenen  Stollen. 

Ähnliche  Steinkeulen  oder  Hämmer  sind  übrigens  noch  gegenwärtig 
bei  manchen  Naturvölkern  in  Gebrauch,  so  in  Britisch-Columbien,  bei  den 
nordamerikanischen  Cows,  bei  den  Salawigmut,  einem  Eskimostamme  vom 
Kotz ebue- Sund  u.  a.  Bei  ihnen  hat  man  auch  die  eigentümliche  Art  der 
Befestigung  keimen  gelernt,    auf  die    ich  hier  nicht  weiter  eingehen  will. 

Hammerbeile. 
Eine  weitere  Analogie  bilden  die  Hammerbeile,  die  auf  der  einen  Seite 
eine  bogenförmige  Schneide  besitzen,  während  das  rückwärtige  Ende  einen 
>tumpfen  Hammer  bildet.  Das  Stielloch  steht  mit  der  Schneide  parallel. 
Ausser  den  angeführten  gemeinsamen  Eigentümlichkeiten  ist  in  Form  und 
Grösse  die  grösste  Verschiedenheit  zu  bemerken.  Das  ungarische  National- 
Museum  besitzt  nach  Hampel  (>6  Exemplare,  unter  denen  nicht  zwei 
Exemplare  einander  vollkommen  gleichen1). 


Figr.  so. 


Fig.  81. 


Fig.  80.     Hammerbeile  aus  Mussiyerri;   1j3  nat.  Gr. 

(Nach  Morgan,  T.  I,  S.  98,  Fig.  51  u.  52.) 

Fig.  81.     Kupfernes  Hammerbeil  aus  Ungarn. 

(Nach  Hampel,  Neuere  Stud.  u.  d.  Kupferzeit,  Zeitschr.  f.  Ethnogr.  1896,  S.  <*>7,  Fig.  24.) 


Dasselbe  gilt  auch  von  den  analogen  kaukasischen  Formen,  die  im 
Süden  in  Mussiyerri12),  im  Norden  in  Koban3)  vorkommen.  (Fig.  SO  u.  81). 

Da  die  gleiche  Form  auch  in  dem  Skytisch-sibirischen  Kulturkreis4) 
gefunden  wird,  so  ist  es  möglich,  dass  beide  Kulturgebiete,  der  Kaukasus 
und  die  Donauländer,  diesen  Typus  selbständig  von  uralaltai sehen  Völkern 
entlehnt  haben.  Doch  spricht  Aev  Umstand,  dass  die  ungarischen  Beile 
der  Kupferzeit,  die  skythischen  Exemplare  dagegen  einer  viel  späteren 
Periode  angehören5),  m.  E.  dafür,  dass  dieser  Typus  von  den  unteren 
Donauländern  ausgegangen  und  nach  Osten  importiert  ist.  Auch  existierten 
in  Ungarn  bereits  von  der  neolithisehen  Zeit  her  gleichgeformte  Hammer- 
beile ;nis   Stein6)  als   .Modelle  für  die  Metallgeräte. 

Doppelbeile. 
Ähnlich   verhält  es  sich  mit  den  Doppelbeilen,   \mi  denen  mir  aus  dem 
Kaukasus   Exemplare  ausTschmy  in  Ossetien7),  vom  Tschegem8)  und  vom 

1)  Hampel,  Neuere  Stud.  üb.  d.  Kupferz.,  Zeitschr.  f.  E.  189G,  S.68.  —  ■>)  Morgan, 
a.  a.  0.,  8.  '.is  3)    flörnes:    Urgesch.    d.  M.,    S.  532,  Vollb.   1;    S.  535,  Fig.  212.  - 

l  Aspelin  führt  vier  Stück  von  Ananino  a.  d.  Kama  und  zwei  aus  dorn  Gebiet  d.  Mord- 
winen an;  Hampel,  a.  a.  0.,  S.  69.  —  5)  Ebenda.  —  6)  Hampel.  Antiq.  prehist.  pl.  IV, 
Fig.  9,  11,  L3.  —  7)  Verhdl.  L890,  S.   132.  —  S)  Ebenda,  S.   137,  Fig.  34. 


—     75     — 

Gräberfeld  von  Besinghy  im  Oberlande  der  Kabarda1)  bekannt  sind. 
Charakteristisch  für  die  kaukasischen  Stücke  ist,  dass  die  Klingen  stete 
aber  Kreuz  gestelli  sind.     (Fig.  82  u.  83). 

Das  Gleiche  gilt  auch  von  den    kupferzeitlichen   Doppelbeilen  aus 

den    Donauländern,    in    denen    sie    ziemlich    häufig    vorkoi sn.      Eerr 

Hampel  führt  von  dort  87  Stück  ans  dem  National-Museum  in  Budapest, 
eines  aus  Galizien  und  drei  aus  Serbien  auf;  ausserdem  ooeh  je  eines  aus 
der  Schweiz  und  Böhmen.  Wie  die  vorigen  sind  es  typische  kupfer- 
zeitliche Werkzeuge2). 

Fig.  82. 


Fig.  83. 


Fig.  82.     Doppolbeil  von  Besinghy,  Oberland  von  Kabarda:   nat.  Gr. 

Verhandl.  1890,  S.  447,  Fig.  52.) 

Fig.  8.").     Doppelbeil  aus  Ungarn. 

(Hampel,  N.  Stud.  u.  d.  K  :  Z.  f.  E.  1896,  S.  68,  Fig.  28. 

Im  südrussischen  und  uralaltaischen  Gebiete  bilden  Doppelbeile 
ebenfalls  heimische  Erscheinungen,  doch  stehen  hier  die  Schneiden  nicht 
senkrecht  aufeinander,  sondern  parallel.  Insofern  ähneln  sie  den 
iiivkenischen  Beilen8),  dagegen  existiert  ans  Troja  ein  Stück,  das  mit  den 
ungarischen  und  kaukasischen  Formen  übereinstimmt*).  Unter  den  donau- 
ländischeii  Stücken  kenne  ich  nur  ein  Doppelbeil  von  Nagy  Enyed,  bei 
dem  die  Schneiden  wie  bei  den  uralaltaischen  und  griechischen  parallel 
stehen6). 

Sichelförmige  Sägen. 

Sie  charakterisieren  sich  durch  die  gerade  Schneide  und  den  bogen- 
förmigen Kücken.  Erstere  zeigt  stets,  letztere  in  der  Rege]  eine  sehr 
sorgfältige  Etetouche,  so  dass  die  Kante  mehr  oder  weniger  fein  gezähnt 
erscheint.  Aus  dem  Kaukasus  ist  mir  diese  Form  bisher  nur  aus  Schuscha 
bekannt6),  das,  in  der  Mitte  zwischen  Kura  und  Araxes  anfeinem  nach 
der  Persischen  Grenze  sich  hinziehenden  Ausläufer  der  transkaukasischen 


1  Verhdl.  L890,  S.  117.  Fig.  28.  —  2  Hampel  a.  a.  0..  S.  (in.  —  3)  Schliemann, 
Mykenä,  S.  L25,  Fig.  17:;.  _  n  Hampel  a.  a.  0.  -  •>  Abgebüdet  Verhdl.  L898,  S.  231. 
6  FeuersteinsSgen  erwähnt  Herr  Rösler  auch  von  Helenendorf  (Verhandl,  L901,  S.  1"-. 
doch  eribl   er  keine  nähere  Beschreibung  und  keine  Abbildung. 


—     76     — 


Fiff.  85. 


Fip:.  84 


Gebirgskette  gelegen,  zu  den  am  weitesten  nach  Südosten  vorgeschobenen 
Gräberfeldern  gehört,  andererseits  aber  in  seinen  Funden  viel  Anklänge 
an  Koban  aufweist1). 

Im  Abendlande  kommen  die 
sichelförmigen  Messer  (hier  als 
Kreisausschnitte),  am  häufigsten 
im  Norden  und  zwar  ganz  be- 
sonders zahlreich  auf  der  Insel 
Rügen  vor,  doch  lassen  sie  sich 
von  dort  aus  über  Mitteldeutsch- 
land, Böhmen2),  Galizien8),  Un- 
garn bis  nach  Oberösterreich 
verfolgen,  wo  sie  namentlich  in 
den  steinzeitlichen  Pfahlbauten 
des  Atter-  und  Mondsees  in 
grossen  Mengen  gefunden  worden 
sind4).   (Fig.  84  und  85.) 

In  Anbetracht  der  sehr 
scharf  ausgeprägten  Form  und 
der  ziemlich  eng  begrenzten 
Verbreitung  dieses  eigentüm- 
lichen Gerätes  o-laube  ich  auf 
sein   Vorkommen    im  Kaukasus 


Fig.  84.     Sichelförmige  Feuersteinsägen  aus 

Schuscha,  Gouv.  Elisabethpol,  nat.  Gr. 

(Verhdl.  1892,  S.  567,  Fig.  5.) 

Fig.  85.     Gezähnte  Feuersteinklinge  aus  Galizien. 

(Hörne s,  Urg.  d.  M.,  S.  221,  Fig.  86.) 


besonderen  Wert  legen  zu  dürfen. 


Pfeilspitzen. 

Pfeilspitzen  kommen  in  einigen  kaukasischen  Nekropolen  ausser- 
ordentlich häufig  vor  und  zwar  sowohl  aus  Metall,  als  aus  Stein,  meist 
Obsidian. 

1.  Steinpfeile. 

Unter  diesen  sind  mir  fünf  verschiedene  Typen  bekannt,  die  sämtlich 
im  Abendlande  ihre  Analogie  haben. 

a)  Dreieckige  prismatische  schmale  Späne  mit  gerader  Basis,  ohne 
Widerhaken  und  Schaftzunge.  Im  Kaukasus  aus  Mussiyeri,  Redkinlager, 
Schuscha  u.  a.  Fundstätten  bekannt6).  Eine  in  Ungarn6)  und  auch  im 
übrigen  Europa  sehr  verbreitete  Form  (s.  Fig.  86). 

b)  Dreieckige  Pfeile  mit  breiter,  abgerundeter  Basis,  auf  dem  Quer- 
schnitt entweder  ein  spitz  ausgezogenes  Oval  bildend  (Beispiel:  Ein 
Exemplar  vou  der  Zalka),  oder  dreieckig  oder  trapezoid  (Mussiyeri, 
Schuscha)7).  Die  gleiche  Form  findet  sich  auch  in  Ungarn8)  und  Deutsch- 
land  (Fig.  87). 

c)  Sehr  sorgfältig  gearbeitete,  dreieckige  oder  länglich  ovale  Spitzen, 


1 1  Verhdl.  L892,  S.  566.  —  2)  Much:  Prähist.  Atlas,  Taf.  XIII,  Fig.  25.  —  3)  Hörnes: 
Urg.  <i.  M.,  8.221,  Fig.  86.  —  4)  Hörnes:  Urg.  d.  M.,  S.  254,  Fig.  108.  Mitt,  d.  Anth.  Ges.  in 
Wien  1897,  8.  1  Li,  Fig.  60.  —  5)  Morgan:  a.  a.  0.,  S.  99.  —  6)  Hampel:  Antiqu.  prehist. 
d.i.  II .,  PI.  1,27,33  u.  a.  —  7)  Morgan:  a.  a.  0  ,  Vcrhandl.  1892,  S.  567,  Fig.  4.  —8)  Hampel: 
a.  a.  0.,  PI.  I,  No.62. 


—     77     — 

auf  dem  Querschnitt  ein  spitz  ausgezogenes  Oval  bildend,  an  der  Basis 
mit  halbmondförmigem  Ausschnitt,  dessen  Enden  zu  spitzen,  meist  etwas 
gekrümmten  Widerhaken  verlängert  sind.  Diese  im  Kaukasus1)  sehr 
häufig  vertretene  Form  findet  sich  in  Mykenä2),  in  Siebenbürgen  (Samml. 
T rutsch  in  Kronstadt)  in  Ober-  und  Nieder-Osterreich  (Mus.  zu  Wien) 
und  in  verschiedenen  Varianten  vielfach  in  Mittel-  und  Norddeutschland, 
sowie  Dänemark8)  (Fig.  88  und  89). 

d)  Pfeile  mit  Widerhaken  und  Schaftzunge  sind  mir  aus  dem  Kaukasus- 
gebiete bisher  nur  von  der  Zalka  bekannt.  In  Mykenä  und  Ungarn 
scheint  diese  Form  zu  fehlen.  Sie  kommt  aber  häufig  in  Mittel-  und]Nord- 
deutschland  und  ferner  in  Butmir  in  Bosnien  vor  (Fig.  90  und  91). 


Fig.  86. 


Fig.  87. 


Fig.  92. 


Fig.  93. 


Fie\  91. 


Fig.  00.        Fig.  89.    Fig.  88. 


Fig.  SG  u.  87.     Obsidianspitzc.il  aus  Mussiyerri  (Morgan,  T.  I,  S.  99,  Fig.  55.) 
Fig.  88.    übsidianspitze  aus  Helenendorf.     (Vcrhdl.  1901,  S.  9:j,  Fig.  11c.) 

Fig.  89.    Feuersteinspitze  von  Neuhaldensleben.    (Yerhdl.  1898,  S.  600.) 

Fig.  90.     Obsidianspitze  von  der  Zalka.     (Virchov,  Koban  S.  92,  Fig.  35.) 

Fig.  91.     Dreieckige  gestielte  Feuersteinspitze  aus  Angeln,  Schleswig-Holstein. 

(Berl.  Museum  KNIm  271.) 

Fig.  92.     Querscnneid.  Pfeil  vou  Mussiyerri.    (Morgan,  S.  101,  Fig.  61.) 

Fig.  93.     Oesgl.  von  Tangermünde.     (Verhdl.   L889,  S.  118.) 

e)  Querschneidige  Pfeile.  Sie  sind  platt  und  viereckig  und  im  Quer- 
schnitt trapezoidal.  Die  Längsseiten  sind  meist  eingebogen,  die  Basis 
schmäler  als  die  Schneide.  Letztere  ist  scharf  und  konkav  oder  konvex. 
Im   Kaukasus    ist  diese  Form    bisher  an  zwei   Punkten    gefunden  worden. 


1)  Verhandl.  L899,  S.  273.  Fig.  63,  S.  263,  Fig.  26  und  viele  andere.  —  2  Schlie- 
mann:  Mykenä.  S.  8;.  u.  S.  213.  —  3)  Verhandl.  1890,  S.  368,  L898  S.  600,  1896  S.  349 
u.v.  a.:  Sophus  Müller:  Nord.  Altert.  K. 


78 


in  Mussiyeri1)  und  Helenendorf2).  Im  Abendlande  ist  sie  meines  Wissens 
ausser  in  der  Champagne  in  Frankreich,  wo  man  sie  in  einzelnen  künst- 
lichen Grabgrotten  beobachtet  hat3),  nur  im  Norden  heimisch  und  zwar 
kennt  man  sie  hier  aus  Schweden4),  Oldenburg,  Mecklenburg  und  Branden- 
burg und  in  besonders  zahlreichen  Stücken  von  Tangermünde5).  Bei  der 
ganz  auffallenden  und  eigenartigen  Gestalt  dieser  sonst  weder  in  Asien 
noch  in  Europa  vorkommenden  Gruppe  von  Pfeilspitzen  scheint  mir  ihr 
Auftreten  im  Kaukasus  für  die  Frage  nach  alten  Kulturbezielmngen  zum 
Abendlande  von  .ganz  besonderer  Wichtigkeit.     (Fig.  92  und  93). 

2.  Bronze-   und  Eisenpfeile. 
Sie    erscheinen   im  Kaukasus  z.  T.  in  Formen,   für   die  es  anderwärts 
an  Parallelen  fehlt.     Von  den  auch  im  Abendlande  heimischen  Typen  sind 
folgende  zu  nennen: 


Fig.  !>ü. 


Fig.  i>7. 


Fig.  IM. 


Fig.  10( ). 


Fig.  101. 


Fig.  '.U   u.  !)."».     Blattförmige  Pfeilspitzen  von  Serti,  Kaukasus  (Verhdi.  1899  S.  280). 

Fig.  96  u.  ".IT.    Blattförmige  Pfeilspitzen  aus  den  Lac  de  Bourget 

(Verhandl.  1890  S.  481,  Fig.  3). 

Fig.  98.     Blattförmige  Pfeilspitze  mit  Tülle  von  Mussiyerri;  n/4  nat.  Gr. 

(Morgan  S.  loo,  Fig.  58). 

Fig.  !»'.».     Desgl.  aus  Ungarn;  nat.  Gr.  (nach  Hampel,  Ant.  pr.  pl.  XXIII,  Fig.  26). 

Fig.  100.    Zweischn.  Bronzepfeil  mit  Tülle  und  widerhakenartiger  Zacke  von  der  Tschetsclma 

(Virchow,  Kobau  Fig.  32,  2). 

Fig.  l.oi.     Ähnlicher  Bronzepfeil  von  Nagy  Enyed,  Ungarn 

(nach  Verhandl.  1801   S.  "J.'!l   in  zweif.  Gr.  gezeichnet). 

a)  Einfache  blattförmige,  dreieckige  Bronzespitzen,  die  wie  die  Stein- 
spitzen  in  den  Schaft  eingeklemmt  wurden.  Sie  sind  ganz  glatt  und  haben 
am  hinteren  Ende  einen  halbmondförmigen  Ausschnitt,  dessen  Ecken  zu 
spitzigen  Widerhaken  verlängert  sind.  Auf  der  Fläche  ein  kleines  Loch 
zur  Befestigung  des  Bolzstieles.  Analoge  Stücke  kommen  nach  Virchow 
in  Ungarn   vor,  sind  aber  auch  in  der  Schweiz,  häufig6).     (Fig.  94  und  07.) 


1)  Morgan:  a.  a.  0.,  S.  LOO.  —  2)  Verhandl.  L899,  S.  251,  Fig.  9.  —  3)  Hörnes; 
LTrg.  d.  M.,  S.  299.  h  Madsen:  Afbildninger,  Taf.  XXII,  Fig.  L9.  —  ö)  Verhandl.  L884, 
S.  Ils.    —   6)  Verhdlg.,  S.  481. 


—      7!»     — 

1»)  Dolchblattförmige  dreikantige  Spitzen  mit  schwacher  Mittelrippe  and 
•_'  Löchern  am  hinteren   Ende.     Sic  sind  im   Kaukasus  gleich  den  vorigen 

in  Ssamthawro  und  Djelaloglu   I bachtet,  oh  sie  auch  in  anderen  Nekro- 

I m >  1  ( > 1 1  vorkommen,    ist  mir  Dicht   bekannt,    doch    fehlen    sie   jedenfalls    in 
Koban.     Im   Westen    in    Ungarn    (Virchow    a.   a.   0.)    und    der    Schweiz 
Fig.  95  und  96)  bekannt1). 

c)  Blattförmige  Klingen  mir  stark  gewölbter  Mittelrippe,  die  nach 
hinten  zu  in  eine  Schaftdülle  übergeht.  Sic  kommen  in  Koban,  Ssam- 
thawro, Djelaloglu,  Mussiyeri,  Cheithan-tagh  u.  a.  Fundstätten  vor2). 
Ein  ganz  gleiches  Stück  fand  Schliemann  im  Tumulus  des  Achilleus 
Weiter  kennt  man  sie  ans  Olympia  und  vom  Schlachtfeld  von  Platää*  . 
In  Ungarn  hat  man  sie  im  Komitat  Szabolcs6),  St.  Veit6)  und  vielen 
anderen  Orten7),  in  Böhmen  in  Blovick  und  Korunka8)  gefunden.  Endlich 
isi  dieser  Typus  auch  aus  Dänemark   bekannt9).    (Fig.  98  und  99.) 

d)  Eine  der  vorigen  ähnliche  Form,  jedoch  an  <\cv  Tülle  mit  einem 
Haken  versehen.  Sie  linden  sich  in  Koban,  an  der  Tschetschna,  am 
Terek,  in  Cheithan-tagh,  Mussiyeri  usw.1").  In  Ungarn  kennt  man  sie  aus 
>\i'\-  Gegend  von  Dolany,  Szekelyföld,  Nagy  Euyed  u.  a.u),  doch  werden 
sie  hier  als  Skythische  Formen  angesehen  und  einer  ziemlich  späten 
Periode  zugewiesen.     (Fig.  100  und  101.) 

e)  Dreikantige  Pfeile  mit  bolzenförmigen  and  solidem  Vorderteile  und 

Schaftzung ler  -Tülle.      Im   Kaukasus    an    der   Tschetschna,    in    Koban 

und  Cheithan-tagh  gefunden12).  Sie  sind  häufig  in  Olympia,  finden  sich 
ferner  sehr  zahlreich  in  Südrussland  und  d*^-  Krim13),  weiter  in  Sieben- 
bürgen und   Ungarn  bis  Ost-  und   Norddeutschland  und   Dänemark14). 

f)  Dreikantige  Pfeile  mir  flügelartig  eingeschnittenen  Kanten.  Zeig! 
im  wesentlichen  die  gleiche  Verbreitung;  nach  Westen  bis  Hallstatt18), 
und   Ohalons  sur  Saone16)  nachweisbar  (Fig.  102  und  103). 

Lanzen. 

Im  Kaukasus  lassen  sich  zwei  Haupttypen  von  Lanzen  unterscheiden, 
die  in  gleicher  Form  auch  im   Ä.bendlande  vorkommen. 

I.  Flache  Klingen  mit  doppelter  Schneide  und  Schaftzunge.  Die 
Klinge  ist  entweder  weidenblattförmig  (Fig.  104,  105)  und  an  der  Basis 
abgerundet,  "der  leicht  geschweift  und  am  hinteren  Ende  eckig  (Fig.  L06, 
l(l<  l.  Eine  Mittelrippe  fehlt  entweder  ganz,  oder  sie  ist  nur  wenig  aus- 
gebildet. 

/-n  i\rv  ersteren  Variante  gehören  vielleicht  einzelne  der  von  Virchow 

L)  Verhandl.  L890,  a.  a.  0.,  —  2)  Virchow:  a.  a.  0.;  Morgan:  Taf.  1.  S.  L00.  — 
■"•  Schliemann:  Troja,  S. 278,  Fig.  132.  r  Schliemann:  a.a.O.  —  5  Hampel: 
Antiqu.  prehist ,  PI  XXIII.  Fig.29.  5)  Mitt.  d.  Auil.r.  Ges.  in  Wien  1897,  Beft  I.  S.  L5. 
—  7)  Hampel:  Alt.  d.  Br.  in  Ungarn,  XXVIII.  Fig.  7  u.  8.  —  8;  Schliemann:  a.a.O. 
-9)  Ebenda.  —  in  Virchow:  a.a.O.:  Morgan:  a.a.O.  —  11)  Verhandl.  L898,  S.231 
Hampel  a.a.O.  -  12)  Virchow:  a.a.O.:  Morgan:  a.a.O.  — 13)  Reinecke:  Zeitschr. 
i.  Ethnol.  L896,  S.21.  —  14)  Schliemann:  a.a.0.und  Hampel:  a.a.O.  —  l5)Hampel 
a.  a.  0.:  v.  Sacken:  S.  38  u.  Taf.  VII.  10.  —  IG)  Bonsfeetten:  Los  antiqu.  Snisses, 
IM.  II.  9. 


—     80    — 

in  seinem  Kobanwerke1)  besprochenen  Klingen,  die  er  allerdings  sämtlich 
für  Dolche  erklärt.  Zwei  ähnliche  Stücke  stammen  aus  Knmbulte  in 
Digorien2).  Die  sehr  dünne  und  glatte  Beschaffenheit  dieser  Klingen 
würde  ihre  Deutung  als  Lanzenblätter  zweifellos  erscheinen  lassen,  wenn 
nicht  die  Bildung  des  Stieles  diese  Auffassung  wieder  in  Frage  stellte. 
Ähnliche  Formen  sind  auch  im  Abendlande  bekannt.  Als  Beispiel  gebe 
ich  die  Abbildung  einer  15  cm  langen  Klinge  von  Aszod  in  Ungarn,  deren 
Charakter  jedoch  ebenfalls  zweifelhaft  ist3). 

Auch  die  zweite  Variante  (Fig.  106  u.  107)  lässt  eine  verschiedene 
Deutung  zu,  obwohl  sie  von  Herrn  Rösler  ohne  weiteres  als  Lanzen- 
spitze angesprochen  wird4).  Eine  sehr  ähnliche  Klinge,  gleichfalls  mit 
eckiger  Basis  und  flacher  Griffzunge  bildet  Schliemann  aus  der  "2.  Stadt 


Fig.  102.        Fig.  103. 


Fig.  105. 


Fig.  102.     Bronzepfeil  aus  der  Tschetschua, 

nat.  Gr.     (Virchow,  Koban,  Fig.  32,4.) 

Fig.  103.    Bronzespitze  aus  Hallstatt. 

(v.  Sacken,  Tai".  VII,  Fig.  10.) 

Fig.  104.     Lanzen(?)spitze  von  Kumbulte; 

Va  nat.  Gr.  (nach  Verhancll.  1890  S.  421,  Fig.  9.) 

Fig.  105.     Lanzen(?)spitze  von  Aszöd,  Kom.  Pest; 

15  cm    ohne    die    umgebogene  Spitze  und  Zunge 

(nach  Hampel,    Ant.  prehist.  Taf.  VIII,  Fig.  1). 


Troja  ab5);  er  erklärt  sie  ebenfalls  für  eine  Lanzenspitze,  und  ebenso 
hält  er  die  von  Virchow  auf  Taf.  IL  Fig.  1,  Taf.  III,  Fig.  8  und  V»  und 
Taf.  IV  dargestellten,  den  trojanischen  sehr  ähnlichen  Waffen  nicht  wie 
Virchow  für  Dolche,  sondern  für  Lanzen. 

Als  Beispiel  aus  den  Donauländern  führe  ich  eine  Bronzespitze  aus 
Bobröcz  vor6).  Sie  ist  in  dem  Atlas  als  Dolch  bezeichnet,  entspricht  aber 
in  Form  und  Grösse  vollständig  den  kaukasischen  und  trojanischen 
Klingen,  so  dass  sie  ebenfalls  als  Lanzenblatt  angesprochen  werden  könnte. 


1 1  a.  a.  O.  S.  76-82;  s.  a.  Taf.  X  Fig.  8.  —  2)  Vcrhdl.  L890,  S.  121.  —  3)  Hampel: 
Antiq.  prehist.  de  La  Hongrie,  Taf.  VI,  Fig.  I  und  Alt.  d.  Br.  in  (Jng.  XVIII,  Fig.  1.  — 
I)  Verhdl,  L896  S.  95  Fig.  19  u.  50;  zwei  Bronzeklingen  von  Dawschanli  und  Artschasdor, 
eine  mit  spitzem,  die  andere  mit  stumpf'zulaiilVudem  Ende.  Verhdl.  lS'.ts  S.  139  Fig.  44.  — 
5)  Schliemann:  Troja  S.  102  u.  105  Fig.  :'>'.',.  —  6)  Hampel:  Antiqu.  prehist.  pl.  IX 
Pig.  '.i. 


—    81     — 

2.  Weidenblattförmige  Klingen  mit  Schafttülle  and  stark  hervor- 
springender oft  kantiger  Mittelrippe.  \).\<  Blatt  ist  bald  schlank  und 
schmal,  bald  breiter  und  kurz.  J)ie  Grösse  schwankt  von  (>.17 — 0,65  cm. 
sie  sind  teils  von  Bronze,  teils  von  Elisen,  nur  in  Lelwar  fanden  sich  aus- 
schliesslich eiserne  Spitzen1).  Diese  auf  den  südlichen  Gräberfeldern  des 
Kaukasus  sehr  häufig  erscheinende  Form  ist  auch  aus  dem  ganzen  Abend- 
iande2)  in  so  zahlreichen  Exemplaren  bekannt,  dass  ich  hier  nicht  weiter 
darauf  einzugehen  brauche.  Wegen  der  völlig  analogen  angarischen 
Lanzenspitzen  verweise  ich  auf  die  Abbildungen  bei  Hampel3)  und 
\  eii   M  i  sk  e*). 

Dolche  und  Schwerter. 

Einen  in  Europa  wohlbekannten  Typus  stellt  das  in  Fig.  10s  ab- 
gebildete Dolchblatt  von  Tschmy  in  Ossetien  dar.  Es  ist  15,5  cm  lang 
und  4..")  cm  breit,  doppelschneidig,  ganz  glatt  und  verhältnismässig  dünn. 
an  der   llasis  flach  abgerundet   und   hier  mit  zwei  starken  Xieten  versehen. 

Im  Aheiidlande  tritt  diese  Form  überall  bereits  in  der  frühesten 
Bronze-  \n\<\.  wo  eine  existiert.  Kupferzeit  auf.  Wir  kennen  sie  aus 
Oypern8),  Mykenä6),  Ungarn7),  Italien,  der  Schweiz.  Niederösterreich8), 
Böhmen9),  Mitteldeutschland10),  Norddeutschland11),  Dänemark  und  Skan- 
dinavien.  Britannien18)  und  andererseits  aus  Frankreich  und  Spanien18). 

Bei  einem  zweiten  'Typus  geht  die  ebenfalls  dreikantig  gestaltete  Dolch- 
klinge in  eine  breite,  glatte  Griffzunge  über.  Hierzu  gehören  die  meisten 
der  von  Yirchow  auf  den  Tafeln  II,  III  und  IV  dargestellten  Exemplare, 
soweit  sie  nicht  etwa  als  Lanzenblätter  aufzufassen  sind.  Ähnliche  Stücke 
bilden  auch  die  Herren  Rösler1*)  und  Morgan  von  südkaukasischen 
Fundstätten  ab,  letzterer  eine  Dolchklinge  von  Akthala  mit  einem  runden 
Loch  in  der  breiten  Griffzuuge,  in  dem  ein  breiter  Bronzering  be- 
festigt ist"). 

Auch  diese  Dolchform  ist  im  Abendlande  schon  in  den  frühesten 
Metallperioden  heim  isc  h.  Ihr  Verbreitungsgebiet  entspricht  im  wesentlichen 
demjenigen  des  vorhergehenden  Typus,  wennschon  letzterer  weit  häufiger 
ist.  \u>  l  ogarn  sind  von  dieser  Form  sowohl  Exemplare  aus  Kupfer  als 
Bronze  bekannt16)     (Fig.  110  und  111.) 

In  der  Bildung  des  Griffes  und  Knaufes  besteht  zwischen  den  nord- 
und  südkaukasischen  Dolchen  ein  sein-  wesentlicher  Unterschied.  Während 
letztere    entweder  mit    einem    glöckchenförmig    gestalteten,    meist    durch- 

l     Morgan:  a.  a.  0.,  T.  I  S.  95f.;  Fig.  tö,   16,   IT  N<>.  I     S;    I":  S.  51,  Fig.  11.  12; 

13;  S.  55  Fig.  15.  —  2    /..  B.  \.  Sacken:  Gräbf.  \.  Hallst.  S.  35  u.  Taf.  VII  u.  v.  a.  — 

'■    Antiq    prebist.,   Taf.  IX,    1-:.,   Taf.  X,  11.    Tat.  XV,  l,  Taf.  XVIII,   II.  —   t)  Mitteil. 

der   Anthropol.  Gesellschaft    in    Wien    1897,    S.    15,    Fig.    3,   9    u.    1".    S.   17.    Fig.  7.   — 

6    /.  f.  E.  L89G,    S.  87,    Fig.   I!».    Nr.  20  u.  22—25.  Schliemann:    Mykenä  S.  — 

,     Hampel:   AntiM    prehisl    Taf.  I.\.  Fig.  7;  Z.  f.  E.  1896,  S.  71,  Fig.  36.   -  8)  Hörnes: 

s.  254,    Fig.  L08.  -   9)  Hörnes:    ürg.  d.  M.,   S.   121,    Fig.  181.  -  10]  Ebenda:    S.  369, 

F iir.  161.  —  li     Mehrere  Exemplare  im  Dresdener  Museum;    ich  selbst  besitze  ein  Stack 

Dechritz  b.  Bautzen.        12J  Soph.  Müller:  Nord.  Alt.  T.  1.  S.  309.  -  L3    Hörnes: 

Org.  d.  M.,  S.   IN,  Fig.  171.  —  H    Verhdl.  1894  S.  239;  1896  S.  99;  1898  S.  -_".'1  u.a.— 

a.  0.  8.39,  Fig.  2.        16    Hampel:  Z.  f.  E.  1896  S.  7:;. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahr-.  1904.  *> 


—     82     — 

brochenen  Knauf1)  oder  einer  Kugel  oder  ovalen  Körper  abschliessen 
und  sich  hierdurch  teilweise  den  assyrischen  Dolchgriffen  nähern2),  enden 
die  kubanischen  Dolchgriffe  in  einer  hufeisenförmig  fast  rechtwinklig  auf- 
gebogenen Querstange,  an  deren  Enden  scheibenförmige  Knöpfe  aufsitzen. 
In  dieser  Hinsicht  stimmen  sie  vollständig  mit  den  Dolchen  von  Hallstatt8) 
überein,  für  die  sonst  nur  noch  Analogien  aus  Frankreich4)  und  den  Donau- 


Fig.  109. 


Fig.  1<>6.     Fig.  107. 


Fig.  110. 


Fig.  106.    Bronzene  Lanzen (?)spitze  aus  Chodshali;    2';: 

Verhdl.  1898,  S.  439,  Fig.  44.) 

Fig.  J07.    bronzene  Lanzen(?)spitze    aus    Bobröcz,    Com 

von  der  Spitze  bis  zum  Zungenbruch  20  cm. 

(Nach  Hampel,  Antiq.  prell.  71,  pl.  IX,  Fig.  9.) 

Fig.  108.     Bronzedolch  von  Tschmy,  Ossetien. 

(Verhdl.  1890,  S.  427,  Eig.  26.) 

Fig.   L09.     Kn])f'er(?)dolch  von  Ungarn. 

(Hampel,  Antiq.  preh.  Taf.  IX,  Fig.  7.) 

Fig.  in».     Bronzedolch  vom  r.  Ufer  des  Chatschondget, 

Kr.  ÜBchewanschir;  a/8  nat.  Gr.    (Verhdl.  L899,   S.  250,  Fig.  6.) 

Fig.   III.     Kupferdoleh  aus  Ungarn,  nat.  Gr.     (Z.  f.  E.   L896,  S.  71, 


71,  Fig.  36.) 


1)  Verhdl.  a.  d.  a.  N.  —  2)  Morgan:    a.  a.  0.,   S.  92  ff.,    Fig.  36—43  u.   pl.  III.  - 
3)  v.  Sacken:    Gräberfeld  v.  Hallstatt  S.  30,  Taf.  V,  Fig.   LI,  L2  n.   L3;    Taf.  VI,  Fig.  2, 
F,f  13,  _    l)  Morgan;  a.  a.  0..  S.  182,  bildet,  einen  eisernen   Dolch  von  St.  Foy  und  einen 
ebensolchen  von  Alesia  (Alais,  Douhs)  ab;  vgl.  hierzu  auch  Castau  et  Delacroix:  Tom- 
helles d'Alaise  pl.  I  3,  p.  '•>. 


—     83     — 

[ändern  '  i  existieren.  Andererseits  aber  findet  sich  die' gleiche  Griffbildung 
auch  bei  den  Sibirischen  Deichen,  die  eine  unverkennbare  Ähnlichkeit 
mit  dem  im  Kaukasus  noch  heute  gebräuchlichen  Bau  schal  zeigen,  nur 
sind  bei  den  ostasiatischeii  Dolchgriffen  die  nach  aufwärts  gebogenen 
Stangenenden  meist  nicht  durch  einfache  Knöpfe  oder  Scheiben  ab- 
geschlossen, sendeni  in  künstlerischer  Weise  zu  oft  hervorragend  schön 
gearbeiteten  Tierfiguren  umgestaltet2).  Die  sibirischen  Dolche  reichen 
übrigens  bis  nach  Alaska  hinüber8).     (Fig.  112  und  113.) 

Schwerter  fehlen  in  Koban*)  vollständig,  und  auch  von  den  übrigen 
uordkaukasischen  Plätzen  sind  nur  ein/eine  Exemplare  bekannt  geworden, 
die  aber  schon  jüngere  Formen  repräsentieren5).  Von  den  für  die 
ungarische  Bronzezeit  und  die  brouzezeitlichen  Pfahlbauten  so  charakte- 
ristischen Typen  mit  lilienblattförmiger  schlanker  Klinge  ist  im  Kaukasus 
meines  Wissens  bisher  nur  ein  einziges  Exemplar  in  Ssamthawro  gefunden 
worden,  dessen  auch  Schliemann  gedenkt6).  Etwas  häufiger  sind  auf 
einzelnen  südlichen  Gräberfeldern  gewiss*1  doppelschneidige  Kurzschwerter 
mit  dreieckiger  Klinge,  breiter  Basis  und  drei  bis  vier  breiten  und  tiefen. 
mich  (dien  abgerundeten  l'dntrinnen 7);  sie  gleichen  hierin  manchen  IIa.ll- 
stätter  Dolchen,  die  ebenfalls  eine  sehr  breite  dreieckige  Klinge  mit 
scharfen  nicht  abgerundeten  Ecken  und  eine  grössere  Zahl  von  tief  ein- 
geschnittenen breiten  Blutrinnen  besitzen8). 

Das  Fehlen  A^v  Schwerter  in  Koban  und  die  grosse  Seltenheit  an  den 
übrigen  nordkaukasischen  Stationen  könnte  auffallend  erscheinen,  doch 
hat  man  auch  in  Troj.V)  keine  Spur  davon  gefunden.  Ebensowenig 
kommen  sie  in  den  italienischen  Terramaren10)  vor,  und  selbst  in  der  Akro- 
polis  von  Alba  Longa11)  fehlen  sie  noch,  owohl  dort,  wie  im  Gräberfeld 
von   Koban,  die   Fibel   bereits  sehr  häufig  ist. 

Ornamentik. 

Auch  in  der  Ornamentik  lassen  sich  gewisse  Analogien  zwischen  dem 
Kaukasus  und  dem  donauländischen  Gebiet  nachweisen,  allerdings  nur 
bezüglich  der  geometrischen  Motive,  da  die  durchaus  bildlose  ältere 
donauländische  Kunst  sich  ausschliesslich  ans  den  einfachsten  dekorativen 
Elementen,  dem  Tunkt  und  der  geraden  oder  geschwungenen  Linie  auf- 
baut, während  der  Schwerpunkt  der  kaukasischen  Bronzekunst  in  der 
Darstellung    von  Tier-  und  sogar  Menschenfiguren    zu   suchen   ist.      Neben 


1)  nach  v.  Sacken:  a.a.O.  —  2)  Verhaudl.  1893  S.  II.  —  3)  Vorlull.  L896,  S.  76. 
—  I  Virchow:  a  a.  0.  —  5)  So  ein  eisernes  Schwort  aus  dorn  Oberlager  von  Tschmy, 
dessen  Einzelheiten  aber  wegen  des  starken  Rostes  nichl  erkennbar  sind.  Es  besteht 
ans  einer  anscheinend  zweischneidigen  Klinge  und  einer  aus  demselben  Stil«!. 
fertigten  Griffzunge.  (Verhdl.  1890,  S.  131,  Fig.  28.  Ein  ganz  ähnliches,  nur  besser 
erhaltenes  Exemplar  bildet  Herr  Morgan  von  Mussigerri  ab.  Es  ist  ebenfalls  zwei- 
schneidig, die  Schneiden  laufen  ganz  parallel  und  gehen  nur  oben  in  flachem  Bogen  in  die 
Bcharfe  Spitze  über.  Die  Schaftznnge  ist  ziemlich  breit  und  zeigl  drei  Nietlöcher.  (Morgan: 
a  a.  0.  S.  90,  Fig.  33.  —  6)  Schliemann:  Troja  S.  L62.  —  7  Verhdl.  L898  und  L901 
S.  117.  Ein  sehr  schönes  Stück  anch  im  Grassi-Mus.  in  Leipzig.  —  8)  Auch  in  Hörnes 
Dfg.  d.  M.  S.  616  in  dem  Vollbild  ein  gleicher  Dolch  dargestellt.  —  9  Schliemann: 
Troja  S.  163.  —  lo)  W.  Heibig:  die  [taliker  in  der  Poebene.  [Leipzig  is7'.>)  S  5.  — 
11)  Ebenda  S.  78. 

6 


-     84     - 

diesen  der  Tierwelt  entnommenen  und  teilweise  meisterhaft  behandelten 
Motiven,  die  vorzugsweise  bei  der  Dekorierung  der  prächtigen  Bronze- 
gürtel Verwendung  fanden,  wurden  aber  auch  geometrische  Verzierungen 
in  ausgedehnter  Weise  benutzt,  namentlich  bei  kleineren  Schmuckgegen- 
ständen, bei  denen  es  zur  Darstellung  von  Tierformen  au  Platz  fehlte, 
sowie  als  Randdekoration  bei  grösseren  Stücken,  und  hierin  lässt  sich  eine 
grosse  Ähnlichkeit  mit  dem  abendländischen  Kunststil  kaum  verkennen. 
Hier  wie  dort  sehen  wir  die  gleichen  Gesetze  befolgt. 

Die  gerade  Linie,  einfach  oder  mit  mehreren  Parallelen  vereint, 
dient  zur  Hervorhebung  hervorspringender  Partien,  zur  Einrahmung  von 
Kanten  und  zur  Umsäumung  von  Bändern1).  Bisweilen  sind  diese  Randlinien 
in  Punktreihen  aufgelöst1')  oder  es  sind  Punktreihen  mit  geraden  Linien 
zu  einfachen  Bändern  vereinigt3).  Durch  Gruppen  quer  verlaufender 
Parallellinien  erhält  man  mehr  oder  weniger  breite  Bänder,  durch  welche 
die  Fläche  in  einzelne  Felder  abgeteilt  wird,  die  ihrerseits  wieder  mit  ver- 
schiedenen Ornamenten  ausgefüllt  sind,  besonders  gern  mit  Gruppen  von 
schräg  gestellten  Strichen4).  Sehr  beliebt  ist  das  Sparrenornament,  das 
sowohl  auf  Nadeln  und  Fibeln  wie  zur  Füllung  von  Bändern  benutzt 
wird5).  Endlich  werden  auch  sich  senkrecht  oder  schräg  kreuzende 
Linien  verwendet6). 

Fortlaufende  Reihen  von  Dreiecken  finden  besonders  als  Kantornament7) 
und  bei  runden  Flächen  zur  Bildung  von  Querbändern8)  Verwendung. 
Diese  Reihen  sind  entweder  einfach  oder  mehrfach,  so  dass  dadurch  je 
nach  der  Anordnung  der  einzelnen  Dreieckreihen  ganz  neue  Figuren 
(Zickzacklinien,  Rauten  usw.)  geschaffen  werden9).  Im  Abendlande  sind 
diese  Dreiecke  meist  dicht  schraffiert10);  auch  im  Kaukasus  findet  sich  die 
Schraffierung  sehr  häufig11),  doch  fehlt  dieselbe  auch  öfter1")  oder  ist  nur 
sehr  wenig  fein.  Statt  ihrer  sind  dagegen  die  Dreiecke  nicht  selten  mit 
Punkten  ausgefüllt13),  wofür  es  meines  Wissens  im  donauländischen  Formen- 
kreis an  Parallelen  fehlt.  Ein  anderer,  im  Abendlande  ebenfalls  nicht 
vorkommender  Modus  die  leeren  Dreieckflächen  zu  füllen,  besteht  in  der 
Einschachtelung  paralleler  Dreiecke14). 


1)  Virchow:  Kulturgesch.  Stellung  des  Kauk.;  Morgan;  Chantre;  viele  Beispiele 
bei  Höruos,  Sophus  Müller.  —  2)  Virchow:  Kult.  St.  d.  K.,  Tat'.  III  No.  G,  7,  11  und 
bes.  Morgan  I,  Fig.  173  u.  als  Gegenstück  zu  letzterem  die  bei  Hörne s,  Taf.  XXI, 
Fig.  4  u.  Fig.  5  abgebildeten  Armbänder  (Bosnien)  u.  Tat'.  XXV,  Fig.  6  (Beil,  Ungarn).  — 
3)  Virchow:  a.  a.  0.,  Taf.  III,  No.  8,  No.  6;  Hörnes:  Taf.  XXV,  Fig.  9,  II  u.  a.  (Waffen 
a.  Ungarn).  —  4)  Virchow:  Koban  (Fibeln  us»v.);  Morgan:  I,  75  (Armbänder),  Fig.  90 
(Nadeln)  usw.;  als  Gegenstück  die  ganz  ähnlich  verzierte  Fibel  von  Bulle  (Verhandl.  1892, 
S.  276),  die  ungar.  Beile  und  Schwertgriffe  (Hörnes:  Taf.  XXV),  die  ungar.  (Hampel: 
antiqu., Tai'.  XVI;  und  bosnischen  (Hörnes:  S.  'Mo),  Armbänder  u.  Reifen  usw.  —  5)  Beispiel: 
die  Nadeln  bei  Murgan:  I,  Fig.  90  und  die  bosnischen  Nadeln  bei  Hörnes:  Taf.  XXI, 
Fig.  2.  -  G)  Morgan:  I,  Fig.  8G,.".,  Fig.  9 1,0,  Fig.  102  u.  a.  (Kaukas.)  u.  Hörnes,  Taf.  XXV, 
Fig.  12  u.  13).  --  7)  Virchow:  K.  St.  d.  K.,  Taf.  II,  No.  5  u.  Taf.  III,  No.  S,  u.  13. 
Hörnes:  Taf.  XX  (bosnische  Zierscheiben)  u.a.  m.  —  8)  Morgan:  I,  Fig.  102;  (Bronze- 
röhren) Fig.91,8,  Fig  92-94  (Nadeln),  PI.  III,  Fig.  2  (üolch)u.  a.  Hörnes:  Taf.  XXV,  Fig  4. 
—  9)  Morgan:  IT.  III,  Fig.  2;  Virchow:  Taf.  III,  No.  S.  -  10)  Hörnes:  Taf.  XX, 
XXI,  XXV  u.  a.  —  11)  Virchow:  Kult.  St.  d.  K.,  Taf.  III,  No.  8;  Morgan  I,  Fig.  91.— 
12)  Morgan:  I,  Fig.  96;  Virchow:  Taf.  II,  No  .">.  —  13)  Morgan:  I.  Fig.  92-94; 
Virchow:  Taf.  III,  No.  s.  —  14)  Virchow:  Taf.  III,  No.  XIII. 


—    85    — 

Sclir  selten  sind  in  der  kaukasischen  Bronzeknnst  Kreise1),  die  in 
den  Donauländern,  namentlich  bei  der  Verzierung  von  Schwertknäufen 
sehr  beliebt  waren2).  Nur  Halbkreise8),  einfache  oder  konzentrische, 
erscheinen  wie  auf  donauländischen  so  auch  auf  kaukasischen  Ih-onzen 
häufiger  iind  sind  hier,  wie  die  Dreiecke,  nicht  selten  mit  Punkten  aus- 
gefüllt4). 

Am  meisten  aber  tritt  der  Parallellismus  in  der  Bronzekunst  beider 
Kulturgebiete  in  der  Verwendung  der  Spirale  hervor,  und  zwar  sowohl 
der  Spiralzeichnung,  als  des  Spiralgerätes.  Erstere  erscheint  auf  kauka- 
sischen Bronzen  hauptsächlich  in  der  Form  mehrfacher,  mäanderartig  fort- 
laufender Spiralreihen5),  ein  echt  mykenisches  Ornament,  das  wir  in  dem 
donauländischen  Formenkreise  schon  in  der  steinzeitlichen  Keramik 
und  später  auch  an  den  Bronzen  in  ausgedehnter  Weise  verwendet  finden6). 
Doch  verwarf  man  auch  andere  Kombinationen  von  Spiralen,  wenn  es  sich 
um  Ausfüllung  von  Flächen  handelte7),  keineswegs  und  sogar  isolierte 
Spirallinien  kommen,  im  Gegensatz  zur  nordischen  Bronzekunst8),  im 
Kaukasus  und  den  Donauländern  bisweilen  vor9).  Bemerkenswert  ist. 
dass  im  Kaukasus  die  in  den  Donauländern  und  im  Norden  sehr  häufige 
sogenannte  „falsche  Spirale",  die  durch  Verbindung  einfacher  oder  kon- 
zentrischer  Kreise  entsteht,  völllig  fehlt 

Wenn  dieses  Ornament  auch  schon  dem  älteren  Abschnitte  der  abend- 
ländischen Metallkunst  angehört,  so  ist  es  »loch  wohl  jünger  als  die  eigent- 
liche Spirale,  von  der  es  offenbar  eine  Nachahmung  bildet  und  die  es 
vielleicht  nur  ersetzte,  weil  seine  Ausführung  weniger  schwierig  war. 
Freilich  kommen  ganz  ähnliche  Motive  bereits  in  Mykenä  selbst  vor.  so 
an  einem  Goldblatt  aus  dem  dritten  Grabe,  einem  schwarzen  Achat,  einem 
reich  verzierten  Goldband  usw. 

Das  im  Mykenäkreise  so  beliebte  Pflanzenornament,  das  uns  dort  in 
den  verschiedensten  Gestalten  entgegentritt,  fehlt  im  Kaukasus  und  den 
Donauländern  vollständig. 

Symbolische  Zeichen. 

Im  Anschluss  an  das  geometrische  Ornament  haben  wir  noch  kurz 
einiger  symbolischen  Zeichen  zu  gedenken,  die  ebenfalls  auf  einen  Zu- 
sammen hang  <\rv  kaukasischen  Kultur  mit  dem  Abendlande  und  zwar  zu- 
nächst mit  dem  Donaugebiete  hinweisen.     Es  ist  dies 

1.  das  Kreuz,  dessen  symbolischen  Charakter  wir  bereits  bei  den 
Hängestücken  kennen  gelernt  hatten.  Wegen  seiner  Verbreitung  im  Abend- 
lande kann  ich  auf  die  eingehenden  Arbeiten  von  .Mortui et10)  und  E.  Senf11) 
verweisen.      Uns  interessiert    hier   nur   die  Tatsache,    dass  es  sich     bereits 

1 1  Virchow:  Taf.  III,  No.  XII.  —  2)  Hörncs:  Taf.  XXV,  Fig.  :',,  I,  5  Tat'.  XXI.  — 
3)  Virchow:  Taf.  II,  No.  3,  Taf.  III,  No.  8,  Taf.  IV,  No.  IS;  Hörnes:  Taf.  XXV,  Fig.  1. 
•_',  5,  7  u.a.  -  !i  Virchow,  Taf.  III,  No.  8.  —  5)  Taf.  I,  No.  1,  Taf.  II,  No.  .".u.a.  — 
6)  Hörnes:  Taf.  VI.  —  7)  Z.  ß.  eine  Nadel  von  Kumbultc,  Verhandl.  1S!M),  S.  15."..  — 
8)  Sophus  Müller:  Nord.  Altertumskunde  I,  S  261.  —  9)  Virchow:  Taf.  I.  No.  2  und 
Hörnes:  Tai.  XX,  Fig.  <;.  —  10)  Mortillet:  Mus.  pröhist,,  Taf.  XCIX.  —  11)  Arch  f 
Anthr.,  Taf.  XX 


—     86     — 

an  den  steinzeitlichen  Grabbauten  des  Nordens  nicht  selten  findet  und 
dass  es  auch  im  donauländischen  Kulturkreis  schon  in  der  Steinzeit 
sowohl  bei  der  Gefässdekoratioii  als  in  der  Plastik  eine  nicht  allzuseltene 
Erscheinung-  bildet1). 

Im  Kaukasus  kommt  es  nach  Morgan")  sehr  häufig  und  in  den  ver- 
schiedensten Variationen  vor.  Wir  sehen  es  hier  ebensowohl  an  Krügen 
und  Tellern,  als  auf  den  reichverzierten  Bronzegürteln,  an  Agraffen,  an 
Nadeln  usw. 

2.  Das  Hakenkreuz  ist  im  Kaukasus  relativ  selten.  Herr  Morgan 
fand  es  nur  dreimal,  und  zwar  zweimal  an  Nadeln  und  einmal  auf  einem 
Teller3),  doch  findet  es  sich  ebenfalls  im  nördlichen  Kaukasus4)  sowie  im 
südlichen  Russland8).     Die  Arme  sind  an  den  kaukasischen  Stücken  immer 

nach  1.  gestellt  r~  niemals  umgekehrt  '  1  i  wie  z.  B.  auf  manchen  troja- 
nischen Spinn  wirt  ein6). 

Über  die  Wanderung  der  Swastika  in  der  alten  Welt  hat  Gobles 
d'Alviella7)  eingehende  Untersuchungen  angestellt,  auf  die  ich  hier  hin- 
weisen kann.  Nach  ihm  erscheint  sie  noch  lange  vor  dem  XIII.  Jahrhundert 
in  der  Troas,  dann  im  XIII.  oder  XII.  Jahrhundert  in  den  Terramaren 
und  im  mykenäischen  Kulturkreise,  in  den  es  von  Norden  her  gelangt. 
Aus  letzterem  soll  sie  dann  im  XL  und  den  folgenden  Jahrhunderten 
östlich  nach  Lykaonien  und  dem  Kaukasus,  und  von  diesem  im  IV.  oder 
III.  Jahrhundert    weiter  nach  Tibet,    China  bis  Japan  fortgepflanzt  sein8). 

Von  Wichtigkeit  bei  dieser  Darstellung  ist  besonders  die  nordische 
(europäisch-troische)  Herkunft  der  Swastika  im  Mykenä  Kulturkreise. 
Ist  diese  Auffassung  zutreffend,  so  würde  die  Ausbreitung  der  Swastika 
mit  dem  Einbruch  der  indogermanischen  Gräco-Italiker  nach  Südeuropa 
und  der  stammverwandten  kimmerisch-thrakischen  Völker  nach  Asien  in 
Zusammenhang  stehen. 

3.  S-Figuren  und  Doppelvoluten.  Auch  dieses  Zeichen  scheint  nach 
der  Art  des  Auftretens  eine  symbolische  Bedeutung  besessen  zu  haben, 
wenn  auch  diese  selbst  noch  nicht  ganz  klar  ist.  Von  Haus  aus  gleicht 
das  Zeichen,  wie  Herr  Hörn  es  bemerkt,  einer  am  Boden  sich  bäumenden, 


1)  Z.  B.  An  einer  Tonfigur  v.  Cucutcni  b.  Jassy,  abgeb.  bei  Hörn  es:  Urg.  d.  b.  K.,  S.  211, 
Fig.  12.  An  einer  Tonfigur  vom  Laibacher  Moor,  abgeb.  b.  Hörnes:  Urg.  d.  bild.  K.,  S.  237, 
Vig.  65  ii.  66.  Auf  einem  Torso  von  Butmir  (Bosnien),  abgeb.  b.  Hörnes:  Butmir,  Taf.  IT, 
Fi^.  IL  An  Tongefässen  u.  Topfscherben  v.  Laibachcr  Moor,  abgeb.  b.  Hörnes:  Urg.  der 
bild.  K,  Taf.  VII,  Fig.  1,  2,  4,  5.  -  2)  Taf.  I,  S.  159;  Virchow:  Taf.  II,  III  u.  a.  — 
•">)  Morgan:  a.  a.  0.  —  4)  Führ.  d.  d.  bist.  Mus.  in  Moskau,  1IIS..">1.  —  5)  Z.  B.  eine  Bronze- 
swastika  v.  Schikaroj  am  1.  Ufer  des  Schar-Argun  (s.  Zcitschr.  f.  Eth.  1887,  S.  159,  Fig.  2. 
S.  a.  Verhandl.  1901,  S.  140,  Fig.  &9.  -  6)Schliemann:  Troja,  S.  132f.  —  7)  La  Migra- 
tion des  symbolcs,  Paris  1891,  Taf.  III.  —  8)  Herr  Max  Nabe  (Wissensch.  Beil.  der  Leipz. 
Zeitg.  1Ü03,  No.  67)  hat  in  seinem  Aufsatz  über  die  steinzeitliche  Station  von  Eutritsch- 
Wieterisch  angegeben,  dass  unter  den  Ornamenten  der  dort  gefundenen  Tonscherben  auch 
das  Hakenkreuz  vorkomme.  Dies  beruht,  jedoch,  wie  ich  mich  durch  Augenschein  über- 
zeugen  konnte,  auf  einem  Irrtum.  Es  handelt  sich  hier  vielmehr  um  ein  einfaches  stehen- 
des Kreuz,  dessen  vier  Balken  vom  Centrum  nach  der  Peripherie  zu  sich  etwas  verbreitern 
und  an  ihrem  freien  Ende  durch  einen  dünnen  Querstrich  abgeschlossen  sind  »i*:  die 
Kreuze    und  eingefurcht  und  mit  weisser  Masse  ausgefüllt. 


—     87     — 

von  oben  betrachteten  Schlange1).  Tatsächlich  kommt  es  in  dieser  Form 
mit  deutlich  ausgeprägtem  Köpft;  am  Boden  eines  kaukasischen  Grefässee 
von  Besinghy  vor"),  wie  ja  überhaupt  Darstellungen  von  Schlangen  ein 
beliebtes  Ornamentmotiv  sowohl  der  Keramik  als  der  Bronzekunst  der 
Kaukasusläuder  bilden''')  (Fig.  114).  Daneben  finden  sich  aber  auch  eigentliche 
S-förmige  Figuren  oder  Doppelspiralen  nicht  selten,  so  an  einer  Gürtel*- 
agraffe  ans  Koban*),  an  den  Schulterblättern  oder  dem  Bauche  von  bronzenen 
Menschenfiguren    aus  Kasbek6),    auf  Bronzegürteln6),    auf  (iefässon7)  usw. 


Fi-   112. 


Fiff.113. 


Fig.  111. 


Fi: 


Fig.  112.     Eiserner  Dolch  aus  Koban.     .Morgan,  S.  182,  Fig.  209,  1.) 
Fig.   L13.     Dolchgriff  von  Hallstatt.     (Nach  v.  Sacken,  Taf.  VT,  Fig.  7.1 
11  I.     Napf  mit  Schlangonfigur.  P-esinghy:  •/-  nat  Gr.     (Verhdl.  1890,  S.  151,  Fig.  58.) 


Audi  dieses  Zeichen  findet  sich  im  Westen  des  Schwarzen  Meeres 
bereits  sehr  frühzeitig,  so  an  einer  bulgarischen  weiblichen  Tonfigur,  die 
wohl  dem  Ende  der  Stein-  oder  dem  Beginn  der  Metallzeit  zu- 
geschrieben werden  niuss8).  Wir  finden  sie  ferner  auf  altitalischen  Ge- 
fässen9)  und  endlich  lüsst  sie  sich  auch  im  Norden  verschiedentlich  nach- 
weisen10). Besonders  interessant  aus  diesem  Gebiete  ist  ein  steinerner 
Axthammer  von  Schlicht  bei  Feldberg  in  Mecklenburg-Strelitz,  dessen 
obere  Fläche  in  schwachem  Relief  zwei  komplementäre  Doppelhaken  in 
zwei  diagonal  liegenden  Quadranten  zeigt.  Herr  Olshausen  glaubt  in 
diesem  Zeichen  eine  Figur  des  Blitzes  zu  erkennen  und  hält  daher  das 
Gera!  für  ein  Symbol  'Thors.     (Fig.  115  und  116.) 

Email   en  champ-leve. 
lauen  der  interessantesten  Züge   *\cr  kaukasischen  Ornamentik  bildet 
neben  der  einfachen   Inkrustation  der  Bronzen  mit   Fasen,  die  wohl  bisher 

l  i  Urgesch.  d.  bild.  Kunst,  S.345.  —  2)  Verhandl.  1890,  S.451,  Fig.50.—  3)  Virchow: 
Kult.  St.  d.  K.,  Taf.  I,  No.  2  und  Verhandl.  18i)0,  S.  155  .  .  .  :  Chantre:  a.  a.  0.,  PI.  VI, 
Fig.  1  (Gürtela«; ratio  von  Kuinunta),  s. Armbänder  mit  Schlangenköpfen.  Morgan:  S.  L13, 
Fig.  76,  Schlangenköpfe  als  Armbandenden.  -  F  Morgan:  Taf.  I,  S.  184,  Fig.  211.  — 
5)  Führ.  iL  tl.  last.  Mus.  in  Moskau,  S.  66,  No.  1837—38,  —  6)  Virchow:  a.a.O.  — 
7)  Verhandl.  1901,  S.  L35,  Fig. 55.  —  8)  Börnes:  a.a.  0.,Taf.  III,  Fig.  1  und  2.—  9)  Mon. 
am.  Acc.  I. im-.  IV.  S. 232f,  Fig.  103.  —  n>)  Verhandl.  1886,  S,  •.'Mit'.,  bes.  Figur  auf  S.288. 


—     88    — 

nur  im  Kaukasus  beebachtet  worden  ist.  das  Email  en  champ-leve1) 
das  neben  der  orievrerie  cloisonne  im  Abendlande  bekanntlich  erst  in 
der  Völkerwanderunerszeit  als  eine  »anz  neue,  dem  Orient  entlehnte  Art 
der  Dekorierung-  erscheint.  Aber  auch  diese  «lern  Kaukasus  eigentümliche 
Kunst  oder  wenigstens  das  dabei  zur  Anwendung  gelangte  Prinzip  scheint 
in  seinen  ersten  Anfängen  auf  abendländische  Einflüsse  zurückzuführen. 
Emaillierte  Metallgegenstände  finden  sich  im  südlichen  Russland  und 
namentlich  in  der  Krim  nicht  allzu  selten ')  und  wenn  auch  bei  den 
meisten  von  ihnen  eine  genauere  chronologische  Bestimmung  noch  nicht 
angängig  erscheint,  so  dürften  sie  nach  den  sonst  mit  ihnen  zusammen 
gefundenen  Altertümern  zu  urteilen,  doch  wohl  bis  zur  Mitte  des  ersten  vor- 
christlichen Jahrtausends,  teilweise  vielleicht  auch  in  noch  frühere  Perioden 
zurückreichen.  Eine  grössere  Emailperle  mit  rothem  Email  hat  auch  die 
fast  unerschöpfliche  Fundstelle  von  Velem  St.  Yeit  in  Ungarn  geliefert ; 
nach  den  gleichzeitig  abgebildeten  Fibeln  gehört  sie  der  Hallstattzeit  an8). 
Weit  wichtiger  aber  als  diese  vereinzelten  Funde  erscheint  mir  der 
Umstand,  dass  man  auch  bereits  in  der  ältesten  nordischen  Bronze- 
kunst ein  dem  Kubanischen  ganz  analoges  Verfahren  kannte,  die 
glänzenden  Bronzegeräte  durch  farbige  Einlagen  in  wirksamer  Weise  zu 
dekorieren,  eine  Kunst,  die  ihrem  Wesen  nach  völlig  der  kaukasischen 
Emaillierung  entspricht4).  Denn  das  Prinzip  der  Ornamentik  en  champ- 
leve  besteht  ja  in  der  Herstellung  grubenförrniger  Vertiefungen,  die  mit 
irgend  einer  andersfarbigen  Masse  ausgefüllt  werden.  Nur  in  dem  Stoff, 
den  man  zur  Einlage  benutzte,  unterscheidet  sich  die  nordische  Kunst  von 
der  kaukasischen.  Jene  beschränkte  sich  auf  eine  einfache,  leicht  her- 
stellbare Harzmasse,  die  aus  Harz,  Birkenrinde  und  Bernstein  bestand. 
Die  kaukasischen  Bronzekünstler  dagegen  hatten  sich  bereits  zu  der  un- 
gleich schwierigeren  Technik  emporgearbeitet,  die  vertieften  Felder  mit 
einer  farbigen  Glasmasse  zu  füllen.  Bevor  sie  zu  dieser  höheren  Stufe  der 
Kunstfertigkeit  gelangten,  werden  wohl  auch  sie  sich  mit  leichter  herstell- 
baren  Einlagen  beholfen  haben. 

Plastische  Kunst. 
Aus  der  plastischen  Kunst  haben  die  im  Kaukasus  sehr  ver- 
breiteten Phallusfiguren  ihre  Analogien  im  Abendlande.  Als  Beispiel 
hierfür  gebe  ich  eine  Abbildung  von  zwei  solchen  Figürchen,  die  ich 
gelegentlich  meiner  ersten  kaukasischen  Reise  in  Titlis  erworben  habe, 
von  denen  ich  jedoch  den  Fundort  nicht  anzugeben  vermag.  Ganz  ähnliche 
Stücke  habe  ich  sowrohl  im  historischen  Museum  in  .Moskau  als  in  Tiftis 
gesehen0).  Beide  Figuren  sind  sehr  roh  ausgeführt,  der  Kopf  ist  hoch 
und  von  vorn  nach  hinten  abgeplattet,  das  Gesicht  schmal,  Nase  und  Kinn 
stark   prominierend,  die  Augen  nur  angedeutet.     Der  Körper  ist  platt  und 

1)  Virchow,  Da-  Gräberfeld  von  Koban.  S.  7  1:  Dber  d.  Kuli.  St.  des  Kauk.,  S.  8. 
—  2)  Führer  d.  d.  histor.  Museum  in  Moskau,  III,  Nr.  L121,  ein  ä  jour  durchbrochenes 
Bronzebeil  mit  rotem  Email.  —  o)  Mitt.  der  Anthrop.  Ges.  in  Wien  1897,  Nr.  I,  S.  (74), 
Kg.  11.  —  I)  Soph.  Müller.  Nordisch.  Alt.  I,  S.  -_'7o.  -  ."»  Führer  d.d.  histor.  Museum 
in  Moskau,  III,  Nr.  1211—121(5.   (Abgüsse  im  Museum  in  Moskau). 


—     89 


Fi-    115. 


Piff.  117 


Fiff.  118. 


Fig.  in; 


Fiff.' 119. 


Fiff.  120. 


Fig.  115.    Gürtelagraffe,  mit  Eisen  inkrustiert,  Koban.    (Morgan,  S.  184,  Fig.  211.) 

Fig.  HC.    Hammeraxt  von  Schlicht  bei  Feldberg.      Verhdl.  L886,  S.  288. 

Fig.117.     Bronzefjgnr  ans  Dänemark:      , nat.  Gr.     Ei  rnes,  (Jrg.  d.  b.  K.,  S.  169,  Fig.  147.) 

Fig.  HS.    Altitalische  Bronzefigur  ans  Cupra  marittima;  "  ,  nat.  Gr. 

(Hörnos,  l  rg.  d.  büd.  K..  S.  [68,  Fig.  i  15. 

Fig.  L19  u.  120.    Bronzefiguren  ans  Tiflis.    (Eigene  Sammlung] 


—     90     — 

noch  schmäler  als  der  Hals:  etwas  unterhalb  der  Mitte  springt  vorn  ein 
konischer  Phallus  und  hinten  ein  ähnlich  geformter  etwas  längerer  Gruss- 
zapfen hervor.  Die  Beine  sind  nur  hinten  angedeutet.  Der  linke  Arm 
ist  im  Ellbogen  rechtwinklig-  gebeugt  und  vorgestreckt,  die  Hand  durch 
eine  Verbreiterung  des  Vorderarmes  und  an  der  Volarseite  durch  eine 
kleine  Vertiefung  angedeutet.  Der  rechte  Vorderarm  ist  senkrecht  er- 
hoben, die  Hand  hält  einen  plumpen  und  breiten,  etwas  nach  abwärts 
gerichteten  Gegenstand,  der  wohl  als  Opferbeil  oder  Opfermesser  zu  deuten 
ist.  Die  Figur  steht  auf  einem  kleinen  Bronzeblock.  Bemerkenswert  ist 
noch  bei  beiden  Figuren  der  Helm.  Bei  der  ersten  trägt  dieser  wie  ge- 
wisse italische  Helme1)  in  der  Mitte  einen  niedrigen,  bogenförmigen 
Kamm  und  zwei  hohe  bogenförmige  Hörner,  ähnlich  wie  bei  den  auf  einer 
Mykenävase  dargestellten  Kriegern"),  einer  Schardanafigur  von  Sizilien3)  und 
der  Helmdarstellung  auf  einer  Bronzeciste  von  Matrei  und  ganz  ent- 
sprechend der  Besclrreibung.  die  Herodot  von  den  chalybisehen  Helmen 
liefert4).  Der  Helm  der  anderen  Figur  hat  einen  hohen  dreieckigen 
Kamm,  der  in  eine  hohe  zapfenartige  Spitze  ausläuft  (Fig.  119  u.  120.) 

Als  Gegenstück  zur  ersten  Figur  gebe  ich  die  Abbildung  einer  aus 
Dänemark  stammenden  Bronzefigur,  die  bei  der  Auffindung  in  der  jetzt 
fehlenden  rechten  Hand  ein  Beil  oder  einen  Hammer  trug.  Sie  befand 
sich,  wie  die  in  unserer  Abbildung  nicht  wiedergegebenen  Beste  einer 
Basis  zeigen,  ursprünglich  an  einem  Gerät  und  ist  knieend  dargestellt. 
Hierdurch  und  durch  die  sorgfältigere  Behandlung  der  Hand,  des  Gesichts. 
einzelner  Schmuck-  und  Kleidungsstücke  unterscheidet  sie  sich  etwas  von 
den  kaukasischen  Figürchen,  denen  sie  im  übrigen,  namentlich  bei  Be- 
trachtung von  hinten,  sehr  ähnlich  ist.     (Fig.   117.) 

Für  die  zweite  kaukasische  Bronze  kann  eine  aus  der  Gusswerkstätte 
von  Maria  Csaläd,  Neutraer  Comit.,  stammende  Figur  zum  Vergleich  heran- 
gezogen werden.  Auch  sie  ist  sehr  roh  und  plump.  Der  Kopf  ist  niedrig, 
das  Gesicht  breit,  die  Ohren  als  lappenförmige  Ansätze,  die  Augen  als 
konzentrische  Kreise  augedeutet.  Der  rechte  Arm  ist  ganz  ähnlich  wie 
bei  unserer  Figur  erhoben,  aber  die  Hand  hält  weder  ein  Beil,  noch  einen 
Dolch  oder  ähnliches.  Trotzdem  müssen  wir  annehmen,  dass  diese  Stellung 
des  Armes  eine  ganz  bestimmte  Bedeutung  hatte.  Die  linke  Hand  greift 
nach  dem  Gliede,  unter  dem  die  Hoden  als  kleine  Kugeln  angedeutet 
sind6). 

Ein  ähnliches  Stück"),  das  seinerseits  wieder  sehr  an  eine  Yulvarigur  von 
Zastrow7)  erinnert,  ist  bei  Thorn  inWestpreusseu  gefunden  worden.  Der  Kopf 
ist  rundlich,  die  Augen  sind  lang  geschlitzt,  die  Nase  stark  vorspringend. 
Die  breiten  und  (lachen  Arme  sind  henkelartig  gebogen,  die  grossen 
Hände  auf  den  oberen  'Feil  des  Bauches  aufgelegt.  Die  männlichen  Ge- 
schlechtsteile sind  deutlich  erkennbar,  die  Knie  leicht  gebogen,  die  Füsse 
nach   vorn  gewandt. 

1)  HÖrnes,  Urgesch.  d.  bild.  Kunst,  S.  U8  u.  L'l.  —  2)  Sckliemann,  Mykena, 
S.  153,  Nr.  213.  —  3)  Hörnes,  Urgescb.  d.  Menschen,  S.  203.  —  I  Herodot,  VII  TG. 
—  ö)  Hampel,  Alt.  d.  Bronzezeit  in  U.  LXIX.  Fig.  I  a  u.  1>.  —  6)  Arch.  fürAnthrop.  XXI. 
S.  69,  Fig.  66.  -     7)  Hörnes,  Urg.  d.  b.  K..  S.  164,  Fig.  139. 


—     91     — 

Ans  Italien  erwähne  ich  < - i 1 1 < •  der  Czalader  Figur  Behr  ähnliche 
Statuette  von  Sau  Francesco  bei  Bologna1),  sowie  mehrere  phallische 
Figuren  aus  der  Nähe  von  Este"),  «li«-  neben  bekleideten  and  bewaffneten 
Figuren  in  dem  Qeiligtum  «los  Fondo  Baratela  gefunden  wurden.  Als 
Anhängsel  trifft  man  sie  im  westlichen  Europa,  hier  allerdings  erst  im 
Beginne  der  La  Tenezeit,  so  ein  phallisches  und  bärtiges  Bronzefigürchen 
ans  Lunckhofen  im  Aargau.  das  zusammen  mit  einem  ganz  ähnlichen 
Frauenfigürchen  aus  einem  Früh  -  Tenezeitlichen  Tumulus  gewonnen 
wurde3).  Hieran  schliesst  sich  ein  aus  Domevre  en  Haye,  Lothringen, 
stammendes  bronzenes  l'hallusfigiirchen.  «las  auf  <ler  Ibust  eines  Skelettes4 
lag,  und  endlich  ein  phallisches  Bronzemännchen  von  Saient-Jean-sur- 
Tourbe  in  der  Champagne,  «las  mittelst  eines  am  Rücken  angebrachten 
Tragringes  neben  anderen  Amuletten    an    einem  Armring  befestigt  war6). 

Auch  die  eigentlichen  Beilträger  sind  nach  Börnes  ithyphallisch 6). 
..In  den  schwedischen  Felsenzeichnungen  der  Bronzezeit  finden  sich  Beil- 
darstellungen teils  isoliert,  teils  in  Verbindung  mit  einer  ithyphallischen 
.Menschengestalt,  welche  dasselbe  mit  beiden  Armen  hält,  aber  so  klein 
gezeichnet  ist,  dass  man  das  Beil  als  Hauptsache,  als  Heiliges,  hier  wie 
eine  Standarte  getragenes  Zeichen  erkennt."  l)a>  Gegenstück  zu  dieser 
Felsenzeichnung  bildet  eine  auf  dem  bekannten  Judenburger  Wagen 
■dargestellte  Figur.  Hier  erscheint  hinter  einem  von  zwei  nackten 
Menschen  festgehaltenen  Hirsch  ein  nackter  ithyphallischer  Mann  mit  ge- 
schwungenem Beile,  offenbar  im  Begriff,  das  Tier  zu  opfern7).  Endlich 
verweise  ich  noch  auf  eine  sehr  roh  ausgeführte  Bronzestatuette  von  Cupra 
marittima,  die  durch  die  Stellung  des  Körpers  und  den  mit  hohem  dreieckigen 
Kamme  gekrönten  Helm  einigermassen  unserem  zweiten  kaukasischen 
Figürchen  gleicht.  Der  rechte  Arm  ist,  wie  bei  den  kaukasischen  Figuren 
der  linke,  rechtwinklig  gebogen,  doch  hält  hier  die  Hand  «'im-  Schale, 
während  die  linke  Hand  ein  Beil  trägt.    (Fig.  118.) 

Antimon. 

Bis  vor  wenigen  Jahrzehnten  glaubte  man  ganz  allgemein,  dass  «las 
regulinische  Antimon  erst  im  Mittelalter  bekannt  geworden  sei  und  «las 
ganze  Altertum  davon  nichts  gewusst  habe.  Nur  eine  Schwefelverbindung 
war  bekannt,  «li«-  von  den  alten  Ägyptern  als  Schminke  benutzt  und  zum 
Färben  der  Augenlider  verwandt  wurde.  Um  SO  überraschender  war  es, 
als  man  zuerst  in  dem  Gräberfeld  von  Redkinlager*  südlich  von  Tiflis 
eine   Anzahl   von  Schmuckstücken    aus   reinem   Antimon   fand,    denen    sich 


J)  Montelius,    Civ.  prim.  I,  Taf.  70,  Fig.  L5.  —    -    Not  tl.  Scavi  L887,    Tat'.  VII, 
Fig.  II,  -Jl  u.  Taf.  VIII,   Fig.  t-3.  —  3)  Rcinach,    La  Sculpture,    S.  84,    Fig.  272. 
i)   Reinach,   a.  a.  0.,   S.  86,   Fig.  276,  —   5)  Reinach,   a.  a.  0.    S.  83,    Fig.  263.    — 
6)  Börnes,  ürgesch.  d.  bild.  Kunst,  S.   167 ff.  —  7    Hörnes,  Ebenda  Tafel  VIII. 

*)  Noch  Herr  Morgan  zweifelt  daran  und  sagl  (a.a.O.  I  II  :  Encitantdes  parurcs 
d'antimoine,  Bayern    a  commis  probablement    une   erreur,    car  j'ai   rencontree  moi-meme 
dans  des  sepultures  de  la  meme  epoque  des  objets  scmblables  a  ceui  <[u"il  cite,  el 
ma  demontre  qu'ils  etaienl    en  plomb,    mais    que  ce  metal  s'elait,  ä   longue,   entierement 
transformü  en  oxyde. 


—     92     — 

dann  später  noch  Funde  aus  anderen  Nekropolen  Transkaukasieus *),  sowie 
aus  dem  nördlichen  Kaukasus,  insbesondere  aus  Koban2),  anreihten. 
Schliesslich  wurden  auch  noch  in  Tello3),  einer  der  ältesten  Städte  Baby- 
loniens,  Bruchstücke  von  einem  Antimongefässe  aufgefunden.  Doch  steht 
dieses  Stück  bisher  vereinzelt  da  und  ebensowenig  waren  bis  vor  kurzem 
aus  anderen  Gebieten  prähistorische  Geräte  aus  Antimon  oder  Legierungen 
ans  solchem  bekannt  geworden. 

Von  um  so  grösserem  Interesse  erscheint  es,  dass  neuerdings  auch  im 
Abendlande  das  Antimon  in  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  nachgewiesen 
worden  ist.  hier  freilich  bisher  nur  in  Legierungen.  An  westpreussischen 
Fundobjekten  hatte  Herr  Helm  in  zehn  Fällen  einen  z.  T.  sehr  beträcht- 
lichen Antimongehalt  festgestellt4).  Ferner  wurde  in  einem  Grabe  bei 
Zirnitz  in  Krain  ein  kleiner  Metallkrug  gefunden,  der  aus  einer  Mischung 
von  Antimon  mit  etwa  10  pCt.  Zinn  bestand6).  In  ungarischen  Stücken 
fand  zuerst  Herr  Loczka  eine  Anzahl  von  Antimonbronzen,  sodass  Herr 
Hampel  auf  Grund  dieser  Beobachtung  schon  in  seinen  „Neuen  Studien 
über  die  Kupferzeit'''  die  Ansicht  aussprach,  dass  in  Ungarn  und  vielleicht 
auch  anderwärts  als  Vorläufer  der  Bronze  die  Antimonmischung'  eine 
gewisse  Rolle  spiele").  Neuerdings  hat  schliesslich  Herr  Helm  bei  einer 
grossen  Reihe  von  Funden,  namentlich  in  Bvonzegussklumpen  von  Velem 
St.  Yeit  einen  teilweise  sehr  bedeutenden  Antimongehalt  festgestellt,  der 
bei  einzelnen  Stücken  bis  über  18  pCt.  beträgt7).  Ob  die  ungarischen 
und  siebenbürgischen  Metallkünstler  das  reine  Metall  gekannt  oder  ob  sie 
ihre  Legierungen  nur  durch  Zusatz  von  Antimonerzen  (Fahlerz)  her- 
gestellt haben,  lässt  sich  allerdings  aus  den  bisherigen  Beobachtungen 
noch  nicht  mit  Sicherheit  sagen,  da  Schmuckstücke  aus  regulärein  Antimon, 
wie  wir  sie  aus  dem  Kaukasus  kennen,  in  Ungarn  bisher  noch  nicht  ge- 
funden worden  sind.  Doch  hat  die  erste  Annahme  manches  für  sich,  und 
es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  das  Metall  durch  einen  Schmelzprozess 
aus  dem  Schwefel-Antimon  mit  der  in  Ungarn  in  grosser  Menge  an  der 
Boden oberfläehe  vorkommenden  Soda  und  Kohle  dargestellt  wurde.  Aber 
auch  wenn  diese  Annahme  nicht  richtig  ist,  wenn  man  das  regulinische 
Metall  selbst  noch  nicht  rein  darzustellen  vermochte,  so  bleibt  doch  die 
Tatsache  bestehen,  dass  die  ungarischen  Metallurgen  die  Antimonerze 
kannten  und  sie  zur  Herstellung  von  Metallmischungen  von  grösserer 
Härte,  als  sie  das  Kupfer  besitzt,  zu  verwerten  verstanden.  Diese  Tat- 
sache erscheint  um  so  wichtiger,  als  Antimon  oder  Legierungen  davon 
ausser  bei  den  oben  erwähnten  westpreussischen  Stücken,  die  vielleicht 
importiert  oder  wenigstens  aus  importierter  Antimonbronze  hergestellt  sind. 
in  grösseren  Mengen  bisher  nur  in  Ungarn  und  im  Kaukasus  haben  nach- 
gewiesen  werden   können. 


I  Verhdl.  L898,  S.  llo:  130  u.  a.  —  2)  Virchow,  Das  Gräberfeld  von  Koban.  — 
.".,  Börnes,  Drgcsch.  d  Menschen,  S.  31.  —  4)  Hampel,  Neuere  Stud.  über  die  Kupfer- 
zeit, Zeitschr.  f.  Eth.  1896,  S.  85.  —  5)  Helm,  Verlidl.  L900,  S.  365.  —  G)  a.  a.  0..  S.  91, 
1  'unkt  ß.  —  7)  a.  a.  0.  S.  359ff. 


—     93     — 

Dolmen. 

Bei  einer  \  ergleichirog  der  kaukasischen  Kultur  mir  westeuropäischen 
Formen  dürfen  wir  auch  die  Dolmen  nicht  vergessen,  jene  mächtigen 
Bauwerke,  die  man  als  Ruhestätte  für  die  Toten  errichtete.  Ihr  Ver- 
breitungsgebiet! zieht  sich  von  Skandinavien  über  Norddeutschland,  die 
Bretagne,  Portugal  bis  nach  Afrika,  doch  kommen  sie  auch  in  Palästina 
und  namentlich  Corsika  sehr  häufig  vor.  Im  Kaukasus  finden  sie  -ich 
nur  in  einem  schmalen  Gebiet  nördlich  und  südlich  vom  Elauptkamm x). 
Über  die  Beziehung  der  einzelnen  Dolmengebiete  zueinander  gehen  die 
Ansichten  weit  auseinander.  Während  Börnes  u.  a.  eine  selbständige 
Entstehung  dieser  megalithischen  Bauten  in  den  einzelnen  Gebieten  an- 
nehmen und  in  ihnen  nur  eine  (Jbergangsform  von  den  natürlichen  oder 
künstlichen  Grabgrotten  zu  den  mächtigen  unterirdischen  Steinkisten  er- 
blicken, sind  sie  von  anderer  Seite  einem  einzigen  Dohnen  Volke  zu- 
geschrieben worden,  das  sie  auf  seinen  Wanderzügen  nacheinander  er- 
richtete. Auch  über  die  Richtung  dieser  Wanderung  isi  man  geteilter 
Ansicht.  Bonstetten  lässt  das  Dolmenvolk  von  der  Malabarküste  über 
den  Kaukasus  nach  Europa  kommen,  in  der  Krim  sich  teilen  und  einer- 
seits die  Mittelmeerländer,  andererseits  die  nördlichen  Gebiete  Europas 
erreichen.  Den  entgegengesetzten  Weg  hatWorsaae  angenommen2)  und 
dies  ist  wohl  wahrscheinlicher,  da  die  nordischen  Dolmen  der  reinen 
Steinzeit  angehören,  während  die  südeuropäischen  und  kaukasischen  in 
die  Bronzezeit,  und  die  afrikanischen  ganz  in  die  Eisenzeit  fallen.  Be- 
merkenswert ist.  dass  nach  Morgan  die  grossen  Steinkistengräber  auf 
(\vn  älteren  Nekropolen  Ars  Kaukasus  in  ihrem  Bau  noch  sehr  deutlich 
an  die  Dolmen  erinnern  und  dass  sich  zwischen  diesen  und  jenen  alle 
möglichen  Obergangsstufen  in  fortlaufender  Reihe  verfolgen  lassen.  Dies 
gilt  insbesondere  von  den  Steingräbern  von  Lelwar  und  noch  mehr  von 
Etedkinlager,  wo  der  Tote  nicht  von  oben  in  das  Grab  gelegt,  sondern 
von  einer  Stirnseite,  die  zu  diesem  Zwecke  offen  gelassen  und  erst  nach- 
träglich zugemauert  wurde,  hineingeschoben  ward.  Die  mächtigen  Stein- 
platten, mit  denen  diese  Steinkisten  eingedeckt  waren,  stehen  an  Grösse 
und  Gewicht  kaum  hinter  den  Deckplatten  uuserer  nordischen  megalithi- 
schen Grabbauten  zurück. 

Was  die  An  und  Weise  der  Beisetzung  im  Kaukasus  anlangt,  so 
wurden  die  Toten  meist  auf  die  linke  Seite  mit  angezogenen  Beinen  und 
über  die  Brust  gekreuzten  Armen  in  das  Grab  gelegt.  Diese  „liegenden 
Hocker"  findet  man  bekanntlich  auch  in  Mitteleuropa  am  Ausgange 
der  Steinzeit  und  in  der  älteren  Bronzezeit,  soweit  hier  nicht  schon 
Leichenbrand  üblich  war.  ziemlich  häufig*).  Dagegen  kommen  „sitzende 
Hocker-,  die  man  hei  uns  in  neolithischen  Gräbern  sehr  oft  antrifft6), 
im  Kaukasus  verhältnismässig  selten  und  meist  wohl  nur  dann  vor.  wenn 
der    Tote    in    einem    grossen    Gefässe     beigesetzt    wurde6),     die     Raum- 


1    Morgan  a.a.O. T.I,  S.  L90,  pl.  IV.  —  2}  Hüne-,  ürgesch.  d.  Mensch.,  S.305f. 

—  3)  Morgan  a.  a.  0, 1)  /..  B.  Lengyel  in  Ungarn;  Börnes,  Urgesch.  des  Mensch., 

S.  278.  —  5)  Hornes,  a.  a.  0.,  S.  307.    -    (i     Morgan,  a.  a.  0.,   I.  I  n.  VerhdL  L898, 
S.  .">1T.  Fig.  26  (Kala  Tapa.  Transkaukasien\ 


—     94     — 

beschränkung  also  diese  Stellung  bedingte.  Doch  finden  sie  sich  zuweilen 
auch  in  einfachen  Steinkistengräbern,  so  in  (Jülaplü1)  und  Helenen- 
dorf ~)  u.  a. 

Rassenzugehörigkeit. 
Was  schliesslich  die  Rassenzugehörigkeit  der  prähistorischen  Kaukasier 
anlangt,  so  sind  nach  Virchow  die  von  ihm  untersuchten  Schädel  von 
Koban  vorwiegend  dolicho-  oder  mesokephal,  wie  sie  dem  geläufigen 
arischen  Typus  entsprechen3)  und  in  gleicher  Form  auf  dem  älteren 
(u-äberfelde  von  Lengyel4)  in  den  kupferzeitlichen  Pfahlbauten 
des  Laibacher  Moor6),  in  den  steinzeitlichen  Gräbern  Böhmens6), 
den  megalithischen  Grabstätten  Pommerns7),  den  Kiesenstuben  Dänemarks8) 
und  Skandinaviens9),  im  Westen  in  den  neolithischen  Gräberfeldern  am 
Hinkelstein10),  vom  Rhein  gewann11)  bei  Worms112)  und  vielen  anderen  west- 
und  mitteldeutschen  Stationen  vorkommen.  Zu  dem  gleichen  Resultate 
sind  für  andere  nordkaukasische  stein-  (?)  und  bronzezeitliche  Gräber- 
felder Pantüchow13)  und  Iwanowski14)  gelangt,  der  durch  seine 
Messungen  folgende  Schädelindices  ermittelte: 

Zahl  der  Schädel.  Ort.  Mittl.  Index. 

4  Rutcha  71,2 

-I  Kamuntii  72,2 

3  Saclalysk  Nr.  4                                        74,0 

J  Sadalysk  Nr.  3                                        80,5 

20  Gegend  von  Pjätigorsk  75.8 

10  Dargews  81,3 

Doch  fanden  sich  bei  den  einzelnen  Exemplaren  sehr  grosse  Schwan- 
kungen von  66 — 88.  Nach  Topinard  waren  diese  nordkaukasischen 
Dolichocephalen  blond. 

Im  Gegensatze  zu  den  Gräberfeldern  im  Norden  des  Kaukasus  weisen 
die  Nekropolen  Transkaukasiens  vorwiegend  brachyeephale  Schädelformen 
auf,  obwohl  auch  dort  dolicho-  oder  mesokephale  Schädel  von  arischer 
Form  keineswegs  fehlen15).  Ganz  besonders  scheint  nach  Pantüchow 
Brachycephalie  unter  den  prähistorischen  Anwohnern  des  Kaspischen  Meeres 
vorzukommen. 

Dieses  Vorherrschen  arischer  Schädelformen  im  Norden  des  Kaukasus 
und  brachycephaler  Typen  im  Süden  würde  für  die  Beurteilung  der 
Richtung,  in  welcher  die  arische  Wanderung  erfolgte,  von  grösster  Be- 
deutung sein,  wenn  das  vorliegende  Gräbermaterial  eine  einigermassen 
genaue  Datierung  der  untersuchten  Cranien  gestattete.    Da  sich  aber  nicht 


1)  Verhdlg.  L869,  S.  398.  —  2j  Verbal.  1901,  S-  101;  106;  110;  lls.  —  3)  Virchow, 
Koban,  S.  17:  Verhandl.  L883,  S.  339;  Über  die  kult.  Stellung  des  Kaukasus,  S.  4.  — 
I  Virchow,  Verhandl.  L890,  S.  L03  u.  L16.  -■  5)  v.  Luschan,  Mitteil.  d.  Anthrop. 
Ges.  in  Wien,  Bd.  X,  S.  301.  —  6)  Verhdl.  L889,  S.  106  u.  S.  790.  —  7)  Virchow, 
Corresp.-Bl.  L886,  S.  77.  —  8)  Soph.  Müller,  Nord.  Altert,  I,  S.  209.  —  9)  Hörnes, 
Urgesdi.  d.  Menschen,  8.  286  —  10)  Ebenda,  S.  308.  1 1 1  Verhdl  1895.  —  L2)Pantüchow, 
0.  Komükacb.  Sapisski  kawk.  ot.  imp.  Russk.  geogr.  obschtschestwa;  kn.  XYlIf,  81 — 128 
—  L3)  Iwanowskij,  Tscherepa  is  mogilnikow  Ossetii  Dn.  Ant.  ol  Lmp.  o.  1.  e.  Mos.  189] 
wüp.  V.  —  1  I)  X  i;  in  Samthrawo,  Schuscha,  n.  a.  Verhdlg,  L892,  b.  oben  Seite  7(i  „Feuer- 
steinsäge". 


95     — 

selten  auf  einem  und  demselben  Begräbnisplatze,  wie  beispielsweise  in 
der  oberen  und  unteren  Etage  von  Ssamthawro,  ganz  verschiedene  Schädel- 
typen linden  und  ausserdem  das  bisher  gesammelte  anthropologische 
Material  noch  ziemlich  unvollkommen  ist.  bo  erscheint  vorläufig  wenigstens 
noch  eine  gewisse  Zun'iekhaltunu"  geboten. 

Aus  diesen  zahlreichen  Parallelen,  die  sich  nicht  nur  auf  A.usserlich- 
keiteti  erstrecken,  sondern  bis  in  kleine  Einzelheiten  nachweisen  lassen, 
und  die  sich  insbesondere  auch  auf  gewisse  symbolische  Darstellungen  und 
diesen  zu  Grunde  liegende  religiöse  Anschauungen  und  Bräuche  beziehen1), 
geht  wohl  zweifellos  hervor,  d;iss  ursprünglich  eine  enge  Verbindung 
zwischen  <\>>v  donauländischen  und  di^v  kaukasischen  Kultursphäre  be- 
standen haben  niiiss  Freilich  wäre  es  ja  auch  denkbar,  dass  beide  Gebiete 
ihre  Kultur  aus  derselben  Quelle  geschöpft  hätten,  und  zwar  vor- 
zugsweise ans  der  Mykenekultur,  mit  der  beide  Kulturkreise  so  mancherlei 
gemeinsam  haben,  und  auf  die  insbesondere  die  rätselhaften  Tierzeich- 
nungen auf  den  transkaukasischen  Gürtelblechen  hinzuweisen  scheinen. 
Tatsächlich  ist  auch  von  verschiedenen  Prähistorikern  der  Versuch  ge- 
macht worden,  die  kaukasische  Metallkunst  aus  dem  Mykenekreise  herzu- 
leiten. Von  dort  aus  sollte  sie  sich  über  Kleinasien  nach  Armenien 
und  dann  weiter  über  den  Kamm  des  Kaukasus  in  die  Hochtäler  seines 
Nordhanges  ergossen  haben.  Aber  die  seit  Bayerns  grundlegenden 
Untersuchungen  erschlossenen  neuen  Gräberfelder  des  Kaukasus  haben 
so  viel  neues  Material  geliefert,  dass  trotz  der  Gleichheit  gewisser 
Formen  in  dem  Mykenäkreise  und  Kaukasien  eine  unmittelbare 
Abhängigkeit  »les  letzteren   von   ersterein   kaum  mehr  angenommen  werden 


l.  Hier  sei  auch  an  das  iranische  und  vcdische  A<jvamedhaopfer  erinnert.  Dass 
Pferde,  und  /war  wie  bei  den  Indo-lraniern  vorzugsweise  Schimmel  auch  bei  den  europä- 
ischen  Ariern,  und  namentlich  den  Germanen  und  Slaven  eine  sehr  wichtige  Rolle  spielten, 
ist  eine  längs!  bekannte,  von  alten  Historikern  vielfach  bezeugte  Tatsache.  Neu  isl  jedoch 
der  Nachweis,  dass  das  Pferdeopfer  im  nördlichen  Mitteleuropa  bereits  in  der 
jüngeren  Steinzeit  geübt  wurde.  Diese  für  die  Frage  des  Ursprungs  dieses  Kultus 
höchst  wichtige  Tatsache  ergibt  sieh  meines  Erachtens  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit 
aus  dem  Funde  bei  [ngestad  i.  Schonen,  wo  Sjögren  im  November  1900  ic  einem  dem 
Schlamme  der  Ulltorpsä  enthobenen  Schädel  eines  jungen  Pferdes  die  abgebrochene  untere 
Hälfte  eines  Feuersteindolches,  dessen  Spitze  genau  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Scheitel- 
beinen feststak,  vorfand.    (Globus  Bd.  LXXIX  S.  368  f.) 

Eine  andere  ebenfalls  sehr  interessante  und  auffallende  Übereinstimmung  indo- 
iranischer Anschauungen  mit  früheuropäischen  Kunden  zeigt  sieh  in  der  Verehrung  des 
Hundes,  „AVer  einen  Hund  tötet,  der  das  Vieh  hütet,  oder  einen,  der  aufs  Blut  geht, 
oder  einen,  der  zu  Kunststücken  abgerichtet  ist:  fürchterlicher  für  uns  und  grauenvoller 
gehl  dessen  Seele  hinüber  in  die  jenseitige  Well  als  ein  Wolf,  welcher  umherschleicht  in 
dem  grauenerregenden  tiefen  Walde",  so  lautet  es  in  Avesta  Vendidad  XIII,  8,  und  unter 
den  Vedendichtern  begegnen  wir  Namen  wie:  Qunahccpa,  Qunahpucha  und  Qunahhotra, 
Hundementula,  Hundeschwanz  und  Hundeopfer.  Zu  dieser  Heilighaltung  des  Hund 
den  asiatischen  Ariern  stimmt  Vorzüglich  die  liebevolle  Bestattung  von  Hunden,  die  man 
in  Mitteleuropa  sowohl  aus  der  Bronze-  als  der  neolithischen  Kulturperiode 
wiederholt  beobachtet  hat.  In  einem  Grabe  von  Gross-Czernosek  in  Böhmen  fand  Herr 
Kitter  von  Weinzierl  sogar  eine  Doppelbcstattung  von  Bunden,  die,  zärtlich  an  einander 
geschmiegt,  in  das  mit  einer  sorgfältigen  Steinsetzung  umgebene  Grab  gebettet  waren. 
(Mit*,  d.  Anth.  des.  in  Wien.    1897.    S.  Gl,  Fi{ 


—     96    — 

kann,  und  die  Ähnlichkeit,  die  in  mancher  Hinsicht  zwischen  beiden  Ge- 
bieten besteht,  wird  durch  ebensoviele  tiefeinschneidende  Differenzen 
wieder  aufgehoben.  Ja  selbst  die  soeben  erwähnten  transkaukasischen 
Tierdarstellungen,  die  Herr  Hernes  gleich  analogen  Erscheinungen  der 
mitteleuropäischen  Hallstattstufe  „in  stärkster  Anlehnung  an  griechische 
Arbeiten"  entstanden  sein  lässt1),  zeigen  trotz  der  nicht  zu  verkennenden 
Verwandtschaft  mit  der  mykenisierenden  Kunst  Kleinasiens  sowohl  in 
formaler  als  namentlich  in  gehaltlicher  Hinsicht  teilweise  recht  grosse 
Abweichungen,  sodass  man  zwar  eine  gewisse  Beeinflussung  der  bereits 
vorhandenen  transkaukasischen  Bronzekultur  durch  die  mykenische  wird 
annehmen  dürfen1'),  nicht  aber  eine  direkte  Entlehnung  ersterer  von  letzterer. 
Übrigens  fehlen  im  Süden  des  Kaukasus  alle  verbindenden  Zwisehen- 
sTationen  zwischen  der  Tröas  und  dem  Kuragebiete,  während  sich  im 
Norden  die  kaukasischen  Formen  fast  kontinuierlich  über  Kertsch  und 
die  Nordwestküste  des  Pontus  bis  zur  Donaumündung  verfolgen  lassen, 
da  wir  haben  sogar  in  einzelnen  steinzeitlicheu  Geräten,  wie  namentlich 
den  Steinbeilen  mit  Schaftrille  und  den  merkwürdigen  querschneidigen 
Pfeilen  sowie  den  sichelförmigen  Sägen,  vielleicht  auch  in  den  platten 
Pfeilen  mit  Widerhaken  und  den  scheibenartigen  Bernsteinperlen,  den 
beilförmigen  Anhängseln  und  den  Vogelfiguren  und  anderen  mehr,  Formen 
kennen  gelernt,  die  uns  noch  weit  über  das  Donaugebiet  hinaus  bis  in 
die  entlegenen  steinzeitlicheu  Provinzen  Norddeutschlands  und  Dänemarks 
hinführen. 

Dürfen  wir  nach  alledem  einen  ursprünglich  direkten  Zusammenhang 
zwischen  dem  donauländischen  und  dem  kaukasischen  Kulturkreise  an- 
nehmen, so  erhebt  sich  sofort  die  wichtige  Frage: 

Welche  von  beiden  Kulturen  war  die  ältere?  Ist  die  Kennt- 
nis der  Metallbearbeitung  vom  Kaukasus  nach  dem  Westen 
gelangt  oder  umgekehrt?  Die  meisten  der  oben  angeführten,  beiden 
geineinsam  Kulturgebieten  angehörenden  Altertümer,  besondersdie  Fibeln  und 
Nadeln,  erscheinen  im  Kaukasus  bereits  aisfertige  Typen.  „Nichts  von  kleinen, 
ue wissermassen  erst  im  Werden  begriffenen  Formen",  sagt  Virchow, 
„überall  schon  die  für  den  Gebrauch  hergestellten  Arten".  In  den  Donau- 
ländern dagegen  treffen  wir  sehr  häufig  auf  Formen,  die  sich  noch  voll- 
ständig an  die  früheren  Muster  aus  der  Steinzeit  anlehnen,  und  auch  die 
Fibel  erscheint  hier  in  ihrer  allereinfachsten  und  primitivsten  Gestalt.  In 
noch  höherem  Masse  tritt  uns  die  Priorität  der  donauländischen  Metall- 
kultur gegenüber  dem  Kaukasus  in  der  Verwendung  der  Spirale  entgegen. 
Schon  Virchow  hat  in  seinem  grossen  Werke  über  Koban  diese  Frage 
eingehend  erörtert,  konnte  aber  bei  den  damaligen  Kenntnissen  von  der 
Verbreitung  der  S|iiraldekoration  in  den  frühesten  vorgeschichtlichen 
Epochen   aocli  zu    keinem    bestimmten   Ergebnis    gelangen.     Heute  wissen 


1)  Hörnes:    Urg.  d.  bild.  Kunst.   S.  635. 

•_')  Im  Gegensatz  hierzu  hat  Virchow  in  seiner  Abhandlung  über  die  kulturgesch. 
Stellung  d.  Kauk.  die  völlige  Unabhängigkeil  der  transkaukasischen  von  der  südländischen 
Bronzekunst  betont,  wohl  aber  für  beide  eine  gemeinsame  Quelle  angenommen,  die 
irgendwo  in  Zentrala  ien  zu  suchen  sei. 


—     97     — 

wir  aus  den  Untersuchungen  der  neolithischen  Stationen  von  Butmir. 
Tordos,  Lengyel  u.  a.,  dass  das  Bpiralornament,  das  nach  Naue1)  in 
Ägypten  bis  in  die  erste  Hälfte  des  3.  J.T.  zurückreicht,  und  das  von  dort 
aus  schon  frühzeitig-  seine  Wanderung-  über  Kreta  nach  dem  europäischen 
Kontinent  angetreten  haben  soll,  in  den  Donauländern  bei  der  Tongefäss- 
dekoration  bereits  während  des  letzten  Abschnitts  der  jüngeren 
Steinzeit  eine  ausgedehnte  Verwendung  fand,  und  auch  „die  Entartung 
der  Spiraldekoration,  wie  sie  uns  in  der  Bogenbandverzierung  der  deutschen 
Bandkeramik  entgegentritt""),  ist  mit  Sicherheit  dem  vormetallischen  Zeit- 
alter zuzuschreiben.  Oder  sollte  vielleicht  gar  das  Verhältnis  umgekehrt 
sein,  und  die  in  den  Rheinlanden8]  und  namentlich  im  Harz-  und  Saale- 
gebiet*) so  häufig  vorkommenden,  teilweise  sehr  primitiven  S|>iraloiden- 
Figuren  nicht  sowohl  das  Ziel,  als  vielmehr  den  Ausgangspunkt  der  Wan- 
derung des  Spiralornamentes  bezeichnen,  das,  je  weiter  es  auf  seinem 
Wege  nach  Osten  und  Süden  vordringt,  umso  mannigfaltiger  und  voll- 
kommener entwickelt  und  ausgestaltet  wird?  Reicht  doch  in  West- 
Europa  das  Spiralornament  sogar  bis  in  die  späteren  Perioden  der  älteren 
Steinzeit  zurück5),  und  wenn  es  auch  vermessen  wäre,  jetzt  schon  die 
neolithische  aus  der  paläolithischen  Spiraldekoration  herleiten  zu  wellen. 
so  wird  man  doch  die  Möglichkeit  eines  genetischen  Zusammenhanges 
zwischen  beiden  um  so  weniger  ganz  und  gar  in  Abrede  stellen  dürfen, 
als  die  paläolithische  Kunst  auch  sonst  noch  Verzierungen  aufzuweisen  hat, 
die  lebhaft  au  gewisse  dekorative  Motive  der  jüngeren  Steinzeit  erinnern0). 
Als  weitere  Ornamente  der  kaukasischen  Bronzekultur,  die  im  mittleren 
und  nördlichen  Kuropa  gleichfalls  bereits  in  der  Steinzeit  Verwendung 
finden,  hatten  wir  das  Kreuz  und  die  Doppelvoluten  kennen  gelernt,  und 
auch  manche  geometrische  Motive,  deren  sich  die  Bronzekunst  zur  Ver- 
zierung der  mannigfachen  Metallgeräte  bedient,  wie  das  Wolfszahn- 
ornament  u.  a.,  finden  wir  schon  in  der  neolithischen  Keramik  .Mittel-  und 
Nordeuropas  in  ausgedehntem  Masse  verwendet.  Endlich  konnten  wir 
auch  noch  gewisse  Schmuck-  und  Gebrauchsgeräte,  die  beilförmigen  An- 
hängsel und  die  Vogelfiguren,  die  Steinbeile  mit  Schaftrille  und  die 
durchbohrten  Hämmer,  die  Pfeile  mit  quergestellter  Schneide  u.  a.  nach- 
weisen, die  im  Abendlande  und  im  Norden  ebenfalls  bis  in  die  Steinzeit 
zurückreichen,    während    von    den    im    Kaukasus    vorkommenden    Metall- 


1)  Naue:  Die  Bronzezeit  in  Oberbayern  S.  145  u.  241  f.  —  -j)  Hörncs:  Urgesch. 
d.  bild,  Kunst  S.  -J'.H  u  2i>2.  —  3)  Konen:  Gefässkunde  in  der  vorrömischen,  röm  u. 
tränk  Zeit  in  den  Rheinlanden,  Bonn  1895,  Taf.  I,  Fig.  17c  u.  17b.  -  4)  Reischel:  Die 
Begräbnisstätte  bei  Hornsöminern  i.  Tb.  Vorgesch.  Alt.  d.  Prov.  Sachsen,  Heft  IX, 
Fig.  9  —  Virchovr:  in  Verhdl.  d.  Berl.  Anthr.  Ges.  1874  B  233  (Debüts  b.  Weissenfels) 
u.  1884,  S.  398  u.  58J  tHoym  in  Anhalt,  Bernburtf)  —  Krause:  Verhdl  d  B.  A.  G. 
1898  S.  5<J:>>  (N'eubaldensleben).  —  Grüssler:  Mansfelder  Blätter  XII,  Taf  II  (Zaben- 
stedt,  Mansfelder  Seekreis).  —  Nabe:  Wisseusch.  Beil.  der  Leipzig.  Zeitung  1903  Nu.  67 
(Leipzig-Eutritzsch).  —  ">)  Hörnes:  Urgesch  d.  bild.  Kunst,  8  41  u.  45  Anmerkung  — 
<1  Diesen  Gedanken  hat  in.  W.  zuerst  Herr  Mach  in  seinem  an  kulturgeschichtlichen  Per- 
spektiven so  reichen  Werke:  Die  Heimat  der  Indogerinanen.  das  leider  erst  nach  Be- 
endigung  der  vorliegenden  Studie  in  ineine  Hände  gelangte,  ausgesprochen  und  näher 
begründet. 

Zuitsdiritt  für  Ethnologie.    Jahrjr.  1W4.  7 


—     98     — 

geraten  in  den  unteren  Donauländern  nicht  wenige  Formen  noch  der 
reinen  Kupferzeit  oder  dem  Schlüsse  der  neolithischen  Zeit  angehören. 
Kann  man  angesichts  dieser  Tatsachen  noch  im  Zweifel  sein,  welches  von 
beiden  Kulturgebieten  das  ältere,  welches  der  gebende,  und  welches  der 
empfangende  Teil  war? 

Eine  weitere,  für  unsere  Untersuchung  wichtige  Frage  ist:  Wann 
erfolgte  diese  Kulturströmung  von  den  untern  Donauländern 
oder  dessen  Nachbargebieten  an  der  Nordwestecke  des  Pontus 
nach  den  Nordhängen  des  Kaukasus  und  über  diesen  hinweg  in  das 
Gebiet  der  Kura  und  Araxes.  Die  zwischen  beiden  Kulturgebieten  be- 
stehenden Parallelen  betreffen,  wie  wir  bereits  oben  gesehen  hatten,  fast 
durchweg  nur  Formen,  die,  wenn  sie  auch  teilweise  sich  noch  in  jüngeren 
Perioden  erhalten  haben,  den  ältesten  Abschnitten  der  Metallzeit  zu- 
zurechnen sind,  ja,  zum  Teil  sogar  noch  über  diese  hinaus  bis  in  die 
jüngere  Steinzeit  zurückreichen.  Vergeblich  suchen  wir  im  Kaukasus 
das  typische  ungarische  Schwert,  zu  dem  die  Mykeneschwerter  das  Vor- 
bild geliefert  hatten.  Nirgends  auch  finden  wir  hier  den  Palstab  und 
Hohlkeit,  denen  wir  sonst  in  ganz  Europa  und  Russland  bis  nach  Sibirien, 
ja  selbst  in  Japan,  begegnen.  Ebenso  fehlen  aber  in  Ungarn  und  den 
übrigen  Donauländern  die  typischen  Geräte,  die  für  die  kaukasische 
Bronzekultur  so  charakteristisch  sind,  die  Rudernadeln,  die  Spiegelnadeln, 
die  Gürtel  mit  ihren  eigentümlichen  Tierornameuten,  die  merkwürdigen 
Spiralschläfenringe  usw.  Wenn  also  der  Kaukasus  seine  Metallkultur 
aus  dem  Westen  erhalten  hat,  so  muss  dies  bereits  zu  einer  sehr  frühen 
Zeit  erfolgt  sein,  als  sich  die  Metallkunst  in  den  Donauländern  noch  nicht 
allzuweit  über  die  ersten  Anfänge  erhoben  hatte.  Viele  Jahrhunderte  muss 
alsdann,  wie  dies  bereits  Virchow  ausgesprochen  hat,  wohl  infolge  der 
besonderen  politischen  Verhältnisse,  die  durch  das  Eindringen  fremd- 
rassiger,  skythisch-altaischer  Völkerstämme  in  die  zwischenliegenden  nord- 
pontischen  Gebiete  herbeigeführt  waren,  die  Verbindung  zwischen  Donau- 
mündung und  dem  Kaukasus  völlig  unterbrochen  gewesen  sein1),  und  erst 


1)  Wenn  auch  der  Überlandverkehr  durch  das  südrussische  Steppengebiet  nach  dem 
Kaukasus  ruhte,  so  konnte  doch  selbstverständlich  noch  eine  Verbindung  über  Kleiuasien 
und  zur  See  nach  Transkaukasien  und  dem  Südabfall  des  Hauptgebirges  bestehen.  Und 
dass  dies  tatsächlich  der  Fall  war,  beweist  sowohl  die  Argonautensage  als  die  schon  im 
VII.  Jh  beginnende  Gründung  griechischer  Kolonien,  die  naturgemäss  erst  nach  einem 
länger  vorausgegangenen  Seeverkehr  erfolgen  konnte.  Auf  diese  Weise  mögen  die  an 
einzelnen  Stationen  der  kaukasischen  Küste  zwischen  Poti  und  Anapa  vorkommenden  Ge- 
rät»:, die  in  Mitteleuropa  der  jüngeren  Bronze-,  oder  der  älteren  Eisenzeit  angehören,  und 
die  im  ganzen  übrigen  Kaukasus  fehlen,  dahin  gelangt  sein,  und  so  mögen  wohl  auch  die 
südländischen  und  griechischen  Arbeiten,  die  für  den  südkaukasischen  Kunststil  vorbildlich 
waren,  nach  dem  Osten  gekommen  sein.  Trotzalledem  dürfte  aber  auch  der  Seeverkehr 
lauge  Zeit  hindurch  nur  ein  sehr  beschränkter  gewesen  sein.  Davon  zeugen  nicht  nur 
die  Schilderungen  der  Griechen,  die  aus  jener  Zeit  nur  von  den  Schrecken  des  Schwarzen 
Meeres  zu  berichten  wissen,  und  die  den  nach  Strabo  selbst  noch  Homer  völlig  un- 
bekannten Pontus  geradezu  als  äfrvos  (Strabo  VII,  .'!,  <>)  bezeichneten,  sondern  auch 
die  archäologischen  Tatsachen,  die.  trotz  einer  gewissen  Verwandtschaft  des  südkaukasischen 
mit  dem  kleinasiatischcn  und  griechischen  Kunststil  doch  im  übrigen  keine  engeren 
Kulturbeziehungen  erkennen  lassen. 


—    99    — 

in  verhältnismässig  späteren  Perioden  lassen  sich  wieder  einige  Be- 
ziehungen zwischen  beiden  Kulturländern  nachweisen,  die  auch  durch 
geschichtliche  Zeugnisse  bestätigt  werden.  Nach  Strabo  nahmen  nämlich 
die  am  Tanais,  zwischen  der  Mäotie  und  dem  kaspischen  Meere  sitzenden 
Aorsen,  die  Vorfahren  der  späteren  Krsanen,  zusammen  mit  dem  baby- 
lonischen den  indischen,  über  den  Oxus,  das  kaspische  Meer,  den  Cyrus 
und  Phasis  zum  Schwarzen  Meere1)  führenden  Transithandel  auf,  um  von 
der  Rionmündung  aus  die  Güter  auf  Kameelen  unter  grossem  Gewinn 
weiter  nach  Westen  zu  fördern").  Durch  diesen  Handelsverkehr  werden 
gewiss  manche  der  späteren  Hallstattzeit  und  der  La  Tene-Periode  an 
gehörige  Geräte  oder  wenigstens  die  Vorbilder  dazu  nach  dem  Kaukasus, 
ja,  sogar  weiter  bis  Turkestan  gelangt  sein. 

Über  den  Weg,  den  die  Kulturströmung  von  der  Donau- 
mündung  in  die  Kaukasuslande  genommen  hat,  können  kaum 
Zweifel  herrschen.  Schon  oben  hatten  wir  gesehen,  dass  die  in  Troja 
vorkommenden  Fibeln  nicht  mehr  den  einfachen  Bogentypus  darstellen, 
wie  er  namentlich  für  Koban  und  andere  nordkaukasische  Stationen  so 
charakteristisch  ist,  sondern,  dass  sie  bereits  eine  auf  griechische  Muster 
zurückzuführende  Weiterentwickelung  dieses  einfachen  Typus  bilden.  Die 
Kobanfibel  kann  daher  unmöglich  von  Troja  aus  nach  dem  Norden  des 
Kaukasus  gelangt  sein.  Noch  klarer  aber  erscheint  der  Weg,  den  die 
Metallkunst  eingeschlagen  hat,  wenn  man  die  donaulündisehe  Kultur  mit 
der  nordkaukasischen  einerseits  und  der  südkaukasischen  andererseits 
vergleicht.  Die  den  Kaukasus  mit  Ost-  und  Mitteleuropa  verbindenden 
Analogien  gehören  der  überwiegenden  Mehrzahl  nach  dem  Gebiete  des 
Terek  und  Kuban  an.  Im  Süden  des  Gebirges  zeigen  zwar  die  Gräber- 
felder von  Ssamthawro,  Gori  u.  a.  auf  dem  linken  Ufer  der  Kura  noch 
eine  grosse  Verwandtschaft  zu  den  nordkaukasischen  Stationen,  je  weiter 
mau  sich  aber  von  dort  nach  Süden  und  Westen  wendet,  um  so  seltener 
werden  die  europäischen  Typen,  um  so  häufiger  erscheinen  Formen,  die 
auf  vorderasiatische  Einflüsse  zurückzuführen  sind.  Ganz  besonders  aber 
weist  die  Verbreitungsweise  des  Spiralornamentes  und  Spiralgerätes,  das 
in  Kasbek  und  Koban  in  so  ausgedehntem  Masse  Verwendung  findet  und 
sich  hier  auf  das  Engste  an  die  ungarischen  Vorbilder  anschliesst,  während 
es  in  Transkaukasien  nur  sehr  wenig  vertreten  ist  und  in  den  südlicheren 
Nekropolen  sogar  völlig  fehlt,  mit  Bestimmtheit  darauf  hin.  dass  die 
Kulturströmung  nicht  den  grossen  Umweg  aber  Kleinasien  gemacht,  sondern 


1)  Strabo,  XI,  7,  3:  (piyöi  de  ('AQiozößovXog)  xai  evjtköw  fzdv  '<->;<»■)  sTveu  (xai  oSzos 
xai  7','iM{r<>oiV.w7/,-  naget  HazgoxAeovg  Xaßwv)  xai  jzoXXcl  zmv  'Tvdixcöv  tpogxUov  xazdystv  «V    rr/r 

Ygxaviav    9dXaxzav,    evzed&sv    fi'eüs    zijv   'AXßaviav   nsgaiovo&ai,    xai  dia  roS  Kvgov    xai    t<~.i- 
Ifiys  zojzmv  eis  zov  Evg~eivov  xazatpegeo&ai. 

2)  Strabo,  XI,  5,  8:  xa\  yag  knsxgaxovv  jzXeiovos  ;•'/-".  *<</  oxsdöv  u  ?/}..-  Kaamcov 
stagaXtas  n~/~  Tzksigvrjs  '/!_'/<"'.  dbgze  xai  frsjzogevpvzo  xafiqXots  zov  'Ivdixou  tpogxov  xai  ipv 
BaßpXf&yiov,  nagoi  tt  'Ag/Mviani  xai  Mrjöotv  ötads^ofisvoi,  §xQvooq>6ooin>  8i  dia  zr/v  simogiav. 
<>i  uh-  ovv    looooi  zov   Tdvatv  naooixovotv  y.  r.  ).. 


—     100     — 

von  ihrem  Ausgangspunkt  sich  etwa  entlang  dem  Nordufer  des  Pontus  den 
Nordhängen  des  grossen  Kaukasus  zugewendet  hat1). 

Endlich  bleibt  noch  die  Frage  zu  beantworten:  Wie  erfolgte  die*«1 
Kulturübertragung?  Wenn  auch  ein  Import  durch  Handel  oder  eine 
langsame  Übermittelung  von  Hand  zu  Hand  an  sich  nicht  ganz  ausgeschlossen 
werden  kann,  so  bietet  doch  die  Annahme  einer  Übertragung  durch  zu- 
wandernde Völkerstämme  weit  mehr  Wahrscheinlichkeit  dar.  Fand  diese 
Übermittelung  von  Hand  zu  Hand  oder  durch  Handel  statt,  so  ist  nicht 
zu  verstehen,  warum  diese  wechselseitigen  Beziehungen  nicht  auch  in 
späteren  Kulturepochen  fortbestanden,  warum  darni  nicht  ebenso  die 
ungarischen  Schwerter,  die  Palstäbe,  Hohlcelte  usw.  ihren  Weg  nach  dem 
Kaukasus  fanden,  oder  umgekehrt  von  hier  aus  die  hervorragenden  Er- 
zeugnisse der  kaukasischen  Metallarbeiter  nach  dem  Westen  gelangten. 
Yor  allem  aber  spricht  gegen  eine  allmähliche  Einführung  der  Metallkunst 
im  Kaukasus  der  Umstand,  dass  auf  allen  Gräberfeldern  die  Technik 
bereits  in  höchst  entwickelter  Form  erscheint.  Wäre  die  Kunst  der 
Metallbearbeitung  von  einer  bereits  ansässigen,  noch  steinzeitlichen  Be- 
völkerung allmählich  aufgenommen  und  erlernt  worden,  so  müsste  sich 
au  den  kaukasischen  Altertümern  die  schrittweise  Entwickelung  der 
metallurgischen  Technik  von  ihren  ersten  Anfängen  verfolgen  lassen, 
und  vor  allem  würden  nicht  alle  Gräber  so  zahlreiche  Bronzebeigaben 
enthalten,  sondern  man  müsste  auch  Gräber  antreffen,  deren  Inventar  aus- 
schliesslich oder  doch  vorwiegend  aus  den  bis  dahin  üblichen  Steingeräten 
gebildet  wurde,  und  in  denen  Bronzegegenstände  nur  vereinzelt  oder  gar 
nicht  vorkommen.  Aber  nirgends  hat  man  bisher  im  Kaukasus  derartige 
Mischfunde  von  stein-  und  bronzezeitlicher  Kultur  mit  Sicherheit  nachweisen 
können.  Ja,  es  ist  sogar  noch  nicht  einmal  sicher,  ob  der  Kaukasus  aucli 
nur  eine  reine  Bronzezeit  durchlebt  hat  oder  ob  nicht  vielmehr  mit  der 
Bronze  zugleich  auch  schon  die  Kenntnis  des  Eisens,  das  allerdings 
anfangs  noch  sehr  spärlich  verwendet  wird,  nach  dem  Kaukasus  gelangt 
ist.  Nur  durch  die  Annahme  einer  Einwanderung  eines  bereits 
metallkundigen  Volkes  lässt  sich  dieses  plötzliche  und  unver- 
mittelte Erscheinen  einer  bereits  entwickelten  Metallkultur  in 
befriedigender  Weise  erklären. 

Mit  diesem  auf  archäologischem  Wege  ermittelten  Ergebnisse  lassen 
sich  nun  recht  gut  die  freilich  von  vielen  Forschern  für  mythenhaft 
erklärten  Berichte  der  alten  Historiker,  vor  allem  Herodots,  über  grosse 
Völkerbewegungen  von  der  Nordküste  des  Pontus  nach  Vorderasien  in 
Übereinstimmung  bringen.  Allerdings  wissen  die  Griechen  nur  noch  von 
der  letzten  Phase  dieser  grossen  Völkerwanderung,  die  sich  über  viele 
Jahrhunderte  ausdehnte,  zu  berichten,    wobei  Herodot  die  Sache  so  dar- 

\)  Vielleicht  können  hier  auch  noch  sprachliche  Gründe  angefahrt  werden:  „Unter 
den  hunderte  von  Namen,  sagt  Sayce  in  der  Vorrede  zu  Schliemanns  Troja  XV,  die 
der  ungeheuren  Landstrecke  zwischen  Medien  und  dem  Halys  angehören  und  die  wir  auf 
den  Monumenten  Assyriens  autreffen,  sind  durchaus  keine,  die  man  einem  arischen 
Ursprung  zuschreiben  könnte". 


—     101     — 

stellt1),  dass  die  Kimnierier,  gedrängt  von  den  Skythen,  an  der  Küste  des 
Schwarzen   Meeres  entlang  ziehend.  Sinope  erobern   (um  700  v.  Chr.)  und 

schliesslich  selbst  Sardes  einnel n.   während  die  sie  verfolgenden  Skythen 

im  Kaukasus  ihre  Spuren  verlieren  und  den  oberen  Weg  verfolgend,  den 
Kaukasus  zur  Rechten,  schliesslich  bis  .Medien  gelangen.  Neben  dieser 
von  Norden  nach  Süden  über  den  Kaukasus  gehenden  Kimmerierwanderung 
wird  uns  freilich  auch  noch  von  Kimmerierzligen  über  den  Bosporus  be- 
richtet, die  man  gegenwärtig  mit  dem  Einbruch  der  zu  thrakisch-phrygisehen 
Horden  gehörigen  Armenier  in  Anatolien  in  Beziehung  bringt8).  Beide 
Berichte  widersprechen  sich  übrigens  keineswegs,  sondern  lassen  sich,  wie 
wir  noch  später  sehen  werden,  recht  wohl  miteinander  vereinigen. 

Herr  Belck  hat  nun  aus  assyrischen  und  chaldischen  Inschriften 
sowohl  den  Beginn  als  das  Ende  dieser  Kiminerierzüge  über  den  Kaukasus 
zu  fixieren  gesucht3).  Für  letzteres  nimmt  er  das  9.  Jahrhundert  v.  Chr. 
an,  während  er  das  erste  Erscheinen  der  Kimnierier  im  Antikaukasus  auf 
ungefähr  1150  ansetzt,  d.  h.  um  dieselbe  Zeit,  zu  welcher  die  indogerma- 
nischen Dorier  unter  der  pelasgischen  Bevölkerung  Griechenlands  auftauchen. 
Vom  Beginn  des  1 1.  Jahrhunderts  an  machen  sich  nämlich  im  Süden  des 
kleinen  Kaukasus  grössere  Völkerverschiebungen  bemerkbar,  die  offenbar 
durch  neu  ankommende,  vom  grossen  Kaukasus  und  der  Kura  aus 
gegen  den  Antikaukasus  gerichtete  Bewegungen  verursacht  wurden.  Ins- 
besondere ergibt  sich  aus  einem  Berichte  Tiglatpilesar  I.  (um  1020) 
dass  die  Moscher  um  1070  von  ihren  Wohnsitzen  im  Gebirge  herabstiegen 
und  die  assyrischen  Gebiete  Alzi  und  Purrukussu,  die  wir  am  Oberlauf 
des  westlichen  Tigris  zwischen  ihm  und  dem  Euphrat  zu  suchen  haben, 
eroberten  und  besezten.  Es  liegt  nun  auf  der  Hand,  dass  so  bedeutende 
und  ausgedehnte  Einwirkungen  nur  durch  die  Einwanderung  und  Nieder- 
lassung sehr  grosser  Massen  hervorgerufen  werden  konnten,  wozu  aber 
bei  den  ungeheueren  Schwierigkeiten,  welche  die  Überschreitung  de- 
grossen Kaukasus  selbst  für  einzelne  Personen  in  damaliger  Zeit  darbot. 
sicherlich  sehr  lange  Zeiträume  erforderlich  waren.  Wir  werden  daher 
für  die  Wanderung  der  Kimnierier  von  der  Nordküste  des  Pontus  bis  zu 
den  Sitzen  der  Moscher  im  kleinen  Kaukasus  kaum  weniger  als  zwei 
öder  drei  Jahrhunderte  ansetzen  dürfen,  so  dass  der  Aufbruch  aus  ihrer 
einstigen  Heimat  etwa  um  1400  v.  Chr..  vielleicht  auch  noch  etwas  früher 
erfolgt  sein  inuss.  Diese  Zeit  entspricht  genau  der  Periode,  in  die  wir 
die  ältesten  Phasen  der  Metallkultur  der  Donauländer  zu  verlegen  haben 
und  in  der  wir  aus  archäologischen  Gründen  die  östliche  Kulturströmung 
ansetzen  müssen.  Auch  in  chronologischer  Beziehung  herrscht  daher 
zwischen  den  Ergebnissen  der  historischen  und  der  archäologischen 
Forschung  vollkommene  Übereinstimmung. 


1)  Hcrodot  IV.  12:  (patvovzat  81  ol  Kiiiui'jioi  yevyovxes  es  rip>  'Aairjv  rovs  Sxv&as,  xa 
"/''  %8Qo6vrioov  xzioavxes,  ir  r//  irr  Sivdoii]  TzöXis'EkXäs  oixiarat.  tpavEQoi  de  etat  y.ni  oi  2xv{hn 
dicöt-avzeg  avzovs  xai  eaßaXovxss  egyfjv  ttjv Mrjducip>,  a/iaQzövzes  rijfg  oöov.  ol ftkv  yaQ Ki/ifiigiot dei 
'/'/)■  naga  ihu.donar  etpsvyov,ot  8e  Sxv&au  ev  öe^ifj  zov  Kavxaaov  e^pnes  idlcoxov,  es 8  eo&ßalovec, 
trjv Mijöixijv  yff»,  &s  (tsaöyaiov  rijfe  oöov  rgatpöexves.  Vgl.  a.  Herodot  IV.  1.  -  2)  Vorhandl. 
1896,  S.  31S.  -  3)  Verhandl.  1900,  S.  45ff. 


—     102     — 

Schon  Herr  Belck  hat  aus  dem  zeitlichen  Zusammentreffen  dieser 
grossen  Völkerbewegungen,  zu  denen  auch  noch  der  Einbruch  der  Italiker 
zu  rechnen  ist,  auf  eine  gemeinsame  Ursache  geschlossen,  und  vermutet, 
dass  ein  von  Nordwesten  her  kommender,  auf  das  Gebiet  zwischen  Donau- 
mündung und  Krim  gerichteter  Völkerstoss  diese  Verschiebungen  bedingt 
habe.  Freilich  hat  er  für  einen  aus  dieser  Richtung  wirkenden  Druck 
weder  archäologische  Funde  noch  geschichtliche  Überlieferungen  als  Beleg 
beibringen  können1). 

Dagegen  hat  vor  mehreren  Jahren  Herr  Prof.  Hampel  in  seinen 
bereits  mehrfach  erwähnten  „Neuen  Studien  über  die  Kupferzeit"  eine 
Reihe  sehr  naher  Beziehungen  der  ungarischen  Kupferzeit  zu  dem  sibirischen 
Formenkreise  nachgewiesen,  die  kaum  anders  als  durch  die  Annahme  zu 
erklären  sind,  dass  schon  in  der  allerältesten  Metallzeit  ein  Einbruch  ural- 
altaischer  Völkerhorden  in  das  östliche  Ungarn  und  Siebenbürgen,  wo  die 
sibirischen  Funde  am  dichtesten  auftreten,  stattgefunden  habe2).  "Welche 
Völkerstämme  dies  gewesen  sind,  lässt  sich  natürlich  nicht  sagen,  doch 
ragt  der  Name  eines  prähistorischen  Volkes  in  Siebenbürgen,  derjenige 
der  bergbaukundigen  Agathyrser,  welche  die  Ethnologen  den  ural- 
altaischen  Stämmen  zurechnen,  bis  an  die  historische  Zeit  heran :i). 

Auch  dieses  archäologische  Forschungsergebnis  findet  meines  Er- 
achtens  durch  die  geschichtlichen  Überlieferungen  volle  Bestätigung. 
Nach  Herodot4)  kamen  nämlich  die  skythischen  Völkerstämme,  welche 
jene  gewaltigen  Kimmerierzüge  zur  Folge  hatten,  nicht  von  Nordwesten, 
sondern  aus  Asien,  von  wo  aus  sie  gedrängt  von  den  östlich  und  nord- 
östlich vom  Kaspischen  Meere  wohnenden  Massageten  über  den  Araxes 
nach  Europa  einbrachen.  Selbstverständlich  haben  wir  unter  diesem 
Flussnamen  nicht  den  im  Süden  Transkaukasiens  fliessenden  Strom,  der 
heute  seinen  Namen  führt,  zu  verstehen,  sondern  die  Wolga  (Rha),  die 
offenbar  auch  au  einer  anderen  Herodot-Stelle  im  1.  Buche6),  wo  sich  der 
alte  Geograph  am  eingehendsten  über  den  Araxes,  seine  gewaltige  Grösse, 
seine  Stromteilungen  und  Inselbildungen  und  seine  Anwohner  ausspricht, 
neben  dem  Oxus  und  dem  heutigen  Araxes  gemeint  ist.  Auch  diese  gewaltige 
Invasion  ist  wohl  schwerlich  in  einem  gewaltigen  Schübe  erfolgt,  vielmehr 
dürften  auch  hierbei  längere  Zeiträume  verstrichen  sein,  bis  die  Masse  der 
eingedrungenen  Fremdlinge  so  gross  war,  dass  durch  den  von  ihnen  aus- 
gehenden Druck  die  nächstgelegenen  Völkerschaften  in  Bewegung  gesetzt 
werden  konnten.  Wenn  also  der  Beginn  der  Kimmerierzüge  nach  der 
obigen  Darstellung  auf  den  Ausgang  des  15.  Jahrhunderts  fällt,  so  müssen 
wir  das  erste  Erscheinen  asiatischer  Völkerstämme    im    östlichen  Europa 

1)  a.  a.  0.  S.  IT.  —  2)  Z.  f.  Ethn.  1896,  S.  72.  —  :'»)  Herodot  IV,  104,  vgl.  a. 
Ptolem.  Geogr.  V,  '.».  —  I)  Herodot  IV,  II:  "h'an  di  xai  äXXog  kdyog  l:yon-  (ode,  rtf 
ftäXtaza  Xsyofievq)  avzös  TtgöaxeifMU,  Sxv&as  tovg  vo/tddas  obeeovzas  sv  vfj  '4.oCfl  .loXifuo 
uea&hnas  >':T<>  MaoaayExsoiv  oi'yraOtu  diaßdvrag  Ttoxapiw  'Agd^tjv  hti  yPp'  t>)v  Ki/iftegirp'. 
Ebenso  berichtet  Diodor  (II,  13):  Die  Skythen  hätten  von  ihren  Ursitzen  am  Araxes  aus 
das  ganze  Land  bis  zum  Kaukasus,  den  Mäotis  und  den  Ebenen  am  Ozean  erobert  und 
einige  Zeit  später  auch  noch  das  Land  jenseits  des  Flusses  Tanais  bis  gegen  Thrakien 
hin  sich  unterworfen.  Hier  ist  offenbar  ebenfalls  mit  dem  Namen  Araxes  die  Wolga 
gemeint.  —  5)  Herodot  I,  202. 


—     103     — 

noch  um  ein  Erhebliches  früher  ansetzen.  Dann  aber  gelangen  wir  bereits 
in  eine  Zeit,  die  dein  Ende  der  neolithischen  oder  dem  Beginne  der 
Kupferperiode  Fairopas  entspricht.  Erschein!  es  unter  diesen  Umständen 
zu  gewagt,  wenn  man  die  Bioführung  der  Metallkultur  in  Europa  geradezu 
den  asiatischen  Eindringlingen  zuschreibt,  die,  anfangs  noch  gering  an 
Zahl,  zunächst  nicht  als  siegreiche  Eroberer  erschienen,  sondern  als  fried- 
liche, aus  der  Heimat  verdrängte  Flüchtlinge  sich  dort  ansiedelten,  wo 
sie  ähnliche  Lebensbedingungen  wie  in  ihren  Drsitzen  vorfanden,  und  wo 
sich  ihnen  vor  allen  Diugen  auch  Gelegenheit  bot,  die  aus  ihrer  Heimat 
im  Uralaltaigebiete  mitgebrachte  Metallkunst  auszuüben? 

Ist  diese  Annahme  Prof.  Ilampels  und  der  Berühr  Berodpts  und 
anderer  Historiker  von  diesen  frühzeitigen  Bewegungen  asiatischer  Yölker- 
stämme  —  die  sich  übrigens  in  späterer  prähistorischer  Zeit  noch  mehr- 
fach wiederholt  haben  und  als  die  Vorläufer  der  nachmaligen  Hunnen- 
einfälle zu  betrachten  sind  —  richtig,  so  lässt  sich  damit  der  Einbruch 
der  Arier  sowohl  nach  Südeuropa  als  Vorderasien  in  einfachster  und  ein- 
heitlicher Weise  erklären. 

(ledrängt  von  den  in  immer  grösseren  Massen  heranflutenden 
sibirischen  Horden  wichen  die  Italiker  in  westlicher  Richtung  nach  der 
Poebene,  die  Griechen  südlich  über  den  Balkan  aus,  um  in  ihren  neuen 
Gebieten  auf  der  Basis  der  bereits  aus  ihrer  früheren  Heimat  mit- 
gebrachten Kenntnisse  unter  phönikisch-ägyptischen  Einflüssen  jene  hohe 
Kultur  zu  entfalten,  deren  Schöpfungen  noch  heute  unsere  tiefste  Be- 
wunderung erregen.  • 

Die  zwischen  der  unteren  Donau  und  der  Krim  wohnenden  kimmeri- 
schen  Arier  konnten  sich  dem  mehr  von  Norden  auf  sie  wirkenden  Druck 
nicht  direkt  entziehen,  sondern  waren  gezwungen,  nach  beiden  Seiten  des 
Pontus  auszuweichen.  Die  mehr  westlich  sitzenden  Stämme  wandten  sich 
über  den  thrakischen  Bosporus  nach  Kleinasien,  indem  sie  wahrscheinlich 
bei  ihrem  Durchzug  durch  die  Balkanhalbinsel  die  dort  wohnenden 
Thraker-,  Briger  und  Mysierstämme  mit  fortrissen. 

Von  der  östlichen  Strömung,  die  jedenfalls  den  kimmerischen  Bosporus 
überschritt  und  dem  Kuban  folgte,  blieb  ein  Teil  in  den  engen,  schwer 
zugängigen  Seitentälern  des  Terek  zurück,  um  hier  ungestört  und  wenig 
beeinflusst  von  fremden  Einwirkungen  die  aus  der  früheren  Heimat  mit- 
gebrachte,  von  ihren  einstigen  Nachbarn  iu  den  unteren  Donau- 
ländern  überkommene  Metallkunst  in  jener  eigentümlichen  Weise  weiter 
zu  entwickeln,  wie  uns  dies  die  Funde  von  Koban  und  anderen  nord- 
kaukasischen Stationen  zeigen").  Die  Hauptmasse  aber  setzte  die  Wande- 
rung über  den  Kamm  des  Gebirges  nach  Süden  feit.  Welchen  Pass  diese 
Völker  hierbei  benutzt  haben,  ob  die  schon  im  Altertum  berühmte  Darjals- 
schlucht  oder  den  jetzt  unter  dem  Namen  der  ossetinischen  Beerstrasse  be- 


*)  Amnkg. :  Ihre  Nachkommen  bilden  jedenfalls  die  heutigen,  freilich  von  fremden 
Rasseelementen  durchsetzten  Osseten,  die  sieh  selbst  bekanntlich  Ir'on  nenucn  und  die  iu 
sprachlicher  Hinsicht  den  Indo-lraniern  am  nächsten  st.  heu,  andererseits  aber,  namentlich 
in  der  Bildung  der  Präfixe,  auch  zu  den  slavischen  Stämmen  nähere  Beziehungen  er- 
kennen lassen.  Vgl.  hierüber  A.  J.  Sjögren:  Ossetische  Sprachlehre,  Petersburg  1844,  und 
Müller:  Studium  der  Sprache  und  Herkunft  des  ossetischen  Volkes;  Moskau  1882. 


—      104     — 

kannten,  weiter  westlich  liegenden  Weg  über  den  Rokipass1),  lässt  sich 
freilich  nicht  sagen;  nur  soviel  steht  fest,  dass  sie  nicht,  wie  Herodot 
meint,  an  der  Ostküste  des  Pontus  entlang  marschiert  sein  können,  da  das 
steil  in  das  Meer  abfallende  Gebirge  selbst  heute  noch  als  ein  absolutes 
Hindernis  für  eine  derartige  Völkerbewegung  gelten  muss. 

Von  der  Kura  aus  ergoss  sich  dann  der  Strom  durch  das  Akstafatal 
(Redkinlager  u.  a.  Stationen),  um  in  der  Gegend  des  heutigen  Djelischan 
sich  zu  teilen.  Der  eine  Zweig  wendete  sich  über  Alexandropol  und  Kars 
westwärts  und  eroberte  gegen  700  Sinope  sowie  vorübergehend  einen 
grossen  Teil  Kleinasiens.  Es  sind  dies  die  Gomer  der  Bibel2)  und  die 
Gimmiri,  oder  wie  Rawlinsen  sie  nennt,  die  Tzimri  der  ninivitischen 
Inschriften3).  Der  andere  Zweig  behielt  die  südliche  Richtung  bei  uud- 
gelangte  schliesslich  in  die  Ebene  des  Araxes,  den  er  jedenfalls  bei  dem 
heutigen  Dschulfa  überschritt.  Bis  dahin  reichen  die  letzten,  wenn  auch 
sehr  spärlichen  archäologischen  Zeugnisse  für  diese  Bewegung.  Weiterhin 
geht  jede  Spur  verloren,  doch  macht  es  die  Wanderung  geographischer 
Namen, die  HerrBrunnhofer  in  seinem  freilich  mit  Recht  viel  angefochtenen 
Werke  über  die  Urgeschichte  der  Arier  nachzuweisen  versucht  hat,  wahr- 
scheinlich, dass  die  arischen  Völkerstämme  vom  Araxes  aus  im  Süden  des 
kaspischen  Meeres  weiter  bis  zum  Indus  vordrangen4).  Diesem  Zweige, 
der  vielleicht  durch  neue,  über  Derbend  vordringende  arische  Stämme 
verstärkt  wurde,  ist  die  Gründung  der  Mederreiches  zuzuschreiben,  das 
im  9.  Jahrhundert  zuerst  in  die  Geschichte  eintritt  und  das  sich  an  Stelle 
des  alten  Anzan  und  Suri,  wie  das  Land  im  babylonischen  Altertum  be- 
zeichnet wird5),  erhebt.  Von  Medien  aus  setzen  sich  dann  weiter  die  Indo- 
germanen  in  dem  südlich  und  östlich  davon  gelegenen  Elam  fest,  das  durch 
zahllose  wechselvolle  Kriege  mit  den  Babyloniern  und  später  den  Assyriern 
geschwächt,  ein  Opfer  dieser6)  und  nach  der  wenige  Jahrzehnte  später 
erfolgenden  Vernichtung  der  letzteren  durch  Kyaxares  der  arischen  Invasion 
geöffnet  wird.  Damit  gelangen  wir  bereits  zum  Beginn  der  Geschichte 
des  arischen  Perserreiches,  das  sich  nach  dem  Sturze  des  letzten  Meder- 
königs  Astyages  durch  seinen  Enkel  Kyros  auf  dem  Boden  des  alten  Elam 
erhebt  und  dessen  Haupt-  und  Residenzstadt  fortab  das  schon  damals  auf 
eine  mehr  als  2000  Jahre  alte  Kultur  zurückblickende  und  aus  seinen 
Trümmern  wieder  erstandene  Susa  bildet.  Unter  Kyros  und  seinen  Nach- 
folgern erfolgt  nunmehr  die  Einigung  aller  von  Westen  über  den  Bosporus  und 
von  Norden  über  den  Kaukasus  nach  Klein- und  Vorderasien  eingewanderten 
[ndogermanen  zu  einem  mächtigen  Reiche,  das  sich  von  der  Ostküste  des 
Mittelländischen  Meeres  bis  an  die  Grenzen  des  sagenhaften  Indien  erstreckt. 

1)  Diesen  Weg  hält  Herr  Bclck  als  den  leichter  passierbaren  für  den  wahrschein- 
licheren, doch  legen  die  grossen  Gräberfelder  von  Stepan-Znrinda  am  Fusse  des  Kasbek 
und  von  Ssamthawro  an  der  Aragewa  die  Annahme  nahe,  dass  der  von  der  jetzigen 
grusinischen  Heerstrasse  benutzte  Weg  durch  das  Terektal  über  den  Kreuzberg  in  das 
Tal  der  Aragwa  schon  damals  bekannt  war.  —  2)  Genes,  cap.  Xu.  Ezechiel  XXXVIII,  0. 
-  3)  Nach  Morgan  a.  a.  ().,  T.  II,  S.  11!>.  —  4)  Urgeschichte  der  Arier  in  Vorder-  und 
Ccntralasien;  T.  I,  Iran  und  Turan;  T.  II,  vom  Pontus  bis  zum  Indus;  T.  III,  vom  Aral 
bis  zum  Ganges,  Leipzig  1893.  —  5)  Winckler,  Die  Völker  Vorderasiens.  Der  alte  Orient, 
Jg.  I,  H.  I, 's.  30.  -  6)  Ebenda,  S.  34. 


II.    Verhandlungen. 


Sitzung  vom   '.».  .liiminr  10(14. 
Vorsitzender:    Hr.  Waldeyer. 

(1)  Der  Vorsitzende  begrüsst  im  Namen  des  Vorstandes  die  Mit- 
glieder in  der  ersten  Sitzung  des  neuen  Jahres,  indem  er  ihnen  und  der 
Gesellschaft  ein  gutes  Gedeihen  wünscht.  — 

(2)  Wir  beklagen  den  Tod  des  berühmten  Psychiaters,  des  Geheimen 
Medizinalrats  Professor  Dr.  Jolly,  welcher  seit  seiner  Übersiedelung  nach 
Berlin  der  Gesellschaft  angehörte. 

Ferner  betrauern  wir  das  Hinscheiden  des  verdienten  Geologen  und 
Paläontologen  Prüf.  v.  Zittel  in  München,  der  sowohl  früher  als  Vor- 
sitzender der  Münchener  anthropologischen  Gesellschaft,  wie  später  als 
Präsident  der  dortigen  Akademie  der  Wissenschaften  stets  für  die  Pflege 
der  Anthropologie  Sorge  trug.  Wir  werden  beiden  Männern  ein  ehrendes 
Andenken  bewahren!  — 

(3)  Auf  die  Glückwünsche,  welche  die  Gesellschaft  Seiner  Excellenz 
dem  Hrn.  Generaldirektor  Dr.  Schöne  zu  seinem  25jährigen  Amts- 
jubiläum in  einer  tabula  gratulatoria  dargebracht  hatte,  erwiederte  Seine 
Excellenz  in  einem  eigenhändigen  Schreiben  Worte  des  wärmsten  Dankes 
und  zugleich  der  höchsten  Anerkennung  für  die  Verdienste  der  Gesellschaft 
um  die  ethnologische  Wissenschaft  und  um  die  Entwickelung  des  Kgl. 
Museums  für  Völkerkunde:  die  Kgl.  Generalverwaltung  werde  dieser  Mit- 
arbeit der  Gesellschaft  stets  gedenken  und  bitte  um  deren  Erhaltung  auch 
für  die  Zukunft. 

Ferner  hat  unser  allverehrtes  .Mitglied.  Hr.  Geheimer  Regierungsrat 
Professor  Dr.  Möhius  sein  '»«»jähriges  Doktorjubiläuni  gefeiert.  Wir 
haben  ihm  hierzu  unsere  herzlichsten  Glückwünsche  dargebracht,  für 
welche  derselbe  in  einem  Schreiben  an  die  Gesellschaft  seinen  besten 
Dank   ausgesprochen    hat. 

Fmdlich  hat  der  bekannte  Amerikanist,  unser  geschätztes  Mitglied 
Mr.  Merrntann  Strebe!  in  Hamburg  seinen  70.  Geburtstag  gefeiert.  Wir 
haben  ihn  telegraphisch  zu  diesem  Tage  beglückwünscht.  — 


—     106     — 

(4)  Die  Wahl  des  Ausschusses  fmdet  in  der  satzungsmässigen 
Weise  statt.  Es  werden  die  bisherigen  Mitglieder  wiedergewählt.  Der 
Ausschuss  für  1904  besteht  sonach  aus  den  Herren:  Bässler,  Ehrenreich. 
Friedel,  v.  Kaufmann,  v.  Luschan,  Minden,  Müller,  Staudinger 
und  C.  Strauch.  — 

(5)  Als  neue  Mitglieder  werden  gemeldet: 

Hr.  .Lüdemann,  Kgl.  Landmesser  und  Ingenieur  in  übist'elde. 
Das  städtische  Museum  in  Dortmund, 
Hr.  Lehrer  Hermann  Rogatz  in  Gross-Lichterfelde, 
Hr.  Professor  Paul  Matschie,  Kustos  am  Kgl.  Museum  für  Natur- 
kunde, 
Hr.  Pfarrer  Ernst  Meyer  in  Königsmark  bei  Osterburg. 

(6)  Von  der  Italienischen  Geographischen  Gesellschaft  ist  ein  Ein- 
ladungsschreiben ergangen,  an  dem  Geographenkongress  in  Neapel,  der 
am  6.  April  1904  in  Neapel  begonnen  wird,  teilzunehmen.  — 

(7)  Der  Vorsitzende  der  Gesellschaft,  Hr.  Waldeyer,  ist  von  der 
Societe  de  Biologie  an  Stelle  des  verstorbenen  Hrn.  Gegenbaur  zum 
auswärtigen  Mitglied  und  von  der  Universität  Jurjew  zum  Ehrenmitglied 
ernannt  worden.  Der  stellvertretende  Vorsitzende  spricht  ihm  hierzu  im 
Namen  der  Gesellschaft  die  herzlichsten  Glückwünsche  aus. 

Hr.  Baron  Dr.  W.  von  Landau  hat  für  die  Förderung  der  Ausgrabungen 
in  Sidon,  welche  durch  die  Veröffentlichungen  der  Vorderasiatischen  Ge- 
sellschaft allgemein  bekannt  geworden  sind,  eine  besondere  Anerkennung  von 
der  Hohen  Pforte  erhalten.     Der  Vorstand  beglückwünscht  ihn  hierzu.  — 

(8)  Als  Gäste  werden  begrüsst  die  Herren:  DDr.  Th.  Müller, 
Th.  Fürer,  Rengel,  Keilhack  und  Hess  von  Wichdorff.  — 

(9)  Hr.  Hubert  Schmidt  überreicht  eine  Abhandlung: 

Der  Bronzesichelfund  von  öberthau,  Kr.  Merseburg. 

Dieselbe  wird  später  erscheinen.   — 

(10)  Hr.  W.  Lüdtke  übersendet  aus  Kiel  eine  Mitteilung  über 

Brette  heu  weberei  in  Karthago. 

Delattre  hat  in  punischen  Gräbern  Karthagos  viele  durchlöcherte 
Plättchen  aus  Knochen  (Elfenbein?)  gefunden,  die  er  in  seinem  Aus- 
grabungsberichte (Comptes-rendus  de  l'Academie  des  inscriptions  1899,  317) 
beschreibt,  ohne  ihren  Zweck  zu  bestimmen:  „Nous  avons  recueilli  benu- 
coup  de  lamelies  ressemblant  ;i  des  chevalets  d'instruments  de  musique. 
ä  cordes.  Sur  cinq  de  ces  lamelies  de  meine  forme,  etroites  et  longues, 
sorties  dune  meme  tombe,  quatre  sont  marquees  de  caracteres  puniqties 
tniees  ;i    l;i  pointe  seche." 

Die  Abbildungen  auf  S.  318  stellen  immer  nur  die  eine  Hälfte  des 
durchbrochenen  Täfelchens  dar;  ergänzen  wir  sie,  so  erhalten  wir  eine 
Form,  die  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  einem  von  Margarethe  Lehmann»- 


—      107     — 

Filhes,    Ober    Brettchenweberei    (Berlin   1901,    Fig.  55),    veröffentlichten 

schwedischen  Webebrettchen  hat. 

Die  punischen  Täfelchen  haben  freilich  rechteckige  Gestalt;  die  ab- 
weichende Anordnung  der  Locher  würde  wohl  weniger  Schwierigkeiten 
machen.  Das  Material,  aus  dein  sie  verfertigt  sind,  hat  eine  Parallele  in 
den  römischen  Knochentäfelchen  in  Worms,  bei  M.  Lehmann-Filhes, 
Fig.  20.  Die  eingeritzten  Buchstaben  dienten  vielleicht  zur  Bezeichnung 
ihrer  Reihenfolge  beim  Weben. 


(ö 


o°       o      °o 


bu^^jj 


b)  Webebrettchen  aus  Karthago. 


a)  Schwedisches  Webebrettchen. 


Ich  überlasse  es  den  Kennern  der  Technik,  über  die  Richtigkeit  der 
vorgetragenen  Vermutung  zu  urteilen.  Schon  einmal  hat  Delattre  durch 
ein  Rasiermesser  der  Neger  ähnliche  Instrumente,  die  er  in  punischen 
Gräbern  gefunden,  erklärt.  Wahrscheinlich  ist  die  altorientalische  Technik 
der  Brettchenweberei  auch  im  heutigen  Tunis  noch  erhalten,  so  dass  durch 
ihre  Untersuchung  die  Verwendung  der  rätselhaften  punischen  Täfelchen 
bestimmt  werden  könnte.   — 

(11)    Fräulein   Elisabeth  Lemke  übersandte  einen  Bericht  über 
Ausgrabungen  in  Siebenbürgen. 
Derselbe   wird    in    den    Nachrichten    über    deutsche    Altertumsfunde    ver- 
öffentlicht werden.  — 


(12)  Hr.  R.  Andree.in  München  übersendet  folgende  .Mitteilung 
über  einen 

Feuersteinknollen  vom  Wohlenberge. 

Als  ich  den  Vortrag  des  Hrn.  Jaekel  über  Feuerstein-Eolithe  von 
Freyenstein  in  der  Mark  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1903,  S.  830)  las,  fiel  mein 
Blick  auf  einen  Feuersteinknollen,  der  seit  dem  11.  September  1893  als 
Briefbeschwerer  auf  meinem  Schreibtische  liegt.  An  jenem  Tage  hatte 
ich  mit  Hrn.  Grabowsky,  jetzt  Direktor  des  zoologischen  Gartens  in 
Breslau,  einen  Ausflug  in  die  fahle  Heide  gemacht,  die  sich  im  Westen 
von  Gif  hörn  erstreckt,  wo  Aller  und  Oker  zusannnentiiessen.  In  ihr  er- 
hebt sich  der  94  m  hohe  Wohlenberg,  in  dessen  l'mgebung  das  Diluvium 
vielfach  durch  Kiesgruben  und  Strassen  durchschnitte  gut  aufgeschlossen 
ist.  Auffallend  war  uns  die  grosse  Anzahl  schwarzer  Feuersteinknollen 
verschiedener  Grösse,  die,  wenn  sie  längere  Zeil  der  Luft  ausgesetzt  und 
von  der  Sonne  beschienen  waren,  oft  auseinander  splitterten.  Die  Splitter 
lagen  manchmal  nebeneinander,  wie  die  Teile  einer  zerlegten  Apfelsine 
und  passten  genau   ineinander,    so  dass  der  Knollen    sich    wenigstens  teil- 


—     108     — 

weise  in  seine  ursprüngliche  Gestalt  wieder  zusammenfügen  liess.  Lag 
hier  also  eine  natürliche  Entstehung  vieler  Splitter,  messerartiger  scharfer 
Spähne,  wenn  auch  ohne  jede  Schlagmarke,  vor,  so  verhielten  sich  viele 
andere  Knollen  ganz  anders;  sie  glichen  den  jetzt  von  Hrn.  Ja  ekel  be- 
schriebenen und  abgebildeten  und  wir  beide,  Grabowski  sowohl  als  ich, 
legten  uns  die  Frage  vor,  ob  hier  nicht  etwa  an  künstliche  Bearbeitung 
zu  denken  sei. 

Da  aber  solche  nur  an  einer  Stelle  Absplitterungen  zeigende  Knollen 
sich  ziemlich  häufig  fanden,  glaubten  wir  davon  absehen  und  die  Ab- 
splitterungen auf  natürliche  Ursachen,  etwa  den  Transport  und  dabei  ent- 
standene Verletzungen,  zurückführen  zu  müssen.  Indessen  ich  nahm  den 
hier  vorliegenden,  die  Gestalt  eines  Fäustlings  zeigenden,  10  cm  langen 
und  am  dicken  Ende  etwa  6  cm  breiten  gut  abgerundeten  Knollen  mit 
und  heute  ist  es  wohl  gestattet,  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  nicht  die  an 
seinem  unteren  stärkeren  Ende  befindlichen  Absplitterungen  auf  künstliche 
Ursachen  zurückzuführen  sind.  Der  gut  abgerundete,  nach  einem  Ende 
spitzer  zulaufende  Knollen  liegt  bequem  in  der  Hand,  die  Absplitterungen 
am  dicken  Ende  sind  teils  muschliger  Art,  teils  zeigen  sie  die  Entfernung 
von  schmalen  Lamellen. 

Sie  können  entstanden  sein,  wenn  der  Stein  als  eine  Art  Schlagstein 
benutzt  wurde,  womit  ich  aber  keineswegs  die  positive  Ansicht  aus- 
gesprochen haben  will,  dass  es  sich  hier  um  ein  Artefakt  handele.  — 

(13)  Hr.  Kofier  in  Darmstadt  übergibt  durch  Hrn.  A.  Götze  nach- 
folgenden Bericht  über 

Ein  eigentümliches  Hügelgrab  aus  der  Bronzezeit. 

In  dem  zu  dem  Grossherzogl.  Jagdschloss  Kranichstein  gehörigen 
Parke  befinden  sich  zahlreiche  Gruppen  von  Hügelgräbern,  von  denen  in 
dem  letzten  Jahrzehnt  auf  Befehl  und  im  Beisein  des  Grossherzogs 
sowie  der  Grossherzogl.  Familie  eine  grössere  Anzahl  von  mir  geöffnet 
wurden. 

Eine  Gruppe  zum  Teil  noch  ungeöffneter  Grabhügel  liegt  im  Wald- 
distrikt Diebsfang,  dicht  an  der  von  Darmstadt  nach  Frankfurt  führenden 
Chaussee,  bei  dem  Forsthause  Baierseich,  etwa  9  km  nördlich  von  Darm- 
stadt.  Sie  besteht  aus  19  Hügeln  und  einigen  sehr  flachen  Erhebungen, 
die  erst  bemerkt  wurden,  als  man  im  Winter  daselbst  den  Wald  abtrieb. 
Im  Herbst  1901  wurden  auf  Befehl  des  Grossherzogs  b  derselben  geöffnet 
und  darin  Skeletgräber  der  frühen  Bronzezeit  mit  sehr  wertvollen  Bei- 
gaben, als  Gürtel-  und  Kleiderschmuck  aus  Bronze,  eine  grössere  Halskette, 
zusammengesetzt  aus  Bernsteinperlen  und  dünnen,  röhrenförmigen  Bronze- 
spirälchen,  glatte  und  spiralförmige  Armringe,  Nadeln.  Celte,  Dolche  aus 
Bronze,  sowie  eine  kleine  Zahl  verzierter  Tongefässe  vorgefunden.  Im 
Vergangenen  Eerbste  wurden  wiederum  vier  Hügel  dieser  Gruppe  ge- 
öffnet und  darin  Gräber  derselben  Periode  angetroffen.  Unter  den  Bei- 
gaben nenne  ich  einige;  Tongefässe,  zwei  Messerchen  aus  Feuerstein, 
Bernsteinschnmck.     Rand-   und   Absatzeelt,    drei    Dolche,    Armringe,    zwei 


—      10!)     — 

ganz  enge  Handspiralen,  mehrere  Nadeln  usw       Aach   hier    wurden   keine 
Wandgräber  nachgewiesen. 

Besonderes  Interesse  bot  ein  Hügel,  der  beinahe  am  äussersteii  Fndr 
der  von  NO.  nach  SW.  ziehenden  Gruppe  gelegen  ist,  von  dem  ich  hier 
eine  eingehende  Beschreibung  folgen  lasse. 

Seine  Höhe  betrug  im  Mittel  0,73  m,  der  Umfang  63  vi.  —  Die  Hügel- 
gräber werden  von  mir  in  der  Weise  untersucht,  dass  von  der  Nähe  des 
Randes  aus  1  vi  breite  konzentrische  Gräben  nach  der  Mitte  zu  gezogen 
werden.  Da  der  Hügel  sich  gegen  den  Rand  hin  stark  verflachte,  so  lag 
die  Vermutung  nahe,  dass  er  nicht  nur  bei  Kulturarbeiten  bedeutend  ver- 
breitert worden,  sondern,  dass  auch  bei  starken  Regengüssen  sein  leichtes 
Material  (Flugsand)  abgeschwemmt  worden  sei.  ESs  wurde  aus  diesem 
(J  runde  der  erste  kreisrunde  Graben    etwas    über  (>■//*  von   der  Mitte  ent- 


A 


t'ernt  ausgehoben.  Am  äusseren  Kande  dieses  Grabens  zeigten  sich  in 
dem  weisslichen  Sande  des  Urbodens  fast  allerwärts  beinahe  kreisrunde. 
30 — 40  c?«  im  Durchmesser  haltende  Flecken  ganz  dunkler  Erde  in  4»> 
bis  80  cm  Abstand  von  einander.  Da  sich  in  diesen  regelmässigen  dunklen 
Flecken,  die  noch  25  cm  tief  in  den  gewachsenen  Boden  verfolgt  werden 
konnten-,  auch  ganz  kleine  Kohlenstückchen  zeigten,  so  war  anzunehmen. 
dass  diese  Flecken  von  30 — 40  cm  starken  Holzpfählen  herrührten,  welche 
vor  Zeiten  rings  um  den  Hügel  aufgestellt,  aber  bis  auf  die  angebrannten 
Teile  verwest  waren.  Dies  Anbrennen  oder  Verkohlen  war  wohl  nicht 
geschehen,  um  die  Pfühle  vor  Fäulnis  zu  bewahren,  sondern  um  sie  mit 
der  Steinaxt,  dem  einzigen  Geräte  des  Arbeiters  der  frühen  Bronzezeit 
leichter  bearbeiten  zu  können. 


—     110     — 

Auf  der  Strecke  A,  B  des  beigegebenen  Planes  fehlten  die  Spuren 
der  Pfähle.  Dies  mag  wohl  daher  kommen,  dass  hier  der  Urboden  aus 
sehr  festem  Rotliegenden  besteht,  in  das  man  mit  den  Werkzeugen  der 
frühen  Vorzeit  nicht  eindringen  konnte  und  genötigt  war,  die  Pfosten  oben 
auf  das  Gestein  zu  setzen,  weshalb  ihre  Überreste  auf  dem  über  dem  Rot- 
liegenden befindlichen  Kulturboden  nicht  wahrgenommen  wurden.  Etwa  in 
der  Mittte  zwischen  W-  und  S-Punkt,  bei  C  des  Planes,  zeigte  sich  eine  2  m 
breite  Lücke  in  der  Pfahlstellung,  die  aber  durch  zwei  weiter  nach  innen 
stehende  Pfähle  geschlossen  war;  eine  gleich  breite  Lücke  zeigte  sich  bei  D 
des  Planes. 

Da  ich  in  dieser  Pfahlstellung  Merkmale  einer  Wolmstätte  zu  er- 
kennen glaubte,  wie  ich  sie  (vergl.  Archiv  für  hess.  Geschichte  usw., 
N.  F.,  Bd.  III,  S.  243)  bei  den  Gräbern  der  Hallstattzeit  in  der  Koberstadt 
gefunden  hatte,  so  liess  ich,  um  eine  ganz  genaue  Untersuchung  zu  er- 
möglichen, von  den  Pfählen  aus  nach  der  Mitte  des  Hügels  zu,  in  kon- 
zentrischen Gräben  vorschreitend,  alle  über  dem  gewachsenen  Boden 
lagernde  Erde,  welche  keinen  Anhalt  für  besondere  Untersuchungen  gab, 
über  den  äusseren  Rand  des  ersten  Grabens  werfen. 

Bei  dieser  Arbeit  stiessen  wir  im  südlichen  und  südwestlichen  Teil 
des  Hügels,  etwa  5  m  von  der  Mitte  entfernt,  dicht  bei  den  Pfählen  auf 
mehrere  Grabstätten.  Weiter  im  Innern  fanden  sich  im  Urboden  mehrere 
mit  dunkler  Erde  ausgefüllte  Stellen,  welche  muldenförmig,  meist  in 
der  Richtung  NO.  nach  SW.  30  —  40  cm  tief  eingesenkt  waren.  Ihre 
Länge  betrug  durchschnittlich  2,40  m,  die  Breite  1,15  m,  die  Tiefe 
30  —  45  cm,  bei  einer  sogar  0,65  m  im  gewachsenen  Boden.  Da  diese 
Vertiefungen  weder  Knochenreste  noch  Beigaben  enthielten,  so  ist  es 
fraglich,  ob  wir  sie  für  Grabstätten  halten  dürfen.  Ich  habe  jedoch 
wiederholt  bei  Grabungen  und  auch  in  einem  der  im  letzten  Herbst 
geöffneten  Hügelgräber  ähnliche  Vertiefungen  angetroffen,  die  keine 
Knochenreste  enthielten,  in  deren  Tiefe  aber  Gefässe  aufgestellt  waren, 
die  sie  mit  Gewissheit  als  Grabstätten  kennzeichneten,  in  denen  die  nieder- 
gelegten Leichen  vollständig  verwest  waren.  Es  ist  ja  auch  wiederholt 
vorgekommen,  dass  ganze  Hügelgräber  wohl  einzelne  Tonscherben  und 
Kohlen,  aber  weder  Knochenreste  noch  Beigaben  enthielten.  So  berichtet 
Naue  „Die  Bronzezeit  in  Oberbayern"  von  vielen  Hügeln,  welche  er  leer 
vorgefunden  hat. 

Wie  schon  bemerkt,  waren  aber  5  m  von  der  Mitte,  im  süd- 
und  südwestlichen  Teile  des  Hügels,  wirkliche  Grabanlagen  gefunden 
worden.  Die  erste  lag  etwa  1,30  m  westlich  von  der  Linie  N. — S., 
10  cm  unter  der  Oberfläche,  auf  welcher  Höhe  l>ezw.  Tiefe  wir  wohl  die 
ehemalige  oder  ursprüngliche  Bodenoberfläche  annehmen  dürfen.  Us 
/»•igten  sich  hier  nur  'wenige  Kinderzähnchen,  die  durch  eine  darunter 
liegende  kleine  röhrenförmige  Bronzespirale  grün  gefärbt  waren.  Andere 
Leichenreste  wurden  nicht  vorgefunden.  Die  Spirale  scheint  den  Hals- 
schmuck  des  Bestatteten  gebildet  zu  haben. 

1,80  TW  westlich  davon  und  auf  gleicher  Höhe,  auch  ebenso  weit  von 
der  .Mitte  des  Hügels,  zeigten  sich  in  dunkler  Erde,  in  der  Richtung  von 


—    111    — 

s\\.  nach  NO.,  eine  Menge  stark  verwester  Knochenteilchen  und  5»«  von 
der  Mitte  entfernt  lag  ein  stark  verbogener  Armring  aus  Bronze.  Die 
grosse  Verbreitung  der  Knochenteilchen  lässt  auf  «las  Grab  eines  Er- 
wachsenen schliessen. 

1,30  w  östlich  vorn  ersten  zeigte  sich  rings  von  gewachsenem  Boden  um- 
geben, ein  drittes  Grab  als  eine  dunkle  muldenförmige  Stelle,  <lie  sich  gegen 
1.40  m  tief  unter  die  Oberfläche  verfolgen  liess,  wo  ausser  einigen  Ton- 
scherben zwei  ganz  enge  Handspiralen (?),  die  nur  von  einem  Kinde  getrauen 
werden   konnten,  aufgefunden   wurden. 

Kennzeichnete  sich  der  Hügel  so  weit  als  Grabhügel,  so  fand  sich 
darin  doch  keine  Hauptbestattung,  die  im  allgemeinen  in  der  Mitte  oder 
in  deren  Nähe  angetroffen  wird.  Statt  dieser  stiess  man  daselbst  auf  eine 
von  ONO.  nach  WSW.  ziehende  2,60  m  lange,  2 — 2,20  m  breite  und  gegen 
20 — 25  m  hohe  Schicht  tiefschwarzer  Erde,  vermengt  mit  einzelnen  Kohlen- 
stückchen. Knochenreste  wurden  weder  in  gebranntem  noch  ungebranntem 
Zustande  darin  wahrgenommen,  doch  fanden  sich  mehrere  Scherben  von 
Tongefässen  in  der  nördlichen  Hälfte  der  dunklen  Schicht.  Etwa  in  der 
Fortsetzung  der  Längsrichtung  dieser  Schicht  von  C  nach  NO  des  Planes 
fanden  sich  je  vier  Pfahle  res}),  deren  Merkmale  im  weissen  Urboden 
welche  den  Gesamtraum  in  zwei  ziemlich  gleich  grosse  Hälften  zu  teilen 
schienen. 

Die  Unregelmässigkeit  der  Pfahlstellung  bei  C  veranlasste  mich,  nach- 
dem die  ausgeworfene  Erde  wieder  über  dem  Innern  des  Hügels  angehäuft 
war.  nochmals  einige  Einschnitte  von  aussen  her  in  der  Richtung  gegen 
die  Pfähle  zu  machen  und  ich  fand  allerwärts  eine  zweite  Pfahlstellung 
in  etwa  '_'() — 25  cm  Abstand  von  der  ersten.  Dass  die  Pfahlstellung 
möglicherweise  von  einem  Graben  umgeben  gewesen  sei,  ein  Gedanke, 
den  mir  Herr  Direktor  Schumacher  in  Mainz  nahe  legte  und  der  meiner 
.Meinung  nach  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hatte,  ist  durch  diese 
Grabungen  nicht  bestätigt  worden. 

Was  nun  die  Bedeutung  dieses  eigentümlichen  Hügels  betrifft,  so 
gaben  die  sorgfältigsten  Untersuchungen  keinen  sicheren  Aufschluss.  Der 
Doppelkranz  von  Pfählen  von  ca.  34—35  m  innerem  Umfang  und  das 
Auffinden  eines  bearbeiteten,  obschon  stark  beschädigten  Reibsteins  aus 
Quarz  im  Innern  des  Raumes  scheinen  auf  eine  Wohnstätte  von  grosser 
Ausdehnung  hinzuweisen,  der  alter  die  charakteristischen  Merkmale  der 
Wohnstätten  für  dauernden  Aufenthalt  fehlten.  /..  B.  eine  mit  Lehm 
oder  Letten  festgestampfte  Tenne,  die  Überreste  der  Lehmbekleidung  der 
aus  Stangen  und  Reisig  hergestellten  Wände,  die  mit  Steinen  umstellte 
Feuerstätte,  wie  ich  «lies  bei  anderen  Wohnstätten,  selbst  der  neolithischen 
Zeit,  vorgefunden  habe. 

Auch  muss  man  den  Gedanken  abweisen,  dass  man  in  einein  Wohn- 
hügel eine  Grabstätte  angelegt  habe  ..nach  Analogie  afrikanischer  und 
anderer  Volksstämnie".  worauf  z.  B.  Geheimrat  Wagner-Karlsruhe  auf 
der  Versammlung  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  in  Speier  1896 
bei  Besprechung  von  neolithischen  Funden,  mutmasslich  aus  Wobnstätten, 
in  denen  auch  Menschenknochen  vorkamen,    hinwies.     (Korresp.-Blatt   der 


—     112     — 

deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie  usw .,  Jahrg.  XXY1I,  189G.  S.  132.) 
Hierzu  erwiderte  damals  Rudolf  Virchow  (a.  a.  0.,  8.  134):  „Die 
Gewohnheit,  die  Toten  in  ihren  Hütten  zu  bestatten,  schliesst  ein,  dass 
die  Hütten  nachher  verlassen,  nicht  mehr  weiter  bewohnt,  sondern  ge- 
schlossen werden,  und  so  verbleiben  bis  zu  einem  gewissen  Termin,  wo 
die  Knochen  wieder  ausgegraben  und  in  anderer  Weise  verwendet  werden. 
Es  ist  dies  keine  definitive  Bestattung,  sondern  nur  ein  temporärer  Akt." 
Es  wäre  dies  also  eine  Maceration  und  Virchow  hatte  dabei  vielleicht 
die  roten  Höhlen  bei  Mentone  im  Auge,  wo  man  nach  Cartailhac 
Knochengerüste  in  den  Höhlen  beisetzte  die  nach  wie  vor  auch  von  den 
Lebenden  bewohnt  worden  seien.  „Wohnstätten  ähnlich"  sind  nach 
Herodot,  Buch  IV,  71,  auch  die  Grabstätten  der  Könige  der  Skythen. 

Doch  weisen  wieder  die  im  südlichen  Teile  des  Hügels  gefundenen 
drei  Gräber  und  vier  muldenförmigen  Vertiefungen  auf  einen  Grabhügel 
hin,  in  welchem  eine  Hauptbestattung  fehlt,  die  sich  in  dem  Innern  des 
von  Pfählen  umschlossenen  113  qm  messenden  Raumes  hätte  vorfinden 
müssen.  Sollten  in  diesem  Hügel  vielleicht  nur  arme  Leute  des  Stammes 
bestattet  sein  und  der  grosse  Brandplatz  im  Innern  als  Opferstätte  ge- 
dient haben? 

Die  Pfähle  konnten  ebensowenig  einen  Verbrennungsplatz  umschlossen 
haben,  wie  man  nach  der  grossen  in  der  Mitte  liegenden  Brandschicht 
vermuten  könnte,  da  sich  in  den  bis  jetzt  geöffneten  Hügeln  und  nament- 
lich in  verschiedenen  Brandmassen,  die  sich  an  manchen  Stellen  des 
Innern  zeigten,  nirgends  Spuren  von  gebrannten  Knochen  vorgefunden 
haben. 

Schliesslich  könnte  man  noch  auf  den  Gedanken  geraten,  dass  es  nur 
eine  Opferstätte  gewesen  sei,  die  man  als  Heiligtum  vor  der  Umgebung 
abgeschlossen  habe.  Doch  hat  auch  dies  seine  Bedenken,  da  man  nicht 
weiss,  was  man  in  diesem  Falle  von  den  drei  Gräbern  am  Rande  der 
Pfostenstellung  zu  halten  hat. 

Es  bleibt  meiner  Meinung  nach  nur  die  Hoffnung,  dass  die  Unter- 
suchung der  8  resp.  15  noch  unberührten  Hügel  der  Gruppe  den  ge- 
wünschten Aufschluss  über  die  Bedeutung  der  Anlage  bringen  wird. 

PS.  Leider  ist  diese  Hoffnung  nicht  in  Erfüllung  gegangen,  denn 
bei  der  Öffnung  der  unmittelbar  angrenzenden  Grabhügel,  welche  in  diesem 
Sommer  im  Beisein  und  unter  Beteiligung  Sr.  Königl.  Hoheit  des  Gross- 
herzogs stattfand,  sind   keine  weiteren  Aufschlüsse  gewonnen  worden. 

(14)    Hr.  A.  (iötze  spricht  über 

Monolithgräber. 

Bei  Ausgrabungen,  welche  ich  vor  einiger  Zeit  bei  Pinnow  im  Kreis 
Angermünde  vornahm,  fand  ich  neolithische  Gräber,  deren  Form  mir  noch 
unbekannt  war,  welche  aber  einen  besonderen'  Typus  darzustellen  scheinen. 
Zunächst  seien   meine  Pinnower  Beobachtungen   mitgeteilt. 

1.  Im  Jahn;  1897fand  ich  mitten  meinem  hallstattzeitlichen  Gräber- 
leide    einen   grossen    Findling,    dessen   Oberkante  0,55  ra    unter  der  Ober- 


—     113    — 


LÄ/v\aaaJyi\.  vom  -o-6-e-i*. 


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fläche  lag  (Fig.  1),  er  bedeckte  ein  menschliches  Skelett,  und  zwar  einen 
auf  der  linken  Seite  mit  dem  Kopf  nach  Süden  liegenden  Hocker,  dessen 
Oberschenkel  rechtwinklig  zur  Körperachse  gerichtet  waren.  Der  Stein 
bedeckte  das  Skelett  nicht  vollständig,  sondern  reichte  nur  vom  Hals 
bis   auf   das    Becken. 

Beigaben  wurden  Fig.  1.  Fig.  1. 

nicht  beobachtet,  wes- 
halb ich  dem  Grabe 
mangels  jeglicher  Da- 
tierbarkeit  zunächsl 
keine  grosse  Bedeu- 
tung beimass.  Nur 
we»;en  der  eigentüm- 

liehen  Lage  des 
Schädels  zitierte  ich 
das  Grab  als  Parallele 
zu  einem  andern  neo- 
lithischen  Grabe  bei 
Ketzin    (Zeitschrift  f. 

Ethnol.  1900,  S.  146).  Der  Schädel  befand 
sich  nämlich  nicht  in  seiner  natürlichen 
Lage,  sondern  stand  auf  der  Schädelbasis 
und  blickte  nach  Süden,  also  in  die  Ver- 
längerung der  Längsachse  des  Skelettes. 

Im  Jahre  1902  setzte  ich  die  Aus- 
grabungen auf  jenem  Uräberfelde  fort, 
wobei  ich  etwas  südlich  von  dem  oben  er- 
wähnten Grab  noch  zwei  ähnliche  Anlagen 
(Nr.  2  und  3)  fand. 

2.  Grosser,  randlicher  Findling,  Ober- 
kante 0,15  m  tief.  Unter  dem  Stein  be- 
findet sich  in  einer  Tiefe  von  0,80  m  eine 
Schicht  gemischten  Sandes  von  2  m  Lunge 

und  1  m  Breite;  und  in  dieser  unter  der  westlichen  und  nördlichen  Kante 
des  Steines  je  ein  Tongefäss  (Fig.  2  —  4).  Beide  Gefässe  bestehen  aus  grauem 
Ton  mit  einer  Beimengung  vieler  und  grosser  Steinbrocken;  die  Aussen- 
fläche  ist  mit  feinem  braunen  Ton  über  fangen.  An  (iet'üss  Fig  3  befindet 
sich  der  Ansatz  zu  einem  abgebrochenen  Henkel  oder  Zapfen;  Fig.  4 
besitzt  4  Schnurösen. 

3.  Grosser,  dreieckiger  Findling  von  0,95  m  Länge,  0.75  ;//  Breite 
und  0,4f>  m  Dicke,  dessen  Oberkante  im  Niveau  der  Brdoberfläche  liegt. 
Unter  dem  Stein  befindet  sich  wiederum  eine  Beb. wachgemischte  Sand- 
schicht ohne  deutlich  abgesetzte  Iniramlung.  In  ihr  liegen  unter  der  süd- 
lichen Kante  des  Steines  ein  Flintmesser  und  etwas  ausserhalb  der  Nord- 
ostkante ein  Aschennest  mit  einigen  kleinen  roten  Tonselierl>en.  einem 
Flintmesser,    einem    Hohlschaber   und    einem    geringen    Schaber  (Fig.  5). 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahre.  1904.  8 


'Z'ssyyy/s:  o  so 


—     114     — 

Die  Scherben  stammen  von  einem  Gefäss  aus  demselben  Material  wie  die 
vorigen;  unter  dem  Rand  läuft  eine  horizontale  Kante. 

Wenn  auch  bei  Nr.  2  und  3  keine  Skelettreste  vorhanden  waren,  so 
haben  doch  die  Funde  ganz  den  Charakter  von  Grabbeigaben;  bei  der 
nur  mangelhaften  Bedeckung  durch  einen  grossen  Stein  ist  das  gänzliche 
Verschwinden  der  Skelette  in  dem    leichten   Sandboden    leicht    erklärlich. 

Man  hat  es  hier  offenbar  mit  einem  neuen  Gräbertypus  der  neo- 
lithischen  Zeit  zu  tun,  welcher  dadurch  charakterisiert  ist,  dass  ein  grosser 
Findling  auf  die  Leiche  (Hocker)  gewälzt  wurde.  Von  einem  Schutz  für 
die  Leiche,  von  einer  liebevollen  Bergung,  wie  sie  sich  in  der  Beisetzung 


Fi<r. 


Fi-    !. 


Vis.  5. 


beispielsweise  in  den  Steinkisten  zeigt,  ist  hier  keine  Rede,  der  Vorgang 
verrät  vielmehr  eine  gewisse  Brutalität.  Man  könnte  auf  den  Gedanken 
kommen,  dass  das  Aufwälzen  des  Steines  eine  Massnahme  des  Schutzes 
weniger  für  den  Verstorbenen  als  vielmehr  für  die  Überlebenden  gegen 
das  spukhafte  Aufstehen  des  Toten  sein  sollte. 

Ich  hatte  schon  früher  darauf  hingewiesen,  dass  die  Sitte  der  hockenden 
Beisetzung  in  gewissen  Fällen  möglicherweise  auf  eine  Umschnürung  der 
Leiche  zurückzuführen  ist,  welche  das  Wiederaufstehen  und  Spuken  des 
Toten    verhindern    sollte.1)      Dieselbe    Idee    des    Yainpyristnus    liegt    nun 

1)  Über  Hockergräber.  Centralblatt  für  Anthrop.  1899  S.  321  ff.  Denselben  Ge- 
danken hat  Schötensack  zwei  Jahre  später  in  den  Verhdl.  d.  Berl.  anthrop.  Ges.  (1901 
S.  522ff.)  ausgesprochen,  ohne  meine  Arbeit  mit  einem  Worte  zu  erwähnen. 


—     115     — 

möglicherweise  auch  (\on  in  den  Pinnower  Gräbern  erscheinenden  Brauch 
zu  Gründe,  einen  grossen  Steinblock  auf  die  Leiche  zn  wälzen. 

Das  charakteristische  Moment  für  diese  Gräber  ist  jedenfalls  der 
einzige  grosse  Steinblock  und  ich  erlaube  mir  deshalb  für  diesen  Gräber- 
typus die  Bezeichnung  „Monolithgräber*  vorzuschlagen. 

Ob  es  sich  um  eine  lokale  Erscheinung  handelt,  oder  um  eine  weiter 
verbreitete  Sitte,  über  welche  nur  noch  nicht  hinreichend  Beobachtungen 
vorliegen,  wird  die  Zukunft  lehren. 

Möglicherweise  bezieht  sich  eine  Notiz  v.  Ledeburs  (Die  heid- 
nischen Altertümer  des  Regierungsbezirks  Potsdam,  S.  84)  auf  ein  solches 
Monolithgrab.  Er  sagt  von  einem  Funde  bei  Sydow,  Kr.  Oberbarnim, 
folgendes:  „Auf  der  Grenze  der  Hufstücke,  den  Bauern  Freitag  und 
Hennig  gehörig,  lag  ein  Opferstein,  der  kürzlich  gesprengt  worden  ist. 
Auch  bei  dieser  Gelegenheit  fand  man  Urnen  und  in  denselben  drei 
Schmalmeissel  von  Feuerstein  von  5-6  Zoll  Länge  mit  \lj2  Zoll  Breite, 
von  denen  der  Schmidt  Opitz  und  Tischler  Metzloff  jeder  einen 
besitzt." 

Über  eine  gleiche  Anlage,  allerdings  aus  einer  sehr  entfernten  Gegend 
berichtet  Schaaffhausen  (Bonner  Jahrbücher,  Heft  44,  S.  114).  Hier- 
nach wurde  bei  Niederingelheim  ein  Grab  gefunden,  in  welchem  die  Leiche 
in  hockender  Stellung  beigesetzt  war;  über  der  Öffnung  des  Grabes  lag 
etwa  1  72  Fuss  unter  der  Oberfläche  ein  runder  Stein  von  3  Fuss  Länge 
und  2  Fuss  Breite.  Dabei  fanden  sich  kleine  Feuersteinmesser,  ein  kleines 
3  Zoll  langes  Beil  aus  Taunusschiefer  (a.  a.  O.,  Taf.  IV,  Fig.  7)  und  ein 
etwa  8  Zoll  langer  und  1 1/2  Zoll  dicker  Meissel  aus  Tonschiefer  (a.  a.  0., 
Fig.  6). 

(15)    Hr.  A.  Götze  demonstriert  einen 

Böschungsmesser. 

Das  Messen  von  Höhenunterschieden,  Profilen,  Böschungen  u.  dergl. 
bei  archäologischen  Untersuchungen  verursacht  gewisse  Schwierigkeiten. 
Man  behilft  sich  entweder  mit  sehr  primitiven,  aber  darum  auch  ungenau 
wirkenden  Hilfsmitteln  wie  Einvisieren  von  Latten  oder  einfacher  Schätzung 
des  Böschungswinkels  oder  aber  man  ist  gezwungen,  sein  Reisegepäck 
mit  Nivellierinstrument  oder  Tachygraph  zu  belasten  und  auf  die  Messungen 
viel   Zeit   zu    verwenden. 

In  manchen  Fällen  ist  der  Gebrauch  der  Letztgenannten  Instrumente 
ganz  bedeutend  erschwert,  so  beispielsweise  bei  der  Vermessung  von 
Wallburgen  im  bergigen  und  mit  Wald  und  Buschwerk  bestandenem  Ge- 
lände. Aus  diesem  Bedürfnis  heraus  habe  ich  mir  nun  einen  Apparat 
konstruiert,  der  bei  leichtem  Transport  und  einfacher  Handhabung  ge- 
nügend genaue   Resultate  ergibt    und    dessen   Beschreibung  nunmehr  folgt. 

Der  „Böschungsmesser"  (s.  Abb.)  besteht  aus  einem  grossen  Zirkel, 
dessen  Schenkel  in  ihrer  Stellung  zu  einander  beim  Gebrauche  feststehen 
und  eine  gewisse  Spannweite  haben.  Aus  dem  Scheitelpunkte  des  Zirkels 
hängt  ein   Fadenlot  herab,    welches    längs  einer  die   beiden  Schenkel  ver- 


—     116     — 

bindenden  Platte  pendelt.  Die  Platte  trägt  eine  Graduierung,  auf  welcher 
das  Fadenlot  die  Erhebimg  des  einen  Schenkels  über  die  Horizontale 
anzeigt. 

Die  Anwendung  des  Böschungsmessers  geht  folgendermassen  vor  sich: 
Der  eine  Schenkel  wird  am  Fusspunkt  der  zu  messenden  Böschung 
(Punkt  a),  der  andere  Schenkel  nach  oben  auf  der  Fläche  der  Böschung 
(Punkt  b)  aufgesetzt.  Das  Fadenlot  zeigt  nun  beispielsweise  eine  Er- 
hebung des  zweiten  Schenkels  von  0,40  vi,  welche  Zahl  notiert  wird. 
Hierauf  setzt  man  den  ersten  Schenkel  auf  Punkt  b  ein  und  greift  mit 
dem  zweiten  Schenkel  weiter  nach  oben,  nach  Punkt  c.  Die  Erhebung 
des  zweiten  Schenkels  über  dem  Fusspunkte  des  ersten  soll  jetzt  0,30  m 
betragen. 

Man  fährt  so  fort  und  ermittelt  eine  Reihe  Zahlen,  vermittels 
welcher  nun  die  Böschung  auf  Millimeterpapier  in  verkleinertem  Mass- 
stabe   eingetragen    werden    kann.      Gesetzt    den    Fall,    dass     die    Spann- 


weite des  Böschungsmessers  lV2  m  beträgt,  so  nimmt  man  dieses  Mass 
in  entsprechender  Verkürzung  in  den  Zirkel,  beschreibt  von  Punkt  a' 
aus  einen  Kreisbogen,  welcher  die  0,40  m  -  Horizontale  über  der  a'- 
Horizontale  in  Punkt  b'  schneidet.  Hierauf  beschreibt  man  von  diesem 
Schnittpunkt  aus  wiederum  einen  lx/2  »»-Kreisbogen  (in  entsprechender 
Verkürzung),  welcher  die  0,40  -f-  0,30  m  -  Horizontale  im  Punkt  c' 
schneidet.  Wenn  man  so  fortfährt  und  dann  die  Schnittpunkte  mit  ein- 
ander  verbindet,  erhält  man  die  entsprechend  verkleinerte  Zeichnung  der 
in  kleine,  gradlinige  Abschnitte  zerlegten  Böschung  sowohl  nach  ihren 
Neigungswinkeln  wie  nach  ihrer  Länge.  Zugleich  kann  man  die  Höhe 
der  Böschung  an  jedem  einzelnen  Punkt  und  ihre  gesamte  Länge  und 
jeden  Teilabschnitt  auf  dem  Millimeterpapier  ablesen. 

Für  das  Bedürfnis  grösserer  oder  geringerer  Spannweiten  kann  der 
Böschungsniesser  in  verschiedenen  (J rossen  angefertigt  werden.  Es  kann 
al.cr  auch  der  einzelne  Böschungsmesser  so  hergestellt  werden,  dass  er  je 
nach  Bedarf  für  grössere  oder  geringere  Spannweiten  benutzt  werden 
kann.     Hierzu  ist  erforderlich,  dass  die  beiden  Schenkel  in  einem  Scharnier 


—     117     — 

beweglich  sind  und  dass  die  graduierte  Platte,  um  eine  grössere  oder  ge- 
ringere Spreizung  der  Schenkel  zu  verursachen,  in  grösserer  oder  ge- 
ringerer Länge  beim  Gebrauch  eingezapft  wird.  Kim-  jede  derartige  Ver- 
änderung der  Spannweite  bedingt  nun  eine  verschiedene  Gxaduierung,  es 
müssen  also  auf  jeder  Platte  verschiedene  Graduierungen  angebracht  sein. 
Durch  angestellte  Versuche  habe  1  <-l  i  eine  Spannweite  von  \ll2m  für  unsere 
Zwecke  als  praktisch  erfunden;  ausserdem  ist  das  Instrument  zum  Ein- 
stelleu auf  1  m  Spannweite  eingerichtet. 

Die  Verbindung  der  Schenkel  auf  einem  Scharnier  und  der  lose  Ver- 
band der  graduierten  Platte  mit  den  Schenkeln  ermöglichen  einen  be- 
quemen Transport  des  Instrumentes,  indem  man  die  Platte  an  dem  einen 
Ende  auszapft,  an  den  Schenkel  lieranklappt  und  die  beiden  Schenkel  zu- 
sammenklappt. 

Die  Hauptvorteile  des  Instrumentes  sind:  einfache  Handhabung  (es 
kann  von  einer  einzigen  Person  bedient  werden),  schindle  Arbeit,  leichte 
Anwendung  in  unübersichtlichem  Gelände,  bequemer  Transport,  billige 
Herstellung.  In  manchen  Fällen,  in  denen  es  auf  grosse  Genauigkeit  an- 
kommt, wird  man  freilich  das  Nivellierinstrument  nicht  entbehren  können. 

Es  dient  namentlich  zur  Aufnahme  und  Herstellung  des  Grundrisses 
von  Wallburgen  und  ähnlichen  Anlagen,  bei  denen  es  auf  die  Darstellung 
etwaiger  Niveau-Unterschiede  ankommt  und  bei  denen  diese  Unterschiede 
so  gross  sind,  dass  ein  einfaches  Ausmessen  mit  «lern  Bandmass  oder  der 
Kette  keine  genügenden  Resultate  geben  würde.  Hierbei  steckt  man  sicli 
zunächst  eine  Linie  in  der  langen  Axe  und  rechtwinklig  auf  diese  Quer- 
linieu  in  genügender  Anzahl  ab. 

Eine  weitere  Verwendung  des  Böschungsmessers  ist  die,  dass  er  in 
ebenem  Gelände  als  einfacher  Erdzirkel  zum  schnellen  Ausmessen  von 
Entfernungen  in  der  Horizontale  benutzt  werden  kann  und  so  immer  noch 
sicherere  Resultate  ergibt  als  Abschreiten.  — 

(lt))    Hr.  Götze  spricht  über 

Brettchenweberei  im  Altertum. 
Der  Vortrag  wird  später  erscheinen.  — 

(17)    Hr.  Klaats  eh -Heidelberg  demonstriert  eine  Sammlung 

fossiler  Knochen  aus  der  Heiurichshöhle  bei  Sundwig. 

Es  ist  an  die  Anthropologische  Gesellschaft  ein  Material  von  fossilen 
Knochen  gesandt  worden,  welche  aus  dem  westfälischen  Sauerlande  stammen. 
und  zwar  aus  einer  Höhle  in  der  Nähe  von  Sundwig,  der  berühmten 
Heinrichshöhle.  Da  ich  im  vorigen  Jahre  selbst  in  dieser  Gegend  war  und 
einige  dieser  Höhlen  besucht  habe,  hat  mich  Hr.  Lissauer  gebeten,  diese 
Funde  hier  vorzulegen.  Wir  verdanken  die  Funde  und  ihre  Obersendung 
dem  Hm.  Dr.  .Macholl  in  Hemer  bei  Iserlohn,  der  den  Gastwirt  in 
Sundwig  veranlasst  hat,  die  Knochen  hierher  zu  schicken.  Die  Knochen 
sind  recht  gut  erhalten  und  es  ist  ohne  weiteres  leicht,  ihre  Zugehörigkeit 
zu    bestimmen.     Sie    gehören    fast    durchweg    dem   Höhlenbären    an.    von 


—     118     — 

welchem  zwei  Schädel  vorliegen.  Der  eine  ist  ziemlich  intakt,  der  andere 
ist  verletzt,  es  fehlen  die  oberen  Teile  ganz,  auch  die  vorderen  Partien 
sind  nur  unvollkommen  erhalten.  Ferner  sind  eine  Reihe  von  Humeri 
vorhanden,  eine  Ulna,  einige  Wirbel  und  auch  der  Unterkiefer  vom 
Höhlenbären.  Sehr  schön  ist  ein  fast  ganz  erhaltener  Schädel  der  Höhlen- 
hyäne,  nur  auf  einer  Seite  ist  ein  Stück  herausgebrochen.  Auch  ein 
Epistropheus  gehört  zu  diesem  Skelett.  Dann  liegt  vom  Mammut  ein 
Fragment  des  Oberarmknochens  vor.  Diese  Stücke  müssen  stets  im  Auge 
behalten  werden  für  weitere  prähistorische  Forschungen.  Die  Gegend,  aus 
der  die  Funde  stammen,  hat  schon  manches  geliefert,  und  es  ist  wohl 
nicht  unmöglich,  dass  dort  noch  Funde  gemacht  werden,  die  für  den 
Menschen  von  Bedeutung  sind.  Die  Heinrichshöhle  selbst,  in  der  diese 
Knochen  gefunden  worden  sind,  hat  bisher  keine  Spuren  der  Anwesenheit 
des  Menschen  geliefert.  Es  lagen  diese  Knochen,  wie  der  Bericht  mit- 
teilt, unter  einer  dicken  Tropfsteinschicht.  Es  sind  auch  früher  schon 
Höhlenbärenskelette  in  dieser  Höhle  aufgedeckt  worden;  eins  derselben 
ist  nach  London  gekommen. 

Die  Heinrichshöhle  liegt  nicht  weit  vom  Hönnetale,  und  gerade  dieses 
Hönnetal  hat  durch  die  Baiverhöhle  seine  Berühmtheit  erlangt.  Die 
Hönne  ist  ein  Nebenfluss  der  Ruhr,  der  sich  von  Süden  her  in  diese  er- 
giesst.  Nicht  weit  von  Iserlohn  entfernt  liegt  das  Örtchen  Hemer,  und  in 
der  Nähe  liegt  Sundwig.  Sundwig  ist  vom  Hönnetal  durch  einen  Höhenzug, 
die  Baiverhöhe,  getrennt.  Unmittelbar  in  der  Nähe  von  Sundwig  liegt  die 
Heinrichshöhle.  Auf  dem  Wege  von  Balve  abwärts  im  Tale  liegt  die  grosse 
Baiverhöhle,  und  es  kommen  noch  eine  Reihe  von  Höhlen  hinzu,  unter 
denen  namentlich  die  Klusensteiner  und  die  Feldhofshöhle  bekannt  ge- 
worden sind,  die  schon  durch  Virchow  untersucht  wurden.  Wir  müssen  über- 
haupt hier  der  Untersuchungen  Virchows  gedenken,  die  er  im  Jahre  1870 
in  dieser  Gegend  gemacht  und  in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  veröffentlicht 
hat.  Ferner  haben  diese  Höhlen  erforscht  von  Dücker  und  Nehring, 
der  im  Anschluss  an  Virchow  eine  Mitteilung  über  die  Funde  der  Tier- 
knochen gemacht  hat.  Die  Baiverhöhle  ist  zweifellos  die  interessanteste 
von  allen  diesen  Höhlen,  die  in  Betracht  kommen,  und  auch  landschaftlich 
ist  sie  die  schönste  in  Deutschland.  Es  ist  eiu  grosses  Portal  dort  frei- 
gelegt, sodass  viele  hundert  Menschen  dort  Platz  haben  und  die  Schützen- 
feste dort  gefeiert  werden  können.  Die  Grotte  ist  vollständig  ausgeräumt 
bis  auf  die  hintersten  Partien,  wo  vielleicht  noch  etwas  gefunden  werden 
kann.  Das  Material  ist  teils  nach  London,  teils  nach  Balve  selbst 
gekommen.  In  diesem  kleinen  Örtchen  befindet  sich  ein  Museum,  das 
eigentlich  dort  deplaziert  ist;  denn  es  wird  sehr  selten  besucht.  Als  ich 
nach  Balve  wanderte,  um  das  Museum  zu  besuchen,  war  der  Beamte,  der 
es  verwaltete,  sehr  erstaunt,  dass  ein  Gelehrter  sich  darum  kümmerte. 
Und  das  ist  sehr  unrecht.  Denn  die  Schätze  dort  sind  bedeutend;  es 
sind  viele  Knochen  vorn  Höhlenbären  dort  aufbewahrt.  Es  sind  in  der 
Baiverhöhle  Dicht  nur  Spuren  der  Anwesenheit  des  Menschen  überhaupt, 
sondern  auch  Feuersteinartefakte  gefunden  worden.  Virchow  hat  damals 
eine  genaue  Beschreibung  der  Schichten  gegeben.    Aus  dieser  Beschreibung 


—     L19     — 

ergibt  sich  nach  den  jetzigen  neueren  Vorstellungen  soviel,  dass  eine 
bestimmte  Stratigraphie  dort  vorhanden  gewesen  ist  und  dass  unter  einer 
oberflächlichen  Schicht,  die  zweifellos  zusammen  gemischt  neolithische 
Funde  mit  späteren  Kulturfunden  birgt,  eine  Schicht  lag,  wo  Renntierfunde 
gemacht  wurden.  Hier  hat  Virchow  keine  Spuren  menschlicher  Einwirkung 
finden  können,  wohl  aber  Kohlenreste.  Darunter  ist  eine  Schicht  gefunden 
worden,  wo  Mammutzähne  Lagen.  Über  diese  Schicht  macht  Virchow  in 
seiner  Originalarbeit  folgende  Bemerkung1):  „Auch  fand  ich  in  der  Mitte 
dieser  Schicht,  unter  einem  grossen  Stosszahn  von  Mammut  einen  glatten. 
scharfkantigen  Kieselschiefer,  dessen  Kanten  allerlei  Ausbuchtungen  wie 
Schlagmarken  darboten.  Ich  erwähne  dies,  ohne  den  Fund  für  entscheidend 
zu  halten/'  Ich  weiss  nicht,  wo  diese  Stücke  hingekommen  sind.  Einige  sind  in 
Balve,  andere  liegen  I  »est  i  mint  in  Bonn,  wie  mir  Hr.  Hahne  gesprächsweise  mit- 
geteilt hat;  sie  befinden  sich  in  der  archäologischen  Sammlung  im  Provinzial- 
museum  in  Bonn.  Nach  seiner  Meinung  dürften  sie  einer  späteren  Periode 
angehören.  Es  ist  wohl  möglich,  dass  sie  aus  der  Kenntierschicht  stammen; 
näheres  ist  darüber  nicht  bekannt.  Nun  hat  Virchow  in  der  Klusensteiner 
Höhle  bearbeitete  Knochenstücke  vom  Höhlenbären  gefunden,  so  dass  wir 
die  Hoffnuno'  nicht  aufgeben  dürfen,  dass  im  Hönnetal  noch  andere  Funde 
gemacht  werden.  Zum  Besuche  des  Hönnetales  veranlasste  mich  eine 
landschaftliche  Beschreibung  desselben.  Es  führt  ein  landschaftliches 
Bild  vor  die  Augen,  das  an  die  Gegend  der  belgischen  (I rotten  erinnert. 
Wenn  ich  irgend  ein  Tal  in  Deutschland  mit  dem  Tal  der  Lesse  ver- 
gleichen kann,  so  ist  es  das  Hönnetal  mit  seinen  aufragenden  Kalkwänden. 
Wir  haben  also  allen  Grund,  die  Untersuchungen,  die  in  dieser  Gegend 
gemacht  wrerden,  zu  unterstützen,  und  in  diesem  Sinne  glaubte  ich  diese 
Knochen  vorlegen  zu  sollen,  um  für  die  Fortführung  der  Untersuchungen 
in   der  Heinrichshöhle  und  in  den  anderen  Grotten  zu  wirken.  — 

(18)    Hr.  Hauthal-La  Plata  spricht  über 
Die    Bedeutung    der   Funde    in    der   Grypotheriumhöhle    bei    Ultima 
Esperanza   (Südwestpatagonien)   iu   anthropologischer   Beziehung. 

Eine  Stunde  östlich  vom  Puerto  Consuelo  am  Fjord  Ultima  Esperanza 
erhebt  sich  ein  isolierter  Höhenzug  bis  zu  (500  m  Meereshöhe.  An  dem 
steilen,  nach  Südwesten  gewandten  Abhänge  dieses  Höhenzuges  befindet 
sich  in  der  Höhe  von  160  m  über  dein  Meere  eine  Terrasse,  und  im 
Niveau  dieser  Terrasse  sind  mehrere  Höhlen,  nischenartig  in  den  Berg 
hinein  sich  erstreckend.  Sie  sind  sehr  wahrscheinlich  Wirkung  der  Meeres- 
brandung; dafür,  dass  das  Meer  früher  hier  bedeutend  höher  stand,  sind 
zahlreiche  Spuren  vorhanden. 

In  den  beiden  grössten  Höhlen  sind  vor  einigen  Jahren  Funde  ge- 
macht worden,  die  die  Aufmerksamkeil  in  hohem  Masse  auf  sich  zogen. 
da  sie  geeignet  erscheinen,  einiges  Licht  auf  die  mich  in  so  tiefes  Dunkel 
gehüllten  prähistorischen  Bewohner  Südpatagoniens  zu  werfen. 

Vor  allen  Dingen   kommen   in   Betracht  die  in  der  grössten  Höhle  _ 

ii  Diese  Zeitschrift"  11.  L870,  8.  364. 


—     120     — 

machten  Funde,  deren  Bedeutung  aber  nur  dann  richtig  erkannt  werden 
kann,  wenn  zuvor  erst  die  örtlichen  Verhältnisse  in  der  grossen  Höhle 
klargelegt  worden  sind. 

Die  grosse  Höhle  erstreckt  sich  180  m  tief  in  den  Berg,  ist  80  m 
breit  und  vorn  30 — 40  m  hoch. 

Das  Gestein  des  Berges  ist  ein  Konglomerat  mit  dünnen  Lagen  eines 
feinen  Sandsteines,  es  bildet  einen  flach  gewölbten  Sattel. 

Von  der  Decke  herabgefallene  Trümmer  bilden  einen  Schuttwall, 
welcher  die  Höhle  in  zwei  Räume  teilt.  In  dem  kleineren,  hinteren 
Räume  ist  der  Boden  mit  mehr  oder  minder  lehmigem  Sande  bedeckt, 
seine  Mächtigkeit  ist  bisher  nicht  festgestellt  worden.  Grabungen,  die 
hier  im  hinteren  Räume  vorgenommen  wurden,  haben  bisher  keine  Aus- 
beute ergeben. 

Ganz  anders  verhält  sich  der  vordere,  grössere  Raum;  die  hier  vor- 
genommenen Grabungen  haben  eine  reiche  Ausbeute  von  Resten  lebender 
und  ausgestorbener  Tiere  sowie  von  Gegenständen  ergeben,  die  darauf 
hinweisen,  dass  dieser  Teil  der  Höhle  dauernd  von  Tieren  und  Menschen 
als  Wohnung  benutzt  wurde,  und  zwar  lebten  dieselben  in  getrennten 
Räumen. 

Die  Verhältnisse  in  dem  vorderen  Räume  sind  die  folgenden:  Ein 
etwa  5  m  hoher  Hügel  erhebt  sich  in  der  vorderen  Hälfte;  zwischen  dem 
hinteren  Fuss  dieses  Hügels  und  dem  vorhin  erwähnten  Schuttwall  ist  ein 
30 — 35  m  breiter,  ebener  Raum,  der  sich  dadurch  von  den  zu  beiden 
Seiten  des  Hügels  befindlichen  Räumen  unterscheidet,  dass  er  mit  einer 
bis  2  m  mächtigen  Mistschicht  bedeckt  ist,  in  welcher  Schicht  regellos 
zerstreut  Knochen  und  Fellstücke  von  lebenden  und  ausgestorbenen  Tieren 
liegen;  in  diesem  Räume  hielten  sich  hauptsächlich  die  Tiere  auf. 

Betrachten  wir  nun  die  beiden  Räume,  welche  zu  beiden  Seiten  des 
Hügels  gelegen,  so  ergibt  sich,  dass  die  Mistschicht  nur  noch  in  den  linken 
Seitenraum  etwas  hineingreift,  aber  schon  bald  von  einer  Aschenschicht, 
von  Feuerstellen  der  alten  Höhlenbewohner  herrührend,  bedeckt  wird. 
Wo  diese  Aschenschicht  die  Mistschicht  bedeckt,  da  ist  erstere  stets  zu 
einer  dunklen  Aschenerde  verkohlt. 

In  dem  rechten  Seitenraume  ist  keine  Spur  einer  Mistschicht  vor- 
handen; hier  besteht  der  Boden  aus  einer  Aschenschicht,  gemischt  mit 
Höhlenschutt  und  zwar  bis  zu  einer  Mächtigkeit  von  über  1  m. 

Die  Bodenbeschaffenheit  sowie  die  gleich  näher  zu  betrachtenden 
Funde  weisen  darauf  hin,  dass  beide  Seitenräume  (zunächst  der  rechte, 
später  auch  der  linke)  ausschliesslich  den  Menschen  zum  Aufenthalte 
dienten. 

Die  Ausgrabungen,  welche  in  dem  zwischen  Hügel  und  Schuttwall 
befindlichen,  mit  der  aus  zertretenen  Exkrementen  bestehenden  Mistschicht 
angefüllten  Räume  vorgenommen  wurden,  haben,  wie  schon  oben  erwähnt, 
fast  ganz  ausschliesslich  Reste  von  Tieren  ergeben;  von  lebenden  Tieren 
wiegen  vor  Hirsch  und  Guanako,  und  unter  den  neun  ausgestorbenen  Tier- 
arten, ein  grosses  Huftier,  zwei  grosse  Nager,  Arctotherium,  Macrauchenia 
patagonica,  Canis  avus,  Felis  Listai,  Onohippidium  Saldiasi.  Scelidotheriuni, 


—     121     — 

Grypotherium  Darwini,  sind  es  besonders  die  Reste  des  letzteren  Tieres, 
die  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehen.  Die  Reste  dieses  Tieres  sind 
identiscli  mit  dem  schon  früher  aus  der  Pampasformation  der  Provinz 
Buenos  Aires  bekannten  fossilen  and  von  Reinhard  beschriebenen  Grypo- 

therium  Darwini;  ein  Edentat  von  der  Grösse  einer  Kuh,  der  sich  dadurch 
auszeichnet,  dass  in  der  Haut  viele  kleine,  etwa  bohnengrosse  Knöchelchen 
eingebettet  sind,  die  eng-  aneinander  liegen  und  reihenweise  geordnet  sind, 
etwa  so  wie  die  Steine  einer  gepflasterten  Strasse.  Von  diesem  Grypo- 
therium  sind  gefunden  worden  mehrere  Schädel,  Unterkiefer,  Beinknochen, 
Rippen,  Schulterblätter,  Klauen  und  andere  Knochen,  ganze  Kotballen 
sowie  mehrere  grössere  Hautstücke;  das  grösste  vom  Verfasser  gefundene 
misst  J.10X  1  m  und  ist  an  den  Rändern  stark  zusammengefaltet.  Dieses 
Fellstück  lag,  mit  der  Haarseite  nach  oben  unter  einem  grossen  Blocke, 
etwa.  1  vi  tief  in  zerstampfter  Mistschicht.  In  etwa  50  cm  Entfernung 
davon  fanden  sich  ein  Schädel,  ein  Schulterblatt  und  einige  kleinere 
Knochen.  Die  weitaus  grösste  Anzahl  der  Knochen,  sowohl  von  Grypo- 
therium  als  auch  von  den  anderen  Tieren  sind  künstlich  zerschlagen  und 
aufgespalten,  auch  die  Schädel  von  Grypotherium  zeigen  deutlich  Schlag- 
spuren, und  das  grosse  Fellstück  zeigt  am  Rande  Spuren  der  Bearbeitung 
mit  einem  scharfen  schneidenden  Instrument;  es  ist  sehr  beachtenswert, 
dass  auch  die  anderen  zu  Grypotherium  gehörenden  Fellstücke  deutlich 
Spuren  der  Bearbeitung  durch  Menschenhand  zeigen. 

In  der  Nähe  des  von  mir  gefundenen  Fellstückes  fand  ich  einen 
Knochenpfriemen  sowie  etwas  höher  einen  Haufen  trockenen  Grases,  das 
nur  von  Menschenhand  hierher  gebracht  sein  kann.  Dieses  Heu  war  aber 
wieder  von  einer  80  cm  mächtigen  Mistschicht  bedeckt. 

In  den  beiden  Seitenräumen  (zu  beiden  Seiten  des  Hügels)  fanden 
sich  nur  sehr  wenig  Tierknochen,  meist  Guanaco  und  Hirsch,  die  aber 
zum  Teil  viel  jünger  als  die  anderen  Reste  sind.  Hier  fanden  sich  in 
zum  Teil  noch  von  Heu  umgebenen  (alte  Lagerstätten)  Aschenhaufen 
viele  Reste  menschlicher  Tätigkeit,  mehrere  Knochenpfriemen.  Knochen- 
nadeln, dünne  Hautstreifen,  die,  wie  mehrere  in  der  Höhle  gemachte  Funde 
beweisen,  von  den  Höhlenbewohnern  zum  rohen  Zusammenheften  von 
Fellstücken  dienten.  Ausserdem  lagen  hier  verkohlte  Holzstücke.  Schalen 
von  Mytilus,  die  ja  noch  heute  den  in  den  Kanälen  lebenden  Indianern 
als  hauptsächliche  Nahrung  dienen,  sowie  auch  Kieselsteine  und  Obsidian- 
srücke.  die  Spuren  der  Bearbeitung  von  Menschenhand  tragen. 

Die  Funde  sowie  die  Verhältnisse  der  Höhle  ergeben  also  eine  räum- 
liche Trennung  der  Aufenthaltsorte  für  Mensch  und  Tier:  die  Tiere,  vor- 
nehmlich Grypotherium,  lebten  in  dem  dunkleren  Räume  zwischen  Hügel 
und  Schuttwall,  während  die  Menschen  in  den  vorderen  helleren  Räumen 
zu  beiden  Seiten  des  Hügels  ihren  Aufenthalt  harten. 

Es  erhebt  sich  die  wichtige  Frage,  war  diese  Trennung  nur  eine 
räumliche  oder  auch  eine  zeitliche,  d.  h.  lebten  die  .Menschen  gleichzeitig 
mit  dem  ausgestorbenen  Grypotherium  in  der  Hohle? 

Dr.  Erland  Nordenskiöld,  welcher  im  Jahre  18U9  Ausgrabungen  in 
der  Höhle    veranstaltete,    ist    der  Ansicht,    dass    eine  Gleichzeitigkeit  von 


—     122     — 

Mensch  und  Grypotherium  in  der  Höhle  nicht  angenommen  werden  könne. 
Das  Grypotherium  habe  lange  vor  dem  Menschen  in  der  Höhle  gelebt 
und  sei  von  grossen  Raubtieren  ausgerottet  worden.  Und  zwar  begründet 
Nordenskiöld  seine  Ansicht  damit,  dass  sich  deutlich  in  der  Höhle 
folgende  drei  dem  Alter  nach  verschiedene  Schichten  unterscheiden  lassen. 
Zu  unterst  die  Schicht  C  mit  vorwiegend  Resten  von  Grypotherium. 
Nachdem  dieses  ausgestorben  war,  bildete  sich  die  Schicht  B  mit  vor- 
wiegend Resten  von  Onohippidium  und  darüber  folgt  als  jüngste  Schicht  A 
mit  Resten  von  Mensch  und  Guanaco. 

Gegen  diese  Dreiteilung  der  Schichten  sprechen  aber  Nordenskiölds 
eigene  Beobachtungen;  fand  er  doch  in  seiner  Schicht  C  (Grypotherium- 
schicht)  Reste  von  Mensch  und  Guanaco,  die  eigentlich  nur  in  der  obersten, 
jüngsten  Schicht  A  vorkommen  dürfen,  und  fand  er  doch  in  Schicht  B 
Grypotheriumknochen.  Er  erklärt  das  dadurch,  dass  eine  nachträgliche 
Verschleppung  der  Reste  sowohl  von  unten  nach  oben  als  auch  von  oben 
nach  unten  stattgefunden  hat.  Nach  ihm  wurde  die  Höhle  erst  von 
Menschen  bewohnt,  nachdem  Grypotherium  längst  ausgestorben  war. 

Nach  meinen  Beobachtungen  kann  man  nur  zwei  Schichten  unter- 
scheiden : 

1.  die  Mistschicht  mit  Resten  von  Grypotherium,  Onohippidium,  Felis, 
Guanaco  usw.,  die  aber  nicht  bestimmte  Horizonte  einhalten,    und 

2.  die  Kulturschicht;    beide  Schichten  haben  sich  gleichzeitig  neben- 
einander gebildet. 

Nur  mit  dieser  Ansicht  lassen  sich  die  Verhältnisse,  wie  sie  tatsächlich 
in  der  Höhle  herrschen,  ungezwungen  in  Einklang  bringen. 

Ausser  der  räumlichen  Getrenntheit  der  Aufenthaltsorte  für  Mensch 
und  Grypotherium  spricht  vor  allen  Dingen  die  Art,  wie  die  Grypotherium- 
reste  gefunden  worden  sind,  für  meine  Ansicht. 

Wichtig  ist  da  besonders  der  Fund  des  ersten  grossen  Fellstückes  im 
Jahre  1895.  Dasselbe  lag  nicht  etwa  unten  in  der  Mistschicht  (Schicht  C), 
wo  es  nach  Nordenski öld  hätte  liegen  müssen,  nein,  es  lag  ganz  oben 
noch  über  der  Kulturschicht  (Schicht  A)  am  rechten  Abhänge  des  Hügels, 
bedeckt  nur  von  einer  10 — 15  cm  mächtigen  Staub-  und  Schuttschicht. 
Diese  Schicht  bedeckt  übrigens  ziemlich  gleichmässig  den  ganzen  vorderen 
Höhlenraum  (auch  die  Mistschicht);  zu  ihrer  Bildung,  die  lange  Zeiträume 
in  Anspruch  genommen  haben  muss,  konnten  lediglich  der  Wind  und  die 
Langsam  vor  sich  gehende  Verwitterung  der  Höhlendecke  beitragen. 

Das  erste  Fellstück  lag  also  oben  am  Hügelabhang.  Es  hatte  eine 
regelmässige  rechteckige  Gestalt,  war  über  1,50  m  lang  und  0,80  m  breit, 
hatte  also  eine  Form,  die  wohl  darauf  hinweist,  dass  es  als  Unterlage 
gedient  haben  mag.  Lönnberg,  welcher  einen  von  Dr.  Otto  Norden- 
skiöld  L898  nach  Stockholm  gebrachten  Teil  dieses  Fellstückes  untersucht 
und  beschrieben  hat  (ein  anderer  Teil  ist  im  Museum  South  Kensington 
London),  erklärt,  dass  dasselbe  durch  Menschenhand  von  einem  getöteten 
Tiere  abgezogen  und  nachher  mit  einem  nicht  sehr  mit  schneidenden 
Instrumente  (Steinniesser)  zurechtgeschnitten   worden   ist. 

Genau    denselben   Eindruck    machte  auf  mich  ein  anderer  Teil  dieses 


—     123     — 

Fellstücks,  den  ich  1*'.'*  in  Ultima  Esperanza  fand  und  <  1<t  jetzt  im  South 
kensington  Museum  in  London  ist.  Nordenskiöld  isl  sich  der  Schwierig- 
keiten, welche  dieser  erste  Pellfund  seiner  Ansicht  bereitet,  wohl  bewusst, 
et  Lässt  es  unentschieden  wie  dieses  Stück  auf  den  Bügel  gekommen,  er 
meint,  es  könnte  ja  in  neuerer  Zeit  von  Menschen  dorthin  geschleppt  sein, 
die  es  in  der  Mistschicht  gefunden,  als  sie  Brennmaterial  (!)  ;ms  dieser 
holten,  aber  wahrscheinlicher  sei  es,  dass  ein  Raubtier  das  Pell  verschleppt 
halte. 

Dann,  wenn  ein  Raubtier  das  Grypotherium  getötet,  müssten  doch  bei 
dem  Pelle  Knochen  gefunden  worden  sein.  Nordenskiöld  verweist  auf 
die  in  den  Pampas  verendenden  Tiere,  deren  Fleisch  Raubtiere,  Füchse, 
Geier  usw.  fressen  und  deren  getrocknetes  Pell  dann  zurückbleibt. 
Dagegen  ist  einzuwenden,  dass  in  diesen  getrockneten  Fellen  jedesmal 
die  da/u  gehörigen  Skelette  stecken  —  aber  an  keinem  der  in  der 
Höhle  gefundenen  Fellstücke,  die  mir  zu  Gesicht  gekommen  sind,  wurden 
Knochen  (Rippen   usw.)  gefunden. 

Wie  bei  dem  ersten  grossen  Pellstück  vom  Jahre  1895,  so  ist  auch 
sowohl  die  Erhaltung  wie  die  Art  und  Weise,  wie  das  zweite  1,10  m  Lange 
und  l  in,  (in  gefaltetem  Zustande)  breite  Fellstück  1899  von  mir  gefunden 
wurde,  sehr  bezeichnend.  Dasselbe  lag  1  m  tief  in  der  Mistschicht,  die 
Haarseite  nach  ölten.  Ein  von  der  Gewölbedecke  herabgefallener  Block 
lag  auf  demselben,  er  hatte  heim  Falle  das  Fell  durchbohrt,  die  eine  Ecke 
des  Blockes  ragte  durch  das  im  Felle  entstandene  Loch  in  die  unter  dem 
Fidle  sieh  fortsetzende  Mistschicht  hinein.  Die  zackigen,  scharfen,  sich 
verjüngenden  Ränder  (\r^  Loches  unterscheiden  sich  ganz  auffallend  von 
den  glatten  breiten  Rändern  des  Fellstückes  —  erstere  sind  durch  An- 
faulen, letztere  durch  Schneiden  mit  einem  Instrumente,  genau  wie  hei 
dem   ersten   grossen    Follstück.  entstanden. 

Weder  unter  dem  Fellstücke  von  1895  noch  unter  dem  von  1899 
lagen  Knochen  —  alles  weist  darauf  hin,  dass  das  Fell  schon  im  Gebrauch 
war.  als  es  von  dem  fallenden  Block  bedeckt  wurde.  Ich  meine,  auch 
liier  deuten  alle  Umstände  darauf  hin.  dass  das  Pell  durch  Menschenhand 
einem  getöteten  Tiere  abgezogen  worden  ist. 

Betrachten  wir  nun  die  Skeletteile  vom  Grypotherium,  die  in  der 
Höhle  gefunden  worden  sind,  so  ergehen  sich  auch  hier  Tatsachen,  die 
auf  eine  Gleichzeitigkeit  von  .Mensch  und  Grypotherium  in  dei  Höhle 
hinweisen. 

Ich  halte  zwei  Schädel  gefunden,  beide  sind  stark  verletzt,  so  dass  nur 
die  Schädelkapsel  übrig  geblieben  ist.  Der  vordere  Teil  beider  Schädel 
ist  in  der  Höhe  der  Jochbögen  altgeschlagen:  letztere,  von  denen  sich  viele 
wohlerhaltene  linden,  sind  wohl  mit  kräftigem  Ruck  ziemlich  glatt  abge- 
brochen. An  der  Schädeldecke  sind  namentlich  an  dem.  dem  erwachsenen 
Exemplar  zugehörigen  Schädel  viele  Spuren  von  Schlägen  mit  einem 
stumpfen  Instrument  (Stein)  sichtbar,  die  zum  Teil  die  Schädel. lecke  zer- 
trümmert  haben. 

Auch  die  anderen  Mets  isoliert  in  der  Mistschicht  vorkommenden 
Knochen    wie  Unterkiefer,    Oberkiefer  usw.    zeigen  Zertrümmerungen  und 


—     124    — 

Verletzungen,  die  nicht  auf  Bisse  und  Tatzenschläge  von  Raubtieren  hin- 
deuten, dann  müssten  sowohl  die  Verletzungen  selber  ein  ganz  anderes 
Aussehen  haben,  als  auch  die  Zertrümmerung  eine  viel  weitergehende  sein. 

Alle  diese  Verletzungen  wurden  teils  dem  lebenden  Tiere  zwecks 
Betäubung,  Tötung  beigebracht,  teils  fanden  sie  (Zertrümmerung  des 
Schädels,  Abbrechen  der  Jochknochen,  Aufspalten  der  Markknochen  usw.) 
nach  dem  Tode  statt  zwecks  besserer  Abnagung  des  Fleisches  oder  Ge- 
winnung des  Markes. 

Zu  diesen  hier  kurz  angeführten  indirekten  Beweisen  für  die  Gleich- 
zeitigkeit von  Mensch  und  Grypotherium  kommen  nun  aber  noch  weitere 
direkte  Beweise.  Und  zwar  steht  hier  in  erster  Linie  das  Auffinden  von 
menschlichen  Artefakten  zusammen  mitGrypotheriumresten  in  derMistschicht. 

Die  grösste  Anzahl  dieser  Artefakte  wird  zwar  in  der  Kulturschicht 
im  vorderen  hellen  Räume  der  Höhle  gefunden,  aber  sowohl  Norden- 
skiöld  als  auch  ich  haben  Produkte  der  menschlichen  Tätigkeit  auch  in 
der  Mistschicht  angetroffen. 

Diese  Artefakte  beschränken  sich  bezeichnenderweise  auf: 

1.  Knochenwerkzeuge  wie  Pfriemen,  Nähnadeln  und 

2.  Steinwerkzeuge  wie  Steinmesser,  beschlagene  Steine  (meist  Quarzit, 
Porphyr  und  Obsidian);  merkwürdigerweise  sind  alle  diese  Stein- 
werkzeuge klein. 

3.  Streifen  getrockneter  Haut,  wie  sie  zum  Zusammenheften  von 
Hautstücken  gedient  haben,  und  zusammengenähte  Hautstücke. 

Nordenskiöld  fand  Hautstreifen  in  der  Mistschicht  und  ich  einen 
Knochenpfriemen,  eine  Knochennadel  sowie  Obsidiansplitter. 

Ausserdem  verdient  besondere  Beachtung  der  Fund  von  getrocknetem 
Grase  in  der  Mistschicht,  den  ich  in  der  Nähe  des  grossen  Fellstückes 
machte.  Ich  deutete  dieses  Heu,  das  doch  nur  durch  Menschenhand  unten 
in  den  Wiesen  am  1/a  Stunde  entfernten  Bach  abgeschnitten  oder  abgerupft 
und  in  die  Höhle  geschafft  worden  sein  kann,  als  Futter  für  die  Grypo- 
therien  (Winterflitter),  eine  Vermutung,  die  in  der  Beobachtung  von 
Spencer  Moore,  welcher  in  den  Exkrementen  der  Grypotherien  scharf 
abgeschnittene  Grashalme  fand,  wohl  eine  Bestätigung  findet. 

Suchen  wir  für  alle  diese  hier  angeführten  Tatsachen  eine  natürliche 
ungezwungene  Erklärung,  so  ergibt  sich  nach  meinem  Dafürhalten  die 
nahezu  an  Gewissheit  streifende  Wahrscheinlichkeit,  dass  hier  Mensch  und 
Grypotherium  gemeinsam  gleichzeitig  in  der  Höhle  lebten. 

Mir  persönlich  scheinen  immer  noch  die  Funde  der  beiden  grossen 
Pellstücke  (1895  und  1899)  Hauptbeweise  zu  sein. 

Beide  wurden  in  solcher  Beschaffenheit  und  in  solcher  Lagerung 
gefunden,  dass  sich  die  meines  Erachten s  unabweisliche  Folgerung  ergibt, 
die  Tiere  wurden  von  den  Menschen  getötet  und  das  Fell  abgezogen. 
Besonders  wichtig  ist  bei  diesen  beiden  Fellfunden,  dass  sich  so  an  Grypo- 
theriumreste  gebunden  die  Spuren  des  Menschen  von  den  untersten  Teilen 
der  Mistschicht  l>is  in  die  obersten  Lagen  der  Kulturschicht  nachweisen 
lassen.     Mensch  und  Grypotherium  müssen  also  doch  mindestens  so  lange 


—     125    — 

in  der  Höhle  zusammengelebt  haben,  als  die  Bildung  beider  Hellichten  in 
Anspruch  nahm. 

Nordenskiöld  glaubt  diese  Zeit  auf  einige  Jahrhunderte  veran- 
schlagen zu  können;  nach  meiner  Ansicht  ist  das  etwas  niedrig  gerechnet. 
Die  Tiere  werden  nicht  das  ganze  Jahr  hindurch,  sondern  wohl  nur  zeit- 
weilig im  Winter  in  der  Höhle  zugebracht  haben,  die  Zunahme  der  Mist- 
schicht ging  also  nur  langsam  von  statten,  aber  vollzog  sich  naturgemäss 
rascher  als  die  der  gleichzeitig  sich  bildenden  Kulturschicht,  daher  die 
verschiedene,  den  Verhältnissen  genau  entsprechende  Mächtigkeit  derselben. 

Aus  der  Gleichzeitigkeit  von  Mensch  und  Grypotherium  in  der  Höhle 
und  aus  der  räumlichen  Abgrenzung  der  Aufenthaltsorte  beider  ziehe  ich 
nun  die  weitere  Folgerung,  dass  das  Grypotherium  von  den  Menschen  als 
Haustier  gehalten  wurde  und  zwar  nur  des  Fleisches  wegen. 

Ich  stütze  mich  dabei  ausserdem  noch  auf  folgende  Tatsachen.  Zu- 
nächst der  Fund  von  Heu  an  einer  Stelle  wie  oben  ausgeführt,  wo  es  nur 
als  Futter  zu  erklären  ist.  Ferner  auf  Eigentümlichkeiten,  die  an  den 
Resten  der  Grypotherien  selber  vorhanden.  Schon  Roth,  Nordenskiöld 
und  Smith-Wood  ward  ist  es  aufgefallen,  dass  die  Grypotheriumreste  von 
den  sechs  erwachsenen  Individuen,  die  wir  im  Museum  haben,  Individuen 
repräsentieren,  die  sich  ganz  bedeutend  an  Grösse  unterscheiden.  Wir 
haben  Knochen,  die  zu  einem  Tiere  gehören,  das  kaum  halb  so  gross  war 
wie  ein  dreijähriges  Rind,  während  andere  Knochen  von  Tieren  stammen, 
die  beinahe  die  Grösse  eines  Lestodon  armatus  erreichten,  ein  Gravigrad, 
der  bedeutend  grösser  als  ein  Nashorn  war. 

Eine  solche  Grössenvariation  ist  aber  bisher  bei  wildlebenden  Tieren 
nicht  beobachtet  worden,  dagegen  ist  sie  gerade  für  domestizierte,  durch 
längere  Zeiträume  hindurch  gezüchtete  Tiere  eine  sehr  charakteristische 
wohlbekannte  Erscheinung.  Prof.  Nehring  hat  darauf  hingewiesen,  dass 
nach  R.  Hartmann  und  M.  Wilkens  nur  diejenigen  Tiere  als  Haustiere 
zu  bezeichnen  sind,  die  sich  im  domestizierten  Zustande  regelmässig  fort- 
pflanzen. 

Darüber  ob  dieser  letztere  Umstand  ein  notwendiges  Erfordernis  für 
den  Haustierzustand  eines  Tieres  ist,  kann  man  gewiss  verschiedener  An- 
sicht sein  —  ich  möchte  hier  nur  an  ein  Tier  erinnern,  das  doch  gewiss 
als  Haustier  zu  betrachten  ist,  an  das  Maultier,  das  in  bestimmten  Gegenden 
unter  den  Haustieren  den  ersten  Rang  einnimmt,  sich  aber  nicht  fort- 
pflanzt. —  Aber  sehen  wir  einmal  ganz  ab  hiervon,  so  bieten  uns  die 
Höhlenfunde  auch  Anhaltspunkte,  um  diese  Frage  bejahend  beantworten 
zu  können. 

An  einzelnen  Knochen  linden  sich  nämlich  scharf  ausgeprägte  indi- 
viduelle Unterschiede,  so  sind  z.  B.  vier  Jochbögen,  obwohl  von  er- 
wachsenen Individuen  herrührend,  unter  sich  verschieden.  Das  ist  aber 
eine  Erscheinung,  wie  sie  sich  gerade  bei  domestizierten  Tieren  heraus- 
zubilden pflegt. 

Es  ist  ja  gewiss  eine  schwierige  Sache,  aus  den  Resten  in  einer 
Höhle  zu  beweisen,  dass  Tiere,  die  dort,  längere  Zeiträume  hindurch 
lebten,    sich    dauernd    fortpflanzten.     Beweisend    ist   hier  doch  wohl  schon 


—     126     — 

der  Nachweis,  dass  Tiere  verschiedener  Altersstufen  hier  gemeinsam 
lebten.  Dieser  Nachweis  wird  aber  sowohl  in  den  Exkrementen,  die  von 
jungen  und  alten  Tieren  vorhanden,  als  auch  besonders  dadurch  geliefert, 
dass  ich  in  der  Mistschicht  Reste  eines  Grypotheriumembryo  fand  —  dieser 
Fund  beweist  doch  wohl  unzweifelhaft  die  Fortpflanzungsfähigkeit.  — 

Besonderes  Gewicht  möchte  ich  dieser  meiner  Ansicht,  dass  das  Grypo- 
therium in  einem  haustierähnlichen  Zustande  als  Schlachttier  (lediglich 
zur  Fleischgewinnung)  gehalten  wurde,  zwar  nicht  beilegen,  ich  glaube 
aber,  dass  nur  diese  Annahme  den  besonderen  in  der  Höhlevorhandenen 
Umständen  am  besten  gerecht  wird. 

Es  sind  ja  andere  Erklärungen  aufgestellt  worden.  Dr.  Lehm  an  n- 
Nitsche  glaubt,  dass  die  Tiere  in  der  Höhle  gelebt  haben,  dass  umher- 
streifende Indianerhorden  dieselben  antrafen,  töteten,  verzehrten  und  dann 
weiter  zogen.  Nach  Verlauf  einiger  Zeit  kamen  dann  wieder  Indianer  nach 
der  Höhle,  töteten  wieder  die  dort  angetroffenen  Tiere  usw. 

Viel  Wahrscheinlichkeit  kann  diese  Erklärung  nicht  für  sich  bean- 
spruchen. Die  Indianer  werden  doch  gewiss  alle  ihnen  irgend  wie  er- 
reichbaren Tiere  getötet  haben,  da  das  Fleisch  ja,  nach  den  heute  lebenden 
Verwandten  zu  urteilen,  ein  sehr  schmackhaftes  war,  bedeutend  besser 
als  das  der  viel  schwerer  erjagbaren  Guanacos.  Woher  sind  dann  immer 
wieder  die  frischen  Tiere  gekommen,  die  doch  wieder  erscheinen  mussten, 
um  eine  so  mächtige  Dungschicht  zu  bilden.  Die  Mächtigkeit  der  Kultur- 
schicht ist  auch  mit  zeitweiligem  Aufenthalt  nomadisierender  Indianer 
schwer  vereinbar. 

Eine  andere  von  Prof.  Nehring  aufgestellte  Erklärung  sucht  den 
Tatsachen  dadurch  gerecht  zu  werden,  dass  er  annimmt,  die  Menschen 
hätten  die  Tiere  gejagt,  dann  in  die  Höhle  geschleppt,  dort  abgezogen 
und  zerlegt  und  aus  dem  Darminhalt  der  geschlachteten  Tiere  habe  sich 
dann  die  Mistschicht  gebildet.  Gelegentlich  hätten  die  Menschen  auch 
wohl  ein  gefangenes  Tier  längere  Zeit  in  der  Höhle  aufbewahrt. 

Diese  Erklärung  scheitert  ja  von  vornherein  an  der  Mächtigkeit  der 
Dungschicht,  aber  sie  bildet  doch  die  Brücke  zu  meiner  Deutung.  Nehring 
nimmt  an,  dass  die  Indianer  zeitweilig  ein  gefangenes  Grypotherium  längere 
Zeit  in  der  Höhle  lebend  hielten,  da  bedarf  es  ja  nur  noch  eines  kurzen 
Schrittes,  um  zu  meiner  Erklärung  zu  kommen.  Unter  den  Tieren,  die 
die  Indianer  in  der  Höhle  gefangen  hielten,  wird  gewiss  auch  dann  und 
wann  ein  trächtiges  Weibchen  gewesen  sein.  Durch  die  zur  Welt  ge- 
brachten Jungen  werden  die  Indianer  darauf  aufmerksam  geworden  sein, 
dass  sie  sich  sehr  leicht  eine  Quelle  für  gutes  Fleisch  schaffen  könnten, 
wenn  sie  mehrere  Tiere  verschiedener  Geschlechter  dauernd  in  ihrer  Nähe 
hielten.  In  der  ganzen  Höhlengegend  ist  aber  kein  Ort  geeigneter,  um 
dauernd  Tiere  zu  halten,  als  eben  die  grosse  Grypotheriumhöhle,  in  der 
ja  alle  Funde  darauf  hinweisen,  dass  hier  Mensch  and  Grypotherium  lange 
Zeiträume  hindurch  dauernd  miteinander  Lebten. 

Es  ist  doch  sehr  auffallend,  dass  in  der  nur  l/9  Stunde  entfernten 
zweirgrössten  Höhle  bisher  nur  Hoste  gefunden  wurden,  die  auf  die  An- 
wesenheit des  Menschen  und  Onohippidium  (von  den  ausgestorbenen  Tieren) 


—     127    — 

hinweisen    —    nur    die   grosse  Höhle  bot  hinreichend  Bequemlichkeit  and 

Raum,  um  .Mensch  und  Grypotherium  gleichzeitig  zu  beherbergen. 

Wenn  die  Tiere  freilebend  im  wilden  Zustande  die  Höhle  aufgesucht 
hätten,  so  ist  schwer  zu  erklären,  warum  sie  das  nicht  auch  bei  der  zweit- 
größten Höhle  getan  haben,  die  für  die  Tiere  allein  noch  besser  zugänglich 
ist  als  die  grössere  Höhle. 

Auf  die  Unhaltbarkeit  der  Ansicht  Dr.  Erland  Norden  s  k  iölds.  dass 
die  Grypotherien  lange  vor  dem  Menschen  durch  grosse  Raubtiere  ver- 
nichtet worden  sein  sollen,  habe  ich  schon  wiederholt  hingewiesen  —  es 
wäre  doch  sein-  sonderbar,  dass  die  Tiere  immer  und  immer  wieder  Jahr- 
hunderte hindurch  in  den  Schlupfwinkel  ihrer  Feinde  zurückgekehrt  sein 
sollten. 

Es  erübrigt  nun  noch  mit  kurzen  Worten  auf  die  Zeit  zu  sprechen 
zu  kommen,  wann  die  Tiere  ausgestorben,  wann  dieselben  hier  mit  dem 
Menschen  zusammengelebt  haben. 

liier  gehen  die  Ansichten  sehr  weit  auseinander. 

Angesehene  Forscher  glauben,  dass  das  Grypotherium  noch  heute 
lebend  vorhanden  sei  und  dass  die  Reste  in  der  Höhle  von  Tieren  her- 
rühren, die  erst  vor  wenigen  Jahren  getötet  worden  sind. 

So  wurde  von  England  aus  eine  Kommission  ausgesandt  vor  drei 
Jahren,  mit  dem  Auftrage,  ein  lebendes  Grypotherium  einzufangen  —  die 
Kommission  kehrte  nach  England  zurück  ohne  Spuren  eines  Grypotheriums 
gesehen  zu  haben  --  und  das  war  vorauszusehen.  Wenn' ein  so  grosses 
Tier  noch  lebend  vorhanden,  so  müssten  doch  in  dem  in  den  letzten 
Jahren  so  gut  durchforschten  Patagonien  irgendwie  die  Spuren  des  Tieres 
gesehen  worden  sein  —  aber  bisher  ist  das  nicht  der  Fall  gewesen  und 
kann  auch  nicht  der  Fall  sein,  da  das  Tier  wie  die  anderen  mit  ihm  vor- 
kommenden ausgestorbenen  Tiere  wenigstens  so  lange  schon  ausgestorben 
ist,  als  die  10—  15  cm  mächtige  Schuttschicht,  die  oberflächlich  alles  im 
vorderen  Teile  der  Höhle  bedeckt,  zu  ihrer  Bildung  brauchte,  und  das 
müssen  lange  Zeiträume  gewesen  sein.  Dass  diese  Zeiträume  sehr  lange 
sein  müssen,  die  weit  in  die  prähistorische  Zeit  zurückreichen,  geht  auch 
daraus  hervor,  dass  in  den  Sagen  der  Indianer  keine  Spuren,  keine  An- 
klänge vorhanden  sind,  die  auf  Grypotherium  hindeuten.  Dr.  L  eh  mann - 
Nitsche  hat  sich  eingehend  mit  diesem  Gegenstände  beschäftigt  und  ver- 
weise ich  auf  seine  einschlägigen  Arbeiten. 

Ich  habe  schon  früher  an  einem  anderen  Orte  die  Ansicht  geäussert, 
dass  die  Zeit,  da  die  Höhle  einer  sesshaften  Bevölkerung  (ich  betone  das 
sesshaft)  zur  Wohnung  diente,  vielleicht  in  die  letzte  luterglazialzeit 
Patagoniens  fällt  —  dass  die  Höhle  durch  Eis  von  der  Aussenwelt  zeit- 
weilig abgeschlossen  war.  Manche  Anzeichen  sprechen  dafür,  so  ist  eine 
kleine,  etwa  50  in  oberhalb  dieser  Höhle  und  einige  IUI»  >n  weiter  nach 
Westen  am  Berghange  gelegene  Höhle,  deren  Lage  viel  exponierter,  mir 
feinem  tonigsandigem  Material,  wie  es  die  Gletscherbäche  abzusetzen 
pflegen,  angefüllt. 

Erratische  Blöcke  finden  sich  ausserordentlich  zahlreich  an  und  auf 
dem   Höhlenberge.  --  Alles    zeigt    darauf    hin.    dass    die    Eismassen    auch 


—     128     — 

zur  Zeit  ihres  letzten  (dritten)  grösseren  Yorstosses  weit  über  die  Gegend 
des  Höhlenberges  nach  Osten  hinaus  vorgedrungen  waren.  — 

Der  Vorsitzende  eröffnete  hierauf  die  Diskussion. 

Hr.  Karl  von  den  Steinen:  Frhr.  Erland  von  Norde nskiöld,  der 
vor  einer  Woche  in  Berlin  verweilte,  hat  am  6.  d.  Mts.  von  Southamptou 
aus  mit  zwei  Gefährten,  Dr.  Holmgren  und  Leutnant  Dr.  Bildt,  eine 
neue  Reise  nach  Peru-Bolivien  mit  dem  Endziel  des  Madre  de  Dios  an- 
getreten und  war  unter  diesen  Umständen  zu  seinem  Bedauern  nicht  in 
der  Lage,  an  der  heutigen  Sitzung  teilzunehmen.  Da  ich  jedoch  mit  ihm 
bereits  über  die  Grypotheriumfrage  korrespondiert  hatte,  möchte  ich  nicht 
verfehlen,  seine  von  H authals  Auffassung  abweichende  Ansicht  nach 
unserem  Briefwechsel  hier  mitzuteilen.1) 

„Als  ich  1899  die  Höhle  in  Ultima  Esperanza  besuchte,  hatte  noch 
niemand  vorher  dort  methodisch  gegraben.  Hr.  Hauthal  selbst,  dem  ich 
meine  Funde  in  Puerto  Cousuelo  zeigte,  und  der  alsdann  seine  Grabungen 
machte,  hatte  in  dem  Argentinischen  Wochenblatte  geschrieben,  dass  in 
der  Höhle  nichts  zu  finden  sei. 

Ich  entdeckte  dort  eine  jüngere  Kulturschicht  mit  Knochen  von  Auchenia 
und  Artefakten  sowie  eine  ältere  Schicht  mit  Knochen  und  Exkrementen 
von  Grypotherium,  Knochen  von  Scelidotherium,  Macrauchenia,  Ono- 
hippidium,  einem  sehr  grossen  Jaguar  (dem  sog.  Felis  Listai  Roth)  usw. 
Hierzu  kam  eine  dem  Alter  nach  zwischenliegende  Schicht,  charakterisiert 
durch  ihre  Knochen  von  Onohippidium,  welche  Pferdeart  sicher  später 
ausgestorben  ist  als  Grypotherium.  Diese  Schichten  hat  auch  Hauthal 
nicht  voneinander  unterscheiden  können,  was  teilweise  darauf  beruhte, 
dass  die  relativ  unbedeutende  Kulturschicht  von  mir  durchgraben  war. 
Glaublich  ist,  dass  sekundäre  Mischungen  vorgenommen  sind,  was  ja  in 
Grotten  so  gewöhnlich  ist,  und  dass  Gegenstände  von  Kulturschichten 
dabei  in  die  Fossilien  führende  Schicht  hineingekommen  sind.  — 
Lehmann  -  Nitsche  meint,  dass  die  Knochen  von  Grypotherium  von 
Menschen  behandelt  sind.  Um  dies  zu  ermitteln,  begab  ich  mich  zu 
Winge  in  Kopenhagen,  durch  dessen  Hände  unzählige  Knochen  von  den 
dänischen  Kjökkenmöddingern  gegangen  sind,  und  verglich  meine  zahl- 
reichen Knochenstücke  mit  Knochen  aus  den  Kjökkenmöddingern,  wobei 
ich  fand,  dass  sichere  Zeichen  von  Menschenbehandlung,  Einschnitte, 
Kerben  usw.  an  diesen  Knochen  nicht  vorhanden  seien,  wohl  aber  an  den 
meisten  Knochen  vom  Guanaco  der  Kulturschicht. 

An  vielen  Knochen  von  Grypotherium  dagegen  ist  deutlich  bemerkbar, 
dass  sie  durch  Sand  geschliffen  sind.  Dies  kann  nicht  in  der  Weise  ge- 
schehen sein,  dass  sie  im  Wasser  gerollt  worden  sind,  denn  sie  sind  ja 
in  einem  absolut  trocknen  Lager  gefunden  worden.  Ich  nehme  an,  dass 
die  Knochen  durch  schwere  Tiere,    die  auf  sie  getreten  haben,   überall  in 

1)  Erlanrl  v.  Nordenskiöld  hat  seine  Untersuchungen  der  Höhle  von  Ultima 
Esperanza  veröffentlicht  in  „Kongl.  Svenska  Vetenskaps-Akademiens  Handlingar.  Bandet  33 
No.  3U  unter  dem  Titel:  „Iakttagelser  och  Fynd  i  Grotten-  vid  Ultima  Esperanza  i  Sydvesfcra 
Patagonien".     Mit  7  Tafeln,  Stockholm  1900. 


—     129    — 

den  Kies  gestampft  und  auf  diese  Weise  geschliffen  und  geritzt  wurden. 
Die  Knochen  von  Grypothcrimn  sind  auch  planlos  so  geschlagen,  dass  die 
schwächsten  Partien  abgetreten  erscheinen- 

Davon,  dass  die  Grypotheriuniknocheii  von  Menschen  bearbeitet  worden 
sind,  lasse  ich  mich  nicht  früher  überzeugen,  als  bis  di<-  Schlagstellen  usw., 
die  bei  Knochenbehandlung  entstehen  müssen,  nachgewiesen  sind.  Dass 
schwächere  Knochenstellen  abgebrochen  sind,  lässt  sich  auf  andere  Weise 
e  f  klären. 

Wenn  Hautstücke  von  (Jrypotherium  erhalten  sind,  so  setzt  dies  nicht 
mit  Notwendigkeit  voraus,  dass  sie  von  Menschen  abgehäutet  worden  sind. 
Ein  Pferd,  das  auf  den  Pampas  stirbt,  wird  von  den  Geiern  oft  so  aus- 
geflossen, dass  abgerissene  grosse  Stücke  Haut  und  die  Knochen  übrig 
bleiben.  Bei  den  äusserst  eigentümlichen  Einbettungsverhältnissen  in  der 
Höhle  halte  ich  es  deshalb  nicht  für  unmöglich,  dass  Stücke  Haut  von 
(jrypotherium  in  Exkremente,  Salze,  Kies  eingebettet  worden  sind  und 
auf  diest'  Weise  konserviert  werden  konnten.  Man  darf  ja  ausserdem 
nicht  vergessen,  dass  die  Haut  von  Grrypotherium  durch  die  Hautknochen 
gewissermassen  gepanzert  war.  Um  zu  zeigen,  wie  widerstandsfähig  die 
Haut  dieser  Tiere  war,  erwähne  ich,  dass  auf  den  Pampas  grosse  Haut- 
stücke (natürlich  ohne  Haare)  des  nahestehenden  Mylodon  aufgefunden 
worden  sind.  In  Kopenhagen  werden  einige  verwahrt.  Ähnliche  habe 
ich  im  Tarijatal,  wto  die  Einbettungsverhältnisse  ja  nicht  so  besonders 
günstig  waren,  gefunden. 

Knochen  von  Grrypotherium  mit  getrocknetem  Fleisch  findet  man  in 
der  Höhle  sehr  häufig.  Dass  sie  sich  gut  erhalten  haben,  beruht  darauf, 
dass  sie  so  ausserordentlich  trocken  gelegen  haben,  und  vielleicht  auch 
darauf,  dass  in  der  Höhle  imprägnierende  Salze  sind.  Ich  vermag  nicht 
einzusehen,  warum,  wenn  sich  eine  sog.  falsche  Mumie  (d.  h.  ein  in  eine 
trockene  Grotte  gelegter  nicht  präparierter  Leichnam)  500 — 1000  Jahre 
unverändert  erhalten  hat,  sie  dies  nicht  auch  100  000  Jahre  tun  könnte, 
wenn  die  jährliche  Veränderung  =  0  ist.  In  gleicher  Weise  ist  es  meines 
Erachtens  nicht  unmöglich,  dass  die  Grypotheriumreste,  obschon  wohl  er- 
halten, sehr  alt  sein   können. 

Sehr  eigentümlich  wäre  es,  dass  man  in  der  Grotte  so  wenig  Artefakte 
gefunden  haben  wollte,  während  doch  von  Grypotheriuniknochen  sehr  be- 
trächtlicbe  Massen  gefunden  wurden  sind,  die  alle  von  Mahlzeiten  her- 
rühren sollen.  Und  doch  hätte  der  Mensch  Jahrhunderte  lang  in  dieser 
Höhle  mit  dem  Riesenfaultier  zusammengelebt!" 

.  .  .  Ich  glaube,  es  haben  sich  im  ganzen  etwa  drei  oder  vier  Knochen- 
pfrieme und  zwei  Stein artefakte  gefunden? 

Hr.  llautlial  (unterbrechend  :  Es  handelt  sich  um  vier  Knochen- 
pfrieme; zwei  halien  wir,  einen  hat  Nordenskiöld  und  einer  ist  in  London. 
Es  handelt  sich  ausserdem  um  zwei  Längere  Instrumente  aus  Knochen. 
wahrscheinlich  Nadeln.  Hr.  Lehmann-Nitsche  hat  diese  in  der  herum- 
gegebenen Broschüre  abgebildet.  Ausserdem  handelt  es  sich,  glaube  ich. 
um  drei  oder  vier  bearbeitete  Sieine.  Allerdings  i-r  es  auffallend,  dass 
alle  diese  Steinwerkzeuge  klein  sind.  Ausserdem  handelt  es  sich  um 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.  9 


—     130    — 

Hautstreifen,  nicht  aus  der  Haut  des  Grypotlierium,  sondern  sie  sind  aus 
der  getrockneten  Haut  eines  anderen  Tieres  geschnitten  und  benutzt 
worden,  um  grössere  Fellstücke  zusammenzunähen,  wie  das  mehrere  Funde 
beweisen.  Von  diesen  bearbeiteten  Hautstreifen  hat  Nordenskiöld  einen 
in  der  Grypottieriumschicht  gefunden,  andere  habe  ich  weiter  nach  vorn 
in  der  Kulturschicht  gefunden.  Das  sind,  soweit  ich  mich  jetzt  besinnen 
kann,  alle  Reste,  die  direkt  auf  menschliche  Tätigkeit  hinweisen.  Dass 
allerdings  viele  verloren  gegangen  sind,  ist  mir  sehr  wahrscheinlich,  weil 
ja  die  umwohnenden  Estanzieros  alle  ihre  Arbeiter  haben,  die  im  Winter 
ihre  freie  Zeit  benutzen,  um  in  der  Höhle  zu  graben,  und  die  dann  die 
gefundenen  Sachen  an  einen  Trödler  in  Punta  Arenas  verkaufen  Denn 
diese  Leute  achten  ja  nicht  auf  die  kleinen  Sachen;  um  diese  zu  sammeln, 
muss  man  die  Miststücke  einzeln  in  die  Hand  nehmen  und  sie  mit  den 
Fingern  durchsieben.  Die  Leute  achten  nur  auf  die  grossen  Knochen, 
Schädel,  Fellstücke.  Daher  ist  es  mir  ausserordentlich  wahrscheinlich, 
dass  die  grösste  Menge  der  menschlichen  Artefakte  aus  Unachtsamkeit 
verloren  gegangen  ist. 

Hr.  K.  v.  d.  Steinen:  Es  bleibt  aber  immerhin  ausserordentlich  auf- 
fallend, dass  bei  den  Nordenskiöldschen  Grabungen  nur  so  sehr  wenige 
kleine  Stücke  gefunden  sind,  während  sonst  in  Südamerika  dort,  wo  sich 
der  Mensch  lange  aufgehalten  hat,  ein  sehr  reichhaltiges  Material  namentlich 
von  Steinartefakten  nachzuweisen  ist. 

„Eigentümlicherweise  wird,  wenn  diese  Frage  behandelt  wird,  nur  von 
Grypotherium  gesprochen.  Es  darf  doch  nicht  vergessen  werden,  dass 
auch  Knochen  von  Arctotherium,  Macrauchenia,  Scelidotherium,  Ono- 
hippidium  usw.  gefunden  worden  sind,  was  beweisen  würde,  dass,  wenn 
Grypotherium  hier  in  später  Zeit  gelebt  hat,  auch  alle  diese  Tiere  dies 
getan  hätten,  und  dass  eine  ganze  Fauna  Riesentiere  vor  nicht  langer 
Zeit  ausgestorben  wäre." 

Besonders  skeptisch  drückt  sich  Nordenskiöld  über  die  Vorstellung 
aus,  dass  das  Grypotherium  als  Haustier  von  den  alten  Einwohnern  in 
Patagonien  mit  Gras  gefüttert  und  gemästet  worden  sei,  vor  allem,  dass 
dieses  Gras,  das  man  leicht  abreissen  kann,  mit  Flintsteinspänen  ge- 
schnitten worden  sei. 

„Gar  zu  gern",  schliesst  er,  „wäre  ich  nach  Berlin  gekommen,  um 
Hauthül  zu  Innen,  aber  dann  bin  ich  schon  auf  dem  Wege  nach  dem 
Urwald  und  dessen  Geheimnissen." 

Hr.  Neumann  :  Ich  wollte  nur  etwas  näheres  mitteilen  über  das 
Stink  Fell,  das  ich  hierher  geschickt  habe,  nachdem  ich  erfahren  hatte, 
dass  dieser  Vortrag  heute  gehalten  werden  würde.  Es  ist  eines  der  Fell- 
stücke, die  ein  Bruder  von  mir  auf  der  Rückreise  vom  Feuerland  bei 
demselben  Händler  erworben  hat,  von  dem  Hr.  Hauthal  gesprochen  hat, 
zusammen  mit  einem  Unterkiefer  und  einigen  Rippen.  Das  andere  Fell- 
sttLck  und  die  Knöchel)  sind  jetzt  im  Besitz  des  British  Museum.  Ich 
habe  diese  Stinke  mitgebracht,  weil  ich  glaube,  nachdem  ich  die  Londoner 
Stücke  gesehen  habe,  dass  gerade  dieses  Fellstück  noch  mehr  wie  das 
früher    im    British    Museum    ausgestellte,     so    aussieht,    als    ob    es    von 


—     131     — 

Menschen  abgehäutet  sein  müsse.  Denn  selbst  unter  den  günstigsten 
Witterungsverhältnissen  ist  mir  kein  analoger  Pal]  bekannt,  dass  aus 
einem  Kadaver,  der  durch  Raubtiere  zerrissen  wurden  ist,  »las  ganze  Fleisch 
herausfault  und  doch  die  ganze  Haut  so  wunderbar  erbalten  ist,  sodass 
eigentlich  keine  einzige  Stelle  an  dem  ganzen  Hautstück  erkennen  lässt, 
<lass  das  Ding  verfault  ist.  Wenn  die  Witterungsverhältnisse  so  günstig 
gewesen  sind,  dass  sich  die  Haut  so  hält,  dann  inüsste  doch  eben  gerade, 
wenn  das  Tier  von  Raubtieren  zerrissen  weiden  ist.  auch  Fleischstücke  in 
Verbindung  mit  der  Haut  sich  gut  erhalten  halten.  Ich  glaube,  dies  zeigt 
die  Unmöglichkeit  dass  die  Hautstücke  in  die  Höhle  gebracht  worden 
sind,  dass  sie  sich  in  so  wunderbarem  Zustande  erhalten  haben.  Es  sieht 
last  so  aus,  als  ob  das  Stück  richtig  gegerbt  worden  ist.  Ich  möchte  Hrn. 
Hauthal  dann  noch  fragen  wegen  der  Verschiedenheit  der  Haare.  Es 
ist  ganz  eigentümlich,  einige  der  Fellstücke  haben  gelbliche  Haare, 
während  einige  der  Ilaare  in  den  Kotballen  und  die  Haare  an  einem  der 
Londoner  Stücke  dunkelrotbraun  sind,  fast  die  Farbe  eines  Orang-Utangs 
haben. 

Ich  weiss  nicht,  ob  man  schon  daran  gedacht  hat,  dies  dem  verschie- 
denen Alter  der  Tiere  zuzuschreiben,  oder  ob  vielleicht  diese  rotbraunen 
oder  die  gelblichen  Haare  sekundär  gefärbt  sind,  oder  ob  sie  vielleicht 
von  verschiedenen  Körperteilen  des  Tieres  stammen.  Ich  glaube,  es  wäre 
interessant,  auch  die  Ansicht  des  Hrn.  Hauthal  darüber  zu  hören.  Der 
Punkt,  ob  sich  eine  Verschiedenheit  der  Haare  bei  den  Individuen  ge- 
zeigt hat,  ist  ja  für  die  Frage  interessant,  ob  das  Tier  ein  domestiziertes 
gewesen  ist;  denn  diese  Verschiedenheit  findet  man  ja  heute  bei  allen 
Haustieren. 

Hr.  Matschie:  Ich  möchte  darauf  hinweisen,  dass  Tschudi  in  seinen 
Untersuchungen  über  die  Fauna  Peruana.  p.  '203,  auf  eine  Mitteilung 
Bezug  nimmt,  die  aus  den  zoologischen  Manuskripten  p.  9  von  A.  von 
Humboldt  entnommen   ist. 

Ich  habe  bisher  die  Originalstelle  noch  nicht  einstdien  können.  Es 
soll  dort  erwähnt  worden  sein,  dass  Edentaten  von  südamerikanischen 
Völkern  in  gewissem  Grade  gezähmt  worden  sind.  Bei  Turbaco  hat 
Humboldt  in  den  Dörfern  Paultiere  gesehen,  die  bei  liegen  in  die  Hütten 
der  Eingeborenen  hineingekommen  sind.  Ich  möchte  glauben,  dass  dadurch 
bewiesen  ist,  dass  Faultiere  vielleicht  zu  Nahrungszwecken  —  an  dieser 
Stelle  ist  das  nicht  gesagt  —  von  amerikanischen  Völkern  gehalten  worden 
sind. l) 

Hr.  K.  v.  d.  Steinen:  Ich  habe  kein  Faultier  in  Indianerhütten  ge- 
sehen, aber  ich  möchte  doch  hervorheben,  dass.  wenn  die  Indianer  in 
ganz  Südamerika  - —  ich  meine  nicht  die  Kulturvölker  —  Tiere  halten, 
wir  noch  nicht  von  „Haustieren"  sprechen  können:  es  handelt  sich  eher 
um  Menagerien,  wenn  ich  einen  Ausdruck  gebrauchen  darf,  der  unseren 
Gebräuchen  entspricht.     Die  Tiere  werden    jung   eingefangen,    gewöhnlich 


1)  Humboldt    spricht  dorr    von    den  Indianern    von  Turbaco,    „deren  Corucos   von 
Faultieren  angefällt  sind." 

9* 


—     L!32    — 

von  den  Frauen  aufgezogen  und  alle  erfreuen  sich  an  ihnen,  aber  Haus- 
tiere in  unserem  Sinne  sind  diese  direkt  ans  dem  Walde  geholten  ver- 
schiedenartigsten Geschöpfe  keineswegs.  Auch  pflegt  sie  der  Indianer  nicht 
zu  essen,  wie  wir  unsere  Hunde  nicht  essen,  und  scheint  dies  für  unmoralisch 
zu  halten.  Wir  erhandelten  Hühner  am  unteren  Schingü,  doch  wenn  wir 
damit  zu  Suppe  oder  Braten  einluden,  lehnte  man  mit  Widerwillen  ab. 

Ich  glaube  nicht  an  das  Grypotherium  als  Haustier  —  mag  es  nun 
gleichzeitig  mit  dem  Menschen  zusammengelebt  haben,  was  ich  gern  an- 
nehme, sobald  es  wirklich  bewiesen  wird.  Gegen  die  Haustiereigenschaft, 
bei  der  die  Fortpflanzung  in  der  Gefangenschaft  vorauszusetzen  ist,  spricht 
meiner  Ansicht  nach  die  niedere  Kulturstufe,  um  die  es  sich  hier  handeln 
muss,  und  auf  der  südamerikanische  Indianer  einen  solchen  Fortschritt 
nirgendwo  erreicht  haben.  Im  übrigen  wäre  uns  das  Grypotherium  dann 
auch  wohl  gerade  bis  heute  erhalten  worden.  Denn  die  Fürsorge  für 
domestizierte  Tiere  besteht  doch  eben  darin,  dass  man  sie  sich  erhält. 

Hr.  Klaatsch:  Ich  glaube,  dass  der  Hauptstreitpunkt  der  Begriff  des 
Haustieres  ist.  Man  muss  sich  doch  überlegen,  dass  alle  Beziehungen  des 
Menschen  zum  Tiere  allmählich  entstanden  sind  und  alle  möglichen  Stufen 
durchgemacht  haben.  Wenn  man  dies  berücksichtigt,  kann  für  den  Begriff 
des  domestizierten  Tieres  manches  gewonnen  sein.  Wir  können  nicht 
wissen,  ob  vielleicht  der  Diluvialmensch  mit  dem  Mammut  in  einer  solchen 
Beziehung  gestanden  hat,  dass  er  die  jungen  Tiere  gefangen  und  sie  als 
Futtermaterial  aufbewahrt  hat.  Es  ist  auffällig,  dass  in  französischen 
Grotten  gerade  junge  Tiere  nachgewiesen  worden  sind.  Das  ist  eben  nur 
eine  lebendige  Speisekammer  gewesen.  In  diesem  Sinne  halte  ich  es  für 
möglich,  dass  die  Ausführungen  von  Hrn.  Hauthal  zu  Recht  bestehen. 
Ob  es  richtig  ist,  die  Vorstellungen  der  heutigen  Indianer  heranzuziehen, 
ist  mir  fraglich.  Denn  es  handelt  sich  doch  nach  Hrn.  Hauthal  um  eino 
viel  ältere  Stufe,  und  möglicherweise  haben  die  damaligen  Menschen  mit 
den  heutigen  Indianern  wenig  zu  tun  gehabt.  Es  ist  doch  aus  diesem 
Zusammenvorkommen  nicht  gerade  abzuleiten,  dass  die  Fürsorge  für  das 
Grypotherium  uns  das  Tier  erhalten  hätte. 

Es  handelt  sich  möglicherweise  um  ganz  alte  Zustände,  wo  der  Mensch 
einfach  die  Tiere  hereingejagt  und  sie  nicht  wieder  herausgelassen  hat; 
das  waren  dann  durchaus  keine  freundlichen  Beziehungen.  Man  braucht 
die  Domestikation  durchaus  nicht  so  auffassen,  dass  der  Mensch  dem  Tiere 
wohlgewollt  hat;  er  kann  es  auch  für  sich  aufbewahrt  haben. 

Hr.  v.  d.  Steinen:  Ich  bin  damit  vollständig  einverstanden,  dass  der 
domestizierte  Zustand  erst  allmählich  entstanden  ist.  Ich  glaube  auch 
alles,  was  Sie  gesagt  haben.  Ich  wende  mich  nur  gegen  die  Art,  wie 
Hr  Hauthal  von  Haustieren,  womit  wir  einen  feststehenden  wissenschaft- 
lichen Begriff  zu  verbinden  haben,  gesprochen  hat.  Hr.  Hauthal  legt 
doch  unbedingt  darauf  Wert,  das  Grypotheriiim  so  aufzufassen,  wie  eben 
ein  Haustier  heute  aufgefasst  wird.  So  hat  er  auf  die  Winterfürsorge 
hingewiesen.  Mir  ist  es  ungeheuer  unwahrscheinlich,  dass  die  Indianer 
zu  diesem  Zweck  Gras  geschnitten  und   in  die  Höhle  gebracht  haben. 


—     133     — 

Hr.  Hauthäl:  Zunächst  möchte  ich  darauf  aufmerksam  machen,  dass 
der  Bemerkung  Nordenski ölds,  ich  hätte  im  Argentinischen  Wochen- 
blatte, <las  in  Buenos  Aires  erscheint,  geschrieben,  in  der  Höhle  sei  nichts 
zu  finden,  ein  Irrtum  zugrunde  liegen  muss;  ich  entsinne  mich  nicht,  eine 
derartige  Äusserung  getan    zu   haben. 

Nordenskiöld  betont  dann,  dass  in  der  Höhle  deutlich  eine  Schicht- 
folge derart  vorhanden  sei,  dass  zu  unterst  die  Grypotheriranschicht,  darauf 
die  Onohippidiumschicht  und  darauf  die  Kulturschicht  lagere. 

Ich  kann  nur  wiederholen,  dass  nach  meinen  Beobachtungen  es  sich 
nicht  um  ein  Über-  und  Nacheinander,  sondern  um  ein  Nebeneinander 
der  räumlich  getrennten  Kulturschicht  und  Mistschicht  handelt.  Gerade 
die  Grabungen  Nordenskiölds.  die  ja  in  der  so  grossen  Sohle  «loch  nur 
auf  einen  verhältnismässig  sehr  kleinen  Raum  sich  beschränkten,  haben  die 
aus    meinen    eigenen  Grabungen   sich  mir  ergebenden   Resultate  bestätigt. 

N  erden  sk  iöld  glaubt  nicht,  dass  die  Grypotberien  und  die  anderen 
ausgestorbenen  Tiere  von  Menschen  getötet  werden  sind,  weil  an  den 
Knochen  keine  Spuren  menschlicher  Tätigkeit  wahrzunehmen  seien.  Er 
führt  die  Kritzer,  die  an  den  Knochen  zu  beobachten,  auf  Sandschliff 
zurück  -  aber  gerade  dort,  wo  die  Knochen  in  der  .Mistschicht  lagern, 
ist  ja  Sand  nicht  vorhanden  und  Windwirkung  ist  dort  hinter  dem  Hügel 
im  Innern  der  Höhle  ausgeschlossen.  Die  Kritzer  sehen  genau  so  aus, 
wie  dieselben  hervorgebracht  werden,  wenn  das  Fleisch  von  den  Knochen 
mit  einem  scharfen  Instrument  (Steinmesser)  abgeschabt  wird. 

Von  Raubtieren  behandelte  Knochen  sehen  ganz  anders  aus.  Im 
Stuttgarter  naturhistorischen  Museum  ist  eine  reiche  Sammlung  von  Knochen 
aus  den  Höhlen  der  schwäbischen  Alb  vorhanden.  Die  Knochen  nun, 
welche  aus  den  Hyänenhöhlen  stammen,  sind  sehr  charakteristisch.  Die 
Hyänen  zerfleischten  ihre  Opfer,  zerbissen  die  Knochen  und  kauten  an 
denselben,  so  dass  die  abgenagte  Oberfläche  dieser  zersplitterten  Knochen 
mit  den  Spuren  der  Zahneindrücke,  der  Risse  usw.  ganz  bedeckt  ist. 

Prof.  Fraas  in  Stuttgart  machte  mich  wiederholt  auf  den  augenschein- 
lichen Unterschied  aufmerksam,  der  zwischen  den  Knochen  der  von  Raub- 
tieren zerfleischten  Tiere  und  den  Knochen  aus  der  (irypotheriunihöhle 
vorhanden.  Überdies  kann  ich  hier  heute  Abend  einen  Knochen  aus  der 
Mistschicht  in  der  Grypotheriumhöhle  vorzeigen,  der  mir  mit  anderen 
Resten  aus  der  Höhle  vom  Geh.  Bergrat  Prof.  Dr.  Branco  mit  grosser 
Liebenswürdigkeit  zur  Verfügung  gestellt  worden  ist.  An  diesem  Knochen, 
dessen  Aussehen  genau  mit  den  anderen  in  der  Mistschicht  gefundenen 
übereinstimmt,  sieht  man  Längsrisse,  die  nur  durch  Menschenhand  hervor- 
gebracht  sein  können,  in  der  Absicht,  aus  dem  Knochen  ein  Instrument 
zu  verfertigen. 

Ferner  muss  ich  noch  einmal  auf  die  grossen  Fellstücke  zurück- 
kommen. 

Nicht  der  (Jmstand,  dass  überhaupt  grössere  Fellstücke  von  Grypo- 
therium  erhalten  worden  sind,  wie  N  ordensk jöld  meine  Ansicht  zu 
deuten  scheint,  weist  darauf  hin,  dass  sie  von  Menschen  abgehäutet  worden 
sind,    sondern    vielmehr    die     Art    und    Weise,    wie    diese    Fellstücke 


—     L34     — 

erhalten  sind,  und  die  Umstände,  wie  sie  gefunden  wurden,  und 
es  ist  mir  eine  gewisse  Genugtuung  hier  heute  Abend  darauf  hinweisen 
zu  können,  dass  auch  die  zwei  grösseren  Fellstücke,  die  ich  im  Oktober 
im  British  Museum  zu  London  sah,  sowie  das  heute  Abend  hier  von  Hrn. 
Neumann  so  bereitwillig  ausgestellte  Fellstück  weitere  Beweisstücke  für 
meine  Ansicht  sind.  Übrigens  hat  Hr.  Neumann  ja  selber  vorhin  in 
klarer,  überzeugender  Weise  hervorgehoben,  warum  auch  er  der  Ausicht 
ist,  dass  auch  dieses  Fellstück  von  Menschen  abgehäutet  sein  muss. 

Hr.  Neumann  hat  auf  die  verschiedene  Färbung  hingewiesen,  die 
die  Haare  der  Grypotherien  aufweisen.  Ich  glaube  nicht,  dass  das  sekundär 
ist,  es  sind  das  ursprüngliche  Färbungsverschiedenheiten,  wie  sie  ja  auch 
bei  dem  Ameisenbär  und  dem  Faultier  zu  beobachten  sind  —  irgendwelche 
Bedeutung  hinsichtlich  der  Frage  nach  dem  Haustierzustand  der  Grypo- 
therien möchte  ich  dieser  verschiedenen  Färbung  nicht  beilegen. 

Hr.  v.  d.  Steinen  hat  darauf  hingewiesen,  dass  manche  Indianer- 
stämme die  Tiere,  welche  sie  in  ihrer  Umgebung  halten,  als  eigentliche 
Haustiere  kaun  man  sie  nicht  bezeichnen,  nicht  essen.  Ich  glaube,  dass 
man  solche  Tatsachen  doch  nicht  verallgemeinern  kann.  Die  Araukaner 
und  Tehuelches,  die  in  Patagonien  wohnen,  und  die  ich  aus  eigener  An- 
schauung kenne,  halten  Pferde  und  Rinder  genau  ebenso,  wie  sie  von  den 
dort  wohnenden  Farmern  gehalten  werden.  Das  Fleisch  dieser  Tiere 
schätzen  die  Indianer  aber  viel  höher  als  das  der  Guanacos,  und  Fremde, 
denen  sie  etwas  besonders  Gutes  vorsetzen  wollen,  bewirten  sie  mit  dem 
Fleische  von  der  Bauchseite  der  Stuten. 

Auch  ist  mir  wiederholt  mitgeteilt  worden,  dass  in  Bolivien  die  Faul- 
tiere als  Leckerbissen  hoch  geschätzt  sind,  genau  so  wie  in  Argentinien 
die  Gürteltiere,  die  von  den  Kampbewohnern  (Indianern  und  Europäern, 
Paysanos  und  Christianos)  lebend  in  kleinen  Spezialverschlägen  aufbewahrt 
und  gefüttert  werden.  Genau  so  denke  ich  mir  den  haustierähnlichen 
Zustand  der  Grypotherien,  die  doch  wohl  ausschliesslich  als  Fleisch-  oder 
Schlachttiere  benutzt  wurden.  Haustiere  in  unserem  Sinne  waren  sie 
(und  das  gebe  ich  gern  zu)  allerdings  nicht.  Aber  das  sind  im 
heutigen  Argentinien,  namentlich  im  Innern,  die  Rinder  auch  nicht.  Die 
werden  ja  doch  auch  nur  als  Fleisch-  oder  Schlachttiere  gehalten,  sie 
leben  vollständig  frei,  werden  im  Frühjahre  und  Sommer  zusammen- 
getrieben, dann  wird  der  Nachwuchs  markiert,  die  als  Fleischtiere  zu 
verkaufenden  werden  ausgelesen  und  die  übrigen  führen  ihr  wildes,  freies 
Leben  weiter. 

In  den  letzten  Jahren  erst  ist  man  daran  gegangen  die  Rinder  zu 
zähmen,  um  einerseits  mehr  Fleisch  andererseits  aber  auch  andere  Pro- 
dukte so  namentlich  Milch  zu  gewinnen. 


Sitzung  \ .»in  20.  Februar  1904. 
Vorsitzender:    Hr.  Lissauer,  später  Hr.   Waldeyer. 

(1)  Von  Florenz  traf  die  Nachricht  ein,  dass  unser  langjähriges 
korrespondierendes  Mitglied,  der  Baron  von  Ujfalvy  von  ßiezö  llövesd 
daselbst  gestorben  ist.  Er  hat  sich  durch  seine  wiederholten  Reisen  in 
Zentralasien  und  durch  seine  Studien  über  die  Ethnologie  und  Sprachen 
der  Turanier,  der  Magyaren,  Finnen  und  Altaivölker  sehr  verdient  ge- 
macht. 

Auch  ans  der  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder  wurden  uns  zwei  durch 
den  Tod  entrissen,  der  Professor  Dr.  Ferdinand  Ascherson,  früherer 
Oberbibliothekar  der  Kgl.  Universitätsbibliothek,  und  der  Sanitätsrat 
Dr.  Rosenthal,  beide  in  Berlin.  Wir  werden  allen  dreien  ein  treues 
Andenken  bewahren.  — 

(2)  Der  Vorstand  hat  in  Übereinstimmung  mit  dem  Ausschuss  in 
seiner  Sitzung  am  12.  d.  M.  die  um  unser  Forschungsgebiet  hochverdienten 
Herren 

Salomon    Rein  ach,    Konservator    des    Musee    de    St.    Germain 

en  Laye, 
Koganei,  Professor  der  Anatomie  in  Tokio,  und 
Tsuboi,  Professor  der  Anthropologie  in  Tokio  und  Vorsitzenden 

der  Anthropologischen  Gesellschaft  daselbst. 
zu  korrespondierenden  Mitgliedern  ernannt.  — 

(:>)    Als  neue  Mitglieder  werden  gemeldet: 

Hr.  Privatier  Stegeinann,  Charlottenburg. 

Hr.  Dr.  Lanz-Liebenfels,  Rodaun  bei  Wien, 

Hr.  Professor  Ernst   Koeber,  Historienmaler,  Berlin, 

Hr.  Professor  Dr.  Ernst  Masche,  Haiensee, 

Hr.  Wilhelm   .Müller,  Salzwedel. 

Hr.  Julius  Knapp,  Berlin, 

Hr.   Dr.   Rosenow,  Arzt.  Eberswalde, 

Frau  Professor  Selenka.   München. 
Wieder  eingetreten  ist  nach  seiner  Rückkehr  aus  Turkestan 

Hr.  Professor  Grünwedel  in  Berlin.  — 

(4)  Hr.  Dr.  Strebel  in  Hamburg  sowie  die  archäologische  Sektion 
des  Museums  des  Königreichs  Böhmen  haben  für  die  Glückwünsche  der 
Gesellschaft  zu  den  von  ihnen  im  Januar  gefeierten  Jubiläen  ihren  Dank 
ausgesprochen. 


—     136     — 

Auch  der  Coppernikus -Verein  in  Thorn  beging  am  18.  d.  M.  die  Feier 
seines  50jährigen  Bestehens:  der  Vorstand  hat  dem  Verein  telegraphisch 
die  besten  Wünsche  für  sein  ferneres  Gedeihen  übersandt.  — 

(5)  Eine  Anzahl  von  Folkloristen  in  Deutschland  haben  auch  unsere 
Gesellschaft  zu  einer  Konferenz  über  die  Bildung  eines  festen  Verbandes 
aller  volkskundlichen  Vereine  und  Forscher  am  Mittwoch,  den  (5.  April  d.  J., 
nach  Leipzig  eingeladen.  Vorstand  und  Ausschuss  haben  zum  Vertreter 
der  Gesellschaft  Hrn.  Sökeland  erwählt,  der  auch  das  Mandat  freundlichst 
angenommen  hat. 

In  Basel  wird  vom  30.  August  bis  2.  September  d.  J.  der  II.  Inter- 
nationale Kongress  für  Allgemeine  Religionsgeschichte  tagen.  Die  Mit- 
glieder unserer  Gesellschaft  werden  eingeladen,  an  diesen  gewiss  sehr 
interessanten  Verhandlungen  teilzunehmen;  der  Beitrag  ist  auf  20  Fr.  fest- 
gesetzt. Die  Anmeldungen  nimmt  Hr.  Prof.  Alfred  Bertholet  in  Basel 
(Leonhardstrasse  8)  entgegen. 

In  Mailand  soll  im  nächsten  Jahre  eine  retrospektive  Ausstellung 
über  das  Transportwesen  stattfinden,  zu  deren  Beschickung  die  Gesellschaft 
durch  ein  vorläufiges  Programm  aufgefordert  wird.  — 

(0)  Hr.  Prof.  Klaatsch  hat  Anfangs  dieses  Monats  eine  Forschungs- 
reise nach  Australien  angetreten  und  sendet  der  («esellschaft  noch  von 
Genua  aus  herzliche  Grüsse.  Er  reist  unter  sehr  günstigen  äusseren  Um- 
ständen, „da  sein  Begleiter,  Hr.  Clotten,  der  in  North  Queensland  Berg- 
werksinteressen vertritt,  aber  auch  für  ideale  Ziele  sich  begeistern  kann, 
ein  ungewöhnlich  energischer  und  intelligenter  Mann  ist  und  seine  viel- 
seitigen Erfahrungen  und  Verbindungen  in  Australien  ganz  in  den  Dienst 
der  Expedition  stellt." 

unter  gleich  günstigen  und  ehrenvollen  Verhältnissen  wird  sich 
Hr.  Hubert  Schmidt  in  den  nächsten  Tagen  zur  Ausgrabung  von  Kur- 
ganen  und  prähistorischen  Ansiedelungen  als  Mitglied  der  Expedition  des 
Hrn.  Pumpelly  und  im  Auftrage  der  Carneggie  Institution  in  Washington 
nach  Russisch  Turkestan  begeben. 

Wir  dürfen  von  diesen  Expeditionen  reiche  Ergebnisse  für  die  Anthro- 
pologie erwarten  und  wünschen  beiden  Forschern  den  glücklichsten  Verlauf 
für  ihre  weiten   Reisen.  — 

(7)  Der  am  !).  Januar  neu  gewählte  Ausschuss  hat  in  seiner  ersten 
Sitzung  satzungsgemäss  Hrn.  von  Kaufmann  wiederum  zum  Obmann 
gewählt.  — 

(8)  Die  Kgl.  Generalverwaltung  hat  auf  unser  Ersuchen  einen  neuen 
Schrank  für  unsere  stetig  wachsende  Bibliothek  anfertigen  lassen,  für 
dessen  Aufstellung  wir  uns  zu  grossein  Danke  verpflichtet  fühlen.  — 

((J)  Unsere  anthropologische  Sammlung  hat  eine  wertvolle  Bereicherung 
erfahren  durch  Übersendung  zweier  Skelette  aus  der  Gegend  von  Worms, 
welche  aus  römischen  bezw.  fränkischen  (iräbern  herstammen  und  uns 
von  Ihn.  Koehl  zum  Geschenk  gemacht  worden  sind.  Wir  sprechen 
demselben  auch  an  dieser  Stelle  dafür  unseren  besten   Dank  aus.  — 


—     137     — 

(10)  Hr.  W.  Herrmann  übersendet  einen  Ausschnitt  aus  dein 
argentinischen  Wochenblatt  in  Buenos  Aires  vom  C>.  Mai  des  v.  .1.,  in 
welchem  das 

Auftreten  des  Mongolenfleckes 
bei  den  Maja-Indianern  konstatiert  wird      Die  Stelle  lautet: 

Auf  eine  völkerkundliche  Merkwürdigkeit,  für  die  eine  Erklärung 
vorläufig  nicht  gefunden  ist,  macht  der  amerikanische  Forscher  Frederick 
Starr  aufmerksam.'  Es  war  schon  früher  von  den  Japanern  und  Eskimos 
und  noch  einigen  Völkerstämmen  bekannt,  dass  bei  den  Individuen  von 
reiner  Abstammung  an  einer  Stelle  des  Rückens  ein  eigentümlicher  Fleck 
vorhanden  ist,  der  dann  in  späterem  Alter  verschwindet.  Starr  erfuhr 
nun  im  Jahre  1901  während  einer  Keise  auf  der  Halbinsel  Yukatan  von 
einem  dortigen  Priester,  dass  unter  den  daselbst  lebenden  Maya-Indianern 
ebenfalls  ein  solches  Adelszeichen  in  Gestalt  eines  blauen  oder  purpur- 
roten Fleckes  in  der  Gegend  der  Sakralwirbel  vorkommt.  Es  wurde 
noch  berichtet,  dass  die  Indianer  diesem  Fleck  den  Namen  Uits  (Brod) 
geben,  und  dass  es  für  einen  Maya  als  Beleidigung  gilt,  von  diesem  Alt- 
zeichen sprechen  zu  hören.  Bei  seiner  letzten  Anwesenheit  ist  dann 
Starr  der  Sache  weiter  nachgegangen  und  hat  in  der  Tat  an  sieben 
Maya-Babies  von  reinem  Indianerblut  in  jedem  Fall  den  fraglichen 
Fleck  gefunden.  Allerdings  scheint  bei  diesem  Indianerstamm  das  .Mal 
mehr  im  Verschwinden  begriffen  zu  sein  als  bei  den  Japanern  und  anderen 
Volkerschaften,  da  es  schon  unkenntlich  zu  werden  pflegt,  wenn  das  Alter 
von  zehn  Monaten  überschritten  ist.  Auffallend  ist,  dass  andere  Stämme 
jenes  mittelamerikanischen  Gebiets,  z.  B.  die  berühmten  Azteken,  jenen 
Fleck  nicht  aufweisen.  — 

(11)  Hr.  Schmeltz -Leiden  teilt  mit,  dass  die  berühmte  Nephrit- 
platte  zu  Leiden  (vgl.  diese  Zeitschrift  l!>0o,  S.  553)  sich  jetzt  im  Rijks 
Ethnographisch  Museum  und  nicht  mehr  wie  früher  im  Museum  für  Alter- 
tümer daselbst  befindet.  — 

(l'J)    Hr.  Schnippel  schreibt  aus  Osterode  i.  Ostpr.  vom  15.  Jan.  d.  J.: 
In  dem  Berichte    der   „Nationalzeitung"    über    die    Januarsitzung  der 

Anthropologischen  Gesellschaft  lese  ich  eine  kurze  Notiz  über  neue  Funde. 

betreffend 

die  prähistorische  Brettchemreberei, 

von  der  sich  Spuren  an  sehr  verschiedenen  Stellen  und  aus  sehr  ver- 
schiedenen Zeiten  finden,  die  aber  richtiger  wohl  als  Gurt-  (Gürtel-)  oder 
Bortenflechterei  zu  bezeichnen  ist.  Vielleicht  interessiert  im  Anschluss 
daran  das  beifolgende  Bild  einer  russischen  Bäuerin  aus  Snprasl  bei 
Bialystok  (Gouvernement  Grodno),  die  diese  in  dortiger  Gegend  noch 
lebendig  erhaltene  Kunst  ausübt,  wobei  freilich  anstatt  der  Brettchen  zwei 
Knebel,  der  eine  als  Handhabe,  der  andere,  mit  kleinen  Zwirnenden 
versehen,  zum  Auseinanderhalten  der   Fäden,   benutzt   werden. 

Der  Name  derartiger  Borten  ist  russisch:  Moncb,  die  Landschaft  bei 
Suprasl  bildet    aber    das    interessante    triplex    confinium,    wo   russische  — 


—     138    — 

die  am  weitesten  nach  Westen  vorgeschobenen  — ,  polnische  und  auch 
noch  litauische  Bevölkerungen  zusammenstossen  (vgl.  z  B.  die  Kiepertsche 
Völkerkarte),  und  bemerkenswert  ist,  dass  jedes  Dorf  hier  seine 
eigenen  Muster  hat.  Eine  schöne  Probe  von  einer  derartigen  Flechterei 
besitzt  übrigens  die  Sammlung  des  hiesigen  Gymnasiums. 


Russische  Bäuerin  aus  Suprasl  bei  Bialystok,  Borten  flechtend. 

Es  mag  Vorstehendes  zugleich  auch  eine  nützliche  kleine  Ergänzung 
zu  dem  bekannten  Werkchen  von  Frl.  Margarete  Lehmann-Filhes  ent- 
halten. — 

(13)    Hr.  E.  Förstemann  übersendet  eine  Mitteilung  über 
die  Lage  der  Ahaus  bei  den  Mayas. 

Sei  er  hat  in  seiner  Abhandlung  „Die  wirkliche  Länge  des  Katun  der 
Mayachroniken"  (in  den  Verhandlungen  der  Berliner  anthropologischen 
Gesellschaft  1895,  S.  441  —  449,  neu  herausgegeben  in  seinen  gesamten 
Abhandlungen  I,  577  — .r)87)  zu  beweisen  gesucht,  dass  der  mit  Katun  be- 
zeichnete Zeitabschnitt  derselbe  ist  wie  der  als  Ahau  bezeichnete,  das 
heisst  eine  Dauer  von  7200  —  20  •  360  Tagen. 

Diese  Ahaus  .wurden  aber  mit  dem  Tage  der  dreizehntägigen  Woche 
versehen,  mit  dem  sie  beginnen,  und  da  7200  =  553-  1 H  — | —  1 1  ist,  so 
musste  dieser  Wochentag  bei  jedem  folgenden  Ahau  um  2  sinken.  Es 
folgen  also  die  Ahaus  13,  11,  9,  7,  5,  3,  1,  12,  10,  8,  6,  4,  2  aufeinander, 
so  dass  also  XIII  ahau  nur  der  Dreizehn-Ahau,  nicht  der  dreizehnte  Ahau 
zu  lesen  ist,  wie  zuweilen  irrtümlich  gemeint  wird. 

Ich  stimme  in  dieser  Auffassung  der  Dauer  der  Ahaus  vollkommen 
mit  Sei  er  überein,  bin  jedoch  nicht  darin  ganz  sicher,  ob  wirklich  die 
Gleichsetzung  von  Katun  und  Ahau  für  alle  Zeit  und  für  das  ganze  JVIaya- 
gebiet  gegolten  hat.  Man  hat  auch  (und  ich  bin  darin  eine  Zeitlang  ge- 
folgt) den  Katun  für  24  •  305  =  87G0  Tage  angenommen,  ja  es  ist  mit 
dem  Worte  zuweilen  auch  die  grosse  Periode  von  52  •  365  =  18  980  Tagen 
bezeichnet,  wie  das  sechsfache  davon    113  880  als  ahaukatun. 

Doch  alles  das  ist  für  das  folgende    gleichgültig,    da    wir  es  hier  mit 


—     139    — 

den  Ahaus    von  7200  Tagen    zu    tun    haben,    dem    zwanzigsten  Teile  des 

Cyklus  von   144  000  =  400  •  360. 

Eieran  knüpft  sich  nun  die  mich  seit,  einiger  Zeii  besonders  anziehende 
Präge:  Wie  verhält:  sich  die  Lage  der  Ahaus  zu  unserer  Zeitrechnung? 
eine  Frage,  deren  sichere  Beantwortung  uns  jedenfalls  sehr  wichtige  Er- 
gebnisse herbeiführen  nniss. 

Nun  ist  auch  Seier  dieser  Innige  näher  getreten  und  hat  in  der  Zeit- 
schrift der  anthropologischen  Gesellschaft  1895,  8.446  und  in  demselben 
Jahre  in  einem  andern  verdienstvollen  Aufsatze  ((Jlobus,  Bd.  68,  Nr.  3), 
beide  abgedruckt  in  seinen  gesammelten  Abhandlungen  1,  S.  584  und  591, 
folgenden  Versuch  gemacht,  diese  Beziehungen  festzustellen,  wobei  ich 
nur  die  von  ihm  gebrauchten  Namen  der  Uinal  durch  die  ihre  Stelle  im 
Jahre  bezeichnenden  Zahlen  ersetze,  wie  wir  das  mit  unsem  .Monaten 
auch  öfters  tun: 

VIII  17;     7,9        (11  ix)      =  14:3C. 

VI  17;     7,4         (5  &0       =  1455. 

IV  17;   12,17  (11  muluc)  =  1475. 

II  17;   12,12    (5  muhte)    =  1495. 

XIII  17;  12,7     (VI  muluc)  =  1514. 

XI  17;   12,2      (6  muluc)   =  1534. 

IX  17;   17.15     (12  kan)     =  1554. 

VII  17:   17.10      {in  kan)      =  1574. 

V  17;   17,5       (13  Ana)     =  1593. 

Ich  habe  gegen  diese  Aufstellung  dreierlei  einzuwenden: 

1.  sie  beruht  auf  einigen  Angaben  der  Bücher  des  Chilam  Balani. 
einer  nach  Seiers  eigener  Äusserung  sehr  trüben  Quelle. 

2.  sie  geht  davon  aus,  dass  die  Uinal  mit  den  Tagen  kan,  muluc,  ix, 
cauac  (1,  6,  11,  16)  beginnen,  während  doch  sowohl  im  Dresdener 
Codex  als  in  dem  grössten  Teile  des  Mayagebietes,  wie  auch  Sei  er 
anerkennt,  die  Tage  ben,  ezanab,  akbal,  lamat  (10,  15.  20,  5)  diesen 
Anfang  bildeten,  so  dass  der  Tag  ahau  nur  an  den  Stellen  3,  8, 
13,  18  des  Uinal,  nicht  in  2,  7,  12,  17  stehen  kann.  (Vgl.  Gates, 
the  Maya  and  Tzental  calendars,  Cleveland  1000); 

3.  sie  hat  anscheinend  nur  einen  rein  zufälligen,  keinen  irgendwie 
sonst  bedeutenden  Tag  zur  Grundlage,  das  heisst  beim  Anfange. 
Denn  rechneu  wir  von  Seiers  VIII  Ahau  zurück  3*7200  =  21600 
=  59  •  365  -f-  65  Tage,  so  finden  wir  I  Ahau;  :'>,  6  (4  cauac). 

Nun  aber  liegt  mir  weniger  daran,  gegen  Seier  als  vielmehr  gegen 
mich  selbst  mich  auszusprechen,  wenn  sich  nicht  unser  beider  Ansichten 
vereinigen  lassen,  was  ich  allerdings  glaube.  Ich  habe  nämlich  denselben 
Versuch  gemacht  wie  er,  und  zwar  in  meinem  Aufsatze  „Der  zehnte 
Cyklus  der  Mayas",  im  (Jlobus,  Bd.  82,  Nr.  9  (1902).  Ich  ging  dabei  von 
der  jedenfalls  berechtigten  Ansicht  aus.  dass  es  am  natürlichsten  s.d. 
wenn  sich  die  zwanzig  Ahau  eines  Cyklus  so  an  den  letzteren  anschlössen, 
dass  der  Cyklus  mit  dem  ersten  Tage  eines  Ahau  beginnt  und  mit  dem 
letzten  eines  andern  endet.     80  ergab  sich  mir  folgende  Tabelle: 


-      140     — 

VIII  17;  13,12  (11  muhte),  1  296.000  =  1138. 

VI  17;  13,7  (5muluc),  1303  200  =  1158; 

IV  17;  13,2  (VI  muhte),  1310400  =  1178. 

II 17;  18,15      (5  kan),  1  317  600  =  111)7. 

XIII  17;   18,10     (12  kan),  1  324  800  =  1217. 

XI  17;  18,.")        (6  kan),  1332  000=1237. 

1X17;  23,18  (12  cauac),  1339*200  =  1256. 

VII 17;     3,14  (6  cauac),  1  34G  400  =  1276. 

V17;     3,9  (13  cauac),  1  353  000  =  1296. 

III 17;     3,4  (7  cauac),  1360  800=1316. 

117;     8,17       (13*.»),  1368  000=1335. 

XII 17;     8,12        (1  ix),  1375  200=1355. 

X17;     8,7  (l  ix),  1382  400=1375. 

VIII 17;     8,2  (Six),  1389  600=1395. 

VI  17;  13,15  (Ivnuluc),  1396  800=  1414. 

IV 17;  13,10  (Smuluc),  1404  000=1434. 

II  17;   13,5  (2  muluc),  1  411  200  =  1454. 

XIII 17;  18,18  (ß  kan),  1418  400=1473. 

XI 17;  18,13  (3  kan),  1  425  600  =  1493. 

1X17;  18,8  (9  kan),  1  432  800  =  1513. 

Für  meine  Aufstellung-  spricht  es  jedenfalls,  dass  sieben  A^on  den  hier 
mitgeteilten  Millionenzahlen  (s.  meinen  „zehnten  Cyklus")  auch  auf  den 
Denkmälern  vorkommen,  die  sich  oft  an  die  Ahaus  und  deren  Viertel  an- 
schliessen.  Dagegen  vereinigen  sie  sich  nicht  mit  den  verworrenen  Daten 
der  historischen  Quellen,  von  welchen  Daten  ich  die  fünf  glaubwürdigsten 
ebendaselbst  angeführt  habe,    die    aber  alle  erst    von  1500  ab  erscheinen. 

Xun  muss  ich  noch  ferner  etwas  höchst  Merkwürdiges  und  noch  nicht 
g-anz  Erklärliches  anführen: 

Im  Dresd.  Bl.  24  finden  wir  (s.  Kommentar  S.  50)  die  Zahl  1  364  360 
bei  dem  Datum  I  17;  18,17  (3  kan),  welches  ich  (zehnter  Cyklus  der  Mayas) 
in  das  Jahr  1325  setze.  Dasselbe  Datum  kehrt  erst  nach  52  Jahren  oder 
18  980  Tagen  wieder  im  Jahre  1377  und  hat  hier  die  Zahl  1383  340. 
Hiermit  vergleiche  man  meine  obige  Angabe  über  den  I  ahau:  1  368  000 
I  ahau;  8,17  £13  ias)  =  1335.  1383  340—1368  000  ist  aber  =  15  340 
=  59  •  260=  42  ■  365  -j-  10  und  genau  nach  42  Jahren  nimmt  Seier 
„Korrekturen  der  Jahreslänge"  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1903,  S.  29),  den  Ein- 
schub  von   10  Tagen  an. 

Dies  wunderbare  Zusammentreffen  hat  mich  auf  den  Gedanken  ge- 
bracht, dass  überhaupt  die  Lage  der  Ahaus  zusammenhängen  könne  mit 
jenem  Datum  des  Dresd.  I  17;  18,17  (3  kan),  das  allen  dortigen  astro- 
nomischen Rechnungen  zu  Grunde  liegt,  z.  B.  denen  auf  den  Blättern 
46 — 50.     Dann  würde  sich   die  Folge  der  Ahaus  so  gestalten: 

I  17;   18,17  (ßkan),  1  383340  -  1377. 

Xu  17;  18,12  (10  kan),  1  390  540  =  1397. 

X  17:    IS.7  (4  kan),  1397  740=  NI7. 

VIII  17:   18,2  (II  kan\  1  loi  940  =  1437. 


—     141     — 

VI  17;      :;.Hi    (-icauac).     1    1 1  _'  1  40  =    1456; 

IV  17:  3,11  (11  <■„„,„■).  l  il'.i  :;io  =  U76. 

II  17;  :;.(i  (:>  cauac).  1   126  540  =  1496. 

XIII  17;  3,1  (12  cauac  .  I   !:;:)  7  1«)  L516. 

XI  17;  8,14  (5  w),  1   11' »'.140  -  L535. 

IX  17:  8,9  (12  ia\  L  448  140  =  L555. 

VII  17;  8,4  (6  ix),  1  455340  =  L575. 

V  17;  l:;.17  (lZmuluc),  1  t62  540  =  L594. 

III  17;  L3,12  (<omuluc),  1464740=  1614. 

Nach  dieser  Reihe  habe  ich  bereits  in  meinem  Aufsatze  über  die 
Stela  .1  von  Copan  den  Anfang  des  II  Ahau  angesetzt  und  in  meiner  Ab- 
handlung über  die  tnsehriften  von  Yäxchilan  mich  darüber  ausgesprochen, 
dass  mein  früheres  Ausgehen  vom  Anfange  des  zehnten  Cyklus  in  1138 
wirklich  die  frühere,  das  hier  aber  Mitgeteilte,  von  1377  ausgehende,  die 
spätere  Bezeichnungsweise  betraf.  Diese  zweite  Art  stimmt  auch  nahezu 
mit  der  Rechnung  Seiers,  denn  dass  ich  von  ihm  um  ein  einziges  Jahr 
abweiche,  beruht  wohl  nur  darauf,  dass  das  Mäyajahr  anders  anfing  als 
das  unsrige,  welches  leicht  in  ein  vorhergegangenes  und  leicht  in  ein 
folgendes   .Maviijahr  eingreifen  konnte. 

.Meine  frühere  Aufstellung  wies  aber  auf  eine  stets  um  42  Jahre 
frühere  Zeit  hin  als  die  jetzige  und  das  stimmt  auffallend  zu  Seiers 
Korrektur  der  Jahreslänge.  Wann  mag  das  ..Pop  set  in  order"  erfolgt 
sein?  — 

(14)    Hr.  Otto  Schoetensack  in  Heidelberg  berichtet  folgendes 

zur  Nephritf rage : 

Von  den  mir  durch  Hrn.  J.  Heier] i  zur  Untersuchung  übergebenen 
13  mehr  oder  weniger  bearbeiteten  Gresteinsstücken  aus  einem  Pfahlbau 
des  Zuger  Sees  erwiesen  sich  drei  als  Nephrit,  deren  genaue  Beschreibung 
unten  folgt.1)     Die  übrigen   von    bedeutend    niedrigerem   spezifischen  Ge- 


1)  Diese  Abhandlung  wurde  von  mir  im  April  1900  au  Hrn.  J.  Heierli  in  Zürich 
eingeschickt  nebst  -_"J  Dünnschliffen,  die  ich  bat  bei  den  Steinen  zu  lassen,  gleichviel  ob 
diese  in  seinem  Privatbesitz  bleiben  oder  in  eine  öffentliche  Sammlung  übergehen,  damit 
eine  Kontrolle  über  meine  Untersuchung  ausgeübt  werden  könne.  Hr.  Heierli  zeigte 
mir  den  Empfang  meiner  Abhandlung  an  mit  den  Worten:  „Es  ist  nun  mit  Ihrer  Unter- 
suchung ein  wichtiger  Schritt  zur  Lösung  der  Nephritfrage  gethan,  wie  ich  glaube. 
Nochmals  Dank!"  Mein  Wunsch,  dass  ein  in  der  Schweiz  ansässiger  Petrogruph  durch 
die  für  meine  Rechnung  von  Voigt  &  Hochgesaug  in  liöttingen  vortrefflieh  aus- 
geführten Dünnschliffe  angeregt  werden  möge,  der  Nephritfrage  in  umfangreicherem  Blasse 
nachzugehen,  ging  in  Erfüllung,  indem  Hr.  A.  Bodmer-Beder  in  Zürich  in  dankens- 
werte" Weise  eine  gründliche  petrographische  Untersuchung  darüber  im  Neuen  Jahrb.  f. 
Min.  1H02  S.  166  198  veröffentlichte.  Hr.  .!.  Heierli  gab  einen  Auszug  daraus  in  dem 
Anzeiger  f.  Schweiz.  Altertumskunde  Nr.  1,  1902,  indem  er  archäologische  Bemerkungen 
hinzufügte.  l>a  aus  keiner  der  beiden  Arbeiten  zu  ersehen  i-t.  welche  Vorarbeit  von  mir 
in  dieser  Sache  geleistet  wurde,  worüber  ich  übrigens  Niemandem  einen  Vorwurf  machen 
will,  so  halte  ich  es  zur  Wahrung  der  Priorität  für  geboten,  den  Teil  meiner  im  April 
1900  abgeschlossenen  Untersuchung,  der  jetzt  uoch  ein  allgemeines  Interesse  in  Anspruch 
nehmen  dürfte,  hier  nachträglich  zu  veröffentlichen. 


—     142     — 

wichte  und  geringerem  Härtegrade  zeigen  unter  dem  Mikroskop  ein  äusserst 
dichtes  Gemenge  von  Serpentin-  und  chloritartigen  Substanzen  mit 
schwacher  Doppelbrechung.  Da  sie  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
dem  von  den  Centralalpen  stammenden  Gletscherschutt  ent- 
nommen sind,  so  ist  anzunehmen,  dass  die  Nephrite  die  gleiche 
Herkunft  haben,  insbesondere  spricht  dafür  das  Fragment  eines 
geschliffenen  Beiles  (Nr.  11),  dessen  Material  als  eine  Art 
Bindeglied  zwischen  Nephrit  und  Aktinolithschiefer  bezeichnet 
werden  kann.  Wie  Hr.  Professor  A.  Sauer,  der  so  liebenswürdig 
war,  mir  seine  reichen  petrographischen  Erfahrungen  bei  dieser  Unter- 
suchung zur  Verfügung  zu  stellen,  mir  mitteilte,  sind  die  Alpen  in  petro- 
graphischer  Beziehung  noch  keineswegs  gründlich  erforscht,  es  werden 
vielmehr  beständig,  sowohl  für  ein  engeres  Gebiet  wie  auch  für  die  Alpen 
überhaupt,  neue  Gesteine  aufgefunden.  So  gelang  es  ihm  in  der  Nähe 
einer  sehr  begangenen  Strasse  am  Sustenpass  „Wollastonit"  festzustellen, 
der  bisher  aus  den  Alpen  überhaupt  nicht  bekannt  war.  Es  ist  daher  zu 
hoffen,  dass  auch  noch  Nephrit  anstehend  in  den  Centralalpen  aufgefunden 
werde. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  daran  erinnern,  dass  ja  auch  durch 
die  Auffindung  anstehenden  Nephrits  in  Schlesien  (bei  Jordansmühl 
in  Verbindung  mit  Granulit  und  Serpentin,  bei  Reichenstein  zusammen 
mit  Serpentin,  serpentinhaltigem  Kalkstein  und  Diopsid  sowie  auch  Tremolit 
und  Chlorit)1)  und  durch  die  von  F.  Berwerth  und  A.  B.  Meyer  (vgl. 
Globus  vom  6.  Mai  1899)  veröffentlichten  Funde  von  Rohnephrit  in  Steier- 
mark die  Annahme,  dass  dieses  Mineral  überhaupt  nicht  in  Europa  heimisch 
sei,  als  irrig  erkannt  ist 

Hinsichtlich  des  schlesischen  Vorkommens  ist  noch  zu  bemerken,  dass 
nur  ein  Beil  daher,  dasjenige  von  Ohlau,  welches  ich  als  Nephrit  erkannte 
und  beschrieb  (Zeitschrift  f.  Ethnol.  1891,  Verh.  S.  596),  sowie  eine 
Nephriteinsprengung  an  einem  Serpentinbeile  von  Gnichwitz  (Zeitschrift 
f.  Ethnol.  1884,  Verh.  S.  358)  bekannt  geworden  siud.  Das  schlesisclie 
Nephritvorkommen  hat  also  in  prähistorischer  Zeit  keine  Rolle  gespielt, 
„dagegen  beweist  —  wie  H.  Traube,  der  Entdecker  des  Jordansmühler 
und  Roichensteiner  Nephrits  gelegentlich  der  Besprechung  des  letzteren 
im  Neuen  Jahrb.  f.  Min.  1887  II,  S.  278  bemerkt  —  der  erneute  Fund, 
der  wiederum  an  einem  sehr  besuchten  und  öfters  mineralogisch  und  geo- 
logisch durchforschten  Orte  erfolgte,  wie  leicht  er  übersehen  werden  kann, 
und  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  er  auch  in  der  näheren  oder  weiteren 
Umgehung  der  Gebiete  anstehend  vorkommt,  wo  er  im  verarbeiteten  Zu- 
stand angetroffen  wurde,  liegt  sehr  nahe." 

Beschreibung  der  Nephritartefakte  aus  einem  Pfahlbau 

des   Zuger   Sees. 

Nr.  8.  Fragment  eines  sorgfältig  geschliffenen  Nephritbeils,  dessen 
Gestalt   und   Grösse   nicht  mehr  feststellbar   ist.      Zwei    zum   Teil    noch  er- 

lj  H.  Traube,  Leopoldina  XX,  1884  Nr.  7-8;  Neues  Jahrb.  f.  Min.  1884,  Bd  111 
und  1885,  Bd.  II. 


—      143     — 

haltene  Flächen  lassen  auf  einen  oblongen  Querschnitt  schlieesen.  Das 
Bruchstück  ist  AI  mm  lang,  21mm  breit  und  7  mm  dick.1;  Die  Farbe  ist 
grüngrau,  wolkig  (Radde  37  k—n),  11=  6—7,  spez.  Gewicht  =  2,98.  Der 
makroskopische  Habitus  des  .Minerals  ist  schieferig,  blätterig.  Im  Dünn- 
schliffunter dem  Mikroskop  zeigt  dasselbe  ein  feinfaserig  filziges  Gewebe  von 
farbloser  Hornblende  mit  bald  divergent  Btrahliger,  bald  verworren  ge- 
stauchter Anordnung  dm-  Faserelemente.  Aus  diesem  Gewebe  leuchten 
/.wischen  gekreuzten  Nicols  hier  und  da  einige  grössere  Hornblende- 
stengelehen  hervor,  die  eine  Ä-uslöschungsschiefe  ron  15—17°  aufweisen. 
Enterpositionen,  wie  opake  Erze  u.  dergl.  fehlen. 

Nr.  10.  Splitter  eines  sorgfältig  geschliffenen  Nephritartefaktes. 
Länge  30  mm,  Breite  26  w,  Dicke  3  mm.  Die  Farbe  ist  einheitlich  gras- 
grün (Radde  I4f),  H  =  6— 7,  spez.  Gewicht  =  3,04.  Bruch  splitterig, 
zum  Teil  auch  schieferig  sieh  absondernd.  Das  Mineral  wird  vor  dem 
Lötrohr  weiss  gebrannt  und  schmilzt  in  dünnsten  Kanten  schwer  zu  Glas. 
Es  erscheint  äusserlich  homogen  und  weist  nach  der  Mitte  ein  äusserst 
dichtes  faseriges  Gefüge  auf.     Das  optische  Verhalten  spricht  für  Nephrit. 

Nr.ll.  Fragment  eines  geschliffenen  Nephritbeils.  Das  noch  er- 
haltene <S7  mm  lange  Stück  ist  unregelmässig  gestaltet,  ölten  39,  unten 
nur  noch  29  mm  breit  und  ca.  14  mm  dick.  Es  zeigt  noch  auf  zwei  Seiten 
Schliffflächen,  die  auf  einen  oblongen  Querschnitt  schli essen  lassen,  im 
übrigen  nur  Bruchflächen.  Die  Farbe  ist  zum  Teil  gelbgrün  (Radde  10g  . 
meist  aber  viel  heller.  H  =  ca.  6,  spez.  Gewicht  =  "_\!>7.  Das  Gestein 
besitzt  äusserlich  eine  sehr  ausgeprägte  Schieferung  und  erinnert  an  einen 
feinfaserigen  Aktinolithschiefer.  Nach  der  Mitte  zeigt  es  eine  verworren 
und  gestaucht  faserige  Struktur.  Die  Faserung  wird  einerseits  zu  einem 
äusserst  feinfaserigen  Gewebe,  andererseits  geht  sie  in  eine  mehr  oder 
weniger  parallel-stengelige  Anordnung  über. 

(15)  Von  Hrn.  Hubert  Schmidt  sind  zwei  Abhandlungen   über 
die  Keramik  der  makedonischen  Tumuli  bei  Saloniki,  sowie 

Troja-Mykenae-Ungarn. 
Archäologische   Parallelen 
feiner  von' 

(16)  Hrn.   Mathe ws  aus   New  Süd-AVales  eine  Abhandlung 
Some  Initiation  (Jeremouies  of  tlie  Aborigines  of  Victoria 

eingegangen,   welche  später  erscheinen   werden.  — 

(17)  Hr.  Götze  überreicht  einen   Bericht   über 
Ausgrabungen  von  Hügelgräbern  bei  Seigenau,  Zedlin  und  Rowen 

und 

(18)  Hr.   Domnick  in   Pfaffendorf  einen   Bericht  über 
Prähistorische  Funde  im  Kreise  Beeskow-Storkow, 

welche   in   den   Nachrichten    über    deutsche    Altertumsfunde    veröffentlicht 

werden.  — 


1)  D i e  Masse  geben  jeweils   die    grösste   vorhandene  Lange,    Breite  und  Dicke  der 

Gegenstände  an. 


—     144     — 


(1!»)    Hr.  F.  W.  K.  Müller  demonstriert 

ethnologische  Objekte  aus  Japan, 

welche  von  Hrn.  Prof.  Dr.  K.  Florenz  in  Tokio  als  Geschenk  an  das 
Kgl.  Museum  für  Völkerkunde  in  Berlin  übermittelt  worden  sind.  Der 
Wortlaut  der  Original-Liste  ist  der  folgende: 

Nr.  1—24  aus  dem  Universitätsmuseum;    Notizen  dazu  nach  Angaben 
von  Prof.  S.  Tsuboi  aufgenommen. 


No.  Xames  of  objects: 

1.  „Haniwa"    Image.     Warrior    (copied    from 
the  original  in  possession  of  Mr.  Negishi). 

2.  „Haniwa"  Image,  Woman  (copied  from  the 
original  in  possession  of  Mr.  Negishi). 

3.  Head  of  a  „Haniwa"  Image,  discovered  near 
a  sepulchral  mound. 

4.  „Iwaibe"  Pottery,    made    by    the   Ancestor 
of  the  present  Japanese. 

5.  Stone-Age  Pottery. 

6.  do. 

7.  do. 

*.  do.  Mat  impressiou  is  to 

be  seen  on  the  lower  surface  of  the  bottom. 
9.  do. 

10.     Pottery,  made  by  the  aborigines  of  Kötö-sho, 
or  Botel-Tobago.     Xow  in  use. 


11.     Model  of  a  boat  .  .  . 

1*2.     Sword,   used  by  the  Paiwan,   the  Southern 

Natives  of  Formosa. 
15.     Body  Cover,  used   by  the  Northern  Natives 

of  Formosa. 
1(5.     Necklace, ■  made  of  Agate  Cylinders.     .Manu- 

factured  by  the  Chinese    and    used   by  the 

Eastern  Natives  of  Formosa. 

17.  Basker.   niade  by  the  aborigines  of  Kötösho 
or  Botel  Tobago. 

18.  Bat  .  .  . 

19.  Tobacco   Pipe,    made  of  Baniboo,    used  by 
the  Buniin    the  Southern  Natives  of  Formosa. 

20.  Ear  Ornaments  worn  l>y  the  Northern   Na- 
tives of  Formosa. 

21.  „Haniwa"  Cyjindor,    discovered   near  a  se- 
pulchral  mound. 


Localities: 

Kami-Chfijö-Mura,  Sai- 
tama-Göri,  Musashi. 

Öya  -  Mura,  Hiki  -  Göri, 
Musashi. 

Higashi  -Yajima,  Kuai- 
Mura,  Nitta-Göri,  Köt- 
suke. 

Kuroda  -  Mura,  Miyako- 
Göri,  Buzen. 

Kamegaoka,    Nishi-Tsu- 
garu-Göri,  Mutsu. 
V 
? 

Shiizuka,  Inashiki-Göri, 
Hitachi. 

Fukuda-Mura,  Inashiki- 
Göri,  Hitachi. 

Kötösho,  or  BotelTobago. 
an  island,  situated  on 
the  south  east  of  the 
Main  Island  of  Formosa. 

do. 

Formosa. 
do. 
do. 


Kötösho  or  Botel  Tobago. 

do. 

Formosa. 

do. 

llitaclii. 


—    145    — 

No.  Names  of  objecto:  Localities: 

•_'•_'.     Chipped  Stone-Axes,    made   by   the   Btone-     Near    the    river    Tama, 

Age  People  of  Japan.  Musashi. 

23.  <lo.  Nozawa-Mura,    Kawachi- 

Göri,  S 1 1  i  1 1 1  r  >  r  s  u  k  o . 
J4.     Stono  Arrow-Heads,    made  by  the  Stone-     Sakurakawa-Murajzawa- 

Age  People  of  Japan.  Göri,   Rikuchu. 

25.     Polished  Stone  A\,  made  by  the  Stone-Age     Shimotsuke. 

People  of  Japan. 
2<!.  do.  Hokkaidö   or  the  Island 

of  Yezo. 

Weiter  Nr. '27 — 32.  bezeichnet  als  Nr.  1-4.  von  einem  Hin.  Nunaka 
verschafft. 

Nr.    1:    iwaibe   aus  alter  Zeit.     Provinz   Bitchü,    Kayö  göri,    Takamatsu- 

mura.     Takeda. 
Nr.  2:    kleines   iwaibe,    unterer  Teil    (zum  Hineintun  von    shokumosu, 

ohne  Deckel).     Provinz  Suruga,  Abe-göri,  Fukuori-mura. 
Nr.  1   und  2  sind  alte  japanische  Gegenstände! 
Nr.  3:    grosses  dassei  sekifu  aus  Provinz  Shimotsuke,  Kawa-uchi  göri, 

Nozawa-mura. 
Nr.  4:    5  kleine  dito,  aus  Provinz  Musashi.  Tamagawa-engan. 
Xr.  5:    Kawa-hagi-dögu  aus  Provinz  Mutsu,  Käme  ga  oka. 
Nr.  3 — 5  stammen  aus  der  Steinzeit! 

(20)    Hr.  Hubert  Schmidt  spricht  über 

die  spätneolitkischen  Ansiedelungen  mit  bemalter  Keramik  am  oberen 

Laufe  des  Altflusses. 

Hr.  Julius  Teutsch  hat  im  letzten  Jahre  in  der  Nähe  von  Kronstadt 
an  beiden  Ufern  des  Altflusses  Ausgrabungen  gemacht  und  an  mehreren 
Stellen  neolithische  Ansiedelungen  gefunden. 

Es  sind  zwei  Gesichtspunkte,  die  mich  veranlassen,  die  Sache  hier 
zur  Sprache  zu  bringen.  Einmal  sind  höchst  merkwürdige  Tonstempel 
gefunden  worden,  die  etwa  die  Form  von  Kegeln  haben,  mit  Durch- 
lochungen  zum  Durchziehen  eines  Fadens.  Diese  Tonstempel  sind  mit 
Mustern  versehen,  und  zwar  sind  sie  plastisch  aufgesetzt.  Die  Abbildungen 
zeigen,  dass  es  entweder  einfache  oder  S-förmige  Spiralen  sind.  Hr. 
Teutsch  nimmt  ganz  richtig  an,  dass  diese  Geräte  zum  Tätowieren,  zum 
Körperbemalen  gedient  haben.  Er  zieht  dabei  Stellen  aus  der  antiken 
Literatur  heran,  die  uns  über  die  Tätowierung  der  Thraker  und  Thrake- 
rinnen überkommen  sind.  Wir  werden  uns  also  den  Vorgang  so  zu  denken 
haben,  dass  diese  Stempel  mit  einer  Farbmasse  eingerieben  und  dann  auf 
den  Körper  auf  gedrückt  wurden.  Je  Dach  <\w  Beständigkeit  der  Farbe 
kann  man  annehmen,  dass  die  Farbe  selbst  die  Tätowierung  darstellt  oder 
aber  die  Vorzeichnung  war  für  die  eigentliche  Tätowierung.  Diese  Stempel 
sind  deshalb  interessant,  weil  dadurch  die  Ansicht  bestätigt  wird,  dass  die 
Spiralornamente  überhaupt  mit  der  Körperbemalung  zusammenhängen  und 

Zeitschrift  fttr  Ethnologie.    Jahrg.  1904.  j^i 


-     146     - 

also    wohl    eine    Übertragung'    von    dem    Körper     auf    das    Gefäss    statt- 
gefunden hat. 

Ein  weiteres  Interesse  bieten  die  Gefässe  mit  bemalter  Keramik  und 
zwar  deshalb,  weil  Hr.  Teutsch  diese  als  barbarische  Nachahmung  der 
mykenischen  Vasenmalerei  bezeichnet.  Das  ist  meiner  Meinung  nach  aus 
zwei  Gründen  nicht  richtig.  Einmal  ist  die  Entwickelung  der  mykenischen 
Vasenmalerei  sicherlich  jünger  als  die  hier  vorliegende;  der  zweite  Grund 
liegt  in  der  Technik. 

Ausser  der  gewöhnlichen  rohen  Ware,  die  man  überall  findet,  ist  eine 
sehr  feine  monochrome  Ware  gefunden  worden,  die  sich  durch  aus- 
gezeichnete Glättung  hervorhebt.  Die  bemalte  Keramik  knüpft  technisch 
an  diese  monochrome  an.  Die  einfachste  Gruppe  ist  die  mit  Weissmalerei; 
hier  wird  eine  weisse  matte  Farbe  auf  den  monochromen  polierten  Unter- 
grund gesetzt.  Eine  zweite  Gruppe  verwendet  weiss  und  rot.  Nach  den 
Stücken,  die  ich  hier  vor  mir  habe,  dient  die  weisse  Farbe  in  dem  Falle 
als  Unterlage  für  das  Rot,  vielleicht  um  das  Rot  besser  auf  dem  polierten 
Untergrunde  haften  zu  lassen.  Möglicherweise  sind  aber  nach  dem,  was 
Teutsch  darüber  sagt,  auch  solche  Stücke  vorhanden,  die  das  Rot  auf 
monochromem  Untergrunde  verwenden. 

Dann  kommt  die  polychrome  Gattung.  Hier  können  wir  nach  der 
Technik  eine  Reihe  von  Untergruppen  unterscheiden.  Bei  der  ersten 
Gruppe  wird  zunächst  das  Gefäss  farbig  überzogen  und  dann  die  Malerei 
aufgesetzt  und  zwar  schwarz  und  weiss  auf  einem  bunten,  d.  h.  rotbraunem 
oder  gelbem  Untergrunde.  Hier  also  wird  das  Weiss  auf  die  braune 
Farbe  aufgesetzt.  Bei  einer  zweiten  Gruppe  wird  weiss  und  braun  neben- 
einander gesetzt,  oder  sclnvarz  auf  braun  neben  weiss.  Bei  einer  dritten 
Gruppe  werden  diese  Farben  ziemlich  gleichberechtigt  nebeneinander  ver- 
wendet, und  bei  einer  vierten  Gruppe  werden  4  Farben  verwendet. 

Wir  haben  nur  ein  Fragment  davon,  wo  braun,  creme  oder  weiss 
nebeneinander  gesetzt  werden  und  dann  eine  schwarze  und  eine  weiss- 
graue  Farbe  als  Randfarbe  daneben  gesetzt  ist. 

Es  geht  aus  dieser  Technik  hervor,  dass  die  Gefässe  garnichts  mit 
dem,  was  man  im  Mittelmeergebiet  unter  mykenischer  Vasenmalerei  ver- 
stellt, zu  tun  haben.  Dagegen  sind  die  Beziehungen  zu  der  ägäischen 
Kultur  wichtig,  wrelche  in  der  Weissmalerei  der  einfachsten  Gruppe  ge- 
geben sind.  Diese  finden  wir  sowohl  in  Troja  wie  in  einer  Nekropole 
bei  Smyrna,  weiterhin  in  Gefässgruppen  aus  Südrnssland,  Rumänien, 
Galizien,  Mähren  und  Niederösterreich,  ferner  in  einer  Gruppe  von  Ge- 
fässen,   welche  in  jüngster  Zeit  aus  Ostrumelien  vorliegen.  — 

(21)  Hr.   E.  Sei  er  spricht 

über  Steinkisten,  Tepetlocalli  mit  Opferdarstellungen  und  andere 

ähnliche  Monumente 

und 

(22)  llr.   von    I  hin  sc  mann 

über  den  Einfluss  der  Rachitis  auf  die  Schädelform. 
Beide  Vorträge  werden  später  erscheinen.  — 


—     147     — 

(23)    Hr.   l'aul  Bartels  spricht 

über  ein  ös  praebasioccinitale,  Sergi  (Os  basioticum,  Albrecht) 
an  einein  Chinesenschädel. 

Es  sind  bisher  erst  sein-  wenig  Fälle  einer  Bildung,  wie  sie  AI  Iure  In 
(L  1)  zuerst  unter  dein  Namen:  Os  basioticum,  später  Sergi  (L  1$) 
unter  der  Bezeichnung:  Os  praebasioecipitale  beschrieben  haben,  be- 
kannt geworden,  und  so  erschien  es  mir  von  Interesse,  einen  ähnlichen 
Fall,  den  ich  gelegentlich  in  der  anthropologischen  Sammlung  unseres 
anatomischen  Institutes  aufgefunden  hatte,  genauer  zu  beschreiben.  Meinem 
verehrten  Chef,  Hrn.  Geh.  Rat  Waldeyer,  bin  ich  zu  grossem  Dank 
verpflichtet  für  den  Hat  und  die  Erlaubnis,  eine  sagittale  Durchsäguiii;- 
des  Schädels  vorzunehmen,  wodurch  ein  neues  Moment  in  die  Betrachtung 
eingeführt  werden  konnte. 

Indem  ich  für  das  folgende  auf  die  beiden  Abbildungen  verweise, 
geba  ich  zunächst  eine  Beschreibung  der  in  Betracht  kommenden  Ver- 
hältnisse. 

Der  Schädel  trägt  die  Nummer  10  543  des  alten  Kataloges  und  ist 
als  der  eines  Chinesen  bezeichnet.  Er  gehörte  offenbar  einem  noch  jugend- 
lichen Individuum  an  (die  Angabe  des  Kataloges:  „Knabe  von  12  Jahren" 
muss  aber  wTohl  auf  einem  Irrtum  beruhen;  auch  Brösike  versieht  sie 
mit  einem  Fragezeichen;  der  Träger  war  entschieden  kein  Kind  mehr), 
wie  die  geringe  Abnutzung  der  Zähne,  die  noch  nicht  eingetretene  Ver- 
knöcherung der  Sutura  sphenobasilaris,  sowie  der  übrigen  Schädelnähte, 
ferner  der  Umstand,  dass  die  dritten  Molaren  noch  tief  in  ihren  Alveolen 
stecken,  anzeigen.  Der  Schädel  macht  im  ganzen  einen  normalen  Ein- 
druck, ein  Verdacht  auf  Rachitis,  Hydrocephalus  und  ähnliche  patho- 
logische Verhältnisse  lässt  sich  nicht  begründen.  Es  liegen  keine  Naht- 
anomalien vor,  nur  von  der  linken  Lamina  papyracea  ist  vorn  eine  kleine 
Knocheninsel  abgespalten.  Von  der  Stirnnaht  ist  ein  ca.  !•  mvi  langer 
supranasaler  Rest  erhalten,  ein  Torus  frontalis  markiert  die  Stelle  der 
ehemaligen  Stirnnaht! 

Die  Aussenfläche  der  Pars  basilaris  des  Hinterhauptbeines 
ist  von  normalen  Dimensionen:  ilu-e  Länge,  gemessen  von  der  Bütte 
des  Hinterhauptloches  bis  zur  Sutura  sphenobasilaris.  beträgt  24  mm,  ihre 
allgemeine  Form  wTeicht  von  der  gewöhnlichen  trapezförmigen  (Jestalt  in 
nichts  ab.  Sehr  auffallend  dagegen  ist  ein  tiefer  Einschnitt,  der  jederseirs 
symmetrisch  bis  fast  zur  Mittellinie  vordringt,  so  dass  nur  eine  schmale 
Knochenbrücke  die  Verbindung  zwischen  den  beiden  so  entstandenen  Teilen 
der  Pars  basilaris  herstellt.  Eis  schneiden  diese  lncisuren  zwei  ziemlich  genau 
gleich  lange  Teile  der  Pars  basilaris  ab.  Die  Knochenbrücke  bildet  ana- 
tomisch das  Tuberculuni  pharvngeum,  den  Ursprung  für  den  Schlundkopf; 
dieselbe  ist  ca.  7  mm  breit.  Die  Einschnitte  gehen  durch  die  ganze  Dicke 
des  Knochens,  verengern  sich  aber  nach  der  Schädelinnenseite  zu:  auch 
ist  der  linke  Einschnitt  weiter  als  der  rechte,  welch  letzterer  sich  nach 
dem  Schädelinnenraum  hin  immer  mehr  zu  einem  feinen  Späh  verengert. 
Die  einander  zugewandten   Flächen  der  Teilstücke  sind    glatt,    ebenso  die 

10* 


—     HS     — 

proximale  und  distale  (Innen-  bezw.  Aussen-)  Fläche  derselben.  Dagegen 
sind  die  Seitenflächen  und  die  dem  Keilbein  zugewandte  Vorderfläche  des 
vorderen  Teilstückes  rauh,  im  übrigen  ist  die  Aussenfläche  der  gesamten 
Pars  basilaris  gut  modelliert;  das   schon   erwähnte  Tuberculum  pharyngeum 

Fig.  1. 


Os  pracbasioccipitale   (nat.  Gr.). 
Fi-   2. 


Sagittalschnitt  der  l'ars  basilaris   (nat.  Gr.). 


ist  gut  ausgebildet  und  setzt  sich  nach  hinten  in  eine  mediane  Crista 
fort,  die  sich  alsbald  in  zwei  zu  den  Gelenkhöckern  verlaufende  Schenkel 
teilt,  so  dass  /.wischen  ihnen  und  dem  Rande  des  Hinterhauptloches  ein 
dreieckiger  Kaum  entsteht,  der  einen  Leichten  Eindruck,  wohl  vom  Zahn 
des  Epistropheus  herrührend,  aufweist.     Die  Muskelleisten  der  Uecti  ante- 


—     149     - 

riores  scheinen  gebildet  zu  werden  durch  Leichte  transversale  Erhebungen, 
die  jederseits  unmittelbar  am  hinteren  Rande  der  [ncisur  Liegen;  Erwähnt 
mag  noch  werden,  dass  an  der  übrigen  Aussenfläche  des  Einterhaupt- 
beines  jederseits  ein  Processus  paramastoidens  zu  erkennen  ist,  und  dass 
sich  die  Scliuj)])e  des  Hinterhauptes  mit  einem  zungenförmigen  Fortsatz, 
dem  Residuum  eines  Schaltknochens  der  kleinen  Fontanelle,  zwischen  die 
beiden  Scheitelbeine  hineinschiebt. 

Die  Ennenfläche  der  Pars  bäsilaris  ließe  sich  oach  Durchsägong 
des  Schädels  überldicken.  Da  die  Durchsägung  aus  dem  angegebenen 
Grunde  in  sagittaler  Richtung,  so  dass  die  die  beiden  Teilstücke  ver- 
bindende Rnochenbrücke  medial  durchschnitten  wurde»,  vorgenommen  worden 
war.  so  sind  die  im  folgenden  gegebenen  Massangaben  durch  Addition  der 
Masse  der  beiden  Hälften  gewonnen;  die  Grössen  der  Teilstücke  sind  in 
Klammern  beigefügt,  und  zwar  immer  die  des  rechten  zuerst.  Die  Form 
der  Pars  bäsilaris,  vom  Schädelinnenraum  aus  gesehen,  ist  die  eines 
Trapezes  mit  abgerundeten  Ecken.  Die  grösste  Breite  beträgt  28  (13— j-  15)  »ton; 
die  vordere  Grenzlinie  ist  11)  (10  -(- '0  mm->  die  hintere  25  ( 1  3  -f-  1  2)  mm 
hing.  Die  vordere  Begrenzung  wird  gegeben  durch  die  Fissura  spheno- 
occipitalis,  die  alter  hier  nicht  so  klafft  wie  auf  der  Aussenseite;  ebenso 
liegt  die  seitliche  Grenze  hier  näher  an  der  inneren  Kante  der  hinteren 
Fläche  der  Felsenbeinpyramide  als  wie  auf  der  Aussenseite.  Vollends 
anders  gebildet  ist,  besonders  rechts,  der  Einschnitt,  welcher  das  vordere 
Knochenstück  vom  übrigen  Hinterhauptbein  trennt;  zwar  ist  links  der 
Einschnitt  ähnlich  gebildet,  wie  auf  der  Aussenseite,  nach  vorn  konkav, 
doch  ist  der  Spalt  hier  enger,  die  Ränder  sind  nicht  so  abgeglättet,  sondern 
mit  kleinen  zahnförmigen  Rauhigkeiten  besetzt.  Rechts  ist  diese  Rauh- 
heit der  Ränder  noch  mehr  ausgesprochen;  der  Verlauf  der  Furche  ist 
fast  geradlinig,  der  Spalt  ziemlich  eng;  nach  aussen  zu,  im  äusseren  Drittel 
der  ganzen  Incisur,  ist  sie  fast  völlig  verschlossen,  nur  durch  einen  feineu 
Spalt  markiert,  dessen  Verlaufsrichtung  zwar  auch  quer,  aber  nicht  die 
direkte  Fortsetzung  der  bisherigen  ist,  sondern  mittels  eines  nach  hinten 
gellenden  Knickes  sich  aus  der  ersten,  mehr  medialen  Incisur  fortsetzt. 
Die  Fläche  ist  leicht  konkav,  wie  es  für  die  Anlagerung  des  Pons  cerebri 
nötig  ist.  Hechts  und  links  seitlich  liegt  eine  tief  eingeschnittene  Furche. 
die  wohl  für  den  Sinus  petrosus  inferior  bestimmt  war.  Dieselbe  hat  im 
allgemeinen  eine  ungefähre  Breite  von  ca.  l/a  cm  und  setzt  sich  nach 
hinten  auf  das  Hinterhauptbein  fort,  um  am  Foramen  jugulare  zu  enden. 
Die  Knochenbrücke,  welche  die  beiden  Teilstücke  der  Pars  bäsilaris  ver- 
bindet, ist  auf  der  Schädelinnenfläche  viel  schmaler  wie  aussen,  nur 
•'>  (1  -f-  2)  mm  breit. 

Der  Sagitta  Ischnitt,  welcher  auf  Veranlassung  von  Hrn.  Geh.  Etai 
Waldeyer  durch  den  Schädel  gelegt  wurde,  deckt  interessante  Verhält- 
nisse im  Innern  der  Pars  bäsilaris  auf.  Da  bisher  meines  Wissens  kein 
derartiger  Fall  beschrieben  wurde,  bo  gebe  ich  auch  hiervon  eine  Ab- 
bildung (Fig.  2).  Man  sieht  deutlich,  dass  die  Spongipsa  des  Knochens 
nicht  überall  gleiohmässig  angeordnet  ist.  Entsprechend  der  Stelle  der 
lvnochenbrücke.  die  beide     Peilstücke   verbindet,    linder  sich   nämlich  eine 


—     1 50     - 

Art  von  Scheidewand,  die  aus  dickeren  Knochenplatten  gebildet  wird  und 
den  ganzen  Knochen  in  zwei  Stücke  zerlegt.  Im  Innern  dieser  beiden 
Teilstücke  ist  die  Spongiosa  lockerer  als  an  der  Peripherie.  Es  besteht 
also  auch  in  der  inneren  Architektur  der  Pars  basilaris  eine 
deutliche  Sonderung  in  zwei  Teile. 

Zu  erwähnen  wären  nun  noch  die  seitlichen  Flächen  des  vorderen 
Teilstückes,  die  den  Spitzen  der  Felsenbeinpyramiden  gegenüber  liegen. 
Sie  sind  rauh,  ihre  Richtung  ist  schief,  und  zwar  sind  sie  so  gerichtet, 
dass  sie  sich  in  der  Verlängerung  vorn  und  distalwärts  schneiden  würden. 
Während  sie  auf  der  cerebralen  Seite  dicht  an  das  Felsenbein  heran- 
reichen, klafft  zwischen  ihnen  und  der  Spitze  des  Schläfenbeines  auf  der 
basalen  Seite  eine  weite  Lücke,  das  Foramen  lacerum  anterius. 

Ausser  dem  vorliegenden  Falle  kenne  ich1)  vom  Menschen  nur  noch 
sieben  mit  Sicherheit  als  ähnlich  zu  bezeichnende,  die  in  der  Literatur 
niedergelegt  sind.  Fünf  davon  sind  von  Albrecht  beschrieben  (L.  1 — 4); 
dabei  ist  der  Fall  von  Ideler  mit  eingerechnet,  den  dieser  in  einer  vor- 
läufigen Mitteilung  (L.  8),  die  man  bei  Albrecht  (L.  3  S.  6  u.  7)  wörtlich 
zitiert  findet,  beschrieben  hatte;  die  weitere  Bearbeitung  dieses  Falles, 
der  am  Schädel  einer  21jährigen  Idiotin  beobachtet  wurde,  hatte  dieser 
Albrecht  überlassen,  der  auch  den  Namen  „Basioticum"  gegeben  und 
eine  vergleichend  anatomische  Deutung  versucht  hatte.  Die  übrigen  vier 
Fälle  von  Alb  recht  sind  beobachtet  1.  an  einem  „Foetus  cyclope  et  hemi- 
cephale  d'environ  8  mois";  2.  an  einem  „Hemicephale  non  cyclope"  aus 
Virchows  pathologischer  Sammlung;  3.  an  einem  normalen  menschlichen 
Fötus  von  ungefähr  8  Monaten;  4.  an  einem  normalen  Schädel  eines  Neu- 
geborenen, gleichfalls  aus  Virchows  Sammlung.  Sergis  Fall  (L.  13) 
betrifft  einen  antiken  römischen  Schädel,  den  er  aber  für  einen  überhaupt 
anormalen  hält.  Den  Fall  von  Legge  (L.  ',)),  den  Sergi  in  einem  Nach- 
trag als  gleichzeitig  mit  dem  seinen  publiziert  erwähnt,  konnte  ich,  weil 
jede  nähere  Literaturangabe  fehlt,  leider  nicht  auffinden;  es  handelt  sich 
nach  seiner  Anmerkung  um  einen  ähnlichen  Fall,  doch  ist  weiteres  nicht 
mitgeteilt. 

Ganz  vor  kurzem  hat  dann  noch  G.  Paravicini  (L.  10)  einen  Fall 
mitgeteilt,  den  er  an  dem  Schädel  eines  im  Irrenhause  von  Mombello 
Verstorbenen  beobachten  konnte.  Dazu  kommen  wenig  klare  Angaben 
von  Geoffroy  St.-Hilaire  (L.  7),  von  Schwegel  (L.  12)  und  von  Ram- 
baud  und  Renauld  (L.  11),  die  nach  Albrecht  vielleicht  ähnliches  schon 
gesehen  haben. 

(Nicht  mitgezählt  ist  der  von  Albrecht  (L.  .")  und  6)  veröffentlichte 
sehr  unklar  geschilderte  Fall.) 


1)  Einige  Tage  nach  der  Sitzung  erhielt  ich  das  soeben  erschienene  Werk  von 
Le  Double:  Traite  des  variations  des  os  du  crane  de  rhomme,  Paris,  Vigot  Freies. 
welches  auf  S.  80—83  auch  die  hier  vorliegende  Varietät  bespricht.  Dort  werden  10  Fälle 
vollständiger  Abtrennung  des  Os  praebasioccipitale  (davon  1  an  einer  Chinesin,  1  an 
einem  alten  Peruaner  beobachtet),  genannt,  und  auch  sonst  interessante  Nachweise,  meist 
aus  der  bei  uns  weniger  bekannton  italienischen  Literatur,  angeführt.  Ich  denke  auf  die 
Kasuistik  bei  späterer  Gelegenheit  zurückzukommen. 


—    1 .")  1    — 

An  normalen  Schädeln  existieren  also  nur  zwei  kindliche  bezw.  fötale, 
die  diese  Bildung  aufweisen  —  die  beiden  Fälle  von  Albrecht  — ,  und 
einer  eines  Erwachsenen,   der  vorliegende. 

Dass  das  vordere,  von  Albrecht  als  Basioticum,  von  Sergi  als 
Praebasioccipitale  bezeichnete  Knochenstück  gänzlich  von  der  übrigen 
Pars  basilaris  abgetrennt  war,  wurde  nur  an  den  beiden  von  AI  brecht 
beschriebenen  Missgeburten  gesehen.  Bei  allen  anderen  Fällen  besteht 
eine  mediane  Knochenbrücke,  die  beide  Teilstücke  zusammenhält. 

Aus  dem  Tierreiche  liegen  bisher  nur  Beobachtungen  von  Albrecht 
vor,  der  von  einer  zyklopischen  .Missgeburt  eines  Schweines  (aus  der  Kieler 
Sammlung)  und  von  einem  normalen  Schädel  eines  jungen  Schweines  (aus 
der  Königsberger  Sammlung)  die  Abschnürung  des  vorderen  Teiles  der 
Pars  basilaris  des  Hinterhauptbeines  durch  zwrei  (im  letzten  Fall  durch 
eine)  seitliche  Incisur  beschrieben  hat  (L   2  S.  8—18  u.  S.  '24,  25). 

Ich  selbst  habe  etwas  ähnliches  an  Tierschädeln  bisher  nur  gesehen 
an  einem  mir  gehörigen  Schädel  eines  Halbaffen,  mit  Wahrscheinlichkeit 
Lemur  catta,  der  ziemlich  in  der  Mitte  zwischen  Foramen  magnum  und 
Sut.  sphenobasilaris,  gleichfalls  in  der  (legend  des  Tuberculum  pharyn- 
geum,  die  Reste  einer  gezähnelten  Naht  erkennen  lässt,  die  also  früher 
eine  vollständige  Trennung  der  Pars  basilaris  in  zwei  Teile  bewirkt  haben 
musste;  doch  scheint  der  Schädel  pathologisch  zu  sein.1)  Auf  Albrechts 
vergleichend-anatomische  Theorien  einzugehen,  ist  nach  dem  vorliegenden 
Material  kein  Anlass;  und  so  adoptiere  ich  lieber  Sergis  weniger  prä- 
judizierende  Bezeichnung  Os  praebasioccipitale  für  die  beschriebene 
Bildung. 

Das  letzte  Wort  spricht  hier  zweifellos  die  Entwicklungsgeschichte, 
uud  erst  muh  entsprechenden  Untersuchungen  werde  ich  auf  die  von 
Albrecht  augeregten  Fragen  zurückkommen. 

Ich  füge  anhangsweise  nun  noch  die  Messzahlen  des  Schädels,  nach 
der  Frankfurter  Verständigung  genommen,  hinzu,  und  bemerke,  dass  sich 
in  dem  von  Brösike  bearbeiteten  Schädelkatalog  der  Berliner  Sammlung 
S.  28  Nr.  10  543  eine  den  Zwecken  des  Kataloges  entsprechende  ganz 
kurze  Beschreibung  des  Schädels  sowie  die  Angabe  der  hauptsächlichsten 
Masse  findet,  welch  letztere  freilich  von  den  meinen  etwas  differieren 
(Gr.  L.  185;  (ir.  Br.   131-,  Höhe  136;  Gesichtshöhe   LOS). 

1.  Gerade  Länge ISO 

•_'.  Grösste  Länge 186 

3.  Intertub.  Länge 185 

4.  Grösste  Breite 130,5 

•").  Kleinste  Stimbreitc 94 

6.  Höhe 140 

7.  Hilfshöhe 13(5 

5.  Ohrhöhe 117 

9.  Hilfs-Ohrhöhe 124 

1".     Länge  der  Schädelbasis 1<>1 

LOa.  Breite     „  „  99 


1)  Nach  Hrn.  v.  Hansemanns  freundlicher  Mitteilung  in  der  Sitznng   ist    derselbe 
stark  rachitisch. 


—     152     — 

11.  Lauge  der  Pars  basilaris 24 

12.  Länge  des  For.  magn 36 

13.  Breite      „       „         31 

14.  Horizontal-  Umfang 506 

15.  Sagittal-          „           379 

16.  Vertikaler  Quer-Umfang 312 

17.  Gesichtsbreite  (Virchow) 89 

18.  Jochbreite 121 

19.  Gesichtshöhe 107 

20.  Obergesichtshöhe 63 

21.  Nasenhöhe 44 

22.  Nasenbreite 24 

23.  Grösste  Augenhöhlen-Breite 38 

25.          „                  „            Höhe 33 

27.  Gaumenlänge 46 

28.  Gaumenmittelbreite 36 

20.     Gaumenendbreite 48 

30.  Profillänge  (Kollmann) 98 

31 .  Profilwinkel 85 

32.  Kapazität     (von    ßrösike     mittels    Hirse 

bestimmt) 1550  cem 

Literatur. 

1.  P.   Albrecht,    Über   das    zwischen    dem   Basioccipitale   und    dem    Basipostsphenoid 

liegende  Basioticum.  Vorlauf.  Mitteil.  Centralbl.  f.  d.  med.  Wiss.  1878,  Nr.  33,  S.  593. 

2.  P.  Albrecht,    Memoire    sur  le  basiotique,   un  nouvel  os  de  la  base  du  eräne,    situe 

entre  Toccipital  et  le   sphenoide,   presente  ä  la  societe    d'anatomie   pathologique 
de  Bruxelles.     Bruxelles,  G.  Mayolez,  1883.     (Mit  Abb.). 

3.  P.    Albrecht,    Sur    le    eräne    remarquable     d'une    idiote    de    21  ans.      Bruxelles, 

A.  Manceaux,  1883.     (Mit  Abb.). 

4.  P.   Albrecht,    Uemonstration    des   Basioticum.     Congres    periodique    Internat,    des 

sciences  medicales,  Copenhague  1884. 
.").     P.    AI  brecht,    Epiphysen    zwischen   Hinterhauptbein    und   Keilbein    des    Menschen. 
Korr.-Bl.  d.  deutsch.  Ges.  f.  Anthr.  1884,  S.  183,  184.    (1  Abb.). 

6.  P.  Albrecht,   Epiphyses    entre    l'occipital  et  le  sphenoide    chez  l'homme.    Extr.  du 

Bull,  de  la  Soc.  d' Anthr.  de  Bruxelles,  T.  III,  Fase.  5.     1885.     (1  Abb.) 

7.  E.  Geoffroy  St.-Hilaire,    Philosophie    anatomique.    Des   monstruosites    humaines, 

Paris  1822,  p.  68—73. 

8.  Ideler,  "Westphals  Archiv  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten,  B.  VI,  S.  60<S.   1876. 
'.».     Legge  s.  nachträgliche  Notiz  bei  Sergi. 

10.  G.  Paravicini,    Prebasioccipitale  in  cranio  adulto  appartenente  a  mentecatto.    Estr. 

dalla  Gazzetta  del  Manicomio  dclla  Prov.  di  Milano  in  Mombello.     Milano  1903. 
(Ohne  Abb.) 

11.  Rambaud  et  Renauld,  Origine  et  developpement  des  os.     Paris  1864,  p.  108. 

12.  Schwegel,  Zeitschr.  f.  rationelle  Medizin,  3.  Reihe,  V  S.  283. 

L3.     G.  Sergi,    Prebasioccipitale    o    basiotico    (Albrecht)    Bull.  d.  R.  Accad.  medica    di 
Roma,  Anno  XII,  No.  4,  1886.     (1  Abb.) 

(24)  Das  chemische  Laboratorium  der  Kgl.  Museen  (am  Lustgarten) 
übersendet  uns  die  folgenden  Abhandlungen  zur  Veröffentlichung  in  unserer 
Zeitschrift. 


1.  von  den   Herren  Otto  Olsliausen   und  Friedrich   Rathgen: 
Untersuchungen  über  baltischen  Bernstein  (Succinit)  und  andere  fossile 

bernsteinähnliche  Harze. 

1.   Schmelzpunkt- Bestimmungen1). 

Der  Eine  von  uns  (0.)  hatte  gelegentlich  archäologischer  Studien 
über  den  alten  Bernsteinhandel  Anlass,  zu  prüfen,  oh  die  bisher  ange- 
wendeten Verfahren  zur  Unterscheidung  des  baltischen  Bernsteins  (Succinits) 
von  fossilen  bernsteinälmliehen  Harzen  anderer  Herkunft  hinreichend  zu- 
verlässig seien.  Die  dazu  nötigen  Arbeiten  wurden  gemeinsam  von  uns 
im  Laboratorium  der  Kgl.  Museen  hierselbst,  C,  Kleine  Präsidentenstrasse  7. 
ausgeführt,  nachdem  die  Kgl.  Generalverwaltung  gütigst  die  Erlaubnis 
dazu  erteilt  hatte,  wofür  hier  der  verbindlichste  Dank  ausgesprochen  wird. 

Die  Frage,  ob  ein  Rohstück  oder  ein  Artefact  nordischer  Succinit2)  sei 
oder  nicht,  wurde  bisher  fast  ausnahmslos  durch  qualitative  und  quantitative 
Feststellung  eines  etwaigen  Bernsteinsäuregehalts  desselben  beantwortet, 
da  nach  vielfachen  Beobachtungen  fast  nur  der  Succinit  erhebliche  Mengen 
dieser  Substanz  liefert,  andere  fossile  Harze,  mit  wenigen  Ausnahmen, 
dagegen  nur  einen  geringen  Gehalt  dieser  Säure  aufweisen  oder  gänzlich 
frei  davon  sind.  Nur  einige  wTenige  Forscher,  welche  eine  ganz  genaue 
Kenntnis  der  Rohbernstoine  der  verschiedensten  Orte  und  Länder  haben, 
konnten  hoffen,  auch  auf  anderem  "Wege,  insbesondere  durch  Feststellung 
der  physikalischen  Eigenschaften  der  Materialien,  sowie  durch  Untersuchung 
der  Einschlüsse  pflanzlicher  und  tierischer  Art  mit  Erfolg  eine  Sonderung 
des  Succinits  von  anderen  ähnlichen  Produkten  zu  versuchen.  Hier  sind 
namentlich  zu  erwähnen  Otto  Helm,  IL  Couwentz  und  P.  Dahms  in 
Danzig,  sowie  R.  Klebs  in  Königsberg  i.  Pr.  Die  meisten  Anderen  waren 
auf  den  oben  bezeichneten  Weg  angewiesen  und  so  wurde  auch  eine  Anzahl 
Rohbernsteine  und  antiker  Artefacte  von  uns  auf  ihren  Gehalt  au  Bernstein- 
säure geprüft,  worüber  später,  nach  Abschluss  der  Arbeit,  berichtet  werden 
soll.  Immerhin  wrar  es  wünschenswert,  noch  einen  zweiten,  von  allen 
( 'hemikern  beschreitbaren  Weg  aufzufinden,  um  so  die  Ergebnisse  der 
üblichen  Methode  nachprüfen  zu  können,  aber  auch  um  mit  geringeren 
Mengen  Materials,  als  zur  Bernsteinsäure-Bestimmung  erforderlich  sind, 
zum  Ziele  zu  gelangen.    Aus  diesem  letzteren  Grunde  schien  die,  nur  sehr 


1)  Abkürzungen  für  die  hier  am  baldigsten  angeführten  Werke:  A.  d.  Pli.  =  Archiv 
der  Pharmacie,  Halle  a.  S.,  später  Berlin.  —  D.  Sehr.  =  Schriften  dir  Xaturforschenden 
(Gesellschaft  zu  Danzig,  Neue  Folge.  — 

2)  Der  Succinit,  Harz  vou  pinus  succinifera,  ist  hellgelb  bis  orange  und  hvaciuthrot. 
seltener  braun,  violett,  grünlich,  wasserhell;  durchsichtig  bis  durchscheinend,  bisweilen 
undurchsichtig,  milchig  bis  kreide  weiss.  Sein  Bruch  ist  glänzend  und  muschelig.  Seine 
Härte  beträgt  2— 279  und  fast  3;  er  lässt  sich  leicht  und  gut  bearbeiten.  Man  erhält 
aus  ihm  im  Durchschnitt  5-GpCt.  Bernsteinsäure.  Die  äusserst»  Yerwitterungsschieht  i-i 
gelblichbraun,  matt,  etwas  rauh,  fest  anhaftend.  —  Mit  ihm  zusammen  kommen  andere 
Harze  vor,  so  namentlich  Gedanit:  „mürber"  oder  „unreifer-  Bernstein;  Krauzit 
(selten);  Glessit;  Stantienit  (Schwarzharz;  Beckerit  (Braunharz),  von  denen  allen  die 
Stammpfläuze  noch  nicht,  oder  nicht  sicher  bekannt  ist.  Das  Verbreitungsgebiet  des 
Succinits  in  Europa  zeigt  die  Karte  bei  I>alim>  in  Zeitschrift  für  praktische  (Geologie, 
Berlin  L901,  S.  207. 


—     154    — 

geringe  Mengen  Substanz  erfordernde  Bestimmung  der  Schmelzpunkte 
der  Harze  besonders  geeignet,  und  dies  um  so  mehr,  als  sich  herausstellte, 
dass  der  Schmelzpunkt  des  Succinits  selbst  weit  höher  liegt,  als  fast 
allgemein  angenommen  wurde,  so  dass  man  hoffen  durfte,  im  Succinit  eines 
der  oberen  Endglieder  der  Reihe  hier  hauptsächlich  in  Betracht  kommender 
fossiler  Harze  vor  sich  zu  haben. 

Als  Schmelzpunkt  des  Succinits  galt  bisher  fast  allgemein  eine  Tem- 
peratur von  höchstens  300°  C.  Helm,  welcher  sich  um  die  Beantwortung 
der  Frage  der  Herkunft  antiker  Bernsteinfunde  ganz  besondere  Verdienste 
erwarb,  hatte  1877  als  Schmelzpunkt  nahezu  300°  angegeben  (A.  d.  Ph. 
211,  242);  dann  1891:  250-300°,  (D.  Sehr.  7,  4,  191);  endlich  1895: 
287—300°  (ebenda  9,  1,  53).  Wie  er  den  Schmelzpunkt  bestimmte,  teilte 
er  nicht  mit.   — 

E.  Aweng,  ein  Mitarbeiter  des  Prof.  A.  Tschirch  in  Bern,  ver- 
öffentlichte eine  grosse  Arbeit  über  den  Succinit  im  A.  d.  Ph.  Bd.  232, 
(1894).  Daselbst  heisst  es  S.  664:  „Schmelzpunktbestimmungen  im  Kapillar- 
rohre gaben  nicht  völlig  übereinstimmende  Zahlen,  welche  sich  zwischen 
290°  und  300°  bewegten."  Das  untersuchte  Material  war  durch  Conwentzs 
Vermittelung  vom  Bernsteinwaren-Fabrikanten  F.  Jantzen  in  Danzig  be- 
zogen worden  und  von  Aweng  äusserst  fein  gepulvert. 

Helm  und  Aweng  stimmten  also  überein;  auch  sonst  fanden  wir 
nirgends  den  Schmelzpunkt  über  300°  liegend  angegeben;  nur  Klebs 
setzte  ihn,  ohne  weiteres  darüber  zu  bemerken,  auf  375°,  also  nicht  weniger 
als  75 — 80°  höher,  wie  seine  Vorgänger.  (Jahrbuch  der  Kgl.  Preuss. 
Geolog.  Landesanstalt  usw.  für  1896,  Bd.  17,  207).  Er  benutzte  bei  der 
Schmelzpunktbestimmung  drei  verschiedene  Medien  zur  Erwärmung  des 
Thermometers  mit  dem  daran  befestigten  Substanzröhrchen,  nämlich 
Schwefelsäure,  oder  Luft,  oder  endlich  eine  Umhüllung  mit  Ton.  Wie 
die  so  erhaltenen  Zahlen  untereinander  übereinstimmten,  wird  nicht  au- 
gegeben; Klebs  scheint  aber  die  Verwendung  von  Ton  bevorzugt  zu 
haben,  weil  er  glaubte,  so  eine  grössere  Konstanz  der  Temperatur  zu  er- 
zielen. Dabei  kann  er  jedoch  das  Schmelzen  nicht  direkt  wahrnehmen, 
weil  er  ja  die  Substanz  nicht  sieht,  kann  vielmehr  nur  nach  Entfernung 
der  Tonhülle  prüfen,  ob  bei  einer  bestimmten  Temperatur  schon 
Schmelzung  eingetreten  war  oder  nicht.  Für  jede  andere  Temperatur 
und  für  jeden  einzelnen  Versuch   muss   stets   die   Tonhülle  erneut  werden. 

Das  Rohmaterial  für  unsere  eigenen  Untersuchungen  (200  g)  hatten 
wir  1902  durch  gütige  Vermittelung  der  Verwaltung  des  Danziger  Prov. 
Museums  von  der  Firma  H.  L.  Perlbach  in  Danzig  erhalten,  die  dasselbe 
mit  der  grössten  Liberalität  zur  Verfügung  stellte,  so  dass  wir  ihr,  ins- 
besondere auch  dem  Prokuristen,  Herrn  Gompelsohn,  zu  lebhaftem 
Dank  verpflichtet  sind.  Die  prächtigen  hellgelben  klaren  Stücke  von 
grosser  Härte  wurden  in  kleinen  Portionen  in  einem  sehr  grossen  hohen 
Kruppschen  Gussstahlmörser  mit  schweren)  Pistill  zerstampft  und  zer- 
rieben, das  Peine  beständig  abgesiebt  usw.,  bis  unter  ausserordentlichem 
Aufwand  von   Kraft  und  Zeit  alles  in   einen  sehr  feinen  Gries  verwandelt 


—     155     — 

war,  der  freilich  von  Awengs  Pulver  an  Feinheit  noch  erheblich  Qber- 
troffen  wurde. 

Ein  Bad  ans  gewöhnlicher  englischer  Schwefelsäure  mit  wenig  über 
300°  liegendem  Siedepunkt  versagte  völlig;  die  Bubstanz  kam  nicht  zum 
schmelzen.  Wir  versuchten  es  dann  mit  einem  eigens  konstruierten  Luft- 
bade, unterbrachen  von  Zeit  zu  Zeit  den  Versuch,  Hessen  das  Elöhrchen 
erkalten  und  prüften  den  Inhalt  mit  der  Lupe.  Diese  Vorsicht  war  not- 
wendig, da  der  Succinit  sich  beim  Erhitzen  stark  bräunt,  namentlich,  wenn 
man  mit  oben  offenem  Substanzröhrchen  arbeitet.  Dies  führt  leicht  zu 
Täuschungen;  man  wähnt  die  Masse  geschmolzen,  wenn  sie  noch  aus 
ein/einen,  obgleich  etwas  zusammengebackenen  Körnchen  besteht.  Glän- 
zende Pünktchen  an  der  Wand  des  Röhrchens  bestärken  den  Eindruck  er- 
folgter Schmelzung,  wenn  auch  von  einer  solchen,  wenigstens  für  die  ganze, 
doch  immerhin  sehr  kleine  Masse  Substanz  noch  nicht  die  Rede  sein  kann. 
Wegen  der  Schwierigkeit,  eine  konstante  Temperatur  im  Luftbade  zu  er- 
zielen, gingen  wir  übrigens  bald  zum  Paraffinbade  über,  welches  die 
Temperatur  bis  380°  und  vielleicht  noch  etwas  darüber  zu  steigern  ge- 
stattet, obgleich  eine  genaue  Beobachtung  in  dieser  Höhenlage  sehr  er- 
schwert wird  durch  die  starke  Entwickelung  von  Dampfblasen  innerhalb 
des  flüssigen  Paraffins.  Die  störende  Einwirkung  der  Luft  zu  vermeiden, 
verwendeten  wir  auch  meist  im  weiteren  Verlauf  der  Arbeit  zugeschmol- 
zene Substanzröhrchen;  in  ihnen  bleibt  der  geschmolzene  Succinit 
rein  gelb.  Die  Handhabung  der  nur  wenige  Centimeter  langen  ge- 
schlossenen Itöhrchen  ist  auch  weit  bequemer,  als  die  der  offenen,  welche 
wegen  der  Höhe  der  Paraffinsäule  eine  bedeutende  Länge  haben  müssen. 
Für  Harze  dürfte  sich  dies  Verfahren  ferner  noch  deshalb  empfehlen,  weil 
sie  ja  nicht  eine  einheitliche  Substanz  darstellen,  sondern  Gemenge  sind, 
so  dass  einzelne  Bestandteile  derselben,  z.  B.  Bernsteinsäure  aus  offenem 
Röhrchen  entweichen  können.  Die  durch  das  Schliessen  bewirkte  Druck- 
erhöhung von  etwa  l1/2  atm  in  der  Substanzröhre  kann  auf  das  Ergebnis 
keinen  wahrnehmbaren  Einfluss  haben;  der  Schmelzpunkt  wird  dadurch 
nicht  merkbar  hinaufgerückt. 

Zu  den  Temperaturmessungen  benutzten  wir  ein  unter  hohem  Druck 
mit  Stickstoff  gefülltes  und  unter  Einschmelzen  eine>  Schellackpfropfens 
in  den  obersten  Teil  seiner  Kapillare  geschlossenes  Quecksilber-Thermo- 
meter, dessen  Teilung  bis  450°  reichte.  Eine  Prüfung  auf  der  physikalisch- 
technischen  Reichsanstalt  zu  Charlottenburg  ergab,  dass  es  von  0— 300 D 
einen  Grad  zu  hoch,  von  350—376°  aber  völlig  richtig  zeigte,  mithin  ein 
für  unsere  Zwecke  durchaus  brauchbares   Instrument  war. 

Vorläufige  Versuche  nun,  im  Luftbad  und  mit  offenem  Substanzrohr, 
ergaben,  dass  unser  Succinit  sicher  über  352  schmolz.  Da  aber  Aweng,  der 
doch  ein  gleich  einwandfreies  Material  besass.  von  diesem  Ergebnis  so  völlig 
al»wich,  erbaten  wir  uns  von  Hrn.  Prof.  Tschirch  eine  Probe  Arv 
Awengschen  gepulverten  Substanz,  und  fanden  nun  zu  unserer  Über- 
raschung, dass  auch  diese  über  .".Vi  schmolz.  Herr  Tschirch  prüfte 
dann  die  Probe  ebenfalls  nach  und  beobachtete  im  Paraffinbade  mit 
Niehlschem    Thermometer    den    Schmelzpunkt  352—- 58  .      Danach    stand 


—     156     — 

unbedingt  fest,    dass    alle    Beobachter,    Klebs    ausgenommen,    sich  völlig 
getäuscht  hatten,    vermutlich  wegen  der  oben  angedeuteten  Schwierigkeit. 

Wir  bestimmten  jetzt  erneut  in  offenem  Rohre,  aber  im  Paraffinbad, 
<len  Schmelzpunkt  des  Awengschen  Succinits  zu  355—59°  und  den  des 
unserigen  zu  358  —  63°. 

Als  wir  später  im  Verlauf  unserer  Arbeit  mit  anderen  Materialien 
uns  überzeugten,  dass  ganz  konstante  Resultate  bei  so  hoch  schmelzenden 
Harzen  kaum  zu  erlangen  seien,  nahmen  wir  die  Versuche  mit  Awengs 
und  unserem  Succinit  wieder  auf  und  fanden  dann  leider  auch  bei  ihnen 
diese  Erfahrung  bestätigt.  Unser  Succinit  L>ab  einmal  ohne  Abänderuno; 
der  Versuchsanordnung  373  —  75°;  dann  bei  verschlossenem  Substanz- 
rohr:  375—80°;  368 — 71°,  also  immer  wesentlich  höher,  als  früher.  — 
Alle  Versuche  waren  bis  dahin  ohne  Korrektur  durch  ein  Kontroll- 
thermometer  ausgeführt,  d.  h.  es  war  nicht  Rücksicht  genommen  auf  die 
niedrigere  Temperatur,  welche  «las  Paraffin  im  Kolbenhalse  gegenüber 
dem  in  der  Kugel  selbst  zeigt,  so  dass  die  hier  erhaltenen  Zahlen  noch 
eine  Erhöhung  erfahren  mussten.  Der  Betrag  dieser  letzteren  wird  natürlich 
verschieden  ausfallen,  je  nachdem  das  Paraffin  im  Kolbenhalse  höher  oder 
niedriger  steht.  Es  ist  aber  sehr  schwer,  hier  immer  ein  gleiches  Niveau 
herzustellen,  da  das  Paraffin  sich  mit  steigender  Temperatur  ganz  un- 
gemein ausdehnt  und  daher  geringe  Differenzen  in  der  ursprünglichen 
Füllung  sehr  ins  Gewicht  fallen. 

Man  muss  auch  wegen  der  raschen  Niveauänderung  beständig  die 
Stellung  des  Kontrollthermometers  ändern,  was  für  die  scharfe  Beobachtung 
der  Vorgänge  im  Substanzröhrchen  störend  wirkt.  —  Die  verwendeten 
Kolben  mit  zylindrischem  Halse  hatten  etwa  folgende  Abmessungen: 
Kugeldurchmesser  6,5  cm,  Inhalt  125—150  ccm\  Öffnung  des  Halses  2^2  cm, 
Länge  desselben  20  cm.  Sie  standen  in  einem  (möglichst  kleinen,  halb- 
kugeligem) Sandbade,  um  plötzliche  Temperaturänderungen  des  Paraffins 
tunlichst  zu  vermeiden. 

Die  Korrektur,  wie  sie  sich  aus  5  Versuchen  mit  unserm  eigenen 
Succinit  ergab,  ist  aus  nachstehender  Zusammenstellung  ersichtlich,  wo 
hinter  dem  -(--Zeichen  der  berechnete1)  Zuschlag  steht: 

a)  offenes  Substanzrohr:    362  bis  365  -f  8,5  =372;  579,5  +  4,8 
=  384,3. 

b)  geschlossenes  Substanzrohr:  357,5  -f-  8,0  =  365,5;  371,5  -f-  2.<> 
=  373,5;  372,5  +  5,0  =  377.5.  -, 


1)  Nach  der  Formel      .  ,      -,    wie    sie    die  physikalisch-technische  Reichsanstalt  an- 

6300  '   J 

wendet,  wohei  die  scheinbare  Ausdehnung  des  Quecksilbers  in  Glas  für  je  1°  zu  0,000158 
-    763oo    angenommen    ist.      T  ist    die    abgelesene    Temperatur    des    Hauptthermometers; 
t  die  mittlere  Temperatur  des  zu  kalten  Teils  des  Quecksilberfadens:   n  die  Länge  dieses 
Teils  in  Graden  des  Hauptthermometers. 

2)  Um  die  Korrektur  auf  ein  Minimum  zu  reduzieren,  dürfte  es  sich  empfehlen, 
zunächst  durch  ein  Normalthermometer  mit  voller  Skala,  wie  wir  es  anwandten,  den 
Schmelzpunkt  zu  ermitteln,  dann  einen  endgültigen  Versuch  unter  Anwendung  eines 
möglichst  kurzen  Partialthermometers  mit  Skala  von  etwa  300—400°  anzustellen.  Leider 
stand  uns  ein  solches  Instrument  nicht  zur  Verfügung. 


—    i  57    — 

Man  sieht,  dass  selbst  bei  geschlossenen  Röhrchen  Schwankungen  um 
volle  12°  vorkommen. 

Die  höchsten  Zahlen:  384,3  und  .177..".  wurden  erhalten  bei  schneller 
Temperatursteigerung,  die  niedrigeren:  365,5,  372,  373,5  bei  langsamem 
Vorgehen.  Ob  dies  so  zu  erklären  ist,  dass  bei  schnellem  Hinaufgeben 
das  Harz  weniger  zersetzt  wird,  oder  vielleicht  so,  dass  die  Substanz  im 
Röhrchen  nicht  so  schnell  die  höhere  Temperatur  annimmt  wie  das  Thermo- 
meter, sei  dahingestellt.  Sicher  ist,  dass  das  im  Röhrchen  erhitzte  Harz- 
pulver häutig  vor  dem  Schmelzen  ein  deutliches  Zusammensintern1)  zeigt 
derart,  dass  es,  sich  von  der  Glaswand  fast  überall  zurückziehend,  einem 
Skelet  vergleichbar  in  dem  Röhrchen  beinahe  frei  zu  stehen  scheint,  wo- 
durch wohl  eine  geringe  Verzögerung  in  der  Wärmezufuhr  entstehen 
könnte.  Allerdings  lieforte  uns  ein  Versuch  mit  Awengs  Succinit  in  ge- 
schlossenem Substanzrohr  gerade  umgekehrt  eine  niedrigere  Zahl,  nämlich 
348  -(-  0,6  =  348,0  (gegen  355  bis  59),  obgleich  die  Temperatur  schnell 
gesteigert  wurde;  wir  möchten  aber  glauben,  dass  hier  ein  Irrtum  in  der 
Beobachtung  vorlag. 

Die  vorstehenden  Versuche  mit  Succinit  haben  also  in  Übereinstimmung 
mit  Klebs  gezeigt,  dass  der  Schmelzpunkt  desselben  um  etwa  75°  höher 
liegt,  als  früher  angenommen  wurde.  Da  nun  aber  Helm  auch  noch  für 
andere  fossile  Harze  die  Schmelzpunkte  angegeben  hatte,  war  Vorsicht 
am  Platze,  um  so  mehr,  als  wiederum  von  Klebs  bei  einem  derselben 
ein  weiterer  Irrtum  Helms  behauptet  worden  war,  nämlich  bei  dem 
Gedanit. 

Gedanit  ist  unter  allen  fossilen  Harzen  der  häufigste  Begleiter  des 
Succinits,  ihm  auch,  wenn  frisch,  sehr  ähnlich,  meist  rein  gelb  und  durch- 
sichtig, erhält  aber  durch  eine  schneeweisse,  zum  Teil  abwischbare  Ver- 
witterungsschicht ein  Aussehen  wie  bestäubt  und  abgerieben.  Seine  Härte 
ist  1,5  —  2,0,  der  Bruch  muschlig  und  stark  glänzend. 

Er  kann  tierische  und  pflanzliche  Einschlüsse  enthalten;  die  Stamm- 
pflanze ist  aber  noch  unbestimmt.  —  Gedanit  ist  leicht  zerrerblich  und 
deshalb  kaum  verarbeitbar,  so  dass  er  nicht  zu  grösseren  Gegenständen 
benutzt  wird,  sondern  nur  zu  Perlen,  wie  uns  Hr.  Prof.  Conwentz  mit- 
teilt; seine  archäologische  Bedeutung  kann  danach  nicht  gross  sein.  Er 
enthält  nach  Helm  keine  oder  nur  geringe  Mengen  Bernsteinsäure. 

Für  dieses  Harz  harte  Helm  früher  angegeben,  es  werde  bei  (140 bis) 
180°  blasig  und  schmelze  bald  darauf  |.\.  d.  Ph.  --'11  (1877)  S.  243ff.,  wo 
aber  der  Name  Gedanit  nicht  gebraucht  ist;  D.  Sehr.  4,3  (1878)  215,  wo 
Gedanit  mit  „mürbem"  (»der  „unreifem"  Bernstein  identisch  angenommen 
wird].  Die  untersuchten  Proben  gaben  keine  Bernsteinsäure.  —  D.  Sehr. 
9,1    (18!»5)  S.  7)3  —  55    heisst    es    dann,    der    (iedanit     schmelze    (nach   Auf- 


1)  Hier  mag-  auf  die  Tatsache  hingewiesen  werden,  dass  der  Succinit  bei  L40— 160° 
unter  Lnftabscbluss  so  weich  wird,  dass  er  sich  biegen  und  unter  hohem  Druck  (bis 
zu  3000  Atmosphären)  wie  ein  Brei  durch  ein  Sieb  pressen  L&sst  Man  benutzt  diese 
Eigenschaft  zur  Herstellung  grösserer  Stücke  von  Pressbernstein  oder  Ambroid  aus 
kleinen  minderwertigen  Brocken  Dahms  a.a.O.  S.  210).  Vielleicht  hangen  die  hier 
oben  und  auf  S.  155  besprochenen  Wahrnehmungen  mit  diesem  frühen  Erweichen  zusammen. 


—     158    — 

blähung  bei  140-180°)  bei  260— 270°,  und  hier  wird  der  Gedanit  nur 
noch  zum  Teil  =  mürbem  Bernstein  gesetzt,  aber  im  allgemeinen  als 
Tora  Succinit  mehr  abweichend  bezeichnet.  Unter  mürbem  Bernstein 
im  engeren  Sinne  (soweit  er  nicht  =  Gedanit)  wird  ebenda  ein  bei 
280 — 287°  schmelzendes  Harz  verstanden,  das  Helm  u.  a.  wegen  seines 
Gehaltes  an  Bernsteinsäure  (von  1,13—1,70  pCt.),  nur  als  eine  Abart  des 
Succinits  ansieht. 

Klebs  versteht  unter  Gedanit  nur  ein  bernsteinsäurefreies  Harz,  das 
ihm  nie  unter  300°  schmolz,  vielmehr  erst  bei  3-48°. *)  Helms  Arbeit 
von   1895  war  Klebs,  wie  es  scheint,  noch  unbekannt. 

Aweng,  dem  keine  andere  Arbeit  Helms  als  die  von  1877  oder  78 
vorlag,  bezog  von  der  Firma  Jantzen  in  Danzig  1  kg  „Gedanit  oder 
mürben  Bernstein",  fand  darin  „unzweideutig"  Bernsteinsäure  und  be- 
stimmte seinen  Schmelzpunkt  zu  180— 183°. 8) 

Da  uns  eigenes  Material  nicht  zur  Verfügung  stand,  wandten  wir  uns 
an  Hrn.  Prof.  Conwentz  mit  der  Bitte,  uns  aus  dem  in  den  Besitz  des 
Danziger  Provinzialmuseums  übergegangenen  Nachlass  Helms  ein 
Pröbchen  Gedanit  zu  überlassen.  Hr.  Conwentz  entsprach  aufs  bereit- 
willigste unsern  Wünschen,  wie  er  auch  noch  andere,  weiter  unten  zu  er- 
wähnende Harzproben  aus  Helms  Nachlass  zwecks  Untersuchung  zur  Ver- 
fügung stellte.  —  Das  Pröbchen  Gedanit  war  hellgell»,  durchsichtig  wie 
Succinit,  gepulvert  weisslich.  Wir  fanden  den  korrigierten  Schmelzpunkt 
bei  geschlossenem  Substanzrohr  zu  340,3°,  bei  offenem  zu  356,1°.  Im 
oberen  Teile  des  geschlossenen  Pohrs  zeigten  sich  nach  dem  Erkalten 
viele  Kryställchen,  im  offenen  war  die  geschmolzene  Masse  massig  ge- 
bräunt. Beide  Male  trat  lange  vor  dem  Schmelzen  (etwa  bei  170°)  starkes 
Sintern  oder  Erweichen  ein  (das  „Aufblähen"  Helms?). 

Die  Xatur  der  Kristalle  war  nicht  festzustellen;  handelte  es  sich  hier 
um  Bernsteinsänre,  so  lag  vermutlich  „mürber  Bernstein"  im  engeren 
Sinne  Helms  vor.  Die  Probe  war  nicht  datiert;  es  bleibt  also  zweifel- 
haft, ob  sie  von  Helms  Versuchen  in  den  70er  Jahren  herrührte,  oder 
von   1895,  wo  er  schärfer  unterschied. 

Aber  so  bedauerlich  auch  wieder  die  Differenz  zwischen  unsern 
eigenen  beiden  Versuchen  ist,  das  steht  doch  fest:  Helm  hat  abermals 
weit  fehlgegriffen.  Vermutlich  reichte  seine  Sehkraft  für  solche  Beob- 
achtungen nicht  aus;  denn  seine  Gewissenhaftigkeit  ist  nicht  anzuzweifeln. 
Nach  <li<'sen  Erfahrungen  schien  es  geboten,  alle  von  Helm,  zum 
Teil  allerdings  nur  nach  den  Angaben  Anderer,  mitgeteilten  Schmelzpunkte 
fossiler  Harze  nachzuprüfen.  Soweit  wir  ermitteln  konnten,  sind  dabei 
zu   berücksichtigen: 

1.  Glessit.  ein  seltenerer  Begleiter  des  Succinits.  meist  braun  und 
undurchsichtig,  mit  geringer,  etwas  hellerer  Verwitterungsschicht  (daher 
wohl  von  Helm  mich  einmal  als  feuersteinfarbig  bezeichnet),  fettglänzend, 
mir    muschligem    Bruch,    leicht    zerreiblich.      Härte  2.     Zeigt    unter    dem 


1)  Jahrbuch  <].  Kgl.  Preuss.  geolog.  Landesanstalt  für  1896,  Bd.  17.  207,  Note  1. 
2    A.  d.  PL  232  (1894),  8.  685. 


—     1 59     — 

.Mikroskop  viele  kugelrunde,  zellen artige  Gebilde  mit  körnigem  Inhalt. 
Ist  ohne  tierische  oder  pflanzliche  Einschlüsse;  Stammpflanze  anbekannt. 
Keine  Bernsteinsäure;  scheint,  trocken  destilliert,  nur  Ameisensäure  zu 
liefern.  --  Bei  120°  sich  schaumig  aufblähend,  bei  etwa  200  dickflüssig, 
endlich  bei  fortgesetzter  Erhitzung  wie  geschmolzener  Bernstein  fliessend.1) 
Aweng  prüfte  ein  Stück  aus  Holms  Sammlung  und  fand  den  Schmelz- 
punkt wie  heim  Succinit,  d.  h.  also  290 — .')<><>  .  Undeutliche  Bernsteinsäure- 
Reaktion;  ein  geringer  Bernsteinsäuregehalt  scheint  ihm  nicht  aus- 
geschlossen 8) 

2.  Kotin it  aus  der  Braunkohlenformation  Sachsens  und  Thüringens, 
sowie  am  Rhein  bei  Bonn,  frei  von  Bernsteinsäure;  zum  Teil  dem  Succinit 
an   Farbe,  Härte  usw.  sehr  ähnlich,  schmilzt  alter  leichter.3) 

3.  Siegburgit  von  Siegburg,  frei  von  Bernsteinsäure;  dem  Retinit 
verwandt;  schmilzt  „leicht".4) 

4.  Gali  zischer  Bernstein,  „Schraufit"  aus  der  Bukowina,  von  W'amma 
bei  Suczawa.  in  der  südöstlichsten  Spitze  Galiziens,  aus  Sandsteinöchiefer. 
Wenig  Bernsteinsäure. 

Schmilzt  nach  v.  Schröckinger  bei  326°,  „während  alle  anderu 
fossilen  Harze  schon  zwischen  270—21)0°  zur  Schmelzung  gelangen", 
v.  Sehr,  unterscheidet  das  Harz  vom  eigentlichen  Bernstein  unter  anderem 
„des  so  viel  höheren  Schmelzpunkts  wegen".5) 

.'>.  Rumänit,  in  Rumänien  vorkommend  in  Wasserläufen  bei  Valeni 
di  Muntije,  nördlich  von  Plojescht  in  der  grossen  Walachei,  und  an 
einigen  anderen  Orten.  Unter  Ausscheidung  der  schwarzen  Stücke,  die 
eine  Lignitpechkohle  sind,  berücksichtigt  Helm  nur  den  sogen,  gelben, 
der  aber  selten  gelb,  meist  bräunlichgelb  bis  braun  ist.  Durchsichtig  bis 
durchscheinend,  bisweilen  undurchsichtig.  Stets  voller  Sprünge  und  Risse, 
dennoch  meist  gut  bearbeitbar.  Härte  21/9 — 3,  also  grösser  selbst  als  die 
des  Succinits.  Bernsteinsäuregehalt  schwankend;  4  Proben  aus  ver- 
schiedenen Bezugsquellen  ergaben  0,3—3,2  pCt.  Schmilzt,  ohne  sich  vor- 
her aufzublähen,  bei  300°  und  darüber.6)  —  Klebs  hält  das  von  Helm 
untersuchte  Material  nicht  für  genügend  zuverlässig,  fand  im  Rumänit 
keine  Bernsteinsäure  und  auch  die  physikalischen  Eigenschaften  ab- 
weichend; den  Schmelzpunkt  bestimmte  er  zu  359°  (a.  a.  O.  S.  -<>7. 
20!)— 10). 

6.  Istrischer  Bernstein  von  Carpano  unweit  Albona,  nahe  der 
<>>tküste,  sogen.  Trinkerit:    hyazinthrot  bis  kastanienbraun,   durchsichtig 


1)  Holm  in  A.  d.  Ph.  218  (1881)  307;  D.  Sehr.  5,  1-2,  1881.  S.  292.  —  2)  A.  .1. 
PL  --':•>-_',  C86.  —  :'-)  Holm  in  1).  Sehr.  7.  I  (1891),  1'.'."..  -  I  Holm  ebenda.  —  5)  Ver- 
handlungen der  geologischen  Reichsanstalt,  Wien  187"),  8.  134 ff.;  Bestimmung  der  Born- 
steinsäure  durch  G.  H.  Dietrich.  —  v.  Schröckinger  stellt  das  Harz  von  Wamma  in 
eine  Gruppe  zusammen  mit  solchem  von  Mizun  in  Galizlen  und  vou  Höflein  a.  Donau 
iu  Niederösterreich,  deren  Schmelzpunkte  über  300  liegen;  all.'  •">  Haue  nennt  er 
„Schraubt".  Kr  führt  ferner  noch  an  Harz  aus  der  engeren  Umgebung  von  Lemberg, 
bei  290°  schmelzend,  und  von  Podhorogysze,  ■'•  Meilen  von  Lemberg,  8ohmelzpunkt 
295  .  beide  mit  sehr  wenig  Bernsteinsäure.  Vgl.  I».  Sehr.  7,  -1,  ü>4.  —  6]  D.  Sehr.  7.  I. 
ist  und  193-94;  .">,  1  -2  ;1881    296. 


—     160     — 

bis  durchscheinend,  mit  ausgezeichnetem  Fettglanz,  leicht  zerreiblich. 
Härte  1,5—2,0.  Schmilzt  nach  G.  Tschermak  bei  1(58— 180°.  Bei 
weiterem  Erhitzen  erhält  man  ein  nicht  saures  Destillat,  mithin  scheint 
Bernsteinsäure  zu  fehlen.1) 

7.  Apenninen-B ernstein  von  3  Fundorten,  darunter  einer  mit 
•_'  Varietäten,  also  4  verschiedene  Proben,  frei  von  Bernsteinsäure.  Schmolzen 
nach  Helm  alle  vier,  ohne  sich  vorher  aufzublähen,  zwischen  280 — 300°. 2) 

8.  Sizilianischer  Bernstein  (Simetit):  dunklere,  rötliche  Farben- 
töne, bisweilen  fast  schwärzlich.  Fluorescierend.  Frei  von  Bernsteinsäure 
oder  nur  sehr  geringe  Mengen  davon  enthaltend.  Schmilzt,  ohne  sich 
vorher  aufzublähen,  wie  Succinit,  wird  ganz  dünnflüssig.3) 

!).  Spanischer  Bernstein  von  Oviedo,  Prov.  Asturien,  am  Bis- 
cayischen  Meerbusen.  Unreine  Farbtöne,  honiggelb,  gelbbraun  bis  dunkel- 
braun, mangelhafte  Durchsichtigkeit.  Weicher  als  Succinit,  Härte  etwa  2. 
Bernsteinsäurefrei.  „Schäumt  beim  Erhitzen  auf,  ehe  er  vollständig 
schmilzt."4) 

10.  Birmit  aus  Oberbirma;  meist  dunkelbraune  unklare  Farbtöne, 
seltener  rot  oder  weingelb  und  klar.  Fluorescierend.  Härte  2V2 — 3.  Frei 
von  Bernsteinsäure.  Den  Schmelzpunkt  konnte  Helm  nicht  ermitteln, 
weil  schon  vor  dem  Schmelzen  Zersetzung  eintrat.5) 

Soweit  Helm.     Hier  sei  noch  angefügt  nach  Aweng: 

11.  Allingit,  „sogenannter  schweizerischer"  Bernstein6),  weingelb  bis 
rötlich,  frei  von  Bernsteinsäure,  auch  in  anderer  Beziehung  verschieden 
von  Succinit,  Gedanit,  Glessit.     Schmilzt  bei  300°. 

Von  diesen  Sorten  konnten  wir  bisher  nur  untersuchen:  Harz  aus  der 
Bukowina,  Rumänien,  vom  Apennin,  von  Sizilien.  Dazu  kommt  noch 
solches  aus  dem  Libanon,  das  auch  schon  von  Helm  untersucht  wurde. 
dessen  Schmelzpunkt  er  aber  nicht  bestimmte.     Hier  die  Ergebnisse: 

a)  Schraufit  von  Wamma,  aus  Helms  Nachlass,  eines  von  14  uns- 
vorgelegten  Stücken,  dem  durch  Verwitterung  gedunkelten,  glas- 
glänzenden Succinit  sehr  gleichend,  rötlichbräunlich,  pulverisiert 
gelblichbraun.  Ein  Versuch  im  geschlossenen  Substanzrohr  er- 
gab den  Schmelzpunkt  354,1  (korrigiert),  mithin  28°  höher,  als 
v.  Schröckinger  angab. 

b)  Rumänit  aus  Helms  Nachlass,  3  Proben,  bezeichnet  Nr.  2,  4,  8. 

Nr.  2,  von  Dr.  Kleefeld  in  Görlitz,  „nur  wenig  Bernsteiiisäure 
enthaltend",  ziemlich  hellfarbig,  Pulver  hell  und  schmierig. 
Geschlossenes  Substanzrohr:  369,3  korrigiert.  Ein  zweiter 
Versuch  mit  schnellerer  Steigerung  der  Temperatur,  alter 


1)  Jahrbuch  der  k.  k.  geolog.  Reichsanstalt  Wien,  20  (1870)  S.  27!);  1).  Sehr.  7,4,  107. 

-  -2)  I).  Sehr.  5,  :;  (1882),  S.  12  —  3)  Helm  in  D.  Sehr.  5,  1—2(1881),  294;  Malpighia, 
anno  I,   Fase.  II,    Messiaa  1886,   estratto  i>   2.  -  ■   4)  Helm  in  D.  Sehr.  7,  I  (1891)    L98. 

—  5)  I)  Sehr,  8,  ;;  l,  (1894)  <;.">.  —  6)  A.  d.  l'h.  232,  687.  Woher  der  Name  stammt, 
ist  uns  nicht  bekannt.  Handelt  es  sieli  vielleicht  um  ein  Harz  von  Allinges  bei 
Thonon  am  Genfer  See.  französ.  l)ep.  Ilante-Savoie?  Das  Material  war  geliefert  von 
Lender  in  Genf. 


—     161     — 

ebenfalls  verschlossen,  ergab  ankorrigieri  375  als  Beginn 
des  Schmel/.ens.  obgleich  die  Substanzschicht  nur  dünn  and 
kurz  war. 

Nr.  1,  aus  Wien  bezogen,  mit  „3  pCt.  Bernsteinsäure",  sehr 
klciuc  Probe,  Pulver  bell,  geschmolzen  dunkel,  trotz  Ver- 
schlusses der  Substanzröhre;  347,7°  korr. 

Nr.  8,  von  Valehi  di  Muntije.  durch  Prof.  A.  B.  .Meyer  in 
Dresden.  0,3  p Ct.  Bernsteinsäure  enthaltend.  Braun,  miss- 
farben,  nur  durchscheinend, Succinit  nicht  ähnlich.  Puft  er  hell- 
bräunlich, dunkler  als  das  von  Nr. 4.  Verschlossen:  358,2° korr. 

Mittel  der  3  Proben:  358,3°  korr.,  also  mir  Klebs"  Angabe 
übereinstimmend. 

c)  Apenninen-Bernstein    aus  Helms  Nachlass,   drei  Proben,    be- 
bezeichnet Nr.  1,  2,  3. 

Nr.  1,  von  Scanello,  Beni  Loup.  Bräunlich,  Pulver  gelblich,  hell. 
Verschlossen:  358,7°  korr.  Ein  zweiter  Versuch  mit  schneller 
Temperatursteigerung  gab  ebenso,  aber  nicht  korrigiert,  359,5°. 

Nr.  2,  von  San  Clemente,  Valle  di  Sillaro.  Das  Stückchen 
bestand  aus  zwei  Schichten,  einer  braunen,  glänzenden, 
durchsichtigen,  und  einer  braungelben,  matten,  undurch- 
sichtigen. Beides  wurde  zusammen  verrieben;  das  Pulver 
war  dunkler,  als  von  Nr.  1.     Verschlossen:    302,3°  korr. 

Nr.  3,  vom  Valle  di  Setta,  Carbonaro.  Schmutzig  braun 
wenig  durchscheinend;  Pulver  ziemlich  dunkelbraun.  Ver- 
schlossen: 362,8°  korr.  Bei  schnellem  Vorgehen,  ver- 
schlossen, aber  unkorrigiert:    3  »8°. 

Das    Mittel    unserer    korrigierten  Versuche    ist  359,6°, 
Helms  Angaben  sind  also  durchweg  rund  60 — 80°  zu  niedrig. 

d)  Simetit  aus  Helms  Nachlass: 

a)  hellere  Varietät,  rötlich  durchscheinend,   erbsen-   bis  hasel- 

nussgrosse  Stücke  (Gerolle?). 
ß)  dunkle,  schwarzbraune  Stücke,   in  Grösse  und  Perm  wie  a. 

e)  Simetit,  1894  erworben  durch  Generalleutnant  Bernhart  Etathgen 
von  dem  Händler  Angelo  Leone  in  Catania  auf  Sizilien. 

y  und  ö,  zwei  grössere  Stücke  der  dunklen  Seite,  mit  intakter 
Oberfläche. 

Die  Angaben  der  Farbe  beim  Simetit  beziehen  sich  nur 
auf  die  äusserste  Schicht,  deren  intensive  Färbung  auch  bei 
sehr  «•erino-er  Dicke  derselben  ein  Stück  fast  undurch- 
scheinend  macht,  selbst  wenn  die  Masse  unmittelbar  darunter 
nur  ganz  licht  gelblich,  ja  sogar  wasserhell  ist. 

a)  Kines  der  Stücke  wurde  ganz  zerrieben.  Offenes  Substanz- 
rohr:   unkorrigier<   [355  bis]  360  . 

ß)  drei  der  Stücke  zusammen  ganz  verrieben;  Pulver 
hellbräunlich.  Offen;  ankorrigiert  [350  bis]  358°;  verschlossen. 
korrigiert:    345,5°. 

Zeitschritt  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.  11 


—     162     — 

ß1)  Das  schwach  gelbliche  Innere  eines  Stückes;  Pulver  gelblich- 

weiss;  verschlossen:    357,5°  korr. 
;')  Von  dem  5,25 g  schweren  Stück  die  äusserste,  abgeschabte 
Schicht.     Offen,   unkorrigiert:    beginnt  bei  850°  deutlich  zu 
sintern,  schmilzt  bei  354°.    Verschlossen  ebenso:  355  —  60°' 
d)  Von    dem    8,6 g    schweren  Stück    der    fast    farblose  Kern; 
Pulver    weiss.     Verschlossen:    362,6°    korr.;    370,5°   korr.    — 
Mittel  366,5°  korr.     Die  geschmolzene  Masse  war  gelb, 
f)  Syrischer    Bernstein    aus    dem    südlichen    Libanon,    der  Um- 
gegend von  Saida  (Sidon).     Wird  auch  als   „Schraufit"  bezeichnet 
(siehe  oben  S.  159,   Note).      Honiggelb  bis  bräunlichgelb,  orange- 
farbig bis  hellblutrot,  durchsichtig  bis  durchscheinend.    Gesammelt 
durch  Prof.  Oskar  Fraas,  Stuttgart1).    Helm  fand  in  einem  dieser 
Stücke  keine  Bernsteinsäure2),  auch  Ph.  Lebert  in  Basel  nicht3), 
während  Bronn  er  in  der  braunroten  Varietät  die  Säure  gefunden 
haben  will4).  —  Das  Harz  ist  im  Aussehen  dem  Succinit  ähnlich, 
aber  sehr  spröde  und  zerbrechlich,  deshalb  nur  in  kleinen  Stücken 
zu    Perlen  verarbeitbar.  Den   Schmelzpunkt    hat    Helm  nicht 

bestimmt.  Uns  überliess  Prof.  Eberhart  Fraas  gütigst  einiges 
Material  in  zwei  Varietäten:  einer  trüben,  braunen,  sehr  weichen, 
deren  Pulver  bräunlich,  und  einer  durchsichtigen,  schmutzig  gelben, 
weichen,  mit  gelblich  weissem  Pulver. 

Wir  fanden  in  je  einer  Bestimmung  bei  verschlossenem   Rohr 
den  Schmelzpunkt  der  trüben  Sorte  zu  344,1°  korr.,  den  der  durch- 
sichtigen   (nach    vorhergegangenem    starken   Sintern    bei  348°)   zu 
363,4°  korr. 
Die  vorstehenden  Versuche  ergaben  also,  dass,  wo  bestimmte  Zahlen- 
angaben von  Helm  vorlagen,  dieselben  durchweg  zu  niedrig  waren.     Der 
geringste    Fehler,    beim    Bukowina-Schraufit,    erreichte    immer    noch    den 
Betrag  von  28°,  beim  Rumänit  war  er  schon  grösser,  machte  beim  Gedanit 
mindestens  50°  aus  und  beim  Apenninenbernstein  vielleicht  mehr  als  60°. 
Hierdurch    aber    wird  der  Wert    der  Schmelzpunktbestimmungen    für    die 
Erkennung    der  wichtigsten  fossilen  einschlägigen  Harze   leider  bedeutend 
herabgesetzt.     Denn  wenn    auch  wohl    beim  Succinit  die  Abweichung  von 
der  Wahrheit  am  grössten  war  (75°),    so  sind    doch  die   Unterschiede   der 
Schmelzpunkte    der  einzelnen   Harze    unter    sich   meist  nicht  gross  genug, 
um   darauf  sichere    Schlüsse    zu   bauen,    wozu    noch    die    Ungleichheit    der 
llarzprobon,     selbst    gleicher    Herkunft,      und     die     Schwierigkeiten     der 
Beobachtung  hinzukommen.     Zur   Unterstützung    der  durch   die  Bernstein- 
säurebestimmungen     gewonnenen      Ergebnisse     wird     sich     aber    immerhin 
die    Schmelzpunktfeststellung     bisweilen     nützlieh    erweisen    können,     wie 
dies    in  einer  Veröffentlichung    über    die  Untersuchung  antiker  Bernstein- 


1)  O.  Fraas,  Drei  Monate  am  Libanon,  Stuttgart  1876,  S.  G7  und  94,  Note  2;  Aus 
dem  Orient,  II,  Stuttgart  L878,  S.  60-64.  -  2)  A   d.  Ph.  211,  21.".;  D.  Sehr.  7,4,  198—99. 
-  .'!)  Bei  Fraas,  Orient  II,  S.  62,  Note  26.  —   I)  Jahreshefte  des  Vereins  für  vaterläud. 
Naturkunde  in  Württemberg,  34,  Stuttgart   1878,  S.  81-90. 


—     163     — 

artefaote  dos  Näheren  ausgeführt  werden  boII.  Eier  Bei  nur  kurz  bemerkt, 
dass  äusserlich  schon  stark  verwitterte  antike  Bernsteinsachen  bisweilen 
im  Inneren  noch  einen,  dein  Anschein  nach  wenigstens,  gesunden  Kein 
enthalten.  Von  diesem  wird  man  erwarten  dürfen,  dass  er  einen  Schmelz- 
punkt zeige,    der  dein    >\i's  Snccinits  gleich   kommt    oder   sehr  nahe  Liegt, 

seihst    Wenn      der    Verwitterte    Teil      des    Stückes     eine      grÖ886re    Abweichung 

aeigen  sollte. 

II.     Nun   den    Herren    Friedr.   Rathgen    und    Et.   15  <>r  ini  ;i  n  n : 
Tränkung  von  Gipsabgüssen  zur  Konservierung. 

Von  den  vielen  Mitteln  aar  Tränkung  von  Gipsabgüssen  hat  ausser  der 
Darstellung  der  sogenannten  Elfenbeinmasse  wohl  nur  das  v.  Dechendsche 
Härtungsverfahren,  die  Tränkung  mit  Kaliumborat  und  Barythydrat  grössere 
Verbreitung  gefunden. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  durch  das  v.  Dechendsche  Verfahren 
die  Härte  und  damit  die  Widerstandsfähigkeit  At^  (lipses  gegen  vorsich- 
tiges Abspülen  und  selbst  Abwaschen  mit  weichen  Bürsten  erhöht  wird; 
aber  wie  fast  alle  auch  sonst  noch  empfohlenen  Tränkungsmittel  hat  die 
Methode  den  Nachteil,  wässerige  Lösungen  anzuwenden.  Dabei  ist  es 
nicht  zu  vermeiden,  dass  durch  die,  wenn  auch  nur  geringe  Löslichkeit  des 
Gipses  in  Wasser,  die  Konturen  des  Gegenstandes  beeinflusst  werden. 

Das  kommt  allerdings  wenig  oder  garnicht  in  Betracht  bei  grossen 
glattflächigen  Gegenständen,  wie  Husten  und  Statuen,  wohl  aber  bei  solchen, 
die  feinere  hochliegende  Ornamente  besitzen.  Hier  werden  die  scharfen 
erhabenen  Kanten  und  Punkte  immer  etwas  angegriffen  werden.  Bei  dem 
Vergleich  eines  getränkten  Stückes  mit  einem  ungeträukten  ist  dies  schon 
mit  unbewaffnetem  Auge  deutlich  zu  erkennen  und  tritt  bei  Benutzung 
eines  Yergrösserungsglases,  ich  möchte  sagen,  in  fast  überraschender  Weise 
hervor.  Da  an  den  scharfkantigen  Stellen  sich  häutig  viele  kleine  Hohl- 
räume mit  dünnen  Wandungen  befinden,  herrührend  von  feinen  Luft- 
bläschen,  die  bei  dem  Eingiessen  des  Gipses  in  die  Form  nicht  entwichen 
sind,  so  werden  gerade  diese  dünnen  Wände  durch  Wasser  leicht  auf- 
gelöst, oder  durch  den  Auftrieb  der   Luft  im   Wasser  zerstört. 

So  hat  von  vornherein  ein  nicht  wasserlösliches  Tränkungsmittel, 
wenn  es  sonst  die  Bedingungen  erfüllt,  die  an  ein  solches  zu  stellen  sind, 
einen  grossen  Vorzug.  Nach  den  nun  seit  einiger  Zeit  im  Laboratorium 
der  Königl.  Museen  vorgenommenen  Versuchen  halte  ich  »las  Zapon  für 
ein  solches  Mittel.  Dieses  von  Hrn.  Oberstabsarzt  Dr.  Schill  zuerst  für 
die  Erhaltung  von  Archivalien  in  die  Kxmservierungspraxis  eingeführte  und 
auch  von  ihm  schon  für  Gipsabgüsse  empfohlene  Präparat  ist  eine  fast 
farblose,  in  dicker  Schicht  etwas  trübe  Ä-uflösung  von  Celluloid  in  Amvl- 
aeetat  Gleich  nach  dem  Gebrauch  verdunstet  das  Amylaeetat  und  das 
Celluloid  bleibt  als  eine  unsichtbare,  dünne  Schicht  zurück.  Um  diese 
geschmeidig  zu  machen,  erhält  das  Zapon  oft  gewisse  Zusätze,  die  meistens 
Geheimnis  der  Fabrikanten  sind,  die  Zapon  in  verschiedener  Art  und  ver- 
schiedener Güte  herstellen,  wobei  auch  noch  andere  Lösungsmittel  als 
Amylacetat,  z.  B.  Aceton    benutzt    werden.      Da   es  zu    weit    führen   würde. 

11* 


—     164     — 

ausführlich  auf  die  Zusammensetzung-  und  Herstellung  dieser  auch  wohl 
Tauchlacke  genannten  Präparate  einzugehen,  sei  hier  nur  auf  die  be- 
treffenden Veröffentlichungen x)  verwiesen. 

Die  Anwendung  des  Zapons  für  Gipsabgüsse  ist  eine  höchst  einfache. 
Wenn  die  Gegenstände  völlig  trocken  sind,  werden  sie,  wenn  es  sich  um 
kleinere  Stücke  handelt,  nur  kurze  Zeit  in  eine  vierprozentige  Lösung  ein- 
getaucht, während  man  grössere  Sachen  mit  einem  weichen  Pinsel,  von 
oben  nach  unten  gehend,  anstreicht.  Sammelt  sich  dabei  in  tiefliegenden 
Stellen  einmal  etwas  zu  viel  Flüssigkeit  an,  so  entfernt  man  sie  durch 
Aufsaugen  mit  einem  trockenen,  reinen  leinenen  oder  baumwollenen  Lappen. 
Der  Pinsel  ist  nach  dem  Gebrauch  sofort  in  mehreren  kleineren  Mengen 
von  Amylacetat  nacheinander  gut  auszuspülen. 

Gleich  nach  dem  Auftrage  haben  oft  manche  Stellen  des  getränkten 
Objektes  ein  etwas  glänzendes  Aussehen,  aber  nach  kurzer  Zeit  ver- 
schwindet der  Glanz  gänzlich,  und  wenn  der  Zaponüberzug  nicht  zu  dick 
aufgetragen  ist,  so  ist  er  dann  fast  unsichtbar.  Höchstens  zeigt  ein  zaponierter 
Gips  einem  nicht  getränkten  gegenüber  einen  ganz  schwach  gelblichen  Ton. 

Durch  organische,  in  Amylacetat  lösliche  Farbstoffe  lassen  sich  gleich- 
zeitig beliebige  Tönungen  erzielen,  die  allerdings  nicht  dieselbe  Farb- 
echtheit besitzen  als  Färbungen,  welche  durch  Beimengung  anorganischer 
Farbstoffe  direkt  zum  Gips  vor  dem  Formen  erzielt  werden. 

Da  nun  zaponierte  Gegenstände  wässerige  Flüssigkeiten  nicht  ein- 
saugen, so  lassen  sie  sich  sehr  gut  mit  Wasser,  auch  mit  Seifenwasser 
reinigen.  Doch  sollen  dazu  möglichst  weiche  Bürsten,  sogenannte  Silber- 
bürsten, benutzt  werden,  um  keine  Verletzung  der  die  Oberfläche 
bedeckenden  Celluloidhaut  herbeizuführen. 

Auch  kann  sich  diese  Konservierung  nur  auf  solche  Gipssachen 
erstrecken,  die  unter  Dach  und  Fach  stehen.  Im  Freien  aufgestellte,  der 
Witterung  ausgesetzte  Objekte  werden  nicht  durch  Zaponierung  geschützt, 
sondern  gewähren  sogar  nach  einiger  Zeit  ein  schlechteres  Aussehen  als 
ungetränkte.  Der  Tropfenfall  des  Regens,  die  Ausdehnung  durch  die 
Wärme  bei  Sonnenbestrahlung  usw.  lösen  nämlich  die  Zaponhaut  an  vielen 
Stellen,  so  dass  eine  teilweise  Abblätterung  eintritt.  Während  nun  noch 
die  mit  der  Celluloidschicht  versehenen  Teile  der  Oberfläche  stehen  bleiben, 
wird  rund  um  sie  herum  der  freiliegende  Gips  vom  Regen  ausgewaschen, 
und  die  Folge  ist  eine  ganz  warzige,  höckerige  Oberfläche,  während 
ungetränkte  Gegenstände  im  ganzen  mehr  gleichmässig  abgewaschen  werden. 

Die  Kosten  des  Verfahrens  sind  sehr  geringe.  Mit  einem  Liter  Zapon, 
das  etwa  ?>  Mark  kostet,  kann  man  ungefähr  10  </m  bestreichen.  Kommt 
es  bei  der  Gipstränkung  auch  nicht  auf  ein  so  reines  Präparat  wie  bei  der 
Archivpraxis  an,  so  wird  man  doch  bei  den  geringfügigen  Mehrkosten 
dem  besten  Zapon  den  Vorzug  geben,  und  da  kann  ich  nur  mit  Schill 
das  Zapou  der  Firma  Dr.  Perl  &  Co.,  Berlin,  Scharnhorststrasse  Nr.  7, 
empfehlen.  (Friedrich  Rathgen.) 

1)  E  Schill,  Anleitung  zur  Erhaltung  und  Ausbesserung  von  Handschriften  durch 
Zaiiohiinpräj-nierung.  Dresden  .1899.  —  Sello  im  Korresnondcnzblatt  des  Gesamtvereins 
der  deutschen  (ieschiclits-  und  Altertumsvereine  50  (1902)  S.  19."). 


—     165    — 

Das  Zaponieren  von  Gipsabgüsse d   zum  /weck   der  Konservierung   ist 

in  der  Gipsformerei  derKönigl.  .Museen  au  mehreren  grösseren  und  kleineren 
Stücken  verschiedener  Art  versucht  worden.  < ;  •  •  w  ;i 1 1 1 1  wurden  für  diese 
Versuchszwecke  eine  lebensgrosse  Gewandfigur,  eine  grössere  Ornament- 
platte  von  starkem  Relief,  sowie  kleinere,  reich  detaillierte  Ornament- 
fällungen. 

Als  am  besten  geeignet  für  die  Tränkung  hat  Bich  eine  4prozentige 
Zaponlösung  erwiesen;  stärkere  Lösungen  verleihen,  wie  frühere  Versuche 
dartaten,  den  Gipsen,  neben  einem  leicht  gelblichen  Schimmer,  bald 
etwas  Öliges  und  Fettiges.  Zur  Ergänzung  des  bereits  (S.  164)  über  das 
Aufbringen  des  Tauchlacks  Bemerkten  sei  noch  hinzugefügt,  dass  ea  Bich 
empfiehlt,  bei  Behandlung  grösserer  Stücke  immer  nur  eine  geringe  .Menge 
Zapons  auf  einmal  in  ein  Gefäss  zu  tun,  da  die  Lösung  an  der  Luft  schnell 
trocknet  und  dann  dick  und  zähe  wird.  Die  gleich  nach  dem  Auftrage 
an  einzelnen,  besonders  dichten  Partien  der  Gipsoberfläche  als  hörend 
bemerkbaren  Glanzstellen  verschwanden  nach  wenigen  Stunden,  auch  hat 
sich  bei  der  gewählten  Lösung  bis  jetzt  die  Befürchtung  nicht  bewahr- 
heitet, dass  Farbänderungen  eintreten  und  dass  der  Gips  durch  den  Auf- 
trag einen  gelblichen  Ton  erhalten  möchte.  Die  Farbe  des  Gipses  ver- 
änderte sich  nicht  und  nur  bei  einem  Nebeneinanderstellen  von  getränkten 
und  nicht  getränkten  Stücken  Hess  sich  —  bei  hellem  Lichte  —  ein 
geringfügiger  Unterschied  im  Ton  erkennen.  Derselbe  kommt  jedoch  für 
grössere  Stücke  und  vollends  für  getönte  Gipse  nicht  in  Betracht.  So  ist 
beispielsweise  bei  einem  kürzlich  von  der  Formerei  der  Koni  gl.  Museen 
in  den  Sammlungen  der  Königl.  Kunstakademie  aufgestellten  Abgüsse  des 
Manlichschen  Grabmals  von  Schlüter,  das  einen  dem  Original  ent- 
sprechenden grauen  Steinton  erhalten  hat,  nichts  von  der  Tränkung  durch 
Zapon  zu  bemerken. 

Als  ein  Hauptvorzug  des  Zaponierungsverfahrens  kann  die  Möglich- 
keit angesehen  werden,  dass  die  Gipse  sich  leicht  durch  NN  asser  abwaschen 
und  reinigen  lassen.  Einzelne  Stellen  der  probeweise  mit  Zapon  behan- 
delten Gipse  in  der  Formerei  der  Königl.  Museen,  welche  versuchsweise 
mit  der  warmen  Hand  angerieben  und  dadurch  leicht  beschmutzt  wurden, 
konnten  mit  Wasser  abgewaschen  werden,  da  der  Schmutz  nirgends  ein- 
gedrungen war.  Allerdings  ist  zu  befürchten,  dass  bei  Tränkungen  mit 
dünner  Lösung  auf  die  Dauer  durch  mehrfach  wiederholte  Reinigung  mit 
Wasser  die  schützende  Zaponhaut  leidet.  Immerhin  darf  angenommen 
werden,  dass,  da  das  Zapon  die  Poren  der  Gipshaut  schlieast,  die  in  Gips- 
sammlungen so  gefürchtete  Gefahr  des  Einstaubens  der  Abgüsse  erheblich 
durch  das  Tränkungsverfahren   gemildert  sein  wird. 

Obwohl  die  Probestücke  in  der  Museumsformerei  absichtlich  in  einem 
Kaum  untergebracht  sind,  wo  sie  Schmutz  und  Staub  leicht  ausgesetzt 
bleiben,  so  halten  sich  doch  bei  der  Kürze  der  Zeit  noch  keine  Erfahrungen 
bezüglich  >\rv  Staubempfänglichkeit  der  zaponierten  Gipse  gewinnen  Lassen. 

K    Bo  rr  in  an  n.) 


I.    Literarische  Besprechungen. 


Hoernes,  Moriz,  Der  diluviale  Mensch  in  Europa.  Die  Kulturstufen 
der  älteren  Steinzeit.  Mit  zahlreichen  in  den  Text  eingedruckten  Ab- 
bildungen.   Braunschweig,  Friedrich  Vieweg  &  Sohn,  1903.    4°.    (Gr.-8°.) 

Seitdem  Gabriel  de  Mortillet  versucht  hat,  die  Überreste  der  paläolithischen  Kultur 
nach  der  allmählichen  Vervollkommnung'  der  Manufakte  oder,  wie  die  Franzosen  sagen, 
der  „Industrie"'  zu  klassifizieren,  ist  sein  System  vielfach  bekämpft,  ergänzt  und  verbessert 
worden,  ohne  jedoch  sich  allgemeine  Anerkennung  verschaffen  zu  können.  Die  Charak- 
terisierung seiner  verschiedenen  Epochen  ist  zwar  scharf  und  bestechend,  —  führt  aber 
sofort  zu  den  gröbsten  Irrtümern  und  tatsächlichen  Unrichtigkeiten,  sobald  man  sie  für 
eine  relative  Chronologie  verwerten  will.  Dies  haben  schon  französische  Forscher,  wie 
Quatrefages  u.  a.,  erkannt;  dies  empfand  Mortillet  selbst,  indem  er  bekanntlich  seine 
Industrie-Perioden  durch  Verbindung  mit  geologischen  und  paläontologischen  Befunden 
sicherer  zu  begründen  suchte. 

Mehr  Anerkennung  fand  das  System  seines  Nachfolgers  Piette,  trotz  seiner  grösseren 
Kompliziertheit;  allein  iu  Deutschland  stiess  dasselbe  auf  die  gleichen  Schwierigkeiten, 
wie  das  System  Mortillets,  und  zwar  aus  den  gleichen  Gründen.  Einmal  ist  das  vor- 
liegende Material  in  Deutschland  viel  zu  gering  und  lückenhaft,  um  die  reichen  französischen 
Funde  mit  ihnen  parallelisieren  zu  können:  dann  aber  gewann  man  bei  uns  schon  sehr 
früh  die  Überzeugung,  dass  die  verschiedene  Form  der  Werkzeuge  wesentlich  auch  von 
dem  verfügbaren  Material,  von  der  individuellen  Geschicklichkeit  abhängt  und  sich  nicht 
gut  zur  Grundlage  einer  Chronologie  der  diluvialen  Kulturstufen  eignet. 

Es  war  daher  keine  geringe  Aufgabe,  welche  sich  Hoernes  stellte,  als  er  das  oben 
angezeigte  Buch  schrieb,  um  die  Grundanschauuugen  der  französischen  Systematiker  auch 
auf  die  östlichen  Verhältnisse  Mittel-Europas  zu  übertragen  und  beide  gleichsam  in  ein 
System  zu  bringen,  eine  Aufgabe,  die  noch  dadurch  erschwert  wurde,  dass  während  der 
Ausarbeitung  des  Buches  fortwährend  neue  Funde  und  Berichte  auftauchten,  welche  die 
vorher  gefassten  Ansichten  stark  erschüttern  mussten. 

Um  so  dankbarer  müssen  wir  dem  Verf.  sein,  dass  er  alleu  Bedenken  und  Schwierig- 
keiten zum  Trotz  den  Versuch  gewagt  hat,  uns  eine  Übersicht  über  das  ganz«;  bisher  be- 
kannte Material  der  diluvialen  Kulturepochen  und  der  darüber  erschienenen  Literatur  zu 
geben,  freilich  nicht  in  objektiver  Darstellung,  sondern  nach  seinem  neuen  System  geordnet. 

Hoernes  hat  nämlich,  um  die  oben  bezeichnete  Aufgabe  zu  lösen,  das  System  von 
Mortillet  wiederum  abgeändert.  Die  hohe  Stellung,  welche  der  Verf.  mit  Recht  in  den 
Fachkreisen  des  In-  und  Auslandes  einnimmt,  macht  es  uns  zur  Pflicht,  dieses  neue  System 
einer  gründlichen  Prüfung  zu  unterziehen. 

Das  Buch  zerfällt  seinem  Inhalte  nach  in  2  Teile.  Im  ersten  Teil  wird  die  Aufstellung 
dreier  paläolithischer  Kulturstufen  für  Westeuropa  begründet,  nämlich  einer  unteren, 
mittleren  und  oberen.  Die  untere  Stufe  identifiziert  der  Verf.  als  Chclleo-Mousterien  mit  den 
ersten  beiden  Perioden  Mortillets  und  setzt  sie  in  eine  erste  Interglacialzeit,  in  welcher 
der  Homo  antiquus  von  Spy  und  Ncanderthal,  sowie  der  Elephas  antiquus  und  Rhinoceros 
Merkii,  daneben  aber  auch  Mammut,    Rhinoceros   tichorhinus  und  in  den  Höhlengegenden 


167     — 

der  Höhlenbär  gelebt  haben.     Hierzu   zählt   er  ausser  den    bekanuten  französischen  Fund- 
orten noch  Taubach,  Rübeland,  die  Sipka-Höhle,  Wierzchowie  und  Krapina. 

Die  Zusammenfassung  des  Chelleen  und  Monsterien  von  Mortillet  in  eine  Epoche, 
ist  wohlbegründet;  allein  gegen  die  Zusammcnfaßsung  verschiedener  paläontologischer 
Horizonte  in  eine  Epoche  müssen  wir  doch  Bedenken  erheben.  Taubach  mit  seiner  un- 
gestörten Elephas-antiquus-Stufe  und  die  Hermanns-Höhle  mit  ihrer  sekundären  Höhlen- 
bärenschicht in  eine  Periode  zu  bringen,  nur  wegen  der  Ähnlichkeit  der  Silex -Werkzeuge, 
ist  nicht  zu  billigen,  da  Moustier- Typen,  um  welche  es  sich  bandelt,  in  allen  Epochen  vor- 
kommen, wie  Verf.  selbst  an  zahlreichen  Beispielen  anführt,  daher  keine  Gleichzeitigkeit 
beweisen.  Ebensowenig  darf  die  Sipka-Höhle  mit  Taubach  nur  wegen  der  angeblichen 
Identität  der  Menschenrasse  in  eine  Zeit  gesetzt  werden;  denn,  abgesehen  davon,  da 
zu  gewagt  ist,  aus  den  beiden  Zähnen  von  Taubach  auf  die  Zugehörigkeit  zur  NeanderthaJ- 
Rasse  zu  schliessen,  würde  doch  die  Gleichheit  der  Rasse  nimmer  die  Gleichzeitigkeit  der 
Stationen  beweisen,  bei  der  grossen  Verschiedenheit  der  geologischen  und  paläontologischen 
Horizonte.  Die  Fauna  ist  aber  in  der  Sipka-Höhle  eine  viel  jüngere  als  in  Taubach.  Das 
letztere  gilt  ebenfalls  von  Wierzchowie.  Pehck  unterscheidet  scharf  die  Antiquus-Stufe  als 
frühe  Periode  der  Riss-Würm-Interglacialzeit  mit  Waldklima  von  der  späteren  mit  Mammut 
und  Steppenklinia:  die  Kalktuffe  von  Taubach  aber  setzt  er  in  die  zweite,  also  in  die 
Mindel  Riss-Interglacialzeit,  dagegen  die  Mammut-Stationen  sämtlich  in  die  dritte,  die 
Riss-Würm-Interglacialzeit. 

Wir  müssen  daher  die  reine  Antiquus-Stufe  von  der  reiueu  Maminutstufe  chronologisch 
trennen.  Denn  wenn  wir  auch  zugeben,  dass  ge^-en  Ende  der  ersteren,  warmen  Epoche 
sich  neben  der  „warmen  Fauna '  auch  allmählich  die  Tiere  der  „kälteren  Fauna-*  einfanden, 
so  müssen  wir  doch  die  Fundstätten,  welche  eine  rein  ..warme"  Fauna  zeigen,  als  die 
ältesten  von  denen,  welche  Reste  einer  viel  jüngeren  rein  „kalten"  Fauna  oder  auch  nur 
die  Reste  von  beiden  Faunen  gemischt  enthielten,  streng  unterscheiden,  wenn  auch  die 
gleichen  Manufakte  von  Stein  und  Knochen  sich  hier  und  dort  finden,  da  diese  Formen  in 
allen  Epochen  auftreten. 

Die  zweite  oder  mittlere  Periode  von  Hoernes  entspricht  teils  dem  Solutreen 
Mortillets,  teils  der  älteren  Periode  von  Piettes  äge  glyptique,  dem  Papalien.  Der 
Verf.  hat  sie  aber  trotzdem  Solutreen  genaunt,  weil  ihm  die  passendere  Bezeichnung 
Moustero-Solutreen  zu  schleppend  erschien.  Wir  können  hier  die  Besorgnis  nicht  unter- 
drücken, dass  diese  neue  Nomenklatur  noch  zu  grösserer  Verwirrung  der  Begriffe  führen 
werde.  Diese  Stufe  ist  charakterisiert  durch  ein  mildes  Klima,  durch  Lössbilduug,  Vor- 
herrschen von  Mammut,  Rhinoceros  tichorhinus  und  Wildpferd,  zuletzt  Auftreten  des  Ben, 
Anwesenheit  einer  afrikanischen  (negroiden  und  steatopygen)  Menschenrasse,  welche  elfen- 
beinerne Rundfiguren  schnitzt,  auch  Moustier-  und  Solutre-Typen  (die  letzteren  allerdings 
nur  selten)  aus  Stein  anfertigt.  Hierher  gehören  u.  a.  die  Fundorte:  Brassempouy,  Laugerie 
baute,  Mentone,  Brunn  und  Pfedmost. 

Auch  hier  bilden  wiederum  die  ..Industrie"  uud  die  Menschenrasse  das  wesentliche 
Band,  welches  die  Funde  dieser  Gruppe  vereinigt.  Die  Menschenrasse  dieser  Epoche 
soll  die  Grimaldi- Rasse  von  Mentone  gewesen  sein,  welche  Verneau  auf  Grund 
zweier  in  einem  Grabe  gefundener  Skelette  neu  geschaffen  und  für  negerähnlich  er- 
klärt bat.  Da  nun  in  Afrika  steatopyge  Frauen  vorkommen  und  die  bekannten,  plumpen, 
geschnitzten  Figuren  aus  den  obigen  Stationen  ebenfalls  stark  steatopyg  erscheinen, 
so  sah  Hoernes  in  diesen  Figuren  die  Bilder  jener  dargestellt.  —  Nun  hat  Gaudry 
kürzlich  nachgewiesen,  dass  der  eine,  besser  erhaltene  Schädel  aus  dem  Doppelgrabe 
der  „Grimabli-Rasse"  in  Mentone  schlagende  Ähnlichkeit  mit  dem  Typus  der  recenten 
Australier  hat,  —  also  von  einer  afrikanischen  Rasse  nicht  mehr  die  Keile  sein  kann.  Dass 
aber  aus  so  rohen  Schnitzereien,  wie  die  Elfenbein-Figuren  von  Brassempouy.  Lourdes, 
Brunn  u.  a.  anthropologisch- ethnographische  Schlösse  gezogen  werden,  dagegen  hat 
Manouvrier  mit  Recht  schon  protestiert.  Die  charakteristischen  Lorbeerblatt-  und 
Schaftzungen- Spitzen  vom  Solutrö-Typus  findet  mau  aber  gar  nicht  häutig  auf  den  hierher 
gehörigen  Stationen.  Es  bleibt  also  als  wesentlicher  Charakter  dieser  Epoche  auch  hier 
die  reine  „Steppen-Fauna"  übrig,  welche  durch  das  Auftreten  des  Ken  mehr  auf  die  An- 
näherung einer  neuen  Eiszeit,  als  auf  ein  mildes  Klima  hinweisen  dürfte. 


—    h;s    — 

Die  dritte  oder  Oberstufe  identifiziert  der  Verf.  mit  dem  Magdalenien.  Das  Rentier 
herrscht  vor,  die  Crö-Magnon-Rasse  tritt  auf,  welche  künstlerisch  beanlagt  ist  und  haupt- 
sächlich Werkzeuge  aus  Knochen  und  Geweih  verfertigt.  Hierher  gehören  Laugerie-basse, 
Mas  d'Azil,  Kesslerloch,  Schweizersbild,  Schussenried,  Gudenushöhle  u.  a. 

Über  die  Periode  der  Eiszeit,  in  welche  diese  Stufe  zu  setzen  ist,  drückt  Hoernes 
sich  mit  Recht  unbestimmt  aus  —  ..keine  Eiszeit,  sondern  Nach-Eiszeit  oder  frühe  Zwischen- 
Eiszeit",  —  da  Pcnck  das  Magdalenien  gerade  in  die  letzte,  die  Würm-Eiszeit,  wenn 
auch  nicht  in  deren  Maximum  setzt. 

Es  folgt  nun  der  Abschnitt  über  die  Übergangsstufen  oder  den  Hiatus  zwischen  der 
älteren  und  jüngeren  Steinzeit,  über  welche  die  französischen  Forscher  in  den  letzten 
Jahren  bekanntlich  ganz  neue  Ansichten  gewonnen  haben.  Hoernes  prüft  mit  grosser 
Sorgfalt  alle  von  den  Franzosen  aufgeführten  Beweise  für  die  Existenz  von  Übergangs- 
Kulturstufen,  des  Tourassien  von  G.  de  Mortilet,  des  Asylien  und  Arisien  von  Piette, 
des  Campignien  von  Salmon,  sowie  des  Tardenoisien  von  A.  de  Mortillet  bis  zum 
Robenhausien,  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  in  Frankreich  und  einigen  Gebieten 
Italiens  allerdings  ein  Übergang  vom  Palaeolithicum  zum  Neolithicum  nachweisbar  ist,  dass 
aber  die  neolithische  Kultur  dort  nicht  entstanden  ist,  wie  in  Frankreich  vielfach  gelehrt 
wird,  sondern  die  sitzen  gebliebene  alte  Bevölkerung  nur  von  den  ncolithischen  Ein- 
wanderern gewisse  neue  Formen  kennen  gelernt  und  nachgeahmt  hat.  —  Dieser  Abschnitt 
verdient  unsere  volle  Anerkennung. 

Der  zweite  Teil  behandelt  die  paläolithische  Kulturstufe  Österreich-Ungarns.  Das  zu 
Grunde  liegende  Material  kommt  in  grossem  Umfange  zur  Darstellung. 

Den  Schluss  des  Werkes  bildet  ein  Anhang,  in  welchem  die  neu  erschienenen  Ar- 
beiten in  Gestalt  von  Exkursen  und  Nachträgen  besprochen  weiden.  Wir  beschränken 
uus  hier  auf  die  folgende  Bemerkung. 

Die  neuen  Untersuchungen  über  die  Eolithen  werden  schroff  abgelehnt.  Dies  erklärt 
sich  wohl  daraus,  dass  der  Verf.  noch  nicht  Gelegenheit  hatte,  sich  persönlich  eine 
genügende  Kenntnis  des  Materials  zu  erwerben,  und  daher  den  französischen  Forschern 
folgt.  - 

Eine  objektive  Darstellung  der  Funde,  nach  den  paläontologischen  Horizonten  geordnet, 
wäre  bei  dem  heutigen  Stande  unseres  Wissens  allein  richtig  gewesen,  da  weder  die 
geologischen  noch  die  anthropologischen  Verhältnisse  in  allen  glacialen  Gebieten  bisher 
sicher  genug  erforscht  sind,  um  auf  dieselben  eine  Chronologie  der  „Industrien"  zu  be- 
gründen. 

Trotz  dieser  Bedenken  müssen  wir  das  von  der  Verlagshandlung  schön  und  reich  aus- 
gestattete Buch  jedem,  der  mit  dem  behandelten  Material  vertraut  ist  —  aber  nur 
diesem  —  zum  Studium  empfehlen,  da  die  deutsche  Literatur  noch  keine  ähnliche  zu- 
sammenfassende Darstellung  des  gesamten  Stoffes  besitzt.  Lissauer. 


Kiiz.    Martin,    Beiträge  zur  Kenntnis   der  Quartärzeit   in   Mähren.     Mit 
180  Illustrationen.     Steinitz,  Selbstverlag-,  1903.     8°. 

Unter  diesem  bescheidenen  Titel  veröffentlicht  der  Herr  Verf.  die  Ergebnisse  seiner 
langjährigen,  mit  grossen  Opfern  und  nach  streng  wissenschaftlichen  Methoden  ausgeführten 
Untersuchungen  des  berühmten  Lösshügels  von  Pfedmost  und  der  zahlreichen  Höhleu  iu 
Mähren,  welche  bisher  nur  zum  kleineren  Teil  in  Fachjournalen  erschienen  waren.  Die 
vielen  exakt  festgestellten  Profile  und  Horizonte  der  untersuchten  Schichten,  die  ausser- 
ordentliche  Menge  der  sorgfältig  bestimmten  Tierreste,  die  stete  Berücksichtigung  der  prä- 
historischen und  historischen  Kulturreste  erheben  das  Buch  über  das  Niveau  von  blossen 
Beiträgen  zur  Kenntnis  der  Quartärzeit  Mährens.  Nur  in  dem  Sinne  sind  es  Beiträge,  die 
hier  vorliegen,  als  der  Verf.  ausschliesslich  seine  eigenen  Untersuchungen  mitteilt:  ebenso 
bildet  die  Quartärzeit  den  wesentlichsten  Inhalt  des  Buches.  Dasselbe  zerfällt  in  zwei 
Hauptteile,  welche  wiederum  in  je  einen  geologischen,  paläontologischen  und  archäologisch- 
anthropologischen Abschnitt  gegliedert  sind. 

Der  erste  Teil  betrifft  die  Untersuchung  des  Lösshügels  llradisko  in  Predmost  bei 
l'ierau.     flu  den  ganzen  Aufbau  des  Hügels  zu  erforschen,  wurden  in  und  um  denselben 


—      109     — 

55  Schächte  getrieben.     Die   einzelnen  Grabungen  norden,  an  fnhrlich  mitgeteilt  und  er- 

gaben  als  schliessliches  Resultat,  dass  der  Hügel  aus  einem  festen  Gerippe  am  Devonkalk 
besteht,  um  welchen  sich  der  Löss,  nach  den  in  den  verschiedenen  Schichten  vorkommenden 
Tierresten,  sowohl  in  präglacialer,  wie  glacialer  and  postglacialer  Zeit  angelagert  hat. 
Glaeiale  Phänomene  sind  in  Mähren  überhaupt  nur  im  Odertale  hi>  zur  baltisch-pontischen 

Wasserscheide  bei  Mährisch- Weisskirchen  Dachweisbar,  und  zwar  nur  von  einer  Eiszeit 

In  allen  Schichten  des  Lösshögels  kommen  vor:  Mammut,  Pferd,  Bos  primigenius,  der 
Höhlenbär,  auch  schon  in  den  untersten  Schichten,  in  denen  noch  keine  menschlichen  Kultur- 
reste gefunden  wurden.  Diese  letzteren  kommen  erst  zusammen  mit  den  Resten  einer 
borealen  und  glacialen  Fauna  vor;  der  Mensch  tritt  liier  erst  mit  den  nordischen  Tieren, 
wie  Eisfuchs,  Moschusochse,  Ken  usw.  auf,  d.  h.  zur  Eiszeit,  während  die  erstgenannten 
Tiere,  Mammut  usw.,  bereits  in  präglacialen  Schichten  nachweisbar  Bind.  Zeitweise  wurde 
aber  der  Hügel  auch  vom  Löwen,  Leopard  und  der  Hyäne  besucht. 

Am  auffallendsten  ist  das  Verhalten  des  Mammuts  zum  Menschen.  Dasselbe  lebte  hier 
schon  präglacial;  —  es  existierte  dann  mit  dein  Menschen  zusammen  während  der  Eiszeit, 
und  erlitt,  nach  den  Funden  in  der  Kulturschicht,  in  dieser  Zeit  eine  grosse  Katastrophe, 
in  welcher  durch  Schneestürme  oder  Krankheit  eine  Herde  von  etwa  -"">»  m i  Individuen  den 
Tod  fand;  —  es  überdauerte  dann  noch,  allerdings  nur  in  geringer  Zahl,  die  Anwesenheit 
des  Menschen  auf  dem  Hügel. 

Der  Mensch  dagegen  lebte  hier  schon  vor  der  grossen  Katastrophe  und  auch  lange 
nachher,  aber  immer  nur  im  Sommer,  während  er  im  Winter  wahrscheinlich  in  den  Höhlen 
hauste. 

Von  der  grossen  Menge  der  gefundenen  Tierknochen  seien  hier  nur  folgende  an- 
geführt: 5  vom  Rhinoceros  tichorhinus,  46  vom  Höhlenbären,  600  vom  Ei- fuchs,  » »~ »< >  vom 
Schneehasen,  208  vom  Ken.  50  vom  Höhlenlöwen,  140  vom  Wildpferd,  2000  vom  Wolfu.  a. 

An  Überresten  des  diluvialen  Menschen  selbst  fanden  sich  vor,  ausser  zerstreuten  Feuer- 
stätten, .'!"_'.'! I  Geräte  aus  Stein,  viele  aus  Knochen,  Kentiergeweih  und  Elfenbein:  ferner 
Schminke  in  einem  Gefäss  von  rotem  Sandstein,  eine  mit  Zickzacklinien  verzierte  Mammut- 
rippe, Dentalien  und  Knochen  von  <>  menschlichen  Individuen. 

Nachdem  der  Hü^el  von  dem  diluvialen  Menschen  verlassen  war,  wurde  derselbe  lange 
Zeit  nicht  mehr  bewohnt,  bis  im  Anfang  unseres  Jahrtausends  slavische  Ansiedler  wiederum 
sich  dort  niederliessen. 

Nicht  weniger  grossartig  sind  die  Grabungen  des  Verf.  in  den  mährischen  Höhlen. 
mit  welchen  sich  der  zweite  Teil  des  Buches  befasst.  Um  das  genaue  Nivellement  der 
verschiedenen  Schichten  aufnehmen  zu  können,  wurden  im  ganzen  -?CM>  Schächte  und 
32  Stollen  getrieben,  ferner  8  freie  Felder  ausgehoben,  so  dass  jeder  Fundort  sorgfältig  in 
vertikaler  und  horizontaler  Richtung  bestimmt  werden  konnte.  Nach  einer  übersichtlichen 
Topographie  aller  mährischen  Höhlen  werden  die  ausgeführten  Arbeiten  und  gehobenen 
Funde  einzeln  mitgeteilt,  so  dass  der  Leser  die  Ausdauer  und  Gründlichkeit  des  Verf.  bei 
allen  diesen  Arbeiten  bewundern  muss. 

Von  den  vielen  Höhlenforschungen  wollen  wir  hier  nur  die  wichtigsten  anführen.  Die 
Kulna,  eine  der  Slouperhöhlen  im  Gebiet  der  Punkwa.  zeigte  noch  vollständig  unge>törte 
Schichten.  Die  sorgfältige  Untersuchung  derselben  ergab  folgendes  Bild:  In  der  untersten 
gelben  Schicht  von  14,80  m  fanden  sich  nur  Reste  von  rein  diluvialen  Tieren  18  Spezies) 
oder  solchen,  welche  schon  mit  diesen  zusammen  gelebt,  aber  sich  bis  in  die  historische 
Zeit  hinein  erhalten  haben,  wie  Pferd  u.a.  (39  Spezies);  in  der  oberen,  schwarzen,  allu- 
vialeu  Schicht  von  L,20  m  treten  dann  plötzlich  Reste  von  Haustieren  (5  Spezies]  in  gl 
Menge  auf,  und  erst  in  der  obersten  Schicht  noch  Reste  der  f»  jüngsten  Tierspezies,  zu 
denen  auch  die  Hauskatze  und  die  Hausratte  gehören. 

Was  nun  die  Reste  menschlicher  Kultur  betrifft  ^Holzkohle,  Werkzeuge  usw.  .  ao  reichen 
dieselben  nur  bis  I  m  Tiefe  hinab,  von  denen  also  1,20«  der  schwanen,  alluvialen  und 
noch  2,80  in  der  gelben,  diluvialen  Schicht  angeboren.  Die  untersten  12  m  waren  schon 
vor  Ankunft  des  Menschen  abgelagert  und  enthalten  nur    Herreste. 

Aus  den  Kulturschichten  dieser  Höhle  stammen  auch  geschnitzte  und  gravierte  Aite- 
Fakte,  deren  Deutung  aus  den  beigegebenen  Zeichnungen  indessen  nicht  immer  ver- 
ständlich ist. 


—     170     — 

Ganz  ähnlich  sind  die  Resultate  aus  der  Kostelikhöhle  im  Gebiet  des  Hadekerbaches. 

Die  berühmte  Byciskalahöhle  im  Gebiet  des  Rickabaches,  welche  so  schöne  Funde  aus 
der  Hallstattzeit  ergeben  hat,  war  in  der  Diluvialzeit  weder  von  Tieren  noch  von  Menschen 
bewohnt,  wahrscheinlich,  weil  sie  mit  Wasser  augefüllt  war. 

Zum  Schluss  spricht  der  Verf.  noch  seine  Ansicht  über  das  Erscheinen  und  Ver- 
schwinden des  diluvialen  Menschen  aus,  nach  welcher  derselbe  im  hohen  Norden  ent- 
standen und  mit  den  diluvialen  Tieren  zuerst  nach  Süden  und  dann  wieder  nach  Norden 
zurückgewandert  sei,  um  dort  als  Eskimo  und  Lappe  noch  heute  sein  Leben  zu  fristen. 
Dieses  sind  indessen  Fragen,  deren  Beantwortung  uns  mindestens  verfrüht  erscheint. 

Die  kurze  Inhaltsangabe  beweist  wohl,  dass  das  vorliegende  Buch  für  das  darin  be- 
handelte Gebiet  ein  unentbehrliches  Quellenwerk  ist.  Lissauer. 


1 

bis  4  Jahren. 

5 

„    7 

s 

..  10         „ 

11 

„  15       „ 

15 

„  24       „ 

Stratz,  C.  H.,  Der  Körper  des  Kindes,  für  Eltern,  Erzieher,  Ärzte  und 
Künstler.  Mit  187  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen  und  2  Tafeln. 
250  Seiten.     Gross -8°.     Stattgart,  Ferdinand  Enke,  1903. 

Seinen  bekannten  Werken  über  die  Schönheit  des  Weibes  fügt  der  Verfasser  hier  neue, 
eingehende  Studien  über  den  Körper  des  Kindes,  und  damit  zugleich  über  dessen  Anmut 
und  Schönheit  an.  Es  wird  hier  der  Versuch  gemacht,  „des  Kindes  Fehler  und  Vorzüge 
vom  objektiv-wissenschaftlichen  Standpunkt  aus  zu  beleuchten-'.  Zuerst  wird  eiu  allgemein 
verständlicher  Überblick  über  die  ontogenetische  und  die  embryonale  Entwickelung  des 
Menschen  gegeben.  Dann  werden  die  körperlichen  Veränderungen  geschildert,  welche  das 
Kind  in  den  verschiedenen  Stadien  seiner  körperlichen  Entwickeluug  zu  durchlaufen  hat. 
Indem  er  die  von  dem  Ref.  als  besondere  Abschnitte  im  kindlichen  Leben  aufgestellten 
Perioden  der  ersten  und  zweiten  Streckung  anerkennt,  teilt  der  Verf.  das  Kindesalter  in 
folgende  Abschnitte: 

1.  Periode  der  ersten  Fülle von 

2.  „  „  „        Streckung.     .     .  „ 

3.  „  ..  zweiten  Fülle „ 

4.  „  „           .,        Streckung.     .     .  „ 
.">.  „  „                   Reifung.     ..     .  „ 

Schon  beim  Neugeborenen  können  durch  den  Akt  der  Geburt  mancherlei  Störungen 
normaler  Entwickelung  hervorgerufen  werden,  welche  mehr  oder  weniger  lange  Zeit  un- 
ausgeglichen bleiben.  Auch  die  im  späteren  Leben  die  normale  Entwickelung  des  Kindes 
beeinträchtigenden  Faktoren  werden  erläutert.  Die  Ergebnisse  seiner  Körpermessungen 
weichen  von  denjenigen  anderer  Autoreu  ab.  Das  erklärt  sich  dadurch,  dass  der  Verf.  die 
Masse  nur  an  einem  Materiale  genommen  hat,  das  er  für  seine  Zwecke  besonders  aus- 
wählte, und  das  er  als  „möglichst  rein"  betrachtete.  Seine  Masse  können  daher  allgemeine 
anthropologische  Gültigkeit  nicht  beanspruchet).  Als  untunlich  muss  auch  bezeichnet 
werden,  dass  mehrfach  auf  Masse  Rücksicht  genommen  wird,  welche  an  photographischen 
Aufnahmen  gewonnen  wurden,  welche  nicht  die  richtige  anthropologische  Aufstellung, 
sondern  öfters  körperliche  Verschiebungen  wiedergeben.  Schalten  wir  diese  Dinge  aus,  so 
verdient  Stratzs  Arbeit  aber  doch  unsere  volle  Anerkennung.  Die  körperlichen  Ver- 
änderungen der  gesamten  Lebensabschnitte  im  kindlichen  Alter  werden  eingehend  durch- 
gesprochen; auch  die  sekundären  Geschlechtscharaktere,  sowie  ihr  Auftreten  und  ihre  Ent- 
wickelung linden  ihre  eingehende  Berücksichtigung.  Eine  grosse  Reihe  autotypischer  Ab- 
bildungen, welche  das  Gesagte  erläutern,  sind  dem  Werke  beigegeben.  Auch  die  Kinder 
aussereuropäischer  Rassen  sind  in  die  Betrachtung  mit  einbezogen  worden.  In  der  Spär- 
lichkeit des  zu  Gebote  stehenden  Materials  ist  es  begründet,  dass  hier  noch  manche  Lücke 
auszufüllen  ist.  Es  wird  daher  noch  längere  Zeit  dauern,  bis  wir  zu  abschliessenden  Ur- 
teilen gelangen  werden.  Auf  ein  paar  Druckfehler  mag  noch  hingewiesen  werden  (^S.  80 
scropha  und  S.  215  der  säugende  Feuerländer);  wahrscheinlich  hat  sie  der  Verf.  schon  be- 
merkt. Weitere  Kreise  werden  aus  dem  Buch  ernste  Anregung  und  Belehrung  schöpfen 
können.  Max  Bartels. 


—     171      — 

Bellucci,  Giuseppe,  La  grandine  aell' Umbria ,  con  nute  esplicative  e 
comparative  e  con  illustrazioni.  Tradizioni  popoläri  [taliane.  No.  1. 
Perugia  1903.     ünione  Tipografica  Coop.   Editrice.     136  Seiten.    Kl. -8°. 

Der  gründliche  Kenner  italienischer  Folklore  macht  uns  hier  mit  einem  engumgrenzten 

Gebiete  aus  der  Volkskunde  Umbricns  bekannt,  nämlich  mit  den  dortigen  Anschauungen 
und  Gebräuchen,  die  sich  an  das  Hagelwetter  knöpfen.  Wie  frachtbar  dieses  scheinbar  so 
kleine  und  einfache  Thema  ist,  das  erweist  allein  schon  der  Umstand,  dass  des  Verf.  Mit- 
teilungen und  Erörterungen  136  Seiten  fällen.  Es  werden  zuerst  die  Anschauungen  an- 
geführt", welche  das  umbrische  Landvolk  über  die  Ursachen  von  dem  Entstellen  des  Hagel- 
wetters hegt.  Teils  wird  der  Zorn  und  der  Unwillen  Gottes,  teils  die  Bosheit  und  Tücke 
des  Teufels,  teils  aber  auch  werden  die  neidischen  und  feindseligen  Machenschaften  von 
Hexen  und  Zauberern  verantwortlich  gemacht.  Interessant  ist  es,  zu  erfahren,  dass  die 
Landleute  in  Umbrien  fest  davon  überzeugt  sind,  man  könne  an  der  Form  und  dem  An- 
sehen der  Hagelkörner  erkennen,  welcher  dieser  Ursachen  sie  ihre  Entstehung  verdanken. 
Je  nach  der  einen  oder  der  anderen  Deutung  richten  sich  auch  die  Abwehrmittel,  zu  denen 
die  Bauern  ihre  Zuflucht  nehmen.  Sie  sind  ausserordentlich  mannigfaltig,  und  der  Verf. 
spricht  sie  sämtlich  eingehend  durch,  und  er  weist  dabei  auf  Vergleichungspunkte  aus 
anderen  Teilen  Italiens  hin.  Eine  besondere  Aufmerksamkeit  widmet  er  dem  Wetter- 
schiessen, das  in  verschiedenen  Formen  vorkommt.  In  dem  letzten  Kapitel  werden  noch 
einmal  die  vielseitigen  Massnahmen  überblickt,  welche  man  in  Umbrien  anwendet,  um  sich 
vor  dem  schweren  Unglück  des  Hagelschlages  zu  bewahren.  Er  ist  dabei  aber  bemüht, 
jedesmal  dem  Gedankengange  nachzuspüren,  welcher  zu  dem  betreffenden  Handeln  ge- 
führt hat. 

So  entrollt  sich  vor  unseren  Augen  ein  interessantes  Stück  Völkerpsychologie.  Für 
die  Zähigkeit  und  Dauerhaftigkeit,  mit  welcher  solche  Gedankengänge  im  Volke  haften, 
lernen  wir  charakteristische  Beispiele  kennen.  Da  der  Verf.  das  Werk  unter  dem  Haupt- 
titel ,Tradizioni  popoläri  Italiane,  No.  1'  herausgibt,  so  können  wir  hoffen,  dass  wir  bald 
aus  seiner  Feder  auch  noch  andere  Kapitel  der  italienischen  Volkskunde  erhalten  werden. 

Max  Bartels. 


.Maass,  A.,  Quer  durch  Sumatra      Reiseerinnerungen.     3lit  33  Vollbildern 

und  zwei  Karten.     Berlin   1004,  bei  W.  Süsserott.    8°. 

Das  anspruchslos  auftretende  Buch,  das  des  Verfassers  Reise  von  Padang  nach 
Palembang  schildert,  verdient  es,  über  das  Gros  der  gewöhnlichen  Reiseliteratur  empor- 
gehoben zu  werden.  Nicht  nur  hat  es  der  Verfasser  verstanden,  seine  Beobachtungen  an 
Land  und  Leuten  auch  während  einer  nicht  Forschungszwecken  gewidmeten  Reise  zu 
machen,  sondern  er  hat  auch,  und  das  ist  die  Hauptsache,  eifrig  photographiert.  Das 
Ergebnis  dieser  photögrapkischen  Tätigkeit  ist  dem  Buch,  das  selbst  nur  1  13  Seiten  zählt, 
in  33  Vollbildern  beigefügt.  Zwei  Karten  vervollständigen  das  Bild  dieser  Reise.  Von 
den  eingestreuten  ethnographischen  Bemerkungen  erwähne  ich  die  Beschreibung  des 
Festes  der  Einkleidung  eines  Hadji,  das  ist  eiues  mohammedanischen  Priesters;  Unter  .Ich 
hervorragend  guten  Bildern,  die  grösstenteils  ethnographische  Darstellungen  bringen,  hebe 
ich  besonders  das  Bild  der  Braut,  ferner  den  Hochzeitszug  und  das  Rödjangbaus  heran.-. 
Zum  Schluss  noch  eine  Bemerkung:  das  holländische  „Bovenlanden"  mit  „Oberländer" 
zu  übersetzen,  um  das  Adjektiv  „oberländisch"  zu  erhalten,  ist  ungebräuchlich.  Warum 
nicht  bei  dem  alten  „Padangschen  Hochland"  bleiben?  Stornier. 


IV.   Eingänge  für  die  Bibliothek1). 


1.  Ujfalvy,  Carl  von,  Zur  anthropologischen  Geschichte  Indiens.    Eisenach  und  Leipzig. 

Thüringische  Verlagsanstalt  o.  J.  8°.  (Aus:  Politisch  -  anthropolog.  Revue.) 
Gesch.  v.  Verf. 

2.  Salinas,  Antonino,  Breve  guida  del  Museo  nazionale  di  Palermo.   3:l  edizione,  Palermo 

1901.    8°.     Gesch.  v.  Verf. 
•'!.    Haushofer,  Max,  ßevölkerungslehre.     Leipzig.  B.  G.  Teubner  1904.    8°.    (Aus:  Natur 

und  Geisteswelt,  Bd.  50)     Vom  Verleger. 
4.   Almeras,  Henri  de,  Le  mariage  chez  tous  les  peuples.     Paris,  Schleicher  fr.  et  Cie. 

8°.     1903.    Angekauft, 
ö.   Annuaire   international    des    Societes  Savantes    par  H.  Delaumay.     Introduction  de 

C.-M.  Gariel.     1903.     Paris,  A.  Lahure.     1904.     8°.     Angekauft. 
G.    Koganei,  Y.,  Messungen  an  chinesischen  Soldaten.     Tokio  1903.     8°.     (Aus:  Mitteil. 

der   medizin.    Fakultät    der    K     Japanischen   Universität,    Tokio    VI.)     Gesch. 

v.  Verf. 

7.  Melius,  C,  Neolithische  und  spätzeitliche  Silex- und  Kieselware.     Braunschweig  190.!. 

4".     (Aus:  Globus,  Bd.  84.)     Gesch   v.  Verf. 

8.  Hagen,  K.,  Museum  für  Völkerkunde.     Bericht   für   das  Jahr  1902.    Hamburg  1903. 

8°.  (Aus:  Jahrbuch  der  Hamburgischen  Wisscuschaftl.  Anstalten  XX).  Vom 
Museum  in  Hamburg. 

9.  Wittmack,  Die  in  Pompeji  gefundenen  pflanzlichen  Reste.    Leipzig,    W.  Engelmann 

1903.     8°.     (Aus:  Englers  Botanische  Jahrbücher,  Bd.  33.)     Gesch.  v.  Verf. 

10.  Morton,   Samuel  George,    Crania  Americana  ...  An    essay    on   the   varieties  of  the 

human  species.  Illustr.  by  78  PI.  and  a  Map.  Philadelphia,  J.  Penington  1839. 
2n.    Aus  der  W.  Schünlank-Stiftung. 

11.  Colini,    G.  A.,   Tombe    eneolitichc    del    Viterbese    (Roma)    Parma  1903.     8".     (Aus: 

Bull,  di  Paletnol.  Italiana.)     Gesch.  v.  Verf. 

12.  Hoffmann-Krayer,  E.,  Fragebogen  über  Volksmedizin  in  der  Schweiz.     Basel  1903. 

8".     Gesch.  v.  Verf. 

13.  Schweiger-Lerchenfeld,  A.  v.,  Die  Frauen  des  Orients  in  der  Geschichte,  in  der 

Dichtung  und  im  Leben.  Lief.  IG— 20.  Wien  und  Leipzig,  A.  Hartleben  1904. 
1".     Vom  Vorleger. 

II.  Martin,  Rudolf,  ('her  einige  neuere  Instrumente  und  Hilfsmittel  für  den  anthro- 
pologischen Unterricht  München  L903.  1".  (Aus:  Correspond.-Bl.  der  Deutschen 
anthropol.  Ges.)    Gesch.  d.  Verf. 

15.  Rathgen,  Friedrich,  Konservierung  von  Altertumsfunden  aus  Eisen  und  Bronze. 
Cötben  L903.    8°.    (Aus:  Chemiker-Zeitung,  Jahrg.  27,  S.  703/4.)   Gesch.  d.  Verf. 


1)  Die  Titel  der  eingesandten  Bücher  und  Sonder-Abdrüeke  werden  regelmässig  hier 
veröffentlicht,  Besprechungen  der  geeigneten  Schriften  vorbehalten.  Rücksendung  un- 
verlangter Schliffen  findet  nicht  statt. 


—     173    — 

16.  Hiller,  Arthur,  Über  die  Fossula  vermiana  des  Hinterhauptbeines     Fossa  oecipitalis 

mediana).     Königsberg  i  Pr.  1!)0:>.    8".    (Dissertation.) 

17.  Sturmhöfel,   Otto,    Über   die   Eminentia  crnciata   des    Hinterhauptbeines.    Königs- 

berg i.  Pr.  1903.     8".     (Dissertation.) 

18.  Bladt,   Oswald,    Die  Arterien  des  menschlichen  Kehlkopfes.     Königsberg  i.  Pr.  L903. 

8".     (Dissertation.) 

16 — 18  vom  Anatomischen  Institut  in  Königsberg  i.  Pr. 
I'.l.    Ainbrosetti,  Juan  B.,  Los  pucos  pintados  de  rojo  Bobre  blanco  del  Valle  de  Yocavil. 
Buenos  Aires  1903.    8°.    (Aus:  Anales  del  Museo  Nacional  de  Buenos  Aires  IX.} 
Gesch.  d.  Verf. 

20.  Annandale,  Nelson  and  Herbert  C.  Robinson,  Fasciculi  Malayenses.     Supplement. 

London,  Longmann,  Green  et  Co.  1903.     I".    Vom  Verleger. 

21.  Doudou,  Ernest,  Compte  rendu  des  expL>rations  .  .  .  dans  les  cavern<js  et  les  abimes 

des  environs  d'Engis.    o.  0.  u.  J.     8°.     (Aus:    L'Eveil.) 

22.  Doudou,  Ernest,  Etüde  geolo^ique  et  archeologique  des  environs  d'Ombret.    Bruxelles: 

Hayez  1903.     8°.     (Aus:    Bull,  de  la  Societe  d'Anthropol.  de  Bruxelles.) 
•2."».    Doudou,  Erni'st,  Nouvclles  explorations  dans  les  cavcrnes  de  la  Vallee  de  la  Mehaigne. 

Soignies  1901.    8°. 
24    Doudou,    Ernest,    Traces    laissees    par   l'Homme    prehistorique    sur  le    territoire   de 

Seraing-sur-Meuse.     Soignies  o.  J.     8°.     (Aus:  Jadis.) 
"25.   Doudou,  Ernest,  Les  oi'igines  de  la  legende  des  Nutons.    Paris:  L.  Lechevalier  1902. 
8°.     (Aus:    Revue  des  Traditions  Populaires  de  Paris) 

26.  Doudou,    Ernest:    1.   A  propos   d'un  troglodyte   moderne;    —    2.    In    „logement  de 

voya^eurs",  ä  Ben-Ahin,  lez-Huy:  —   '■'>.   Une  appantion   de  Nutons;    —    4.  Les 
chasseurs  de  Rats.    o.  0.    1901/02.     8".     (Aus:  Wallonia  IX  und  X.) 
Nr.  21— 26  Gesch.  d.  Verf. 

27.  Frobenius,    Leo,    Geographische  Kulturkunde.     Eine   Darstellung    der  Beziehungen 

zwischen  der  Erde  und  der  Kultur  ....  Leipzig:  F.  Brandstetter  1904  8°. 
Gesch.  d.  Verf. 

28.  Steere,  Joseph  Beal,  Narrative  of  a  visit  to  Indian  tribes  of  the  Purus  river,  Brazil. 

Washington  1903.    8°.     (Aus:    Report  of  the  U.  S.  N.  Mus.  for  1901.) 

29.  Hough,    Walter,   Archeological  lield  work  in  North-Eastem  Arizoua.    The  Museum- 

Gates  expedition  of  1901.     Washington    1903.     8°.     (Aus:    Report   of  the  U.  S. 
Nat   Mus.  for  1901.) 
•">0.    Holmes,  William  Henry,  Flint  implements  and  fossil  remains  from  a  sulphur  spring 
at  Alton,    Indian  Territory.     Washington  1903.     8°.     (Aus:    Report  of  the  U.  S. 
Nat.  Mus.  for  1901) 

31.  True,    Frederick  W.,    William  H.  Holmes  and  George  P.  Merrill,   Report   on  the 

exhibit  of  the  U.  S.  Nat.  Mus.  at  the  Pan-American  Exposition,  Buffalo,  New 
York  1901.  Washington  l!>0.'i.  8".  (Aus:  Report  of  the  ü.  S.  Nat.  Mus.  for 
1901.) 

Kr.  28—31  Gesch.  d.  Smithsonian  Institution. 

32.  Bastian,  Adolf,  Die  Lehre  vom  Denken.    Zur  Ergänzung  der  Naturwissenschaftlichen 

Psychologie  in  Anwendung  auf  die  Geisteswissenschaften.  IL  Teil.  Berlin: 
F.  Dümmler  H»03.    8°.    Vom  Verleger. 

33.  Preuss,  K.  Th.,   Phallische  Fruchtbarkeits-Dämouen  als  Trager  des  altmexikanischen 

Dramas.  Braunschweig:  F.  Vie weg  &  Sohn  1903.  I.  [Ans:  Archiv  für  Anthro- 
pologie,   N.  F.   1.)    Gesch   d    Verf. 

.'54.  Jahns,  Max,  Handbuch  einer  Geschichte  des  Kriegswesens  von  der  Urzeit  bis  zur 
Renaissance.  Technischer  Teil:  Bewaffnung,  Kampfweise,  Befestigung,  Belagerung, 
Seewesen.  Leipzig:  Pr.  W.  Grunow  1880.  8  ,  Nebsl  einem  Atlas  von  1  > m ►  tafeln. 
1878.     2°.     Angekauft. 

35.  Haack,  Hermann,  Geographen  Kalender  I.  Jahrg.  L903/04  Gotha:  J.  Perthes  1903. 
S".     Gesch.  d.  Verl. 

."»(i.  Führer  des  Einwanderers  in  Peru  (Die  Via  Central,  Zone  des  Pichisi  —  Peru  für  die 
Einwanderung.  —  Vom  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten  in  Peru.  Basel  1903. 
8°.     Gesch.  v.  Hrn.  Konsul  Kahle. 


—     174     — 

37.  Abraham,  Otto,   und  Erich  M.  von  Hornbostel,  Studien  über  das  Tonsystem  und 

die    Musik    der    Japaner,      o.  0.  u.  J.     8°.     (S.  d.  J.  M.  IV).      Gesch.    v.    Hrn. 
E.  von  Hornbostel. 

38.  Valentine,    Edward  P .,   The  Hayes'  Creek  Mouud,    „Indian    Bottom    Farm,"    Rock- 

bridge   Co.,    Virginia.      Itichmond:    The    Valentine    Mus.    1901.     8".      Gesch.  v. 
Valentine  Museum. 

39.  Buchwald,  Gustav  v.,  Regesten  aus  den  Fischerei-Urkunden  der  Mark  Brandenburg 

1150—1710.    Berlin:  Gebr.  Borntraeger  1903.    8°. 

40.  Fischereiverein  für  die  Provinz  Brandenburg.     Festschrift    aus  Anlass   des  25jährigen 

Bestehens.     Berlin:  Gebr.  Borntraeger  1903.     8°. 

41.  Katalog  der  Jubiläums-Ausstellung  des  Fiscliereivereins  für  die  Provinz  Brandenburg. 

Berlin:  R.  Mosse  1903.    8°. 
4:2.    Veiten,  C.,    Sitten  und  Gebräuche    der   Suaheli   nebst    einem   Anhang   über  Rechts- 
gewohnheiten der  Suaheli.     Göttingen:  Vandenhoeck  &  Ruprecht  1903.     8U. 
Nr.  39 — 42  Gesch.  v.  Fischereivercin  f.  d.  Prov.  Brandenburg. 

43.  Hoesemann,    Ethnologisches    aus    Kamerun.     Berlin  1903.     8°.     (Aus:    Mitteil,    aus 

den    deutschen    Schutzgebieten    XVI,  2).     Gesch.  v.  d.   Kolonialabteil,    des    Aus- 
wärtigen Amtes. 

44.  Garstang,  John,  Mahäsna  and  Bet  Khalläf.     With  a  chapter  by  Kurt  Sethe.   London: 

B.  Quaritch  1902.    4°.     Gesch.  v.  Egyptian  Research  Account  1901. 

45.  List  of  Sanskrit,    Jaina  and   Hindi  Mss  ...  in  the  Sanskrit  College,    Beuares,    during 

1897—1901.    Allahabad:    Govern.  Press  1902.    8°.     Gesch.  v.  Gov.  Press,  U.  P. 
of  Agra  and  Oudh. 

46.  Bowditch,  Charles  P.,  Notes  on  the  Report  of  Teobert  Maler  in  M.  of  the  Peabody 

Mus.  11.2.     Cambiidge:  University  Press,  1903.     8".     Gesch.  d.  Verf. 

47.  Mielke,  Robert,  Die  Ausbreitung  des  sächsischen  Bauernhauses  in  der  Mark  Branden- 

burg.    Braunschweig  1903.    4°.     (Aus:  Globus  84.)     Gesch.  d.  Verf. 

48.  Hausmann,  Richard,    Der  Silberfund  von  Kuschke.     Dorpat  1902.     8°.     (Aus:    Sitz.- 

Ber.  der  kurländischen  Ges.  für  Liter,  und  Kunst.)     Gesch.  d.  Verf. 

49.  Schliz,  A,  Der  Bau  vorgeschichtlicher  Wohnanlagen.    Wien  1903.    4°.    (Aus:  Mitteil. 

der  Anthrop.  Ges.)     Gesch.  v.  Verf. 

50.  Derselbe,  Nochmals  zur  bandkeramischen  Frage.     München  1903.     4".     (Aus:    Korre- 

spondcr.zblatt  der  Deutsch,  anthrop.  Ges.)     Gesch,  d.  Verf. 

51.  Fischer,    Adolf,    Streifzüge    durch    Formosa.      Berlin:    B.  Behr    19(10.     8".     Gesch. 

d.  Verf. 

52.  Ambrosetti,  Juan  B.,  Antigüedades  Calchaquios,   datos  arqueolögicos   sobre  la  pro- 

vincia  de  Jujuy.     Buenos  Aires:  Coni  Hermanos  1902.     8".     (Aus:    Anales  de  la 
Socicdad  Cientifica  Argentina  T.  53  u.  54.)     Gesch.  d.  Verf. 

53.  Rathgen,    Friedrich,    Konservierung    von    Altertumsfunden    aus    Eisen    und    Bronze. 

Cöthen  1903.     8°.     (Aus:  Chemiker-Zeitung,  Jahrg.  27  S.  703/4 )     Gesch.  d.  Verf. 

.">J.  KHz,  Martin,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Quartärzeit  in  Mähren.  Steinitz,  Selbst- 
verlag 1903.     S".     Gesch.  d.  Verf. 

55.  Froriep,  A.,  Die  anthropologischen  Sammlungen  Deutschlands.  XVI  Tübingen. 
Braunschweig:  F.  Vieweg  u.  Sohn  L902.  1".  (Aus:  Archiv  f.  Anthropol.)  Gesch. 
d.  Verf. 

.">f,.  Krause,  Eduard,  Über  die  Herstellung  vorgeschichtlicher  Tongefässe.  Berlin  1903. 
8  .     (Aus:  Zeitschr.  f.  Ethnol.)     Gesch.  d.  Verf. 

")7.  Oppert,  Gustav,  Tharshish  und  Ophir.  Berlin:  .1.  Springer  1903.  8".  (Aus:  Zeitschr. 
f.  Ethnol.)     Gesch.  d.  Verf. 

58.  Davidsohn,  Carl,  Knochendeformationen  bei   einem  Affen.     Berlin  1903.     8".     (Aus: 

Virchows  Archiv.   171.  Bd.)      Gesch.  <l.  Verf. 

59.  Schmeltz,    J.  D.  E.,    Rudolf   Virchow.     13.  Okt.   L82]    bis   5.  Sept.   1902.     Leiden. 

E.  J.  Brill   L903.      I".     (Aus:  Intern.  Archiv  f.  Kthnogr.)     Gesch.  d.  Verf. 

60.  Doudou,    Ernest,   Note   sur   des  graines  <le   vegetans   trouvees  dans  la  breche  pre- 

historique    de    la    seconde    grotte    d'Engis    (Belgique).     Paris    1904.     8".     (Aus: 
Revue  de  l'Ecole  d' Anthropologie.)    Gesch.  <1.  Verf. 


—     1 75     — 

Gl.   Klaatsch,  Herniann,  Die  Fortachritte  der  Lehre  von  den  fossilen  Knochenres-ten  des 
Menschen    in    den    Jahren    I'.kmi — 1903.     Wiesbaden:    .1.  F.  Bergmann  1903.     3 
(Aus:    Ergebnisse  der  Anatomie    und  Entwicklungsgeschichte  von   Merkel  und 
Bonn  et.)     Gesch.  d.  Verf. 

62.  Derselbe,    Bericht   über  einen    anthropologischen  Streifzug  naeh  London  und  auf  das 

Plateau   von   Süd-England.    Berlin  1903.    8°.    (Aus:    Zeitschr:  für  Ethnologie. 
Gesch.  d.  Verf. 

63.  Catalogue,    International   of   Bciotific    literaturc.     I.  Geograph y.     P.  Physical  Anthro- 

pology.     London:    ilarrison    and  Sons    1903.     Vol.  X  and  XIV.     Gesch.  '1.  Hrn. 
Prof.  Dr.  Uhlc worin  in  Berlin. 
<>4.   Jahresbericht   über    die    Fortschritte  und  Leistungen    auf   dem    Gebiete  der   Sozialen 
Hygiene  und  Demographie.     Bd.  I    1900-1901,    Bd.  II  1902.     H.rausgegeb.  von 

A.  Grotjahn  und  F.  Kriegel.     Jena:  G.  Fischer,  1902/03.    8°.     Gesch.  d.  Hm. 
F.  Kriegel. 

<■>.">.    Lanz-Liebenfels,  J,  Anthropozoon  Biblicum.     Wien  1904.    8°.    (Aus:  Vierteljahrs- 

Bchrift  für  Bibelkunde  I.)    Gesell,  d.  Verf. 
66.    Festschrift    udgivet  i  anledning  af  Trondhjems  ÜOOaars   jubilaeum  18(.»7    af   det  Kgl. 

Norske  Videnskabens  Selskab.     Trondhjem  1897.    4°.     Gesch.  d.  Nordischen  Ges. 

der  Wissenschaft. 
07.    Redlich,  Richard,  Vom  Drachen  zu  Babel.     Braunschweig  1903.     4°,     (Ans:    Globus 

B.  LXXX1V,  84).     Gesch.  d.  Verf. 

()8.    Krauss,  Friedrieh  S.,  Die  Anmut  des  Frauenleibes.     Leipzig:  A.Schumann  1903.    I  . 
Vom  Verleger. 

69.  Giuffrida-Ruggeri,  V.,  La  prosizione  del  bregma  nel  cranio  del   „Pithecanthropus 

erectus"  e  ia  tendenza  neo-monogenista   in    Germania.     Roma  1904     8°.     (Aus: 
Atti  della  Societä  Romana  di  Antropologia.)     Gesch.  d.  Verf. 

70.  Derselbe,    Cause  probabili    della  bassa  statura  in  Italia.     o.  0.  u.  J.     (Aus:    Archivio 

di    Psichiatria,    Scienze    penali    ed    Antropologia    criminale     Vol.    24.)      Gesch. 
d.  Verf. 

71.  Katalog    der    Bibliothek    der    Gesellschaft   für   Erdkunde    zu    Berlin    ....    bearbeitet 

von  Paul  Dinse.     Berlin:    E.  S.  Mittler  und  Sohn.     1903.     4°  (gr.  8").     Gesch. 
d.  Gesellschaft . 

72.  Sanielevici,    H.,    Le    travail    de    la    mastication   est  la  cause  de  la  brachycephalie. 

Bucarest  P>U-">.     4".     (Aus:    Bull,  de  la  Societe    des    sciences    de    Bucarest-Rou- 

mainie  XU.)     Gesch.  d.  Verf. 
7:'..    Muller,    Hippolyte,    Essais    de    taille    du    silex,    montage    et    emploi    des    outils  ob- 

tenus.     Paris  P.MJ3.     8".     vAus:  L' Anthropologie.)     Gesch.  d.  Verl. 
7  1.    Marschall,  Francis  H.,  A.  Nelson  and  Annandale,  The  Hor.-e  in  Ireland  and  the 

Farves.  Cambridge   1903.    8°.  (Aus:  Proc.  of  the  Cambridge  Philosoph.   Soc.  XLL) 

Gesch.  d.  Verf. 
7.">.    Sergi,  G.,  Nuove  osservazioni  sulle  forme  del  cranio  umano.    Roma  1901.    v        Ans: 

Atti  della  Societa  Romana  di  Antropologia  X.)     Gesch.  d.  Verf. 

76.  Puszet,  Ludwig.  Studien  über  den  polnischen  Holzbau.     I.  Das  Bauernhaus.    Krakau 

1903.     s  .     (Ans:    Bulletin    de    l'Academie    des    Sciences    de    Cracovie.      Gesch. 
d.  Verf. 

77.  Czarnowski,  S.  J  ,  Czaszka  z  jaskini  Oborzysko  Wielkie  na  Lewym  brzei:u  Pradnika 

pod  Ojcowein.  —  Spy-Neanderthaloides.  —  Warschau  1902.  8°.    Au.-:  SwiatowitV.) 
Gesch.  d.  Verf. 
7.s.    Pic,  J.  I...  Novv  typ  /.ärovych  hrobu  v  Öechäch.    Prag  L903.    I'.     Aus:   Pamatky  XX. 
Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Bissau  er. 

79.  Mach,  Matthaeus,   Die  Heimat  der    [ndogermanen    im  Fichte    der   lirgeschichtlichen 

Forschung.     2.  vermehrte  Aufl.     Jena    und    Berlin:    11.    Costenoble    1904.    -  , 
Vom  Verleger. 

80.  Doudou,  Ernesr,  Exploration  scientifique  dans  les  Cavernea,  les  Abimes  et  les  Trous 

fumants  de  la  province  de  Liege.     Lie"g(      M.   fhone  o.  J.    8".    Gesch.  d.  Verf. 


—     176     — 

81.  Lindenschmit.  Ludwig,  Tracht  und  Bewaffnung  dos  römischen  Heeres  während  der 

Kaiserzeit  .  .  .  Braunschweig:  F.  Vieweg  u.  Sohn  1882      4°.     Angekauft. 

82.  Berthol  cm,   L'annee    anthropologique    Nord-Africaine    1902/1903.     Tunis  1903.    8". 

(Aus:  Bevue  Tunisienne.)     Gesch.  d.  Verf. 

83.  Kitter,    Geographisch-statistisches  Lexikon  ...  8.   Aufl.,    2.  Abdruck    mit    Nachtrag. 

Redig.  von  Johannes  Penzier.  Bd.  1  u.  2.  Leipzig:  0.  Wigand  1898.  4". 
Angekauft. 

84.  Bartels,    Paul,    Über    Vergleichbarkeit    kraniometrischer    Reihen.     Berlin  1903.     S". 

(Aus:  Zeitschr.  f.  Ethnol.)     Gesch.  d.  Verf. 

85.  Schellhas,  Paul,  Die  Göttergestaltcn  der  Mayahandschriften.   Berlin:  A.  Asher&Co. 

1904.    8°.     Vom  Verleger. 

86.  Judd,    A.  F.,    Rock  Carvings    of   Hawaii.     Honolulu  o.  J.     8°.     (Aus:    Auuual  of  the 

Bernice  Pauahi  Museum.)     Gesch.  d.  Verf. 

87.  Kersjes  B.  en  G.  den  Hamer,  De  Tjandi  Mendoet  voor  de  restauratie.      sGraven- 

hage:  M    Nijhoff  1903.    4°.     Gesch.  d.  Bataviaaseh  G.  v.  Künsten  en  W. 

88.  Führer  durch  die  Sammlungen  des  Museums  für  österreichische  Volkskunde   in  Wien 

von  M.  Haberlandt.     Wien  1901.     8°.     Gesch.  d.  Hrn.  Geh.  Rat  Voss. 

89.  Archiv  lür  Rassen-  und  Gesellscbafts-Biologie  einschliesslich  Rassen-  und  Gesellschafts- 

Hygiene  ..  .  Red.  von  A.  Ploetz.  1.  Jahrg.  1.  H.  Berlin:  Archiv-Gesellschaft 
1904.     8°.     Gesch.  d   Red. 

90.  Boas,  Franz,   The  decorative  art  of  the  North  American  Indians.     o.  O.     1903.    8". 

(Aus:  Populär  Science  Monthly.)     Gesch.  d.  Verf. 
'.H.    Derselbe,   Heredity  in  head  form.  —  Lancaster  1903.    8°.     (Aus:    American  Anthro- 
pologist.)   Gesch.  d.  Verf. 

92.  Derselbe,    1)  The    relations    between  the  variability    of   organisms    and   that  of  their 

constituent  elements.  —  2)  Rudolf  Virchows  anthropological  work.  —  3)  The 
bureau  of  american  ethnology.  New  York  1902.  4°.  (Aus:  Science.)  Gesch. 
d.  Verf. 

93.  Derselbe,  Statistical  study  of  anthropometry.     o.  0.  u.  J.     8°.     (Aus:  American  Physi- 

cal  Education  Review.)     Gesch.  d.  Verf. 

94.  Preuss,  K.  Th.,  Religionen  der  Naturvölker  (1902/03).     Leipzig:  B.  G.  Teubner  1904. 

8°.     (Aus:  Archiv  für  Religionswissenschaft.)     Gesch.  d.  Verf. 

95.  Ferrändiz,    Manuel   Anton,   Razas   y  tribus    de   Marruecos.     Madrid:    Rivadeneyra 

Sucesores  1903.    8°.    Gesch.  d.  Verf. 

(Abgeschlossen  den  20.  Februar  1904.) 


I.   Abhandlungen  und  Vorträge. 


1.    Einige  türkische  Volkslieder  aus  Xonlsyrien 
und  die  Bedeutung-  phonographischer  Aufnahmen  für  die 

Völkerkunde.1) 

Von 

Felix  v.  Luschan. 

Vor  jetzt  '!')  Jahres  hörte  ich  im  Theater  des  Palais  Royal  eine  Posse, 
in  der  die  phonographische  Wiedergabe  anscheinend  unbelauschter  Gespräche 
den  ausgelassensten  -In lud  der  Zuhörer  erregte. 

Damals  schon  hatte  ich  die  Vorstellung-,  dass  der  Phonograph  einmal 
ein  wichtiges  Hilfsmittel  der  anthropologischen  Forschungsarbeit  werden 
miisste.  Sieben  Jahre  später  wollte  ich  hier  am  Museum  zum  ersten  Male 
die  praktische  Brauchbarkeit  eines  Phonographen  für  unsere  Zwecke  er- 
proben, aber  der  Apparat  war  damals  noch  technisch  sehr  anvollkommen, 
und  ausserdem  erklärte  man  mir  in  aller  Form,  solche  Dinge  gehörten 
auf  einen  Jahrmarkt  und  nicht  ins  Museum.  Bald  nachher  legte  hier  in 
unserer  Gesellschaft  F.  Boas  seine  ersten  Ergebnisse  mir  dem  Phono- 
graphen vor  --  sie  waren  gleichfalls  wenig  ermunternd. 

So  hatte  ich  den  Gedanken  wieder  fallen  lassen  und  erst  wieder  auf- 
genommen, nachdem  ich  aus  einem  Vortrage  der  Herren  Abraham  und 
v.  Hornbostel  ersehen  hatte,  dass  mindestens  der  musikwissenschaftliche 
Gewinn   aus  phonographischen  Aufnahmen   völlig  einwandfrei  sei. 

Als  dann  meine  Frau  und  ich  Ende  1901  uns  zu  einer  neuen  Au>- 
grabungskampagne  in  Sendschirli  rüsteten,  beschafften  wir  einen  ganz 
kleineu  phonographischen  Apparat,  der  nur  1<»  Taler  kostet  und  weniu 
mehr  als  1  kg  wiegt.  Härte  er  sieh  für  ernste  Zwecke  unbrauchbar  er- 
wiesen, so  wäre  er  immer  ein  sehr  passendes  Geschenk  für  einen  der 
deii  einheimischen  Würdenträger  gewesen. 

Dieser  vorläufige  Versuch  ist  indes  über  jedes  Erwarten  gelungen. 
Wir  hatten  nie  früher  einer  phonographischen  Aufnahme  mit  einem 
modernen  Apparate  beigewohnt  und  machten  daher  im  Anfange  aus  üner- 
fahrenheit  allerhand   Fehler.     Rasch   aber   lernten  wir  die  an  sieh  ja  ganz 


1)  Erweitert  nach  einem  in  der  Sitzung  vom  20.  Juni  1903  gehaltenen  Vortrage. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jabrg.  1904.    Heft  2,  ]•_> 


—     178     — 

einfache  Technik  beherrschen,  und  so  haben  wir  neben  einer  Anzahl 
kurdischer  Texte  gegen  zwanzig  türkische  Lieder  mitgebracht,  die  ich 
im  folgenden  veröffentlichen  will. 

Da  muss  ich  zunächst  voraussenden,  dass  meine  Frau  und  ich  im 
ganzen  nicht  mehr  als  zwei  oder  drei  Stunden  an  diese  phonographischen 
Aufnahmen  wenden  konnten  und  dass  etwa  drei  weitere  Stunden  nötig 
waren,  um  die  phonographisch  gesicherten  Texte  auch  handschriftlich  fest- 
zulegen. Die  Beschaffung  des  gesamten  Materials,  das  ich  hier  vorlege, 
hat  also  einen  Zeitaufwand  von  nicht  ganz  sechs  Stunden  erfordert.  Es 
scheint  mir  richtig,  das  ebenso  hervorzuheben,  als  wie  den  billigen  Preis 
des  Apparates  und  dessen  geringes  Gewicht.  Es  ist  selbstverständlich, 
dass  man  mit  einein  besseren  Apparate  und  besonders  wenn  man  mehr 
Zeit  an  eine  solche  Aufgabe  wenden  kann,  noch  ungleich  bessere  Ergebnisse 
erzielen  wird,  aber  unser  Erfolg  zeigt  doch  schon  an  sich,  dass  man  auch 
mit  einem  verschwindenden  Aufwände  von  Zeit  und  Geld  schon  auf 
Resultate  von  ernstem  wissenschaftlichen  Werte  rechnen  kann. 

Unser  Apparat  war  bei  Romain  Talbot  gekauft  gewesen;  er  hat  sich 
glänzend  bewährt,  aber  es  hat  sich  in  der  Folge  gezeigt,  dass  die  billigen 
Apparate  dieser  Art  nur  ab  und  zu,  wohl  zufällig  auch  für  ernste  Zwecke 
ausreichen.  Ich  habe  seither  etwas  solidere  Apparate *)  kennen  gelernt, 
die  man  hier  bei  A.  Wertheim  um  50  Mk.  kaufen  kann.  Diese  wiegen 
allerdings  4,5  kg,  aber  sie  haben  einen  festen  Holzkasten,  einen  sehr  viel 
grösseren  Schalltrichter  und  ausgezeichnet  gute  Membranen,  so  dass  auch 
leiser  gesungene  Lieder  und  im  gewöhnlichen  Sprechtone  gesprochene 
Texte  ohne  jede  Schwierigkeit  aufgenommen  werden  können. 

Diese  Apparate  stehen  vollkommen  auf  der  Höhe  unserer  Zeit,  und 
ich  möchte  sie,  so  lange  als  nicht  noch  bessere  konstruiert  sind,  jedem 
Reisenden  auf  das  allerdringendste  empfehlen. 

Auf  die  technische  Seite  der  Aufnahmen  werde  ich  noch  später 
zurückkommen;  auch  die  Herren  Abraham  und  v.  Hornbostel  werden 
sie  noch  eingehend  erörtern.  Einstweilen  möchte  ich  schon  hier  fest- 
stellen, dass  für  den  gewöhnlichen  wissenschaftlichen  Reisenden  nur  kleine 
Apparate  mit  Walzen,  also  Phonographen  im  engeren  Sinne  des  Wortes 
in  Frage  kommen  können.  Die  grossen,  meist  als  Grammophon  oder 
Graphophon  im  Handel  befindlichen  Apparate  mit  Hartgummiplatten  leisten 
zwar  in  der  Wiedergabe  der  Aufnahmen  oft  sehr  viel  mehr,  aber  das 
Aufnahmeverfahren  ist  sekret,  durch  Patente  geschützt  und  vermutlich  so 
schwierig,  dass  es  nicht  ganz  leicht  zu  erlernen  ist.  Ausserdem  sind  diese 
Apparate  sehr  gewichtig  und  auch  wesentlich  teurer.  Die  Wiener  Akademie 
der  Wissenschaften  hat  einen  anderen  Apparat  konstruieren  lassen,  der 
gegen  100  /,■</  wiegen  und  viele  hundert  Gulden  kosten  soll  —  dass  ein 
solcher  Apparat  nur  sehr  wenigen  Reisenden  mitgegeben  werden  kann, 
bedarf  keiner  weiteren  Erörterung. 

Ich    wende    mich   nun  wieder  zu  den  1902  von  meiner  Frau  und  mir 
in  Sendschirli  gesammelten  Texten,  werde  aber  hier  nur  aber  die  türkischen 

1)  „Exelsior  Phonograph". 


—     179     — 

berichten    and  behalte  mir  vor,    in  einem  anderen  Zusammenhange  Bpäter 
auch  auf  unsere  kurdischen  Lieder  und  Sprachproben  zurückzukommen. 

Was  ich  hier  an  türkischen  Texten  mitteilen  kann,  stammt  ausnahmslos 
von  einem  armenischen  Jungen  aus  Aintaab,  Aved.is.  Sohn  des  Aredia, 
der  krankheitshalber  zu  mir  nach  Sendschirli  gekommen  war  und  bis  zu 
seiner  Heilung  in  unserem  Lager  zurückbehalten  weiden  musste.  AI- 
Sohn  eines  kleinen  Krämers  in  einer  l'iovinzstadt  hatte  er  trotz  seiner 
Jugend  eine  grosse  Menge  von  Liedern  gehör!  und  dank  seiner  zweifellos 
nicht  geringen  musikalischen  Begabung  auch  behalten.  Seine  angewöhn- 
liche Intelligenz,  seine  wirklich  liebenswürdige  Gefälligkeit  und  seine  un- 
verwüstlich gute  Laune  Hessen  ihn  für  unsere  phonographischen  Aufnahmen 
besonders  geeignet  erscheinen,  während  wir  vorher  mit  mehreren  Erwachsenen 
nicht  gerade  sehr  ermutigende  Erfahrungen  gemacht  hatten. 

Ich  gebe  im  folgenden  zunächst  als  Probe  sechs  Texte  genau  in  der 
Form,  wie  ich  sie  nach  dem  Diktate  Avedis  niedergeschrieben  habe  und 
absichtlich  auch  mit  all  den  orthographischen  Fehlern  die  der  ersten  Auf- 
nahme anhafteten.  Freilich  sind  viele  dieser  Fehler  auf  mein  schlechtes 
musikalisches  Gehör  zurückzuführen  (ich  kann  z.  B.  beim  besten  Willen 
keinen  Unterschied  zwischen  k  und  q  heraushören)  und  andere  darauf, 
dass  ich  türkisch  nur  ganz  roh  empirisch  gelernt  und  auf  eine  systematisch 
richtige  Transskription  daher  niemals  geachtet  habe.  Auf  der  anderen 
Seite  hat  meine  roh  phonetische  „Privattransskription"  den  Vorteil  allge- 
meinerer Verständlichkeit  und  kann  daher  dem  Laien  leichter  eine  wenigstens 
ungefähre  Vorstellung  von  dem  wirklichen  Klange  des  Texte-  vermitteln, 
als    irgend    eine  Art  von  konventioneller  wissenschaftlicher  Transskription. 

Dem  Fachmanne,  d.  h  den  wenigen  Herren,  die  sich  wissenschaftlich 
mit  einer  Turksprache  beschäftigen,  fällt  bei  den  sechs  hier  in  meiner 
ganz  ruhen  Transskription  mitgeteilten  Texten  besonders  die  Menge  der 
Doppolkonsonanten  auf.  Eis  ist  mir  nicht  möglich,  hierfür  eine  ganz  ab- 
schliessende Erklärung  oder  auch  nur  eine  Entschuldigung  beizubringen. 
In  vielen  Fällen  schreibe  ich  die  Doppelkonsonauten  unbewusst  und  nur. 
um  dadurch  den  vorhergehenden  Vokal  als  kurz  zu  bezeichnen,  in  anderen 
alier  glaubte  ich  mit  grosser  Sicherheit  den  Konsonanten  wirklich  doppelt 
zu  hören  —  auch  in  Worten,  von  denen  ich  weiss,  dass  sie  mit  einfachen 
Konsonanten  -.'schrieben  und  in  Stambul  auch  gesprochen  werden.  Es 
mag  sich  hier  vielleicht  um  dialektische  Lokalformen  handeln,  wenigstens 
hat  die  Untersuchung  meiner  Walzen  durch  Fachleute  mit  gutem  Gehör 
in  einzelnen  Fällen  wirklich  etwas  an  Doppelkonsonanten  anklingendes 
■ergeben.  Doch  würde  ich  es  für  voreilig  halten,  hierauf  schon  weitere 
Schlüsse  zu  bauen,  (die  genauere  Untersuchungen  vorliegen. 

Jedenfalls  hielt  ich  es  für  nötig,  meine  sämtlichen  türkischen  Texte 
einem  Fachmanne  zur  Korrektur  der  orthographischen  Fehler  vorzulegen. 
Hr.  Hacki  Tewfik  Ui-<j;.  ein  zur  Zeit  in  Berlin  lebender  Libanese  mit 
ausgezeichneten  Sprachkenntnissen  und  von  angewöhnlicher  Bildung  und 
Intelligenz,  hat  die  Güte  gehabt,  sich  dieser  wenig  dankbaren  Aufgabe  zu 
unterziehen.  Er  ist  mir  auch  bei  der  Revision  meiner  Übersetzung  ins 
Deutsche  beigestanden  und  hat  sich  in  vielen  Fällen  auch  um  die  Wieder- 

1 2 


—     180     — 

Herstellung  des  oft  sichtlich  verderbten  Textes  bemüht.  Es  ist  mir  eine 
angenehme  Pflicht,  ihm  auch  an  dieser  Stelle  für  seine  vielfache  Mithilfe 
bestens  zu  danken.  Ebenso  bin  ich  Hrn.  Oberleutnant  Zeki  Beg  zu  Dank 
verpflichtet,  der  Hrn.  Hacki  Tewfik  bei  seiner  Arbeit  vielfach  unter- 
stützte und  ganz  besonders  auch  Hrn.  Prof.  Karl  Foy  und  Hrn.  Mehmed 
Hassan  vom  hiesigen  Seminar  für  orientalische  Sprachen,  denen  ich  viele 
interessante  Hinweise  verdanke. 

Im  Laufe  dieser  nachträglichen  Arbeit  ist  mir  erst  zum  Bewusstsein 
gekommen,  wie  verhältnismässig  wenig  sich  eigentlich  der  in  der  Gegend 
von  Sendschirli  gesprochene  Dialekt  von  dem  Stambuler  unterscheidet. 
Auf  die  einzelnen  azerbeidschanischen  Formen  des  ersteren  werde  ich 
in  den  Noten  noch  besonders  aufmerksam  machen. 

Yin. 

Schu  jahudy  kysy  kajjet  kirmisi 

Amman,  ammau,  amman  da  jahudy 

Seweris  effendim  kajjet  bejasy  (kirmisi) 

Amman,  amman,  amman  da  jahudy 

:,:  Ismir  ischi  kondurassy  boyaly,  oh,  amman  da  jahudy  :,: 

Haide  Selma,  aschyk  karagöslü  Selma. 

:,:  Schu  jahudy  kysy  isläm  oladschak 

Amman,  amman,  amman  da  jahudy  :,: 

Biliris  effendim,  bana  waradschak 

:,:  Ismir  ischi  kondurassy  boyaly,  oh,  amman  da  jahudy  :,: 

Haide  Selma,  aschyk,  karagöslü  Selma. 

:,:  Schu  jahudy  kysy  hammain  gidedschek 

Amman,  amman,  amman  da  jahudy  :,: 

Biliris  effendim,  temis  oladschak 

Ismir  ischi  kondurassy  boyaly,  oh,  amman  da  jahudy 

Haide  Selma,  aschyk,  karagöslü  Selma. 

:,:  Iki  badschi  durmusch,  badschadan  bakar 

Amman,  amman,  amman  da  jahudy  :,: 

Biliris  effendim,  tschok  dschanlar  yakar 

:,:  Ismir  ischi   kondurassy  boyaly,  oh,  amman  da  jahudy  :,: 

Eaide,  Selma,  aschyk,  karagöslü  Selma. 

XIII. 

Yar.  yar.  yar,  ben  kima  jandym,  yar 

:,:  Istambuldan  tschikdim  derja  jüsüna 

.Mail  oldum  aghaunynyn  gösüna.  :.: 

Uima  dedim,  iiidum  eller  sösüna 

:,:  Arilin« I  dalda  kysch  (?)  echahnoda  (?)  ssallauyr,  yar,  yar  :.: 

Eer  öpdükdscha  kyras  dodak   ballanyr,  oh,  oh. 

5Tar,   yar,   yar.    heu   kima  jandym,   yar 


-     181     - 


:.:   Istambuldaii  getirejim  fessimi 

Ben  ölürssen,  kimler  tschekssin  jassümü,  yar,  yar 

Uinia  dedim,  uidun  eller  sössfina 

:,:  Armud  dalda  kysch(?)  Bchahnoda (?)  BBallanyr 

Her  öpdükdscha  kyras  dodak  ballanyr,  oh,  oh  :.: 


XIV. 

:,:  Uskütara  gider  ikdi   bir  mendil(i)  buldiim   :.: 

:,:  Mendilin  itschine  lochum  doldurdum  :,: 

:.:   Kiatib  benini,   ben   kiatibim,  eller  karryschyr  :.: 

:,:  Kiatibinic  ssyrmaly  tschebgen  nede  gfigel  jakyschyr  :.: 

Lstemem,  istemem,  salsanat.  kabul  etmem 

Paituna  bindirejim,  yar  seni  gesdirejim 

Tschalgyler  tschaldyrejim,  yar  seni  eilendirejim 

:,:  Üskütardan  gelir  iken  tuttu  bir  jamur  :.: 

:,:  Kiatibimin  sytyrassi  (sie)  usun  etteji  dschamur  :,: 

Kiatib  benim,  ben  kiatibim,  eller  karryschyr 

:,:  Kiatibinie  ssyrmaly  tschebgen,  nede  güsel  jakyschyr  :,: 

lstemem.  istemem,  salsanat,  kabul  etmem. 

XV. 

Ölüm  farsma  yokssa  sünnett 

Bir  dschan  itschün  etmem  minnett 

Deissinlerki  ahha  dschennet 

Girmem  yarsyss,  haram  ollssun. 

Ssaharr  oldughun  düssunlar 
Yollara  atly  koissunlar 
Isterlerssa  gösüm  oissünlar 

Girmem  yarsyss.  haram  ollssun. 

XV.    A. 

Nar-aghadschy  narsyss  olmass 
Gül-agbadschy  gülsyss  olmas 
Errgen  oghlan  yarsyss  olma>-. 

War  basehymdan,  airyl  Kurschutt. 

Kyllyndschym  tschekmischem  kündaD 
Ümüdüm  kessmischim  dschandan 
Ölürüm,  airylmam  senden. 

War  basehymdan,  airyl   Kurschutt. 

Kurschutt,  B6D  olmussun  assy 
Dschumle  jejitlerin  hassj 
Machejaryn(P)  bir  tannessy. 

War  basehymdan,  airyl  Kurschutt. 


—     182     — 

XVI. 

Amman,  dejirmendji,  amme 

Ujüt  boghdamy,  boghdamy 
Werem  saua  gerdanemi. 

Olmass  kadinn,  anam  olmass 

(Terdanenen  un  .üjünmess 

Ortak  dujar,  kajil  olmass 

Amman,  dejirmendji,  amme 
Ujüt  boghdamy,   boghdamy 
Werem  sana  entarymy 

Olmass  kadinn,  anam  olmass 

Entar  ilan  un  üjünmess 

Ortak  dujar,  kajil  olmass 

Amman  dejirmendji,  amme 
Ujüt  boghdamy,  boghdamy 
Werem  sana  altynymy 

Olmass  kadinn,  anam  olmass 

Altyn  ilan  un  üjünmess 

Ortak  dujar,  kajil  olmass 

Tokul,  dejirmendji,  amme 
Ujüt  boghdamy,  boghdamy 
Werem  sana  beu  kysyma 

Olur,  kadinn,  anam  olur 

Kysynanda  im  üjünür 

Per  kvryldy,  tes  japylyr. 

Auf  diese  sechs  als  Probe  für  die  Art  meiner  primitiven  Transskription 
mitgeteilten  Texte  lasse  ich  nun  das  gesamte,  nach  Ave dis  aufgenommene 
Material  folgen  und  zwar  in  derselben  ganz  zufälligen  Reihenfolge,  in  der 
dem  Jungen  die  einzelnen  Texte  einfielen.  Ich  will  die  Reihenfolge  nicht 
ändern,  da  die  Walzen  in  derselben  Folge  fest  numeriert  sind  und  es  mir 
zweckmässig  erscheint,  die  Nummern  dieses  Berichts  mit  denen  der  Walzen 
übereinstimmen  zu  lassen  und  eine  doppelte  Numerierung  der  letzteren 
zu  vermeiden. 

[ch  hätte  sonst  wohl  auch  wenigstens  versuchen  müssen,  die  einzelnen 
Lieder  ihrer  Form  und  ihrem  Inhalt  nach  zu  ordnen  und  in  Gruppen  zu 
bringen.  Vor  allem  wäre  es  dann  nötig  gewesen,  eine  Teilung  in  mani 
und  in  schaki  zu  versuchen.  Die  ersteren  sind  schwermütige  Weisen,  die 
meist  einer  bestimmten  Kunstform  angehören  und  oft  einem  noch  per- 
sönlich oder  namentlich  bekannten  Dichter  zugeschrieben  werden.  Die 
schaki  hingegen  sind  echte  Volkslieder  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes, 
[ch  fürchte,  dass  meine  türkisch-literarischen  Kenntnisse  zu  einer  solchen 
Scheidung  nicht  gereicht  hätten.  Auch  sehen  ans  «liesein  Grunde  war  es 
zweckmässig,  die  ursprünglich  einmal  durch  Zufall  gegebene  Reihenfolge 
beizubehalten. 


—    183    — 

Die  von  Avedis  gesungenen  Texte  hatte  ich  ursprünglich  mit  den 
Nummern  1 — XX  bezeichnet;  bei  der  späteren  Durcharbeitung  hat  Bich 
dann  ergeben,  dass  einzelne  dieser  Texte  zwei  verschiedenen  Liedern  an- 
zugehören scheinen.     Ich  kann  jetzt  nicht  hr  feststellen,   "l,  der  Fehler 

den  Sänger  oder  mich  trifft-,  für  die  erste  Möglichkeit  spricht  die  absolute 
Naivität  und  Harmlosigkeit  des  Jungen,  der  sicher  die  meisten  seiner 
Texte  nur  ganz  mechanisch  gelernt  hatte,  ohne  aber  sie  lange  nachzu- 
denken. Liegt  der  Fehler  bei  mir,  so  kann  ich  ihn  mit  der  Eile  ent- 
schuldigen, mit  der  ich  das  Material  sichern  musste.  Wenn  man  eine 
grosse  Grabung  mit  2 — 300  Mann  zu  leiten  hat,  kann  man  nur  selten  ab 
und  zu  einige  Minuten  für  irgend  eine  andere  Arbeit  sparen.  Jedenfalls  habe 
ich  diese  nachträglich  abgetrennten  Texte  bei  den  alten  Nummern  gelassen 
und  nur  durch  ein  zugefügtes  A  als  wahrscheinlich  selbständig  bezeichnet. 

Die  gezwungene  Müsse  einer  Seereise  halte  ich  später  dazu  benutzt, 
eine  Übersetzung  der  sämtlichen  Texte  niederzuschreiben.  Sie  ist  im 
folgenden  dem  türkischen  Wortlaute  gegenübergestellt.  Ich  brauche  wohl 
kaum  zu  betonen,  dass  ich  bei  meiner  Übersetzung  ganz  allein  nur  einen 
möglichst  wörtlichen  Anschluss  an  das  Original  und  eine  möglichst  genaue 
Annäherung  an  dessen  Sinn  im  Auge  hatte. 

Mich  dabei  an  irgend  ein  Metrum  zu  binden  oder  gar  nach  Keimen 
zu  suchen,  hat  mir  dabei  völlig  fern  gelegen.  Ich  habe  an  sich  nicht 
die  allergeringste  Begabung  zu  solchen  Versuchen  und  würde  im  ver- 
liegenden Falle  auch  deren  Wert  nicht  sehr  hoch  veranschlagen.  Jeden- 
falls war  mir  bei  dieser  Arbeit  allein  nur  an  dem  ethnographischen  Ge- 
winn gelegen,  der  ja  von  dem  belletristischen  Wert  der  Übersetzung  völlig 
unabhängig  ist.  Sogar  wenn  sich  bei  einigen  der  Texte  ganz  zufällig  von 
selbst  vors-  oder  reimähnliche  Bildungen  ergaben,  habe  ich  sie  nur  bei- 
behalten,  wenn  sie  mir  dem  Charakter  des  türkischen  Originals  halbwegs 
zu  entsprechen  schienen,  aber  sie  absichtlich  durch  höckrige  Prosa  ersetzt, 
wenn  sie  das  nicht  taten. 

Leider  bin  ich  nicht  in  allen  einzelnen  Fällen  sicher,  den  eigentlichen 
Sinn  jedes  Liedes  richtig  erfasst  zu  haben.  Bei  Xr.  V  habe  ich  nicht 
einmal  mit  Sicherheit  ermitteln  können,  ob  einzelne  Verse  einem  Mädchen 
oder  einem  Manne  in  den  Mund  gelegt  sind.  Bei  anderen  Texten  z.  B. 
bei  Nr.  VIII  weiss  ich  nicht,  ob  sie  ernst  oder  ironisch  aufgefasst  werden 
sollen.  Wortspiele  und  Zweideutigkeiten  anstössiger  und  harmloser  Art 
spielen  eben  in  der  türkischen  Poesie  eine  sehr  grosse  Rolle,  können  aber 
von  dem  weniger  Kundigen  leicht  übersehen   werden. 

bli  habe  mich  gleichwohl  zu  dieser  Veröffentlichung  entschlossen,  nur 
um  mit  ihr  eine  erste  Anregung  zu  geben  und  zu  weiteren  Arbeiten  auf  einem 
( iebiete  zu  ermuntern,  das  bisher  sehr  vernachlässigt  geblieben  zu  sein  scheint. 

Es  ist  gern  möglich,  dass  einzelne  der  hier  mitgeteilten  bieder  bereits 
anderswo  publiziert  sind:  in  den  mir  zugänglichen  Quellen  habe  ich  aber 
keinerlei  Anhaltspunkte  dafür  gefunden.  Ich  gebe  also  im  folgenden  was 
ich  habe  und  wie  ich  es  habe.  Es  würde  mich  freuen,  wenn  meine  Nach- 
folger es  besser  machen  werden  ■ —  Weiterarbeit  anzuregen  ist  der  einzige 
Zweck  dieser  Mitteilung. 


—     184     — 


:,:  bagha  gittym.  üzüm  joq.  :,: 

:,:  el  järynda  gözüm  joq.  :,: 

:,:  ben  järymy  küstürdym :  :.: 
:.:  barghnaglia  jüziim  joq.  :.: 

:,:  ehna  attym  hawäje,  :,: 
:.:  düstü  divanchäneje.  :,: 
:.:  divanckäne  /aryldy1):  :.: 
:,:  jar  bojnyma  saryldy.  :,: 

:,:  hopp-hopp-jaryma-da  mtfsüallüh! 

barysyryz  insäallah!  :,: 

dam  busynda  mejchäne. 
ben  janarym  humane. 
susman  benym  olursa: 
billah  wermem  duhmane! 

hopp-hopp  etc. 

qapum  iki  qanatly. 
jai'yni  ehna  janaqly. 

jarym  pek  güzel,  amma 

bvr  az  urum  inatly. 
hopp-hopp  etc. 

indym  cesme  baJsyna. 
basym  dejdi2)  taisyna. 
sevd'i  nedyr  bilmezken\ 

o-da  geldi  basyma. 
hopp-hopp  etc. 


In  den  Weingarten  bin  ich  gegangen, 

Trauben  gibt  es  nicht. 
Auf  eines  anderen  Geliebte  habe 

ich  kein  Auge. 
Meinen  Schatz  habe  ich  erzürnt, 
Mich  auszusöhnen,  bringe  ich  nicht 

fertig  (wörtlich:  schäme  ich  mich). 

Einen  Apfel  warf  ich  in  die  Luft 
Er  fiel  auf  eine  Diele. 
Die  Diele  hat  sich  gespalten 
Mein  Schatz  hat  sich  an  meinen  Hals 
geworfen. 

Hopp-hopp,   wie  schön  ist  mein 

Schatz,  wunderschön, 
Wir  werden  uns  wieder  ver- 
söhnen, wahrlich. 

Auf  dem  Dache  ist  eine  Schenke, 
Ich  brenne  für  die  dicken  Frauen, 
Wenn  eine  dicke  die  meine  wird, 
Bei  Gott,  ich  geh  sie  nicht  dem  Feinde 

(d.h.  wohl:  ich  gönne  sie  keinem 

anderen). 

Hopp-hopp,  y.TÄ. 

Meine  Türe  hat  zwei  Flügel 
Mein  Schatz  hat  Wangen  wie  ein 

Apfel 
Mein  Schatz  ist  ganz  wunderschön, 

aber 
Ein  wenig  trotzig,  wie  eine  Griechin. 
Hopp-hopp,  y.TÄ. 

Zum   Brunnen  stieg  ich  hinunter, 
Mein  Kopf  berührte  den  Brunnensteil] 
\Y:is  Liebe  sei,  hatte  ich  nicht 

gewusst, 
Jetzt  ist  sie  mir  an  den  Kopf  geflogen. 
Hopp-hopp,  xtä. 


1)  )ary\dy  —  gespalten  —  stellt  wohl  nur  des  Reimes  wegen  mit  saryldy  —  umarmt  — 
>1;l  iiml  isl   an  sich  ohne  inneren  Sinn. 

2)  Stuft  baSym  dejdi  hat  eine  mir  früher  einmal  in  Hhodus  bekannt  gewordene 
Version  noch  sinnlose)-:  sabun  koidum  =  Seife  legte  ich  (auf  den  Brunnenstein).  Hr.  Mehmed 
M.'    jan  kennt  dieselbe  Version  auch  aus  Konstantinopel. 


—     185     — 


II. 


medjbür  oldym  ben  bir  gvle1*) 
Hin   dü&türn  dilden  dih . 
fursat  bulsam,  varsam  jara. 

ben  sarylsam  indje  beU!*) 
sararym  saräyrmam  ele. 

jylda  gelir  iki  bajram 

oldum  djemalyna  hairän 

sekerlenmis  bejaz  gerddn. 

ben  sarylsam  indje  bele! 
sararym,  sardyrmam  ele. 

gidijorym  sizyn  olsun .' 
kara-deniz  jolum  olsun. ' 

(oder:) 
„cajir  <-('(j)mt ii  jolum  olsun!" 

:.:  benden  ghairi  jar  seversen] 

iki  gözyn  kör  olsun8)!  :.: 


Bezwungen  bin  ich  worden,  ich  ron 

einer  Rosenblüte, 
Und  wieder  fiel  ich  (ins  Gerede) 
von  einer  Zunge  zur  anderen. 
Wenn   bloss  ich  (ielegenheit  fände. 
wenn  bloss  ich  zu  meinem  Schatz 
kommen  könnte! 
Wenn  nur  ich  umarmen  könnte 

ihre  schlanke  Taille 
Ich  umarme  sie;  von  keinem 
sonst   lasse   ich  sie  umarmen. 

In  jedem  Jahre  gibt  es  zwei  Bairam- 
Feste. 
Verwundert  bin  ich  über  des  Mädchens 

vollendete  Schönheit. 
Verwundert  über  ihren  zuckersüsseu 
weissen  Hals4). 

Wenn  nur  ich  umarmen  könnte 
y.TÄ. 

Ich  gehe,  sie  soll  euch  gehören. 
Auf  das  Schwarze5)  Meer  will  ich 

fahren, 
liier  Wiesen  und  Auen  will  ich  gehen. 
Wenn  du  mir  einen  andern 

liebst. 
Auf  beiden  Augen  sollst  du 
erblinden! 


1)  güU  ist  hier  von  Hrn.  Hacki  Tewf'ik  eingesetzt:  Ich  glaube  deutlich  göüna  gehört 
zu  haben:  die  phonographische  Walze  liisst  uns  da  leider  im  Stich  und  gestattet  keine 
ganz  sichere  Entscheidung,  gule  entspricht  natürlich  allein  den  Anforderungen  des  Metrums 
und  des  Reimes.    Vielleicht  kann  auch  an  dialektisches  göül       gönül  gedacht  werden?? 

2)  Avedis  hat  statt  indje  lieh:  indjedschik  böile. 

•".)  Diese  letzten  fünf  Zeilen,  die  Avedis  als  zu  den  swei  vorstehenden  Strophen 
gehörig  rezitierte,  gehören  vielleicht  nicht  ursprünglich  zu  ihnen.  Mindestens  passen  sie 
nur  schlecht  —  .-oweit  ich  >ie  überhaupt  verstehen  kann.  Jedenfalls  scheinen  sich  die 
zweite  und  die  dritte  Zeile  dieser  letzten  Strophe  gegenseitig  auszus«  hliessen:  entweder 
das  stürmische  Meer  oder  die  lachenden  Auen! 

I)  gerdan  heisst  allerdings,  soviel  ich  sehe,  nicht  eigentlich  Hals,  sondern  „Doppelkinn". 

5)  Das  ..schwarze"  Meer  ist  wegen  seiner  Stürme  berüchtigt,  im  Gegensatz  zum 
..weissen",  dein  ägfiischen.  Der  Gegensatz  zu  den  lieblichen  ..Wiesen  und  Auen"'  der 
nächsten  Zeile  ist  daher  ebenso  auffallend  als  unverständlich. 


186     — 


III. 


'rdigimiz  rüql 
mezesyn  jolla  säql 
a  hhi  beni  gidijor 


hoplt 


roza  hanymyn  merüqi. 

vaj  .  .  vaj!  nedidem1)  vaj! 

qapulai  'y  qa  lyn  dyi  • . 
qomdulary  c alymdyr. 
ad  qapujy  qadyn-[ni]-nem2)l 
roza  benym  malymdyr! 

vaj  .  .  vaj!  nedidem  vaj! 

aq  denizyn  ifurnttjam. 
balyqlaryu  pulujam. 
<n-  qapujy  qadynnem! 
ben  bir  allah  qulujam. 

vaj  .  .  vaj!  nedidem  vaj! 

xebabet  gitti-de  elden; 

balymdan  gitmejor  sevdä. 9) 

hajätym  maho  olup  gitti; 
muhabbet  gitmejor  haläl9) 

ihitsynler  bu  ferjädi l0) 
öln  rsemde  m  ezärymdan . 

hajätym  mahv  olup  gitti; 
muhabbet  gitmejor  djandan! 


Zum  Raki,  den  wir  getrunken  haben, 
Schicke  die  Zukost3),  oh  Schenke4) 
Hailoh,  rasch!     Ich  gehe,  es  hat 

mich  gepackt 
Die  Begierde  nach  Rosa  Hamm5). 
Ach,  ach,  die  Wunderbare6),  ach! 

Die  Türen  sind  stark 
Die  Nachbarn  sind  grausam. 
So  öffne  doch  die  Türe,  alte  Frau7). 
Rosa  Hanym  ist  jetzt  mein  Schatz. 
Ach.  ach,  die  Wunderbare,  ach! 

Ich  bin  (wie)  der  Sand  im  Mittelmeere 
Ich  bin  (wie)  die  Schuppen  der  Fische 
So  öffne  doch  die  Türe,  Frauchen, 
Ich  bin  ein  Diener  Gottes8). 

Ach.  ach,  die  Wunderbare,  ach! 


IV. 


Die  Jugend  ist  zwar  entflogen    (aus 

der  Hand) 
Aber  aus  dem  Sinne  weicht  nicht 

die  Liebe. 
Mein  Leben  ist  zerstört  und  dahin 
Die  Liebe  nur  ist  geblieben. 

Man  soll  hören  diese  Klage, 

Wenn   ich  sterbe,  noch  aus  meinem 

Grabe: 
Mein  Leben  ist  zerstört  und  dahin 
Nur  die  Liebe  die  ist  noch  geblieben. 


liikm  notiert  und  dazu  die 
Avedis  kannte  wohl  das 


1)  So  auf  Vorschlag  von  Hacki  Tewfik.  Ich  hatte  ne 
von  Avedis  herrührende  Bemerkung,  es  sei  gleich  ne  dedim 
.seltene  Wort  nadide  überhaupt  nicht. 

2)  Sprich  dreisilbig:  quadynnem:  das  ni  der  dritten  Silbe  wird  nicht  gesprochen. 

3  tneze  ist  die  landesübliche  Zukost  zum  Raki  (Schnaps),  die  meist  aus  Oliven  oder 
Käse,  Pistazien,  Mandeln  u.  dgl.  besteht. 

I,  säqi  ist  der  Junge  oder  die  „Dame",  die  in  ausgelassener  Gesellschaft  Schnaps 
und  die  dazu  gehörige  Zukost  kredenzt:  man  könnte  statt  „Schenke"  vielleicht  besser 
Kellner  oder  Kellnerin  übersetzen;  als  solche  Kellnerinnen  sind  häufig  Zigeunerinnen,  aber 
auch  gescheitert»!  Europäerinnen  tätig. 

.">  1,'osu  Hanym  etwa  „Fräulein  Rosau,  jedenfalls  eine  Europäerin,  etwa  eine 
böhmische  Musikantin. 

(i)   D.  h.  Rosa  Hanym.    Nadidem       wörtlich:  Ob  meine  noch  nicht  dagewesene! 

7;    Gemeint  ist  die  „Wirtin"  von   „Fräulein  Rosa". 

8)    Das  heisst:    Ein  Mensch  wie  jeder  andere. 

'.»)  Ich  habe  sevdam  gehört  und  am  Schlüsse  der  vierten  Zeile  djandan.  Hacki  Tewfik 
schlägt  aber  vor,  oben  sevdä  und  dem  entsprechend  unten  hnh,  zu  setzen.  Ich  komme 
dem  Vorschlafe  nach,  ohne  ihn  mir  zu  eigen  machen  zu  wollen. 

1<>)  Ich  selbsl  habe  ferjädi/n  gehört;  das  m  ist  von  Hacki  Tewfik  gestrichen 


—     187     — 


V. 


■ki  gelen  ben  olajdym\ 

atyna  nal  olajdym; 

belinde  ki  tarabulus 

sataghy  ben  olajdym: 

vard  nenni-de  nenni!1) 

sallan  gel,  gerdani  benli! 


qar&yda  kurd  evleri. 
jajylyr  develeri. 

oturmü  kojün  saghar, 

<  i ü  lermü 2)  memeleri. 

vara  nenni-de  nennt! 
sallan  gel,  gerdani  benli! 

su  gelen  kimyn  kyzi? 

janaklar/  kyrmyzü 
janaghynda  be&  ben  vor] 

sandy in  seher  jyldyzi! 
vara  nenni-de  nenni! 
sallan  gel,  gerdani  benli. 


Von  jenem'    der  da  kömmt,  möchte 

ich    wohl. 

Wahrlich,    das  Hufeisen  von  seinem 

Pferde  möchte  ich  Bein 
Wahrlich,  von  Beinern  bunten  <  rürtel 

aus  Tripoli 
Möchte  ich  wohl  die  Prange  sein. 
Komm'  doch,   Kleinchen,  oh 

Kleinchen!4) 
Schwebend  komme,  du  mit  dem 
Male  am   Kinne. 

Drüben  Bind  kurdische  Häuser 
Es  zerstreuen  sich  (weidend)  die 

Kamele. 
„Sie"  sitzt  und  melkt  die  Schafe 
Rosig  wird  ihr  Busen. 

Komm   doch,  Kleinchen,  y.i'/.. 


Jene,  die  da  kömmt,  wessen  Tochter 
ist  sie? 

Ihre  Backen  sind  rot. 

Auf  der  Wange  hat  sie  fünf  Mutter- 
male, 

Ich  dachte  es  sei  der  Morgenstern. 
Komm  «loch,  Kleinchen,  xtX. 


1)  Minui.  Niiini  and  Nanni  kenne  ich  als  kurdische  Mädchen-Kosenamen.  Viel- 
leicht ist  auch  nenni  als  solcher  aufzufassen.  Värä  oder  voro  isl  kurdisch  für  imperatives 
K  ein  nie. 

2)  gülernm    isl    hier   von    Hacki  Tewfik    eingesetzt    statt    terlemisch,    das    A.vedis 
zweifellos    gesungen   and  mir  auch  dann  diktiert  hat.    Tatsächlich  erscheint  terlemü 
Schweiss  geraten)   einem   gebildeten  Türken   in  diesem  Zusammenhange  zu  derb  und  fast 
unmöglich.    In    den    kurdischen  Bergen    freilich   mag  man  weniger  zart  denken.     Gleich- 
wohl kann  gülermix  als  verfeinerte  Version  hier  stehen  bleiben. 

3)  Ich  war  der  Meinung  gewesen,  dass  dieses  Lied  zweifellos  als  von  einem  Jüngling 
gesungen  zu  verstehen  sei,  und  hatte  gemeint,  dieser  sage,  er  möchte  das  Eisen  am 
Pferde  seiner  Geliebten  sein.  Hacki  Tewfik  will  das  aber  nicht  gelten  lassen:  er  meint, 
ein  Mädchen  reite  nicht  und  trage  auch  keinen  Gürtel  aus  Tripoli.  Er  lässt  daher  die 
vier   ersten  Verse   von   einem  Mädchen   gesungen  sein.     Dem  entsprechend  habe  ich  hier 

völlig  gegen  meine  Überzeugung  —  „jenem"  und  „seinem'  gesetzt,  statt  meine-  ursprüng- 
lichen „jener"  und  „ihrem". 

[)  Diese  Zeile  wäre  mir  unverständlich,  wenn  ich  sie  nicht  für  kurdisch  halten 
würde:  ich  versuche  ihren  lallenden  Charakter  auch  in  der  l  bersetsung  wiederzugeben. 


188     — 


sirin-edä  jaSy-da  pek  kiu-üdjekdir! 

qoqusyna  dojuhnaz 

bir  ricekdir! 

amän  ne  cicekdirf!  .  . 

anne  ben  hqstajim  hekim2)  isterym! 

haftanyn  bdsynda  düjün  isterym! 
aladjaq  jarymy  bona  gösteryn! 

anneben  vurvldum!  <ma junarym\ 

Tekir-Daghly  Djemil-bejden  imdäd 
umarym3). 

.^daradjyq  soqaqta  buhhnn  bei  pure. 

bu  asryn  kyzlary  olmis  zenpäre! 

ana  ben  hastajim.  hekim  isterym! 

haftanyn  basynda  düjün  isterym!" 
daradjyk  so</aqda?i  hoplajämadym ; 

silah  lyk  *)  dökü  h  /i.  t<  )plajdm  adym : 

ben  dusmanlarymy  haqlajamadym; 

anneben  miruldum!  onajanarym; 

'/'<  Lir-Daghly  Djemil-bejden  imdad 
umarym. 


VI.1) 

Süss  ist  ihre  Art  und  jung  ist  sie 

an  Jahren. 
Ton  ihrem  Dufte  kann  man  nie  satt 

werden. , 
Sie  ist  eine  Blume, 
Wahrlich  was  für  eine  Blume. 


VII. 


.Mutter  ich  bin  krank,  ich  brauche 

einen  Arzt, 
Ende  der  Woche  will  ich  die  Hochzeit. 
Den  Schatz,  den  ich  nehmen  soll, 
zeige  mir. 

Mutter,  ich  bin  getroffen;  ich 

brenne  für  ihn, 
Djemil  Beg  Tekir-daghly,  der 
kann  mir  helfen6). 

In  einer  engen  Strasse  fand  ich  fünf 

Para  (=  zehn  Pfennige) 
Die  Mädchen  dieses  Jahrhunderts6) 

sind  kokett7) 
Mutter  ich  bin  krank,  ich  brauche 

einen  Arzt 
Ende  der  Woche  will  ich  die  Hochzeit. 

In  der  engen  Strasse  habe  ich  nicht 

springen  können, 
Meine  Waffe  entfiel  mir,  ich  habe 

sie  nicht  aufgehoben. 
An  meinen  Feinden  habe  ich  mich 
nicht  gerächt. 

Mutter,  ich  bin  getroffen,  ich 

brenne  für  ihn, 
Djemil  Beg  Tekir-daghly,  der 
kann  mir  helfen. 


1)  Dieses  kleine  Lied  macht  mir  keinen  volkstümlichen  Eindruck.  Ich  vermute, 
dass  es  aus  einem  grösseren  Gedicht  stammt. 

■J)  Avedis  hat  statt  hekim :  maryl  =  Salat! 

3)  umarym  hier  von  Hacki  Tewfik  eingesetzt.  Avedis  hatte  itterym,  sichtlich  mit  Un- 
recht: umarym  hatte  er  vielleicht  gehört,  aber  wegen  der  Seltenheit  des  Wortes  nicht 
behalten. 

I)  Avedis  hal  sitahym. 

5)  d.  h.  das  i>t  der  Arzt,  den  ich  brauche. 

G)  „Dieses  Jahrhunderts"  ist  die  wörtliche  Übersetzung;  der  Sinn  wäre  wohl  besser 
durch  „von  heut'"  getroffen. 

7  zenpäre  kenne  ich  sonst  nur  von  Männern  und  in  der  Bedeutung  etwa  von  Don 
Juan:  von  Frauen  gesagt,  soll  es  nur  die  Bedeutung  von  amor  lesöicus  haben.  Sicheres 
darüber  i-t  mir  nicht  bekannt:  ich  habe  das  Wort  daher  nur  ganz  farblos  übersetzt. 


—     189 

Daradjyk  soquaqda  wurdular  heni;  In  der  engen  Strasse  haben  sie  mich 

»oblagen, 
elimde  kelepce  bojnumda  zmdjfr;  An    den   Bänden    hat)«-  ich   Fesseln, 

am   Hals  eine  Kette 
zendjir  sallandyMe  bojnum  indjinir1)!      Die  Kette  schmerzt   bei  jeder 

Bewegung. 
anneben  curuldum!  onajanaryin;  Mutter,  ich  bin   getroffen,  ich 

brenne  i'ür  ihn, 
Tekir-Daghly  Djemil-bejden  imdad  Dschemil  Beg  Tekirdahghly, 

umarym.  der  kann   mir  helfen2). 


VIII. 


■•<i/  jahüdi  qyzfj  g"-j<t  qyrmyzi; 

ii)n(iii"<uiiiiii-ila  jahüdi .' 

severiz  efendym  gäjet  bej<izi; 

amdn~ aman-dd  jahüdi! 

:.:  Iztiur  ist  qundurasy  bojäly~öh! 

amün-dä  jahüdi !  :.: 
Hajd(e)  (=,(/,  0  Sein//,  äsyq, 
qarn  ghözlü  Selmci! 


Dieses  Judenmädchen   ist  wahrlich 

blühend, 
Erbarmen,  Erbarmen,  oh  schöne 

Jüdin. 

Wir  lieben,   wahrlich,   was  weise  wie 

Schnee  ist, 
Erbarmen.   Erbarmen,  oh  schöne 
.1  iidin. 

Ihre  Schuhe  sind  Arbeit  von 
Smyrna3)  und  gewichst,  oh, 
Erbarmen,  oh  schöne  Jüdin, 
Komm'  doch4),  Selnia.    mit  den 
verliebten5)  schwarzen  Augen, 
Selma. 


1)  Von  Hacki  Tewlik  vorgeschlagen.     Avedis  hatte  indjir,  wohl  eine  Azeriform. 

2)  Ich  fürchte,  dass  der  Text  dieses  Liedes  mehrfach  korrumpiert  ist  Jedenfalls 
fehlt  in  der  zweiten  Strophe  eine  Zeile:  wahrscheinlich  hatte  auch  diese  Strophe  ursprünglich 
dieselben  zwei  Schlusszeilen  wie  die  drei  anderen  Strophen:  dann  würden  vermutlich  die 
zwei  ersten  Zeilen,  die  ohnehin  keinen  rechten  Sinn  geben,  zu  streichen  und  durch  eine 
einzige  auf  ym  endende  zu  ersetzen  sein.  Im  übrigen  gibl  es  einen  Tekir  Dagfa  am 
Marmara-Meer:  mau  kann  also  vermuten,  dass  der  Text  in  Eonstantinopel  anstanden  ist. 
Um  so  mehr  hoffe  ich,  dass  seine  Richtigstellung  nicht  zu  lang'  auf  sich  wird  warten 
lassen. 

3)  ,. Arbeit  von  Smyrna",  d.  h.  besonders  fein,  etwa  wie  man  bei  uns  sagen  würde 
..aus  Paris". 

I)  hajde  heisst  eigentlich  „gehe".  Trotzdem  fasse  ich  es  hier  im  Sinne  von  ,, komme" 
auf —  etwa  in  der  Art  wie  in  der  schmeichelnden  Verbindung:  Geh',  schau,  komm*,  die 
in  Süddeutschland  eine  sehr  verbreitet.' Aufforderung  zum  kommen  ist  wie  „komm, 

schau,  geh"  zum  Gehen  auffordert. 

/,  beisst,    soviel    ich    weiss,    zunächst   verliebt.    Es  kann  hier  vielleicht  auch 
als  geliebt  verstanden  und  dann  direkt  auf  Sehn  werden j  ich  .lenke,  dass  mau 

es  aber  auch  im  guten  Sinne  auf  die  Augen  des  Mädchens  beziehen  kann  —  -..fern  über- 
haupt meine  Auffassung  des  ganzen  Textes,  als  für  das  Mädchen  schmeichelhaft,  nicht 
etwa  verfehlt    seiu  sollte. 


—     1*10     — 


su  jahüdi  qyzi)  islcim  oladjnk. 

■iinmi    amän-dä  jahüdi! 

biliryz  efendym,  bana  waradjdk 

o/man  ~  onmn-da  jahüdi ! 

:.:   Tzmir  isi  qunduras//  bojäly   <>li! 

amän-dä  jahüdi!  :,: 
Hajde  Selma,  äsyk,   kam  ghözlü 
Sehnet! 

m  jahüdi  qyzy  hammämä  ghidedjSk; 
aman  amän-dä  jahüdi! 

biliryz  efendym  temiz  oladjäk, 
■amdn^ amän-dä  jahüdi ! 

:.:  hmir  isi  qunduräsy  bqjäly^öh! 

amän-dä  jahüdi !  :,: 
Hajde  Selmci,  ätfyk,  kam  ghözlü 
Selmäl 

ihi  bädjy  durmüs  badjädän  baqär, 

«man  '  (imäii-da  jahüdi .' 

biliryz  efendym  cbq  djanlär  jaqdr 

■aman  amän-dä  jahüdi! 

:.:  hmir  isi  kundurasy  bojäly ~^öh! 

amän-dä  jahüdi!  :,: 
Hajde  Selmti,  äxijk  qarä  ghözlü 
Seim« ! 


Dieses  Judenmädchen  wird  zum 

Islam  übertreten. 
Erbarmen,  Erbarmen,  oh  schöne 

Jüdin, 
Wir  wissen,  wahrlieh,  sie  wird  mich 

heiraten 
Erbarmen,   Erbarmen,  oh  schöne 

Jüdin. 

Ihre  Schuhe  sind  Arbeit  von 
Snivrna  xtX. 


Dieses  Judenmädchen  geht  ins  Bad1), 
Erbarmen,  Erbarmen,  oh  schöne 

Jüdin, 
Wir  wissen,  wahrlich,  sie  wird  rein, 
Erbarmen,  Erbarmen,  oh  schöne 
Jüdin. 

Ihre  Schuhe  sind  Arbeit  von 
Smyrna  xrX. 


Zwei  Damen  stehen  und  schauen 

vom  Dache 
Erbarmen,  Erbarmen,  oh  schöne 

Jüdin, 
Wir  wissen,  wahrlich,  vieler  Leute 

Seelen  setzt  sie  in  Brand, 
Erbarmen,  Erbarmen,  oh  schöne 

Jüdin. 

Ihre  Schuhe  sind  Arbeit  von 
Smyrna  xrl. 


IX. 


Ijilveli  qyzyn  elemi, 
jiKji'l  hütün  älemi! 
jaqarsan-da  beul  j<«j! 
jaqma  bütün  älemi! 


Oh    du  niedlich  in  den    Hüften  dicli 

wiegendes  Kind, 
In   Brand    gesetzt   hast  du  die  ganze 

Welt; 
Wenn  du  schon  brennst,  so  entflamme 

doch   nur  mich  allein 
Nicht  setze  die  ganze  Welt  in  Brand. 


I )  Der  Besuch  eines  hanuiuini,  des  türkischen  Bades,    ist  für  jede  Braut  am  Tage  vor 
der  Hochzeit  selbstverständlich  und  eine  Art  Pest,  auch  für  ihre  Freundinnen. 


L9J 
in  ii  seni  öptüm,  ben  seni  sevdym, 

aman  (iiihiii  djivanym!  ben  sana 
jandym ! 

s<  ii  i  sevi  n  merd  olmaz 
jiirt'jiihli   derd  olmaz. 
Benin  icun:  güzelym, 
benden  eji  merd  olmaz! 

ben  seni  öptüm,  ben  seni  sevdym, 
aman  aman  djivanym!  ben  sana 
jandym ! 


Dich  hali  ich  geküsst,  dich  hab 

ich   geliebi 
Erbarmen,  du  blühendes  Kind, 

für  dich  da  bin  ich  erglüht. 

Wer  dich  liebi  (und  «'in  Held  i~r  ?  -  - 
(Der  hat  Kummer,  deinetwegen???).8) 
A.ber  für  dich,  meine  Schönste 

Gibi    es   keinen   besseren  Schal/,  als 
mich. 

Dich   hali  ich  geküsst,  y.i/.- 


X. 


.\i  vdym  s<  vdym  bu  kücuk  jasta  seni 
(ji'tl  gibi  soldum,  jazyk!  bejim! 
diistüm  maraz-i-aska!  bejim! 
bejim'.  bin  vereine  tutuldum! 


Dich  hah  ich  geliebt,  geliebt  als  ich 

ein  Kind  noch  war! 
Wie  eine  Rose  bin  ich  verwelkt,  ich 

Arme,  mein  Beg! 
Im  Liebeskummer  hin  ich  vergrämt, 

mein  Beg! 
Mein  Beg,  dahin  schwind  ich   im 

Liebessrram. 


XI. 


:.:  bir  üift  bülbül geldi,  qondu  qamysa.  :.:     Zwei  Nachtigallen  kamen  und  set/.ten 

sich  ins  Schilf. 
:.:  benden  selam  ejlen  nazly  Menusa!1)  :,:     Oh  grüsset  von  mir  die  sich  zierende 

Menusch. 
:.:  caghyryn  Menusym  jaram  bagh-  Oh  rufet  mir  meine  Menusch;  meine 

lasyn!  :.:  Wunde  die  soll  sie  verbinden, 

:.•  cjany  durmajor  melhem2)  ejlesyn!  :,:     Für  meine  blutende  Wunde  Arznei 

soll  sie  bringen. 

:,:  bir  eift  bülbül  geldi,  qondu  dikene.  :,:     Zwei  Nachtigallen  kommen  und  setzen 

sich  hin  auf  die  Klette4). 

Oh  grüsset  von  mir  doch  die  zier- 
liche Jette 

Oh  ruft  doch  die  Jette,  nieine  Wunden 
va\  verbinden, 

Pur  meine  blutenden  "W  unden  Arznei 
soll  sie  bringren. 


:.:  benden  seläm  eplen   nazly  -letene!  :, 

:,:  caghyryn  ■/>  /,  nym,  jaram  bagh- 

lasyn!  :.: 
:.:  qany  durmajor  melhem  ejlesyn!  :.: 


I)  Menüsch  and  Jeten  sind  nach  Aredia  Mädchennamen.  Sir  sind  mir  sonst  nicht 
bekannt. 

•_')  Avedis  sagt  melilem  wie  fast  alle  Leute  in  der  Umgegend  von  Sendschirli. 

:;    Diese  beiden  Zeilen  sind  mir  unklar. 

I)  dik  i  i  der  türkische  Name  für  eine  Pflanze,  die  ich  mit  der  mir  augenblicklich 
verfügbaren  Literatur  nicht  näher  feststellen  kann:  Avedis  sagt,  es  -ei  „ein  gelbblühender 
Strauch".  Das  Wort  steht  natürlich  hier  nur  wegen  des  Reimes  auf  den  Mädchennamen 
Jeten.  Ich  wage  deshalb  hier.  Klette  und  Jette  zu  reimen,  was  jedenfalls  canz  im  Sinne 
des  Originals  ist.  wenn  man  auch  die  Überset/uni;  falsch  und  trivial  nennen  mag. 


L92     — 


XLI. 


gelyn  qyzlar  gelyn !  birlikte  aghlan ! 

alynyz  cozyn!     qaralar  baghlan! 

esterli  gelindje  doghrusyn  sojlen! 

:,:  vurma  djana  Muslim  vurma! 
djürmyni  söjle! 
tedjeilim  bu  imis  anal 

dul  qaldym  jine!  :,: 

abdülymyn  evi  vardyr  janjana 

syrmaly  cepheni  bulandy1)  qana. 

Muslim  nasyl  qyjdyn  böjlesi  djana  f, ! 

:,:  vurma  djana   Muslim  vurma! 
y.ii. 

abdülyn  avraty  su  Zejnep  kadyn 

bojnyna  taqynyr  on  bes  qor  altyn 

bahasy  aghyrdyr,  a/ynmaz  satyn. 

:,:  vurma  djana  Muslim   vurma! 
y.il. 

abdunun  odassy  ainaly  dschamly 
atymy  getirim  Itasir  basch  gemly 


Kommet,  Mädchen,    kommet,  weinet 

alle  zusammen, 
Legt  ab  die  bunten  Kleider,  legt 

schwarze  an 
Wenn  der  Mann   mit  dem  Maultier 
kömmt,  sagt  ihm  die  Wahrheit. 
Töte  nicht,  Muslim,  töte  nicht, 
Gestehe  dein  Verbrechen. 
Mein  Schicksal,   Mutter,  hat  sich 

erfüllt, 
Wieder  bin    ich  zur  Witwe  ge- 
macht. 

Meines  Abdul  Häuser  liegen  neben- 
einander-') 
Die  goldgestickte  .lacke  ist  mit  Blut 

getränkt 
Muslim,  wie  hast  du  eine  solche  Seele 
vernichten  können. 

Töte   nicht.   Muslim,   töte  nicht. 
y.ik. 

Des  Abdul  Eheweib,  diese  Frau 

Zeinep3) 
Um  den  Hals  trägt  sie  fünfzehn 

grosse  Goldstücke, 
Deren  Wert  ist  gross,  man  kann  sie 
nicht  kaufen. 

Töte  nicht,    Muslim,    töte  nicht. 
y.ik. 

Des  Abdul  Haus  ist  voll  von 

glänzenden  Spiegeln 
.Mein  Pferd  bringe  ich  gesattelt  und 

gezäumt 


J)  Ich  hatte  ursprünglich  tschepgenner  beilandi  geschrieben,  was  sinnlos  zu  sein  scheint. 

2)  Die  Todtenklage  ist  sehr  ergreifend,  doch  in  vielen  Einzelheiten  mir  einstweilen 
noch  ganz  unverständlich.  Dass  die  Häuser  des  Erschlagenen  „nebeneinander"  liegen,  -wie 
Ich  glaube  übersetzen  zu  sollen,  meint  vielleicht,  dass  er  zahlreiche  Häuser  hatte,  also 
reich  war;  dasselbe  soll  wohl  auch  die  spätere  Schilderung  des  kostbaren  Schmuckes 
seiner  Witwe  und  die  Erwähnung  der  Spiegel  in  seinem  Hause  andeuten. 

3)  Zeinep,  ein  Frauenname,  vgl.  das  Lied  Nr.  XVII.  Hier  die  Witwe  des  Erschlagenen, 
drr,  wie  ich  glaube,  das  ganze  Lied  in  den  Mund  gclcgi  ist.  Zeinep  ist  übrigens  gleich 
dem  altsemitisclien  und  arabischen  Namen  Zenab,  was  auch  der  richtige  Name  der  uns 
als  Zenobia  bekannten  Königin  von  Palmyra  ist.  Zenab  hiess  auch  eine  Enkelin  von 
Mohammed,  und  so  heisst  u.  a.  jetzt  eine  sehr  aufgeklärte  Prinzessin  aus  der  regierenden, 
Familie,  dir  Präsidentin  des  Frauenklub  in  Kairo. 


—     l!»:; 


Müslimi  sorarsan  <>  Jesid  dinni. 

:,:  vwrma  t/jana  Muslim  ourma! 
xxX. 

iskeleden  txikdi  dewenin  udschu 

ellimde  oklaga,  odschakda  satscky 

nl  kysyl  kana  bellendi  tschepgenin 
udsohü. 

:,:   ourma  djana  Muslim  vurma! 
y.rL 


Wenn  du  den  Muslim  fraget,  o 
Jesid-Gläubiger. 

Tüte  nicht,   Muslim,    töte  nicht, 

y.T/.. 

Von  der  Landungsbrücke  ist  (schon) 

aufgebrochen  die  Vorhut  der  Kamele 

In  meiner  Hand  habe  ich  die  Walze1) 

und  im  Ofen  den  Rost 
Von  rotrotem  Blut  ist  gefärbt  der 
Saum  des  Kleides. 

Töte  nicht,   Muslim,    töte  nicht, 
xxX. 


XIII. 


jdr  .  .  jdr  .  .  .  /">'.'  ben  kirne  jandym 

jdr  !? 
:,:   Istämbitlddn  ciqdym  derju  jüzyne  :,: 

:,:  ma'il  oldum  a  hanymym  g'özyne  :,: 

Ujmä  dedym  .  .  .  ujdyn  eller  sözyne! 

:,:  Armud  da/da,   qua  mchynda 
sallänyr,  jär,  jdr! 

her  öptükdje  kirdz  duddk  ballanyr, 
oh,  oh!  :.: 


Schatz,    Schatz,  Schatz,  für  wen  bin 

ich  entbrannt,  Schatz? 
Stambul  hab  ich  verlassen,  wohl  über 

die  See. 
Verliebt  hab  ich  mich  in  die  Augen 

von  ?  Dir  ?  2) 
Hör  nicht,  sagte  ich,  aber  du  hörtest 
auf  die  anderen. 

Auf   dem  Zweiglein    schaukelt 

die  Birne  sich,  auf  dem  Aste 

der  Vogel3),  Schatz,  Schatz! 

Mit  jedem  Kusse  werden  deine 

Kirschenlippen  süsser,  ach,  ach. 


1)  nklaga  ist  die  Walze  zum  Ausbreiten  des  Teiges  bei  der  Brotbereitung:  dass  die 
Witwe  diese  Walze  „in  der  Hand''  hat,  kann  im  Zusammenhange  mit  dem  vorhergesagten 
vielleicht  meinen,  dass  sie  zum  Aufbruche  bereit  ist.  Jedenfalls  pflegen  die  Kurden 
auf  der  Wanderung  oft  unmittelbar  vor  dem  Abreiten  noch  Brot  zu  bereiten,  so  dass  die 
Teigwalzf  und  der  Kost  zu  den  letzten  Dingen  gehören,  die  noch  aufzuladen  sind. 

2)  Der  türkische  Text  ist  hier  unsicher.  Ich  hatte  ursprünglich  aghaunynyn  zu  hören 
geglaubt  und  an  einen  vielleicht  persischen  Frauennamen  gedacht.  Hacki  Tewfik  schlägt 
vor,  a  hanymym  zu  lesen. 

.'»)  So  vielleicht  richtig,  wenn  für  das  unverständliche  si-hahnoda,  das  ich  zu  hören 
geglaubt  hatte,  schachynda  eingesetzt  wird.  Danu  würde  wörtlich  zu  übersetzen  sein: 
..Birne  am  Zweige,  Vogel  am  Aste  schaukelt  sich."  Hr.  Prof.  Foy  schlägt  aber  eine 
andere  Auffassung  vor:  „Armud  duldaki  Sachynda  sallanur"  „Hie  Birne  schaukelt  sich 
an  ihrem  am  Aste  befindlichen  Zweige".  Aber  mit  oder  ohne  Vogel  —  der  Sinn  des 
Verses  bleibt  derselbe.  Ich  vermute,  dass  Avedis  ihn  nicht  gekannt  hat,  da  Sack  persisch 
und  soviel  ich  weiss,  in  Nordsyrien  nicht  gebräuchlich  ist.  Wenigstens  ist  mir  das  Wort 
völlig  fremd  gewesen  und  erst  jetzt  anlässlich  der  Beschäftigung  mit  diesem  Liede  bekannt 
geworden.  Avedis  hat  jedenfalls  ganz  deutlich  schahnoda  gesagt,  hat  also,  wenn  seine 
Quelle  wirklich  eehachytida  hatte,  diese  nicht  verstanden  und  den  Vors  nur  mechanisch 
rezitiert. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1901    Heft  .'.  13 


194 


jär  .  .  jar  .  .  .  jär!  ben  kirne  jandym 

järf 
:,:  Istdmbulddn  ghetyre-im  fesymi, 

ben  ölürsem  kimler  tutsun1)  jasym.it 

jär  .  .  jär!  :,: 
Ujmd  dedym  .  .  .  ujdyn  eller  sezyne! 

:,:  Armud  daldd,  qus  hdchyndd 
saUanyr, 

her  öptükdje  kiräz  duddk  ba/lanyr, 
oh,  oh!  :,: 


Schatz,  Schatz,  Schatz,    für  wen  bin 

ich  entbrannt,  Schatz? 
Aus  Stambul   lasse  ich  meinen  Fess 

kommen3), 
Wenn  ich  sterbe,  wer  wird  um  mich 

weinen,  Schatz,  Schatz 
Hör  nicht,  sagte  ich,  aber  du  hörtest 
auf  die  anderen. 

Auf    dem  Zweiglein    schaukelt 

die  Birne  sich,  auf  dem  Aste 

der  Yogel,  Schatz,  Schatz. 

Mit  jedem  Kusse  werden  deine 

Kirschenlippen  süsser,  ach,  ach. 


XIV. 


:,:  -äsktjddrd  ghider^iken  bir  mendü  :,: 

bulddm.  :,: 
:,:  mendilyn  icyne  lokum  doldurddm  :,: 
[kjdtibymi  drdr  iken  kojnwmda  buldum;] 

kjdtib  benym  ben  kjdtibyn  cl  ne  qdrgsyrf 

kjdtibgme  setre-jle  pdntol  ne  güsel 
jdkgsyr ! 
istemem' istemem,  sa/tanat2)  qabiil 

etmem 
pdjtond  bindyre-im,  jdr^seni  ghez- 
dyreim 

calgylar  caldyrajim,  jdr  seni  ejlen- 
dyreim ! 


Als  ich  nach  Skutari  ging,   fand  ich 

ein  Taschentuch. 
Rahat-lokum4)  tat  ich  hinein  ins  Tuch 
Als  ich  meinen  Kjätib 6)  suchte,  fand 

ich  ihn  an  meiner  Brust 
Er  gehört  mir,  ich  gehöre  ihm,  was 

gehts  die  andern  Leut  an; 
Meines  Kjätib    neuer  Anzug6),    wie 
schön  er  ihm  steht. 

Ich  will  nicht,  ich  will  nicht, 
solchem  Luxus  trau  ich  nicht. 
Einen  Wagen  will  ich  nehmen, 
dich  mein  Schatz  drin  'rum- 
zufahren, 
Musikanten  lass  ich  spielen,  dich 
mein  Schatz  zu  amüsieren. 


1)  jas  tulmak  oder  jas  tschekmek  heisst  trauern,  oder  die  Klage  um  den  Toten  an- 
stimmen.    Avedis  hatte  hier  tscheksin  gesagt,  Hacki  Tewfik  kennt  das  Lied  mit  tutsun. 

2)  Statt  saltanat  hatte  Avedis  konstant:  salsanat,  was  er  mir  mit  Jmlabalyk"  zu  ver- 
deutlichen suchte. 

3)  d.  h.  Ich  will  mich  „fein  machen,  ähnlich  wie  iu  VIII  die  Geliebte  „Stiefelchen 
aus  Smyrna"  trägt. 

1)  Rahat-lokum  ist  das  unter  dem  Namen  Sultansbrot  auch  in  Europa  bekannte 
Zuckerwerk. 

5    Wörtlich:  Schreiber,  d.  h.  kleiner  Beamter. 

<i)  Avedis  hat  syrmaly  tschebyen  -  die  goldgestickte  Uniform  —  also  etwas,  was  fin- 
den kleinen  kjätib  nicht  gut  möglich  ist.  Hacki  Tewfik  kennt  dafür  die  Version  setre  jle 
pantol  -  Rock  und  (europäische)  Hose,  oder  einfach  „europäischer  Anzug". 


—     195     — 


:.:   uskiidi'irdan  ghrlyr  ihn  aldy-da 

bir  jn,,iniir  :,: 
:.:  kjntib  vjkudän  ojänmi^  ghözbri 

mdhmär  :,: 
:.:  hjÄtibijmyn  stftrSsi  Üzun.  <><ji 

c'imur;  :,: 


Als  wir  von  Skutari  zu  nick  kamen, 
da   hat  uns  dae   Wetter  erwischt, 

Mein  Kjätib  ist  ganz  verschlafen  and 
verkatert  auch. 

Sein  schöner  langer   K<><:k   ist  ganz 
voll  Kot  jetzt, 


kjdttb  li<iu)iit,  ben  kjdti'byn  il  n<:  >/>in/-  Aber  er  gehört  mir,  ich  gehöre  ihm, 

Sprf  was  gehts  die  andern   Leut  an; 

kjdtibyme  köläly  ghömlek  ne  güstH  ja-  .Meines  Kjätib  neuer  Hemdkragen3), 
räajfr!  wie  schön  er  ihm  steht. 

istemeniy  istemem,  saltanal  <jab/d  ei-  Ich   will   nicht,    ich   will    nicht, 

rneru  usw.  xr'/.. 


XV. 


ölüm  farzmy  joksä  sünnetf 
bir  (Ijnn  icün  etmem  minnet1); 

desynler  ky:  „aha  djennet!" 

girmem2)  järsyz;  harüm  o(sum! 

sehei'  o/dugun  desynler! 
jollara  atly  kojsünlar! 
isterlerse  ghözüm  ojsunlar! 

girmem  jürsyz;  harüm  o/snm! 


Der  Tod,  ist  er  fars  oder  süunet^4) 
Wegen   einer  Seele  werde  ich  mich 

nicht  demütigen. 
Und  wenn  es  selbst  hiesse,  hier,  tritt 

ein  ins  Paradies  — 
Ohne  mein  Liebchen  trat'  ich  nicht 

ein,  lieber  verzieht  ich6). 

Und  wenn  es  selbst  hiesse,    die 

Morgenröte  sei  da 
Und  wenn  sie  selbst  Reiter  auf  jeden 

Weg  stellten, 
Und  wenn  man  ausstechen  wollt"  gar 

mir  die  Augen, 
Ohne    mein  Liebchen  trat"   ich  nicht 

ein,  viel  lieber  verzieht  ich. 


1)  miauet:  vgl.  Veli  ni'meti  bi  minnet  =  der  Wohltäter,  welcher  für  seine  Wohltaten 
keine  „Erniedrigung"  verlangt,  d.  i.  der  Sultan. 

•_'    girmem  =  gitmem. 

:;)  Wörtlich  =  Hemd  mit  (europäischem  steifen)  Kragen.  Kola  ist  aus  dem  Fran- 
zösischen übernommen,  ebenso  wie  oben  pantol  pantalons  Diese  Schlussseile  der  «weiten 
Strophe  fehlt  ganz  bei  Avedis.  Hacki  Tewfik  kennt  sie  aus  der  Stambuler  Version  dieses 
wie  es  scheint  sehr  weit  verbreiteten  Gassenhauers. 

L)  fars  ist  das  Wort  Gottes,  sünnet  ist  die  Überlieferung  des  Propheten.  Der  Sinn 
ist  also  wahrscheinlich:  Ob  man  wirklich  sterben  muss  oder  nicht,  mir  ist  es  gleich,  nur 
ohne  meinen  Schatz  will  ich  nicht  sein,  nicht  einmal  im  Paradies. 

5)  Die  richtige  Übersetzung  von  harüm  ohun    hat    mir  hier  grosse  Schwierig^ 
macht:    Avedis  schien  zu  glauben,  dass  es  die  Bedeutung  hätte,  »es  soll  mir  verschlosseu 
bleiben".     Andere  erklärten:    .es    soll    eine    Todsünde    sein,    BC.    wenn  ich  doch  einträte-. 
Die  schliesslich  von  mir  gewählte  l  berseteung  entspricht  jedenfalls  dem  Sinne. 

13* 


—     196 


—  när  a^ädjy  -narsyz  ohnuz. 

gül  a-ädjy  gülsyz  o/mäz. 
erghen  Ogldn  jarsyz  olmäz-, 

—  var  basymdän,  ajryl  Ckursüt! 

—  kylydjym  cehmisim*)  kyndän. 
um'idym  kesmisem  djandän. 
ölürüm,  ajryjmäm  senden; 

—  var  basymdän,  ajryl  Churmt, 

Chursüt,  Djumle  jejitleryn  hassy! 

sen  olmissyn  tisy! 

Bu  Dijoryn*)  bir  tänesy; 

—  vor  basymdän,  ajryl  Chursiit! 


—  amän  dejermendjl  am  ein! 
öjut  bö^damy,  bö^dämy!*) 
verem*)  sanä  gherddnymy! 


XV.  A.1) 

(Er)  Was  soll  der  Granatstrauch 

ohne  Granatäpfel, 
Was  soll  der  Rosen  strauch  ohne  Rosen. 
Was  soll  der  Bursche  ohne  einen 

Schatz. 
(Sie)  Lass  mich  in  Frieden,  geh, 

Churschüt. 

(Er)  Aus  der  Scheide  zog  ich  das 

Schwert, 
Die  Hoffnung  schnitt  ich  aus  dem 

Herzen 6) 
Eher  sterb  ich,  als  dass  von  dir  ich 

lasse. 
(Sie)  Gib  mir  doch  Ruhe,  geh, 

Churschüt. 

(Sie)  Churschüt,  du  frevelst  gegen 

Gott,  Gesetz  und  Sitte, 
Du,  von  allen  Helden  der  herrlichste, 
Du  dieses  Landes  der  einzigste7)  — 
Lass  mich  in  Frieden,  geh,  Churschüt. 

XVI. 

(Sie):  Bitte,  Müller,  sei  so  gütig, 
Mahle  meinen  Weizen,  meinen  Weizen 
Ich  schenk  dir  meinen  Halsschmuck.8) 


1)  Avedis  saug  dieses  Lied,  ohue  es  von  dem  vorigen  zu  trennen;  es  scheint  mir 
aber  ganz  selbständig  zu  sein.  Der  Vorschlag,  es  in  der  oben  versuchten  Art  als  Wechsel- 
rede zwischen  einem  Manne  und  einer  Frau  aufzufassen,  stammt  von  Hacki  Tewfik.  Ob 
dieser  Versuch  gelungen  und  ob  unsere  Übersetznng  dem  Sinne  des  Originals  entspricht, 
muss  freilich  dahingestellt  bleiben.  Inzwischen  möchte  ich  wirklich  glauben,  dass  es  sich 
um  eine  „verbotene  Liebe"  handelt.  Von  Avedis  war  über  den  eigentlichen  Sinn  des 
Textes  nichts  zu  erfahren;  er  ist  in  dem  glücklichen  Alter,  in  dem  uns  alles  harmlos  und 
selbstverständlich  erscheint. 

2)  cekmiSem  oder  cekmüym  ist  azerbeidschanisch  für  cekdym. 

3)  Avedis  hatte  hier  etwas,  was  mir  wie  machejarym  klang,  mach  =  persisch  mäh  = 
türk.  nj  =  Mond,  mah  paressi  =  aj  tanesi  wird  als  Bezeichnung  für  ganz  besondere 
Schönheit  gebraucht. 

\)  bogda  anatolische  Form  für  bogdaj.    Von  Kunos  auch  für  Aidin  und  Konia  bezeugt. 

5)  verein:  aserbeidschanisch  für  verejim. 

6)  d.  h.  vielleicht  soviel  wie:  Ich  will  mein  Leben  einsetzen  für  dich. 

7)  Vgl.  die  Anmerkung  .')  zum  türkischen  Text.  Ist  die  Version  des  Avedis  richtig,  so 
würde  zu  übersetzen  sein:  Du,  der  du  dem  Monde  an  Schönheit  gleichest  oder  wörtlich, 
der  du  „ein  Stück  vom  Monde"  bist. 

8)  Zu  gerdan  vgl.  die  Anmerkung  zu  Lied  II.  Wollte  man  das  wörtlich  nehmen,  so 
inüsste  man  das  ganze  Med  so  auffassen,  als  ob  die  Frau  dem  Müller  erst  sich  selbst  an- 
geboten hätte.  Ich  erinnere  mich  aber,  einmal  in  Syrien  statt  yherdunlykym  einfach  gher- 
danym  gehört  zu  haben,  unter  Umständen,  die  jede  andere  Auffassung  auszuschliessen  und 
nur  die  Bedeutung  „mein  Halsschmuck"  zuzulassen  schienen. 


—     197 


—  olmäz  qadyn-anänt  olmäz 
gherddn  ynän1)  un  öjünmäz  (?) 

ortak  dujär  ka^il  olmäz. 

—  amän  dejirmendji  amän! 
öjüt  bögdamy,  bog  dampf 

verem  mna  ent/irymy! 

—  olmä:  qadyn^anäm  o/m": 

entärtlän  un  öjünme:   (öjütylmßz) 
ortak  dujär,  ko-il  olmäz. 

—  amän  dejirmendji,  amän! 
öjüt  ö<v,jdamy  bögdamy! 
verem  sana  altynymy! 

—  olmäz  qadyn^anäm  olmäz 

altyn  ylan  un  öjünmez 
ortak  dujar,  ka-il  olmäz, 

—  Tokul  dejirmendji,  aman! 

öjüt  bögdamy,  bögdamy! 
verem  sana  ben  qyzymy! 

—  olur  kadyn-anäm  olur, 

häz-ynän-dä  ün  öjünür, 
Per  kyryldy,  tez  japylyr. 


(Der  Müller):  Es  geht  nicht,   .Mütter- 
chen, es  ist  vergeblich, 

Mit  deinem   Halsschmuck   kann  ich 
nicht  mahlen; 

Mein  Bruder2)  hört  es,  er  mag  ea 
nicht  Leiden. 

(Sic):   Bitte,   .Müller,  sei  so  gütig, 
Mahle  meinenWeizen,  meinen  Weizen 
Ich  schenk  dir  meinen  Rock. 
(Der  Müller):  Es  geht  nicht,  Mütter- 
chen, es  ist  vergeblich, 
Mit  deinem  Rock  kann  ich  nicht 

mahlen: 
Mein  Bruder  hört  es,  er  mag  ea 
nicht  leiden. 

(Sie):  Bitte,  Müller,  sei   so  gütig, 
Mahle  meinenWeizen,  meinenWeizen 
Ich  schenke  dir  mein  ganzes  Gold.3) 
(Der  Müller) :  Es  geht  nicht,  Mütter- 
chen, es  ist  vergeblich, 
Mit  deinem  Gold  kann  ich  nicht 

nuthlen; 
.Mein  Bruder  horcht  auf,    er  mag  es 
nicht  leiden. 

(Sie):  So  gib  dich  zufrieden4).  Müller, 

ich  bitte, 
Mahle  meinenWeizen.  meinenWeizen 
Ich  gebe  dir  meine  Tochter. 
(Der  Müller):  Dies  geht,  Mütterchen, 

jawohl,  dies  geht 
Mit  deiner  Tochter  kann  ich  mahlen. 
Gebrochen  war  ein  Flügel*),  rasch 

wird  er  gemacht. 


1)  ynan  für  ylan  oder  ile. 

■_'    ortak  heisst  wörtlich  Kompagnon  oder  Sozius. 

.">)  Gemeint   ist  wohl  das  mit  Goldmünzen  benähte  Stirnband. 

4)  tokul  sieht  an>  wie  ein  Imperativ  von  einem  nicht  vorkommenden  Verbum  tokul- 
HKik  sich  zufrieden  geben.  Vielleicht  soll  es  totj  ol  heissen  =  werde  satt,  d.  h.  nachdem 
ich  dir  jetzt  gerdär^  entary  und  altyn  vergeblich  angeboten  habe,  werde  ich  dir  jetzt  meine 
Tochter  anbieten,  damit  du  dich  endlich  zufrieden  gibst 

5)  per  ein  wenig  gekanntes  Wort  =  Flügel  einer  Windmühle,  per  ist  nach  Prof.  Foy 
persisch  und  verwandt  mit  meQOV. 


198     — 


Zeinep,  bi<  güzellik  vardyr1)  sojynda! 

elvän  elvän  güller  qoqar  qojnynda  2) 

arifes)  gedjesi  bajram  ajynda. 

:,:  Zeinebym,  Zeinebym,  all//*) 

Zeinebym ! 
üc  köjyn  icinde  sanly  Zeinebym  :, 

Zeinebym  oturmus  taiyn  üstüne, 

doldwrur  döldürur,  veryr  dostyna, 

Zejnep  selam  salmys,  basym  üstüne! 

:,:  Zeinebym,  Zeinebym,  bala 

Zeinebym ! 
üc  köjyn  gü:eli,  ally  Zeinebym !  :, 

Zejnebe  japtyrdym  alfyndan 5)  tan«/, 

tatet,  zülüfleryn,  gerdanyna  braq! 

janyna  varmagha  jollarym  iraq. 

:,:  Zejnebym  Zejnebym,  pullu 

Zejnebym ! 
üc  köjyn  güzeli,  ally  Zejnebym! 


XYII. 

Zeinep7),  wie  bist  du  die  schönste 

in  deinem  Stamm, 
Wie  duftet  dein  Busen  wie  bunt 

bunte8)  Rosen 
Inder  heiligen  Nacht  im  Monat  Bairam. 
Oh  meine  Zeinep,  meine  Zeinep, 

meine  schöne  kleine  Zeinep 
In  drei  Dörfern  hochgerühmte 
schöne  Zeinep. 

Meine  Zeinep  hat  sich  auf  den  Stein 

gesetzt. 
Sie  schenkt  ein,  sie  schenkt  ein, 

schenkt  dem  Freunde  ein. 
Sie  hat  mich  grüssen  lassen;  wie 

mich  das  wohl  freut. 

Oh  meine  Zeinep,  meine  Zeinep, 

Meiner  Zeinep  lass  ich  machen 

einen  goldnen  Kamm 
Kämme  deine  Locken,  lass  sie  fallen 

in  den  Nacken 
Zu  Zeinep  will  ich  gehen,  mein  Weg 
ist  gar  weit. 

Oh  meine  Zeinep,  meine  Zeinep, 

meine  schöne  kleine  Zeinep 
In  drei  Dörfern  hochgerühmte 
schöne  Zeinep. 


XVIII. 


baghcelerde  ytyrmh. ü) 
boji  uzun,  kendi  sah. 
iki  gönül  bir  oläa 
ajyramaz  padisah ! 


Im  Garten  wächst  Ytyrschah9), 
Schön  und  prächtig,  wie  der  Schah, 
Wenn  zwei  Herzen  richtig  einig  sind 
Kann  nicht  sie  trennen,  selbst  der 
Padiscliah. 


1)  Statt  vardyr  hat  Avedis  varmy. 

2)  Diese  Zeile  ist  nur  auf  der  phonographischen  Walze  fixiert,  fehlt  aber  im  Diktat 
des  Avedis.     Sie  geht  wohl  etwas  über  den  sprachlichen  Horizont  seiner  Heimat. 

3)  Avedis  hat  statt  arife:  mübarek,  was  dem  Sinne  nach  gleichbedeutend  ist. 
I)  Avedis  hat  hier  das  azerbeidschanische  bala  stat  ally. 

"))  Hier  richtig,  statt  dem  grammatikalisch  anfechtbaren  „bir  altyn  tarak"  von  Avedis. 
G)  ytr-y-h'ihr.  „Sorte  de  plante  grimpante"(Samy).  Also  irgend  eine  wohlriechende  Kletter- 
pflanze, denn  die  wörtliche  Übersetzung  des  persischen  Wortes  ist:  „Wohlgeruch  desSchalr'. 

7)  Mädchenname,       Zenab  =  Zenobia,  vgl.  die  Anm.  :;  zu  Lied  XII. 

8)  elvän,  Plural  von  teven  =  Farbe. 

9)  Vgl.  die  Anmerkung  zu  diesem  Worte  im  türk.  Text. 


—      1!>!)      — 


qyjydan,  qyjydan,  qyjydan  gel! 

örtasy  camur  jandan  yel! 

:,:  sen  benymsyn,  bana  yel! 
efendym  akßama  yel! 
istersen  sabaha  gel! 

baghcelerde  enginar, 
:,:  enginar yn  rengi1)  var.  :.: 
ben  jarymy  ianyrym, 
:.:  janaghynda  beni  var!  :,: 
qyjydan,  qyj.  .  .  .  etc.2) 


Komm  auf  dem  Fusssteig,  Schatz, 

auf  dem  Pusssteig ; 
Auf  der  Strasse  ist  es  schmutzig, 

komme  auf  dem  Steig. 
.Mir  -chörst  du,  komm  zu  mir 
Komm  am  Abend  Schatz, 
Wenn   <lu  willst  Schatz,  oder 

komm   am  Morgen. 

Im  Garten8)  gibt  es  Artischoken, 
Artischoken  gibt  es  vielerlei  (?) 
Meinen  Schatz  den  kenn  ich, 
Am  Hals  hat  er  ein  Mal. 

Komin  auf  dem  Fusssteig.  Schatz, 
auf  dem   Fusssteig,  xt/.. 


XIX. 

hacalar  bulandy,  qarmy  jaghadjaqf       |  Das  Wetter  wird  trüb  jetzt,  's  gibt 

wohl  bald  Schnee, 

so/  gözyrn  ojnajor,  jarmy  geledjekP)         Im  linken  Aug'  zittert's  mir,  heut 

kömmt  wohl  mein  Schatz. 


XIX.  A. 


Tzmiryn  icinde  wurdular  beni, 
al  qyzyl  qanlara  qojdylar  beni!*) 


In  Smyrna  in  der  Stadt,  da  haben 
sie  auf  mich  geschossen, 

Im  Blute,  im  rotroten  Blute  haben 
sie  mich  liefen  lassen. 


1)  Avedis  hatte  dengi. 

L2)  Hierzu  kennt  Hacki  Tewfik  noch  die  folgende  Strophe: 


baghcelerde  filbäri. 

:,:  i/alq  git  elleryn  jdril  :, 
sen  bana  jar  olmazsan: 
:,:  jüzyme  gültne  bäri!  :,: 
qyjydan,  quj,  .  .  .  etc. 


Im  Garten  gibt  es  Filbari 
1  Steh  auf  und  geh,  du  Schatz  von  anderen, 
I  Wenn  du  nicht  willst  mein  Schatz  allein  sein 
Brauchst  mir  nicht  zu  lächeln  ins  Gesicht. 
Komm  auf  dorn  Fusssteig,  Schatz,  auf  dem 
Fusssteig,  y.r'/.. 
Filbari:    eine    mir    nicht   bekannte  Pflanze  —  wörtlich  Elefanten  -  Frühling.     Natürlich  ist 
das  Wort  nur  des  Reimes  willen  gewählt. 

3)  Hierzu  kennt  Hacki  Tewfik  eine  nicht  ganz  reinliche  Fortsetzung: 
aksam  gelindje  neler  ofadjag! 
:,:  jar  yelup  sarylup,  jan  jatadjaq.  :,: 

I)  Avedis  scheinl  diese  letzten  zwei  Zeilen  als  direkt  mit  deu  vorhergehenden  zu- 
sammengehörig betrachtet  zu  haben  —  sicher  mit  Unrecht;  ich  habe  sie  auf  den  Rat  von 
Hacki  Tewiik  ganz  abgetrennt.  Ob  sie  wirklich  selbständig  sind,  möchte  ich  trotzdem 
nicht  glauben;  sie  gehören  vielleicht  zu  einein  grösseren  I.iede.  vgL  daradjyk  soqaqda 
wurdular  beni  in  dem  oben  mitgeteilten  Liede  Nu.  VII. 

5)  Wörtlich:  „In  Garten". 


—     200     — 


XX. 


Mehmedym  Mehmedym,  gel  jat  dizyme! 

sürmeler  cekejim  ela,  nazik,  kibar 

gözyne ! 
ujma  dedym;  iijdyn,  eller  sözyne! 

hajdy  hajdy  Mehmedym!  jandym 

elinden ! 
bir  mastiqa  doldur  ver  nazik  elinden! 


Izmiryn  jolynda  qandyr  gecilmez, 

bu  güzel  Mehmedde7i  hie  vaz  gecilmez, 

Mehmedi  seceriler  hisabe  ge/mez. 

Mehmedym  Mehmedym !  jandym 

elinden ! 
bir  mastiqa  doldur  ver  nazik  elinden! 


O  mein  Mehmed,  oh  mein  Mehmed, 

komm  leg  dich  auf  meine  Kniee, 
Mit  sürme1)  will  ich  malen  deine 

braunen2)  grossen  süssen  Augen. 
Höre  nicht,  bat  ich,  und  doch  hast  du 

gehört  auf  die  Rede  der  andern. 
Komm  doch,  oh  so  komm  doch,  ohmein 

Mehmed,  du  hast  mirs  angetan. 
Reiche  Mastika  mir,  ein  volles  Glas, 

mit  deiner  feinen  Hand. 

In  Smyrna  die  Strasse  ist  blutig,  man 

kann  gar  nicht  gehen3). 
Auf  diesen  schönen  Mehmed  kann 

man  nicht  verzichten 
Und  die  in  den  Mehmed  verliebt  sind, 

die  kann  man  gar  nicht  zählen. 
Oh  mein  Mehmed,  oh  mein  Mehmed, 

du  hast  mirs  angetan. 
Reiche  Mastika  mir,  ein  volles  Glas, 

mit  deiner  feinen  Hand. 


Der  ethnographische  Wert  derartiger  Texte  springt  in  die  Augen  und 
braucht  nicht  näher  erörtert  zu  werden.  Er  wird  sich  freilich  noch  sehr 
erhöhen,  wenn  es  erst  einmal  möglich  sein  wird,  die  grosse  Menge  der  in 
Vorderasien  volkstümlichen  Lieder  bequem  zu  übersehen  und  die  allgemein 
verbreiteten  von  den  nur  lokal  bekannten  zu  trennen. 

Natürlich  wird  beim  Sammeln  dieser  Texte  der  Phonograph  auch  für 
die  linguistische  und  rein  dialektische  Seite  der  Aufgabe  immer  von  sehr 
grosser  und  stets  zunehmender  Bedeutung  sein;  ganz  unentbehrlich  ist  er 
aber  für  die  musikwissenschaftliche.  Wie  die  Herren  Abraham  und 
v.  Hornbostel  gleich  zeigen  werden,  ist  es  möglich,  nach  den  Walzen 
die  Höhe  jedes  einzelnen  Tones  genau  festzulegen.  Dadurch  sind  wir  in 
den  Stand  gesetzt,  jedes  phonographisch  aufgenommene  Tonstück  mit 
objektiver  Sicherheit  in  Noten  zu  setzen  und  uns  so  von  den  subjektiven 
und  oft  bedenklich  europäisch  beeinflussten  Niederschriften  auch  musi- 
kalisch hoch  begabter  Reisender  völlig  zu  emanzipieren. 


1)  sürme  ist    die    schwarze    Farbe,    mit    der  die  Orientalen    schon    seit  den  ältesten 
Zeiten  die  Lidräuder  schminken. 

2)  Hacki  Tewfik    macht    mich  aufmerksam,    dass  die  Wörterbücher  ein  mit  blau  zu 
übersetzen  pflegen,  während  es  braun  heisse. 

'■>)  Ob    hier    etwa    eine    unreinliche  Zweideutigkeit    vorliegt    oder  nur  eine   harmlose 
Reimspielerei,  muss  ich  unentschieden  lassen. 


—     201     — 

Für  die  Erforschung-  der  „exotischen"  Musik  sind  un>  also  durch  den 
Phonographen  ganz  neue  und  grossartige  Perspektiven  eröffnet.  Was 
von  den  Herren  Stumpf,  Abraham,  v.  Hornbostel  u.  a.  in  den  letzten 
Jahren  auf  diesem  Gebiete  geleistet  wurde,  lässt  schon  jetzt  mit  Sicherheit 
erkennen,  dass  die  vergleichende  Musikwissenschaft  in  kurzer  Zeit  eine 
der  wichtigsten  und  interessantesten  Disziplinen  der  Völkerkunde  werden 
wird. 

Inzwischen  genügt  es  mir,  heute  die  Aufmerksamkeit  der  anthropo- 
logischen Gesellschaft  auf  dieses  neue  und  bei  uns  noch  wenig  bekannte 
Arbeitsgebiet  zu  lenken.  Das  Berliner  Museum  wird  in  Zukunft  bemüht 
sein,  möglichst  viele  Reisende  wie  für  andere  Beobachtungen  so  auch  für 
phonographische  Aufnahmen  vorzubereiten.  Hoffentlich  gelingt  es  uns, 
genügende  Mittel  auch  für  die  Ausrüstung  der  Reisenden  mit  Apparaten, 
Membranen  und  Walzen  flüssig-  zu  machen. 

Ebenso  ist  es  selbstverständlich,  dass  wir  nunmehr  beginnen  müssen, 
innerhall)  des  Museums  eine  besondere  phonographische  Abteilung  einzu- 
richten —  eine  Art  Archiv,  in  dem  man  noch  in  kommenden  Jahrhunderten 
die  Musik  von  Stämmen  wird  studieren  können,  die  dann  vielleicht  längst 
schon  ausgestorben  sein  werden. 

Für  diesen  neuen  Zweig  unserer  Tätigkeit  ist  bei  vielen  Völkern  und 
Stämmen  die  letzte  Stunde  bereits  angebrochen.  Dies  gilt  nicht  nur  von 
jenen  „Wildstämmen",  die  man  als  mehr  oder  weniger  rasch  aussterbend 
erkannt  hat.  Es  gilt  in  gleichem  Masse  auch  für  alle  jene  Gebiete,  in 
denen  sich  europäische  Einflüsse  jetzt  mit  unheimlicher  Raschheit  aus- 
breiten. In  Japan  sehen  wir  europäische  Musiker  tätig,  und  nach  Honolulu 
hatte  schon  König  Kalakaua  einen  Berliner  Militär-Musikanten  berufen, 
der  ihm  u.  a.  eine  hawaiische  Nationalhymne  komponiert  hat  und  sicher 
auf  seine  Verquickung  einheimischer  und  fremder  Motive  nicht  wenig 
stolz  war. 

Am  allergefährlichsten  ist  aber  wohl  das  Vorgehen  der  Missionare, 
die  häufig  ganz  systematisch  einheimische  Melodien  zu  kirchlichen  und 
anderen  Zwecken  „adaptieren".  Dies  wird  besonders  in  Indien  in  aller- 
grösstem  Massstabe  betrieben,  so  dass  wir  von  dort  bereits  eine  grosse 
Literatur  in  diesem  Mischstile  kennen.  So  entstehen  überall  hybride 
Formen,  die  sich  mit  grosser  Zähigkeit  erhalten  und  unter  günstigen  Um- 
ständen auch  ihrerseits  wieder  selbständig  weiter  entwickeln  können. 
Dadurch  muss  es  in  vielen  Gegenden  rasch  zu  einer  fast  unentwirrbaren 
musikalischen  Verwirrung  kommen,  und  es  ist  völlig  klar,  dass  die 
Schwierigkeit  die  ursprünglichen  und  primitiven  Verhältnisse,  Beziehungen 
und  Verwandtschaften   zu   erkennen,  mit  jedem  Jahre  wachsen  muss. 

Neben  der  Schaffung  eines  rein  wissenschaftlichen  Archivs  für  phono- 
graphische Aufnahmen  erwächst  den  Museen  für  Völkerkunde  aber  jetzt 
noch  eine  weitere  Aufgabe.  Neben  unseren  rein  ethnographischen  Schau- 
sammlungen stellen  wir  schon  lange  Photographien  aus:  im  nächsten  Jahre 
werden  wir  anfangen,  dem  Publikum  auch  Stereoskopbilder  zu  zeigen  und 
schon  das  Museum  der  allernächsten  Zukunft  wird  sicherlich  auch  durch 
Projektionsbilder  und  sogar  durch  unentgeltliche  kinematographische  Vor- 


—     202     — 

führungen  dem  Bildungstriebe  der  breiten  Schichten  des  Volkes  entgegen- 
kommen müssen  —  da  darf  dann  auch  das  Grammophon  nicht  fehlen. 
Indische,  chinesische,  arabische  Musik  z.  B.  ist  so  durchaus  eigenartig, 
dass  es  mir  direkt  als  eine  Pflicht  eines  ethnographischen  Museums  er- 
scheint, sie  durch  das  Grammophon  auch  all  denen  nahe  zu  bringen,  die 
sonst  niemals  und  auf  keine  andere  Weise  auch  nur  eine  annähernde 
Vorstellung  von  ihr  erhalten  könnten.  Ebenso  liegt  es  nahe,  auch 
charakteristische  Proben  von  afrikanischer  und  amerikanischer  Musik,  von 
polynesischen  Liedern  nun  einem  grösseren  Kreise  zugänglich  zu  machen; 
ganz  dasselbe  aber  gilt  auch  von  Sprachproben.  Das  Publikum  hat  ein 
Recht  zu  fragen,  wie  wohl  die  Sprachen  der  Menschen  klingen,  deren 
Waffen  und  Geräte,  Schmucksachen  und  Kleider  wir  ihm  vor  Äugen 
stellen. 

So  wird  ein  grosses  ethnographisches  Museum  künftighin  neben  dem 
wissenschaftlichen  Archiv  für  phonographische  Aufnahmen  auch  eine  Reihe 
von  Grammophonzellen  vorsehen  müssen,  die  auch  dem  grossen  Publikum 
zugänglich  sind.  Wie  solche  Zellen  einzurichten  und  vor  allem  akustisch 
genügend  zu  isolieren  sein  werden,  wird  die  Erfahrung  bald  zeigen. 

Selbst  Versuche,  phonographische  und  kinematographische  Aufnahmen 
desselben  Vorganges  gleichzeitig  vorzuführen,  sind  schon  mehrfach  gemacht 
worden.  Sie  sollen  einstweilen  noch  nicht  vollkommen  befriedigend  aus- 
gefallen sein,  aber  es  unterliegt  doch  gar  keinem  Zweifel,  dass  uns  in 
einer  solchen  Kombination  in  vielleicht  nicht  allzuferner  Zukunft  ein 
Unterrichtsmittel  allerersten  Ranges  geboten  sein  wird. 


203     - 


2.  Phonographierte  türkische  Melodien.1) 

Von 

O.  Abraham  und  E.  von  Hornbostel. 

(Aus  dem  psychologischen  Institut  der  Universität  Berlin.) 

Das  Material  zu  vorliegender  Untersuchung  bildet  eine  Anzahl  von 
phonographierten  türkischen  Liedern,  welche  Hr.  v.  Luschan  1901  in 
Sendschirli  aufgenommen  und  uns  freundlichst  zur  musikwissenschaftlichen 
Bearbeitung  überlassen  hat.  Der  Sänger  dieser  Melodien  war  Avedis 
oghlu  Avedis,  ein  12 jähriger  armenischer  Knabe  aus  Aintab,  dessen 
frische  und  jugendlich  hellt»  Stimme  durch  den  Phonographen  sehr  gut 
reproduziert  wird.  Das  eine  der  20  Lieder  (XIII)  wurde  noch  von  einem 
zweiten  Sänger,  einem  21jährigen  Mbhamedaner ,  Ali  aus  Manisch 
phonographisch  fixiert.  Eines  der  Lieder  des  Avedis  (\  III)  existiert  in 
zwei  Aufnahmen.  Wir  haben  also  Gelegenheit,  zu  vergleichen,  wie  ein 
Lied  sich  im  Munde  desselben  Sängers  verändert  und  welchen  Varianten 
es  in  verschiedenen  (legenden  unterliegt. 

Die  Melodien  wurden  abgehört  und  in  europäischer  Notenschrift  auf- 
geschrieben-, völlig  korrekt  wäre  diese  Notation  nur,  wenn  das  türkische 
Tonsystem  mit  unserem  europäischen  Tonsystem  völlig  übereinstimmte. 
Obwohl  dies  in  Wirklichkeit  nicht  der  Fall  ist,  glaubten  wir  doch  die 
Verständlichkeit  der  Notenbeispiele  nicht  durch  eine  besondere  Zeichen- 
sprache erschweren  zu  dürfen  und  begnügten  uns  daher,  die  auffallendsten 
Abweichungen  von  unserer  Stimmung  durch  -  -  und  —  (Erhöhung  und 
Vertiefung)  anzudeuten.2)  Ebensowenig  sollen  unsere  rhythmischen  und 
taktlichen  Einteilungen  etwas  über  die  Auffassung  des  Sängers  besagen; 
sie  sind  lediglich  bestimmt,  das  Lesen  der  Melodie  durch  Zusammen- 
fassungen in  Gruppen  zu  erleichtern  und  wurden  uach  unserem  subjektiven 
Gutdünken  gewählt.  Massgebend  für  diese  Wahl  waren  uns  rhythmisch 
besonders  prägnante   Stellen   und  Wiederholungen   einzelner   Phrasen. 

Die  auffallend  reine  Intonation  des  Sängers  ermutigte  uns.  nicht 
nur  den  subjektiven  Gehörseindruck  wiederzugeben,  sondern  auch  objektive 
Tonhöhenbestimmungen  zu  versuchen.  Im  allgemeinen  wird  man  bei 
Gesangsstücken  mit  der  Auswertung  tonometrischer  Bestimmungen  sehr 
vorsichtig  sein  müssen,  und  es  ist  misslich,  aus  der  musikalischen  Produktion 
eines,    noch  dazu  so  jugendlichen.  Sängers  wie    Vvedis  Schlüsse    auf  die 


1)  Vorgetragen  in  der  Sitzung  vom  20.  Juni   L903. 

2)  In  Nr.  III  gibt  das  Notenbild  ohne  Vorzeichnung  den  Melodieeindruck  wieder; 
das  (I?)  sollte  nur  die  Übereinstimmung  mit  der  durch  Messung  gefundenen  Leiter  her- 
stellen. 


—     204     — 

Beschaffenheit  des  Tonsystems  zu  ziehen.  Nur  die  sehr  gute  Überein- 
stimmung der  einzelnen  Intervallmessungen  sowie  die  Kongruenz  der 
beiden  Aufnahmen  desselben  Stückes  (Villa  und  b),  welches  von  Avedis 
an  verschiedenen  Tagen  in  den  Phonographen  gesungen  wurde,  endlich 
die  gute  Übereinstimmung  des  einen  Liedes  (XITI)  mit  der  Wiedergabe 
des  zweiten  Sängers  Ali  (A)  Hessen  es  berechtigt  erscheinen,  die  ge- 
wonnenen Resultate  vorsichtig  zu  verwerten. 

Wir  schlugen  bei  der  Bestimmung  der  Tonhöhen  folgenden  Weg  ein. 
Da  die  Umdrehungsgeschwindigkeit  der  Phonographenwalze  bei  der  Auf- 
nahme nicht  genau  zu  reproduzieren  war,  so  richteten  wir  uns  ungefähr 
nach  der  Tonhöhe  der  gesprochenen  Titel.  Die  absolute  Tonhöhe  kommt 
ja  auch  weniger  in  Betracht  als  die  relative.  Wir  suchten  uns  die  ein- 
zelnen Töne  in  jedem  Stück  an  besonders  deutlichen  Stellen,  womöglich 
langgehaltene  Noten,  aus.  Wir  sind  imstande,  an  unserem  Phonographen 
den  Hebel,  der  die  Reproduktionsmembrane  trägt,  so  einzustellen,  dass 
zwar  der  Stift  die  Walze  berührt,  die  Schraubenführung  aber,  durch  die 
die  Membran  parallel  der  Rotationsachse  verschoben  wird,  ausgehoben  ist. 
Der  Stift  springt  also,  sobald  er  einen  Schraubengang  der  Schallkurve 
durchlaufen  hat,  über  den  Rand  der  Furche  in  die  Anfangsstellung  zurück 
und  briügt  den  gewünschten  Ton  kontinuierlich  oder  in  beständiger  AVieder- 
holung  zu  Gehör. 

Die  so  erzeugten  Töne  wurden  mit  Hilfe  des  Appunn sehen  Ton- 
messers und  des  Stern  sehen  Tonvariators  gemessen;  die  gefundenen 
Schwingungszahlen,  der  Tonhöhe  nach  in  Reihen  geordnet,  geben  die  den 
einzelnen  Melodien  zugrunde  liegenden  Tonleitern.  Um  diese  verschiedenen 
Skalen  auf  eine  vergleichbare  Form  zu  bringen,  bedienten  wir  uns  zweier 
verschiedener  Methoden. 

Die  Leitern  wurden  auf  ein  und  denselben  Grundton  (401)  umge- 
rechnet, indem  wir  mit  diesem  den  jeweiligen  melodischen  Schwerpunkt 
des  Stückes  identifizierten.1)  Die  Wahl  eines  melodischen  Schwerpunktes 
seliliesst  allerdings  eine  gewisse  Willkürlichkeit  ein,  doch  ist  sie  unver- 
meidlich, wenn  man  überhaupt  zu  einer  Yergleichsbasis  gelangen  will; 
auch  unterscheidet  sich  die  türkische  Melodik  nicht  so  sehr  von  der 
unsrigen  wie  etwa  die  japanische,  wo  eine  derartige  Auswahl  viel  ge- 
waltsamer und  schwieriger  ist.  (Der  melodische  Schwerpunkt  ist  in  den 
einzelnen  ToDreihen,  welche  wir  in  den  Notenbeispielen  am  Schlüsse 
jedes  Stückes   notiert  haben,  durch  eine   Yierviertelnoto  bezeichnet.) 

Die  zweite  .Methode,  unsere  Resultate  auf  eine  vergleichbare  Form 
zu  bringen,  bestand  in  der  von  Ellis2)  vorgeschlagenen  Umrechnung  in 
Cents,  d.i.  Hundertstel  unseres  temperierten  Halbtones.  Dieses  Verfahren 
bietet  den  Vorteil,  dass  an  Stelle  einer  geometrischen  eine  arithmetische 
Reihe,  an  Stelle  von  Verhältnissen  Differenzen  treten,  was  die  Übersicht- 
lichkeit    und     Bequemlichkeit     der    Rechnung     bedeutend     erhöht.      Die 


1)  In  XI.  wurden   wir    durch    die  Eigenart    der  Melodie    veranlasst,    den   Schlusston 
zu  wählen. 

2)  Alexander  [.  Ellis,    On   the    inusical    scales    of  various  nations.     Journal  of  tbe 
Society  of  Arts  1885. 


—     205     — 


Genauigkeii  der  Centsberechnung  ist  eher  ein  Zuviel  al>  ein  Zuwenig: 
1  Cent  cnt spricht  in  der  eingestrichenen  Oktave  etwa  0,2  0,3  Schvs  ingungen. 
Wir  haben  für  jedes  einzelne  Stink  eine  Spezialtabelle  aufgestellt  and 
bringen  zur  Illustration  unseres  Verfahrens  die  Binzelwerte  zweier  Beob- 
achtungsreihen (Tab.  1).  Wir  wühlen  dazu  die  beiden  Aufnahmen  derselben 
.Melodie,  einmal  von  Ä.vedis  (XIII).  das  andere  Mal  von  Ali  aue  Marasch  \ 
gesungen,    weil   die  Vergleichung  derselben  von  besonderem  [nteresse  ist. 

Tabelle  I. 


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II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

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Der  erste  Ton.  Grundton,  füllt  mit  dein  melodischen  Schwerpunkt 
zusammen;  von  ihm  aus  berechnen  sich  die  anderen  Töne  der  Leiter  als 
Summen  der  gefundenen  Blinzelintervalle.  Der  Vergleich  mit  den  Inter- 
vallen unserer  sogenannten  reinen  Stimmung  (Rubrik  IV)  zeigt,  dass 
Avedis  alle  Intervalle  etwas  scharf.  Ali  dieselben  ausser  der  rein  ge- 
sungenen Quarte  und  Quinte  etwas  zu  tief  intoniert  hat.  Bei  beiden  findet 
sich  eine  neutrale  Terz.  d.  h.  eine  solche,  die  ungefähr  die  Mitte  hält 
zwischen  unserer  Dur-  und   .Mollterz. 

In  der  Generaltabelle  (IIa)  sind  sämtliche  von  uns  durch  Messung 
gefundenen  Schwingungszahlen  auf  den  einheitlichen  Grundton  401  umge- 
rechnet. Die  eingeklammerten  Werte  beziehen  sich  auf  Töne,  die  in  den 
Stücken  selbst  in  anderen  Oktaven  liegen  und  vergleichshalber  transponiert 
werden  mussten;  an  manchen  Tönen,  die  so  innerhalb  desselben  Stückes 
doppelt  vorhanden  erscheinen,  lässt  sich  die  ausserordentlich  grosse  Ge- 
nauigkeit der  Oktavenintonation  erkennen.  (Vgl.  die  durch  )  verbundenen 
Werte.)  Die  Auswahl  der  Werte,  die  zu  einem  Mittel  zusammengefasst 
wurden,  wurde  durch  die  innere  Übereinstimmung  einiger  Beobachtung- 
reihen,  die  uns  besonders  auffiel,  und  durch  die  Frequenz  der  einzelnen 
Intervalle  geleitet.  Bei  den  Sexten  verzichteten  wir  auf  die  dreiteilige 
Gruppierung,  die  bei  den  Terzen  notwendig  erschien,  und  begnügten  uns, 
diejenigen  Werte,  die  einer  neutralen  Sexte  (bereehnet=  656  Schwingungen) 
nahekommen,  mit  einem  *  zu  bezeichnen.  Aus  den  Mittelwerten  (Tab.  IIb) 
wurden  dann  die  Intervalle  in(  'ents  ebenso  w  ie  in  Tabellel  berechnet.  Die  Ver- 


206 


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gleichung  mir  der  reinen  und  temperierten  Stimmung  fällt  zu  Gunsten 
der  ersteren  aus.  Die  Übereinstimmung  ist  im  allgemeinen  überraschend, 
nur  die  grosse  Sexte  weicht  von  der  reinen  (884  Cents)  erheblich  ab  und 
nähert  sich  der  natürlichen  Septime  (969  Cents).  Die  kleine  Ter/,  liegt 
zwischen  dem  Intervall  6:7  (267  Cents),  und  unserem  reinen  Intervall 
ö  :  6  (316  Cents).  Der  reine  grosse  Ganzton  (204  Cents)  isr  ui.dit 
vertreten;  an  seiner  Stelle  finden  wir  meist  eine  An  Dreiviertelton 
(169  Cents),  daneben  das  harmonische  Intervall  7:8  (231  Cents),  das  als 
übermässiger  Ganzton  zu  bezeichnen  wäre.  Neutrale  Terzen  kommen  weil 
häufiger  vor  als  kleine  und  grosse.  (Auf  die  gelegentlich  neutrale  In- 
tonation der  Sexte  wurde  schon  hingewiesen. 

Bin  Blick  auf  die  Rubrik  2  der  Tabelle  (üb),  in  der  das  Gewicht 
notiert  ist,  mit  dem  die  beobachteten  Werte  in  den  .Mittelwert  eingetreten 
sind,  belehrt  uns  über  die  Frequenz  der  einzelnen  Intervalle:  Die  türkischen 
Melodien  bevorzugen  in  auffallender  Weis,'  die  Quarte;  in  einem  Stücke 
jedoch  (XVI II)  nähert  sich  die  Intonation  der  Quarte  dem  Triton us. 
Nächst  der  Quarte  kommt  der  Quinte,  den  beiden  Sexten,  der  neutralen 
Terz  und  dem  Dreiviertelton  überwiegende  Bedeutung  zu,  Der  Tritonus, 
welcher  in   der  japanischen    .\ln>ik    eine    hervorragende   Rolle  spielt,    fand 


—     -208     — 

sich  in  den    türkischen  Liedern    nur    ganz  vereinzelt;    die  kleine  Septime 
kam   niemals  vor. 

Aus  den  gewonnenen  Resultaten  dürfen  deshalb  weitgehende  theo- 
retische Folgerungen  nicht  gezogen  werden,  weil  sich  unser  Material  auf 
Gesangsstücke  aus  einer  einzigen  Gegend  beschränkt.  Erst  die  Vergleichung 
mir  Messungen  an  Instrumenten  mit  festen  Tönen  würde  die  Fehlerquelle, 
die  in  der  schwankenden  Intonation  eines  noch  so  guten  Sängers  immerhin 
liegen  könnte,  auszuschliessen  gestatten.  Mir  möchten  daher  der  allerdings 
auffallenden  Übereinstimmung  unserer  Mittelwerte  mit  den  Intervallen  des 
alten  arabisch-persischen  Musiksystems  keine  allzugrosse  Bedeutung  bei- 
messen; umso  weniger,  als  die  alten  Theoretiker  ihre  Spekulationen  fast 
ausschliesslich  auf  das  Studium  der  Lautenmusik  gestützt  haben. *)  Un- 
zweifelhaft intendiert  sind  die  neutralen  Terzen  (355  Cents),  die  häufiger 
vorkommen  als  grosse  und  kleine.  Dieselben  finden  sich  ausser  im 
arabisch-persischen  Tonsystem  auf  den  altschottischen  Sackpfeifen;  auch 
in  der  japanischen  Musik  sind  sie  gelegentlich  zu  beobachten  (ca.  340  Cents), 
doch  sind  sie  hier  wohl  anderen  Ursprungs.2) 

Es  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  die  bisher  angeführten  Intervalle 
von  einem  Grundton  aus  rechnungsmässig  gefunden  sind;  über  das  tat- 
sächliche Vorkommen  nicht-diatonischer  Intervalle  können  nur  die  Melodien 
selbst  Aufschluss  geben.  Wir  finden  die  Septime,  den  Tritonus  und  die 
Oktave  niemals  sprunghaft  gebraucht;  ein  einziges  Mal  die  Sexte,  dreimal 
die  Quinte  in  auffallend  unreiner  Intonation.  Quartensprünge  erscheinen 
dagegen  sehr  häufig,  meist  in  reiner,  gelegentlich  auch  in  erhöhter  oder 
vertiefter  Intonation.  Von  Terzen  sind  wieder  die  neutralen  überwiegend, 
lassen  sich  aber  deutlich  in  zwei  Gruppen  sondern  (335  und  362  Cents). 
Neben  ihnen  sind  kleine  Terzen  häufiger  als  grosse.  Die  folgende 
Tabelle  III  gibt  die  Mittelwerte  der  nicht-diatonischen  Intervalle  in  Cents. 

Aus  dieser  Uebersicht  folgt  unmittelbar  die  Abnahme  der  Frequenz 
der  Tonschritte  mit  der  Zunahme  ihrer  Distanz.  Der  Gebrauch  nicht- 
diatonischer  Intervalle  ist  im  Vergleich  zu  den  Halb-  und  Ganztonschritten 
auffallend  gering.  Die  türkische  Melodik  fliesst  meist  ruhig  dahin,  grössere 
Sprünge  bleiben  dem  Ausdruck  besonderer  Lebhaftigkeit  vorbehalten. 
(Vergl.  beispielsweise  die  Stelle  „hopba"  in  Stück  III). 

Die  Gebrauchsleitern  unserer  Stücke  (d.  h.  die  Tonreihen,  die  wir 
erhalten,  wenn  wir  die  Töne  eines  Stückes  der  Höhe  nach  ordnen)  zeigen 


1)  Ausser  den  neutralen  Terzen  finden  wir  folgende  Übereinstimmungen: 
169  Cents  —    1G8  Cents  =  Zalzals  near  index  (Chord.  I) 
ancient  middle  (Chord.  I) 
=  ancient  near  index  (Chord.  IV) 

Persian  middle  (Chord.  IV) 
-  Persian  near  Index  (Chord.  V) 
Persian  middle  (Chord.  V) 

Der  übermässige  Ganzton  231  Cents  findet  sich  auf  dem  Tambour  von  Bagdad 
(cf.  Ellis,  p.  500). 

'-')  cf.  0.  Abraham  und  E.  v.  Hornbostel:  Studien  über  das  Tonsystem  und  die 
Musik  der  Japaner,  Sammelbände  der  Internat.  Mus.-Ges.  IV,  '2,  p.  328  f. 


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(Vgl. 

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—    209     — 
Tabelle   IM. 


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kleine  . 
neutrale 


grosse 


Quarten 

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übermässige  . 


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keinen  einheitlichen  Typus.  Bemerkenswert  ist  aber,  dass  einerseits  nur 
die  /.weite  und  fünfte  Stufe  (einzeln  oder  zusammen)  fehlen,  andererseits 
die  dritte  und  sechste;  ein  gleichzeitiges  Fehlen  der  2.  und  b\  oder  3.  und 
.">.  Stufe  im  seihen  Stück  kommt  niemals  vor.  Am  häufigsten  fehlt  die 
Septime  (in  13  von  den  22  Stücken). 

Die  türkische  Melodik  erscheint  unserem  europäischen  Ohr  nicht 
fremd,  da  sie  sich  zwischen  ähnlichen  Eauptpunkten  bewegt,  wie  die 
nnsrige.  Die  melodischen  Schwerpunkte  stehen  zu  einander  fast  ausnahms- 
los in  Quarten-  und  Quintenintervallen.  Eäufig  bildet  ein  aufsteigender 
Quartschritt  (g — c)  den  Beginn  des  Stückes.  Bei  vielen  Stücken  fällt  der 
Schlusston  mit  dem  melodischen  Schwerpunkt  zusammen,  die  anderen 
enden  auf  der  Quinte  oder  Terz  der  mutmasslichen  Tonika.  Nur  bei 
einem  Stück  (XXi  fanden  wir  einen  Schluss  auf  der  zweiten  Tonstufe. 
Bei  einem  anderen  Stück  (V)  könnte  man  im  Zweifel  sein,  oh  nicht 
ebenfalls  ein  Schluss  auf  der  zweiten  Stufe  anzunehmen  wäre  ;  doch  haben 
wir  wegen  ihres  häufigen  Vorkommens  diese  Stufe  als  melodischen  Schwer- 
punkt unserer  Berechnung  zu  Grunde  gelegt. 

Wenngleich  uns  dieMelodien  buhl  ausgesprochenen  Dur-,  bald  reinen 
Mollcharakter  zu  haben  scheinen,  so  ist  eine  derartige  Subsumierung  unter 
Kategorien,  die  nur  in  unserer  harmonischen  Musik  einen  vernünftigen 
sinn  Indien,  bei  den  türkischen  Melodien  um  so  weniger  zulässig,  als  die 
nach  unseren  Messungen  häufigen  neutralen  Terzen  (sowie  Dreivierteltöne 
und  übermässigen  Ganztöne)  unsere  Auffassung  irreführen.  Wir  werden 
je  mich  dem  melodischen  Gefüge  eine  Stelle  bald  als  Dur,  bald  als  Moll 
beurteilen  können,  aber  bei  besonders  darauf  gerichteter  Aufmerksamkeit 
dieselbe  Stelle  willkürlich  bald  im  einen,  bald  im  anderen  Sinne  deuten. 
Stück  X  beispielsweise  fasste  der  eine  von  uns  als  Dur  auf,  indem  er 
statt    des    erhöhten  ges  ein  g,    anstatt    des  vertieften  1>  ein  a  heraushörte. 


1)  Einzelworte:   700,  720.  754  C. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904    Heft  2. 


II 


—     210    — 

Im  Gegensatz  zu  anderen  orientalischen  Melodien  fällt  bei  den  unseren 
die  Seltenheit  von  Verzierungen  auf;  Vorschläge  und  Mordente  sind 
äusserst  sparsam  verwendet.  Die  Melodien  sind  einlach  im  Aufbau,  be- 
stehen aus  mehreren  Teilen,  welche  einzeln  und  in  Gruppen,  zuweilen 
mit  kleinen  Varianten,  wiederholt  werden. 

Tn  der  Mehrzahl  der  Fälle  scheint  uns  ein  zweiteiliger  Rhythmus 
durch  die  ganze  Melodie  festgehalten.  Zwei  Stücke  (III  und  IX)  schienen 
uns  ganz  im  Dreivierteltakt,  eines  (VII)  im  Sechsachteltakt  gedacht  zu 
sein  ;  bei  anderen  (I,  V,  XV)  schieben  sich  mehrfach  dreiteilige;  Gruppen 
zwischen  die  vierteiligen  ein ;  bei  XV.1I  waren  wir  im  Zweifel,  ob  wir 
einen  drei-  oder  fünfteiligen  Rhythmus  anzunehmen  hätten. 

Das  Tempo  wird  durch  das  ganze  Stück  festgehalten,  gelegent- 
lich gegen  Schluss  gesteigert;  es  ist  meist  frisch  und  lebhaft  (j  =  140 
bis  170).  Einige  Melodien  (IV,  XII,  XV)  sind  durchaus  rezitativisch  ge- 
halten ;  bei  diesen  ist  eine  taktliche  Gliederung  schwer  möglich.  Gerade 
diese  Stücke  haben  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  einen  ausgesprochen 
melancholischen  Charakter.  Im  allgemeinen  sang  Avedis  fröhliche  Liebes- 
lieder. 

Bei  Stück  IV  fanden  wir  eine  äusserst  schwankende  Intonation,  sodass 
wir  auf  die  Messung  verzichten  mussten;  auch  ist  dieses  Lied  sehr  frei  im 
Rhythmus.  Der  Text  enthält  vorwiegend  persische  Worte  und  es  ist 
wahrscheinlich,  dass  wir  es  mit  einer  besonders  alten  Melodie  zu  tun 
haben. 

Die  Texte,  welche  wir  den  Noten  der  Lieder  beifügen,  zeigen  be- 
merkenswerte Eigentümlichkeiten  in  ihrem  Verhältnis  zu  der  Musik.  Von 
der  auffallenden  musikalischen  Rhythmisierung  der  Worte,  welche  der 
sprachlichen  Metrik  der  Verse  zuweilen  ganz  zuwiderläuft,  wird  noch 
gesprochen  (s.  S.  "223). 1) 

Fremdartig  berührt  uns  weiterhin  die  musikalische  Betonung  einzelner 
klingender  Konsonanten  (f,  m,  n,  1,  r).  Dieselben  erhalten  nicht  nur  ganze 
Taktteile  für  sich  allein,  sondern  werden  öfters  sogar  mit  musikalischen 
Figuren,  Koloraturen,  ausgeschmückt  (vgl.  Stück  VI,  in  welchem  das  r 
mehrfach  in  dieser  Weise  behandelt  wird).2) 

J  =  170  L 


Ba-gha  git  -  ti  -  m      ü  -  süm    yok,        el      ja-   —    —  ryn-da    gö-  süm   yok, 

el    ja-    —    —  ryn-da      gösüm    yok,     ben    ja-    -    ry  -  my     kü-  stü-  r-düm     ben 

1)  Vgl.  auch  M.  Hartmann,  Metrum  u.  Rhythmus.     L896. 

2)  Die  Texte  der  folgenden  Notenbeispiele  halten  sich  an  die  erste  (phonetische) 
Niederschrift  Herrn  v.  Luschans.  In  XII  hören  wir  aber  deutlich  zwischen  „kyslar" 
und  „gelin"  eine  Silbe  „da".  Die  Worte  „elvan  etc."  in  XVII  hat  Avedis  gesungen 
nachher  aber  zu  diktieren  vergessen.     Ebenso  den  Text  der  Coda  von  XV. 


—     -JU     — 


ja- 


—  ry- my     kü- >tii  -  r-    dum,       ba  -  ry 


schma- 


gha    jii-süni 


mmism\^smsmmmm=^ 


yok,       ol  -  ma         ;i    —   tym    ha-     —    wa-    ja, 


l*i— ,«■»— 


du    -    schtü 


di- 


mwm&$m\^mmmmMm0M 


wan  lian-  nc    —      ja,        di  -  wan  lia-  ne       ja-     r-  il-  ili,  jar      boi     —     nu 

glissando 


—&•. — x' — i — l^z: 
ma  sa  -  ril-    —     di  hop  liop 


ja-  ri     —     ma-di     ma-    schal- lab. 


Leiter. 


£=}— J      j=& 


-s» P — 3=] 

:r 1 Jd 


30  J  3:;:1,  .",54         411) 


508         550 


IL 


•  =  170 


+ 


+ 


_-— +_|=L. 


JKE-*    f *  IjjE^EJg^-J    f>    I^^M^t^E_j] 


Medsch-bur        ol  -  dum      —        ben     —       bir        gö-  —    —  ün-    — 

+  -      +  +  + T 


-i    r  i  '-^^^.^.fT^j^w  rx^jjj   J  \F\—\    i — B 

ji-     ne  düsch-du-    —     —    m     dil-  —     —  den   di-     —    —  lc,        fur-sat   bul- 


4—4- 


i äj^L  __-5f5__) | 


+      + 


+      + 


0 m ?*1  — ,--f      H]-^   • J-r --*» 1 »V? 1 -f"» 


war-     —      ssam         ya-     —    ra       — 


+  + 


bcn  sa-ryl-sam       —      indschedschik   indschedschik      boi-  -        —       le 


*E3:i3^l£==jrrfT  j-^W  ^  JT^i 


ssa-  ra  -  rym     ssar-      — 


-Leiter.  F7F  r r 


dyr-    —    —  mam  el-  ler-  --  —  e. 

+ 


■77      -» 

- • j    274« 


=*=«* 


1=? 


gHÜ 


S31       868       B8"J       §80       »66      ."> i  1       Ö4i>      613 

1  ! 


=  144 


212 
III. 


ssa-  —  ki, 


al-dy     be-ni     gidi-  jor      hop-ba 


m^=^mg^m*^=i=W-:i  i  j  i  /j  M 


rosa     hani  -  mi-n       me- 


- — ©. 
ra-  —     —  ki        wai    wai    ne  di    de-m  wai. 


Leiter. 


-st 


zzzk^i 


9 p— 3j 


368  383         445 


473         540  576 


•  =  132 


IV. 


— I-H-T — 


-ffy-4— ^—F* — *-I-*=^ — t-  -.-^-ai-T-o-T-— r— *-f-| — r~t-F — r-f 

den  ba-schim-dan  gitt    -     mi 


Sbe-  ba-  -    bet  gdt-     ti-     de       el 


jyr u^pHaJ-  i^i  r^-    i  i-| ^ffjTn- — -i  . — •zg— f*^ — j=3 

jor      sew  -  dam     —       —       —  chaj-jat-  tym  ma-     —  f 

:£^5=SE{ESE=E^E^EEE^^EEE4^^^}=^f  ESSSBEE 

"^  —  t-o— r- j — z—  *—b-ä •— F-« 1 — I— | — \  — *-•-*— F  -Tg)— 


o-lup  git-ti 


mu  -  bab  -  bet     git-     —       nie-     jor     dschan  -  dan 


<st— 


cliaj-       jatt-ym     ina-      —      f      o  lup  git-ti      — 


nm-  bab-  bet  "it- 


^=^s^g^s^^0=$m 


nie-     jor 


dschan- 


—       dan  i  -  Bchitt-ssin-ler    —    —      bu     i'e- 

I  l.v. 


tjLf-iHUg^^^P^^^-Cj^^- 


ria-  dym 


5-  liir-     ssam-    de        — 
2.  v.  ^ 


—        mcssa  -  rym-     —     dan 


—         cliaj  -  jat  -  tynV  maf    —     —     —      o-lup  git-ti 


dan 


—     213     — 


v*    ■»     ;»  ^  *- -^   - — ' 

—    —  ^    mn-hab-bet  ^rit-     me  jor  dschan-     —  dan       chaj-    jat-  tim 


^ffi-p-Ups- 


ma-    —     f     —     olup  pitti    —       —       —      mu-hab-  bet     git  -  me-jor  dschan-dan. 

Leiter  wegen  schwankender  Intonation   nicht   bestimmbar. 


V. 


0  =  144 


+      + 


+     + 


+     +       + 


r*~fc=: 


5-f— 1 « 0-H-l-j-*. — G> — j i.  .zi — j       -a — #_«_#_q 1 J3_ 

2-i-^j 0    *■    Ty -1-1 #*- =-< 0 #- • 


1.  Schu    <re  -  len    ben  o lai  -  dim, 

2.  bc  -  lin-    de      Ta  -  ra-       bo  -   lus 


+ 


+     + 


+       + 


a-     ti-     na      —       nal        o- 
satschay  gy     —      ben      o- 

+      + 


- — #p* — d-    — m' — #    — ^r: — z^~0 • —    * — P* ö» * 


1.  lai-    dim,     a-    ti-       na    —     —      nal        o-  -    lai-    -    dim 

2.  lai-     dim,      satscha-    gy     —      —      ben        o-  -    lai-    -     dim 


+     +      + 


+       +     +  4-    +       + 


:..     wa  -  ra 

+ 


0 » 9. J—i-0 g).— 1L— j-i — 0-1    \       *-* — * # •_!_  0 &~ IJ 


nen-ni     do     non-ni     de     non-ni 


sa-llan    gc\ 

+  + 


<rer  -  da  -  ni     ben-li. 


Leiter. 


z± 


340        .",56         389  4  1" 


44  3  47  6  5:;  3 


•  =17G 


VI. 


ZW-'-^—ä *— 


Schi  -  rin 


jr  ä-v-o— s-p0—^ — #-,--j-H-f-! \ sJ==g^-3 

—      ja-    —    schy-    —     da  pek      kfid-  schüd- 


da 


scheck- 


I ! 

-— » — 4 


di- 


r  schirim  e  -  da    —     —    ja- —  schy-    —    da 


pei   küd-  schüd-schek-      —       di-    —       —  r  ko-kos    -    su-    —  na 

/~s  mdo 


g^^^^3JJJji^^E^=3p^=p== 


—     do-  jul-  —    mass  —  bi-     —      r  techi-tschek-di-     —      r 


214 


— i — •-•— -fs»— ^-F1?— —--•-• — • — h-j-  -^fg-gi— j-i  -jt — -p — I — j-h 


ne       tschi-tschek dir  — 

< — ^ — ^Xi^-, — |— ^:  :-^ — j- 


io-lcossu-  na 


do-    jul-  —  mass 


w  •  u)  ä~s 


bi-  - 
Leiter,    t 


(schitschek-di- 


308  343  :S80  41! 


—     ma ne  tschi-tschek-     dir. 


L^ 


501  565  6  16 


•  =  208 


VII. 


lfr:r 


-• — rf~: 


A-na  ben  has-  ta  -  Jim      maril     i-     ste-  ri-  —    m      a-     na     ben     has-ta    Jim 


iü — 1^ — ' ' *r"l^""* ir H — \t — ! K K ^' 

Wir*'  ;"  ?jj^  i:faN^±j=j^ 

'— *rf — |r~  t  


-•-•_ 


:•—•-•- 


-^Sö-* 


3B* 


::H-?-:: 


—     maril     i-     ste-  ri-  —  m       hef-ta-  nin    ha-  schin-      da düjün  i-  ste-  rim. 


Leiter. 


— I :, 3 y-) h & $& — HH 


3:)1       T.92  419         436         457         52  1  592 


Villa. 


+ 


+  +     + 


+ 


•  =144 


(Schu)  Jahu-di      ky-    —     —    sy 

+      +      +  +        + 


kaj- jet    kir-    mi-     si     amman,  araman, 
+       +      +  +  +    + 


+      + 


— | ,«-^— ",^- 

-3-  --•-g-»-irf- 


£ 


am-  man  da     Ja-     hu- 


di 


sc  -  we  -  ris     ef  -  fcn- 

§  +  + 


dim    - 

+ 


-  U-j. — # -i 1 — \--Ji _ — ä-m — 0 — 4- - 1-3 m p P r 


*= 


kaj  -  jet     kir  -    mi  -    si        — 

u + 


+    +     +  §§  + 


+ 


LS  -     mir     i  -    schi     kon-du- 

+      +        Fine    +       +     + 
-fr 


0 J 0J. 0    ^_#_I-f * s? e-f-I— gl ll s_-' 

ras-  si     boy-    a-       ly       am-man    da     Ja-     hu-        di.  Hai-  de,  Sei-    ma 


y        +  +     +         _+ + +    etc.  D.  C. 


U 


a-     —       schick     —    ka-  ra     gös-  lü       Se-     1- 
§   Variante  (VIII  b). 


Schuh  Ja-  hu-  di 


§§ 


0 — » — 0 — J — 0 — •« — # — 0 —    *ir — *  4-  * — * — J 
is-  mir    i-    schi  kon-du-  ras  -  si       boy-     a-      li,     ah, 

+ 


Leiter,    bez 


Villa.       ..98 

viii  h.   ;98 


=£^P=^= 


:;  19        :i6(i         :>94         450         49  I 
:'.22        374         409  468  49  1 


•  =  108 


IX. 


0 


— _ 1 —  "    J 1        ■■    ^ 

l  J]  jk  jKZ:=Fr?iz:j?::^4-^— J — Lj— jL 

Dschilve-li     ky-    syn  e-    —        le me        —  yak-dy     bi  -  tiin     a- 


i=g3^k*-yPT"c  (T  c=e£ 


T^P    C  "» 


V l/_A 


|»gg; 


le-  —      mi 


ya-  kars-san-  da     al-  mas-dym  be-  ni    he-    ni      jak 


=fc=er 


=*=f-£frr  ij*j$ 


jak-ma  bi-  tun     a- 


le- 


—       mi  ben    se  -  ni    öp  -  tum 


^^£=£0 


•— — -j-l H K ■+- H H 1 1 m-i 


S» 


>— r. 


üi 


ben     se-  ni  sew- dim      am- man  am-man  dschuwa-ny-m  ben     se-  na    yan-dym     — 


Se-        ni        se — wen    mer-  d     ol-     mass 


-^ — ^-i— I 1 

jü-    re jin-    de    — 


ben    se-   ni    öp-    tum  hon  so-    ni  sew- 


tlcr- 


(t      oi  -  mass 


(^s^ipriiPliüfellilp^l 


dim 


Leiter. 


amman    amman  dschuwa-  nym    ben       se-      na    jan-  dym. 


3==t 


=£=±=5=^=800 


ha 


H 


331    p    419   450   4T2   500   518   55"J   H81 


•  =  138 


216 
X. 


£fc=^= 


fe^^^e^l^ 


-    -j-  + 

-0 — #__i_q^_ 


-•— *  ä— i-d 


Sew-    —    dim       sew-     dim     bu        kut-  schuk  yasch-da  se  -    ni, 


=t 


-hL    I    P—t—F—t 


^ij=l 


tr=i 


.# — ß. 


gü-     1     gi bi  —     so 1-      —     dum  — 


dusch du- 


-* — ^ — ^P 
ma  -  ra  -  sa 

+ 


i=:==U.U^L-i^l     1.  I  | 
ascli-  ka    ja-  —     —  syk 


be-  —  im 


+     + 


be-       — 


im     ben         we-  re-  nie 


tu-     —      tul-   dum. 


+ 


Leiter.    : 


$etdzö=zf»: 


;=&=*= 


351   383   422   460  5i8«5  554   6C7   696 


•  =152 


XI. 


+    + 


+ 


BE3EE£ 


+    +        ^ 


Bir  tschift(i)  bül  -  bül(i")       gel-      di  kon- du    !ca-     my-scha 


EfeXftJ^Ü=^d==^i^=^£=j^fl^ 


ben-  den   se-    lam    ei- 

-       +        +-     - 


Ion 


nas   -  ly     men  -  nu  -  scha 


ben- 


^t^^^^4-iiP^~rii^4--^-^i=3==i 


dem     se    -    lam      ei 


len 


nas  -    ly     men  -  nu  -  scha. 


Leiter. 


+ 


+ 


-fer— Ho    1f 


^ö 


327    T,46    :i85   424   466   503   657 


P 


217 
XII. 


Recitativ. 


Gelin  kyslar  da  ge-  lin 


—      bir-    lik-     — 


—     den  a^h  -  lan. 

da  capo 


H5kP 0  0 ß — v-x — I *-■ — G> m* 1 m — I ^ ä ä — ' — PH f-^ -\i 

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Leite 


387«5  401   457   494   544   617 


,  Ali  aus  Marasch. 
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V. 


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0  -  144 


218 
XIV. 


+     + 


Üs  -  kü  -  ta-ra  gi  -  der   i  -  ken  bir  (i)  men  -  dil     (i)   bul  -  dum         — 


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men  -  di  -  liu     i  -  tschi  - 
+_+  +    + 


ne      lo-clium  dol-    dur  -  dum,         men  -  di  -  liu     i- 


tschi  -     -     ne      lo-     chuni  dol  -  dur-dum. 


kia-tib  be-     nim  ben  kia  -  ti  -  bim 


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kia  -  ti  -  bi  -  me 
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ssyr   -    ma  -  ly     tscheb-gen 
+       ++      + 


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ne  -  de     gü  -  sei    ja-      ky-     schyr,        kia  -  ti  -  bi  -  me         ssyr-maly      tscheb-gen 
nede     güsel   ja-       ky-        schyr.  i-      ste-    men,  i-      ste-    men, 


_  + -  ^ +—        ^_    +_ 


sal-      sa-    nat  ka-      bul 


et- 


Pai  -   tu  -  na   bin  -  di    -   re        Jim 

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Freie»  Tempo. 


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XV. 


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Olüm  fais-ma      yok-ssa  siin- net     bir  dsclian  itsrhim      et-mem  min-nett 


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-    -  + 


De-  siin-ler    ki  a-  ha  dschen-nei  -  ginnen  yarsyss  ha-ram   oll    -     ssun. 

Uoda.  +      -  -      -+       -   + 


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-  +  + --  4-  -    -  +  +  -  +  +  + £ 

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Leiter.     : 


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XVI. 


Freies  Tempo. 

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Am  -  man  de  -  jir-     —       —     —     nun-  Jje  amrae  —    —     u  -  jiit  boghda- 


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my    bogh-  da  -  my     —     —       we-rem    sa-  —     —     —      na 


ger-  da 


ne-     —     —    nü  — 
Efe^^*^« — *- &—  ~~Q'       0 ^ 


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un      u-      jun-     mess  — 


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Leiter. 


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•220 


XVII. 


f^nrf^j^^^^^^j^^--ü^j 


Sei-  nepp    bu      gü-  sei  -  lik  wardiir  su  -  junda. 
Mü-  ba  -  rek    ged-sches-si    bai-ram  ai-    jin-da. 


kokar  koi-      nun-  da.     — 


el-  van  el-  van    gül-ler 


Leiter 


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333   331   343   389   437   481   518   576   64: 


#  =  174 


XVIII. 


-cqf— #•■ — ^— | — | — T-| taf-t^i #-P»-#-g— ^-#4-* — »g»--s— Hl 


Bagbt-sche-ler-de        ü  -    tür(i)  -  scha    —     bo-ju      u-     sun    ken- di    schall 
I    -    ki     gö-    nül      bir(i)  ol-       ssa        —      aj-    i-      ra-    mass  pa-  di  -  schah 

da  capo  al 


^§j^=£J3gS^g5jg^jiä^^g| 


köi  dan(i")  gel,  köi  dan(i)  gel,  or-  tassy  dsehamur,  jan-  dan  gel.    aj  -  i-ra-mass  pa-di-schah 


Leiter.    : 


iä=&tz%ä=f=%=tr. 


1 


348   395   421   465   503   551   596 


'=  176 


XIX. 


+     + +  4_+^_7 


+     + 


+  +-   +. 


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Ha- wal  -  lar    bu-    —    lan-     —     dy 
Is  -  mi  -  ri       i-      —    tschin-       de 


kar-my      ja-  gha- 
wur-du-      lar  be- 


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Sol  gö-  süm    oi-     — 
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koi-du-  lar    be- 


dschek. 
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)57   421   472   517   581   642 


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XX. 


•  =  170 


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Is-mir-in      yo-lun-     —       da 


gel     jat 
kan  -  dyr- 


di-      si-       —    me  — 
get-  schil-      —     me ss 


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Sü-r-  me-  1er    tsche-ke- 


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353    399    431    471    534    60{ 


2i,:>     — 


3.  Über  die  Bedeutung  des  Phonographen  für  vergleichende 

Musikwissenschaft. ') 

Von 

O.  Abraham  und  E.  von  Hornbostel. 

Wie  die  Philologie  zuerst  die  einzelnen  Sprachen  in  ihrem  Wort- 
schatz, ihren  Flexionsgesetzen  und  ihrer  Syntax  jede  für  sieh  getrennt 
erforschte,  so  hat  sieh  die  Musikwissenschaft  bis  in  die  jüngst«1  Zeit  aus- 
schliesslich mit  der  Geschichte  unseres  europäischen  Tonsystems  und 
der  europäischen  Kompositionsformen  beschäftigt.  Während  aber  die  ver- 
gleichende Methode  sich  die  Sprachwissenschaft  binnen  kurzem  vollständig 
eroberte,  hat  die  Musikwissenschaft  auf  dem  neuen  Wege  erst  ein  paar 
schüchterne  Schritte  gewagt,  und  es  wäre  verfrüht,  von  einer  vergleichenden 
Musikwissenschaft  als  einem  gesicherten  Kulturbesitz  zu  sprechen.  Zwar 
findet  sich  in  den  Gesamtdarstellungen  der  Musikgeschichte  wohl  meist 
auch  eine  flüchtige  Skizzierung  exotischer  Musikverhältnisse;  doch  stellt 
sich  die  Betrachtung  vorwiegend  auf  einen  künstlerischen,  subjektiv- 
ästhetischen Standpunkt  und  das  Streben  nach  wissenschaftlicher  Objek- 
tivität gehört  der  allerjüngsten   Zeit  an. 

Die  Problem«',  die  von  einer  vergleichenden  Musikwissenschaft  in 
Angriff  zu  nehmen  wären,  sind,  wie  bei  allen  Grenzwissenschaften,  mannig- 
facher Arr.  Die  Musikpflege  nimmt  innerhall)  der  Kultur  eines  Volkes 
einen  Raum  ein.  dessen  Breite  nicht  leicht  überschätzt  werden  kann. 
Musikalische  Äusserungen  sind  als  Ausdruck  des  Volkscharakters  nicht 
geringer  zu  bewerten  als  andere  Kunstformen.  Wo  wir  uns  aus  dem  ge- 
samten  Kulturbild  bereits  den  Begriff  eines  speziellen  Stammes-  oder 
Rassentypus  abstrahiert  haben,  da  empfinden  wir  auch  die  Übereinstimmung 
desselben  mit  den  Volksweisen  und  den  musikalischen  Kunstformen  des 
Landes.  Es  genügt,  die  Namen  Bizet,  Grrieg  oder  Mascagni  zu  nennen. 
um  anzudeuten,  was  unter  französischer,  skandinavischer  oder  italienischer 
Musik  zu  verstehen  sei.  wenn  wir  auch  weit  davon  entfernt  sind,  die  ein- 
zelnen Charakteristika  genau  angeben  zu  können.  Immerhin  besitzen  wir 
t'üi-  Europa  ein  genügendes  Induktionsmaterial,  um  der  heiklen  Frage  nach 
den  kulturellen  und  psychologischen  Rassenmerkmalen  auch  auf 
musikwissenschaftlichem  Gebiet  näher  treten  zu  können.  Bin  hinreichendes 
Material  an  exotischer  Musik  würde  uns  aber  nicht  nur  einen  Rückschluss 
auf  das  Temperament  eines  Volkes  gestatten:  denn  da  die  Musikpflege, 
wie  jede  k (inst lerische  Äusserung,  auch  zu  den  wirtschaftlichen  Verhält- 
nissen  in   funktionaler  Abhängigkeil  steht,    könnte  aus  der  Art  des  Musi- 


1)   Nach  den  in  der  Sitzung  vom  20.  Juni  L903  gehaltenen  Vorträgen. 


—     223     - 

zierens,  Bowie  namentlich  aus  der  Ausbreitung  und  Höhe  des  musikali- 
schen Dilettantismus  auch  auf  die  Kulturstufe  eines  Volkes  geschlossen 
werden;  allerdings  nur  mit  grösster  Vorsicht. 

Die  .Musik  ist  mit  den  anderen  Kulturäusserungen  auf's  Innigste  ver- 
webt, und  ihr  Studium  vermag  zahlreiche  Probleme  anderer  spezieller 
Forschungsgebiete  in  ein  neues  Licht  zu  rücken.  Die  Verknüpfung  der 
Musik  mit  der  Sprache  ist  eine  so  enge,  dass  die  Präge  nach  dem  l  r- 
sprunge  der  einen  wie  der  anderen  stets  von  dieser  Wechselbeziehung 
anseesan&ren  ist.  Man  hat  bald,  wie  Spencer  in  seiner  Speechtheory, 
den  Gesang  als  ein  durch  Emphase  gehobenes  Sprechen  erklärt,  bald  um- 
gekehrt, die  durch  Gebärden  unterstützte  Verständigung  in  musikalischen 
'röneii  «lein  gewöhnlichen  Sprechton  vorangehen  lassen  (Darwin). 
Endlich  suchte  man  im  Sprechgesang  die  gemeinsame  Wurzel  sprach- 
licher und  musikalischer  Äusserungen  (Rieh.  Wagner).  Wie  immer  sich 
die  Wissenschaft  zu  diesen  Eypothesen  stellen  mau.  an  der  Untrennbarkeit 
der  Dicht-  und  Gesangskunsi  in  primitiven  Kulturen  wird  sie  unbedingt 
festhalten  müssen.  Die  Bedeutung  des  Sprechgesanges  als  primitive 
Kiinstform  wird  uns  an  vielen  exotischen  Weisen  klar;  und  wer  einmal 
dem  Singsang-  unserer  Kinder  Aufmerksamkeit  geschenkt  hat,  dein  werden 
die  eigentümlichen  Übergänge  von  voller  Tongebung  zu  blossem  rhyth- 
mischen Sprechen  nicht  entgangen  sein.  Ein  merkwürdiges  Verhältnis 
scheint  bei  türkischen  und  arabischen  Liedern  zwischen  Text  und 
Musik  zu  bestehen.  Der  Rhythmus  der  Melodie  nimmt  anscheinend  auf 
das  Metrum  der  Dichtung  keine  Rücksicht.1)  Beispielsweise  erst  heim  die 
Vufanu'szeile  eines  türkischen    Liedes  in  folgender  Akzentverschiebung: 

gesprochen:     w/w^w/^r  /         u      •  j      / 

Lskütara  gider  iken    bir  mendil(i)  buldum 
gesungen:     /w'^/^rw         /        ^     /  ^      / 

Auls  engste  verwachsen  mit  Musik-  und  Dichtkunst  sind  auch  die 
primitiven  mimischen  Äusserungen:  der  Tanz.  Hier  liegt  für  die  ver- 
einigte Forschung  des  Ethnologen  \\\\^\  Musikers  noch  ein  weite-  Fehl 
offen.  Ls  sei  uns  gestattet,  nebenbei  auf  ein  Hilfsmittel  der  modernen 
Technik  hinzuweisen,  das  den  Forschungsreisenden  hier  gute  Dienste 
leisten  könnte,  den  K  i  n  ein  a  togra  ph  e  u.  Simultane  kinematographische 
und  phonographische  Aufnahmen  würden  ein  vollkommenes  und  bequemes 
Studium  der  Kindheit  des  Dramas  ermöglichen;  doch  sind  dies  vorderhand 
Zukunftsträume,  deren  Ausführbarkeit  die  weitere  Vervollkommnung  und 
Verbilligung  der  Apparate  zur  Voraussetzung  hat.2) 

Auch  das  der  Tanz-.  Dicht-  und  Gesangskunst  gemeinsame  Element, 
der  Rhythmus,  isl  vielfach  als  Wurzel  aller  musikalischen  Kunst  erklärt 
worden.    Hans  v.  Bülows  geflügeltes  Wort:   ..Im  Anfang  war  der  Rhythmus" 

1)  Vgl.  M.  Hartmann,  Metrik  und  Rhythmus.    Giessen  1896. 

•2)  Immerhin   sind   einige  Vorsuche   schon   gemacht    worden:    Prof.  Baddon  (Edin- 
bourgh)   nahm   einen  Kinematographen   auf  seine  Expedition  nach  den  Inseln  der  Ten-,  e 
Strasse   mit;   die   erwähnte   akustisch  -  optische    Kombination   wurde    auf  einigen  Varietr- 
bnhnen  vorgeführt. 


—     224     — 

ist  auch  das  Leitmotiv  von  Billroths1)  Studie  über  das  Wesen  der  musi- 
kalischen Begabung.  Karl  Bücher")  stellt  in  seinem  auf  vergleichend- 
ethnologischer Untersuchung  ruhenden  Werk  über  „Arbeit  und  Rhytnms" 
die  Dreieinigkeit  von  rhythmischer  Körperbewegung,  Ton  und  Wort  an  den 
Anfang  der  Entwicklung.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  vielen  inter- 
essanten Detailfragen  einzugehen,  die  sich  für  die  Völkerkunde, 
Psychologie  und  Physiologie,  für  die  Ästhetik,  Sprachwissen- 
schaft und  Sociologie  an  das  Rhythmusproblem  knüpfen.  Es  liegt 
hier  eines  der  Hauptarbeitsgebiete  für  die  vergleichende  Musikwissen- 
schaft. 

Die  starke  Gefühlsbetonung,  die  aller  .Musik  anhaftet,  erklärt  die 
bedeutende  Rolle,  die  sie  in  allen,  auch  primitiven  Kultgebräuchen 
spielt.  Eine  wissenschaftliche  Fixierung  und  Untersuchung  der  religiösen 
Musik,  die.  nebenbei  bemerkt,  mit  grosser  Zähigkeit  älteste  Formen  be- 
wahrt, ist  nicht  nur  für  die  genaue  Beschreibung  der  Kultzeremonien 
unerlässlich,  sondern  wird  auch  vielfach  wertvolle  Fingerzeige  zu  deren 
Erklärung  geben   können. 

Die  wissenschaftliche  (metaphysische,  astronomische  und  mathe- 
matische) Spekulation,  die  von  religiösen  Anschauungsformen  ihren  Aus- 
gang nimmt  und  von  diesen  lange  Zeit  ihren  Nachdruck  erhält,  bemächtigt 
sich  bei  fortschreitender  Kultur  bald  auch  der  musikalischen  Formenwelt 
und  wirkt  später  wieder  auf  diese  zurück.  Wie  in  Europa  können  wir 
bei  den  orientalischen  Kulturvölkern  die  Beobachtung  machen,  wie  die 
Theorie  als  Privilegium  auserwählter  Geister  die  Fühlung  mit  der 
Praxis  verliert,  um  später  ihre  unabhängig  von  der  kontrollierenden 
Empfindung  gewonnenen  Ergebnisse  dem  Ohr  aufzunötigen. 

Als  Beispiel  für  diesen  Vorgang,  der  zuweilen  die  wunderlichsten 
Gebilde  zeitigt,  erwähnen  wir  ein  in  China  und  Japan  gebräuchliches 
Saiteninstrument,  das  Kin.  Wenn  wir  die  Saiten  dieser  Zither  an  den 
durch  Marken  vorgezeichneten  Punkten  niederdrücken,  gelangen  wir  zu 
Intervallen,  die  keine  psychologische  oder  physiologische  Akustik  zu  er- 
klären vermöchte.  Den  Schlüssel  zum  Verständnis  dieser  rätselhaften 
Tabulator  vermag  uns  nur  der  Zollstab  zu  geben:  Die  Tastknöpfe  sind 
vom  Ealbierungspunkt  der  Saite  aus  nach  beiden  Seiten  symmetrisch  an- 
geordnet und  die  Grösse  und  Reihenfolge  der  Distanzen  ist  vielleicht 
zum   Teil    in   der  chinesischen   Zahleiimystik    begründet. 

D;is  Kin  kann  uns  gleichzeitig  als  Beispiel  dafür  dienen,  wie  mit  <\i'n 
Instrumenten  auch  Intervalle  und  musikalische  Gepflogenheiten  überhaupt 
von  Land  zu  Land  wandern.  Alan  kann  fast  alle  japanischen  Musik- 
instrumente auf  chinesische  und  koreanische  Formen  zurückführen  und 
auch  in  Theorie  und  Praxis  der  japanischen  .Musik  ist  der  chinesische 
Ursprung  unverkennbar,  wenn  auch  die  weitere  Fortentwicklung  zu  ganz 
neuen,   voii  den  chinesischen  abweichenden,   können  geführt  hat. 

Wenn  man  die  Musik  exotischer  Völker    insofern    als   primitiv  auf- 


1)  Wer  ist  musikalisch? 

2)  Arbeil  und  Rhythmus.     L902. 


225    — 

fassen  darf,  dass  man  sie  mit  früherei]  Eiitwickluiigsstufei]  der  euro- 
päische!] in  Parallele  stellt,  so  würde  sie  uns  Anhaltspunkte  dafür  geben, 
wie  wir  uns  die  praktische  Musik  in  der  Antike  vorzustellen  haben. 
Immerhin  ist  es  fraglich,  eh  ein  solcher  Anschluss  der  vergleichenden 
Musikwissenschaft  an  die  Musikgeschichte  im  engeren  Sinn  zulässig  ist, 
da  erst  die  Gleichheil  der  Keimzellen  und  die  Analogie  der  Entwicklung«- 
bedingungen  sicher  gestellt  werden  müsste.  Es  sei  uns  gestattet,  mit' 
eine  sehr  auffallende,  sozusagen  wörtliche,  Übereinstimmung  hinzuweisen 
die  eine  in  der  japanischen  Melodik  besonders  häufig  wiederkehrende 
Phrase  mir  Stellen  aus  altgriechischen  Gesängen  aufweist. 

Die  vergleichende  Musikwissenschaft  hätte  aus  dem  gesammelten 
und  kritisch  gesichteten  Materia]  die  Gemeinsamkeiten  und  Zu- 
sammenhänge der  Musikentwicklung  in  allen  Teilen  der  Erde 
bioszulegen,  die  Unterschiede  aus  den  besonderen  Kultur- 
verhältnissen /. ii  erklären,  schliesslich  durch  Extrapolation  auf 
die  Ursprünge  zurückzuschliessen. 

Wir  haben  in  aller  Kürze  die  Aufgaben  anzudeuten  versucht,  die 
sieh  eine  vergleichende  Musikwissenschaft  zu  stellen  hätte.  Sie  stehen 
mit  den  allgemeinsten  Fragen  der  Musikgeschichte,  der  Ethnographie 
und  Psychologie  in  engstem  Zusammenhang  und  ihre  Lösung  kann  Hin- 
durch das  Zusammenwirken  dieser  Wissenschaften  angebahnt  werden.  Die 
Geschichte  dessen,  was  bisher  in  dieser  Richtung  geleistet  werden, 
ist  kurz,  und  greift  seihst  in  ihren  bescheidensten  Anhingen  kaum  zwei 
Dezennien  zurück.  Was  der  Einführung  moderner  Methoden  voranging, 
beschränkte  sich  einerseits  auf  rein  historische  Studien,  andererseits 
auf  ethnographische  Beschreibung. 

Die  Kenntnis  der  Musik  der  orientalischen  Kulturvölker  fusste 
bis  auf  unsere  Tage  auf  der  Wiedergabe  und  [nterpretation  altehrwürdiger 
theoretischer  Traktate,  an  denen  namentlich  die  chinesische,  indische 
und  arabisch-persische  Literatur  reich  ist.  Die  chinesische  Musiktheorie 
hat  1780  I'.  Ami  et1)  in  der  grossen  Encyklopädie  der  Pekinger 
französischen  Milien  ausführlich  dargestellt;  scheu  10  Jahre  früher  hatte 
der  gelehrte  Abbe  Roussier2)  in  seinein  Werk  über  die  altgriechische 
Musik  auf  die  Parallele  des  pythagoräischen  und  altchinesischen  Systems 
aufmerksam  gemacht.  L842  veröffentlichte  der  Wiener  Musikhistoriker 
Kiesewetter  seine  ..Musik  der  Araber",  nachdem  er  mit  Hammer- 
Purgstall  IS  arabische  und  persische  Originale  studiert  hatte.  Aus 
dieser  Quelle  schöpfte  noch  Belmholtz;  seither  hat  der  Leydener  Orien- 
talist Land  8)  uns  ein.-  wertvolle  Studie  /ur  arabischen  Mu^ik  geschenkt, 
während  wir  aber  indische  Musik  Ins  vor  kurzem  nichts  Zusammenhängen- 
des besassen  ausser  der  Monographie  von  Jones   übers.  vonDalberg  1802).*) 

1  I'.  Amio!  Memoire  sur  la  musique  des  Chinois  ;  Memoires  enncernant  les 
Sciences  etc.  des  Chinois,  paz  los  missionaires  de  Pekin.     Paris,    L780. 

2)  Abbe  Etoussier,  Memoire  bui  la  Musiqae  des  Ancions.  Paris.   1770. 

.".]  Recherchee  sur  L'histoire  de  la  gamme  arabe.     Leyden,  L884. 

I  Jones,  On  the  musical  modea  "1'  the  Hindu-.  Asiat.  Eteas.  III.  1799;  F.  H.  Dal- 
berg,  Die  Lieder  der  [ndier  asw.    Erfurt  L802. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Hefl  2,  15 


—     2-26     — 

Auch  diese  philologischen  und  musikhis  torischen  Forschungen  werden 

zu  ihrem  Rechte  kommen,  sobald  ein  genügendes  Vergleichsmaterial  an 
moderner  orientalischer  Musik  vorhanden  sein  wird.  Ohne  dieses  letztere 
wird  vielfach  die  Übertragung  alter  Notationen  und  die  Deutung  der 
termini  technici  sehr  unsicher  bleiben. 

Tu  den  ethnographischen  Berichten  der  Reisenden  und  Missionare  ist 
ein  grosses  Material  von  Beschreibungen  der  Instrumentalformen,  Auf- 
zeichnungen von  Gesängen  nach  dem  Gehör,  Skizzierungen  des  allgemeinen 
Gefühlseindruckes  bei  fremder  Musik  aufgespeichert.  Auch  dieses  bedarf 
sehr  der  kritischen  Sichtung,  wird  aber  mit  der  nötigen  Vorsicht  oft  heran- 
zuziehen sein. 

Besonders  beachtenswert  sind  uoch  die  Aufzeichnungen  von  intelli- 
genten Eingeborenen  oder  Leuten,  die  sich  lange  Zeit  im  Land  aufgehalten 
haben.  Zu  ersteren  gehört  der  bekannte  Radjah  Tagore1),  der  fast  alle 
europäischen  Museen  mit  wertvollen  Sammlungen  indischer  Instrumente 
beschenkt  und  als  hochgebildeter  Amateur  mehrere  musikwissenschaftliche 
Arbeiten  veröffentlicht  hat,  deren  Zuverlässigkeit  noch  durch  genauere 
Untersuchungen  zu  kontrollieren  sein  wird;  dem  Leibarzt  des  Mikado, 
Dr.  Müller2)  war  es  vergönnt,  die  sonst  unzugängliche  japanische  Hof- 
musik, die  sogenannte  Gagakku,  eingehend  zu  studieren. 

Auch  die  rein  ethnographische  Bearbeitimg  des  Museumsmaterials 
an  Musikiustrumenten,  wie  sie  Ankermann3)  für  die  afrikanische  Samm- 
lung dieses  Hauses  durchgeführt  hat,  bildet  eine  wertvolle  Vorarbeit  für 
die  vergleichende  Musikwissenschaft.  Endlich  wird  diese  auch  die  Er- 
forschung der  prähistorischen  Funde  zu  berüksichtigen  haben.  Wir 
erinnern  au  die  iu  den  dänischen  Torfmooren  und  auf  Kullen  gefundenen 
Luren*)6),  sowie  an  die  grotesken  Tonpfeifen  aus  Peru,  Mexiko  und 
Costarica,  denen  Wead6)  eine  eigene  Monographie  gewidmet  hat. 

Mit  der  Einführung  physikalisch-akustischer  Methoden  ist  die 
vergleichende  Musikwissenschaft  in  eine  neue  Aera  eingetreten.  Das 
frühere  Verfahren,  auf  den  Forschungsreisen  Musik  zu  hören,  den  Gefühls- 
eindruck  zu  schildern  und  über  Rhythmus  und  Tonhöhe  Aussagen  zu 
machen,  die  rein  auf  dem  Gehöreindruck  basieren,  hat  den  Übelstand, 
dass  die  Objektivität  in  der  Untersuchung  fehlt.  Gerade  der  Musik  gegen- 
über kommt  man  aus  konventionellen  Schranken  nicht  heraus,  und  man 
verfällt  leicht  in  den  Fehler,  die  Grundlagen    unserer  europäischen  Musik 


1)  A  treasury  of  the  musical  instruments  of  India  etc.  Calcutta,  1875.  —  Musical 
Scales  of  the  Hindus.     Calcutta,  1884  etc. 

2)  Mueller,  Einige  Notizen  über  die  japanische  Musik.  Mitteilungen  der  deutschen 
Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens.  Heft  6  (Dezember  1874),  Heft  «S 
(September  L875),   Eefl  9  (März  L876). 

3)  Die  afrikanischen  Musikinstrumente.  Ethnol.  Notizblatt  des  Museums  für  Völker- 
kunde.    Berlin,  III,  1901. 

Ii  A.  Hammerich.  Die  altnordischen  Luren.  Vierteljahresschrift  für  Musikwissen- 
schaft,   X,     L894. 

5)  K.  Kroman.     Quelques  remarques  sur  les  Loures.     Kopenhagen,  1902. 

6)  Charles  Kasson  Wead,  Contributions  to  the  History  of  Musical  Scales.  Smith- 
sonian  Institution  U.  S.  National-Museum.     Report    L900.     Washington,    1902. 


—    111    — 

als  Grundlagen  der  Musik  überhaupt  anzunehmen,  und  so  mit  einem 
falschen  Masstab  zu  messen,  unsere  Begriffe,  „Dur"  und  „Moll"  und 
andere  haben  sich  so  stark  in  uns  festgesetzt,  unser  ganzes  musikalisches 
Denken  basiert  derartig  auf  ihnen,  dass  mau  mir  mit  grosser  Blühe  sich 
von  ihnen  frei  machen  kann.  Zu  allen  Melodien  »lenken  wir  uns  be- 
wusst  oder  halb  bewusst  entsprechende  Harmonien.  Erst  nach  monate- 
langem Studium  der  japanischen  Musik  ist  es  uns  gelungen,  uns  wenigstens 
von  der  harmonischen  Vorstellung  frei  zu  machen.  Noch  schwerer  geling! 
<las  Aufgeben  unserer  musikalischen  Gewohnheiten  bei  [ntervallen; 
wir  messen  alle  Intervalle  nach  den  uns  gewohnten  Tonschritten,  nach 
halben  und  ganzen  Tönen.  Ter/.en  usw.  Andere  Stimmungen  halten  wir  oft 
för  Verstimmungen,  während  sie  wirklich   von  dem  Volke  intendiert  sind. 

Da  hat  nun  die  exakte  Messungsmethode  eingegriffen  und  uns  auf 
einen  objektiveren  Standpunkt  gestellt.  Wir  haben  jetzt  Apparate,  mit 
welchen  wir  Töne,  deren  Schwingungszahlen  minimale  Unterschiede  auf- 
weisen, herstellen,  und  sie  in  Vergleich  zu  anderen  Tonhöhen  bringen 
können.  Ein  solcher  ist  der  Appunnsche  Tonmesser,  ein  Apparat, 
dessen  Töne  durch  angeblasene  Zungen  von  zwei  bezw.  vier  Schwingungen 
Differenz  hervorgebracht  werden.  Isoch  feinere  Unterschiede  kann  man 
mit  dem  Sternschon  Tonvariator  erreichen,  dessen  Prinzip  darin  besteht, 
dass  eine  angeblasene  Flasche  ihre  Tonhöhe  mit  minimaler  Abstufung 
verändert,  wenn  der  Boden  der  Flasche  mit  mikrometrischer  Einstellung 
gehoben  oder  gesenkt  wird. 

Leider  sind  diese  Apparate  noch  nicht  handlich  genug,  dass 
man  sie  auf  Reisen  mitnehmen  und  an  Ort  und  Stelle  die  Töne 
der  Instrumente  messen  kann,  es  wäre  sehr  zn  wünschen,  dass  solch 
kompendiöser  Tonmesser  konstruiert  würde;  denn  die  Messung  der  im 
Gebrauch  befindlichen  Instrumente  gibt  sicherlich  weit  bessere  Resultate, 
als  die  Messung  der  Museumsinstrumente.  Diese  leiden  häufig  durch  den 
Transport  und  trocknen  während  der  langen  Zeit  *\v^  Lagerns  aus.  Häufig 
haben  auch  die  Instrumente  durch  ihren  primitiven  Bau  bedingte  Fehler, 
die  die  Eingeborenen,  welche  ihr  Tonsystem  im  Kopfe  Italien,  bei  der 
Handhabung  zu  verbessern  trachten.  Manche  Plötentöne  werden  leiser 
angeblasen  als  andere,  weil  das  gleiche  Anblasen  nicht  die  gewünschte 
Tonhöhe  ergäbe.  Wenn  wir  nun  solch*1  Flöten  prüfen  und  danach  erst 
das  Tonsystem  bestimmen  wollen  und  von  der  Ungleichartigkeit  des  An- 
blasens nichts  wissen,  dann  können  wir  völlig  verkehrte  Resultate  be- 
kommen. So  haben  wir  hier  im  Museum  etwa  30— -40  chinesische  und 
japanische  Flöten  geprüft  und  so  widersprechende  Ergebnisse  erzielt, 
dass  wir  ganz,  darauf  verzichtet  haben,  dieselben  zu  veröffentlichen  oder 
gar  eine  Theorie  aus   ihnen  zu  bilden. 

Die  Benutzung  experimentell  akustischer  Methoden  beim 
Studium  der   Musik  wurde  zuerst  von  Ellis1)  mit   Erfolg  versucht.    Seine 


l)  Alexander  I.  Ellis.  1.  On  the  musical  scales  ot'  various  nations.  Journal  of  the 
Society  of  Arts,  for27  March  1885.  Vol.  XXX1I1  Eteprinted  wrfch  additions  and  corrections; 
for  private  circulation  only;  April  L885  .  2.  Appendix.  Journal  of  the  Society  ofthe  Arts. 
Oct.    [ 88.")  irepriiited  witli  additions). 

15* 


—     228     — 

Messungen  von  Musikinstrumenten  vieler  Völker  sind  Muster  von  Genauig- 
keit und  Kritik.  Jedenfalls  ist  die  Prüfung  der  Museumsinstrumeute  eine 
ausgezeichnete  Methode,  die  Musik  eines  fremden  Volkes  kennen  zu  lernen, 
wenn  man  sie  in  Verbindung  mit  dem  Studium  der  praktischen  Musik 
pflegt  und  nicht  mehr  von  ihr  erwartet,  als  sie  leisten  kann.  Denn 
was  ist  eigentlich  aus  den  Tönen  eines  Instruments  zu  schliessen?  Bläst 
man  beispielsweise  alle  Töne  einer  Flöte  hintereinander  an,  so  bekommt 
man  eine  Skala,  Tonleiter.  Diese  Tonleiter  ist  aber  keineswegs  identisch 
mit  der  Tonleiter,  welche  in  der  praktischen  Musik  verwendet  wird. 
Wenn  wir  bei  unserem  Klavier  die  sämtlichen  Töne  der  Klaviatur 
als  Reihe  betrachten,  dann  erhalten  wir  die  sogen,  chromatische  Ton- 
leiter, welche  ja  wesentlich  verschieden  von  der  bei  uns  gebrauchten  Dur- 
nnd  Mollskala  ist.  Die  Instrumentalleiter  gibt  oft  nur  das  Material, 
ans  welcher  die  Gebrauchsleiter  ihre  Töne  auswählt.  L.  Kiemann1)  und 
Wallaschek2)  hatten  den  Fehler  gemacht,  dass  sie  aus  den  Tönen  der 
Musikinstrumente  allein  auf  die  verwendeten  Intervalle  weitgehende 
Schlüsse  zogen. 

Berücksichtigt  man  aber  diesen  Umstand,  dann  erleichtert  die  Messungs- 
methode das  Studium  der  exakten  Musik  gewaltig;  denn  Ohr  und  Auge 
kontrollieren  sich  hier  fortwährend  und  korrigieren  die  gegenseitigen 
Fehler.  Saiteninstrumente  mit  Bünden  werden  akustisch  mit  dem  Ton- 
messer, optisch  mit  dem  Millimeter mass  gemessen.  Da  die  Saitenlänge 
umgekehrt  proportional  der  Schwingungsanzahl  des  entsprechenden  Tones 
ist,  muss  die  optische  und  akustische  Messung  parallele  Resultate  erzielen. 
Die  Messungsmethode  findet  Anwendung  auf  alle  Instrumente  mit  fester 
Abstimmung:  Flöten,  Guitarren,  Glockenspiele,  Metall-  und  Holzplatten- 
instrumente.  Bei  (»eigen,  bei  denen  die  Tonhöhe  durch  Pingerdruck, 
ohne  Hilfe  von  Saitenbünden  hervorgebracht  wird,  versagt  die  Messungs- 
methode gänzlich;  da  muss  man  auf  die  Untersuchung  der  praktischen 
.Musik  eingehen,  welche  auch  stets  herangezogen  werden  muss,  wenn  man 
das  Tonsystem  eines  Volkes  völlig  verstehen   will. 

Zwischen  den  beiden  Methoden  der  Messung  und  des  Studiums  der 
praktischen  Musik  liegt  noch  eine  Untersuchungsart,  welche  ich  die 
psychologische  Methode  nennen  möchte.  Wir  haben  öfter  Gelegenheit, 
exotische  Musiker  bei  uns  zu  sehen;  wenn  wir  uns  nun  nicht  darauf  be- 
schränken,  deren  Musik  zu  hören  und  zu  studieren,  sondern  auch  akustische 
Versuche  mit  ihnen  anstellen,  dann  bekommen  wir  sowohl  über  ihr  Ton- 
system wie  ihre  musikalischen  Eigenschaften  interessante  Aufschlüsse. 
Sehr  zweckmässig  ist  es.  den  exotischen  Musiker  selbst  Instrumente  ab- 
stimmen zu  lassen;  man  kann  so  die  Stimmung  der  Museumsinstrum ente 
kontrollieren  und  auf  den  [ntervallsinn  des  Musikers  und  sein  Ton- 
gedächtnis schliessen.     Hieran   hätten  sich   dann   Doch  zur  Ergänzung  Ver- 


1    Ludwig  ßiemann,  Über  eigentümliche  bei  Natur-  und  orientalischen  Kulturvölkern 

vorkommende  Tonreihen.     Essen   L899. 

2)  R.  Wallaschek,  Die  Entstehung  der  Skala.     Sitzungsberichte  der  kais.  Akademie 
der  Wissensch.  in  V\  ien,  inathem.-naturwisscnsch.  Klasse.  Bd.  CVIII,  Aid   II,  im  Juli   1899. 


—     229     — 

suche  anzuschliessen.  wie  sich  das  Gefühl  des  exotisches  Musikers  unseren 
Intervall-  und   Musikformen  gegenüber  verhält. 

Die  praktische  AI  u  si  k  kann  in  doppelter  Weise  exakt  studiert  werden. 
Man  kann  sie  nach  dem  Gehör  notieren,  mit  allen  Abweichungen,  welche 
die  Stimmung  von  den  uns  gewohnten  Intervallen  zeigt;  dies  ist  äusserst 
mühsam.  Vielemale  muss  man  si<di  dasselbe  Tonstück  vorspielen  lassen 
und  mit  angestrengtester  Aufmerksamkeit  seine  Notationen  machen.  Auch 
erfordert  eine  solche  Untersuchung  ein  vorzügliches  musikalisches  Gehör. 
Stumpf1)  hat  Lieder  der  Bcllakula-Indianer  in  solcher  Weise  studiert. 
Weitere  Beiträge  zur  Indianerniusik  lieferten  F.  Boas,  Miss  Fletcher  und 
Fillmore.2) 

In  neuerer  Zeit  ist  uns  die  Erfindung  des  Phonographen  zu  Hilfe 
gekommen.  Mit  dem  Phonographen  kann  man  die  Musik  fixieren  und 
mit  Müsse  im  Arbeitszimmer,  wo  die  Aufmerksamkeit  nicht  soviel  auf 
optische  Nebendinge  gerichtet  ist,  wie  bei  den  Vorführungen  fremder 
Völkerschaften,  studieren.  Den-  Phonograph  hat  noch  besondere  Vorzüge. 
Man  kann  ihn  nach  Belieben  langsam  und  schnell  laufen  lassen  und  kann 
so  Musikstücke,  deren  Tempo  im  Original  zu  schnell  war.  um  sie  analy- 
sieren zu  können,  in  ruhigem  Zeitmass,  in  entsprechender  Transposition, 
zu   Gehör  bringen. 

Weiterhin  kann  man  das  Musikstück  in  kleine  Bruchstücke  zerlegen, 
kann  einzelne  Takte,  ja  einzelne  Töne  allein  erklingen  lassen  und  genaue 
Notation  und  Messungen  daran  anschliessen.  Schliesslich  hat  man  in 
der  Phonographenwalze  ein  dauerndes  Dokument,  immer  bereit  zur  Vor- 
führung und  Vergleichung.  Der  Phonograph  wurde  zuerst  von  Gilman8) 
beim    Studium    von    Zuni  -  ( Jesäugen    und    chinesischer   .Musik    verwendet. 

Wir  haben  die  orientalische  Musik  in  zwei  ihrer  Hauptrepräseiitanten. 
<\w  siamesischen  und  japanischen,  näher  kennen  gelernt.  Der  Eine  von 
uns  (A.)  war  Mitarbeiter  bei  den  Untersuchungen,  welche  Herr  Geheim- 
rat Stumpf  während  der  Anwesenheit  einer  siamesischen  Hoftheater- 
truppe  in  Berlin   (1900)  anstellte.*) 

Mit  Hilfe  des  Appuniischen  Tonmessers  bestimmten  wir  die  einzelnen 
Töne  aller  siamesischen  Instrumente  und  fanden  zunächst,  das>  sämtliche 
Instrumente  ganz  wunderbar  untereinander  übereinstimmten  und  die 
Oktaven  ebenfalls.  Die  Schwingungszahlen  derselben  ergaben  durchwegs 
genau  dasselbe  Verhältnis  1:2.  Sämtliche  anderen  Intervalle  aber  er- 
schienen uns  ganz  unrein.  Sie  stimmten  weder  mit  physikalisch  reinen 
noch  mit  temperierten   Intervallen   überein. 

1)  Vierteljahrssclmt't  für  Musikwissenschaft  II,  S.  405. 

2)  Siehe  Stumpf,  Konsonanz  und  Dissonanz.  Beiträge  zur  Akustik  and  Musik- 
wissenschaft 1898,  Beft   l.  S.  63ff. 

.">)  Benjamin  Ives  Gilman.  1.  On  some  psychological  aspects  of  the  Chinese  tnusical 
System.  Philosophical  Review.  Boston  1892.  2.  Zuni  Melodies.  Journal  of  American 
Archaeology  and  Ethnology.  Vol.  I.  Hierzu  vgl.  Stumpf,  Monographierte  Indianer- 
mclodien.  Vjschr.  f.  Musikwiss.  VIII.   L892. 

\)  C.  Stumpf,  Tonsystem  und  Musik  der  Si&meeen.  Beiträge  zur  Aku-tik  und 
Musikwissenschaft.    Heft  :'.,  1901. 


—     -230     — 

Innerhalb  der  Oktave  fanden  wir  7  Tonstufen.  Die  Schwingungs- 
zahlen der  einzelnen  Töne  sind  an  folgender  Reihe  ersichtlich  :  423,  407, 
516,  570,  629,  695,  767.  Die  Differenz  wächst  von  Ton  zu  Ton ;  be- 
trachtet man  aber  nicht  die  Differenz,  sondern  die  Verhältnisse  der 
Schwingungszahlen,  so  findet  man,  dass  zwischen  zwei  benachbarten  Ton- 
stufen genau  dasselbe  Schwängungsverhältnis  besteht.  Die  Oktave 
ist  also  in  sieben  geometrisch  gleiche  Stufen  geteilt,  d.  h.  wir 
haben  eine  gleichschwebende,  temperierte  siebenstufige  Leiter.  Keine 
Halbtöne,  keine  Ganztöne  sind  vorhanden,  eine  mittlere  Stufe,  etwa  3/4 
Ton  ist  an  deren  Stelle  getreten,  kleine  uud  grosse  Terz,  beide  Sexten 
uud  Septimen  sind  zu  einer  neutralen  Terz,  Sexte  und  Septime  geworden. 
Die  Quarte  ist  gegen  unsere  zu  hoch,  die  Quinte  zu  tief. 

Man    erhält    die    Leiter    mathematisch,    weun    man    die  Schwingungs- 

zahleu  jedes  vorhergehenden  Tones  mit  |  — 2~  multipliziert.  Die  Abstim- 
mung der  Töne  auf  allen  Instrumenten  erweist  sich  als  so  geuau,  dass  die 
Differenz  zwischen  ihnen  und  den  berechneten  nur  gelegentlich  wenige 
Schwingungen  beträgt,  und  es  ist  absolut  kein  Zweifel,  dass  diese  Stim- 
mung intendiert  ist.     Hier  erheben  sich  zwei  fundamentale  Fragen: 

1.  Weshalb  teilen  die  Siamesen  ihre  Oktave  gerade  in  sieben  Ton- 
stufen? 

2.  Wie  kommen  sie  zu  den  geometrisch  gleichen  Tonstufen? 

Stumpf  vermutet,  dass  die  Wahl  der  Sieben  zahl  nicht  auf  musi- 
kalischen, sondern  auf  allgemeinen,  in  der  allverbreiteten  Zahlenmystik 
liegenden  Gründen  beruht.  Die  Siebenzahl  gilt  dem  Buddhismus  als 
heilig,  die  Siamesen  sind  Buddhisten.  Dass  die  Annahme  einer  heiligen 
Zahl  nichts  Auffälliges  an  sich  hat,  sieht  man  bei  Betrachtung  der  chine- 
sischen Musik,  bei  welcher  die  Theoretiker  die  Fünfstufigkeit  ihrer  Leiter 
auf  metaphysisch-mystische  Gründe  stützen. 

Die  Siamesen  haben  sicherlich  ihre  Leiter  nicht  durch  Logarithmen, 
Wurzelausziehung  und  Tonmesser  hergestellt.  Sie  müssen  die  geometrisch 
gleichen  Stufen  durch  die  Empfindung  oder  das  Gefühl  kontrolliert  haben, 
und  es  ist  die  nächstliegende  und  wohl  einzig  mögliche  Annahme  die,  dass 
die  aufeinanderfolgenden,  geometrisch  gleichen  Tonstufen  sich 
für  die  Siamesen  in  der  Empfindung  als  gleiche  Tonabstände  dar- 
stellen. Ein  Analogen  zu  der  7  stufigen  siamesischen  Leiter  bildet  die  auf 
Java  gebräuchliche,  ganz  ähnlich  gebaute  5  stufige  Salendroleiter. 

Bei  den  Japanern,  deren  Musik  wir1)  bei  Gelegenheit  des  Gastspiels 
der  Sada  Yacco  in  Berlin  studierten,  finden  sich  vorwiegend  Intervalle 
der  physikalisch  reinen  Stimmung,  wie  sie  durch  die  Einfachheit  der 
Schwingungsverhältnisse  gegeben  sind.  Nebenbei  kommen  auch  gelegent- 
lich neutrale  Terzen  und  Sexten  vor,  sowie  einige  merkwürdige  Inter- 
valle auf  Instrumenten,  die  aussermusikalischen  Prinzipien  ihre  Entstehung 
verdanken.     Die  Musik    ist    einstimmig    und    der  Japaner    kennt    ebenso 


1)  0.  Abraham    und    E.  v.  Hornbostel,    Studien    über    das    Tonsystem    und    die 
Musik  der  Japaner.     Sammelbände  der  internationalen  Musikgesellschaft,  IV,  -. 


—     231     — 

wenig  wie  die  anderen  orientalischen  Völker  Harmonie.  Das  einstimmige 
Musizieren  gestattet  weite  Freiheiten  in  den  Intonationen  und  im 
Rhythmus.  — 

In  neuerer  Zeit  hat  die  phonographische  Technik  grosse  Fort- 
schritte gemacht.  Dem  Phonographen  ist  das  Grammophon  gefolgt  und 
beide  Apparate  wetteifern  miteinander,  denn  jeder  hat  seine  Vorzüge  und 
seine  Mängel.  Bei  beiden  Apparaten  werden  Membriin-SehwingunLivn 
durch  Hebelwirkung  auf  einen  Stift  übertragen,  welcher  seine  Bewegungen 
in  eine  wachsartige  Masse  einschreibt.  Beim  Phonograph  en  arbeitet 
der  Stift  senkrecht  gegen  die  Oberfläche  einer  rotierenden  und  sich  seit- 
wärts verschiebenden  Wachswalze;  es  entsteht  also  eine  schraubenförmige 
Linie  auf  der  Walze,  in  welcher  die  einzelnen  Tonschwingungen  als  Stiche 
senkrecht  in  die  Walzenoberfläche  hineinpunktiert  sind.  Das  Grammo- 
phon verwendet  an  Stelle  von  Walzen  Platten  ;  der  Stift  zeichnet  die 
Wellenform  der  Tonschwingungen  in  der  Ebene  der  Platte  auf.  Leider 
ist  die  genauere  Aufnahmetechnik  des  Grammophons  noch  Geheimnis, 
sodass    es  für  den  Privatmann  nicht  möglich   ist.    Aufnahmen    zu  machen. 

In  Anbetracht  dessen,  dass  für  die  Konservierung  Platten  viel 
geeigneter  sind  als  Walzen,  ist  in  Wien  ein  Apparat  konstruiert  worden, 
«ler  die  Mitte  hält  zwischen  Phonograph  und  Grammophon.  Ks  ist  ein 
Phonograph,  welcher  in  Platten  statt  in  Walzen  seine  Schwingungen  ein- 
graviert, aber,  wie  beim  gewöhnlichen  Phonographen,  senkrecht  zur  Ober- 
fläche arbeitet;  es  ist  dies  der  Wiener  Archiv-Phonograph,  mit 
welchem  Prof.  S.  Fxner  den  Grund  gelegt  hat  für  die  Errichtung  eines 
wissenschaftlich-phonographischen  Museums.  Audi  dieser  Apparat  hat 
noch  einen  Nachteil:  sein  grosses  Gewicht  erschwert  den  Transport. 
Deshalb  lässt  man  jetzt  die  Metallteile  des  Apparates  in  Magnalium  aus- 
führen und  hofft  damit  eine  grössere  Handlichkeit  zu   erzielen. 

Das  Wiener  Phonogramm archiv  hat  bereits  in  Brasilien  und  auf 
griechischen  Inseln  Material  gesammelt  und  neuerdings  zahlreiche  Proben 
arabischer  Dialekte  und  Lieder  aufgenommen.  In  Paris  hat  Hr.  Azoulay 
gelegentlich  der  Weltausstellung  1900  von  den  auf  dem  Trocadero  ver- 
sammelten fremden  Volksstämmen  phonographisehe  Aufnahmen  gemacht,  und 
die  Societe  anthropologique  in  Paris  besitzt  ebenfalls  ein  phono- 
graphisches .Museum.  In  Amerika,  der  Heimat  des  Phonographen,  hat 
Prof.  Franz  Boas  all  seine  Expeditionen  mit  Phonographen  ausgerüstet 
and  ein   stattliches   .Material  gesammelt. 

Aus  Walzen  und  Platten  können  auf  galvanoplastischem  Wege 
Metallnegative,  in  letzter  Zeit  auch  Metallpositive  hergestellt  werden,  so 
dass  nichts  mehr  fohlt,  .-in  Archiv  dauerhafter  musikalischer  Dokumente 
exotischer  .Musik  zu  begründen  und  diesen  bisher  so  arg  vernachlässigten 
Zwei--  der  Ethnologie  zu  pflegen.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  die  wissen- 
schaftlichen Institute  sich  dieser  Aufgabe  bald  annähmen,  da  die  rapide 
Ausbreitung  der  europäischen  Kultur  die  Ursprünglichkerl  der  exotischen 
Musik    zu    verwischen   droht. 


—     232     — 

Anhang. 
Anleitung  zur   Handhabung  des  Phonographen  für  Forschungs- 
reisende und  Missionare. 

A.  Ausrüstung. 

1.  Phonograph  oder  Graphophon  mit  Aufnahme-  und  AYiedergabe- 
membran,  Schalltrichter,  Schlüssel. 

2.  Reservemembranen  oder  Reparaturausrüstung. 

3.  Ölkanne.  Stnubpinsel,  Lederlappen,  Schraubenzieher. 

4.  AYalzen,  tunlichst  vor  Erschütterung,  grosser  Hitze,  Nässe  zu  schützen. 

5.  Stimmpfeife  (Xormal-a  =  435). 

B.  Aufnahme. 

1.  Uhrwerk  vor  jeder  Aufnahme  ganz  aufziehen. 

2.  Uhrwerk  gewöhnlich  mit  mittlerer  Geschwindigkeit  laufen  lassen; 
bei  sehr  hoher,  sehr  leiser  oder  sehr  schneller  Musik  grosse  Ge- 
schwindigkeit. 

3.  Der  Apparat  ist  testzustellen  und  während  der  Aufnahme  nicht 
zu   verrücken. 

4.  Jede  Aufnahme  hat  damit  zu  beginnen,  dass  das  a  des  Stimm- 
pfeifchens in  den  Apparat  hineingeblasen,  dann  die  Journalnummer 
und  der  Titel  der  Aufnahme  hineingesprochen  wird. 

5.  Schallkörper  des  Instrumentes,  Mund  des  Sprechers  oder  Sängers 
möglichst  dicht  an  den  Schalltrichter  bringen, ohne  diesen  zuberühren. 

6.  Der  Spieler  (Sänger)  möge,  wenn  angängig,  den  Takt  durch 
Händeklatschen  markieren  (möglichst  nahe  der  Schallöffnung  <les 
Trichters). 

7.  Xach  Gesangsaufnahinen  ist  der  tiefste  und  höchste  Stimmton  des 
Sängers  aufzunehmen  (Stimmumfang). 

Instrumentalmusiker  mögen  die  vollständige  Skala  ihres  In- 
strumentes in  der  bei  ihnen  üblichen  Reihenfolge  in  den  Phono- 
graphen hineinspielen;  bei  Saiteninstrumenten  sind  die  leeren 
Suiten  besonders  aufzunehmen. 

8.  Jede  Aufnahme  ist  sofort  probeweise  ganz  zu  reproduzieren. 

9.  Notierung  der  Journalnummer,  des  Orts  und  Titels  der  Aufnahme 
auf  der  Walzenschachtel. 

10.  .Möglichst  sorgfältiges  Ausfüllen   des  Journals. 

11.  Es  empfiehlt  sich,    gelegentlich  von    einem   Musikstück    zwei   Auf- 
nahmen zu  machen  (auch  von  verschiedenen   Musikern). 

C.    Journa  I. 

1.  Portlaufende  Nummer  di'v  Aufnahme: 

2.  Datum  und  Ort  «1er  Aufnahme: 

3.  Person  des  Sprechers  oder  Musikers: 

;i)  Volksstamm: 

b)  Name: 

c)  Alter: 

d)  Geschlecht: 

e)  Beruf: 


—     233     ■- 

4.  Gegenstand  der  Aufnahme: 

;i)  Sprache  (Konversation,   Deklamation)? 

Gesang    (Solo.    Zwiegesang,    Chor,    Instrumentalbegleitung)? 
Instrumentalmusik      Name    Beschreibung.    Zeichnung    oder 
Photographie  des  Cnstrumentes)? 

b)  Titel  «los  Stückes: 

<•)  Gattung  des  Stückes  (Tanzgesang,  religiöser  Gesang,   Volks- 
lied  usw.)? 

il)  Einheimischer  Name  der  Tonart: 

5.  Toxr  dos  Liedes  oder  der  Sprachpro'be  in  möglichst  sorgfältiger 
Transskription,  event.  mit  Übersetzung  (auf  der  rechten  Seite  zu 
Qotieren)i 

6.  Existiert  eine  einheimische  musikalische  Notation  des  aufgenommenen 
Stückes?  (event.  Notierung  in  derselben  auf  der  rechten  Seite). 

7.  Bemerkenswerte  Nebenumstände  (Haltung,  Ausdruck  dos  Vor- 
tragenden; Gebärden,  Tanz.  Zeremonien): 

Fakultativ: 

8.  Einheimische  Theorie?  Leitern  (5 stufig,  7 stufig?  Wie  moti- 
vieren die  Einheimischen  die  Stufenzahl?)  Mehrstimmigkeit  in 
Gesang  und  Instrumentalmusik? 

!».       a)  Berufsmusiker  (Organisation,  soziale  Stellung  usw.)? 
1))   Liebhabermusik  (Ausbreitung.   Unterricht  usw.)? 

10.  Verhältnis  der   Einheimischen   zur  europäischen   .Musik? 

11.  Einheimische   ürsprungsmythen  und  Geschichte  der  Musik? 

Diskussion. 

Hr.  Oppert:  Ich  mochte  mir  nur  eine  Bemerkung  zu  dem  Vortrage 
des  Hrn.  v.  Hornbostel  erlauben.  Ich  glaube,  dass  wir  zu  sehr  von 
unserer  europäischen  Musik  eingenommen  sind  und  deshalb  nicht  den 
musikalischen  Geschmack  anderer  Völker  berücksichtigen.  So  ist  z.  B. 
jeder  Hindu  auf  nichts  stolzer,  als  auf  seine  Musik.  Er  ist  nicht  allein 
ein  Freund  musikalischer  Genüsse  und  schätzt  seine  nationale  Musik  sehr 
hoch,  sondern  die  Musik  wird  auch  wissenschaftlich  als  Sangitasästra 
von  ihm  studiert  und  bildet  einen  hervorragenden  Teil  der  indischen 
Wissenschaft.  Ich  will  hier  nur  beiläufig  bemerken,  dass  auch  ich  vor 
einigen  Jahren  (1888)  mehrere  Stücke  indischer  Musik  mit  Noten,  welch»' 
mir  Herr  E.  Straviot  zur  Verfügung  stellte,  veröffentlicht  halte.  In 
Indien,  im  Norden  sowohl  wie  im  Süden,  geschieht  hierfür  jetzt  sehr  viel, 
und  vorzugsweise  hat  in  Kalkutta  Rajah  Surendra  Biohun  Tagore  in  dieser 
Beziehung  sehr  viel  geleistet.  Die  Indier  besitzen  eine  ungemein  grosse 
Anzahl  verschiedenartiger  musikalischer  Instrumente.  Ich  glaube,  eine  solche 
Sammlung  sollte  einmal  nach  Berlin  kommen,  sie  ist  abeT  schliesslich 
nach  Dresden  gegangen. 

Ausserdem  möchte  ich  noch  hinzufügen,  dass  bei  dramatischen  Auf- 
führungen alle   Verse  gesungen  und  im  Takt  dazu  getanzt  werden. 

Deshalb  darf  bei  einer  allgemeinen  Obersicht  älter  die  Musik 
diejenige  fremder  Völker  und  besonders  die  indische  Musik  nicht 
ignoriert   werden. 


—     234     — 

Hr.  Stumpf:  Ich  möchte  nur  meine  grosse  Freude  ausdrücken 
darüber,  dass  eine  Sache,  die  mir  schon  viele  Jahre  lang  am  Herzen  ge- 
legen hat,  jetzt  von  meinen  beiden  jungen  vortrefflichen  Mitarbeitern  so 
tatkräftig  in  die  Hand  genommen  worden  ist,  und  zwar  viel  besser  und 
viel  exakter,  als  es  früher  nur  möglich  erscheinen  konnte.  Denn  als  es 
noch  keine  Phonographen  gab,  war  man  auf  die  in  Heise  berichten  ent- 
haltenen, nach  dem  Gehör  aufgenommenen  Notierungen  beschränkt,  und 
diese  leiden  an  vielen  Ubelständen.  Es  ist  selbst  für  ein  sehr  geübtes 
Ohr  oft  unmöglich,  solche  fremdartigen  Weisen  sicher  aufzufassen  und  in 
Noten  zu  bringen,  umsomehr  für  einen  akustisch  nicht  besonders  vor- 
gebildeten Reisenden.  Deshalb  sind  auch  die  vielen  Notizen,  die  ich  mir 
im  Laufe  der  Jahre  aus  solchen  Reiseberichten  mit  Hilfe  von  Ethnologen 
und  Geographen  gesammelt  habe,  augenblicklich  ziemlich  Makulatur  ge- 
worden —  ich  sage:  augenblicklich;  denn  wenn  wir  erst  einmal  die  ge- 
nauen Studien  mit  Hilfe  der  Phonographen  und  unserer  akustischen 
Apparate  gemacht  haben,  dann  werden  wir  ja  auch  die  früheren  Notationen 
heranziehen,  sie  mit  den  phonogrammetrischen  Aufnahmen  vergleichen 
und  so  das  Zuverlässige  von  dem  Unzuverlässigen  sondern  können.  Manches, 
hoffentlich  Vieles,  wird  sich  dann  noch  als  brauchbar  erweisen.  Freilich 
diese  Studien  durch  den  Phonographen  können  nicht  alles  leisten,  was  zu 
wünschen  ist;  das  Studium  nach  der  Natur  bleibt  doch  immer  unentbehr- 
lich, wenn  man  sich  den  vollen  Eindruck  der  exotischen  Musik  verschaffen 
will,  nicht  bloss  wegen  der  Unvollkommenheit  der  Apparate,  die  ja  mit 
der  Zeit  ganz  ausgeglichen  werden  wird,  sondern  auch  deshalb,  weil  zum 
Eindruck  und  Verständnis  der  lebendigen  Musik  die  ganze  Vortragsweise 
gehört,  die  Gebärden  und  die  engere  und  weitere  Umgebung,  das  ganze 
Milieu,  in  dem  die  Musik  erwachsen  ist.  Der  Musikforscher  muss  daher 
jede  Gelegenheit  benutzen,  jeden  Besuch,  den  wir  von  fremden  Völker- 
schaften haben,  um  seine  Anschauungen  zu  bereichern.  Besonders  er- 
wünscht ist  es  aber,  dass  Reisende,  die  musikalisch  veranlagt  sind,  nun 
mit  diesem  neuen  Apparat  ausgerüstet,  Studien  machen  und  über  die 
Einzelheiten  jeder  Aufnahme  berichten.  Zeit  wäre  es  freilich,  wie  H.  v. 
Luschan  bemerkt  hat,  dass  solche  Aufnahmen  gemacht  und  gesammelt 
würden;  denn  immer  mehr  verwischen  sich  die  Grenzen,  teils  durch  die 
Akkommodation  der  Eingeborenen,  teils  durch  die  der  Modernen.  Ich  habe 
erst  gestern  von  Herrn  Kollegen  Münsterberg  aus  Amerika  eine  ähnliche 
Nachricht  erhalten,  wie  es  vorher  aus  Benares  berichtet  worden  ist.  Er 
sagt,  es  sei  eine  Bewegung  entstanden,  um  die  indianischen  Urmelodien 
;il-  Nationalmelodien  zu  benutzen.  Diese  eignen  sich  ja  freilich  sehr  gut 
dazu,  denn  die  indianischen  Melodien  gehören  zu  denjenigen,  die  unserem 
Ohre  am  besten  liei>en. 

Nun  möchte  ich,  \\;is  die  praktische  Seite  der  Frage  anbetrifft,  noch 
ilie  in  Letzter  Zeit  ventilierte  Idee  zur  Sprache  bringen,  man  soll  danach 
streben,  ein  Archiv  für  Phonogramme  anzulegen,  am  besten  gewiss 
als  einen  Teil  des  Ethnologischen  Museums.  Es  nuisste  eine  grosse  Anzahl 
von  solchen  Platten  and  Walzen  gesammelt  werden,  die  auch  zu  gelegent- 
lichen Produktionen    für  Museunisbesucher    verwandt   werden   würden,  vor 


—    235    — 

allein  aber  als  Material  für  wissenschaftliche  Studien  dienen  müssten. 
denn  die  Sache  kann  allein  dann  vorwärts  kommen,  wenn  wir  grosses 
Material  haben.  tch  will  auch  noch  bemerken,  dass  von  den  Melodien 
an  Ort  und  Stelle  nach  Möglichkeit  nicht  bloss  eine  Aufnahme  gemacht 
werden  müsste.  sondern  mehrere.  Es  kommt  ja  oft  vor.  dass  eine  Melodie 
das  eine  .Mal  nicht  genau  so  gesungen  wird  wie  das  andere  Mal,  dass  die 
Intonation  nicht  genau  dieselbe  ist.  Es  wäre  wichtig,  dass  in  einer 
grösseren  Anzahl  von  Fällen  einige  Aufnahmen  gemacht  würden,  damit 
die  Schwankungen,  die  Zufälligkeiten  in  der  Intonation  eliminiert  werden, 
damit  die  Gesetzmässigkeit  richtig  erkannt  wird.  Es  wäre  sehr  erwünscht, 
wenn  die  Autorität  und  Sympathie  der  Anthropologischen  Gesellschaft 
dieser  Sache  zu  gute  käme,  und  wenn  mit  der  Zeit  diese  Unternehmung, 
die  sich  ja  auch  auf  das  sprachliche  Gebiet  ausdehnen  könnte  und  müsste, 
auch  von  Staats  wegen  unterstüzt  würde.  Ich  schliesse  mit  einem  herz- 
lichen Glückauf  für  diese  Bestrebungen  und  für  die  Forscher,  die  sich 
ihnen  widmen. 

Hr.  Hartmann:  Wenn  Sie  mir  gestatten,  einige  Worte  vom  Stand- 
punkt des  Philologen,  speziell  des  Arabisten,  zu  sagen,  so  möchte  ich 
einige  Tatsachen  anführen,  die  vielleicht  von  Interesse  sein  könnten.  Es 
handelt  sich  freilich  weniger  um  die  Lösung  eines  Problems  als  darum, 
anzudeuten,  wie  das  Problem  aufzufassen  ist.  Es  ist  die  grosse  Präge: 
Wie  kommt  es,  dass  bei  den  Arabern  —  auf  diese  will  ich  mich  be- 
schränken; es  ist  das  einzige  Gebiet,  auf  dem  ich  eigene  Studien  gemacht 
habe  — ,  scheinbar  kein  Verhältnis  besteht  zwischen  dem  qnantiti  er  enden 
Metrum,  in  welchem  alle  ihre  Gedichte  abgefasst  sind,  einem  Metrum,  in 
dem  wir  durchaus  das  finden,  was  wir  nach  unseren  klassischen  Er- 
innerungen als  mora  zu  bezeichnen  pflegen  —  ich  sage:  wie  kommt  es, 
dass  hier  scheinbar  kein  Verhältnis  besteht  zwischen  diesem  Metrum  und 
der  Musik.  Die  Araber  haben  sich  selbst  hierüber  den  Kopf  zerbrochen 
und  haben  verschiedene  Vermutungen.  Es  wird  von  einem  älteren 
arabischen  Schriftsteller  berichtet,  dass  über  die  Entstehung  des  ein- 
fachsten und  gebräuchlichsten  arabischen  Metrums  folgende  Meinung  um- 
gehe: Ein  Reisender  war  vom  Kamel  gefallen:  seinen  Schmerzensruf 
verwandten  die  Kameltreiber  zu  ihrem  Gesänge  in  jambischem  Versmass. 
Diese  Deutung  zeigt,  wie  die  Leute  sich  bemüht  haben,  «las  Rätsel  zu 
lösen.  Ich  habe  sie  in  einer  kleinen  Arbeit  mitgeteilt  und  daran  noch 
allgemeinere  Bemerkungen  geknüpft;  unter  dem  Titel  „Rhythmus  und 
.Metrum  bei  den  Arabern"  habe  ich  versucht,  einiges  zur  Lösung  des 
Rätsels  beizutragen.  Tatsache  ist,  dass  in  i\i'v  arabischen  .Musik  beim 
Vortrag  der  arabischen  Gedichte,  die  quantitierend  abgefasst  Bind,  auf 
dieses  <piam i i ieiviide  Metrum  absolut  keine  Rücksicht  genommen  wird. 
Es  ist  nun  andererseits  kurios  und  ein  Beitrag  zu  dem,  was  Hr.  Abraham 
erwähnt  hat,  wenn  mau  sieht,  auf  welche  Ideen  europäische  Forscher  ge- 
kommen sind,  die  sich  mit  diesen   Dingen   beschäftigt  haben. 

Es  sind  nämlich  von  einem  bekannten  deutschen  Arabisten  nach  dem 
Vorgange  des  französischen  Arabisten  Stanislaus  Guyard,  der  sich  sonst 
grosse  Verdienste  um  die  Wissenschaft  erworben,  sich  hier  aber  getäuscht 


—     23(5     — 

hat.  die  arabischen  Metren  einfach  auf  eine  Stufe  gesetzt  worden  mit 
unseren  Polkamelodien  und  mit  unserem  Walzerrhythmus.  Es  ist  das  eine 
ganz  unglückliehe  Idee,  die  im  Wesen  des  arabischen  Metrums  und  der 
arabischen  Musik  nicht  im   leisesten  begründet  ist. 

Ich  bemerke  noch,  dass  aus  den  Werken  des  berühmten  arabischen 
Philosophen  und  Musiktheoretikers  Farabi  sich  über  das  Verhältnis  des 
Rhythmus  in  der  Musik  den-  Araber  zu  den  Metren  nichts  entnehmen  lässt. 

Hr.  Bab:  ,Weim  Hr.  Stumpf  ausführte,  dass  der  Phonograph  uns 
wohl  nach  der  akustischen  Seite  befriedige,  dass  dagegen  die  optische 
Seite  dabei  ganz  vernachlässigt  werde,  da  die  begleitenden  Gebärden- und 
Tänze  nicht  vorgeführt  werden  könnten,  so  möchte  ich  anregen,  ob  nicht 
mit  phonographischen  Aufnahmen  gleichzeitig  kinematographische  Auf- 
nahmen gemacht  und  wiedergegeben  werden  könnten.  Ich  meine  das  hier 
empfehlen  und  zur  Diskussion  stellen  zu  sollen,  inwieweit  die  heutige 
Technik    imstande  ist.   diese  beiden  Apparate  zu  vereinen. 

Hr.  von  den  Steinen:  Ich  möchte1  noch  kurz  für  Nordamerika  zu 
Ehren  unserer  dortigen  Kollegen  die  Bemerkungen  der  Herren  Vor- 
tragenden dahin  ergänzen,  dass  nicht  nur  von  JNew-York  aus  vielfach 
phonographische  Aufnahmen  bei  Indianerstämmen  gemacht  worden  sind. 
Auf  dem  Bureau  of  Ethnology  in  Washington  ist  der  Apparat  seit  vielen 
Jahren  in  regelrechtem  (iebrauch.  Dorsey  in  Chicago  hat  ein  schönes 
Material   bei  den   Pawnee  gesammelt. 

Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  ferner  wiederholen,  was  ich  in 
meinem  Bericht  über  den  Verlauf  des  Amerikanistenkongresses  in  Xew- 
York  schon  erwähnte,  dass  wir  dort  eine  sehr  hübsche  ethnographische 
Vorstellung  des  Kinematographen  in  Verbindung  mit  dem  Phonographen 
hatten.  Es  handelte  sich  um  den  Sonnentanz  der  zentralamerikanischen 
Maya,  und  ich  kann  nur  sagen,  da  sich  die  Szene  im  hellsten  Sonnen- 
glanz abspielte  und  Tänze  und  Gesänge  recht  lebhaften  Charakter  hatten. 
so  war  die  Vorführung  ausserordentlich   wirkungsvoll. 

Hr.  Waldeyer:  Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  um  den  Herren 
Vortragenden  für  ihre  ausserordentlich  anregenden  Mitteilungen  zu  danken. 
Ausserdem  möchte  ich  anknüpfen  an  das,  was  Hr.  Stumpf  gesagt  hat, 
dass  wir  vor  einem  Gebiet  von  einer  noch  ganz  unabsehbaren,  von  einer 
ganz  ungeahnten  Ausdehnung  stehen,  und  Sie  sehen  gleichzeitig,  wie  sehr 
unsere  Bestrebungen  durch  solche  Untersuchungen  an  Wert  und  an  Tiefe 
gewinnen.  Es  ist  aber  auf  dev  anderen  Seite  wieder  dringend  hervor- 
zuheben, dass  es  die  höchste  Zeit  ist.  mit  derartigen  Untersuchungen  vor- 
zugehen; man  glaubt  nicht,  wie  jede  Steigerung  der  ja  rapid  anwachsenden 
Verkehrsmittel  dazu  beiträgt,  alles  zu  nivellieren  und  alle  Eigentümlich- 
keiten /.u  verwischen.  Wenn  jetzt  nicht  energisch  zugegriffen  wird,  dann 
ist  vieles  unwiederbringlich  verloren,  was  notwendig  ist.  um  die  Lücken 
in  unserer  Kenntnis  zu  ergänzen.  Ich  spreche  den  dringenden  Wunsch 
aus.  dass  alle,  dir  an  diesen  Dingen  ein  Interesse  haben,  dahin  in  ihren 
Kreisen  wirken  mögen,  dass  bei  allen  massgebenden  Instanzen  diese  Über- 
zeugung  recht  l'esi   und  eindringlich  wird. 


237     — 


4.  Spuren  ehemaliger  Eisenerzgewinnung 
und  alter  Eisenschmelzhütten  im  Kreise  Naugard  i.  Pommern/) 

Von 

Hans  Hess  von  Wichdorff  in  Berlin. 

Bei  den  geologischen  Aufnahmen  im  Kreise  Naugard  fanden  sich 
häufig  schwere  Eisenschlacken  vereinzelt  auf  den  Feldern  verstreut  vor, 
deren  sporadisches  Vorkommen  sich  in  allen  Teilen  des  Kreises  nach- 
weisen Hess.  Es  ist  dies  eine  nicht  nur  auch  in  den  übrigen  Teilen 
Hinterpommerns,  sondern  ebenso  in  anderen  dem  norddeutschen  Flach- 
land angehörenden  Provinzen  von  Preussen  bereits  mehrfach  gemachte 
Beobachtung. 

So  haben  u.a.  Keilhack.  Muller  und  Zeise  öfters  derartige  Funde 
gemacht.  G.  Müller  veröffentlichte  im  Jahre  18i)4  einen  Aufsatz2),  in 
welchem  er  auf  -las  Vorkommen  dieser  Eisenschlacken  auf  wendischen 
Burgwällen  des  Kreises  Greifenhagen  in  Pommern  hinwies  und  zu  weiteren 
Untersuchungen  über  ihren  Ursprung  und  ihr  Alter  Anregung  gab. 

Das  Bestreben,  im  Kreise  Naugard  die  Herkunft  dieser  eigentüm- 
lichen Bisenschlacken  zu  ermitteln,  war  zunächst  darauf  gerichtet,  eine 
oder  mehrere  jener  alten  Eisenschmelzhütten  aufzufinden,  aus  denen  diese 
Schlacken  ehemals  hervorgegangen  waren,  um  durch  ihre  systematische 
Untersuchung  und  Durchgrabung  Aufschlüsse  über  die  damalige  Her- 
stellungsweise des  Eisens  und  womöglich  über  die  Zeit  ihrer  Entstehung 
zu  erhalten.  In  den  Gegenden,  wo  intensiver  Ackerbau  im  Laufe  der 
Zeit  jede  Spur  von  den  den  Boden  überragenden  Zeugen  der  \  orzeit 
längst  zerstört  hat,  waren  naturgemäss  keine  Reste  von  alten  Schmelz- 
werken mehr  zu  erwarten.  Auch  haben  ihrer  dort  jedenfalls  nur  wenige 
bestanden.  Anders  in  dem  gewaltigen  Waldgebiet,  das  sich  zwischen 
Stargard,  Altdamm  und  Gollnov?  ausdehnt  und  .las.  wie  bereits  eine  Ur- 
kunde3) ans  dem  Jahre  1291  bezeugt,  schon  damals  wie  jedenfalls  über- 
haupt immer  bewaldet  gewesen  ist.  In  diesem  Terrain  mussten  früher 
vorhandene    Eisenhütten    wenigstens    noch    teilweise    nachzuweisen    sein. 


1)  Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  19.  Oktober  1903, 

2)  Dr.  G.  Müller,  Spuren  vorgeschichtlicher  Verhüttung  von  Eisenerzen  im  Kreise 
Greifenhagen.  Monatsblätter  der  Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  und  Altertums- 
kunde.   Jahrgang  L894,  Nr.  '_'.) 

3)  In  diesem  Jahre  schenkte  Herzog  Bogislav  der  Stadt  Stargard  den  um  Priem- 
liausen  herum  gelegenen  Teil  des  Waldes,  die  sog.  Ilaide.  als  Stadtwald.  (Siehe  Böhmer, 
Geschichte  der  Stadt  Stargard  in  Pommern,  Heft  I.  S.  52,  65  u.  66. 


—     238     — 

Hier  am  quellreichen3)  Rande  des  ehemaligen  Haftstausees2),  in  einem 
mächtigen  Walde,  der  die  zum  Schmelzprozess  unbedingt  nötigen  Holz- 
kohlen lieferte,  in  unmittelbarer  Nähe  des  grössten  Raseneisenerzlagers 
des  ganzen  Kreises,  waren  alle  Bedingungen  für  Eisenschmelzhütten  der 
Vorzeit  gegeben. 

In  der  Tat  wurden  bei  genauer  Untersuchung  dieses  Gebietes  einige 
noch  ziemlich  gut  erhaltene  Schmelzhütten  aufgefunden,  unter  denen  die- 
jenige von  Priemhausen  wohl  die  interessanteste  ist. 

Der  ehemalige  Eisenschmelzofen  bei  Priemhausen  liegt  an  einer  geo- 
logisch sehr  wichtigen  Stelle,  direkt  am  Ufer  des  früheren  Haffstausees 
und  dieser  geognostischen  Lage  verdankt  die  ganze  Anlage  ihre  Ent- 
stehung. Auf  der  einen  Seite  steigt  als  alter  Uferrand  die  10 — 15  m  höhere 
flache  Hochebene  an,  auf  der  in  nächster  Nähe  Dorf  und  Kirche  Priem- 
hausen sichtbar  sind.  Auf  der  anderen  Seite  dehnt  sich  die  weite  Sand- 
ebene des  Haffstausees  aus,  die  fast  ganz  von  Wald  eingenommen  wird. 
Unmittelbar  am  Fusse  der  Hochebene  befindet  sich  ein  starker  Quellen- 
horizont; auf  einer  Strecke  von  wenigen  Kilometern  entspringen  dieser 
Zone  mehr  als  100  starke  Quellen.  Ehe  diese  Quellen,  wie  dies  jetzt 
zum  Teil  der  Fall  ist,  zu  einem  Kanäle  gefasst  waren,  um  Mühlen  zu 
treiben,  ergoss  sich  alles  Quellwasser  in  das  Vorland  des  Haff'stausees  und 
bildete  hier  längs  des  alten  Uferrandes  ein  sumpfig -mooriges  Gebiet. 
Inmitten  dieses  zwischen  Priemhäuser  Mühle  und  Priemhäuser  Ziegelei 
gelegenen  Moores,  welches  übrigens  als  Priemhäuser  Moor  („Premuseke- 
blutu")  schon  in  einer  Urkunde3)  vom  Jahre  1269  aufgeführt  wird,  liegt 
unser  Eisenschmelzofen  in  einem  kaum  merklich  über  seine  Umgebung 
erhöhten  Birkenhain.  Dieser  Punkt  heisst  bei  der  umwohnenden  Be- 
völkerung „das  Schloss",  weil  man  in  den  dort  vorhandenen  regelmässigen 
Erdaufschüttungen  und  Gräben  die  rudera  eines  alten  Rittersitzes  zu  sehen 
glaubte.  Auch  die  Sage  hat  sich  in  diesem  Sinne  um  den  alten  Ort  ge- 
woben. Es  ist  aber,  wie  sich  aus  dem  folgenden  ergibt,  die  Stätte  eines 
alten  Eisenschmelzofens. 

Aus  dem  Moore  steigt  ein  nahezu  kreisrunder,  flacher,  etwa  1  m  hoher 
Wall  an,  der  280  Schritt  im  Umkreis  misst  und  von  West  nach  Ost 
einen  Raum  von  einem  Durchmesser  von  68  w,  von  Nord  nach  Süd  einem 
solchen  von  74  m  Länge  einschliesst.  Dieser  äussere  Wall  ist  aus  losen, 
zusammengetragenen  Feldsteinen,  Sand  und  Erde  errichtet  und  umfasst  in 
seinem  Innenraum  den  erwähnten  Birkenhain.  Im  Mittelpunkt  des 
Wäldchens  erhebt  sich  ein  genau  quadratisch  gebauter  Wall,  dessen  Seiten 
je  etwa  15  Schritt  lang  sind,  \x\%  m  hoch    mit    flacher  Einsenkung  in  der 

1)  Nach  Beck  ist  das  Vorhandensein  von  fliessendem  Wasser  oder  einer  Quelle  der 
wichtigste  Punkt  bei  der  Anlage  jener  alten  Schmelzhütten  gewesen.  Man  bedurfte  ihrer, 
um  bei  der  Arbeit  die  glühenden  Werkzeuge  zu  kühlen,  die  Holzkohlen  zu  löschen,  die 
Schlacken  abzuschrecken  und  dem  Arbeiter  einen  Trunk  zu  gewähren. 

2)  Am  Ende  der  Eiszeiteu  entstand  in  der  Gegend  zwischen  den  heutigen  Städten 
Stettin,  Stargard  und  Gollnow  ein  weit  ausgedehntes  Seebecken,  als  dessen  letzte  Reste 
das  Grosse  Haff,  das  Kleine  Haff,  der  Dammsche  See  und  das  Papenwasser  anzusehen  sind. 

3)  Siehe  Pomm.  Urk.  B.  II,  p.  21G. 


—    -rv, )    — 

Mitte.  Den  ganzen  zierlichen  Wall  mit  seinen  abgerundeten  Koken  um- 
gibt ringsum  ein  etwa  1  m  tiefer  Graben  l). 

Während  der  äussere  Wall  nur  den  Zweck  hatte,  dem  Eindringen 
des  Wassers  in  den  ganzen  inneren  Raum  bei  hohem  Wasserstand  des 
umgebenden  Moores,  z.  B.  im  Frühjahr,  vorzubeugen,  diente  der  im  Zentrum 
befindliche  viereckige  Wall  als  eigentlicher  Schmelzofen. 

Die  Ausgrabungen,  welche  in  dem  wie  eine  kleine  Schanze  aus- 
sehenden inneren  Wall  vorgenommen  wurden,  ergaben  zunächst,  dass  der 
eigentliche  Ofen  sich  an  der  Stelle  der  flachen  Einsenkung  in  der  Mitte 
befunden  hatte.  Nach  dem  Abräumen  der  Rasendecke  stiess  man  sogleich 
auf  eine  10—20  cm  mächtige  Schicht,  die  aus  aufgehäuften  grossen  und 
kleinen  Eisenschlacken  bestand  und  den  ehemaligen  Boden  des  Ofens 
darstellte.  Zwischen  ihnen  standen  mehrere  fussgrosse  Steine,  welche  zum 
Teil  wohl  das  Untergestell  des  Ofens  gebildet  hatten. 

Jedoch  war  aus  ihrer  Stellung,  da  sie  augenscheinlich  nicht  mehr  an 
ihrer  ursprünglichen  Stelle2)  lagern,  nicht  erkennbar,  ob  sie  einen  runden 
oder  viereckigen  Kaum  eingeschlossen  hatten.  Andere  Steine  hatten 
wahrscheinlich  als  Stützen  der  vorwiegend  aus  Lehm  aufgeführten  und 
innen  mit  Lehm  ausgefütterten  Ofenwölbung  gedient.  Aon  diesem  Lehm- 
ofen fanden  sich  noch  einige  grössere  Stücke,  welche  mehrfach  gebrannt, 
oft  auch  auf  der  einen  (inneren)  Seite  verglast  und  verschlackt  erschienen. 
Reste  von  Holzkohlen,  die  vielfach  aufgedeckt  wurden,  waren  zugleich 
Heizmaterial  wie  Reduktionsmittel  bei  der  Darstellung  des  Eisens  ge- 
wesen.  Der  viereckige  Wall  um  den  eigentlichen  Ofen  herum,  der  dem 
Beschauer  am  meisten  ins  Auge  fällt,  wrurde  einst  lediglich  als  Halt  und 
Stütze  für  den  inneren  an  sich  wenig  widerstandsfähigen  Lehmofen  an- 
gelegt und  aus  festgestampftem  Sand  und  Erde,  wozu  noch  einige  zufällig 
hineingeratene  Holzkohleureste  und  wenige  Eisenschlacken  hinzukamen, 
aufgeworfen. 

Die  ganze  Anlage,  soweit  sie  sich  aus  dem  jetzigen  Zustand  erkennen 
lässt,  ähnelt  in  allen  Punkten  ausserordentlich  auffallend  jenen  alten  Eisen- 
schmelzhütten, die  Beck  und  Cohausen  im  Jahre  1878  am  Dreimühlen- 
born in  der  Nähe  des  alten  Römerkastells,  der  Saalburg  bei  Homburg 
v.  d.  Höhe,  aufgefunden  und  beschrieben3)  haben. 

Dort  waren  die  Schmelzöfen  auf  genau  dieselbe  Art  gebaut,  in  allen 
Einzelheiten  stimmt  der  tatsächliche  Befund  in  Priemhausen  mit  der  Be- 
schreibung der  Schmelzöfen  am  Dreimühlenborn  überein. 

Interessant  ist  eine  Beobachtung  am  Dreimülilenborn,  die  infolge  der 
Entnahme  von  Steinen  bei  Priemhausen  nicht  mir  Sicherheit  nachgewiesen 


1)  Einige  Schritte  nördlich  davon  liegt  noch  eine  weitere  (auf  dem  Lageplan  eben- 
falls angegebene)  wallartige  Aufschüttung  und  daneben  der  durch  ihre  Ausheilung  ent- 
standene Graben;  jedoch  ist  der  nähere  Zweck  dieser  Einrichtung  nicht    mehr  ersichtlich. 

2)  Auch  sind  nach  Aussage  des  Grundstückbesitzers  Gantzkow  manche  von  ihnen 
zum  Bau  der  Chaussee  von  Priemhausen  nach  Massow  verwendet  worden. 

3)  L.  Heck  und  Cohausen,  Die  technischen  Ergebnisse  der  Untersuchung  der 
Schlackenhalden  am  Dreimühlenborn  zunächst  der  Saalburg  bei  Homburg  v.  d.  Höhe,  im 
Sommer  L878. 


—     240     — 

werden  konnte.  Am  Dreimühlenborn  waren  nämlich  zwischen  den  unteren 
Steineu,  auf  denen  der  Ofen  ruhte,  noch  die  Lücken  erkennbar,  welche 
als  Schlacken-  und  Ziehloch,  andererseits  als  Windöffnungen  zum  Ein- 
führen des  Blasebalges  gedient  hatten. 

Über  den  Betrieb  eines  solchen  alten  Eisenofens  machen  Beck 
und  Cohausen  folgende  Angaben1): 

Weil  den  Alten  die  Mittel  fehlten,  einen  Hitzegrad  zu  erzielen,  der 
hingereicht  hätte,  die  Kohlung  und  Schmelzung  des  Roheisens  zur  Eisen- 
gewinnung herbeizuführen,    wurde   in    früheren  Zeiten    das  Eisen  nicht  in 


Mittelalterlicher  Eisenschmelzofen  am  sog.  „Schloss"  bei  Priomhansen 
(Kreis  Naugard,  Pommern). 


flüssigem  Zustand  als  Roheisen  wie  heutzutage  aus  den  Erzen  gewonnen, 
sondern  sogleich  als  ein  hämmerbares,  unserm  Schmiedeeisen  oder  Stahl 
ähnliches  Produkt  dargestellt.  Dabei  war  natürlich  nur  eine  unvoll- 
kommene Reduktion  des  Eisens  aus  den  Erzen  möglich;  ein  grossei'  Teil 
des  Eisengehaltes  blieb  in  den  Schlacken'-')  zurück.  Als  Schmelzraum 
diente  ein  niedriger  Herd  oder  schachtförmiger  Ofen,  der  jedoch  nie  über 
mannshoch  war.  Die  Öfen  bestanden  ans  einer  Lehmmasse,  der  lose  auf- 
und  nebeneinander  gelegte  Steine  einen  inneren  Halt  gaben;  sie  selbst 
standen  auf  Fundamentsteinen    mit    Zwischenräumen    für   Schlacken-   und 


l  Stark  gekürzl  wiedergegeben.  Vergleiche  auch:  Beck,  Geschichte  des  Kisen- 
hüttenwesens.     Bd.  I. 

2)  So  erklär!  sich  die  ausserordentliche  Schwere  und  das  metallische  Aussehen  <ler 
im  norddeutschen  Flachland  verstreuten  Eisenschlacken. 


-     241     — 

Ziehloch  und  WindöffnungeD  für  Blasebälge.  An  der  Anssenseite  wurde 
der  Ofea  durch  eine  Böschung  von  festgestampfter  Erde  und  Rasen 
gestützt 

Während  ein  oder  zwei  Arbeiter  die  Blasebälge  bedienten,  leitete  ein 
anderer  die  Schmelzarbeit.  Diese  begann  damit,  dass,  nachdem  Feuer  in 
den  Herd  gebracht  war.  der  Ofen  mit  Holzkohlen  gefüllt  wurde.  Dann 
ihn -steii  die  ausgelesenen   und    zu  Nussgrösse    zerschlagenen    Erzstücke  in 


Plan  dos  alten  Eisenschmelzofens  am  sog.  ..Schloss"  bei  Priemhausen. 
Masstab  1  :  750. 


Lagen  mir  Holzkohle  wechselnd  aufgetragen  und  der  Wind  angelass 
werden.  Durch  die  erzeugte  Glut  wurde  allmählich  das  Elisen  reduziert  und 
.'>  bildete  sich  eine  zähflüssige  eisenreiche  Schlacke,  die  man  von  Zeit 
zu  Zeit  durch  den  Schlackenstich  abfliessen  Hess.  Auf  dem  Boden  setzte 
sich  der  langsam  sich  vergrößernde  Eisenklumpen  an.  Wenn  der  Kisen- 
klumpen  die  nötige  Grösse  und  Beschaffenheit  zeigte,  war  der  Schmelz- 
prozess  beendet;  der  Wind  wurde  abgestellt,  Kohlen  und  Schlacken  aus 
dem  Ofen  herausgekratzt  und  die  auf  der  Sohle  liegende  Eisenmasse,  die 

Zeitschrift  für  Ethnologe.    Jahrg.  1904.    Heft  2.  1,; 


—     -24-2     — 

sog.  „Luppe"  oder  „Wolf",  mit  Brecheisen  und  Zangen  herausgehoben 
und  weiter  bearbeitet. 

Der  Ofen,  auf  dessen  Boden  die  zähflüssigste,  eisenreichste  Schlacke 
zurückblieb,  wurde  alsdann  durch  Ausflicken  der  Wände  mit  feuerfestem 
Ton  zu  einer  neuen  Schmelzung  vorgerichtet." 

Die  Herkunft  des  bei  Priemhausen  zu  Eisen  verschmolzenen  Erzes 
ist  nicht  mit  absoluter  Sicherheit  festzustellen,  umsomehr  als  es  bisher 
nicht  gelang,  in  der  Nähe  des  Ofens  Reste  des  ehemaligen  Erzvorrates 
aufzudecken.  Jedoch  ist  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen,  dass 
die  Erze  in  dem  nahen  grossen  in  der  Ebene  zwischen  Münsterberg  und 
Friedrichswalde  gelegenen  Raseneisenerzlager  gewonnen  wurden.  Soweit 
die  Tradition  der  älteren  Einwohner  von  Friedrichswalde  und  Münsterberg 
zurücko-eht  —  bis  etwa  ums  Jahr  1800  —  war  dort  stets  reger  Eisenerz- 
abbau.  Aus  dem  Jahre  1827  ist  über  diesen  Bergbau  auch  ein  Beleg  in 
der  geologischen  Literatur1)  vorhanden,  aus  welchem  die  damalige  reiche 
Ausbeute  an  Münsterberger  Erz  und  die  Bedeutung  dieses  Bergbaues  für 
das  zu  jener  Zeit  bestehende  königliche  Eisenschmelzwerk  in  Torgelow 
in  Pommern  hervorgeht  Dieser  Aufsatz  enthält  unter  anderem  auch  eine 
Reihe  von  Analysen  hinterpommerscher  Raseneisenerzlager,  wonach  das 
Münsterberger  Erz  39,17  pCt.  Eisen,  dasjenige  von  Friedrichswalde  30,26  pCt. 
Eisen  enthält.  Der  Münsterberger  Eizenerzabbau  hat  erst  um  die  Mitte 
des  19.  Jahrhunderts  aufgehört;  wie  die  geologischen  Aufnahmen  ergaben, 
ist  das  ausgedehnte  Erzlager  jetzt  fast  ganz  abgebaut.2) 

Man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man  annimmt,  dass  schon  die  alten 
Schmelzhütten  ihr  Erzmaterial  aus  dem  Münsterberger  Erzlager  holten; 
finden  sich  doch  in  dem  jetzt  abgebauten  Teile  des  Lagers  bei  jeder 
Grabenräumung  und  anderen  landwirtschaftlichen  Arbeiten  in  grossen 
Mengen  eiserne  Gegenstände  aller  Art,  die  nicht  den  üblichen  prähisto- 
rischen Funden  gleichen,  sondern  direkt  auf  eine  alte,  durch  das  Erzlager 
bedingte  lokale  Eisenindustrie  an  dieser  Stelle  und  in  näherer  Um- 
gebung hinweisen. 

Bei  der  Altersbestimmung  des  Priemhäuser  Schmelzofens  ist 
ausser  der  uralten  Konstruktion,  welche  indes  an  sich  nur  eine  sehr  vage 
Zeitbestimmung  zulässt,  ein  im  Innern  des  Ofens  gemachter  Fund  von 
Wichtigkeit.  Zwischen  den  Schlacken  wurden  nämlich  an  einer  Seite  des 
Schmelzofens  die  wohlerhaltenen  Bruchstücke  eines  hohen,  schmalen, 
grauen  Gefässes  aus  sehr  hartem  Steingut  mit  gereifelten  Verzierungen 
ausgegraben.  Es  liess  sich  wieder  zu  einem  fast  vollständigen  Gefäss 
zusammensetzen.  Dasselbe  hat  frappante  Ähnlichkeit  mit  einer  Reihe 
mittelalterlicher  (lefässe3),    welche   ich    just  um  dieselbe  Zeit  auf  der  nur 


1)  „Über  die  Erzeugung  und  Verarbeitung  des  Roheisens  aus  Wiesenerzen  "  |Karstens 
Archiv  Bd.  XV     L827),  S.  3-69]. 

2)  Aus  der  letzten  Zeit  des  Münsterberger  Bergbaues  noch  herrührende  grosse  Rasen- 
eisenerzplatten sind  zum  Andenken  an  diese  vormalige  wichtige  Industrie  jener  Gegend 
vor  dem  Wohnhaus  des  Rittergutes  Münsterberg  als  Erzpyramide  aufgestellt  worden. 

:;,  Diese  Gefässfragmente  unterscheiden  sich  durch  ihr  Material  (Steingut)  und  ihre 
Ornamente  völlig  von  den  an  gleicher  Stelle  vorhandenen  ganz  anders  aussehenden  Urnen- 
(ton)scherben  der  wendischen  Burgwallzeit. 


—     243     — 

zwei  Stunden  entfernteD  Stätte  der  ehemaligen  „Wolfsburg"  auf  «lein 
Schlossberge  der  Stadt  Massow  gegenüber  aufdeckte  und  deren  Alter  durch 
die  kurze  Zeit  der  Bewohnung  dieser  Burg  (1575  bis  etwa  L600)  sehr 
genau  bestimmt  ist.  Da  es  völlig  ausgeschlossen  ist,  dass  das  unter  den 
Schlacken  des  Priemhäuser  Schmelzofens  in  Bruchstücken  vorgefundene 
typische  mittelalterliche  Gefäss  erst  in  späterer  Zeit  zufällig  dorthin  ge- 
kommen ist,  so  inuss  man  den  Priemhäuser  Eisenschmelzofen  als 
dem  Mittelalter  angehörig  betrachten. 

Ob  ihm  und  vielleicht  anderen  Eisenhütten  dieser  Gegend  ein  Doch 
höheres  Alter  zuerkannt  werden  darf,  steht  dahin.  Merkwürdig  ist  es 
immerhin,  dass  %  gerade  rings  am  Ufer  des  Moores,  in  dessen  Mitte  der 
Priemhäuser  Eisenofen  Liegt,  eine  Fundstelle  wendischer  Topf-  und  Ornen- 
scherben  neben  der  anderen  liegt,  dass  fast  jede  der  etwa  1  x/2  —  2  m 
hohen  Dünen  am  Rande  des  Moores  als  Kern  der  ehemaligen  Sand- 
anhäufung eine  wendische  Feuerstelle  mit  geschwärzten  Steinen.  Holz- 
kohlen und  mit  wendischem  Wellenornameni  versehenen  Topffragmenten 
enthält  und  ferner  noch  vorhandene  grosse  durchlochte  Handmühlen  von 
einer  gewissen  Sesshaftigkeit  der  wendischen  Bevölkerung  an  dieser  Stelle 
zeugen.  Auffällig  ist  besonders  deshalb  die  eingangs  dieser  Arbeit  er- 
wähnte Beobachtung  von  (i.  Müller,  wonach  Eisenschlacken  gerade  sehr 
reichlich  auf  wendischen  Burgwällen  vorzukommen  pflegen.  Trotz  der 
hohen  Wahrscheinlichkeit  des  Bestehens  solcher  Elisenhütten  schon  in 
wendischer  Zeit  hat  sich  bis  jetzt  kein  zweifellos  aus  wendischer  Zeit 
stammender  Eisenschmelzofen  oder  direkte  Beweise  für  ihre  Existenz 
feststellen  lassen. 

Ausser  bei  Priemhausen1)  wurden  noch  in  der  Gegend  von  Puddenzig 
und  (jfollnow  im  Kreise  Naugard  von  Hrn.  Dr.  Wunstorf  Reste  von  alten 
Eisenschmelzöfen  vorgefunden,  denen  indes  ein  jüngeres  Alter  zuzuschreiben 
ist  wie  der  Priemhäuser  Eisenhütte. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  bemerkt,  dass  die  im  ganzen  Kreise  verstreut 
auf  den  Feldern  liegenden  Eisenschlacken  nicht  selten  ganz  dieselben 
verschnörkelten  korkzieherartigen  Eindrücke  aufweisen  wie  viele  Priem- 
häuser Schlacken.  Diese  gewundenen  Spuren  sind  jedenfalls  beim  Heraus- 
holen der  zähen  Schlacke  mittels  der  Brechstange  beim  Schlackenstich 
entstanden  und  weisen  auf  eine  gewisse  Gleichheit  des  Schmelzverfahrens 
und  damit  auf  eine  annähernd  ähnliche  Zeit  ihrer  Entstehung  hin. 


1)  Auch  an  der  Kreisgrenze,  in  der  bereits  zum  Kreise  Regeuwalde  gehörigen  Feld- 
mark <les  Rittergutes  Schönen  A  linden  sieh  in  den  Rieselwiesen  am  Louisenbach  an  einer 
Stelle  mächtige  Anhäufungen  alter  Eisenschlacken,  ohne  dass  jedoch  Reste  der  jedenfalls 
früher  hier  vorhandenen  Schmelzhütte  heute  noch  erhalten  sind. 


16 


—     244 


5.  Über  Steinkisten,  Tepetlacalli,  mit  Opferdarstellungen 

und  andere  ähnliche  Monumente.1) 

Von 

Professor  Dr.  Seier. 

Anknüpfend  an  zwei  Mitteilungen,  die  ich  seinerzeit  in  dem  Ethno- 
logischen Notizblatte  über  die  Opferblutschale  der  Mexikaner  gebracht 
habe,  möchte  ich  hier  einige  Altertümer  behandeln,  die  verschieden  ge- 
deutet worden  sind,  und  von  denen  die  meisten  das  gemeinsam  haben,  dass 
auf  ihnen  auch  die  Darbringung  von  Blut  zur  Anschauung  gebracht  ist, 
allerdings  nicht    die   des  Blutes   von    geopferten  Gefangenen,    sondern  des 


\,-.v  d.St. 

Fig.  1.     Steinkiste  des  Generals  Riva  Palacio.     Vorderseite.     ^4  natürl.  Grösse. 


dem  eignen  Leibe  entzogenen  Blutes,  mit  dessen  Darbringung  der  Fromme 
die  Gebete,  die  er  an  diese  oder  jener  Gottheit  richtete,  zu  unterstützen 
suchte. 

Darstellungen  dieser  Art  keimt  man  unzählige,  sowohl  aus  dem 
engeren  mexikanischen  Gebiete,  wie  aus  dem  der  benachbarten  Stämme. 
Ich  habe  im  besonderen  einige  Steinkisten  im  Auge,  die,  wie  es  scheint, 
insgesamt  dem  Tale  von  Mexiko,  vielleicht  der  Hauptstadt  selbst,  an- 
gehören, alier  als  interessante  und  kostbare  Stücke  in  verschiedenen» 
öffentlichen  und  privaten  Sammlungen  zerstreu!  sind. 


1)  Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  20.  Februar  1904. 

2)  Seier,   Gesammelte  Abhandlungen    zur   amerikanischen  Sprach-  und  Altertums- 
le.    Bd.  II.    Berlin,  Asher  &  Co.  1904.     S.  704-716. 


—      245      — 

\\>  erste  nenne  ich  die  Steinkiste  des  Generals  Riva  Palacio  in 
Mexiko,  von  der  ich  Photographien  and  Abklatsche  meinem  Freunde 
Dr.    Pefiafiel    verdanke.      Ks    ist    eine    aus    dunklem     Laragesteine    ze- 


Fi<r.  2.     Relief  '1er  Seitenflächen  der  Steinkiste  des  Generals  Riva  Palacio. 

1  4  natürl.  Grösse. 


fertigte  Kiste,  die  eine  quadratische  Grundfläche  von  .Hl  cm  Seitenlänge 
und  eine  Höhe  von  21  cm  hat.  Auf  der  vorderen  der  vier  Seitenflächen 
ist  das  in  Fig.  1  wiedergegebene,  auf  den  anderen  Seitenflächen  das 
Relief  Fig.  2  zu  sehen.     Die  Innenseite  des  Bodens  zeigt  die  Fio\  3. 

Auf  der  Vorderseite  (Fig.  1) 
sieht  man  eine  mit  gekreuzten 
Beinen  sitzende  männliche  Ge- 
stalt, die  mit  dem  Knochendolche 
(omitl),  dem  zugespitzten  Röhr- 
knöchensplitter,  dem  <\cv  Gelenk- 
kopf als  Griff  dient,  sieh  das  Ohr 
durchsticht  (mi$o).  Es  ist  natür- 
lich eine  göttliche  Gestalt,  aber 
welche,  ist  nicht  leicht  auf  den 
ersten  Blick  zu  sagen.  Der  eine 
Fuss  ist  leider  ;i bgestossen .  so 
dass  man  nicht  einmal  konstatieren 
kann,  ob  nielit  etwa  der  eine 
Fuss,  wie  bei  dem  Gotte  Tezcatli- 
poca,  abgerissi  □  und  durch  ein»  n 
rauchenden  Spiegel  ersetzt  ist  Die 
Arme  und  Heine  sind  längsgestreift. 
D;^   ist  eine   Besonderheit   Ttauiz- 

calpantecutli's,  der  Gottheit  des  Morgensterns,  und  Alixcouatl-Camcuztlis, 
iles  Gottes  der  Tlaxkalteken  und  der  Jagd;  kommt  aber  gelegentlich  auch 
bei  Xiuhtecutli,  dem  Feuergotte,  und  -  ■  in  Gestalt  von  Streifen  blauer 
Farbe  —  bei   Uitzilopochtli  vor.    Dagegen  ist  klar,  dass  die  charakteristische 


Fig.  : 
Relief 


Steinkiste  des  Generals 
Riva   Palacio. 
er  Innenseite  des  Bodens. 


—     246     — 

Gresichtsbemalung  der  ersten  beiden  Götter,  und  ebensowenig-  die  des  Feuer- 
gottes, hier  angegeben  ist.  An  der  Schläfe  ist  in  besonderer  ornamentaler 
Ausgestaltung  ein  sich  spiral  einrollendes  Gebilde  gezeichnet,  das  wie  der 
rauchende  Spiegel  aussieht,  der  das  Abzeichen  Tezcath'poca's  ist,  aber 
auch  eine  andere  Bedeutung  haben  könnte.  Das  Haar  der  Figur 
ist  von  einem  Bande  umschlungen,  das  auf  beiden  Seiten  von  Edelstein- 
scheiben  eingefasst  zu  sein  scheint.  Darüber  liegt  auf  dem  Scheitel 
ein  gabelförmiger  Federschmuck  (aztaxelli),  unter  dem  ein  mächtiger  Busch 
von  Quetzalfedern  nach  hinten  fällt.  Das  auffallendste  Abzeichen  ist  ein 
mit  Daunenfederbällen  besetztes  Steinmesserpaar,  das  der  Stirnseite 
der  Kopfbinde  aufsitzt.  Ton  sonstigem  Schmuck  ist  ein  Pflock  in  dem 
Ohrläppchen  zu  erwähnen,  der  wohl  ein  .riuhnacoehtli,  ein  mit  Türkis- 
mosaik inkrustierter  Holzpflock,  sein  soll.  Die  Nasenscheidewand  ist  von 
einem  Stabe  durchbohrt,  dessen  Zeichnung  die  Elemente  der  Hieroglyphe 
chalchiuitl  (Smaragd,  grüner  Edelstein,  Jadeit)  aufweist.  Unter  dem  mit 
Schellen  besetzten  Halskragen  hängen  Riemen  herab.  Hinter  dem  linken 
Beine  kommt  ein  mächtiger  Federschmuck  heraus.  Das  ist  wohl  einer 
der  Streifen,  die  in  den  Götterbildern  der  Handschriften  von  einer  Rosette 
tezcacuitlapilli  herabhängen,  die  dem  Knoten  des  um  die  Hüften  geknüpften 
Tuches  hinten  aufsitzt.  An  dem  rechten  Arme  endlich  hängt  die  Tasche 
für  Räucherwerk  (copalxiquipilli),  die  das  Gegenstück  zu  dem  Knochen- 
dolche (pmitl)  ist  und  zeigt,  dass  der  Gott  hier  in  Kultusübung  begriffen 
dargestellt  sein  soll. 

Als  das  wichtigste  Merkmal  für  die  Bestimmung  der  Figur  dürfen 
wir,  neben  der  Streifung  der  Glieder,  wohl  die  beiden  Feuersteinmesser 
ansehen,  die  über  der  Stirn  aufragen.  Das  ist  eine  Besonderheit,  die  wir 
in  der  Bilderhandschrift  der  Florentiner  Biblioteca  Nazionale  bei  der 
Göttin  des  siebzehnten  Jahresfestes  (Fig.  4)  sehen,  die  in  den  gewöhn- 
lichen Berichten  mit  dem  Namen  llamatecutli  „die  alte  Fürstin"  bezeichnet 
wird,  von  dem  Interpreten  aber  an  dieser  Stelle  Ciuacouatl  genannt  wird, 
und  zweifellos  die  alte  Erdmutter  ist.  Ich  denke,  wir  werden  der  Wahr- 
heit nahe  kommen,  wenn  wir  den  in  Fig.  1  dargestellten  Gott  geradezu 
als  den  Steinmessergott,  den  Opfergott,  deuten.  Dazu  würde  auch 
die  Körperstreifung  passen.  Denn  die  zum  Opfer  Bestimmten,  das  sind  — 
wenigstens  bei  dem  grossen  XipeFeste,  wo  Menschen  in  Mengen  geopfert 
wurden  —  die  uauantin  „die  Gestreiften";  sie  wurden  weiss  und  mit 
roten  Längsstreifen  bemalt  und  erhielten  dazu  die  Gesichtsbemalung  des 
Morgensterns,  der  Gottheit  des  Osthimmels,  der  der  Aufenthaltsort  der 
Seelen  der  Geopferten  ist.  Von  der  letzteren,  der  charakteristischen 
Gesichtsbemalung  des  Morgensterns,  ist.  wie  oben  schon  gesagt,  in  der 
Fig.  1  nichts  zu  entdecken.  Aber  es  kommt  gelegentlich  auch  anderwärts 
vor,  dass  wir  den  Repräsentanten  der  Geopferten,  die  Seele  des  toten 
Kriegers,  ohne  diese  schwarze  Gesichtsbemalung  und  nur  durch  die  rothe 
Streuung  auf  weissem  Grunde  charakterisiert  sehen.     So  im  Tonalamatl1) 


1)   Das   Tonalamatl   der  Anbin  sehen  Sammlung,   erläutert   von  Dr.  Eduard  Sei  er, 
Berlin  L900,  S.  33. 


—     247     — 

der  Au l>i q scheu  Sammlung  der  Gott,  der  in  der  Verkleidung  der  Eule 
erscheint  (Fig.  5),  der  sechsten  der  dreizehn  Vogelgeßtalten,  die,  wie  ich 
anderwärts  auseinandergesetzt  habe,  vermuthlich  die  Bechste  Tagesstunde 
bezeichnet. 

Hinter  der  sitzenden  Figur  in  Fig.  1  sieht  man  Kopf,  Leib  und  Schwanz 
einer  Schlange,  eines  mythisches  Wesens,  das  anter  dem  Namen  anuhcouatl 
„Türkisschlange",  „blaue  Schlange"  bekannt  ist,  und  die  Erscheinungsform, 
die  Verkleidung   (naualli),    des    Feuergottes    und    der    ihm    verwandten 


Fig.  1.   Ciuaeouatl  oder  llamatecutli,  Göttin  dos  17.  Jahresfestps  (Tiiitl).    Bilderhandschrift 

der  Florentiner  ßiblioteca  Nazional«'  t  33 


Götter  ist  und  deshalb  auch  die  Devise  dieser  Götter  bildet1).  Der  Leib 
dieser  Schiauge,  der  hinter  dem  linken  Arme  der  Figur  zu  sehen  ist. 
bestellt  aus  winkligen,  halb  trapezo'iden  Absätzen.  Der  Kopf  ist  durch 
ein  nach  oben  verlängertes  und  nach  hinten  zurückgebogenes,  mit  Augen 
besetztes  Schnauzenende  ausgezeichnet.  Der  Schwanz  zeigt  eine  Ver- 
bindung eines  Trapezes  und  eines  dreieckigen  Strahls,  die  nur  die  orna- 
mentalere Fenn  einer  in  den  Bilderschriften  als  Zeichen  für  xiuitl  „Jahr" 
gebrauchten  Verschlingung  von  Ring  and  Strahl  darstellt,  und  die  hier 
offenbar  hieroglyphisch  das  Element  xiuh-,  das  in  dem  Namen  dieses  Wesens 


L)    Siehe  Seier,    Gesammelte  Abhandlangen  zur  amerikanischen  Sprach-  und  Ar   r- 
tnmsknnde,  Band  II.     Berlin  (A.  Ashcr  &  Co.)  1904.    S.   I»''"  s.  v.  yxiuhcoanavcU. 


248 


enthalten  ist,  zum  Ausdruck  bringen  soll.     Dem   gleichen   Zwecke   dienen 
die    in    kleine  Kreise    oder  Knöpfe    endenden  Halme,    die    zu    Seiten  des 


Fig.  ö.  uauantli, 
„Gestreifter". 
Seele  des  toten  Kriegers. 
Abbild  der  sechsten  der 
13  Vogelgestalten,  (die 
den  13  Tagesstunden  ent- 
sprechen). Tonalamatl  der 
Aubin  sehen    Sammlung. 


Fig    Ga.     Xiuhtecutli,    der    Feuergott,    Regent    des 

neunten  mit  ce  couatl  „eins  Schlange''  beginnenden 

Tonalamatl- Abschnitts.     Codex  Borbonious  '.). 


Fig.  6b.     Xiuhtecutli,  der  Feuergott,  und  Tlauizcalpan  tecutli, 

Regenten  des  neunten,  mit  c<   couatl  „eins  Schlange"  beginnenden  Tonalamatl -Abschnitts. 

M  .  der  Aubin-G-oupilschen  Sammlung 

dreieckigen  Strahles  gezeichnet  sind.  Diese  Halme  werden  in  den  Bilder- 
schriften mit  grüner  Farbe,  die  Köpfchen  gelb  gemalt,  und  das  ganze 
Gebilde  soll  Grashali larstellen,    die   im  Mexikanischen    mit  demselben 


—     -24!»     — 

Worte  xiuitl  bezeichnet  werden,  wie  der  „Türkis"  und  das  „Jahr".  Genau 
die  "leiche  Kombination  zeigt  das  Schwanzende  der  blauen  Schlange,  der 
Rückendevise  des  Feuergottes  in  mexikanischen  Bilderschriften,  dem 
Tonalamatl  des  Codex  Borbonicus  (Fig.  6a)  und  dem  Tonalamatl  dei 
A  ii  hin  sehen  Sammlung  (Fig.  6b).  Die  besondere  Bedeutung  dieses  mythischen 
Wesens  ist  in  unserem  Relief  durch  die  Figur,  die  man  an  dem 
Nacken  der  Schlange  sieht,  ausdrücklich  hervorgehoben.  Die  Figur  stelH 
nämlich  einen  Schmetterling  (papalotl)  dar.  der  den  Mexikanern  das  Sinn- 
bild des  Feuers  (f/cfl)  war.  Und  es  ist  wohl  klar,  dass  die  mit  rother  Farbe 
gemalte  geschweifte  Figur,  die  man  an  dem  Nacken  des  Drachenkopfes  sieht, 
dt'v  die  Rückendevise  ^\c>  Fcuergottes  Fig.  6a  bildet,  dieselbe  Bedeutung 
hahen  und  auch  das  Feuer  bezeichnen  muss.  —  Der  Gotl  der  Kasteiung 
alse,  die  Handlung  der  Kasteiung  und  der  brennende  Schmer/.,  den  die 
Kasteiung  verursacht,  das  scheint  in  dieser  Fig.  1,  ^a'  Vorderseite  der 
Steinkiste  des  Generals   Riva  Palacio,  zum  Ausdruck  gebracht  zu  sein. 

Das  Relief,  das  in  gleicher  Weise  wiederholt,  auf  den  anderen  drei 
Seiten  der  Kiste  zu  sehen  ist  (Fig.  2),  zeigt  unten  eine  aus  Flechtwerk 
bestehende  Halbkugel,  die,  innen  hohl,  mit  dem  hohlen  Innern  nach 
unten  gekehrt  ist.  Darüber  sieht  man  eine  geschweifte  Zeichnung,  ähnlich 
der  auf  dem  Nacken  der  Feuerschlangendevise  des  Feuergottes  Fig.  6, 
auf  die  ich  eben  aufmerksam  gemacht  habe.  Und  darin  stecken  zwei 
Agave-Blattspitzen,  sogenannte  Maguey-Dornen  (uitztli),  über  deren  oberen 
Ende  eine  Figur  zu  sehen  ist,  die  man  als  eine  Blume,  oder  richtiger 
wohl  als  die  bloss  im  Kreisausschnitt  gezeichnete  Hieroglyphe  chalchiuitl 
(Smaragd,  grüner  Fdelstoin)  deuten  muss.  Das  ganze  Gebilde  hat  seine 
Parallele  in  Bildern,  wie  Fig.  7  und  8,  die  dem  Codex  Borbonicus  18 
und  20  entnommen  sind,  wo  man  den  geflochteneu  Ballen  mit  grüner 
Farbe  gemalt  und  (in  Fig.  7)  am  oberen  Ende  der  Agave -Blattspitze 
wirkliche  Blumen  gezeichnet  sieht.  Diese  Figuren  sollen  die  Grasballen 
(facatapayolli)  darstellen,  in  die  der  Büssende  die  Agave -Blattspitzen 
steckte,  die  nach  allgemeinem  Usus  die  Träger  des  Blutes  waren,  das  *\rv 
Büssende  durch  Einschnitte  in  die  Ohren,  die  Zunge  oder  andere  Teile 
des  Leibes  herausfli essen  Hess.  Das  Bild  der  Blüte,  und  ebenso  das  der 
Hieroglyphe  chalchiuitl  in  unserer  Fig.  2,  das  am  oberen  Ende  der  Agave- 
Blattspitze  zu  sehen  ist,  soll  das  Blut  (eztli)  bedeuten,  mit  dem  diese  Blatt- 
spitzen bestrichen  sind,  und  das  auf  ihnen  den  Göttern  dargebracht  wird. 
Die  geschweifte  Zeichnung,  die  in  Fig.  2  über  dem  Grasballen  zu  sehen 
ist,  vergleiche  ich  direkt  der  geschweiften  Zeichnung  auf  dem  Nacken  der 
Feuerschlangendevise  des  Feuergottes  Fig.  6a  und  deute  sie  als  das  Feuer, 
das  Brennen  der  Kasteiung  und  finde  mich  in  dieser  Auffassung  gestützt 
durch  die  Rauchwolken,  die  man  in  der  Mitte  des  Bildes  über  der  ge- 
schweiften Zeichnung  und  unter  dem  Grasballen  sieht. 

Die  beiden  Figuren  endlich,  die  man  in  Fig.  2  links  und  rechts  neben 
dein  Grasballen  sieht,  haben  auch  im  Codex  Borbonicus  ihre  Parallele. 
Vgl.  Fig.  (.>.  10.  Sie  bezeichnen,  wie  ich  das  --■heu  in  früheren  Arbeiten 
nachgewiesen  habe,  die  Mitternacht  (youalnepantla),  die  den  .Mexikanern 
die    Zeit    der   Kasteiung     war.    das    riet  !     <•:  !    tlapitealizpan    „wo 


—     250     — 

man  die  Muschelhörner  blies  und  sich  den  Leib  zerschnitt."  Das  von 
krausem  Dunkel  umgebene  Auge,  das  ist  natürlich  der  Sternhimmel  oder 
die  Nacht.  Man  sieht  dieses  einfache  Symbol  auch  in  den  Fig.  7  und  8 
über,  bezw.  neben  dem  Grasballen,  dem  Zeichen  der  Kasteiung,  angegeben. 
Die  Agave-Dornen  und  die  Blüten,  die  man  in  Fig.  9,  10,  und  auch  in 
unserer  Fig.  2,  über  dem  Bilde  der  Nacht  emporragen  sieht,  bezeichnen 
wieder  das  Blut,  die  Kasteiung.     Die  Blätter,    die,    im  Kreuz  gestellt,  in 


Fig.  9. 
Codex  Borbonicus  IG. 


Fig.  7.     Hieroglyphe  youalnepantla    „Mitternacht"' 

und  gacatapayolli  ..Grasballen",  in  dem  zwei  mit  Blut. 

bestrichene  Agaveblattspitzen  (uitztli  ezc/))   stecken. 

Codex  Borbonicus  18. 


Fig.  8.  Hieroglyphe  youalnepantla  „Mitternacht"  und 
caeatapäyolli  .Grasballen".    Codex  Borbonicus  20. 


Fig.  10. 
Codex  Borbonicus  10. 

Hieroglyphe  youalnepantla 

netetequispan   „Mitternacht,  Zeit 

der  Kasteiung". 


Fig.  10,  und  auch  in  unserer  Fig.  '2,  zu  sehen  sind,  sollen  vielleicht  wieder 
die  Blattstreu,  oder  die  Grasballen,  bedeuten,  auf  denen  man  die  Agave- 
Donieii  deponierte.  -Man  hat  sie  in  dieser  Weise  gezeichnet,  vermutlich 
in  Anlehnung  an  die  Art,  wie  man  die  Sonne,  den  Spiegel,  den  Türkis, 
den  chalchiuitl  und  andere  leuchtende  Gegenstände  hieroglyphisch  zur  An- 
schauung  zu  bringen  gewohnt  war.  Denn  die  Mitte  dieses  Bildes  der  Nacht 
bildet  ja  auch  ein  &uge,  das  Leuchtende  Auge  der  Nacht,  der  am  Nacht- 
liimmel    funkelnde    Stern.      Vielleicht  wollte    man    auch   damit  sagen, 


—     25 1     — 

dieses  von  Dunkel  umgebene  Auge  die  Mitte  darstellen  soll,  nicht  einfach 
die  Nacht,  sondern  die  Mitternacht.  Denn  «lies«'.  die  Mitternacht,  ist 
es,  die  das  t/<i//<ii>if;<dizpan,  netetequizpan ,  die  Zeit  war.  wo  man  die 
Muschelhörner  blies  und  sich  peinigte,  sich  den    Leib  zerschnitt. 

So  bringt  also  dies  Relief  der  drei  anderen  Seiten  der  Steinkiste 
genau  die  gleichen  Vorstellungen  zum  Ausdruck,  die  das  ausgeführtere 
Bild  der  Vorderseite,  unsere  Fig.  1,  dem  Mexikaner  vor  Augen  stellte. 

Wie  andere  Stücke  der  gleichen  Art,  hat  auch  diese  Steinkiste  auf 
der  Innenseite  des  Bodens  noch  ein  Relief,  das  ich  in  Fig.  3  wieder- 
gegeben habe.  Dies  stellt  offenbar  nichts  anderes  als  den  Kopf  der  Erd- 
kröte dar,  die  auf  der  Unterseite  der  Opferblutschalen,  die  in  den  beiden 
im  Mingange  erwähnten  Aufsätzen  beschrieben  sind,  zu  sehen  ist,  und 
bezeichnet,  wie  diese,  vermutlich  bloss  die  Unterseite  des  Stücks.  Es  isl 
deshalb  auf  der  eigentlichen  Unterseite,  der  Fläche,  mit  der  die  Kiste  auf 
dem  Boden  steht,   kein  weiteres  Relief  angebracht  worden. 

Was  nun  aus  diesen  Verzierungen  auf  den  Zweck  und  die  Bedeutung 
der  Kiste  selbst  zu  schliessen  ist,  darüber  will  ich  mich  erst  äussern,  wenn 
wir  noch  ein  Paar  der  verwandten  Stücke  betrachtet  haben. 

Der  vorigen  am  nächsten  verwandt  ist  die  Steinkiste,  die  sich  im 
Besitze  des  Licenciado  Nicolas  Islas  y  Bustamante  befindet,  von  der 
ich  ebenfalls  der  Güte  meines  Freundes  Dr.  Pefiafiel  Photographien  und 
Altklatsche  verdanke.  Das  Stück  ist  aus  demselben  dunklen  Lavagestein 
gefertigt,  hat  eine  Grundfläche  von  34  X  32  cm  und  eine  Höhe  vou  20  cm; 
der  Boden  ist  4  cm  stark. 

Als  Vorderseite  ist  hier,  nach  der  Orientirung,  die  durch  die  Reliefe 
auf  der  Innenseite  und  der  Unterseite  des  Bodens  gegeben  ist,  die  Fig.  11 
anzusehen.  Das  ist  eine  genaue  Parallele  zu  dem  Relief  der  drei  Seiten- 
flächen der  Steinkiste  des  Generals  Riva  Palacio,  unserer  Fig.  2.  Auch 
hier  sehen  wir  den  Grasballen  (gacatapayolli)  und  das  Zeichen  der  Mitter- 
nacht, der  Zeit  der  Kasteiung  (youalnepantlü  netetequizpan).  Die  geschweifte 
Zeichnung  über  dem  Grasballen  ist  hier  noch  deutlicher  als  Zeichen  für 
Feuer  zu  erkennen,  da  man  aus  ihrer  Spitze  die  Rauchwolken  empor- 
wirbeln sieht.  Die  Blüte  an  dem  oberen  Ende  der  Agave  -  Blattspitzen, 
die  in  der  Fig.  2  durch  eine  Variante  der  Hieroglyphe  chalckkiitl  ersetzt 
war.  ist  hier  zu  einer  Scheibe»  mit  einem  Kern  in  der  Mitte  reduziert. 
Dagegen  sind,  wie  in  Fi»-.  2,  die  Blüten  an  dem  Zeichen  der  Mitternacht 
deutlich   und  schön,   mit  ihren  zwei   Staubkolben,  gezeichnet. 

Als  zweite  Seitenfläche  ist  danach  die  Fig.  12  anzusprechen,  mit  der 
die  beiden  letzten  Seitenflächen,  Fig.  13,  14.  in  der  ganzen  Anordnung 
übereinstimmen.  Fig.  12,  die  zweite  Seitenfläche,  ist  die  unmittelbare 
Parallele  des  Reliefs  der  Vorderseite  der  Steinkiste  dos  Generals  Riva 
Palacio.  unserer  Fig.  1.  Derselbe,  durch  ein  mit  Daunenfederbällen  be- 
setztes Steinmesserpaar  an  der  Stirnseite  der  Koptbinde  gekenn- 
zeichnete Gott,  den  ich  als  den  Steinmessergott,  oder  Opfergott,  an- 
sehe, ist  auch  hier  dargestellt.  Nur  die  Längsstreifung  der  Glieder  ist 
nicht    so  deutlich,    wie  bei   dem   (Jette   der   Steinkiste    des  Generals    Riva 


—  m  — 

Palacio.  Auch  er  hat  an  seinem  rechten  Arme  die  Tasche  für  Räucher- 
werk (copalviquipilli)  hängen  und  durchsticht  mit  einem  Knochendolche 
(omitV)  sich  das  Ohr.  Die  Haltung'  und  auch  die  Hauptstücke  der  Aus- 
stattung   sind    durchaus   die    gleichen,    wie    in    Fig.  1.      Die    Einzelheiten 


Fig.  11. 


rrn'T         .jji.trwv-.".* 


j^'i»WfJjS&ii"w>7r«'-f,-itttVU^fcJ»iP 


Fig.  12. 

Fig.  11.  L2.     Erste  und  zweite  Seitenfläche  der  Steinkiste  des  Licenciado 
Nicolas  Islas  y  Bustamante. 


sind  schwer  zu  erkennen,  da  diese  Seite  der  Kiste  stark  abgerieben  ist, 
und  hier  auch  durch  die  Wand  ein  Loch  getrieben  worden  ist,  vermutlich 
weil  irgend  einer  der  Vorbesitzer  diese  Steinkiste  als  Quellbecken  benutz! 
hat.  Aus  dem  .Munde  kommen  sich  kräuselnde,  rauchwolkenartige  Gebilde 
heraus,  die  ein  Zeichen  der  Hede,  des  Gebets  oder  des  Gesanges  sind. 
Hinter  dem  Gotte  sind  vier  A-gave-Blattspitzen  (uitztli)  angegeben,  in 


einer  Anordnung,  der  man  auch  auf  anderen  Monumenten  begegnet,  bo 
nämlich,  dase  drei  der  Spitzen  als  ein  Bündel  in  ein  Loch  der  vierten 
gesteckt  sind. 

Vor  dem  Grotte  endlich    sieht  man  ein   Räucherbecken    (tlemaitl),    aus 


.     -:. 


•     -ar;    .* 

\  '  'V.     -x 


Fier.  13. 


Fig  14. 

Fig.  13,  II.     Dritte  und  vierte  Seitenfläche  der  Steinkiste  . Ls  Licenciado 

Nicolas  Islas  y  Bustamante. 


dem  Feuer  emporlodert.  Der  Griff  des  Räucherbeckens  ist  —  genau  in 
der  Weise,  wie  wir  das  an  verschiedenen  in  dem  Tale  von  .Mexiko  ge- 
fundenen Originalstücken  selten  können.  —  in  Form  einer  Schlange  ge- 
bildet, die  hinter  dem  Kopfe  mit  einer  Schleife  umbunden  ist.  Der  Boden 
der  Schale  ist  deutlich  durchlöchert  gezeichnet,  denn  aus  ihm  schlauen 
Rauchwolken  nach   unten.     Der   Rand    der  Schale    hat    die    Gestalt    eines 


—     254     — 


Federkranzes.  Vielleicht  ist  das  als  der  äussere  Umkreis  der  Hieroglyphe 
ehalchiuitl  aufzufassen  und  als  eine  Andeutung,  dass  dieses  Räucherbecken  aus 
edlem' Gestein  gefertigt  sein  soll.  Das  aus  dem  Becken  auflodernde  Feuer 
ist  durch  die  Gestalt  eines  Schmetterlings  (papalotl)  deutlich  zum  Aus- 
druck gebracht. 

Das  Relief  der  dritten  Seite  (Fig.  13)  ist  in  der  ganzen  Anordnung 
der  der  eben  behandelten  zweiten  Seite  gleich.  Nur  die  Gottheit  ist  eine 
andere.  Es  ist  ein  bärtiger  Gott,  dessen  Haar,  mit  Daunenfederbällen 
besetzt,  auf  dem  Scheitel  eine  Adlerfeder  trägt.  An  dem  Nacken  oder 
Hinterhaupt  ist  als  Devise,  als  Helmmaske  oder  Verkleidung  (naualli)  ein 
Jaguarkopf  zu  erkennen.    Auch  die  mit  Schellen  besetzten  Wadenbinden 

(cotzeuatl)  zeigen  die  charakteri- 
stischen, um  einen  Fleck  in  der 
Mitte  sich  gruppierenden  Flecken 
des  Jaguarfells.  Um  den  Hals 
hängt  eine  Kette  von  Steinperlen, 
der  grössere  Perlen,  oder  viel- 
leicht auch  Schellen,  länglich- 
birnförmiger  Gestalt  angefügt 
sind.  Als  besonders  charakte- 
ristisch hebe  ich  hervor,  dass 
das  Haar  hinten  in  einem  langen 
Zopf  geflochten  und  durch  einen 
Ring  gezogen  ist.    Letzteres  ist 

das  besondere  Kennzeichen 
Tepeyollotlis,  des  Gottes  derBerg- 
höhlen  (vgl. Fig.  17),  der  bekannt- 
lich ebenfalls  in  der  Regel  als 
bärtiger  Gott  und  als  Regent  des 
dritten  Tageszeichens  {colli  „Haus")  und  des  dritten  Tonalamatl-Abschnitts 
(cemacatl  „eins  Hirsch")  in  Jaguargestalt  abgebildet  wird.  Der  Gott  Tepoyollotli 
wird  von  den  Interpreten  als  das  Echo  bezeichnet  --  „el  retumbo  de  la 
voz  cuando  retumba  en  im  valle  de  im  cerro  ä  otro"1).  Und  zum  deut- 
lichen Zeichen,  dass  es  sich  bei  dem  Relief  der  dritten  Seite  der  Islas  y 
Bustamanteschen  Steinkiste,  unserer  Fig.  13,  in  der  Tat  um  ein  Abbild 
Tepeyollotlis  handelt,  sehen  wir  hier  das  vor  dem  Munde  der  Figur 
angegebene  Zeichen  der  Rede  zurückgeworfen  hinter  der  Figur 
wiederholt. 

Die  vierte  Seite,  Fig.  14,  zeigt  wiederum  ein  Bild  durchaus  der 
gleichen  Art,  wie  auf  der  zweiten  und  dritten  Seitenfläche.  Nur  ist  die 
(iottlu'it  hier  wieder  eine  andere,  und  das  Bild  ist  anders  gewendet,  da 
die  hier  an  der  rechten  Seite  anstossende  Seite  die  Vorderseite  ist,  und 
die  Figur  dieser  vierten  Seite  der  Vorderseite  nicht  gut  den  Kücken  zu- 
wenden  kann. 


Fig.  15.     Relief  der  Innenseite  des  Bodens  der 

Steinkiste  des  Licenciado 

Nicolas   Islas  y  Bustamante. 


1)  Pedro  de   los  Rios,    erklärende   Legende    zu  Codex  Telleriano  Remensis    i'ol.  0 
verso  (=  Kingsborough  II.   1 1, 


•_'.).) 


Der  Gott  dieser  vierten  Seite  i>r  durch  der  abgerissenen  and  durcb 
einen  rauchenden  Spiegel  ersetzten  linken  Fuss,  sowie  dnrch  den  rauchenden 
Spiele]  im  der  Schläfe,  deutlich  als  Tezcatlipcca  gekennzeichnet.  Im  Gesicht 
ist  hier  durch  eingeritzte  Linien  eine  Bemalung  angedeutet.  Diese  ist 
aber  nicht  das  gewöhnliche  ixtlan  tlatlaan,  die  abwechselnden  gelben  und 
schwarzen,  quer  über  das  ganze  Gesicht  verlaufenden  Streifen,  sondern  das 
ixayac  moüatlatlalüiticac,  die  Fest-  und  Tanzbemalung  der  Krieger,  die, 
wie  wir  aus  Sahagun  wissen,  in  abgebrochenen  schwarzen  Strichen  bestand, 
<lie  mir   schwarzer   Farbe   aufgelegt    und   durch   Gberstreuen  mir   Schwefel- 


Fig.  16.     Relief  der  Unterseite  des  Bodens  der  Steinkiste  des  Licenciado 
Nicolas  Islas  y  Bustamante. 

kiespulver  leuchtend  gemacht  wurden.  In  dieser  Weise  sehen  wir  in  dem 
Göttertrachtenkapitel  den  Gott  Tlacochcalco  yaotl,  den  Krieger  im  Speer- 
hause, OmacatL  den  Gott  der  Bankette,  und  Yacatecuhili,  den  Gurr  der 
Kaufleute,  im  Gesichte  bemalt1),  von  denen  die  ersten  beiden  gewiss,  und 
wahrscheinlich  auch  der  letztere,  nur  besondere  Erscheinungs-  und  Kultus- 
formen Tezcatlipocas  sind.  —  Der  Gott  trägt  über  dem  Haare  eine  Krone 
ven  steifen  Federn,  die  mit  Daunenfederbällen  besteckt  sind,  und  hat  am 
Nacken  einen  gabelförmigen,  ebenfalls  mir  Daunenfederbällen,  aber 
grösseren,  besetzten  Federschmuck  der  Art,  die  die  Mexikaner  aztcucelli 
nannten.      Im  übrigen    ist  die  Haltung  und  Tracht,    sowie   die    ganze   An- 


1)   Siehe  Seier.   Gesammelte  Abhandlungen  zur  amerikanischen  Sprach-  und  Alter- 
tumskunde.    Band  II.     Berlin,    A.  Asher  dt  Co.,    1904.    S.   195,   Fig.  11:   S.  504,    Kj 
und  S.  153,  Fig.  L3  und  S.  454  s.  v.  motlatiatlalUi. 


>56 


Ordnung  «los  Bildes,  der  der  anderen  beiden  Seitenflächen  gleich.  Au  der 
Pfanne  des  Räucherbeckens  (tlemaid)  ist  die  Wanddurchbrechung  in  Form 
von  Dreiecken  sehr  schön  zu  sehen,  die  wir  an  den  tönernen  Originalen 
solcher  Pfannen,  die  wir  in  den  Sammlungen  haben,  kennen. 

Die  vordere  dieser  vier  Seiten  der  Islas  y  Bustamanteschen  Kiste, 
die  Anfangsseite,  (Fig.  11).  werden  wir  wohl  als  die  östliche  ansehen 
können.       Dann    ist    die   zweite,    die   mit   dem    Opfermessergott    (Fig.  12), 

die  nördliche;  und  das  ist  eine  natnrgemässe 
Verbindung,  denn  in  den  Norden  verlegten 
die  Mexikaner  das  Totenreich,  er  bezeichnete 
ihnen  also  die  Vernichtung  und  das  Reich 
der  Erde,  und  wird  in  der  Tat  in  den  Bilder- 
schriften an  verschiedenen  Stellen  mit  dem 
Steinmesser  und  dem  Steinmessergotte  in  Ver- 
bindung gebracht.  Die  dritte  Seite  (Fig.  13), 
die  nun  die  westliche  sein  muss,  ist,  nicht 
minder  naturgeinäss,  durch  den  Gott  der 
Höhlen  gekennzeichnet.  Und  dass  auf  der 
vierten,  der  südlichen,  (Fig.  14),  Tezratlipoca 
abgebildet  ist,  können  wir  ebensogut  ver- 
stehen, denn  dieser  Gott  war  in  der  Tat  nicht 
nur  der  Tlacochcalco  yaotl,  der  Krieger  im 
Speerhause,  im  Nordtempel,  sondern  auch 
der  Uitznauac  teotl,  Uitenäuac  yaotl  „der 
Gott  im  Südtempel",  „der  Krieger  im  Süd- 
tempel". 

Das  Relief  der  Innenseite  des  Bodens 
(Fig.  15,  S.  254)  ist  dem  der  vorderen  Seiten- 
fläche ähnlich.  Es  ist  auch  hier  der  Grasballen 
(cacatapayolli)  dargestellt,  die  Flamme  darüber 
und  die  beiden  in  ihn  gesteckten  Agave-Blatt- 
spitzen (uitztli).  Nur  das  Zeichen  der  Mitter- 
nacht, zu  beiden  Seiten  des  Grasballens,  fehlt. 
Und  der  Grasballen  selbst  ist  hier  auf  seiner 
Oberfläche  noch  mit  Daunenfederbällen  be- 
steckt. 

Da  das  Relief  der  Innenseite  des  Bodens  nicht  schon,  wie  bei  der  Stein- 
kiste des  Generals  Riva  Palacio  (vgl.  oben  S.  245,  Fig.  3)  den  Begriff  der 
l  uterseite  oder  des  Bodens,  zum  Ausdruck  bringt,  so  ist  in  unserem  Stücke 
auch  die  Unterseite  der  Kiste  mit  einem  Relief  bedeckt,  das  ich  in  Fig.  .1(5, 
S.  255  wiedergegeben  habe.  Es  ist  eine  in  ihrer  Art  einzige  Darstellung, 
der  ich  bisher  keine  andere  ähnliche  an  die  Seite  stellen  kann.  Es 
ist  auch  hier  das  von  oben  herabkommende  Ungeheuer,  in  der  ganzen 
Haltung  <\>-v  Erdkröte  ähnlich,  die  auf  der  Unterseite  der  Opferblut- 
achalen  abgebildei  zu  werden  pflegt.  Aber  es  ist  nicht  die  Erdkröte 
selbst,  sondern  augenscheinlich  „der  Fisch  cipactli",  aus  dem  die  Erde 
geschaffen  wurde.    w\e  in  der  „Historia  de  los  Rfexicanos  par  sus  pin- 


Fig.  17.    Tepeyollotli,  der  Gott 

der  Berghöhleu.     Achter  der 

neun  Herren  der  Nacht. 

Codex  Fejervüry- Mayer  4 

(=  Kingsborough  41.) 


—     257     — 

turas"1)  erzählt  ist.  Demi  das  Wesen  ist  auf  dem  Wasser  schwimmend 
dargestellt,  hat  einen  langen,  mit  Zackenreihen  besetzten  Krokodilschwan/. 
und  einen  verlängerten,  ebenfalls  mit  Zackenreihen  besetzten  Reptilkopf, 
dessen  Form  uns  nur  sonderbar  anmuthet,  weil  wir  nicht  gewöhnt  sind, 
dieses  krokodilartige  Wesen  en  face  gezeichnet  zu  sehen.  Der  Kopf  ist 
von  einer  aus  drei  Elementen  bestehenden  Binde  umschlungen.  Darüber 
liegt  auf  dem  Scheitel  ein  gabelförmiger  Federschmuck  (aztaxelli)  und  zu 
den  Seiten  des  Kopfes  ragen  breite,  gefältelte  Stücke  hervor,  die  breiten 
Enden  der  Xackenschleife  tlaquechpanyotl  der  Erd-,  Berg-  und  Wasser- 
gottheiten. Der  hintere  Teil  des  Leibes  scheint  mit  einer  Art  Enagua 
bekleidet  zu  sein.  Vier  breite  Bänder  ragen  von  der  Mitte  des  Leibes 
nach  beiden  Seiten  hervor,  die  eine  auf  der  Bauchseite  befindliche,  also 
hier  unsichtbare  Verknotung  vermuten  lassen,  die  vielleicht  der  Be- 
festigung der  Enagua  dienen  sollte.  —  Das  ganze  Gebilde  scheint  auch 
hier  wieder  nur  die  Unterseite,  die  Bodenseite,  zum  Ausdruck  bringen  zu 
sollen.  Aber  es  ist  eine  interessante  Variante,  die,  wie  gesagt,  soweit  mir 
bekannt,  bis  jetzt  einzig  dasteht. 

Als  drittes  Stück  führe  ich  die  Steinkiste  der  Hackm ackschen 
Sammlung  des  Museums  für  Völkerkunde  in  Hamburg  an,  von  der  ich 
durch  meinen  Freund  Dr.  Streb el  eine  Zeichnung  erhalten  hatte,  und  deren 
Reliefe  im  Original  zu  studieren  mir  durch  die  Zuvorkommenheit  der  Ver- 
waltung des  Hamburger  Museums  ermöglicht  wurde.  Wo  das  Stück  her- 
stammt, weiss  man  nicht  genau.  Ein  Herr  Juan  Bajes  besass  diese  Kiste, 
von  dem  Hackmack  sie  in  Mexiko  erworben  hat.  Die  Kiste  ist  zunächst 
schon  dadurch  interessant,  dass  hier  auch  der  Deckel  der  Kiste  vorhanden 
ist,  der,  wie  gewöhnlich,  mit  einem  Falz  über  den  innern,  erhöhten  Rand 
der  Kistenwände  greift. 

Die  Kiste  ist  aus  einem  harten  Silikatgestein  graugrünlicher  Farbe 
gearbeitet  und  fein  poliert.  Die  Gestalt  ist  nicht  ganz  regelmässig.  Die 
Grundfläche  bildet  ein  Oblong,  dessen  längere  Seiten  33,2  cm  und  33,4  cm, 
die  kürzeren  21  cm  und  21,3  cm  messen.  Die  Höhe  der  Seitenwände,  bis 
zu  dem  Falz  beträgt  8,8  cm  und  8,9  c?».  Der  innere  erhöhte  Rand  erhebt 
sich  darüber  noch  um  1,8  cm.  Der  über  den  erhöhten  Rand  der  Kisten- 
wände  greifende  untere  Rand  des  Deckels  ist  auf  einer  grösseren  Strecke 
abgebrochen.     Im  übrigen  ist  das  Stück  in  allen  Teilen  wohl  erhalten. 

Als  Vorderseite  ist  wohl  die  eine  der  beiden  Breitseiten  anzusehen, 
und  zwar,  wie  man  aus  der  Orientierung  der  das  Relief  der  Innenseite  des 
Bodens  und  das  der  Oberseite  des  Deckels  bildenden  Figuren  schlie-- 
muss,  die  Seite,  die  ich  in  Fig.  IS  wiedergegeben  habe.  Man  sieht  eine 
mit  gekreuzten  Beinen  sitzende  Gestalt,  genau  in  der  gleichen  Haltung 
wie  die  Figuren  auf  den  beiden  zuvor  besprochenen  Steinkisten,  mit  der 
Tasche  für  Räucherwerk  (copalriquipilli)  am  Arm  und  mit  dem  Knochen- 
dolche (pmitV)  sich  das  Ohr  zerstechend.    Auf  dem  Scheitel  liegt  ein  Peder- 


1)  Garcia  Icazbalceta,  Nueva  Coleccion  de  Documentos  para  la  Historia  de  Märico. 
Tomo  III  (Mexico  1891)  p.  23.  —  „y  hicierou  el  agua  y  en  ella  criaron  ;i  un  peje  grande 
que  se  diee  cipaquacli,  que  es  como  caiman,  y  desto  peje  hieieron  la  tierra." 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Heft  2.  17 


—     258     — 

schmuck  (azta<relli),  der  in  zwei  gabiig  auseinanderstehende  Federn  endet. 
Hinten  sieht  man  einen  Jaguarkopf,  der  vielleicht  als  Rosette  (tezcacuitla- 
pilli)  dem  Gürtelknoten  aufsitzen  soll.  Vor  dem  Munde  ist,  gross  und  be- 
deutend gezeichnet,  das  Zeichen  der  Rede  zu  sehen.  Im  übrigen  sind 
an  der  Figur  keine  besonderen  Merkmale  zu  erkennen,  die  sie  uns  mit 
einer  oder  der  anderen  Gottheit  identifizieren  liesse.  Dagegen  ist  hinter 
dem  Kopfe  der  Figur  eine  grosse  Hieroglyphe  angegeben,  die  die  Frage 
nach   der  Bedeutung    der    Figur    ohne   weiteres    zu    klären    scheint.       Sie 


Fi  sr.  18. 


Fisr.  20. 


Fig.  19.  Fig.  21. 

Fig.  18—21.     Dier  vier  Seitenflächen  der  Steinkiste  der  Hackmackschen  Sammlung 
des  Museums  für  Völkerkunde  in  Hamburg. 

enthält  nämlich  Elemente,  die  wir  als  die  der  Hieroglyphe  Motecuhcoma 
Xocoi/otzin  kennen,  so  wie  wir  diese  im  Codex  Mendoza,  und  ähnlich  auch 
im  Sahagun-Manuskript,  gezeichnet  sehen.  Es  ist  das  von  der  königlichen 
Stirnbmde  aus  Türkismosaik  (xiuhuitzolli)  umwundene  Haar,  ein  beil- 
förmigor  Ohrpnock  und  ein  besonderes  Element,  in  betroff  dessen  der 
alte  OrozcoyBerra  die  Vermutung  ausgesprochen  hat,  dass  es  ein  Aus- 
druck des  Wortes  Xocoyotzin  „der  Jüngere"  sei  eine  Vermutung,  die 
allgemein,    und  auch  von    mir  bisher,    angenommen  worden  ist1).      So  ist 


1)  So  noch  in  dem  I.  Bande  meiner  „Gesammelten  Abhandlungen  zur  amerikanischen 
Sprach-  und  Altertumskunde".    Berlin,  A.  Asher  &  Co.,  1903; 


—     259     — 

denn  von  mir  befreundeten  Archäologen  die  Figur  <l<-r  Fig.  18  immer 
ohne  weiteres  als  Motecuhpoma  bezeichne!  worden.  Bei  genauerem  Zu- 
sehen   erkannte  ich  indes,  dass  in   der   I Ii»*r<i^-Iyj»li«'   hinter    dem   Kopfe  der 


Figur  (Fig.  ls)  noch  ein  anderes  Element  steckt,  der  geflochtene  Gras- 
strick mit  den  herausstellenden  Enden,  der  —  wie  wir  aus  den  Biero- 
glyphen  Nepaualcoyotl  and  NepaualpiUi  [wissen  —  das  Fasten  (nepaualli) 
bedeutet.     Da    habe  ich  denn  zunächst    an  eine  vierte  Steinkiste  gedacht. 

IT' 


Fig.  29).      Bei    dieser    trägt    der    Deckel    auf 


—     260     — 

an  die,  die  sich  im  Museo  Nacional  de  Mexico  befindet,  und  die  Penafiel 
in  dem  zweiten  Bande  seines  grossen  Werkes  „Monumentos  del  arte 
antiguo    Mexicano"  *)    auf   Blatt   124 — 126    abbildet    (siehe  unten    S.  268, 

der  Oberseite  das  Datum 
matlactli  ozce  tecpatl  „eilf 
Feuerstein"  (unten  S.  269, 
Fig.  30),  auf  der  Innenseite 
eine  Hieroglyphe,  die  mit 
der  der  Figur  unserer  Fig.  18 
sich  berührt  (unten  S.  269, 
Fig.  31),  die  Penafiel, 
weil  „eilf  Feuerstein"  = 
A.  D.  1516  das  Jahr  ist,  in 
dem  Nefciualpilli,  der  König 
von  Tezcoco,  starb,  und  diese 
Kiste  ausTezcoco  gekommen 
sein  soll,  für  die  Hiero- 
glyphe des  Königs  Necaual- 
pilli  erklärte.  Ich  habe 
diese  Erklärung  früher  ab- 
gelehnt, weil  ich  in  der 
Hieroglyphe  Fig.  31  nichts 
von  den  Elementen  der 
Hieroglyphe  Ne<;aualpilli  er- 
kennen konnte,  und  an- 
dererseits die  Hieroglyphe 
Fig.  31  mit  der  der  Hiero- 
glyphe Motecuh^oma  Xo- 
coyotzin,  wie  diese  auf 
Blatt  14  des  Codex  Men- 
doza  angegeben  ist,  in 
jeder  Beziehung  überein- 
zustimmen schien.  Nach- 
dem ich  aber  die  Zeich- 
nungen der  Hamburger 
Steinkiste  und  die  in  Fig.  18 
wiedergegebene  Hierogly- 
phe gesehen  hatte,  musste 
ich  mir  die  Frage  vor- 
legen, ob  ich  nicht  doch 
Penafiel     Unrecht     getan 


Fig.  23.    Unterseite  des  Deckels  der 

Hackmackschen  Steinkiste 

des  Museums  für  Völkerkunde  in  Hamburg. 


Fig.  24.     Innenseite  des  Bodens  der  Steinkiste  der 

Hackmackschen  Sammlung 

des  Museums  für  Völkerkunde  in  Hamburg. 


hatte,  ob  nicht  etwa  die  Hieroglyphe  Fig.  31  nur  als  eine  unvollständige 
Form  der  Hieroglyphe  Fig.  18,  die  letztere  aber  in  der  Tat  als  Necaualpilli 
zu  lesen  ist.  Denn  sie  enthält  ja  wirklich,  wie  wir  gesehen -haben,  das 
Element  ne^aualli.     Und   hat  das  von  Orozco  y  Berra  als  Xocoyotzin  ge- 


1)  Berlin,  A.  Asher  &  Co.,  1890. 


—     26] 


deutete  Element  in  der  Tat  diese  Bedeutung  „der  jüngere",  „der  kleine", 
so  könnte  dieses,  zusammen  mit  der  Königskrone,  in  der  Tat  den  Begriff 
päli  „Prinz",  „Fürstensohn"  ergeben. 


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B    3 


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Ich  bin  nun  aber  doch  zu  einer  anderen  Erklärung  gekommen.    Ein- 
mal weil    die  Orozco  y  Berrasche  Deutung  des  Elements  als  Xocoyotzin 

mir    ein    unlösbares    Rätsel    bot.      Und    dann,    weil    ich   inzwischen    eine 
andere    und    bessere  Deutung    gefunden  habe,    die  auch  das  letztgenannte 


-     -262     - 


Element  zur  Befriedigung'  und  einwandfrei  erklärt.  Dieselbe  Kombination 
des  Grasstricks  (inalinalli),  der  Königskrone  (.riuhuitzolli),  des  beilförmigen 
Ohrpflocks  (nacochtli)  und  des  rätselhaften,  von  Orozco  y  Berra  als 
Xocoyotzin  erklärten  Elements  haben  wir  nämlich  in  dein  Bilde  vor  uns, 
das  in  der  Bilderhandschrift  der  Biblioteca  Nazionale  von  Florenz  von  dem 
tonatiuh  ilhuicac  yauh  oder  tonatiuh  iivco  yauh,  der  Seele  des  toten 
Kriegers,  gegeben  ist  (Fig.  2(>)1).  Nur  dass  das  vorher  rätselhafte 
Element,  das  Orozco  y  Berra  als  Xocoyotzin  erklärte,  hier  deutlich  als  ein 
in  den  Nasenflügeln  eingesetzter  Schmuck  besonderer  Form  zu  erkennen 
ist,  der  von  dem  Interpreten  einfach  als  yacawnätl,  als  „blauer  Nasen- 
schmuck" bezeichnet  wird.    Dieselben  Stücke  —  Königskrone,  beilförmigen 


Fig.  26-     Mumieubündel,  für  den  toten  Krieger  errichtet,  und  Opfergaben. 
Handschrift  der  Biblioteca  Nazionale  in  Florenz,  Blatt  60. 

Ohrpflock  und  den  Nasenpflock  besonderer  Form  —  sehen  wir  auch, 
zusammen  mit  der  Schulterbinde  aus  Papier  (amaneapanalli)  und  dem 
blauen  Hunde  (xolocozcatl) ,  den  der  tonatiuh  ilhuicac  yauh  in  der  Fig.  26 
auf  der  Brust  trägt,  in  dem  Codex  Borbonicus  auf  den  Blättern  an- 
gegeben,   wo  die  Götter  des  Kriegertods  —  Xiuhtecutli  und  Tlauizcalpan- 


1)  Es  ist  mir  in  neuerer  Zeit  bestritten  worden,  dass  dies  Bild  nicht  bloss,  wie  der 
Interpret  angibt,  die  Totenerinnerungsfeier  am  Feste  Tititl,  sondern  die  für  einen  ge- 
fallenen, oder  geopferten,  Krieger  darstellt.  Dass  ich  aber  mit  meiner  Deutung 
recht  habe,  geht  nicht  nur  daraus  hervor,  dass  genau  die  gleiche  Bemalung  und  der  gleiche 
Ausputz  von  Bahagun  für  den  auf  der  Reise  gestorbenen  Kaufmann  vorgeschrieben  wird, 
sondern  wird  noch  klarer  dadurch  bewiesen,  dass  im  Anhange  zum  dritten  Buche  Sahaguns 
den  im  Osthimmel  wohnenden  Seelen  der  toten  Krieger,  bezw.  den  Vögeln,  in  die  sie  sich 
nach  Ablauf  von  vier  Jahren  verwandeln,  dieselbe  eigentümliche  Gesichtsbemalung,  das 
iitixtetlilcomolo,  zugeschrieben  wird.  Im  übrigen  ist,  wo  in  jener  Handschrift  das  Fest  Tititl 
selbst  beschrieben  wird,  der  Ausputz  des  Mumicnbündels  ein  ganz  anderer  als  auf  dem 
späteren  Blatte,  dessen  Hauptinhalt  ich  in  Fig.  26  wiedergegeben  habe. 


—     263     - 

tecutli  —  zur  Anschauung  gebracht  sind  (vgl.  Fig.  27a).  und  wenn  die 
gleiche  Gruppe  Pig.  27a  im  Codex  Borbonicüs  auch  auf  dem  folgenden 
Blatte,  bei  dein  Sonnengotte  and  «lein  Todesgotte,  angegeben  ist.  so  wird 
sie  auch  dort  als  Kriegertotenschmuck,  durch  die  mit  dem  Speer  be- 
waffnete Pigua?  daneben,  deutlich  gekennzeichnet.  Dass  in  der  Tat  das 
von   Orozco  y  Berra   als   Xocoyotzin    gedeutete    Element    nichts    anders    als 


Fig.  27a.     Krieg-ertotenschmuck:  — 

xiuhuitzolli,    Kopfbinde    aus  Türkismosaik;    xiuhnacochtli,    blauer 

Ohrpflock;  yacaxiuitl,  blauer  Nasenpflock;  amaneapanalli,  Schulter- 

binde  aus  Rindenpapier:  xolocozcatl,  der  auf  der  Brust  getragene 

blaue  Hund.    Codex  Borbonicüs  9. 


der  yacaxiuitl,  der  blaue  Nasenpflock  des  der  Seele  des  toten  Kriegers 
aufgebauten  Mumienbündels,  ist,  ergibt  sich  klar  aus  der  Stelle  und  der 
Stellung,  in  der  dieses  Element  in  den  Hieroglyphen  Fig.  18  und  31  und 
in  den  Hieroglyphen  des  Königs  Motecuhfoma,  immer  neben  der  Königs- 
krone  gezeichnet  ist,  da  sie  genau  der  des  Nasenpflockes  des  Mumien- 
bündels Fig.  26  entsprechen.  Nicht  ganz  erklären  kann  ich  dagegen, 
wie  dieser  Kriegertotenschmuck  dazu  kommt,  ein, 
wenn  auch  nicht  regelmässiges,  so  doch  häufiges 
Klement  der  Hieroglyphe  Motecuhcoma  zu  bilden, 
und  muss  ich  meine  Leser  bitten,  sich  vorläufig 
mit  der  Tatsache  abzurinden. 

Dass  aber  der  ijaccuciuitl  und  alles,  was  zu 
ihm  gehört,  in  der  Tat  als  Kriegertoten- 
schmuck aufzufassen  ist,  wird  nicht  nur  durch 
das  Vorkommen  im  Codex  Borbonicüs  und  durch 
die  Assoziation  mit  der  Maske  der  Gottheit  des  Morgensterns  in  der 
Florentiner  Bandschrift  bewiesen,  sondern  ergibt  sich  auch  daraus,  dass 
das  Bild  des  yacaxiuitl  im  Codex  Vaticanus  B.  bald  mit  blauer,  bald  mit 
gelber  Farbe  gemalt  (dreimal  blau,  zweimal  gelb),  zur  Bezeichnung  der 
immer  zu  t'ünt'en  zusammengestellten  Venusperioden  dient  (Fig.  '27b). 
Die  in  dem  oberen  Teil.'  etwas  abweichende  Form  dieser  Venusperioden 
rindet  sich  ganz  genau  ebenso  in  dem  Nasenschmuck  des  tonatiuh  ilhuieac 
yauh    auf    Blatt  27    des   Codex    Fejervarv- Mayer  wieder.      Und    wenn  wir 


Pig.  27b.    Die  fünf 

Venusperioden. 

Codpx   Vaticanus  B 

(Nr.  3773),  Blatt  84, 

(=  Kingsborough  13.) 


—     264     — 

nun  ausserdem  diesen  Nasenschmuck  im  Codex  Borbonicus  auch  von  dem 
als  Jaguar  verkleideten  Tezcatlipoca,  d.  h.  von  Tepeyollotli  (Fig.  28  a),  im 
Codex  Nuttall  von  einem  bärtigen,  ebenfalls  in  Jaguarverkleidung  er- 
scheinenden Gotte,  der  wahrscheinlich  ebenfalls  Tepeyollotli  ist  (Fig.  28  b), 
getragen  sehen,  so  werde  ich  gleich  zu  erwähnen  haben,  dass  gerade 
unsere  Steinkiste  den  Gott  Tepeyollotli  mit  Ce  acatl  und  mit  dem  Planeten 
Venus  in  Zusammenhang  bringt.  Über  ein  anderes  Vorkommen  dieses 
Schmuckes,  bei  der  Chantico  des  Codex  Borbonicus  und  bei  dem  Hunde 
Xolotl  des  Codex  Vaticanus  B,  möchte  ich  freilich  vorziehen,  mich  vor- 
läufig noch  nicht  in  bestimmter  Weise  auszusprechen. 

Die  Hieroglyphe  auf  der  Vorderseite  der  Hackmackschen  Steinkiste 
(Fig.  18,  oben  S.  258)  ist,  meiner  Auffassung  nach,  demnach  als  tonatiuh 
ilhuic  yauh,  die  „Seele  des  toten  Kriegers"  zu  lesen.  Die  Figur  selbst 
als  der  Vertreter  dieser  Seele  des  toten  Kriegers,  als  den  wir  vielleicht 
geradezu  den  im  Osthimmel,  dem  Aufenthalte  der  Seelen  der  toten  Krieger, 
heimischen  Gott,  d.  h.  den  „Herrn  in  dem  Hause  der  Morgenröte", 
Tlauizcalpan  tecutli,  den  Morgenstern,  zu  erklären  haben. 

Nicht  minder  interessante  Aufschlüsse  als  diese  erste  Seite  bietet  auch 
die  dritte,  die  gegenüberliegende  Breitseite  der  Hackmackschen  Steinkiste. 
Die  auf  dieser  Seite  dargestellte  Figur  (Fig.  19,  oben  S.  258)  gibt  sich  auf 
den  ersten  Blick  als  die  genaue  Parallele  der  dritten  Seite  der  IslasyBusta- 
manteschen  Kiste  (oben  S.  253,  Fig.  13).  Es  ist  dasselbe  bärtige  Gesicht, 
die  Jaguarverkleidung,  die  hier  nicht  bloss  durch  einen  Jaguarkopf 
hinter  dem  Kopfe  der  Figur  angedeutet,  sondern  durch  das  ganze,  Leib 
und  Glieder  bedeckende  Jaguarfell  zur  Anschauung  gebracht  ist;  endlich 
hinten  am  Rücken  der  Ring,  aus  dem  hier,  wie  dort  ein  Paar  Riemen- 
enden hängen.  Nur  die  Haltuii"'  der  Figur  ist  eine  andere.  Sie  ist  nicht  mit 
der  Tasche  für  Räucherwerk  am  Arm  und  dem  Knochendolche  in  der  Hand 
dargestellt,  gleich  den  übrigen  bisher  besprochenen  Figuren,  sondern  hat 
die  Tasche  für  Räucherwerk  (copalxiquipilli)  in  der  einen  Hand  und  in 
der  hoch  erhobenen  Linken  einen  Gegenstand,  über  dessen  Natur  ich  keine 
bestimmte  Mutrnassung  äussern  möchte.  Vielleicht  soll  es  ein  Bündel 
Gras,  vielleicht  aber  auch  eine  Waffe,  ein  Wurfbrett  oder  dergleichen  sein. 

Bei  der  Figur  der  Islas  y  Bustamanteschen  Kiste  (oben  S.  253,  Fig.  13) 
habe  ich  die  Gründe  angegeben,  die  dafür  sprechen,  diese  Figur  als  Tepeyol- 
lotli^ den  Gott  der  Höhlen,  zu  deuten.  Wir  fanden  diese  Vermutung  durch 
die  Tatsache  bestätigt,  dass  dort  neben  der  Figur  der  Widerhall  der 
Stimme,  das  Echo,  gezeichnet  war.  Ich  gebe  in  Fig.  28a  das  Bild 
dieses  Gottes  wieder,  das  der  Codex  Borbonicus  von  ihm,  als  dem  Regenten 
des  dritten  Tonalamatl- Abschnittes,  entwirft,  wo  wir  ihn,  wie  die  Figur 
unserer  Fig.  19,  ganz  in  Jaguarfell  gekleidet  sehen.  In  dieser  Figur  des 
Codex  Borbonicus  ist  Tepeyollotli  augenscheinlich  nur  als  andere  Form 
Tezcatlipoca' s  gedacht.  Denn  sein  einer  Fuss  ist  abgerissen  und  durch 
einen  rauchenden  Spiegel  ersetzt,  und  er  trägt  auch  an  der  Schläfe  den 
rauchenden  Spiegel  Tezcatlipoca 's.  In  unserer  Fig.  ll>  dagegen  ist  hinter 
dem  Gotte  die  Hieroglyphe  Ce  acatl  „eins  Rohr"  angegeben,  die  diesen 
Gott  mit  Quetzalcouatl,    oder  richtiger  wohl    mit   dem    Planeten  Venus, 


—     2G5     — 

in  Zusammenhang  bringt.  Da  wir  auf  der  l: < •  m * i n i I »» ■  r  1  i < "_i < ■  1 1 <  1  en  Seite  der 
Kiste  (Fig.  18)  den  Stern  des  Morgenhimmels,  Tlauizcalpan  tecutli,  ab- 
gebildet fanden,  so  dürfen  wir  den  Gott  dieser  dritten  Seite  Tepeyollotli 
genauer  wohl  als  den  Abendstern  bezeichnen.  Und  diese  Auffassung. 
oder  diese  Gleichsetzung,  entspricht  ja  auch  dem,  was  sonst  über  diesen 
Gott  berichtet  wird,  der  nach  den  Interpreten  ein  Gott  der  Bohlen,  des 
•dunklen  Erdinnern,  der  Erde  und  der  das  verschlingende  Dunkel  repräsen- 
tierenden wilden  Thiere  sein  soll. 


Fig.  28  b.     Chicuei  maqatl    „acht  Hirsch- 

(=  Tepeyollotli,  der  Gott  der  Höhlen). 

Codex  iS'uttall  70. 


Fig.  28a.     TepeyoUotli,  Regent  des  dritten 

Tonalamatl-Abschnitts  ce  mäcatl,   „eins  Hirsch". 

Codex  Borbonicus  3. 

Zu  dieser  Deutung  als  Morgen-  und  Abendstein,  die  sich  uns  durch 
den  Vergleich  mit  anderen  verwandten  Stücken,  für  die  Figuren  der  beiden 
Hauptseiten  der  Hackmackschen  Kiste  ergab,  passt  es  nun  sehr  gut.  dass 
wir  auf  der  Oberseite  des  Deckels  dieser  Kiste,  der  bei  diesem  Stücke 
auch  mit  aufbewahrt  worden  ist,  die  Federschlange  Quetealcouatl  und  die 
beiden  Daten,  die  für  die  Gestalt  Quctzalcouatl's,  insbesondere  in  Beiner 
Eigenschaft  als  Vertreter  des  Planeten  Venus,  bedeutsam  sind  —  das  Datum 
■ce  acatl  „eins  Rohr"  und  das  Datum  ehioome  acatl  „sieben  Rohr"  —  an- 
gegeben finden  (Fig.  "J"_\  oben  S.  259). 

In  „eins  Rohr",  d.  h.  im  Jahre  ..eins  Kein-,  starb,  nach  dem  Inter- 
preten  des  Codex  Tellpriano  Remensis1),  Quetealcouatl;   und   es  wurde  in 


1)  fol.  10  (=  Kingsborough  TT.  5). 


—     266     — 

dem  Jahre  dieses  Namens,  das  natürlich  immer  erst  wieder  nach  52  Jahren 
eintrat,  dem  Gotte  in  Cholula  ein  grosses  Fest  gefeiert.  Dasselbe  ist  in 
den  Anales  de  Quauhtitlan  gesagt *) :  —  ce  acatl  yn  ipan  in  xihuitl  yn  mic- 
Quetzalcoatl,  auh  mitoa  {-an  ya  yn  Tlillan  tlapallan  ynic  ompa  miquito  „im 
Jahre  eins  Rohr  starb  Quetzalcouatl  und  man  sagt,  dass  er  in  dem  „Lande 
der  roten  und  der  schwarzen  Farbe"  (in  dem  Lande  der  Schrift)  zu 
Tode  kam."2).  —  An  derselben  Stelle  wird  dann  weiter  erzählt,  wie  der 
Gott  dort  seine  Jünger  um  sich  versammelte,  seinen  Schmuck  anlegte  und 
den  Scheiterhaufen  bestieg  und  sich  verbrannte.  Seine  Asche  verwandelte 
sich  in  allerhand  Yögel  von  glänzendem  Gefieder,  sein  Herz  aber  stieg  als 
Morgenstern  am  Himmel  empor. 

Am  Tage  „Sieben  Rohr"  wurde,  nach  demselben  Interpreten  des  Codex 
Telleriano  Remensis3)  Quetzalcouatl  geboren,  und  an  diesem  Tage  ein 
anderes  grosses  Fest  in  Cholula  gefeiert,  wo  von  überall  aus  dem  Lande 
her  den  Fürsten  und  den  Priestern  des  Quetzalcouatl-  Tempels  in  Cholula 
Geschenke  gebracht  wurden.  Es  ist  nicht  recht  klar,  ob  nicht  hier  auch 
wieder,  nicht  der  Tag  „sieben  Rohr",  sondern  das  Jahr  „sieben  Rohr" 
gemeint  ist.  Auch  steht  diese  Angabe  mit  dem  Texte  der  Anales  de 
Quauhtitlan  in  Widerspruch,  wo  deutlich  gesagt  ist,  dass  Topiltzin  Quetzal- 
couatl in  „eins  Rohr"  geboren  wurde.  Vom  Jahre  „Sieben  Rohr"  bis- 
„eins  Rohr"  sind  zwanzig  Jahre;  vom  Jahre  „eins  Rohr"  bis  zum  anderen 
Male  „eins  Rohr"  sind  52  Jahre.  Beides  waren  den  Mexikanern  runde 
Zahlen,  von  denen  sehr  wohl  die  eine  von  der  einen  Priesterschule,  die 
andere  von  der  anderen  Priesterschule  als  Zeit  für  die  Lebensdauer 
Quetzalcouatl^  angenommen  worden  sein  konnte.  Zweifellos  ist  jedenfalls, 
dass  das  Datum  „Sieben  Rohr",  ebenso  wie  das  Datum  „eins  Rohr"  mit 
Quetzalcouatl,  und  zwar  in  seiner  Eigenschaft  als  der  Stern  Venus,  in  Ver- 
bindung gebracht  wurde.  Und  es  erscheint  mir,  für  die  Beurteilung 
dieser  ganzen  Verhältnisse  nicht  unwichtig,  dass  dieser  Tag  „Sieben  Rohr" 
dem  dritten,  mit  ce  macatl  „eins  Hirsch"  beginnenden  Tonalamatl-Abschnitte 
angehört,  demselben,  dem  Tepeyollotli  als  Regent  gesetzt  ist. 

Die  Tatsache  selbst,  dass  hier  auf  der  Hackmackschen  Kiste  der 
Morgenstern  und  der  Abendstern,  und  der  letztere  in  Gestalt  Tepeyollotli 's, 
der   ja    offenbar    nur    eine  Form   Tezcatlipoca's  ist,   dargestellt  worden   ist, 


1)  Siehe  Appendix  zu  Vol.  III  der  Anales  del  Museo  Nacional  de  Mexico,  p.  17. 

2)  Von  den  Weisen  (tlamatinime)  wird  gesagt,  dass  sie  die  anderen  Stämme  ver- 
lassend, nach  Osten  zogen  —  auh  quitquique  in  tlilli  yn  tlapalli  yn  amoxtii  yn  tlacuilolli 
ouituuit/ue  in  ixquich  toltecayotl  in  tlapilzalli  —  „und  sie  nahmen  mit  sich  die  schwarze 
und  die  rote  Farbe,  die  Bücher  und  die  Bildermalereien,  sie  nahmen  mit  sich  das  gesamte 
Kunsthandwerk  und  Flöten  (und  Gesänge)."  Tlilli  tlapalli,  die  schwarze  und  die  rote 
Farbe  ist  also  die  Malerei,  die  Schrift.  Und  Tlillan  tlapallan  „das  Land  der  schwarzen 
und  der  roten  Farbe",  demgemäss  das  Land  der  Schrift.  Die  Worte  „schwarze  und 
rote  Farbe"  charakterisieren  sehr  wohl  das  Ansehen  der  Bilderschriften,  insbesondere  der 
Maya-Handschriften.  Und  das  „Land  der  Schrift"  ist  ein  sehr  passender  Name  für  die 
Küstenstriche  an  der  Grenze  der  Maya-Region,  wohin  der  übereinstimmenden  Tradition 
nach  Quetzalcouatl  gezogen  sein  soll.  Gegenüber  phantastischen  und  willkürlichen 
Deutungen  anderer  Art,  die  in  älterer  und  in  neuerer  Zeit  versucht  worden  sind,  ist  es 
nützlich  das  hervorzuheben. 

3)  fol.  in  (=  Kingsborough  II,  5). 


—     267     — 

gibt  uns  den  Schlüsse]  für  «las  Zusammenarbeiten  sowohl,  wie  die  Gegner- 
schaft, Quetzalcouatl*  und  Tezcatlipoca' s,  der  beiden  vielgenannten  und  ins- 
besondere in  den  Kalenderschriften  so  viel  dargestellten  Gottheiten,  die 
ja  der  Codex  Borbonicus  auf  Blatt  22  geradezu  als  die  beiden  Zeit- 
gottheiten  oder  Kalendergottheiten,  im  Zentrum  des  Jahreszyklus, 
und  den  beiden  alten  Kalenderwahrsagern  Oxomoco  und  Cipactonal  gegen- 
über, uns  vor  Augen  führt.  Die  barocke  Erzählung  der  „Historia  de  los 
Mexicanos  por  sus  pinturas"1),  dass  Quetzalcouatl  dem  (rotte  Tezcatlipoca, 
der  Sonne  war,  mit  einem  Knittel  einen  Schlag  gibt,  ihn  hinabstürzend, 
und  dass  nachher  dann  Tezcatlipoca  seinerseits  dem  als  Sonne  leuchtenden 
Quetzalcouatl  einen  Stoss  gibt  und  eine  andere  Gottheit  Sonne  werden 
lässt,  erklärt  sich  nun  ganz  einfach  durch  die  Dualität  des  Gestirns,  dessen 
beide  Formen  in  diesen  beiden  Gottheiten  verkörpert  gedacht  wurden. 

Auf  den  beiden  Schmalseiten  der  Hackmackschen  Kiste  sind  keine 
Figuren,  sondern  nur  Daten  angegeben.  Auf  der  zweiten  Seite  (Fig.  20 
oben  S.  258)  das  Datum  ce  toclitli  „eins  Kaninchen",  das  Zeichen,  in  dem 
die  Erde  erschaffen  wurde,  das  hier  die  Region  der  Erde,  den  Norden 
bezeichnen  muss.  —  Auf  der  anderen,  der  vierten  Seite  (Fig.  21  oben 
S.  258)  ist  das  Datum  naui  tochtli  „vier  Kaninchen"  abgebildet,  —  ein 
Tag,  der  dem  neunten,  mit  ce  couatl  „eins  Schlange"  beginnenden  Tonalamatl- 
Abschnitte,  der  Woche  der  Feuer-  und  Kriegsgötter,  angehört,  der  demnach 
vielleicht  als  Bezeichnung  der  Region  des  Südens  aufgefasst  werden  kann. 

Die  fünfte  Wand,  der  Boden  der  Kiste,  ist  auf  der  Innenseite,  wie 
auf  der  Aussenseite,  ebenfalls  skulpiert.  Auf  der  Innenseite  (Fig.  24,  oben 
S.  260)  sieht  man  das  Datum  ce  cipactli  „eins  Krokodil",  das  Anfangszeichen 
des  Tonalamatls,  das  hier  wohl  für  die  Regenten  des  ersten  Zeichens  und 
des  ersten  Tonalamatl-Abschnitts  Tonacatecutli  und  Tonacaciuatl,  die  Herren 
der  Lebensmittel,  die  Repräsentanten  der  ernährenden  fruchtbringen- 
den Erde,  der  Erdoberfläche,  steht. 

Auf  der  Unterseite  des  Bodens  (Fig.  25,  oben  S.  261)  sieht  man  wieder 
das  Bild  der  Erdkröte,  des  verschlingenden  Ungeheuers,  das  den  Mexi- 
kanern das  Erdinnere  veranschaulichte,  und  das  hier,  wie  auf  den  Opfer- 
blutschalen, die  ich  im  Ethnologischen  Xotizblatte  und  in  dem  II.  Band.' 
meiner  Gesammelten  Abhandlungen2)  abgebildet  habe,  die  Unterseite, 
die  Bodenseite,  markiert. 

Dieser  Bodenwand  gegenüber  bezeichnet  der  Deckel  der  Kiste  offenbar 
das  Oben,  die  himmlische  Region.  Darum  sind  auf  der  Oberseite  des 
Deckels  (Fig.  22,  oben  S.  259)  die  Federschlangc  Quetzalcouatl  gezeichnet 
und  die  beiden  Daten,  die  wir  wohl  als  Sinnbilder  der  Verwandlung 
dieses  Gottes  in  den  Morgen-  oder  Abendstern  anzusehen  haben.  Den 
llimnielslichtern  gegenüber  endlich,  ist  auf  der  Unterseite  des  Deckels 
(Fig.  23,  oben  S.  260)  ein  von  Augen  umgebener  Kreis,  d.  h.  der  mit 
Sternen  besetzte  Himmel,  der  Nachthimmel  "der  die  Nacht,  abge- 
bildet.    In  ihm   ein  Totenkopf,    der  aber  aber  der  Stirn  das  Steinmesser- 

1)  Garcia  Icazbalceta,  Nueva  Coleccion  de  Documentos  para  la  Historia  Je 
Mexico  III  (Mexico  1891),  p.  231,  233. 

2)  Berlin  (A.  Ashcr  &  Co:  1904,  S.  709  und  713,  Fig.  11  und  :'.. 


—     268     — 

paar  trägt,  das  Abzeichen  des  Opfermessergottes,  wie  wir  gesehen  haben, 
aber  auch  das  der  Ilamatecutli ,  der  alten  Erdgöttin  (siehe  oben  S.  247, 
Fig.  4),  die  zugleich  die  alte  Himmelsgöttin  ist,  die  Nacht,  oder  der 
Sternhimmel,  —  als  Citlalcueye,  „die  deren  Euagua  (Weiberhüften tuch)  aus 
Sternen  bestellt",  vielleicht  geradezu  die  Milchstrasse,  die  bekanntlich 
mit  demselben  Namen  bezeichnet  wird. 

Im  Anschluss  an  die  drei  bisher  besprochenen  Kisten  will  ich  nun 
noch  die  oben  schon  erwähnte  Steinkiste  beschreiben,  die  sich  im  Museo 
Nacional    de  Mexico  befindet,    und  die  von  Penafiel  auf  Tafel  124 — 126 


Fig.  29.     Bemalte  Steinkiste,  mit  Deckel.     Aus  Tezcoco  stammend? 
Museo  Nacional  de  Mexico. 


des  zweiten  Bandes  seiner  „Monumentos  del  arte  antiguo  Mexicano"  ab- 
gebildet wird."  Die  Kiste  (Fig.  29)  ist  aus  dem  bekannten  vulkanischen 
Material  gearbeitet,  hat  eine  quadratische  Grundfläche  von  23  cm,  eine 
äussere  Höhe  von  14  cm,  wozu  dann  noch  ein  um  1  cm  erhöhter  innerer 
Rand  kommt,  der  in  den  Falz  des  Deckels  passt.  Der  Deckel  selbst  hat 
eine  äussere  Höhe  von  7  cm.  Spuren  von  blauer,  rother  und  gelber  Be- 
nialung  sind  an  verschiedenen  Stellen  noch  deutlich  zu  erkennen.  Über 
die  Herkunft  des  Stückes  ist  nichts  Genaueres  bekannt.  Penafiel  bemerkt 
nur,  dass  zur  Zeit  der  Präsidentschaft  des  Generals  Santa  Ana  in  Tezcoco 
zwei  Steinkisten  mit  Deckel  gefunden  worden  seien,  und  er  hält  diese 
Kiste  für  die  eine  der  beiden  in  Tezcoco  gefundenen.  Es  wäre  nicht  un- 
möglich, dass  die  1 1  ack  in  acksche  Kiste  (oben  S.  2.'>s •— 2(51,  Fig.  18  —  25) 
die  andere  der  beiden  ist. 


—     260     — 


Fisr.  30. 


Fig.  31. 

Fig.  30,  31.    Oberseite  (Aussenseitc)  und  Unterseite  (Innenseite)  des  Deckels  der 
bemalten  Steinkiste  des  Museo  Nacional  de  Mexico. 


—     270     — 


Auf  den  Seitenwandungen  (Fig.  29)  zeigt  die  Kiste  nur,  in  roter 
Farbe  auf  blauem  Grunde  sich  abliebend,  ein  Quincunx-Muster,  das  unten 
durch  eine  gelbe  Farbenspuren  aufweisende  Federreihe  abgeschlossen  wird. 
In  gleicher  Weise  ist  der  Hauptteil  des  Deckels  in  blauer  Farbe  gemalt, 
der  von  einem  roten  Bande  umsäumt  und  unten  durch  eine  mit  gelber 
Farbe  angegebene  Federreihe  abgeschlossen  wird.  Diese  Verzierung  und 
diese  Farben  sollen  vielleicht  nur  Edelstein  und  gelbe  Schmuckfedern,  also 
kostbares  Material,  zum  Ausdruck  bringen.  Es  sind  übrigens  auch  die  Farben, 
mit  denen  der  Türkisvogel  (jxiuhtototV)  im  Codex  Borgia  gemalt  wird.  Es  ist 
aber  doch  darauf  hinzuweisen,  dass  diese  Elemente  hier  in  einer  merk- 
würdigen Reihenfolge  —  das  Federband  als  unterer  Saum  —  angebracht 
sind,  und  dass  wir  dieses  selbe,  aussen  von  einem  Federsaume  begrenzte 
Band  von  Quincunx- Figuren  auf  dem  berühmten  sogenannten  Calendario 
azteca  als  den  eigentlichen  Körper  der  Sonnenscheibe  angegeben  finden. 
Jedenfalls  ist  das  gedachte  Zentrum  dieser  Verzierung  auf  der  Oberseite 
der  Kiste  zu  suchen.  Dann  entspricht  der  untere  Saum  der  Verzierung 
dem  äusseren  Rande  der  Sonnenscheibe,  und  das  ist  in  der  Tat  die  Stelle, 
&\q  der  Federsaum  auf  der  Sonnenscheibe  des  Calendario  azteca  hat. 

Auf  der  Oberseite  des  Deckels 
(Fig.  30)  ist  das  Datum  matlactli  ozce 
tecpatl  „elf  Feuerstein"  zu  sehen.  Auf 
der  Innenseite  (Fig.  31),  eine  Hiero- 
glyphe, die  mit  der  Hieroglyphe  des 
tonatiuh  ilhuicac  yauh  auf  der  Vorder- 
seite der  Hackmackschen  Kiste 
(Fig.  18)  in  wesentlichen  Elementen 
übereinstimmt. 

Auf  der  Innenseite  des  Bodens 
endlich  (Fig.  32)  ist  das  Datum  macuilli 
couatl  „fünf  Schlange"  abgebildet. 

Die  Hieroglyphe  Fig.  31  hat  Dr. 
Penafiei  für  die  des  tezkokanischen 
Königs  Necaualpilli  erklärt,  eine  Mei- 
nung, der  ich  doch  nicht  beipflichten 
kann,  obwohl  sie,  wie  wir  oben  ge- 
sehen  haben,  mehr  für  sich  hat,  als 
mir  früher  bewusst  war.  Ich  selbst  habe  sie  früher  einfach  als  Motecuhcoma 
oder  —  dem  Wortsinn  von  Motecuhcoma  „Sehor  enojado"  „erzürnter  Herr" 
gemäss  --  als  Hieroglyphe  des  Feuergotts  angesehen.  Ich  halte  es  jetzt, 
aus  gleich  zu  entwickelnden  Gründen,  für  wahrscheinlich,  dass  auch  sie, 
wie  die  Hieroglyphe  auf  der  Hackmackschen  Kiste  (Fig.  18)  als  der 
tonatiuh  ilhuicac  yauh,  die  „Seele  des  toten  Kriegers"  zu  deuten  ist. 

Das  Datum  matlactli  ozce  tecpatl  „elf  Feuerstein"  (Abb.  30),  das 
l'fii  afic]  für  das  Jahr  151(5  der  christlichen  Zeitrechnung  ansieht,  ist  der 
elfte  Tag  in  dein  zwanzigsten  mit  ce  tochtli  „eins  Kaninchen"  beginnenden 
TonalamatJ  -  Abschnitte,  dessen  Regenten  Xiuhtecutli  der  Feuergott  und 
Xipe  Totec  „unser  Herr,  der  Geschundene",  sind.    Es  ist  mir  wahrscheinlich, 


Fig.  32.     Innenseite  des  Bodens  der 

bemalten   Steinkiste    des    Museo  Nacional 

de  Mexico. 


—     271      — 

dass  das  Datum  als  Name  des  einen  dieser  beiden  Götter,   vermutlich  des 
l'Viin-otts,  oder  als   Hinweis  auf  ihn.   zu  deuten    ist. 

Das  Datum  macuilH  couatl  „fünf  Schlange",  das  auf  der  Innenseite 
des  Bodens  abgebildet  ist  (Fig,  32)  ist  der  fünfte  Tag  dea  ersten,  mit  ce 
cipactli  „eins  Krokodil"  beginnenden  Tonalamatl-Abschnittefi  und  hat  ver- 
mutlich die  gleiche  Bedeutung,  wie  das  an  derselben  stelle  in  der 
Hackmackschen  Kiste  abgebildete  Datum  ce  cipactli,  d.  h.  ea  wird  die 
Erde,  den  Hoden,  bezeichnen  sollen. 

Eine  in  der  Verzierung  wenigstens  des  Deckels  der  Kiste  des  Museo 
Nacional  verwandte  Steinkiste  gehört  der  alten  Doorm  an  tischen  Samm- 
lung an  und  ist  durch  Eermann  Strebel  in  das  Königliche  Museum  für 
Völkerkunde  gekommen.  Die  Kiste  hat  eine  Grundfläche  von  48x30  cm 
und  eine  Höhe  von  23  cm  und  ist  16  cm  tief  ausgehöhlt.  Der  Deckel  ist 
14  cm  hoch  und  misst  am  unteren  Rande  52  und  35  cm.  Er  ist  8  cm  tief 
ausgehöhlt  und  greift  mit  seinem  unteren  Rande  (der  innen  nur  ab- 
geschrägt,  nicht  mit  einem  Falze  versehen  ist)  über  den  Rand  der  Kiste 
über.  Auf  dem  Deckel  ist  unterhalb  des  oberen  Randes  (über  einer 
weissen  Tünche)  erst  ein  blauer,  dann  ein  roter  Streifen  und  als  unterer 
Rand  ein  Band  von  Federn  gemalt,  —  also  genau  wie  bei  der  Kiste  des 
Museo  Nacional  de  Mexico.  Die  Fläche  des  Deckels  aber  ist  unverziert, 
und  ebenso  der  Boden  der  Kiste.  Auf  den  vier  Seiten  der  Kiste  ist.  in 
Relief  ausgearbeitet,  die  Hieroglyphe  chalchiuitl  (Smaragd,  grüner  Edel- 
stein, Jadeit)  angegeben. 

Ks  erhebt  sich  nun  die  Frage  nach  der  Bedeutung  dieser  Gegen- 
stände. Aus  der  Kistenform,  und  da  sie  alle  mit  Deckel  versehen  waren 
—  wie  der  erhöhte  Innenrand  beweist,  der  bei  allen  ausgearbeitet  ist  — 
muss  man  schliessen,  dass  in  ihnen  etwas  aufbewahrt  wurde.  Lud  daa 
natürlichste  war  ja  zunächst,  an  eine  Aschenkiste  zu  denken,  da  bei  den 
Mexikanern  bei  den  gewöhnlichen  Todesfällen  Leichenverbrennung  statt- 
fand. Daher  der  Versuch,  die  Kiste  des  Museo  Nacional  in  der  Weise  zu 
deuten,  wie  das  Penafiel  getan  hat.  Bei  dieser  Deutung  fragt  man 
sich  denn  aber,  was  für  einen  besonderen  Sinn  die  Verzierungen  haben 
können,  die  man  auf  diesen  Kisten  sieht.  In  den  Verzierungen  der  Riva 
Palacio sehen  und  der  Islas  y  Bustamanteschen  Kiste  tritt  uns  aus- 
schliesslich eine  Opferhandlung,  die  Darbringung  des  eignen  Blutes,  ent- 
gegen. Bei  der  Hackmackschen  Kiste  aber  führt  die  Eauptseite  uns  das 
Bild  des  tonatiuh  ilhuicac  yauh,  die  Seele  des  toten  Kriegers,  vor.  Diese 
llauptseite  wird  dadurch  als  die  Ostseite  charakterisiert.  Wir  können  in 
ähnlicher  Weise  bei  der  Islas  y  Bustamanteschen  Kiste  die  Vorderseite 
mit  dem  Grasballen  (Fig.  11)  als  die  östliche,  die  mit  dem  Opfermesser- 
gott (Fig.  12)  als  die  Nordseite,  die  mit  TepeyolloÜi  (Fig.  13)  als  die 
AVestseite  und  die  mit  Tezcatlipoca  (Fig.  14)  ala  die  Südseite  ansehen. 
Ea  ist  nun  an  sich  nicht  unwahrscheinlich.  das8  das  Bild  des  tonatiuh  il- 
huicac yauh  und  die  verschiedenen  Opferdarstellungen  eine  unmittel- 
bare  Beziehung    zu    dem    /.wecke    dieser    Gegenstände    halten.      In    einer 


—     272     — 

frühereu  Abhandlung  über  die  Knochenrasseln1)  habe  ich  erzählt, 
dass  die  Mexikaner  80  Tage  nach  dem  Tode  eines  Verstorbenen,  wo 
die  Annahme  bestand,  dass  er  nunmehr  in  die  wirkliche  Unterwelt 
eingegangen  sei,  ein  Mumienbündel  zu  errichten  pflegten,  dies  durch 
Gesänge  und  Tänze  ehrten  und  es  dann,  sammt  den  Geschenken  und 
der  Habe  des  Toten,  verbrannten;  sowie  dass  man  dies  in  derselben  Weise 
auch  für  die  in  der  Fremde,  oder  in  den  Händen  der  Feinde  Gestorbenen 
zu  tun  verpflichtet  war.  Diese  Nachfeier  oder  „Totenerinnerungsfeier", 
wie  sie  von  den  Autoren  genannt  wird,  hatte  viel  mehr  noch,  als  die 
eigentliche  Leichenfeier,  den  Charakter  einer  Kultushandlung.  Und  es 
lag,  namentlich,  wenn  es  sich  um  die  Feier  zu  Ehren  im  Kriege  ge- 
bliebener Freunde  handelte,  noch  viel  mehr  Veranlassung  vor,  eine  gewisse 
Pracht  zu  entwickeln,  die  ehrenvolle  Anerkennung  der  Verdienste  des 
Verstorbenen  öffentlich  zur  Schau  zu  stellen.  Penafiel  bemerkt,  dass  man 
in  den  in  Tezcoco  gefundenen  Steinkisten  einige  Gegenstände  aus  Obsidian 
und  Grünstein  angetroffen  hätte.  Er  spricht  aber  weder  von  Knochen- 
resten noch  von  Asche.  Es  ist  nun  wohl  auch  möglich,  dass  man  auch 
die  Reste  der  Totenerinnerungsfeier,  das,  was  bei  der  Verbrennung  der 
Geschenke  usw.  von  festen  Körpern  noch  übrig  war,  die  Obsidianmesser, 
die  bei  der  Blutentziehung  gedient  hatten,  die  Steinperlen,  die  man  dem 
Toten  dargebracht  hatte,  in  solchen  Steinkisten  barg. 

In  diesem  Zusammenhange  wird  man,  das  ist  meine  Meinung,  die 
Bilder  des  tonatiuh  ilhuicac  yauh,  die  Seele  des  toten  Kriegers,  den 
Opfermessergott  und  die  Bilder,  die  die  Blutentziehung,  die 
Kasteiung  veranschaulichen,  in  ihrer  Bedeutung  für  den  Zweck  der 
Gegenstände,  auf  denen  diese  Bilder  sich  finden,  gleichsetzen  müssen. 
Denn  die  Seelen  der  toten  Krieger,  das  waren  ja  die  Geopferten.  Und 
die  Darstellungen  von  Kasteiung  und  Blutentziehung,  die  werden  hier 
vielleicht  auch  nur  ganz  allgemein  Opfer  bedeuten  sollen.  Es  würden 
also  auch  diese  Bilder  von  Kasteiung  und  Blutentziehung  nur  ein  anderes 
Sinnbild,  nur  ein  anderer  Hinweis  auf  die  Seele  des  toten  Kriegers  sein. 
Und  das  würde  denn  auch  erklären,  dass  dieses  Bild  der  Kasteiung,  ge- 
wissermassen  ganz  unmotiviert,  auch  in  dem  Fond  der  einen  Kiste  zu 
sehen  ist.  Die  Quetzalcouatl-Biläer  endlich,  die  man  auf  dem  Deckel  der 
Hackmackschen  Kiste  sieht,  würden  in  den  Rahmen  derselben  Vor- 
stellung sich  fügen.  Denn  QuetzalcouaWs  Herz  ist  es  ja,  das,  in  den 
Morgenstern  verwandelt,  am  Morgenhimmel  erscheint. 

Wir  haben  uns  nun  aber  doch  zu  fragen,  ob  nicht  die  Gesamtheit 
dieser  Vorstellungen  auch  mit  der  Deutung  sich  vereinen  lässt,  die  von 
vornherein  als  die  natürlichste  erscheint,  dass  diese  kostbaren  Steinkisten 
Aschenkisten  waren,  dazu  bestimmt,  die  Reste  des  verbrannten  Leichnams 
eines  Fürsten  aufzunehmen.     Und  ich  glaube,  das  ist  in  der  Tat  der  Fall. 

Es  scheint,  dass  in  den  Vorstellungen  der  alten  Mexikaner  der  Rang- 
Unterschied,    den    sie    im  Leben  zwischen    den  Fürsten  und  Königen  und 


1)  Seier,    Gesammelte   Abhandlungen    zur   amerikanischen  Sprach-    und  Altertums- 
kunde, Band  IL    Berlin  L904,  S.  672-^694. 


dem  gemeinen  Volke  zu  machen  pflegten,  auch  für  «las  Leben  nach  dein 
Tode  festgehalten  wurde,  und  dass  man  den  Seelen  der  toten  Fürsten  die- 
selbe ehrenvolle  Stellung-  anwies,  wie  den  Seelen  der  im  Kriege  ge- 
storbenen, geopferten  Krieger.  Wenn  uns  Mendieta  erzählt1),  dass  die 
Tlaxkalteken  der  Meinung  gewesen  wären,  dass  die  Seelen  der  Könige 
und  Häuptlinge  sich  in  Nebel  und  Wolken,  in  allerhand  Vögel 
von  glänzendem  Gefieder  und  Edelsteine,  die  Seelen  des  gemeinen 
Volkes  dagegen  sich  in  Wiesel,  Mistkäfer,  Stinktiere  und  andere 
verachtete  Tiere  verwandelten,  so  heisst  das  doch  nur,  dass,  während 
die  Seelen  des  gemeinen  Volkes  im  Schmutz  und  in  der  Erde  gebannt 
waren,  man  die  Seelen  der  Könige  denselben  Wandel  durchmachen  Hess, 
zu  dem  auch  die  Seelen  der  Geopferten,  der  toten  Krieger,  die  in 
dem  Osthimmel  weilten,  gelangten.  Denn  auch  von  diesen  erzählt  uns 
Sahagun,  dass  sie.  nachdem  sie  vier  Jahre  lang  die  aufgehende  Sonne  mit 
Gesängen  und  Tänzen  begleitet  hatten  —  „sich  in  allerhand  Vögel  von 
glänzendem  und  farbigem  (ietieder  verwandelt  hätten  und  Honig  saugend 
von  Blüte  zu  Blüte  flögen,  dort  im  Himmel  und  hier  auf  der  Erde, 
wie  die  „tzintzones"  es  tun".   — 

auh  in  iquac  onauhxiuhtique,  —  und  nachdem  sie  vier  Jahre  so 
zugebracht  haben, 

niman  ic  mocuepa,  tla^ototome  —  verwandeln  sie  sich  in  Schmuck- 
vögel, 

huitzitzilti,    xochitototl,    totovoztli    mixtetlilcomolo  in     Kolibri, 

Blumenvögel,  gelbe  Vögel  mit  schwarzer  Grube  um  die 
Augen   (d.  h.  mit  der  Gesichtsbemalung   des  Morgensterns), 

ticapapa/otl,  ivipapalotl,  j-icalteconpapalotl  —  in  weisse  Kreide- 
Schmetterlinge,  in  Daunenfederschmetterlinge,  in  Schmetter- 
linge gross  wie  Trinkschalen, 

t/achichina  in  ompa  in  inonoian  —  sie  saugen  (den  Honig  der 
Blüten)  dort  au  ihrem  Wohnort, 

yoan  in  nican  tlalticpac  oalhui  —  und  sie  kommen  hier  zur 
Erde  nieder. 

in  quivalchichina,  in  irquich  nepapan  xochitl  —  sie  kommen  und 
saugen  (den  Honig)  aller  Arten  von  Blüten. 

in  equimitt,    ano{-<>  tznnpanqaavitl    —    der  Erythrina  corallioides- 

BlÜtell. 

xiloxochitl,  tlacoxilohxochitl  —  und  der  Carolines  princeps  und 
der  ( 'alliandra- Blüten  "). 

Dass  zum  mindesten  die  Tlaxkalteken,  und  wahrscheinlich  mehr  oder 
minder  alle  mexikanisch  sprechenden  Stämme  die  Seelen  der  toten  Könige 
denen  der  im  Kriege  gebliebenen  oder  auf  dem  Opfersteine  getöteten 
Krieger  gleichsetzten,  wird  in  der  Tat  auch  in  der  „Monarquia  indiana" 
Torquemadas  berichtet.     Er  sagt  bei  der  Beschreibung  des  Festes,    das 


1)  Mendieta,  Historia  ecclesiastica  indiaua.   Buch  2,  cap.  L3. 

2)  Sahagun,  Ruch  ;'.,  App.,  cap.  3.    —   Die  Bestimmung  der  Blüten  habe  icli  nach 
den  im  Hornandez  gegebenen  Beschreibungen  gemacht. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1901.   Heft  j.  1> 


—     i>74     — 

die  Mexikaner  Xocotl  uetzi  „das  Her  abkommen  des  Xocott1-,  die  Tlaxkalteken 
Uei  miecailhuitl  „das  grosse  Totenfest"  nannten,  dass  sie  —  „in  diesem 
Monate  ihren  toten  Königen  und  den  hervorragenden  Personen,  die  tapfer 
kämpfend  im  Kriege  und  in  den  Händen  ihrer  Feinde  gestorben  waren, 
den  Namen  „Gott"  [teotl]  beigelegt,  Idole  von  ihnen  angefertigt  und  sie 
neben  ihren  Göttern  aufgestellt  hätten,  indem  sie  sagten,  dass  sie  an  den 
Ort  der  Seligkeit  und  der  fröhlichen  Unterhaltung  gegangen 
wären,  in  Gemeinschaft  mit  den  anderen  Göttern"1). 

Es  scheint  nun,  dass  dementsprechend  die  Mexikaner  auch  die  Leich- 
name der  gestorbenen  Fürsten  in  solcher  Weise  behandelten,  als  ob  man 
annahm,  dass  sie  auch,  wie  die  toten  Krieger,  in  den  Osthimmel  zur  Sonne 
gingen.  Darauf  lässt  wenigstens  die  Beschreibung  schliessen,  die  im 
Tezozomoc-2)  von  der  Bestattung  des  noch  in  seinen  Jugendjahren  ge- 
storbenen Königs  Tipocic  gegeben  ist,  —  eine  Beschreibung,  die  uns  auch 
für  das  Vorkommen  der  Quetzalco uatl -Bilder  auf  den  Steinkisten  eine 
weitere  Erklärung  gibt.  Es  heisst  dort,  dass  man  nach  der  Verbrennung 
des  Leichnams  die  Bildsäule  des  Königs  aus  Holz  gefertigt  und  nunmehr 
die  Fürsten  zu  der  grossen  Totenfeier  eingeladen  habe.  Nachdem  die 
ersten  Reden  an  den  durch  das  Holzbild  repräsentierten  König  gehalten 
worden,  habe  man  das  Holzbild  angefangen,  mit  kostbarer  Kleidung  zu 
bekleiden,  habe  ihm  die  königliche  Stirnbinde  (xiuhuitzolli)  auf  den  Kopf 
gesetzt  und  in  ein  Loch  in  der  Nase  den  Stein  yacaxiuitl.  Und  nunmehr 
wären  die  Fürsten  der  unterworfenen  Städte  gekommen  und  hätten  ihre 
Geschenke  gebracht.  Danach  hätte  man  die  Bildsäule  wieder  ausgezogen 
und  sie  nunmehr  mit  blauem  Wasser  gewaschen,  ihr  das  Haar  mit  einem 
Riemen  umwunden,  in  dem  ein  kleiner  Reiherfederbusch  steckte,  hätte 
ihr  ein  blaues  W'ams  angezogen,  um  die  Schultern  eine  breite  Binde  ge- 
legt, das  Gesicht  mit  blauer  Farbe  angestrichen  und  an  die  Füsse  San- 
dalen aus  vergoldetem  und  mit  Edelsteinen  verzierten  Leder  geheftet,  der 
Figur  in  eine  Hand  einen  Strauss  Blumen,  in  die  andere  Hand  die  Zigarre 
(acayetl)  gebend,  das  vergoldete  Rohr,  mittels  dessen  man  den  Rauch 
(von  Tabak  und  anderen  wohlriechenden  Sachen)  schlürfte.  Und  gleich- 
gekleidete, am  Hinterkopfe  die  grosse  Papierrosette  (cuexcoclitechimalli) 
tragende  Sänger  hätten  vor  der  so  gekleideten  Statue  gesungen.  Endlich 
hätte  man  die  Statue  zum  dritten  Male  mit  der  Gewandung  und  dem 
Schmucke  des  Gottes  QuetzalcouaÜ  bekleidet  und  den  Toten  nunmehr  auf- 
gefordert, nach  dem  Orte  der  Toten  sich  zu  begeben.  Ein  Priester  hätte 
dann  die  Statue  in  den  Ann  genommen,  und  vor  dem  Tempel  Uitzil- 
opochtWa  hätte  man  sie  verbrannt.  Die  Feier  hatte  dann  mit  einem 
Menschenopfer,  das  der  Priester  Mictlan  tecutli's  vollzog,   geendet.    —   Die 

1)  Monanjuia  indiana,  Buch  10,  cap.  •'!.">:  —  j  en  este  les  daban  nombre  de 
Divinos,  ä,  sus  Reies  difuntos ,  y  ä  todas  aquellas  Personas  sefialadas,  que  havian 
muerto  Jjacanosamente  en  las  Guerras,  y  en  poder  de  sus  enemigos  y  les  hacian  sus 
[dolos,  y  los  colocaban,  con  sus  Dioses,  diciendo,  que  avian  ido  al  lugar  de  sus  deleites, 
y  pasatiempos,  en  compafiia  de  los  otros  Dioses. 

2)  Crönica  mexicana,  cap.  60. 


ganze  Beschreibung  ist  höchst  interessant.  Sic  beweist,  dass  <ler  König 
als  Quetzalcouatl  zu  den   Toten   gehen   sollte. 

Unter  diesem  Gesichtspunkte  meine  ich  nun,  würden  wir  die  Stein- 
kisten, die  mit  Bildern  der  Seele  des  toten  Kriegers  und  mit  Einweisen 
auf  sie,  und  mit  dem  Bilde  QiietzalcouatVs  verziert  sind,  auch  dann,  als  in 
entsprechender  und  sachgemäßer  Weise  verziert  betrachten  dürfen,  wenn 
wir  annehmen,  dass  es  in  der  That  die  Aschenkästen  verstorbener  Pursten 
waren,  die  nicht  im  Kriege  geblieben,  oder  auf  dem  Opfersteine  gemordet 
worden  waren,  deren  Seelen  aber,  der  Annahme  nach,  dieselbe  bevorzugte 
Stellung  hatten,  derselben  Freuden  teilhaftig  wurden,  die  Bonst  uur  den 
Seelen  der  toten  Krieger  vorbehalten  waren. 

Auch  der  Umstand,  dass  auf  verschiedenen  dieser  Steinkisten  die 
Hieroglyphe  chalchiuiÜ  „grüner  Edelstein"  altgebildet  ist  —  auf  der.  die 
ich  aus  dem  Königlichen  Museum  für  Völkerkunde  beschrieb,  direkt,  und 
auf  der  Steinkiste  des  Museo  Nacional  de  Mexico  (Fig  29—32)  mittelbar 
durch  die  Dekoration  der  ganzen  Kiste  — ,  und  dass  damit  zusammen, 
wenigstens  auf  der  einen  Kiste,  die  Hieroglyphe  der  Seele  des  toten 
Kriegers  sich  findet,  spricht  dafür,  diese  mit  Opferdarstellungen  und  mit 
Bildern  der  Seele  des  toten  Kriegers  verzierten  Kisten  geradezu  als 
Aschenkisten  anzusehen.  Wir  wissen  ja  aus  der  Beschreibung,  die 
Mendieta  im  dl).  Kapitel  des  zweiten  Buches  seines  Geschichtswerkes  von 
den  Bestattungszereinonien  gibt  (und  die  Torquemada  Buch  13,  cap.  4.~>. 
wiederholt),  dass  man  dem  Toten  einen  Edelstein  in  den  .Mund  steckte. 
von  dem  man  angab,  dass  man  ihn  dem  Leichnam  als  Herz  einsetzte,  und 
dass  nach  der  Verbrennung  des  Leichnams  dieser  Edelstein  sorgsam  heraus- 
gesucht und  mit  der  Haarlocke  des  Toten  und  den  Aschen-  und  Knochen- 
resten in  der  Aschenkiste  geborgen  wurde. 

Ich  wende  mich  jetzt  zu  einer  anderen  Klasse  von  Monumenten,  ganz 
anderer  Form,  die  aber  mit  den  vorigen  das  gemein  haben,  dass  wir  auf  ihnen 
denselben  Gegenständen  der  Darstellung  begegnen,  wie  ich  sie  ausführlich 
bei  den  ersten  beiden  der  oben  besprochenen  Steinkisten  beschrieben  habe. 

Ich  erwähne  zunächst  ein  säulentrommelartiges  Stück  (Fig.  33)  von 
44  cm  Höhe  und  75  cm  Durchmesser,  das  auf  der  oberen  Seite  eine  - 
aber  vielleicht  erst  später  angebrachte  —  nauf-  oder  kegelförmige  Ver- 
tiefung hat,  und  in  dem  Dorfe  Mixcoac  als  Taufbecken  gebraucht  wurde. 
Der  obere  Rand  zeigt  in  Relief  ausgearbeitet  eine  Schnurverfleehtung,  von 
der  Enden  nach  unten  hängen.  Diese  entspricht  wohl  dem  in  ähnlicher 
Weise  mit  nach  aussen  ragenden  Enden  gezeichneten  Grasstrick,  durch 
den  im  Codex  Borgia  (vgl.  Fig.  34,  35)  die  Umzäunung  bezeichnet  wird. 
in  die  sich  der  fastende  und  Büssende  zurückzieht,  und  der  auch  geradezu 
als  Hieroglyphe  für  necaualli  „ Fasten u  steht,  wie  die  Hieroglyphen,  die  im 
Codex  Telleriano  Remensis  und  im  Sahaguu  -  Manuskript,  von  den 
tezkokanischen  Königen  Necaualcoyotl  und  NecaualpilH  gegeben  sind,  be- 
weisen1).   Auf  der  Fläche  ist.   viermal  wiederholt,  das  Zeichen  youalnepantla 

l)  Vgl.  Seier,  Gesammelte  Abhandlungen  zur  amerikanischen  Sprach-  und  Alterranis- 
knnde.    Band  I.  Berlin  1902,  S.  217. 

1- 


-     276     - 


Fig.  33. 
Stein  von  Mixcouac.    Museo  Nacional  de  Mexico. 


<Sr  <S>r  <b< 

Fig   34. 
Mogauani,  der  Fastende.     Codex  Borgia  9  (=  Kingsborough  30.) 


i'r.   60. 


NegolüstU  „die  Kasteiung*  und  chalchiuh-atl  „das  kostbare  Wasser    der  Kasteiung)". 
Codes  Borgia  10  (     Kingsborough  29). 


—     La     — 


neteteqnizpan  „die  Mitternacht,  die  Zeit  der  K;i>t<iungu  zu  sehen,  fast 
genau  so  wie  wir  es  im  Codex  Borbonicus  (vgl.  oben  Seite  250.  Fig.  9 
and   10)    angetroffen  haben. 

Als  zweites  Stück  nenne  ich  ein  viereckiges  Steinstück,  «las  wie  ein 
Sitz  aussieht,  eine  Höhe  von  15  cm  und  eine  Grundfläche  von  20x35  cm  bat, 
und  das  der  alten  Sammlung  des  Königlichen  Museums  für  Völkerkunde 
in  Berlin  angehört.  Oberseite  und  Seitenflächen  sind  mit  Relief  bedeckt, 
und  diese  Reliefe  sind,  in  eine  Ebne  gebracht  (aufgeklappt),  in  der  bei- 
stehenden Fig.  36  wiedergegeben.  Man  sieht,  dass  der  obere  Rand  des 
Stücks  hier  ebenfalls  von  einer  geflochtenen  Schnur,  von  der  Enden  heraus- 


Fig.  3<>.      Colotl,   Skorpion,   das  Zeichen    der  Kasteiung  und   gacatapayolli,   Grasballen,   in 

dem  zwei  mit  Blut  bestrichene  Agaveblattspitzen  (uitztli  ezgö)  stecken. 
Relief  der  Ober-  und  Vorderseite  eines  Steinsitzes.    Kgl.  Museum  für  Völkerkunde,  Berlin. 


ragen,  dem  Gras-  oder  Fastenstrick,  umgeben  ist.  Darunter  ist,  auf  der 
Vorderseite,  der  Grasballen  (cacatapayolli)  abgebildet,  in  dem  zwei  Agave- 
blattspitzen (uitztli)  stecken,  an  deren  oberen  Enden  bei  dein  linken  Blatte 
die  deutliche  Figur  einer  Blüte  (aochitl)  mit  ihren  zwei  Staubkolben  zu 
sehen  ist,  bei  dem  rechten  Blatte  aber  die  Abbreviatur  der  Hieroglyphe 
chalchiuitl  (Smaragd,  grüner  Edelstein,  Jadeit),  die  wir  oben  bei  dem 
Grasballen  der  Steinkiste  des  Generals  Riva  Palacio  (Fig.  2,  oben  S.  245) 
kennen  gelernt  haben.  Beide,  die  Blüte  und  der  Edelstein,  bezeichnen 
das  gleiche,  die  Kostbarkeit,  da-  Blut  (eztli),  das  auf  die  Agaveblattspitze 
gestrichen  ist.  und  das  auf  ihr  dem  Gotte  dargebracht  wird. 

Auf  der  Ober-  und  Rückseite  diese-  Meines  aber  ist  in  schöner  Aus- 
arbeitung   das  Bild    eine-  Skorpions  (colotl)    zu  sehen,  der  mit  Scheren 


—     278     — 

bewaffnet  ist,  und  dessen  in  charakteristischer  Weise  umgebogener  Schwanz 
am  Ende  ein  Steinmesser  trägt.  Der  Skorpion,  dessen  Stich  brennenden 
Schmerz  verursacht,  wird  in  Bilderschriften  dem  Feuergotte  gesellt.  Und 
er  bezeichnet  hier,  gleich  der  Feuerschlange  auf  der  Riva  Palacioschen 
Kiste,  ohne  Zweifel  das  Feuer  der  Kasteiung,  den  brennenden  Schmerz, 
die  Pein,  die  der  Büssende,  dem  Gotte  zu  Ehren,  auf  sich  nimmt.  — 
Bemerkenswert  ist  noch,  dass  dieser  Skorpion  mit  der  durch  abgerundete 
Enden  gekennzeichneten  Kopfbinde  des  Windgottes  Quetzalcouatl  und  mit 


Fig.  37  a.     Relief  der  Ostseite  des  Steins 
von  Huitzuco. 


Fig.  37.     Monument  von  II int: um. 
Ostseite.     Yo  natürl.  Grösse. 


dessen  dornig  gekrümmtem  Ohrgehänge  (epcohlli)  ausgerüstet  ist.  Offenbar 
deshalb,  weil  Quetzalcouatl  der  Büssende  y.m'  K<>/ij)\  der  Erfinder  der 
priesterlichen  Kasteiung  ist. 

Als  drittes  Stück  endlich  nenne  ich  den  1,70  m  hohen,  aber  nur  in 
M'iner  oberen  Hälfte  mit  Relief  versehenen  Stein,  der  aus  dem  Orte 
Huitzuco  im  Staate  Gruerrero  in  das  Museo  Nacional  de  Mexico  gelangt 
ist,  und  von  dem  wir,  bei  unserer  letzten  Anwesenheit  in  Mexiko,  Photo- 
graphien haben  nehmen  können.  Der  Stein  hat  zwei  Breitseiten  von  0,07  m 
Breite  und  zwei  Schmalseiten  von  0,38  vi  Breite.  Die  Höhe  des  oberen 
skulpierten  Teils  beträgt  0,80  m. 

Der  Stein  ist  auf  allen  vier  Seiten  und  auf  der  Oberseite  mit  Relief 
versehen,    und    er  schliesst  sich    den  zuvor  besprochenen   Stücken  an,   als 


-     -J79    — 

auch  er  an  seinem  oberen  Rande  von  einer  geflochtenen  Schnur  umzogen 
i-t.  von  der  Enden  herunterhängen.  Nur  däss  der  In-ondere  Charakter 
dieser  Schnur  durch  die  Totenschädel,  die  auf  den  herunterhängenden 
Enden  zu  sehen  sind,  noch  deutlicher  hervorgehoben   wird. 

Die  Sehmalseiten  sind  an  dem  Monumente  von  Hui/z/n-,,  diejenigen, 
die  mit  komplizierteren  Eteliefdarstellungen  versehen  und  augenscheinlich 
auch  die  interessanteren  sind.  Die  eine  der  beiden  schmalen  Seiten, 
deren  Relief  ich  in  der  Fig.  87  vorführe,  hin  ich  auch  geneigt  als 
die  Vorderseite  —  und,  wie  ich  gleich  hinzufügen  will,  als  die  Ostseite 
—  anzusehen.  Das  Relief,  «las  ich  der  Wichtigkeit  halber  in  Fig.  37a 
noch  besonders  in  Zeichnung  habe  wiedergeben  lassen,  haut  sich  in  zwei 
gesonderten  Abteilungen  übereinander  auf,  die  aber  im  wesentlichen  die 
gleichen   Elemente  enthalten. 

Die  Mitte  beider  Darstellungen  bildet  eine  schreitende  männliche 
(lestalt,  mit  ausgebreiteten  Armen,  geöffneten  Händen,  wie  in  den 
Bilderschriften  die  Götter,  wenn  sie  nicht  irgend  ein  Attribut  oder 
Werkzeug  in  den  Händen  halten,  dargestellt  zu  werden  pflegen.  Die 
I. enden  sind,  ausser  mit  der  Schambinde,  noch  mit  einem  Tuche  umgürtet. 
Auf  dem  Rücken  hängt  das  Handwerkzeug  und  Abzeichen  priesterlicher 
Würde  oiler  priesterlicher  Tätigkeit,  das  Tabaktäschchen  (yequachtli), 
in  dem  die  Priester  das  Narkotikum,  das  sie,  sich  in  visionäre  Zustände 
zu  versetzen,  brauchten,  mit  sich  führten.  In  dem  Ohrläppchen  steckt  ein 
Pflock.  Der  Kopf  alter  ist  von  der  königlichen  Stirnbiude  aus  Türkis- 
mosaik  (ariukuitzolli)  umgürtet,  und  darüber  ragt  der  Grasstrick  mit  den 
frei  emporstehenden  Enden,  genau  wie  in  der  Hieroglyphe  tonatiuh  ilhuicac 
yauh  auf  der  Ostseite  der  Hackmackschen  Steinkiste  (oben  S.  258,  Fig.  18) 
und  wie  in  dem  Bilde  des  tonatiuh  ilhuicac  yauh,  das  uns  die  Bilderschrift 
der  Biblioteca  Nationale  von  Florenz  erhalten  hat  (oben  S.  262,  Fig.  26). 
Es  ist  kein  Zweifel,  dass  diese  Figuren  den  tonatiuh  ilhuicac  yauh,  die 
Seele  des  toten  Kriegers  darstellen  sollen.  Und  das  wird  auch  durch 
den  übrigen  Inhalt  der  Reliefe  vollauf  bestätigt. 

Zunächst  sieht  man,  gerade  zwischen  den  Bänden,  das  Bündel  mit 
der  Eabe  des  Toten.  Über  diesem  Bündel,  am  oberen  Rande  des  Feldes, 
liegt  quer  herüber  ein  Strick,  von  dem  zwei  breite  Streifen  herabhängen. 
Ich  möchte  diese  Figur  mit  den  Gegenständen  vergleichen,  die  man  in 
Fig.  26  (oben  S.  ■_)(^-,)  unmittelbar  vor  der  Mumie,  unter  dt'n  Schalen  mit 
den  Speiseopfern  abgebildet  sieht.  Sie  werden  von  dem  Interpreten  als 
ein  kreuzweis  umbundener  mit  Papier  überzogener  Stab  und  als  eine 
Traglast  Papiere  erklärt.  Ich  glaube  man  muss  in  ihnen  den  Wanderstab 
und  die  Papiere  sehen,  die  man  den  Toten  als  Reisebriefe  oder 
Pässe  und  Schutzmittel  (Amulette)  auf  die  lange  und  gefährliche 
Heise  zum  Totenreiche  mitgab.  .Man  sieht  sie  auch  vor  der  Figur  des 
gewöhnlichen  Toten,  die  die  Bilderhandschrift  der  Florentiner  Biblioteca 
Nazionale  gibt  (Fig.  38)  und  hinter  dem  Bilde  des  Kriegertodes  auf 
Blatt  17    des    Codex  Pejerväry- Mayer    (Fig.   39)1).      unter    dem    grossen 

1  Dies  Rild  ist  von  Preuss,  alier  schwerlich  richtig,  als  Tlatoc-ToA  gedeutet 
worden.     Als  Kriegertod  isj  das  Bild  nicht  nur  durch  die  Hieroglyphe  c<   att,  das  Zeichen 


280 


Ballen  mit  der  Habe  des  Toten  ist  in  Fig.  37  ein  Bündel  unten  und  oben 
in  Knöpfen  endender  Stäbe  abgebildet,  aus  dem  ein  ähnlicheres  schmäleres 
Bündel  emporragt,  und  das  weiter  unten  von  einer  königlichen  Türkismosaik- 
stirnbinde umgürtet  ist.  Das  könnten  brennbare  Zweige,  Fackeln  oder 
mit  wohlriechenden  Substanzen  gefüllte  Rohre  (cicayetl)  sein,  die  hier  als 
Träger  der  königlichen  Stirnbinde,  des  xiuhuitzollü  die  auch  zum  Krieger- 
totenschmucke gehörte,  dienen.  Hinter  dem  Kopfe  der  Figuren  sieht  man 
weiter  zwei  amaneapanalli,  Binden  aus  weissem  Rindenpapier,  wie  sie  das 
Mumienbündel  der  Biblioteca  Laurenziana  um  die  Schultern  geschlungen 
hat.  Und  unten  hinter  den  beiden  Figuren  die  Fahne  mit  den  flatternden 
Bändern  (pantoyaualli  oder  pantololli).   Tor  dem  Bauche  der  Figur  aber  in  der 


Fig.  39.    yaomiquizbli, 

Kriegertod. 
Codex  Fejerväry-Mayer  17 

(=  Kingsborough  28). 

Fig.  38.     Alumienbündel  eines  gewöhnlichen  Toten,  eines 

telpochtli  (unverheirateten  jungen  Mannes). 

Bildelhandschrift  der  Florentiner  Biblioteca  Nazionale. 

unteren  Hälfte  des  Reliefs  und  nach  aussen  vor  dem  Bündel  mit  der  Habe  in 
der  oberen  Hälfte  des  Reliefs,  sieht  man  den  blauen  Nasenpflock  (yacaxiuitl) 
der  charakteristischen  Form,  wie  er  unter  dem  Kriegertotenschmuck  des  Codex 
Borbonicus  (oben  S.  263,  Fig.  27)  aufgeführt  ist.  Endlich  fehlt,  wenigstens 
in  der  einen  der  beiden  Abteilungen  des  Reliefs,  auch  der  blaue  Hund, 
das  xolocozcatl,  nicht,  den  das  Mumienbündel  der  Biblioteca  Nazionale  auf 
der  Brust  hängen  hat.  Er  ist  in  der  oberen  Reliefabteilung  hinter  dem 
Kopfe  der  Figur,  in  aufrechter  Stellung  angegeben.  Die  Liste  dessen, 
was  wir  nach  dem  in  den  Fig.  26  und  27  Vorgeführten  an  dieser  Stelle  zu 
erwarten  hätten,  kann  kaum  vollständiger  sein. 


der  Götter  des  Krieges,  und  durch  die  Parallele  mit  der  Ciuateotl  gekennzeichnet;  auch 
der  xiuhuitzolli,  mit  den  nach  oben  stehenden  Enden  des  Grasstricks,  ist  vor  der  Figur 
deutlich  angegeben,  und  man  kann  die  Enden  des  Grasstricks  auch  über  dem  Kopfe  des 
Toten  selbst  emporragen  sehen.  Die  mit  Kiemen  zusammengebundenen  Papiere,  von  denen 
hier  ein  Strickende  nach  oben  lliegt,  hat  Preuss  fälschlich  als  Rasselbrett  gedeutet. 
Vgl.  Mitteilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien,  Band  XXXIII,  S.  219. 


—      281      — 

Die  rechts  austossende  Breitseite  (Fig.  40),  die  dem  Turnus  nach  als 
die  nächstfolgende  anzusprechen  ist,  und  die  die  Nordseite  des  Monumentes 
sein  muss,  zeigt  auf  ihrer  Fläche  einen  (Jrasballen  mit  einem  Auge  in 
der  Mitte,  von  dem  Augen  ausstrahlen  und  vier  im  Kreuz  gestellte  Blätter 

ausgehen.  Zwei  Agaveblattspitzen  (uitztli)  stecken  in  ihm,  an  deren 
oberen  Ende  eine  schön  ausgeführte  Blüte  uns  wieder  das  Blut  andeutet, 
■dessen  Träger  die  Agave-Blattspitzen  sind.  Das  Ganze  ist  ein  Bild  der 
Mitternacht,  der  Zeit  der  Kasteiung  (youalnepantla,  netetequizyan).  genau 
den    Figuren    entsprechend,    die    wir    auf    dem    Monumente    von    Mixcoac 


Fig.  40.     Monument  von  Huitzueo.     Nordseite. 
1/,1  natürl.  Grösse. 


Fig.    11.     Monument  von  Huitzueo. 
Westseite.     V«  natürl.  Grösse. 


kennen  gelernt   haben  (oben   S.  276,   Pig.  33),    und  in  dem    Bilde,    das  ich 
oben  S.  250,  Pig.  1".  aus  dem  Codex  Borbonicus  kopiert  habe. 

Nun  folgt  die  zweite  Schmalseite  (Fig.  41).  die  die  Westseite  sein 
nmss.  Entsprechend  sehen  wir  hier  in  der  oberen  Abteilung  des  Reliefs, 
das  ich  in  Pig.  41a  noch  einmal  besonders  habe  zeichnen  Lassen,  eine 
Höhle  (oztotl)  dargestellt,  einen  Berg  mit  offenem  Munde,  der  durch 
Ungeheuer  äugen,  über  dessen  Brauen  Sternaugen  sich  erheben,  zu  einem 
Nachtdämongesicht  umgestaltet  ist.  Denn  der  Westen  ist  die  Region,  wo 
die  Senne  in  die  Bohle  geht,  wo  die  Sonne  gegessen,  verschlungen  wird. 
Und  in  der  unteren  Hälfte  zeigt  sich  uns  der   Berg   mit   der  gekrümmten 


282 


Spitze,  das  Colhuacan  oder  Colhuatepee,  die  Urheimat,  der  Wohnsitz 
der  Vorfahren,  die  eben  dort  im  Westen,  wo  die  Erde  einen  Mund  hat, 
aus  der  Erde  emporgekommen  sind. 

Auf  der  vierten  Seite  endlich  (Fig.  42),  die  wieder  eine  Breitseite- 
ist,  und  die  die  Südseite  des  Monumentes  sein  muss,  sehen  wir  einen 
Grasballen  (cacatapayolli),  in  dem  zwei  Agave-Blattspitzen  stecken  mit 
Blüten,  dem  Zeichen  von  Blut,  an  den  oberen  Enden.  Dieser  Grasballen 
aber  steht  in  einer  aus  Blattstengeln  (Maisstengeln,  Rohrstengeln)  ge- 
bildeten Laube,  wie  wir  sie  auf  Blatt  18  des  Codex  Borbonicus  unter  dem 
Grasballen   besonders    abgebildet   sehen    (Fig.  43ä).      Der    Süden    ist    die 


Fig.  41a.     Relief  dfjr  Westseite  des 
Steines  von  Huitzuco. 


Fig.    12.     Monument  von  Huitzuco.     Südseite. 
'/n  natürl.  Grösse. 


Region  des  Feuers,  also  auch  der  Pein,  der  Kasteiung.  Und  Blatt  18  des 
Codex  Borbonicus  ist  das  Blatt  der  Chaniäco,  der  Feuergöttin  von  Xochi- 
milco,  der  in  dem  Tonalamatl  herkömmlich  erweise  der  sich  Kasteiende, 
der  Büsser  (Fig.  481»),  gegenübergestellt  wird. 

Es  bleibt  nun  noch  die  fünfte  Seite,  die  Oberseite  (Fig.  44),  die 
natürlich  der  fünften  Weltgegend,  der  Mitte,  der  Richtung  oben- 
unten,  entsprechen  muss.  Diese  fünfte  Weltgegend  ist  in  den  Bilder- 
schriften sehr  häufig  durch  eine  menschliche  Gestalt  zum  Ausdruck  ge- 
bracht, die  kopfüber  (tzontemor)  in  einem  in  der  Kegel  stark  stilisierten 
Erdrachen  stürzt.  Hier  auf  unserem  Monumente  sehen  wir  dafür  die  Toten, 
die  in  das  Reich  der  Erde,  in  d;is  Totenreich  Mictlan,  eingehen,  oder  die 
Priester   Mictlantecutli's,    die   diesen  Toten   dienen.     Wir  sehen    hier  auch 


—    283    — 


wieder  die  beiden  schreitenden  Figuren,  mit  ausgebreiteten  Armeu,  ge- 
öffneten  Händen.  Sie  haben  auch  <lit>  Lenden  mit  einem  Tucbe  um- 
gürtet, auf  dem  Rücken  haben  auch  sie  das  Tabaktfischchen  yequa<l<<li. 
und  in  dem  Ohrläppchen  steckt  ein  rnnder  Pflock.  Aber  die  Stirn  ist 
nicht  von  der  königlichen  Stirnbinde  umschlossen,  mit  den  darüber  auf- 
ragenden Enden  des  (irasstrieks,  sondern  zeigt  den  Schmuck  Mictlan 
terutli's,  des  Herrn  der  Unterwelt.  —  die  beiden  l'apierrosetten.  das  Stirn- 
schild  (ixquatechiTnalli)  und  das  Efinterhauptschild  {euexcochtechimalli).  Sie 
nehmen  und  bringen  keine  Gaben.  Ihr  Reich  ist  der  Tempel,  der  sich 
vor  ihnen  erhebt,  der  durch  die  Blumen  an  seinem  First  als  «las  XocJti- 
calco  gekennzeichnet  ist,  das  Hans  der  Erde.  Denn  die  Unterwelt  war 
den  Mexikanern  kein  Ort  der  Strafe,  wo  die  Sünder  hinabgestürzt  wurden,  wie 


Fig.  43a.     Rohistengellaube. 
Codex  Borbonicus  18. 


Fig.  d.'ib.     Der  Büsser,  gegenüber  der  Chantico. 

Codex  Borbonicus  IS. 

manche    der    mönchischen    Berichterstatter,    in    christlichen   Anschauungen 

befangen,  angeben,  sondern  ein  Ort  des  Ausruhe   - 

ca  ic  cen  onquiz  —  denn  es  ist  zu  Ende, 

ca  otonmovicac  —  du  bist  dahingegangen, 

in  quenamieun  —  nach  «lern  Orte,  den   niemand  kennt. 

&  imovaian  —  dem  Orte  des  Vergessens. 

in  vilovaian  —  wohin  alle  gehen, 

in  opockquiavaiocan  —  dem  Orte,  dessen  Türen  links  (d.  h.  ver- 
schlossen) sind. 

in  aüecalocan  —  aus  dem  keine  Pfade  hinaus  (zu  menschlichen 
Wohnungen)  führen 

—  heisst  es  im  Anhange  zum  dritten  Buche  Sahaguns.  Und  von  den 
toten  Königen  wird  in  der  Oronica  mexicana  Tezozomocs  gesagt,  dass  sie 
dahin  gehen,  wo  ihre  Väter  und  Vorväter  auf  ihren   Betten   ausruhen. 


—     284     — 

Das  ganze  Monument  überhaupt,  das  ich  hier  beschrieben  habe,  ist 
eine  deutliche  Widerlegung  der  neuerdings  von  Preuss  aufgestellten 
Theorie,  dass  die  auf  dem  Opfersteine  ihr  Leben  gelassen  haben,  und  die 
andern  Toten  im  wesentlichen  gleich  behandelt  worden  seien,  und  alle 
miteinander  im  Reiche  des  Feuergottes  im  Mittelpunkte  der  Erde  ihren 
Wohnort  hätten l). 

Als  was  haben  wir  nun  dieses  Monument  anzusehen?  Die  vier 
Himmelsrichtungen  und  die  fünfte  Weltgegend  sind  auf  ihm,  wie  auf  ver- 
schiedenen anderen  Denkmälern,  angegeben,  ohne  Zweifel.  Aber  die  Art 
und  Weise,  wie  diese  Himmelsrichtungen  hier  charakterisiert  sind,  ist  eine 
besondere.  Und  diese  muss  uns  den  Schlüssel  geben.  Die  Darstellungen 
sind  in  ihrer  Mehrzahl    desselben  Charakters,    wie  wir  sie  auf   den   zuvor 


Fig.  44.     Monument  von  Huitzuco.     Oberseite.     a/:.  natürl.  Grösse. 

besprochenen  Steinkisten,  insbesondere  den  ersten  beiden,  gefunden  haben. 
Bei  den  Steinkisten  aber  liegt  die  Präsumption  vor,  dass  sie  Aschenkisten 
waren  oder  die  Reste  der  Totenerinnerungsfeier  bargen.  Auf  eine 
Toteneriunorunusfeier  oder  einen  Totenkult  weisen  in  der  Tat  auch  die 
Darstellungen  auf  dem  Monumente  von  Huitzoco.  Der  Osten  ist  durch 
die  Seele  des  toten  Kriegers  und  die  Gaben,  die  ihm  gebracht  werden, 
chiinikterisiert.  Der  Norden  durch  die  Mitternacht,  als  die  Zeit  der 
Kasteiung.  Der  Westen  durch  d;is  Colhuacan,  den  Ort  der  Vorfahren. 
Der  Süden,  die  Region  des  Feuers,  durch  den  Grasballen,  das  Zeichen 
der  Kasteiung.  Die  fünfte  Weltgegend  endlich  durch  die  Toten,  die  in 
das  Reich  der  Erde  eingehen. 


1)  Preuss,    die   Feuergötter.     Mitteilungen    der    Anthropologischen   Gesellschaft  in 
Wien.     Band  23  (der  dritten  Folge  Ban<l  3), 


—    285 

Das  ganze  Monument  ist  augenscheinlich  rein  mexikanische!] 
Charakters,  stammt  aber  aus  einem  Gebiete,  «Ins  zum  Teil  schon  fremd- 
sprachlich ist,  und  schon  ein  ganzes  Stück  ii  1  »er  die  zunächst  im  Süden  an 
die  Mexikaner  grenzenden  Tlalhuica  hinaus  liegt,  an  der  grossen  Heer- 
und  Verkehrsstrasse,  die  in  das  Tal  <\*^  Kio  de  las  Balsas,  nach  Acapuleo 
und  in  die  pazifische  Tierra  (Ja Heute,  führt.  Bei  den  Tlalhuica  selbst  und 
ihren  Nachbarn  findet  man  einen  ganz  anderen,  fremdartige  Elemente 
aufweisenden  Kunststil,  wie  die  Pyramide  von  Xochicalco  und  der  Monolith 
von  Tenango  beweisen1).  Das  von  Mexikanern  in  lluitzuco  errichtete 
Monument  hat  daher  vielleicht  der  Frinnerung  einer  Heerabteilung  oder 
einer  Karawane  reisender  Kaufleute  gedient,  die  hier  der  Hand  der  Feinde 
erlagen.  Die  besondere  Form,  die  diesem  Monumente  gegeben  ist,  und 
insbesondere  der  Grasstrick,  den  wir  hier,  wie  an  den  beiden  zuvor  be- 
schriebenen Denkmälern  die  obere  Kante  umziehen  sehen,  weisen  darauf 
hin,  dass  diese  Stücke  eigentlich  als  Sitz  gedacht  sind,  —  wohl  als 
Steinsitz  (momoztli),  wie  man  sie  dem  Gotte  Tezcatlipoca  an  Wegen  und 
Wegkreuzungen  errichtete,  von  denen  ich  in  meiner  Abhandlung  über  die 
Ausgrabungen  am  Orte  des  Haupttempels  in  Mexico2)  einige  besondere 
Formen  beschrieben  habe.  Tezcatlipoca  war  der  Gott  der  Krieger  und  des 
Kriegerhauses.  Mit  seiner  Gestalt  verbinden  sich  daher  die  Vorstellungen 
von  Tod  und  Opfertod.  Und  auf  einem  anderen  bekannten  Monumente, 
dem  guauhadcalli  König  Ticoc's,  erscheinen  die  Seelen  der  toten  Krieger 
geradezu  in   der  Gestalt  des  Gottes   Tezcatlipoca. 

.Mir  Beziehung  auf  den  Totenkult  und  die  Ausschmückung,  die  ins- 
besondere der  Seele  des  toten  (des  geopferten)  Kriegers,  die  in  den  Ost- 
himmel  einging,  zukam,  habe  ich  nun  noch  einen  besonderen  Fall  zur 
Sprache  zu  bringen,  der  zu  Missverständnissen  Anlass  gebeu,  und  ge- 
wissermassen  als  im  Gegensätze  zu  der  Auffassung  stehend  betrachtet 
werden  könnte,  der  ich  oben  an  verschiedenen  Stellen  Ausdruck  gegeben 
habe.  In  dem  Festkalender  des  Codex  Borbonicus  ist  das  fünfzehnte 
Jahresfest,  das  Fest  Uitzitopochtli's,  das  den  Namen  Panquetzaliztli  „das 
\  ii  (stecken  der  Fahnen"  führt3),  merkwürdigerweise  durch  das  grosse 
Feuerfest,  „das  Fest  des  neuen  Feuers",  bezeichnet,  mit  «lern  die 
Mexikaner  den  Beginn  einer  ihrer  52jährigen  Perioden  feierten4).  In  der 
Tat,  man  sieht  am  oberen  Rande  des  Blattes  (Codex  Borbonicus  34).  das 
der  Darstellung  dieses  Festes  gewidmet  ist,  das  Zeichen  ome  acatl  „zwei 
Rohr1',  das  Jahr,  das  die  Mexikaner  als  das  Anfangsjahr  ihrer  52jährigen 
Periode  zählten.  Und  man  sieht  an  der  rechten  Seite  unten  die  in  dem 
Hause  eingeschlossenen   Frauen  und  Kinder,    von   den   mit   dem  Speer  be- 


1)  Selcr,  Gesammelte  Abhandlungen  zur  amerikanischen  Sprach-  und  Altertumskunde 
Hand  II.     Berlin  (Asher  &  Co)  1904,  S.  128ff.  und  S.  159. 

2)  Ibidem  S.  TuTff. 

3  Auch  Biendieta  (Historia  Ecclesiaatica  indiana  Buch 2,  cap.  L6]  hat  die  Angabe, 
dass  das  Fest  des  neuen  Feuere  am    Panquetzaliztli  stattfand. 

4)  Das  ist  in  allen  Einzelheiten  schon  von  Francisco  Del  Paso  y  Troncoso  in 
seinem  Kommentar  zum  Codex  BorbonicuB  (Floreni  1898)  gana  richtig  erkannt  worden. 
Vgl.  Torquemada,  Monarquia  Indiana  10,  33,  U,  p.  292— 295, 


—     -JSii     — 

waffneten,  iu  der  Haustür  sitzenden  Männern  beschützt,  und  in  dem 
grossen  Tonkruge,  dem  Maisbehälter  (cuezcomatl)  eingeschlossen  die 
Schwangere,  die  von  einem  mit  Schild  und  Obsidianschwert  bewaffneten 
Krieger  bewacht  wird.  Es  bestand  nämlich  die  Vorstellung,  dass,  wenn 
in  der  Nacht  vor  dem  Beginn  der  neuen  Periode  es  nicht  gelänge,  das 
Feuer  neu  zu  erreiben,  die  Welt  zu  Ende  sein,  vom  Dunkel  verschlungen 
werden,  die  Menschen  von  den  vom  Himmel  herabkommenden  Finsterkeits- 
dämonen,  den  Tzitzimime,  gefressen  werden  würden,  und  dass  in  diesem 
Falle  die  schwangeren  Frauen,  die  ja  den  Tzitzimime  in  gewisser  Weise 
verwandt  waren,  da  die  letzteren  als  die  Seelen  der  im  Kindbett  gestorbenen 


Fig.  45.     Die  vier  Morgenröten,  am  Feste  des  neuen  Feuers,  im  Vanquetzaliztli 

Codex  Borbouicus  34. 


Frauen  galten,  sich  auch  in  Raubtiere,  in  Tzitzimime  verwandeln  und, 
gleich  diesen,  die  Menschen  fressen  würden.  Und  die  Frauen  und  die 
Kinder  bedeckten  sich  deshalb  auch  in  dieser  ängstlichen  Zeit  das  Gesicht 
mit  .Masken  aus  Agavepapier.  Wir  sehen  deshalb  in  der  Tat  im  Codex 
Borbouicus  die  in  den  Häusern  und  in  dem  Tonkruge  eingeschlossenen 
Frauen  und  Kinder,  und  sogar  die  Hausväter  und  den  bewachenden 
Krieger  mit  blau  gemalten  Masken  abgebildet. 

Über  diesen  ängstlich  harrenden  Gruppen  der  Menschenfamilien  aber 
ist  im  Codex  BorbonicuB  der  Akazienberg  Uixachtecatl,  der  Berg  von  hta- 
palapa,  auf  dem  «Ins  Feuer  neuerrieben  winde,  in  Hieroglyphe  dargestellt, 
und  auf  ihm  der  Feuerbohrer  (inamalhuazüi),  das  Zeichen  und  das  Werk- 
zeug des  neuen  Feuers.  Von  ihm  führen  Fussspuren  zu  einem  grossen 
Hause,  dessen  Pfosten    und  Oberschwelle    auf   tiefschwarzem  Grunde    ein 


—     287     — 

weisses  Andreaskreuz  aufweisen,  und  in  dessen  [nnern  in  einem  von 
Zinnen  umgebenen  Feuerherde  ein  mächtiges  Feuer  brennt,  dem  vier 
sonderbare  Gestalten,  die  wir  gleich  zu  besprechen  haben  werden,  grosse 
Holzhandel  zu  tragen  (Fig.  4.')).  ('her  diesem  Hause,  das  wir  wohl  als 
Tlillan  oder  Tlillwncalco  zu  bezeichnen  haben,  und  das  die  Nacht  bedeutet, 
aus  dem  das  Feuer  geboren  wird,  sehen  wir  den  Gott  des  Festes  TJitzil- 
opochtli  vor  seinem  Hause  stehen,  auf  dem  dir  Fahne  (pamitl),  das  Zeichen 
des  Festes,  aufgepflanzt  ist.  Unter  oder  vordem  Hause  kommen  in  Langer 
Reihe  verschiedene  Götter,  ebenfalls  Brennholzbünde]  herantragend:  — 
an  ihrer  Spitze  Qmtzalcoiiatl,  der  Windgotl  and  der  Priestergott;  dann 
Tezcatzonrafh  der  Pulquegott;  Tezcat/ipoca',  X/pe  Toter-,  f.rt/ilton;  Xnchipilli: 
und  als  letzte   Teteo  irman,  die  alte  huaxtekische  Erdgöttin. 

Die  vier  Figuren  nun,  die,  in  ganz  gleichartiger  Weise  gekleidet  und 
ausgestattet,   in    Fig.  45   dem  Feuer  Nahrung  zutragend   zu  sehen   sind,    von 


Fig.  46.     Tlaeäuepan,   der 
jüngere  Bruder  Tezeattipoca's. 

Codex  Borbonicus  26. 


Fig.   Loa. 


denen  ich  die  eine,  in  der  Grösse  des  Originals,  in  Fig.  4öa,  noch  einmal 
besonders  habe  abzeichnen  lassen,  haben  offenbar  die  Tracht  und  den 
Ausputz,  den  ich  oben  als  den  der  Seele  des  toten  Kriegers  be- 
zeichnet habe,  and  mit  dem  wir  in  der  Tat  in  Fig.  26  (oben  S.  262) 
das  Mumienbümlel  ausgestattet  sahen.  Nur  die  Gesichtsbemalung  ist  eine 
etwas  andere,  indem  statt  der  tiefschwarzen  halb  maskenartigen,  von 
weissen  Kreisen  umsetzten  Bemalung  um  das  Auge,  die  die  typische 
„Sternhiminelgesirhtsheinalung"  (mixdilalhmlicae)  ist,  da-  Auge  von  einem 
weissen  Andreaskreuz  auf  schwarzem  Grunde  umschlossen  ist.  Das  - 
aber  zweifellos  kein  fundumentaler  Unterschied.  Die  eine,  wie  die  andere 
Bemalung  bezeichnet  den  Sternhimmel,  den  Nachthimmel.  Das  ist  recht 
gut  auf  einem  der  in  der  ('alle  de  las  Escalerillas  gefundenen  Räucher- 
inilei zu  sehen,  den  ich  in  der  oben  angefahrten  Abhandlung  über  die 
Ausgrabungen  in  .Mexico  beschrieben  habe.  Auf  diesem  ist  nämlich  die 
Unterseite  mit  dem  Gesichte  der  fade  bemalt,  und  darunter  sieht  man  auf 
•der  einen  Seite  das  vom   Dunkel  umgebene    Vu-e.   das  Zeichen  der  Nacht 


—     288     — 

und  des  Nachthimmels;  auf  der  anderen  das  weisse  Andreaskreuz  auf 
schwarzem  Grunde. 

Nur  in  einer  Einzelheit  weicht  die  Tracht  und  die  Ausstattung  der 
vier  Figuren  (Fig.  45)  noch  von  der  des  tonatiuh  ilhuicac  yauh  ab,  das 
sind  die  Binden  aus  Papier,  mit  denen  Oberarme  und  Unterschenkel  um- 
bunden  sind,  und  aus  denen  überall  ein  Büschel  grüner  Blätter  empor- 
ragt. In  demselben  Merkmale  stimmen  sie  aber  mit  einer  anderen  Figur 
des  Codex  Borbonicus  (Fig.  46)  überein,  die  auch  das  mixcitlalhuiticac, 
die  Sternhimmelgesichtsbemalung  der  Gottheit  des  Morgensterns,  trägt, 
und  die,  wie  aus  den  Figuren  sich  ergibt,  die  im  Codex  Borbonicus  an 
dem  Toxcatl-Feste  auftreten,  als  Tlaeauepan,  als  der  jüngere  Bruder 
Tezcatlipoca' s,  zu  bestimmen  ist,  vielleicht  aber  auch  in  gewisser  Weise  mit 
Painal,  dem  Begleiter,  Stellvertreter  und  Vorläufer  Uitzilopochtlis  sich  deckt. 

Tlaeauepan  neben  Tezcatlipoca  und  Painal  neben  Uitzilopochtli,  den 
jüngeren  Brüdern  dieser  beiden  Hauptgötter,  die  im  Codex  Borbonicus 
regelmässig  auch  in  kleinerer  Grösse  abgebildet  sind,  die  als  die  Begleiter 
und  Genossen  dieser  grossen  Götter,  oder  auch  als  ihre  Herolde,  ihre 
Boten,  ihre  Vorläufer  erscheinen,  entspricht  in  den  Bilderschriften  kalen- 
darischen Inhalts  Tlauizcalpantecutli,  die  Gottheit  des  Morgensterns,  neben 
Ixcocauhqui,  dem  Feuergotte.  Ich  fühle  mich  berechtigt,  die  vier  Figuren, 
die  an  dem  Feste  des  neuen  Feuers  an  der  Spitze  der  Brennholz  heran- 
tragenden Götter  die  Holzbündel  in  den  Feuerherd  werfen  (Fig.  45), 
'Tlauizcalpantecutli,  der  Gottheit  des  Morgensterns,  gleich  zu  setzen,  als 
dessen  Genossen  sie  durch  ihren  Ausputz,  der  der  im  Osthimmel  weilenden 
Seelen  der  toten  Krieger  ist,  sich  kundgeben.  Ich  schreibe  ihnen  die 
Rolle  von  jüngeren  Brüdern,  von  Genossen,  Begleitern,  Herolden  des  Feuer- 
gottes zu,  neben  dem  sie,  da  er  der  Herr  der  fünften  Weltgegend  oder 
der  Mitte,  und  damit  zugleich  auch  der  Naukyo  tecutli,  der  Herr  der  Ge- 
samtheit der  Richtungen  ist,  in  Vi  erzähl  erscheinen.  Eine  Stütze  für 
diese  Anschauung  finde  ich  in  den  sogenannten  „vier  Morgenröten"  (las 
quatro  auroras),  die  Duran  uns  an  zwei  Stellen  in  der  Tat  als  Begleiter 
des  Feuergottes  nennt.  Bei  der  Beschreibung  des  Sacrificio  gladiatorio1) 
erzählt  er  uns,  dass  nach  dem  mit  einem  Löwenfell  bekleideten  Alten 
(d.  h.  nach  dem  cuetlachu<hi<\  dem  „alten  Wickelbär",  der  der  Onkel  der 
Opfer  ist)  vier  Personen  erschienen  seien,  die  eine  weiss,  die  andere  grün,  die 
dritte  gelb,  die  vierte  rot  gekleidet,  die  man  „die  vier  Morgenröten" 
nenne,  und  mit  ihnen  wären  Ixcocauhqui  (der  Feuergott)  und  der  Gott  Titla- 
cauan,  (das  ist  Tezcatlipoca)  gekommen.  Und  an  einer  zweiten  Stelle,  bei 
der  Beschreibung  des  Opfers  durch  Krschiessen  mit  Pfeilen,  das  man  nach 
ihm  am  Ockpaniztli  der  Maisgöttin  Chicome  couatl  brachte2),  berichtet  er, 
d;iss  die  Speerwerfer  in  der  Gestalt  und  der  Kleidung  der  Götter  Tla- 
cauepan,  Uitzilojwchtli,  Titlacauan,  des  Sonnengotts  (Tonatiuh),  Ixcocauhqui  & 
lind  der  „vier  Morgenröten"  erschienen.  Wer  die  Bedeutung  der  ver- 
schiedenen  Einzelheiten  in  der  Tracht  der  vier  Figuren  (Fig.  45)  kennt,  und 
sich  der  Beziehungen  erinnert,  die  die  Seele  des  toten  Kriegers  mit  der  Gott- 
heit des  Morgensterns  verknüpfen,   wird  mir  zugeben  müssen,  dass  die  „vier 

1)  Tratado  2°,  cap. '.».  —  2)  Tratado  2°,  <ap.  II. 


—     289    — 

Morgenröten",  d.  h.  die  vier  Tlauizealpan  tetecutin,  —  denn  tlauizcalli 
„das  Haus  des  Hellwerdens,  des  Kotwerdens''  ist  die  Morgenröte  —  in 
den  vier  Figuren  Fig.  45)  einen  durchaus  entsprechenden  figürlichen  Aus- 
druck gefunden  haben.  Mit  der  von  mir  vorgetragenen  Auffassung  der 
Bedeutung  des  Schmuckes  der  Figuren  auf  der  einen  Schmalseite  des 
Monuments  von  lluit~uco  (Fig.  37,  oben  S.  278)  und  ^w  verwandten  Dar- 
stellungen stellen  sie  jedenfalls  nicht  in  Widerspruch  und  sind  eben  nur 
ein  Beweis  mehr  für  die  Tatsache,  dass  in  der  Vorstellungswelt  primitiver 
Völker  Dinge  nebeneinander  stehen,  die  uns  auf  den  ersten  Blick  ganz 
unvereinbar  erscheinen. 

Ich  kann  nun  nicht  unterlassen,  noch  ein  Denkmal  zu  erwähnen,  das 
schon  von  Fernando  Ramirez  und  Orozco  y  Berra,  wenigstens  be- 
züglich des  Hauptinhalts  der  Darstellung,  ganz  richtig  gedeutet  worden 
ist,  und  das  hierher  gehört,  weil  auf  ihm  auch  eine  Darstellung  ähnlich 
denen  der  zuvor  besprochenen  Monumente  sich  findet.  Es  ist  die  0,885  m 
hohe,  0,605  m  breite  und  etwa  30  cm  dicke  Steinplatte,  die  ich  in  Fig.  47 
nach  der  von  Orozco  y  Berra  im  ersten  Bande  der  Anales  del  Museo 
Nacional  veröffentlichten  Zeichnung  wiedergebe. 

In  der  Mitte  der  oberen  Abteilung  sieht  man  wieder  den  Grasballen 
(cacatapayolli'),  der  hier,  wie  auf  der  vierten  Seite  des  Steins  von  Huitzuco 
in  einer  Rohrstengellaube  steht.  In  ihm  stecken  zwei  Agave-Blattspitzen, 
an  deren  oberen  Enden  das  Blut  in  doppelter  Weise  durch  die  Abbreviatur 
der  Hieroglyphe  chalchiuitl  und  durch  das  Bild  einer  Blüte  (xochül)  zum 
Ausdruck  gebracht  ist.  Der  untere  Rand  der  oberen  Abteilung  wird  von 
einem  Erdrachen  gebildet,  von  dem  spitze  Zähne  in  die  Höhe  ragen,  und 
der  auf  den  Wangen  mit  Sternaugen,  die  auf  nächtlich  schwarze  Farbe 
des  Himmels  hinweisen,  verziert  ist.  Auf  diesem  Erdrachen  steht  links 
der  König  Tigoc,  durch  die  Hieroglyphe  hinter  seinem  Kopfe  bezeichnet. 
Zur  Rechten  der  König  Auitzotl,  in  gleicher  Weise  durch  die  Hieroglyphe 
hinter  seinem  Kopfe,  das  rattenähnliche  Tier  mit  der  Hieroglyphe  Wasser 
auf  dem  Rücken,  gekennzeichnet.  Beide  sind  in  priesterlicher  Tracht, 
mit  dem  Wams  (ancolli)  der  Priester  bekleidet,  das  Tabaktäschchen 
(yequachtli)  auf  dem  Rücken  tragend;  und  sie  sind  auf  dem  Scheitel  mit 
dem  sich  gabelnden  Federschmuck  der  Krieger  aztcucelli  geschmückt.  An 
den  Armen  haben  sie  die  Tasche  für  Räucherwerk  (copalaiquipüli)  hängen. 
und  mit  dem  Knochendolche  (omitl)  durchstechen  sie  sich  das  Ohr,  von 
dem  das  Blut  in  weitem  Bogen  heraus  und  unter  dem  Grasballen  hin  in 
den  eqxoc;  öddvrcDv  des  Erdrachens  fliesst.  Zu  den  Füssen  der  beiden 
Könige  endlich  steht  je  eine  Räucherpfanne  (ßemaitl),  deren  Griff  wieder 
in  Gestalt  eines  Schlangenkopfes  gearbeitet  ist,  und  aus  deren  Becken  eine 
Rauchwolke  sich  kräuselnd  erhebt.  Über  dem  Grasballen  sieht  man  das 
Datum  chicome  acatl  „sieben  Rohr",  und  die  ganze  untere  Hälfte  des  Steins 
wird  von  dein  in  ansehnlicher  Grösse  ausgeführten  Datum  chieuei  acut/ 
„acht  Rohr"   gefüllt. 

Schon  Fernando  Ramire/,  hat  dies  Datum  „acht  Rohr"  als  Bezeichnung 
des  Jahres  1487  der  christlichen  Zeitrechnung  angesehen.  Es  ist  das 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.   Heft  .'.  ]<i 


—     290     — 


zweite  Jahr  der  Kegierungszeit  König  Auitzotfä,  in  dem  dieser  den  Neubau 
des  grossen  Tempels,  der  unter  dem  alten  Motecuhcoma  begonnen  worden 
war,  und  für  den  unter  dem  Vorgänger  Auitzotfs  unter  König  Ticoc,  als 
letztes  Stück  der  grosse  quauhxicalli- Stein  gearbeitet  worden  war,  feierlich 
einweihte.  Das  Zeichen  „Sieben  Rohr",  das  in  Fig.  46  über  dem  Gras- 
ballen steht,  sah  Ramirez  als  den  Namen  des  Tages  an,  an  welchem  diese 
Einweihung;  stattfand. 


Fig.  47.     Chicuei  acatl  „acht  Rohr''  =  A.  D.  1487,  das  Jahr  der  Einweihung    des  grossen 
Tempels  in  Mexiko  und  die  Könige  Tigoc  und  Auitzotl,  sich  sakriiizierend. 

Der  ersten  Erklärung  wird  man  sich  ohne  Bedenken  anschliessen  können. 
In  bezng  auf  die  Deutung  des  kleinen,  aber  dem  «H  rasballen  stehenden 
Datums  „Sieben  Rohr"  möchte  ich  bemerken,  dass  nach  Chimalpain  diese 
Einweihungsfeier  [am  Tage  naui  acatl  „vier  Rohr"  stattfand,  und  dass 
demnach  «las  Datum  „Sieben  Rohr"  vielleicht  auch  «las  Jahr  1447  der 
christlichen  Zeitrechnung  bezeichnen  könnte,  «las  der  Regierungszeit  des 
älteren  Motecuhcoma  angehört,  und  dass  damit  vielleicht  der  Beginn  des 
Neubaus  des  grossen  Tempels  gemeint  sein   könnte. 


II.    Verhandlungen. 


Sitzung  vom  19.  März  1904. 

Vorsitzender:    Hr.  Lissauer. 

(1)  Hr.  Professor  J.  Kollmann  in  Basel,  unser  verehrtes  kor- 
respondierendes Mitglied,  hat  am  24.  Februar  seinen  70.  Geburtstag  ge- 
feiert. Der  Vorstand  hat  ihm  im  Namen  unserer  Gesellschaft  die  herz- 
lichsten Glückwünsche  ausgesprochen  und  der  Jubilar  dafür  in  warmen 
Worten  gedankt.  — 

(2)  Hr.  Salomon  Rein  ach  dankt  in  dem  folgenden  Schreiben  aus 
Paris  vom  24.  Februar  1904  für  die  Ernennung  zum  korrespondierenden 
Mitgliede: 

Messieurs, 
Je  suis  tres  sensible  ä  l'honneur  que  m'a  fait  la  Societe  d'anthro- 
pologie  de  Berlin  en  nie  conferant  le  titre  de  correspondant  et  je  la 
prie  d'agreer  Texpression  de  nies  sentiments  de  gratitude.  Fidele  lecteur, 
depuis  vingt  ans,  de  la  Zeitschrift  et  des  Verhandlungen,  je  suis  heureux 
d'etre  uni  a  une  Societe  qui  a  taut  fait  pour  le  progres  des  idees 
scientifiques  et  raffranchissement  methodique  de  la  pensee. 

Veuillez  agreer,  Messieurs,  mes  compliments  empresses  de  nonveau 
collegue 

Salomon  Reinach, 

Membre  de  Hnstitut 

Conservateur  du  Musee  de  Saint  Germain. 

(ii)    Als  neue   Mitglieder  sind  gemeldet: 
Hr.  Dr.  ( I  räbner  in   Berlin, 
Frau   Syndikus  Franka   .Minden. 
Hr.  Dr.  Maren,  Grnnewald-Berlin. 

(4)  Unser  Mitglied  Er.  Dr.  Kieszling  hat  sich  im  Auftrage  des 
Deutschen  archäologischen  Instituts  nach  Griechenland  begeben,  um  sich 
dort  geographischen  und  anthropologischen   Untersuchungen  zu  widmen.  — 

(5)  Als  (iäste  werden  begrüsst:  die  lltiicn  Professoren:  Branco, 
Wahnschaffe,  Keilhack,  Jentzsch,  Reuleaux,  W.  Hartmann. 
Baumeister  Kampfmeyer  und  Dr.  Stremme.   — 

in* 


—     292     — 

(6)  Das  Organisationskomitee  des  VI.  Internationalen  Zoologen- 
kongresses, welcher  vom  14. — 19.  August  d.  J.  in  Bern  tagen  wird,  ladet 
die  Mitglieder  unserer  Gesellschaft  zur  Teilnahme  ein.  Der  Preis  der 
Mitgliedskarte  ist  auf  20  Mk.  festgesetzt  und  an  Hrn.  Eugen  v.  Büren 
et  Cie.  in  Bern  zu  senden,  alle  Anfragen  und  Anmeldungen  dagegen  sind 
„an  den  Präsidenten  des  Kongresses"  in  Bern,  Naturhistorisches  Museum, 
Waisenhausstrasse  zu  richten. 

Die  76.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Ärzte  wird  vom 
18. — 24.  September  d.  J.  in  Breslau  tagen  und  wiederum  eine  Abteilung 
für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  bilden,  deren  Schrift- 
führer Hr.  Dr.  Lustig  ist,  während  die  Herren  Grempler,  Thilenius  und 
Seger  die  Einführung  übernehmen  werden.  Anmeldungen  zu  Vorträgen 
und  Demonstrationen  werden  an  Hrn.  Direktor  Dr.  Seger  erbeten. 

Eine  Anzahl  hervorragender  Männer  fordert  durch  einen  Aufruf  zur 
Gründuug  eines  Bundes  „Heimatschutz"  auf,  dessen  konstituierende  Ver- 
sammlung am  30.  März  in  Dresden  stattfinden  soll.  Vorläufiger  Geschäfts- 
führer ist  unser  Mitglied  Hr.  Robert  Mielke  in  Charlottenburg. 

(7)  Auf  Anregung  des  Hrn.  Oesten  hat  sich  eine  Kommission  ge- 
bildet, um  die  Stätte  des  alten  Rethra  in  Mecklenburg-Strelitz  aufzusuchen. 
Unsere  Anthropologische  Gesellschaft  hatte  sich  bereits  im  Jahre  1880 
bis  1883  lebhaft  mit  dieser  Frage  beschäftigt,  aber  nirgends  gründliche 
Ausgrabungen  veranstaltet.  Hr.  Oesten  weist  nun  nach,  dass  der  Wasser- 
stand in  den  Seen,  in  welchen  die  Stätte  des  wendischen  Heiligtums  nur 
gesucht  werden  kann,  sich  seit  der  Wendenzeit  sehr  gehoben  hat  und 
daher  erfolgreiche  Forschungen  nur  durch  Baggerung  oder  Untersuchung 
mit  dem  Visitiereisen  zu  erzielen  sein  dürften.  Diesen  Gesichtspunkt  er- 
kannte die  obige  Kommission,  welche  sich  am  6.  März  d.  J.  in  Neu- 
brandenburg als  Rethra-Kommission  konstituiert  hat,  als  berechtigt  an 
und  beschloss  demgemäss,  die  Untersuchungen  zunächst  bei  Neubranden- 
burg an  der  Lieps  und  zwar  auf  dem  Hanfwerder  zu  beginnen.  Leitung 
und  Beaufsichtigung  der  Arbeiten  wurde  den  Herren  Oesten-Berlin  und 
Schlosser-Neubrandenburg  übertragen  und  die  Kosten  auf  den  für  diese 
Vorarbeiten  bewilligten  Beitrag  der  Rudolf  Vircho  w-Stiftung  angewiesen. 
Die  Kommission  besteht  aus  den  Herren:  Beltz-Schwerin,  v.  Buchwald- 
Neustrelitz,  E.  Krause-Berlin,  Lissauer-Berlin,  A.Meyer-Berlin,  Mieck- 
Prenzlau,  Oesten-Berlin,  Schlosser-Neubrandenburg,  Voss-Berlin.  — 
Vorsitzender  der  Kommission  ist  Hr.  Voss,  Schriftführer  Hr.  Oesten, 
Organ  derselben  die  Zeitschrift  für  Ethnologie.  — 

(-S)  Hr.  Rösler  in  Tifiis  berichtet  in  einem  Schreiben  vom  29.  Januar 
über 

die  Aufdeckung  einer  alten  Nekropole  in  Baku. 

In  der  Stadt  Baku  ist  vor  kurzem  eine  Entdeckung  gemacht  worden, 
die  für  die  Archäologie  Transkaukasiens  vermutlich  von  besonderer  Be- 
deutung sein  wird.  Ich  kann  darüber  folgende,  der  offiziösen  Zeitung 
„Kawkas"  entnommene  Mitteilungen  machen: 


—    293    — 

„Nahe  der  russischen  neuen  Kathedrale  stiess  111:111  bei  Vornahme  von 
Erdarbeiten  auf  eine  unterirdische  vorhistorische  Begräbnisstätte.  In  einer 
Tiefe  von  einigen  Faden  wurden  mächtig«'  Felsplatten  blossgelegt,  nach 
deren  Entfernung  ein  schachtartiger,  treppenloser,  aus  Stein  gemauerter 
Eingang  zum  Vorschein  kam.  Dieser  führte  senkrecht  5—6  Faden  in  das 
Innere  der  Erde.  Unten  befanden  sich  an  zwei  Seiten  des  Schachtes 
(Nord  und  Süd)  geräumige  ausgemauerte  Gewölbe,  die  eine  Höhe  von 
zwei  Faden  hatten.  In  diesen  Katakomben  waren  viele  höhlenartige  Wand- 
nischen angebracht  zur  Aufnahme  von  menschlichen  Überresten.  Ferner 
lagen  auf  dem  Boden  der  Räume  in  zwei  Reihen  gegen  ein  Dutzend 
zerfallener  Skelette,  bei  denen  Reste  hölzerner  Särge  vorgefunden 
wurden.  Die  Bestatteten  waren  mit  dem  Gesicht  nach  Osten  gewandt. 
Die  Erde  war  mit  Urnenscherben  und  Eisenschlacken  durchsetzt.  Bei 
weiterem  Aufgraben  des  Bodens  auch  an  anderen  Stellen  zeigte  es  sich, 
dass  der  ganze  Platz  dereinst  ein  grosses  Grabfeld  gewesen  war,  denn 
überall  grub  man  in  jener  Tiefe  Denkmäler  und  Sarkophage  auf.  Die 
Steinsärge  trugen  merkwürdige  Zeichen  in  der  Art  flammender  Kerzen 
und  Fackeln  und  dazu  Keilinschriften.  Die  Gräber  scheinen  keinem 
christlichen  oder  islamitischen  Volke  angehört  zu  haben,  da  weder  Kreuze 
noch  arabische  Schriftzeichen  auf  den  Denksteinen  vorkommen.  Wie  alt 
diese  Überbleibsel  menschlicher  Kultur  sein  müssen,  erhellt  schon  aus  der 
bedeutenden  Tiefe,  in  der  sie  sich  befinden,  wenn  man  in  Betracht  zieht, 
dass  die  oberhalb  liegenden  Schichten  der  geologischen  Formationen 
sämtlich  Schwemmland  sind,  was  sich  an  den  Parallelschichten  leicht  er- 
kennen lässt.  Der  Gouverneur  von  Baku  hat  nach  Besichtigung  der  Fund- 
stätte einstweilen  deren  strenge  Bewachung  angeordnet  und  zugleich  die 
kaiserlich  archäologische  Kommission  in  St.  Petersburg  entsprechend  be- 
nachrichtigt mit  dem  Ansuchen,  Sachverständige  au  Ort  und  Stelle  zu 
entsenden,  um  eine  sorgfältige  Untersuchung  vorzunehmen." 

Zu  den  vorstehenden  Zeitungsnotizen  bemerke  ich  noch:  Sollte  es 
sich  wirklich  um  Epitaphe  in  Keilschrift  und  um  Feuerkult-Ornament  auf 
den  Grabsteinen  handeln,  so  läge  ja  die  Möglichkeit  nahe,  anzunehmen, 
dass  die  Nekropole  aus  der  Zeit  der  zoroastrischen  Lranier,  der  Bewohner 
des  alten  Landstrichs  Atropatene,  stammt.  — 

(!>)  Hr.  Karl  von  den  Steinen  macht  Mitteilungen  aus  den  Be- 
richten des  Hrn.  Dr.  Theodor  Koch,  der  im  Auftrage  des  Kgl.  Museums 
für  Völkerkunde  und  mit  Unterstützung  des  Ethnologischen   Hilfskomitees 

eine  Forschungsreise  nach  Südamerika 

angetreten  hat. 

Hr.  Koch  hat  sich  zunächst  nach  Rlanäos  begeben,  und  ist.  nachdem 
er  dem  Klima  einen  Tribut  entrichtet  harte,  den  Rio  Xegro  aufwärts  ge- 
fahren Ins  /u  seinem  jetzigen  Hauptquartier  in  San  Felippe.  Dies  liegt 
in  der  äusserston  Nordwestecke  von  Brasilien,  wo  Brasilien.  Columbien 
und  Venezuela  znsammenstossen,  kaum  mehr  als  l/t-°  nördlich  des 
Äquators.  Südlich  von  San  Pelippe  mündet  von  rechts  her  der  Rio  Danpes 
ein,  der  namentlich  durch  die   Reise  von  Wallace  bekannt  geworden  ist. 


—     294    — 

Ihm  einigermassen  parallel  fliesst  aus  Nordwest  von  Sau  Felippe  der  Rio 
Icäna  ein,  dessen  rechter  Nebenfluss  Aiary  auf  einer  Strecke  an  den  Uaupes 
ziemlich  nahe  herantritt.  Es  folgen  hier  einige  Auszüge  aus  den  Kochschen 
Berichten  an  das  Museum: 

Abreise  mit  dem  Rio  Negro-Dampfer  von  Manaos  am  1.  Juli  1903. 

Rio  Negro,  8.  Juli  1903.  Am  Nachmittag  des  6.  Juli  kamen  wir  in 
Sa.  Izabel  an,  fuhren  den  anderen  Morgen  weiter  und  befinden  uns  jetzt 
gegenüber  der  schön  geformten  Serra  de  Icami.  Die  Bagage  ist  zum 
Teil  in  grosse  plumpe  Batelöes  übergeladen  worden,  die  sie  über  die 
Schnellen  bringen  sollen.  Sie  haben  einen  Sonnentoldo  und  eine  Art 
Verdeck,  von  dessen  Höhe  aus  etwa  ein  Dutzend  Ruderer  das  Fahrzeug 
mit  langen  Rudern  und  Stangen  lenken.  Einer  dieser  Batelöes  ist  zur 
Seite  unseres  Dampfers  befestigt,  ein  anderer  und  zwei  grosse  Kanus 
werden  hinten  nachgeschleppt.  Die  Besatzung  besteht  aus  Baniwa  und 
Uerekena  vom  Rio  Icäna.  Ich  begann  gestern  von  letzteren  die  Sprache 
aufzunehmen  und  erhielt  bereits  mit  Hülfe  ihres  „Paträo"  etwa  100  Wörter 
für  menschliche  Körperteile.  Es  ist  ein  reiner  Nu-Aruak-Dialekt  und  am 
nächsten  verwandt  mit  Bare  und  Baniwa,  von  denen  es  jedoch  in  vielen 
Wörtern  gänzlich  abweicht.  Am  besten  stimmt  die  Aufnahme  überein 
mit  dem  „Baniwa"  von  Rio  Isanna  von  Wallace  (bei  Martins:  Bei- 
träge usw.,  Bd.  II,  S.  262/263).  Vollendete  heute  mein  Baniwa- Vokabular. 
Es  sind  über  600  Wörter  und  33  Sätze,  ausserdem  genaue  zahlreiche  An- 
gaben über  Konjugation  und  Pronominal-Konstruktionen.  —  Auch  das 
Bare -Vokabular  geht  heute  oder  morgen  seinem  Abschluss  entgegen.  Das 
Uerekena-Vokabular  hoffe  ich  in  gleicher  Weise  zu  vervollständigen,  da 
ich  mit  diesen  Indianern  noch  in  den  nächsten  Wochen  auf  der  Reise 
zum  Alto  Rio  Negro-Uaupes  zusammen  sein  werde.  Diese  Aufnahme 
stellt  sich  insofern  schwieriger,  als  die  Leute  fast  kein  Spanisch,  sondern 
nur  Uerekena,  Baniwa  und  Lingoa  geral  verstehen.  Da  helfe  ich  mir  mit 
meinem  Baniwa-Vokabular,  oder  der  Paträo  verdolmetscht  es  ihnen  aus 
dem  Spanischen  in  die  Lingoa  geral.  Die  Fahrt  auf  dem  oberen  Rio 
Negro  ist  herrlich!  Je  weiter  wir  in  die  Serren  hineinkommen,  desto 
frischer  und  gesunder  wird  die  Luft.  Welch  ein  Unterschied  zwischen 
dem  Klima  hier  und  in  Manaos! 

Rio  Negro,  9.  Juli.  Wir  passierten  gestern  und  heute  morgen  mehrere 
brausende  Cachoeiras,  die  jedoch  jetzt  bei  dem  hohen  Wasserstand  leicht 
zu  durchfahren  sind:  Massaraby,  Tun  und  heute  Juanabäna.  Die  Gegend 
wird  immer  reizvoller,  zumal  auch  die  Ufer  jetzt  dichter  zusammenrücken. 
Vor  uns  im  Westen  erstrecken  sich  die  blauen  Höhenzüge  der  Serra  de 
Curicuriari,  mehrere  Kuppen  steil  abfallend  und  spitz,  wie  Zuckerhüte. 
Konnte  heute  mein  Bare -Vokabular  vollenden;  es  ist  ebenso  gross  wie  das 
Baniwa-Vokabular.  Es  kostete  grosse  Anstrengungen,  den  Indianern  die 
Konjugation  und  Pronominal-Konstruktion  (z.  B.  „mein  Kopf,  dein  Kopf» 
sein  Kopf"  usw.)  klar  zu  machen,  besonders  die  zweite  Person  Pluralis 
(euere  Köpfe);  endlich  kapierten  sie,  was  ich  wollte,  und  von  da  an  ging 
es  flott  vorwärts.  -  Auch  mit  den  Uerekena  oder  Uareköna  bin  ich  mit 
etwa  100  Vokabeln    weiter    gekommen.     Ich    hoffe,    sie    noch    am    oberen 


—     295    — 

[cäna  in  wildem  Zustand  kennen  zu  Lernen,  da  ich  vielleicht  dorthin 
einen  Abstecher  mache.  Als  echte  Nu-Aruak  nennen  sie  die  Sonne: 
„kämui"  (Bare:  ki;  Bariwa:  asida).  In  St.  Gabriel  and  weiter  oben  werde 
ich  auch  den  Stamm  der  ...Maku"  (Macüs)  kennen  lernen,  vielleicht  Ka- 
raiben.  (Die  Uitoto  nannten  sich  nach  Crevaux  selbst  „Makuschi" 
[Maconchi]).  Es  ist  ein  weitverbreitetes  Volk,  das  von  den  übrigen 
Stämmen  verachtet  und  vertrieben  wird.  Auch  am  oberen  Rio  Branco 
sollen  sie  vorkommen  (nicht  die  Makusi,  .Maknschi  von  Britisch  Guyana). 
Die  Uitoto,  die  angeblich  am  oberen  Üaupes-Codiari  —  ebenso  wie  die 
kaiiyona  —  zu  treuen  sind,  seilen  von  den  colombianischen  Seringueiros 
arg  dezimiert  sein.  —  Die  Kariyona  arbeiten  in  den  Seringales.  Am 
oberen  Rio  Tiquie*  wurde  mir  ein  Anthropophagen-Stamm  „Parä"  an- 
gegeben. 

San  Feli|»|)e,  28.  August  190H.  Am  10.  Juli  kamen  wir  in  Trinidade 
an,  dem  Endpunkt  der  Dampferfahrt.  Vom  10.  bis  23.  Juli  lag  ich  dort 
fest.  Ich  konnte  selbst  für  gutes  Geld  kein  Boot  und  keine  Leute  be- 
kommen, zumal  damals  gerade  die  „Heiligenfeste"  begannen,  trotz  des 
christlichen  Mäntelchens  eine  echt  heidnische  Komödie  der  vom  Caehaca 
arg  korrumpierten  Caboclobevölkerung.  —  Zum  Glück  konnte  ich  diese 
unfreiwillige  Wartezeit  sehr  nutzbringend  verwenden.  Ich  photographierte 
einige  Bare  vom  Cariquiare,  ebenso  wie  einige  sogenannte  „Baniwa"  vom 
Guaini'a  (oberen  Rio  Negro)  und  Hess  mir  von  ihnen  ein  halbes  Skizzen- 
buch mit  interessanten  Handzeichnungen  füllen.  Ausserdem  photographierte 
ich  einen  Araiina  vom  Rio  Beni  (Madeira),  der  leider  seine  Sprache  ver- 
gessen hatte,  und  Angehörige  der  Stämme  Uanäna  (Rio  Caiary)  und  Maku 
(Zuflüsse  des  oberen  Rio  Xegro  zur  Rechten).  Von  den  beiden  letzteren 
Stämmen  gelang  es  mir  auch,  umfangreiche  Vokabularien  aufzunehmen. 
Beide  Sprachen  waren  bisher  völlig  unbekannt.  Die  Uanäna  widmen  am 
oberen  Rio  üaupes  oder  Rio  Caiary,  wie  er  hier  fast  allgemein  genannt 
wird,  ungefähr  zwischen  den  Cachoeiras  Carurü  und  Yutica  (vgl.  die 
Ooudreausche  Karte:  Cliutes  du  Rio  üaupes),  und  sind  noch  sehr  wenig 
von  europäischem  Einfluss  berührt.  Die  Sprache  ist  am  nächsten  ver- 
wandt mit  dem  Tukano  des  unteren  Rio  üaupes  und  dem  Kobewa  des 
Rio  Guduyary  (Xebenrluss  des  Rio  Caiary-Uaupes  zur  Linken).  („Cohens" 
bei  Wallare:  Xarrative  of  travels  on  the  Amazon  and  Rio  Xegro,  London. 
L853,  ]>.  ö0!>;  zu  Tukano  vgl.  auch  H.  A.  Coudreau:  La  France  equi- 
noxiale,  Bd.  II,  und  Franz  Pfaff:  Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft 
für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte,  Jahrg.  1890,  S.  603  ff.). 
Mit  dem  Kobewa  oder  Kobeua  des  Kio  Cuduyary  verbinden  das  Uanäna 
sowohl  wie  das  Tukano  nur  wenige  Anklänge. 

In  dem  Maku,  von  dem  ich  ein  Wörterverzeichnis  nahe  der  Mündung 
des  Rio  Curicuriari  aufnahm,  fand  ich  zu  meiner  grossen  Freude  eine 
ganz  neue  Sprache,  die  —  meines  Wissens  in  Südamerika  ohne  jede 
Verwandtschaft  dasteht  und  sehr  primitiv  zu  sein  scheint  Die  Maku  sind 
ein  grosser  Stamm  von  riesiger  Ausdehnung,  der  anscheinend  in  eine 
Menge  Subtribus  zerfällt,  die  verschiedene  Dialekte  sprechen.  Sie  wohnen 
auf  dem  reohten  Ufer  des  Rio  Xegro  und  wurden  mir  angegeben   an   den 


-     296     — 

Nebenflüssen:  Jurubaxy,  Marie,  Curicuriari,  Tiquie  (Nebenfluss  des  Uaupes 
zur  Rechten),  Uaupes  und  Papuri  (Nebenfluss  des  letzteren  zur  Rechten). 
Ihr  Hauptzentrum  scheint  der  Rio  Curicuriari  zu  sein,  ein  ansehnlicher 
Nebenfluss  des  Rio  Negro  zur  Rechten,  der  in  der  Nähe  des  Rio  Uaupes 
entspringt,  westöstlich  etwa  parallel  dem  Hauptstrom  fliesst  und  etwas 
unterhalb  Triuidade  mündet. 

Das  oben  angegebene  Gesamtgebiet  der  Makü,  soweit  ich  es  bis  jetzt 
erfahren  konnte,  erstreckt  sich  über  fünf  Grade  westl.  Länge  von  Paris 
(nach  der  Coudreauschen  Hauptkarte  etwa  von  68°  bis  73°),  doch 
scheinen  sie  bis  zum  oberen  Yapurä  zu  reichen.  Es  sind  echte  Wald- 
indianer (Indios  do  Matto),  die  von  den  anderen  Stämmen  verachtet  und 
öfters  attackiert  werden,  diesen  als  Sklaven  in  der  Feldarbeit  dienen  und 
von  ihnen  wie  Haustiere  verhandelt  werden.  Ein  Maküjimge  gilt  eine 
Flinte  und  weniger.  Die  Makü  haben  Bogen  mit  verschiedenen  Sorten 
Pfeilen,  darunter,  wenn  ich  nicht  irre,  Giftpfeilen  mit  Taquara-Spitzen. 
Blasrohre  mit  Gaftpfeilchen  und  Keulen,  die  Stämme  des  Inneren  auch 
noch  Steinbeile.  Bisher  gelang  es  mir,  von  einem  älteren  Makü  vom 
unteren  Curicuriari,  zwei  jungen  Weibern  und  einigen  Kindern  von  Tiquie 
gute  photographische  Aufnahmen  zu  machen. 

Die  Sprache  ist  sehr  undeutlich,  die  Wörter  werden  zum  Teil  kurz 
abgehackt  gesprochen,  wohl  auch  infolge  der  vielen  Konsonanten- 
Endungeu. 

Ich  fahre  nun  in  meinem  Reisebericht  fort: 

Am  23.  Juli  konnte  ich  endlich  in  einem  Bateiao,  den  mir  der  Super- 
intendente  von  Säo  Gabriel  geschickt  hatte,  von  Triuidade  abfahren,  doch 
musste  ich  ihn  bereits  am  25.  Juli  oberhalb  Camanäos  mit  meinem  ganzen 
Gepäck  verlassen,  da  er  in  den  Cachoeiras  ein  starkes  Leck  bekommen 
hatte  und  ich  bei  einer  Reise  durch  die  sehr  gefährlichen  Cachoeiras 
weiter  oberhalb  nicht  die  ganze  Expedition  auf  das  Spiel  setzen  wTollte. 
So  lag  ich  nun  hier  wiederum  fest,  vierzehn  lange  Tage,  in  einem  elenden, 
nach  allen  Seiten  offenen  Indianerschuppen,  der  gegen  die  jeden  Tag  und 
fast  jede  Nacht  niedergehenden  schweren  Wetter  mit  Sturm  nur  ganz  un- 
genügenden Schutz  gewährte.  Der  Führer  der  nach  Säo  Gabriel  zurück- 
gesandten lecken  Bateläo,  der  in  wenigen  Tagen  mit  einem  neuen  Boot 
mich  abholen  wollte,  hielt  sein  Versprechen  nicht,  und  so  war  ich  denn 
gezwungen,  am  6.  August  im  Kanu  zum  Subprefecto  unterhalb  Camanäos 
zu  fahren  und  ihn  auf  Grund  meiner  Empfehlungen  vom  Gobernador  des 
Staates  Amazonas  um  ein  grösseres  Boot  zu  ersuchen,  was  ich  auch  nacli 
Überwindung  anderer  Schwierigkeiten  erhielt. 

.Mit  leichter  Bagage,  die  genau  für  die  voraussichtlich  vier  Monate 
währende  Heise  nach  dem  oberen  Icäna  berechnet  ist,  fuhr  ich  endlich 
am  8.  August  ab  und  gelangte  nach  glücklicher  Überwindung  zahlreicher, 
zum  Teil  sehr  gefährlicher  Cachoeiras  nach  dem  „Städtchen"  Säo  Gabriel, 
das  nach  der  Co u d reauschen  Karte  unmittelbar  ;iuf  dem  Äquator  liegt, 
nach  Stradelli  etwas  unterhalb  der  Linie.  —  Säo  Gabriel  ist  ein 
erbärmliches  Nest  fast  ohne  Einwohner;  die  Häuser  sind  zum  grossen 
Teil   verlassen   und    liegen   in  Ruinen;  die  wenigen  Bewohner  haben  selbst 


—     297     — 

nichts  zu  essen;  hier  herrscht  das  umgekehrte  Verhältnis  wie  gewöhnlich: 
die  Einwohnerschaft  nährt  nicht  die  Durchreisenden,  sondern  wartet,  bis 
diese  ihnen  Lebensmittel  bringen.  Doch  —  Sau  Gabriel  ist  der  Sit/,  der 
Regierung,  eines  Superintendenten  mit  einer  Leibwache  von  fünf  Polizei- 
soldaten und  eines  Prüfokteii,  der  jedoch  jetzt  nicht  anwesend  i-t  und  von 
dem  Subprefecto  unterhalb  Camanäos  vertreten  wird.  Die  Umgebung  des 
Städtchens  ist  sehr  reizvoll:  dicht  dabei  erhebt  sich  eine  steile  Anhöhe, 
eigentlich  ein  einziger  riesiger  Felsblock,  der  von  den  Ruinen  einer 
Festung  aus  alter,  besserer  Zeit  gekrönt  wird.  Die,  wie  das  Innen',  von 
äppiger  Vegetation  überwucherten  Umfassungsmauern  sind  in  unregel- 
mässigem  Fünfeck  angelegt  und  noch  bis  zu  den  Schiessscharten  wohl  er- 
halten. Im  Innenraum,  vom  Gestrüpp  halb  versteckt,  liefen  an  mehreren 
Stellen  alte,  plumpe,  eiserne  Kanonenrohre,  zum  Teil  vom  Rost  zerfressen 
und  zerbrochen,  umher,  die  anscheinend  aus  dem  Ende  des  17.  oder  An- 
fang- des  1<S.  .Jahrhunderts  stammen,  zu  welcher  Zeit  hier  eine  portugiesische 
Kolonie  bestand. 

Die  „Fortaleza"  muss  früher  ein  strategischer  Punkt  erster  Ordnung 
gewesen  sein;  nach  allen  Seiten  beherrscht  sie,  an  einer  scharfen  Volte 
des  Flusses  gelegen,  weithin  die  Umgegend. 

Die  Aussicht  von  der  Höhe  ist  wundervoll:  Im  Osten,  jetzt  in  weiter 
Ferne  verschleiert,  erblickt  man  die  schroffen  Abfälle  der  Serra  de  Curi- 
curiari;  im  Westen  hebt  sich  das  sphinxähnlich  geformte  Cabari-Gebirge 
scharf  vom  Horizont  ab.  Dahinter  erkennt  man  andere  Höhenzüge  — 
Serren  des  Uaupes  — ,  am  Fuss  des  Felsens  liegen  zerstreut  die  hellen 
Häuschen  von  Säo  Gabriel,  braune  Palmstrohhütten  auf  den  zahlreichen 
Inseln  im  Strom;  weit  unten  braust  in  gewaltigem  Absturz  und  riesigem 
Wogenschwall  die  Cachoeira  da  Fortaleza,  die  bedeutendste  und  gefähr- 
lichste der  Stromschnellen  des  Rio  Negro;  dazu  herrscht  hier  oben  trotz 
der  Hitze  des  Äquators  eine  reine  gesunde  Gebirgsluft!  —  In  allem  ein 
herrliches  Bild,  eine  herrliche  Gegend! 

Am  18.  August  brachte  mich  ein  Boot  des  Superintendenten  glücklich 
durch  die  letzten  Stromschnellen  des  Rio  Negro  nach  der  Populacaö  Saö 
Pelippe,-  dem  Sitio  des  Don  Germano  Garrido  y  Otero,  wo  ich  am 
22.  August  ankam  und  in  dem  gastfreien  Haus  des  Besitzers,  eines  leb- 
haften älteren  Herrn,  der  eine  für  hiesige  Verhältnisse  staunenswerte 
Bildung  besitzt,  die  liebenswürdigste  Aufnahme  fand.  Saö  Pelippe,  etwas 
unterhalb  der  Mündung  des  Rio  Ieana  gelegen,  bildet  eine  wohltätige 
Ausnahme  in  den  verlotterten  Zuständen  des  Rio  Negro.  Don  Germano, 
ein  geborener  Spanier,  hält  unter  seinen  Leuten.  Banfwa-Indianer  vom 
Rio  Icana,  vortreffliche  Disziplin  und  kann  als  der  Herr  in  diesem  Gebiet 
gelten,  ohne  dessen  Zustimmung  und  Unterstützung  ein  Findringen  in  den 
[cana  und  seine  Nebenflüsse  unmöglich  ist.  [ch  traf  es  insofern  günstig, 
als  in  den  nächsten  Tagen  (den  ersten  Tagen  des  September)  der  eine 
Sohn  Don  (iermanos  mit  einem  grösseren  Boot  den  [cana  aufwärts  fährt 
und  ich  diese  Gelegenheit  benutzen  kann,  um  bis  zum  Beginn  der  Strom- 
schnellen (bis  zur  ersten  CachoeiraTonohy)  zu  gelangen,  wo  ich  mir  hoffentlich 
Kanus  kauten  und  Ruderer  engagieren  kann,  tue  mich  in  die  Nebenflüsse  und 


—     298     — 

weiter  hinauf  in  die  Cabeceiras  bringen.  Ich  wählte  den  Icäna  deshalb 
zum  Ausgang  meiner  Operationen  am  oberen  Rio  Negro,  weil  an  ihm 
seit  alten  Zeiten  eine  ganze  Reihe  Nu-Aruakstämme  sitzt,  die  ihre  eigen- 
artige Kultur,  ihre  Sitten  und  Gebräuche  treu  bewahrt  hat.  Was  ich  bis 
jetzt  von  Erzeugnissen  ihrer  in  den  alten  Nu-Aruak-Mustern  reich  orna- 
mentierten Keramik  gesehen  habe,  hat  mich  entzückt,  und  hoffe  ich,  von 
dieser  Reise  mit  reicher  Ausbeute  zurückzukehren. 

Der  letzte  Bericht  ist  datiert  von  San  Felippe  1.  Februar  1904. 

Am  28.  September  1903  brach  ich  mit  meinem  deutsch-brasilianischen 
Diener  von  Saö  Felippe  auf  und  verfolgte  mit  Hülfe  der  Indianer  den 
Rio  Icäna  und  seinen  bedeutendsten  rechten  Nebenfiuss  Rio  Aiary,  bis 
in  dessen  Cabeceiras  zur  gewaltigen  Yakare-Cachoeira,  einem  Salto  in 
zwei  Abstürzen  von  über  10  m  Höhe,  der  zugleich  die  Grenze  des  be- 
wohnten Gebietes  bildet. 

Die  Indianerstämme  des  Rio  Aiary:  Oaliperidäkeni,  Huhüteni 
und  Kobeua  traf  ich  noch  sehr  wenig  berührt  von  europäischem  Einfluss 
und  in  ursprünglicher  Ausübung  ihrer  alten  Sitten  und  Gebräuche,  und 
konnte  bei  einem  drei  Monate  währenden,  freundschaftlichen  Verkehr  mit 
ihnen  zahlreiche  interessante  Beobachtungen  über  ihr  Leben  und  ihre  An- 
schauungen gewinnen. 

Tom  oberen  Aiary  unternahm  ich,  während  ich  meinen  Deutsch- 
brasilianer mit  der  Bagage  einstweilen  flussabwärts  schickte,  mit  einigen 
Indianern  eine  Überlandtour  zum  Rio  Caiary-Uaupes,  der  hier  sehr 
nahe  an  das  Flussgebiet  des  Icäna  herantritt,  und  hielt  mich  etwa  acht 
Tage  in  den  grossen  Malokas  des  noch  unerforschten  Stammes  der  Uanfina 
auf.  Mit  Hülfe  dieser  Indianer  durchfuhr  ich  dann  flussabwärts  eine 
ganze  Anzahl  zum  Teil  sehr  schlimmer  Cachoeiras  des  Uaupes,  so  die  von 
Yacare,  Tapira-ierao,  Iacamy,  Matapy,  Uainamby,  Tuy,  Jandü, 
umging  die  wütende  Carurü-Cachoeira  über  Land  —  der  Uaupes  be- 
steht grösstenteils  sozusagen  aus  einer  fortgesetzten  Cachoeira  — ,  und 
kehrte  auf  einem  anderen  Indianerpfade,  der  unterhalb  der  Carurü- 
Cachoeira  seinen  Ausgang  hat,  zum  Aiary  zurück. 

Am  22.  Dezember  1903  trat  ich  die  Rückreise  an  und  gelangte  am 
8.  Januar  1904  wieder  wohlbehalten  nach  Saö  Felippe. 

Was  nun  die  greifbaren  Ergebnisse  dieser  meiner  ersten  Reise  betrifft, 
so  gelang  es  mir,  ausser  mehreren  hundert  grösstenteils  wohlgelungenen 
Photographien  von  Typen,  Szenen  und  Landschaften,  sowie  umfangreichen 
Vokabularien  der  Idiome  aller  von  mir  besuchten  Stämme:  Katapolitani, 
Oaliperidäkeni,  Kumätaminanoi,  Kobeua  und  Uanfina,  die  sämtlich 
bisher  unbekannt  waren,  eine  Sammlung  von  etwa  500  Gegenständen  des 
indianischen  Lebens,  darunter  über  100  schön  gemusterte  Töpfe,  Schalen 
und  Körbe,  Erzeugnisse  der  hochentwickelten  Keramik  und  Flechtkunst 
der  Icäna-Indianer,  und  über  30  Maskenanzüge  der  Kobeua  zu  erwerben, 
die  aus  weichgeklopftem  Baumbaststoff  höchst  originell  verfertigt  und  mit 
bunten  Mustern  bemalt  Tiere  und  Geister  darstellen. 

Ich  wohnte  in  den  grossen  Malokas  der  Kobeua  zwei  Maskentanzfesten 
bei,   konnte  die   meisten    dieser  Tänze    photographieren    und    ihre    tiefere 


—    299     — 

Bedeutung  genauer  feststelle!),  die  «1er  Forscher  bei  einem  flüchtigen 
Aufenthalt  nur  zu  leicht  verkennt.  --  Diese  Kobena  sind  vor  Zeiten  vom 
nahen  Caiary-Uaupes  zum  Mary  eingewandert,  An  den  oberen  linken 
Nebenflüssen  des  Uaupes:  Rio  Querary  und  Rio  Cuduiary  verharrt 
nocli  jetzt  die  Hauptmasse  dieses  grossen  Stammes  in  ihren  alten  Sitten 
und  Gebräuchen,  unter  denen  die  Maskentänze  und  ein  gewisser  Endo- 
Kaunibalisinus  —  sie  sollen  die  pulverisierten  Gebeine  ihrer  verstorbenen 
Angehörigen  im  Kaschiri  zu  sieh  nehmen  —  wohl  die  interessantesten 
sind.  Auch  andere  Stämme  des  Uaupes,  so  die  Arapäso.  hätten,  me 
mir  erzählt  wurde,  .Maskentänze,  so  dass  die  Ausbeute  meiner  bevor- 
stehenden   l'aupesreise  eine  reichliche  zu  werden   verspricht. 

Die  Sammlung  habe  ich  hier  in  Sau  Pelippe  in  17  grosse  Kisten  und 
Ballen  verpackt  und  hoffe,  sie  schon  in  den  nächsten  Tagen  nach  Manäos 
schicken  zu  können,  so  dass  sie  etwa  im  April  d.  J,  an  das  Museum  ge- 
langt. Bei  der  Verpackung  habe  ich  die  möglichste  Sorgfalt  angewandt 
und  hoffe,  dass  alles  in  gutem  Zustand  ankommt, 

Morgen  (2.  Februar)  gedenke  ich  mich  zum  Rio  Curicuriary  zu 
begeben,  einem  noch  unerforschten  Xebenfluss  des  Rio  Negro  zur  Rechten, 
um  dort  den  primitiven  Stamm  der  Makü  („indios  do  matto")  näher  kennen 
zu  lernen,  von  deren  Sprache  (s.  oben)  ich  bereits  im  vorigen  Jahre  eine 
Wörterliste  aufnehmen  konnte.  Ich  rechne  auf  diese  Reise  172  bis 
2  Monate,  so  dass  vor  Mai  11)04  keine  weitere  Nachricht  von  mir  nach 
Berlin  gelangen  kann. 

(10)    Hr.  Lissauer  legte 

die  Sammlung  der  „Tertiär-Silex"  des  Hrn.  Klaatsch 

mit  folgenden  Worten  vor: 

Ursprünglich  hatte  Hr.  Klaatsch  den  dringenden  AVunsch,  diese 
Sammlung  heute  selbst  Ihrer  Prüfung  zu  unterbreiten;  da  er  aber  durch 
seine  plötzliche  Abreise  nach  Australien  daran  verhindert  worden  ist,  so 
bat  er  mich,  diese  Aufgabe  zu  übernehmen. 

Schon  im  vorigen  Jahre  (Zeitschrift  f.  Ethnol.  1903,  S.  128)  hatte 
Hr.  Klaatsch  einzelne  Stücke  der  Sammlung,  welche  aus  Süd-Frankreich. 
Dep.  Cantal,  herstammten,  hier  vorgezeigt  und  damals  nur  sehr  schüchtern 
und  vorsichtig  den  Ausspruch  gewagt,  dass  durch  dieselben  die  Existenz 
des  Menschen  im  oberen  Miocän  erwiesen  werde.  Allerdings  waren  die 
Stücke  sowohl  quantitativ  wie  qualitativ  nicht  überzeugend.  Seitdem  hat 
Hr.  Klaatsch  nicht  nur  die  südfranzösischen  Fundstätten  in  Cantal  noch- 
mals besucht,  sondern  auch  eine  Fundstätte  auf  dem  Kreideplateau  von 
Kent  und  Sussex  in  Süd-England  bei  Eastburne  am  Beachy  Head  selbst 
aufgesucht  und  eine  grössere  Zahl  der  primitivsten  Manut'akte  dort  ge- 
sammelt, so  dass  er  in  seiner  früheren  Ansicht  nur  mehr  bestärkt  worden 
ist.  In  der  Tat  zeigen  diese  letzteren  viele  retouehierte  Stücke  und  auch 
solche  mit  einer  Spitze  zwischen  zwei  Einbuchtungen,  auf  deren  Be- 
deutung Hr.   E.  Krause  zuerst  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat. 

Beide  Fundstätten  sind  aber  nach  seinem  Bericht  zweifellos  Tertiär- 
schichten, in  Cantal  liegen  sie  unter  einer  Lavadecke  erloschener  Vulkane 


—     300     — 

aus  der  Pliocänzeit,  am  Beachy  Head  ausschliesslich  auf  den  Höhen  des 
Chalkplateaus,  während  auf  den  Hängen  der  erst  später  durch  fluvio- 
glaciale  Erosion  eingeschnittenen  Täler  sich  bereits  paläolithische  Geräte 
vorfinden  und  die  neolithischen  Silexmanufakte  gleichmässig  über  Berg 
und  Tal  verbreitet  sind. 

Ausser  diesen  Momenten  bewog  uns  noch  ein  anderer  Grund,  die 
Sammlung  heute  hier  vorzulegen.  Seit  dem  ersten  Vortrage  des  Hrn. 
Klaatsch  hierselbst  hat  sich  die  Stimmung  der  Gelehrten  weit  sehr  zu 
Gunsten  der  Anerkennung  der  Eolithen  als  Manufakte  geändert  und  von 
dieser  Anerkennung  hängt  ja  in  erster  Reihe  das  Ergebnis  jeder  Prüfung 
der  Tertiär-Silex  ab.  Den  unablässigen  Bemühungen  Seh  wein  furths, 
Rutots,  Klaatschs  und  E.  Krauses  ist  es  zu  verdanken,  dass  die 
Zweifel  an  dem  Manufakt-Charakter  der  Eolithen  immer  mehr  weichen; 
—  einen  grossen  Fortschritt  auf  diesem  Wege  haben  wir  aber  in  den  Be- 
obachtungen und  Versuchen  des  Hrn.  v.  Luschan  in  Ägypten  zu  ver- 
zeichnen, über  welche  er  uns  noch  heute  selbst  berichten  wird. 

Dagegen  sind  gerade  in  der  letzten  Zeit  Bedenken  anderer  Art  auf- 
getaucht. Die  Herren  Ranke  und  Fritsch  haben  mit  Recht  darauf 
hingewiesen,  dass  solche  retouchierte  Silex  zu  den  verschiedensten  Zeiten 
bis  zum  heutigen  Tage  angefertigt  worden  sind  (Korrespondenzblatt  der 
deutschen  anthrop.  Ges.  1903,  S.  137 ff.);  es  hängt  daher  alles  davon  ab, 
ob  die  Stücke  in  primärer  Lage  sich  befanden  und  ungestörten  Schichten 
entnommen  sind.  Das  kann  aber  nur  die  geologische  Untersuchung  an 
Ort  und  Stelle  lehren  und  muss  in  jedem  einzelnen  Falle  festgestellt 
werden. 

Vom  anthropologischen  Standpunkte  steht  ja  nichts  der  Ansicht  im 
Wege,  dass  der  Mensch  oder  seine  Vorfahren  in  der  Tertiärzeit  im  Süden 
Frankreichs  und  Englands  und  auch  in  der  Interglazialzeit  nicht  bloss  am 
Rande  der  Vereisung,  wie  in  Taubach,  Thiede,  Westeregeln  usw.  gelebt 
hat,  sondern  dass  einzelne  Horden  auch  weiter  nördlich  vorgedrungen 
sind,  —  allein  auf  die  blosse  Möglichkeit  kommt  es  hier  nicht  an,  sondern 
auf  den  wirklichen  Xachweis  seiner  Existenz.  Allerdings  können  wir  aus 
solchen  Funden  nicht  auf  seine  körperliche  Beschaffenheit  schliessen; 
allein  sie  lehren  uns  doch  die  erste  Stufe  in  der  Entwickelung  des  „Werk- 
zeuges" kennen.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  gewinnen  diese  Funde 
auch  für  die  Anthropologie  die  grösste  Bedeutung.  Sie  lehren  uns  aber 
nicht  nur,  welches  die  ersten  Werkzeuge  waren,  die  der  Mensch  sich  ver- 
fertigte, sondern  auch,  wie  vielerlei  Arbeiten  damit  ausgeführt  werden 
konnten  und  wie  dadurch  sich  eine  weitere  Differenzierung  und  Ver- 
vollkommnung der  Werkzeuge  herausbilden  musste,  ein  Studium,  mit 
welchem  die  Herren  Seh weinfurtli  und  Krause  sich  besonders  be- 
schäftigt haben. 

Es  sind  also  wesentlich  geologische  und  technische  Gesichtspunkte, 
von  denen  aus  diese  Silex  geprüft  werden  müssen.  Um  nun  eine  ein- 
gehende Prüfung  zu  ermöglichen,  haben  wir  bereits  seit  einer  Woche  eine 
Ausstellung  dieser  Feuersteingeräte  aus  verschiedenen  Sammlungen  ver- 
anstaltet und  unsere  ersten   Fachmänner  eingeladen,  dieselbe  zu  besuchen, 


—     301     - 

um  deren  Urteil  hier  zu  vernehmen.  Hrn.  Eduard  Krause  spreche  ich 
aber  im  Namen  des  Vorstandes  unseren  besten  Dank  aus  für  die  grosse 
Mühewaltung,  der  er  sich  zu  diesem  Zwecke  unterzogen  hat. 

Diskussion. 

Hr.  Keilhack:  Ich  glaube,  wir  dürfen  der  Anthropologischen  Ge- 
sellschaft dankbar  sein,  dass  sie  es  uns  ermöglicht  hat,  diese  verschieden- 
artigen als  Eolithe  gedeuteten  Funde  im  Zusammenhange  zu  prüfen. 
Wenn  ich  nach  dieser  Prüfung  mein  rein  subjektives  Urteil  aussprechen 
soll  über  das,  was  ich  an  zwei  Vormittagen  dieser  Woche  gesehen  habe, 
so  lautet  es  dahin,  dass  ich  fest  überzeugt  bin,  dass  ein  grosser  Teil  der 
von  Hrn.  Prof.  Klaatsch  gesammelten  französischen  Stücke  und  der  aus  der 
Rutotschen  Sammlung  stammenden  belgischen  Stücke  Produkte.  Werk- 
zeuge sind,  die  von  einem  denkenden  Wesen  in  bestimmter  Absicht  er- 
zeugt sind.  Weniger  sicher  sind  mir  die  Funde,  die  ich  von  dem  Plateau 
von  Kent  gesehen  habe,  und  vollkommen  skeptisch  stehe  ich  denjenigen 
Stücken  gegenüber,  die  in  der  Umgegend  von  Berlin,  in  Britz,  Rixdorf 
und  Rüdersdorf  gesammelt  worden  sind.  Ich  kann  die  Funde  von  diesen 
Stellen  nicht  irgendwie  als  beweiskräftig  ansehen.  Dagegen  habe  ich 
noch  heute  die  grosse  Freude  gehabt,  eine  Reihe  von  Sachen  zu  sehen, 
die  ebenfalls  aus  Xorddeutschland  stammen,  und  zwar  aus  der  Magdeburger 
Gegend;  es  sind  das  die  von  Hrn.  Dr.  Hahne  gesammelten  Eolithe. 
Darunter  findet  sich  eine  so  grosse  Zahl  von  Stücken  mit  regelrecht 
orientierter  feiner  Bearbeitung,  dass  man  gar  nicht  zweifelhaft  sein  kann, 
dass  sie  Produkte  menschlicher  Tätigkeit  darstellen. 

Die  zweite  Frage,  um  die  es  sich  hier  handelt,  ist  die  nach  dem 
Alter.  Ich  halte  die  Altersbestimmung  der  Schichten,  aus  denen  die  Funde 
aus  dem  Departement  Cantal  stammen,  noch  nicht  für  erledigt.  Es  heisst 
dass  die  Lavaströme,  welche  diese  Lagerstätte  überdecken  oder  vielmehr 
in  Form  einer  grossen  Scholle,  wenn  ich  recht  verstanden  habe,  ein- 
schliessen,  plioeän  sind.  Indessen  der  Vulkanismus  hat  in  Mitteleuropa, 
z.  B.  in  der  Eitel,  noch  bis  in  die  Lösszeit  hineingespielt:  am  Laacher 
See  finden  wir  Löss  abwechselnd  mit  Bimsstein.  Daher  ist  es  durchaus 
nicht  ausgeschlossen,  dass  der  Vulkanismus  in  diesen  Teilen  Frankreichs 
ebenfalls  bis  in  die  Zeit  des  späteren  Diluviums  hinein  angedauert  hat, 
so  dass  also  die  Überlagerung  durch  eine  Lavadecke  für  die  Sicherstellung 
des  tertiären  Alters  —  wenn  ich  nicht  irre,  wurde  sogar  von  mioeänem 
Alter  gesprochen  —  in  keiner   Weise  ausreicht. 

Dann  wird  angeführt  das  Zusammenvorkommen  der  bearbeiteten 
Feuersteine  mit  einer  mioeänen  oder  altpliocänen  Fauna.  Das  wird  in 
den  meisten  Fällen  wohl  ein  genügendes  Kriterium  sein,  aber  nicht,  wo 
es  sich  wie  hier  um  eine  Sache  von  so  enormer  Wichtigkeit  handelt:  da 
muss  man  sicherere  Kriterien  haben.  Denn  da  die  tertiären  Säugetier- 
reste sieh  in  einer  v<>m  Wasser  abgelagerten  Schicht  finden,  so  ist  von 
vornherein  die  Möglichkeit  nicht  wegzuleugnen,  dass  sie  sich  auf  sekundärer 
Lagerstätte  befinden  und  dass  sie  aus  ihrer  primären,  tatsächlich  tertiären 
Lagerstätte  in  einer    späteren   Zeit    hinweggeführt    und    an    ihrer   jetzigen 


—     302     - 

Stelle  wieder  abgelagert  worden  sind.  Also  für  die  Funde  in  Cantal 
scheint  mir  der  Beweis  des  tertiären  Alters  der  sie  bergenden  Schicht 
nicht  erbracht  zu  sein. 

Wegen  der  Lagerstätte  auf  dem  Plateau  von  Kent  bin  ich  erst  recht 
im  Zweifel.  Denn  der  Umstand,  dass  diese  Funde  sich  beschränken  auf 
eine  Hochfläche  und  dass  sie  in  den  in  sie  eingeschnittenen  Tälern  fehlen, 
bezeugt  meines  Erachtens  noch  nicht  ihr  tertiäres,  alt-plioeänes  Alter. 
In  einer  Frage  von  so  hervorragender  Wichtigkeit  müssen  wir  doch  un- 
bedingt erwarten,  dass  man  uns  das  Alter  in  einer  etwas  sichereren  Weise 
demonstriert,  nämlich  durch  das  Alter  von  Schichten  im  Liegenden  und 
im  Hangenden.  Hier  ist  aber  nur  bekannt,  dass  das  Liegende  von  Kreide- 
schichten gebildet  wird,  während  ein  Hangendes  nicht  bekannt  ist.  Damit 
kann  man  stratigraphisch  nichts  anfangen. 

Über  die  belgischen  Funde  möchte  ich  mich  nicht  äussern,  weil  ich 
mit  diesen  Lagerstätten  nicht  genügend  vertraut  bin  und  diese  Verhältnisse 
noch  nicht  hinreichend  studiert  habe. 

Was  die  in  Deutschland  gemachten  Funde  des  Hrn.  Dr.  Hahne  be- 
trifft, so  ist  hier  das  Alter  der  Lagerstätte  dadurch  sehr  genau  fixiert, 
dass  in  ihrem  Hangenden  sich  der  Löss  mit  seiner  Steinsohle  befindet, 
und  dass  in  ihrem  Liegenden,  unter  den  die  Feuersteinfunde  einschliessenden 
Sanden  eine  Grundmoräne  folgt;  und  wenn  wir  nach  der  jetzt  üblichen 
Anschauung  die  Steinsohle  unter  dem  Löss  und  den  Löss  selbst  als 
Äquivalent  der  Sedimente  der  jüngsten  Eiszeit  betrachten  und  den  darunter 
liegenden  Geschiebemergel  als  Produkt  der  Haupteiszeit,  so  kommen  wir 
zu  dem  Schlüsse,  dass  die  zwischen  beiden  liegende  Schicht  dem  jüngeren 
Interglazial  angehören  würde;  diese  Altersbestimmung  deckt  sich  mit  früheren 
Funden,  gegen  welche  sich  nichts  einwenden  lässt. 

Vom  geologischen  Standpunkt  aus  käme  es  nun  wesentlich  darauf  an, 
zu  erkennen,  ob  in  diesem  Komplex  von  Sanden  und  Schottermassen,  der 
sich  zwischen  zwei  glazialen  Schichten  einschiebt  und  der  selbst  ein  Ab- 
satz von  strömenden  Gewässern  ist,  sich  tatsächlich  eine  alte  Landober- 
fläche befindet  in  der  Weise,  dass  der  untere  Teil  dieses  Schichten- 
komplexes  vielleicht  von  Schmelzwässern  des  sich  zurückziehenden  Inland- 
eises der  Haupteiszeit  abgelagert  worden  ist,  dass  dann  auf  diesen  Sedi- 
menten wührend  einer  Interglazialzeit  die  Kultur  des  damaligen  Menschen 
mit  ihren  ganz  unzweifelhaften  Resten  sich  ausbreiten  konnte,  dass  mit 
dem  Herannahen  der  zweiten  Eiszeit  eine  neue  fluviatile  Sedimentbildung 
stattfand,  welche  diese  Reste  überdeckte  und  dass  darüber  erst  die 
jetzt  verwaschene  Rückstandsdecke  der  Moräne  der  letzten  Eiszeit  sich 
ausbreitete.  Diese  Frage  wird  sich,  wenn  man  erst  eine  grössere  Reihe 
von  Aufschlüssen  hat,  mit  ziemlicher  Sicherheit  entscheiden  lassen.  Wenn 
sich  wirklich  in  diesem  Komplex  von  gleichmüssigen  Sanden  und  Kiesen 
eine  intergla/.iale  Oberfläche  einschaltet,  dann  muss  man  ausser  diesen 
Feuersteinen  auch  noch  Spuren  einer  lange  Zeit  andauernden  Einwirkung 
der  Verwitterung  erkennen.  Wir  werden  also  auf  dieser  Oberfläche  eine 
Zersetzungs/.one  der  Mineralien  feststellen  können,  die  sich  an  dem  Aufbau 
der  Sand«;  und   Kiese    beteiligen,    sowie    manche    anderen    Erscheinungen, 


—     303     — 

die  wir  als  die  Folgen  einer  lange  andauernden  Einwirkung  der  Atmo- 
sphärilien berechtigt  sind  zu  deuten.  Diese  Fragen  werden  durch  Spezial- 
untersuchungen jedenfalls  gelöst  werden  können. 

Wir  halten  allen  Grund,  Hrn.  Dr.  Hahne  sehr  dankbar  zu  sein,  denn 
er  träo-t  uns  durch  seine  Funde;  ein  neues  Moment  in  die  Erforschung 
unseres  fossilarmen  Diluviums  hinein,  welches  von  dem  allergrössten 
Interesse  zu  werden  verspricht. 

Hr.  Hahne:  Vor  etwa  einem  Jahre  habe  ich  hier  die  ersten  mut- 
masslichen Feuersteinmanufakte  aus  dem  norddeutschen  Diluvium  vor- 
ireleirt,  welche  ich  damals  ;nif  Veranlassung  von  Prof.  Klaatsch  gesucht 
und  dann  auch  gefunden  habe.  Klaatsch  war  von  seiner  Reise  nach 
Belgien  und  Frankreich  nach  Deutschland  zurückgekehrt  mit  dem  Ge- 
danken, auch  bei  uns  im  Diluvium  müssten  doch  solche  Dinge  vorkommen, 
die  aus  den  nicht  von  der  Eiszeit  berührten  Ländern  als  Eolithen  bekannt 
sind.  Studien  bei  Kutot  in  Brüssel  hatten  den  Gedanken  in  ihm  zur  Ge- 
wissheit erhoben,  dass  das,  was  wir  bei  uns  als  Interglaziale  bezeichnen, 
zeitlich  und  stratigraphisch  übereinstimmen  müsste  mit  einer  Schicht  im 
belgischen  Diluvium,  in  welcher  Rutot  Eolithen  einer  bestimmten  Art  ge- 
funden hatte.  Klaatsch  hat  zunächst  im  Anfang  vorigen  Jahres  in 
Rüdersdorf  und  Britz  gesucht,  teilweise  mit  mir  zusammen.  Wir  haben 
damals  sehr  wenig  gefunden;  allerdings  einige  Stücke  von  diesem  Wenigen 
glauben  wir  doch  nach  unseren  bisherigen  Anschauungen  als  Artefakte 
deuten  zu  müssen,  da  sie  bestimmte  Eigenheiten  zeigen,  die  eben  nach 
unserer  derzeitigen  Auffassung  Artefakte  zeigen  müssen,  um  sich  von 
Naturprodukten  zu  unterscheiden. 

Diese  Auffassung  ist  natürlich  zunächst  gewonnen  an  jenen  bei  uns 
noch  wenig  genau  bekannten  Eolithen  aus  „eiszeitlosen"  Ländern.  Die 
Geologen  jener  Länder  haben  keine  „natürliche"  in  ihrem  Diluvium  be- 
gründete Erklärung  gefunden  für  jene  Eigenheiten;  wir  sind  also  berechtigt, 
dies  zunächst  zu  akzeptieren.  Die  Eigenheiten  der  Stücke  lassen  sich 
nicht  in  kurzen  Worten  präzisieren;  ich  verweise  auf  Rutots  und  andere 
Schriften.  Die  Arbeitsweise  ist  keineswegs  identisch  mit  neolithischen 
Artefakten,  wenn  auch  manches  übereinstimmt  (bulbe  de  percussion, 
eclats  etc.).  Im  anerkannten  Paläolithikum  andererseits  (Chelleen  etc.)  ist 
eine  Stufenfolge  der  Bearbeitungsweise  des  Steines  zu  verfolgen,  welche 
nach  abwärts  zu  der  der  Eolithen  führt.  (So  zeigt  auch  /..  B.  der  Chelleen- 
schaber  eine  „eolithische"  Technik  gegenüber  dem  typischen  Chelleen- 
keil!)  Im  wesentlichen  handelt  es  sich  überall  um  A.bsplisse,  für  welche 
keine  Ursache  in  natürlichen  Vorgängen  zu  finden  ist.  Diese  Absplisse 
linden  sich  nun  aber  sehr  oft  an  Stücken,  wedche  an  sich  erkennbare 
Naturprodukte  sind.  Die  Geologie  hat  also  ein  gewichtiges  Wort  mit- 
zureden bei  der  Erörterung,  ob  diese  und  jene  Pormveränderung  der 
Steine  (zunächst  Feuersteine)  und  ihrer  Fragmente  Naturprodukt  ist  resp. 
sein  kann,  oder  ob  sie  Menschenwerk  ist.  Keineswegs  klar  ist  es  aber, 
wie  jene  für  paläolit hischo  und  eolithische  Artefakte  charakteristischen 
Bearbeitungsspnren  entstanden  sein  können,  da  die  Bearbeitungstechnik 
eben  eine  andere  ist,    als   im   Neolithikum,    dessen    Teehnik    wir    einiger- 


—     304     — 

massen  verstehen.  Endlich  gehören  noch  die  Gebrauchs-  resp.  Ab- 
nutzungsmerkmale der  betreffenden  Kanten  hierher  und  ihre  Unterscheidung; 
von  Abrollungserscheinungen. 

Ich  selbst  habe  also  als  Erster  nach  Klaatsch  in  Deutschland  damals 
angefangen  zu  suchen,  und  zwar  in  einer  grossen  Kiesgrube  im  Südosten 
von  Magdeburg,  mitten  im  Bördebecken,  wenn  ich  so  sagen  darf.  Ein- 
schieben möchte  ich  hier,  dass  im  Jahre  1874  ein  Kantor  (Rabe)  in 
der  dortigen  Gegend  (Biere)  solche  Stücke  zur  Beurteilung  an  diese  Ge- 
sellschaft eingesandt  hat,  weil  sie  ihm  infolge  der  Lektüre  des  Buches 
von  Lubbock  auffielen  und  dass  sie  ihm  zurückgeschickt  worden  sind 
mit  abschlägigem  Bescheid.  Ich  habe  mir  diese  Stücke  mit  Klaatsch 
im  vorigen  Frühjahr  angesehen  (sie  fanden  sich  im  Magdeburger  Museum, 
wo  uns  der  Kustos  Dr.  Wolters dorf  auf  sie  aufmerksam  machte),  und 
es  war  uus  sofort  wahrscheinlich,  dass  die  Stücke  Rutots  Mesvinienformen 
ziemlich  genau  entsprechen,  einer,  wenigstens  nach  den  Studien  Rutots, 
scharf  umschriebenen  Industrie.  Da  mir  natürlich  die  Funde  des  Kantors 
nicht  massgebend  sein  konnten,  habe  ich  dann  selber  gesucht  und  alle 
Kautelen  zur  Feststellung  des  Fundortes  und  des  Horizontes  im  Diluvium 
angewandt. 

Da  mir  eine  gründliche  Kenntnis  der  Originalfunde  der  bisher 
beschriebenen  Eolithen,  zumal  der  belgischen,  unerlässlich  scheint,  um 
nicht  im  Dunkeln  zu  tappen,  war  ich  im  vorigen  Oktober  dann  bei  Rutot 
und  habe  unter  seiner  ausserordentlich  liebenswürdigen  Anleitung  seine  gross- 
artige eolithische  und  paläolithische  Sammlung  studiert,  mit  ihm  eingehend 
alle  einschlägigen  Fragen  erörtert  und  auch  an  einigen  100  Stücken  aus 
meinen  Funden  mit  ihm  die  uns  hier  beschäftigenden  Verhältnisse  und 
Probleme  bearbeitet.  Er  bezeichnete  meine  Funde  als  „reutelo-mesvinien 
et  mesvinien  en  melange".1)  Bei  Capitan  in  Paris  habe  ich  in  ähnlicher 
Weise  im  vorigen  Herbst  meine  „Feuersteinstudien"  fortgesetzt,  zumal  auch 
an  dessen  wunderschöner  Sammlung  tertiärer  Silex.  In  den  klassischen 
Kiesgruben  von  Chelles  habe  ich  neben  typischen  Dingen  auch  Eolithen  ge- 
funden, wie  schon  Rutot  und  Klaatsch!  Auch  die  Bearbeitungsart  (in  ein- 
gehendstem Sinne)  der  Silexartefakte  anerkannter  paläolithischer  Industrien 
habe  ich  mit  den  Genannten  studiert  in  Yergleichung  mit  ihren  und  unseren 
ja  noch  immer  zum  Teil  problematischen  Eolithen!  Diese  Reise  nach 
Brüssel  und  Paris  hat  mich  überzeugt,  dass  wir  die  Eolithen  für  Menschen- 
artefakte halten  dürfen!  Jedenfalls  ist  die  Beurteilung  nicht  so  einfach, 
wie  es  manchem  scheinen  mag.     Die  ganze  Frage    ist    so  sehr  im  Flusse 


1)  Die  deutschen  Diluvial-Silexfunde  von  Taubach  usw.  haben  eine  so  eingehende 
(„technische")  Bearbeitung  bisher  nicht  erfahren,  wohl  weil  ihre  Werkzeugnatur  von  jeher  un- 
bestritten schien,  da  sie  dieselbe  dokumentierten  durch  engen  Zusammenbang  mit  ander- 
weitigen Beweisen  von  Menschendasein,  und  sie  sind  auch  schwer  zugänglich  und  zerstreut. 
Ich  habe  zunächst  die  in  Jena  befindlichen  Stücke  von  Taubach  studiert  und  stimme  Rutot 
bei,  der  sie  (nach  Abbildung,  Beschreibung  und  geologischer  Lagerung)  seinen  Mesvinien  im 
Ganzen  zuteilt;  und  sie  zeigen  auch  manche  auffallende  Ähnlichkeit  mit  meinen  Diluvial- 
funden, die  nach  Rutot  zumeist  derselben  Technik  angehören;  sie  können  also  wichtig 
werden  für  unsere  Frage! 


—     805     — 

und  andererseits  bisher  so  wenig  gründlich  vorgenommen  von  Seiten,  die 
mitsprechen  müssen,  z.  B.  der  Diluvial-  und  Glazialgeologen  der  „Eiszeit- 
länder", dass  wir  nur  Schritt  für  Schritt  vorgehen  können  und  dürfen,  und 
jeder  Tag  neue  Gesichtspunkte  bringen  kann,  mit  denen  wir  uns  abfinden 
müssen. 

Was  Herr  Keilhack  vermutet  hat,  dass  nämlich  in  dem  Inter- 
glaziale alte  Oberflächen  angedeutet  wären,  das  glaube  ich,  wenigstens  für 
einige  Stellen  der  von  mir  untersuchten  Kiesgruben,  bejahen  zu  könne]]. 
Es  ist  mir  aufgefallen,  dass  die  Silexe  gewisser  Formen  von  feinerer  Aus- 
führung da  liegen,  wo  Streifen  von  dunklerer  Färbung  und  eisenschüssiger 
Beschaffenheit  durch  die  dort  anstehenden  grauen  Sande  mit  diskordanter 
Parallelstruktur  verlaufen. 

Ferner  glaube  ich,  gefunden  zu  haben,  dass  diese  feineren  Stücke 
dem  Mesvinien  pure  entsprechend  an  den  Stellen,  die  ich  bis  jetzt  durch- 
sucht habe  —  es  sind  fünf  Kiesgruben  in  der  Nähe  Magdeburgs  —  immer 
mehr  in  den  oberen  Teilen  des  „Interglaziales"  liegen,  aber  immer  unter- 
halb der  Steinsohle  des  Löss.  Ferner  habe  ich  in  den  diluvialen  Schichten, 
die  von  feinem  bis  ganz  feinkörnigem  Sand  gebildet  werden,  ebenso  im 
Löss  oder  seiner  Steinsohle  bis  jetzt  keine  Eolithen  gefunden,  sondern 
immer  nur  in  den  Schichten,  die  überhaupt  gröberes  Gesteinsmaterial  ent- 
hielten und  dadurch  in  Kiesgrubenwänden  sofort  auffallen,  übrigens  auch 
in  Schichten,  die  der  ungestörten  oder  aufgewühlten  unteren  Moräne  ent- 
sprechen. 

Einen  interessanten  Fund  machte  ich  im  vorigen  Jahre  in  der  Kies- 
grube (bei  Biere),  wo  ich  die  Hauptmenge  meiner  „Eolithen"  gefunden 
habe.  Xicht  ganz  1j2  m  unter  der  Steinsohle  suchte  ich  und  fand  zunächst 
nichts.  Da  kam  ich  zu  einem  grobkörnigen  Streifen  —  die  Stelle  ist 
noch  jetzt  gut  erhalten  — ;  unter  diesem  Streifen  lag  feiner  Flusssand, 
fein  zerteiltes  Material,  dann  kam  der  Streifen,  gröberes  Material  ent- 
haltend und  darüber  ziemlich  grobes  Material,  wie  es  dort  direkt  unter 
der  Steinsohle  sehr  häufig  liegt,  auffallend  viel  gröber  als  in  den  unteren 
Schichten.  In  diesem  Streifen  fand  ich  auf  einem  etwa  1  l/a  m  breiten 
Gebiet  der  Wand  der  Grube  Feuersteinstückchen;  darüber  und  darunter 
keine.  Dieser  Strich  würde  also  eventuell  einer  Oberfläche  entsprechen. 
Von  diesen  Feuersteinstückchen  ist  dem  Stande  meiner  bisherigen  Er- 
fahrungen nach  jedes  der  Einwirkung  von  absichtlichen  Absplitterungen 
und  Zurichtungen  unterworfen  gewesen  und  zeigen  reineren  „Mesvinien"- 
charakter  als  andere.  Die  zurzeit  als  menschliche  Werkzeuge  anzu- 
sprechenden Feuersteine  (ich  fand  bisher  ganz  wenige  Stücke  aus 
anderem  Gestein)  finden  sich  bei  uns  nicht  im  Entferntesten  so  massen- 
haft, wie  z.  B.  im  belgischen  Diluvium,  verteilen  sich  auch  viel  mehr 
unter  den  sehr  reichlichen,  natürlichen,  rohen  Sprengstücken  der  be- 
treffenden „Zonen"  der  Kiese.  Einem  solchen  nestartigen  Vorkommen 
begegnete  ich  bisher  nur  dieses  eine  Mal.  Einige  Stücke  aus  diesem 
Neste,  wie  ich  es  einmal  bezeichnen  will,  habe  ich  als  Belege  für  die 
Artefaktnatur  dieser  ganzen  Industrie  hier  photographiert;  die  Sachen 
selbst  können  nicht  gut  herumgehen.  Auf  dieser  Photographie  >ind  die 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrs- 1904.    Heft  2.  •_>, , 


—     306     — 

Stücke  so  hingelegt,  dass  man  sofort  den  springenden  Punkt  erkennt. 
Es  sind  verschiedene  Typen;  ich  habe  nur  ein  Dutzend  Stücke  mitgebracht 
aus  einer  viel  grösseren  Zahl,  die  ich  gefunden  habe.  Darunter  sind  so 
feine  Dingerchen,  dass  die  Herren  Geologen,  denen  ich  sie  in  mehreren 
eingehenden  Konferenzen  während  der  letzten  Tage  vorgelegt  habe,  an 
eine  Entstehung  durch  irgend  welche  natürliche  Einwirkung  garnicht  mehr 
dachten.  Denn  sie  sind  wirklich  auf  das  Feinste  hergestellt.  Wenn 
Sie  sich  das  kleinste  Steinchen  (1  cm  X  7a  cm  X  V4  <?m),  das  auf  der  Photo- 
graphie abgebildet  ist,  herausnehmen  und  es  unter  der  Lupe  prüfen,  so 
zeigt  es  darunter  ganz  dieselbe  Bearbeitungsmanier  wie  ein  als  typisch 
anerkannter  belgischer  oder  französischer  Chelleen-Schaber  mit  den  tief 
ausgescharteten  gleichmässigen  Rundungen.  Dieses  andere  kleine  Stück 
zeigt  die  betreffende  Arbeitsweise  bis  in  das  feinste  Miniatur  übersetzt 
zweimal  nebeneinander,  und  dazwischen  erkennen  Sie  eine  ausgesparte 
Spitze.  Bei  anderen  Stücken  sind  die  Abspellungen  mehr  flächenförmig, 
und  darunter  sind  eclats  und  andere  Formen,  die  mir  besonders  charakte- 
ristisch erscheinen.  Nebenbei  bemerke  ich,  dass  ich  als  wirklich  mass- 
gebende Abspeilungen  zunächst  vorsichtshalber  nur  die  betrachte,  die  an 
einer  Kante  in  regelmässiger  „systematischer"  Anordnung  nach  einer 
Seite  gehen,  sodass  ein  scharfer  Rand  stehen  bleibt,  der  gewissermassen 
der  Zweck  der  ganzen  Bearbeitung  ist.  Es  ist  meiner  Meinung  nach 
sehr  wichtig,  darauf  zu  achten,  wie  die  Absplisse  angeordnet  sind,  wenn 
man  daran  denkt,  dass  ein  Stück  eines  Feuersteins  zwischen  Steine 
oder  Blöcke  oder  sonst  in  eine  natürliche,  in  unserer  Gegend  z.  B. 
auf  irgend  welchen  Gletschereinfluss  zurückzuführende  Bedrängnis  geraten 
kann,  und  dass  dabei  wohl  hier  und  da  mal  etwas  herausspringt,  ja,  dass 
sogar  dabei  mal  ein  Stück  herausspringen  kann,  das  eine  „Schlagmarke''1 
(resp.  Druckmarke)  zeigt.  Das  ist  meiner  Ansicht  nach  sehr  wahrschein- 
lich; ich  lege  deshalb  auf  Stücke,  die  nur  diese  zeigen,  nicht  soviel  Ge- 
wicht, wie  das  von  anderer  Seite  geschieht.  Wenn  hingegen  ein  Stück 
an  einer  Kante  jene  regelmässigen  Absplisse  zeigt,  wenn  es  aber  an 
anderen  Kanten  garnicht  mit  solchen  versehen  ist,  wenn  diese  regelmässigen 
Absplisse  vielmehr  nur  da  vorhanden  sind,  wo  durch  sie  als  charakteristisch 
wiedererkennbare  Formen  der  scharfen  Kante  entstehen,  so  kann  ich  — 
und  viel  kompetentere  Herren,  Geologen  und  Mineralogen,  mit  denen  ich 
die  einschlägigen  Fragen  besprochen  habe  —  das  nicht  anders  erklären, 
als  dadurch,  dass  es  eben  Artefakte  sind.  Ausser  der  gewöhnlichen 
„Hohlschaberforni",  die  darin  bestellt,  dass  in  einem  scharfkantigen  Stück 
eine  rundliche  Scharte  hergestellt  ist  durch  grosse  und  dann  folgende 
viele  kleine  Absplisse,  finden  sich  jene  „Doppelhohlschaber",  welche  oft 
eine  mehrweniger  spitze  „Spitze"  zwischen  sich  fassen,  die  gerade  in  dem 
vorher  erwähnten  „Nest"  in  so  feiner  „Ausführung"  vorlagen,  und  wie  Sie 
aus  dem  Bericht  des  Herrn  Krause  (über  die  Konferenz  vom  22.  März 
1903)  lj  wissen,  in  allen  tertiären  und  diluvialen  Silexfunden  vorkommen. 
Dann  gibt  es  in  unseren  Diluvialfunden  noch  eine  dritte  Silexform.    Diese 


1)  Zeitsclir.  f.  Ethnol.  1903,  Heft  IV. 


—     307     — 

ist  für  mich  besonders  wichtig,  weil  sie  charakteristisch  ist  durch  ihre 
üe8amtform.  Sie  erkennen  an  dem  flachen  Stück  eine  feiner  retou- 
chierte  obere  Kante  mit  dem  Hohlschaber  und  eine  rechts  und  eine  links 
heruntergehende,  oft  weniger  sorgfältig  hergestellt  scheinende.  Dies  ist 
neben  jenen  Spitzen  eine  der  häufigsten  Typen,  und  ich  kenne  sie  sehr 
ähnlich  aus  Belgien. 

Jüngst  fand  ich  in  Biere  ein  kleines  derartiges  Stück,  2  cm  gross. 
Die  Hauptretouchestelle  findet  sich  hier  oben,  entsprechend  der  Oberkante. 
Hier  und  da  an  den  Seitenkanten  sind  auch  ziemlich  regelmässige 
Absplisse,  aber  diese  verlaufen  nicht  nach  derselben  Seite  wie  die  oberen, 
sondern  entgegengesetzt.  Als  ich  dieses  Stück  verglich  mit  allen  anderen 
der  gleichen  Grundform,  fand  ich  an  vielen  dasselbe  Verhalten.  Ich  habe 
hier  mehrere  zusammengestellt.  Besonders  ausgeprägt  ist  es  an  diesen 
Stücken  hier,  von  denen  ich  zwei  der  besten  mitgebracht  habe.  Die  drei 
Konturen  verlaufen  hier  ganz  geradlinig;  die  lietouche  ist  auf  der  einen 
Kante  von  mir  aus  gesehen,  nach  vorn  gerichtet,  auf  den  zwei  anderen 
nach  hinten.  Das  Merkwürdige  ist  aber,  dass  ich  in  der  Sammlung 
von  Klaatsch  von  Puy  Boudieu  ein  Stück  gefunden  habe,  welches 
sozusagen  der  viel  grössere  Zwillingsbruder  dieser  Stücke  ist  und  ihnen 
bis  in  die  feinsten  Einzelheiten  ähnelt;  es  stammt  aus  der  tertiären 
Schicht  des  Puy  Boudieu.  Vom  Kentplateau  kenne  icli  so  etwas  bisher 
nicht.  Diese  Art  der  Stellung  zweier  (oder  mehrerer)  systematischen 
„retouchierten"  Kanten  zueinander,  wobei  die  Richtung  der  Abspellungs- 
reihen  der  einen  Kante  durchweg  entgegengesetzt  läuft  zu  der  anstossenden, 
bezeichnen  die  französisch  sprechenden  Eolithenforscher  als  „retouches 
croisees";  sie  legen  sehr  viel  Gewicht  auf  diese  Erscheinung,  welche 
besonders  deutlich  „Intention"  zu  verraten  scheint.  Ich  habe  sie  bei  einer 
grossen  Zahl  unserer  Fuudstücke  zum  Teil  sehr  schön  nachweisen  können. 
Alles  dies  scheint  auch  mir  wichtig,  wenn  es  darauf  ankommt,  zu  be- 
weisen, dass  es,  um  den  Ausdruck  Prof.  Keilhacks  zu  gebrauchen, 
eine  orientierte  Arbeit  ist,  die  wir  in  jenen  ersten  Menschenartefaktcn 
finden. 

Eine  weitere  Form  ist  diese  hier,  die  ich  sehr  massenhaft  nachge- 
wiesen habe.  Es  ist  dies  ein  Hohlschaber  von  bestimmter  Gesamtform, 
mit  einem  seitlich  der  Aushöhlung  hervorragenden  rundlichen  Fortsatz. 
Ich  kann  hier  ein  Dutzend  gleich  nebeneinander  legen.  Ihre  Überein- 
stimmung geht  so  weit,  dass  die  sämtlichen  derartigen  Stücke,  wenn  sie 
so  schön  ausgeprägt  sind,  feststehende  Eigenheiten  betreffs  Beschaffenheit 
des  scharfen  Randes,  seiner  Form  und  Lage  u.  a.  m.  haben.  An  vielen 
erkennt  man  an  der  einen,  sagen  wir  oberen  Fläche,  den  bulbe  de  per- 
cussion,  dann  ist  unten  eine  weniger  deutliche  Fläche  mit  anregelmässigen 
Absplissen   und   in  der  einen  Kante  der  Schaber,  daneben  der   Fortsatz. 

Soviel  zur  vorläufigen  Bekräftigung  unserer  Annahme,  dass  unser 
Diluvium  ähnliche  „Eolithen"- Typenreihen  enthält,  wie  z.  B.  das 
belgische.  Von  den  dortigen  Stücken  gilt  es  für  ausgeschlossen,  dass  es 
Naturprodukte  sind;  die  unsrigen  sind  ihnen  absolut  ähnlich,  zum  Teil 
sogar  gleich;    der  Schluss  ist  berechtigt,    dass  auch  unsere  Eolithen  Arte- 

20« 


—     308     — 

fakte  sein  werden,  solange  nicht  von  kompetenter  Seite  zwingend  er- 
wiesen wird,  dass  sie  Produkte  von  Gletscherwirkung  oder  dergl.  sind. 

Rutot  und  auch  andere  legen  sehr  viel  Gewicht  darauf,  dass  die 
grossen  Reutelien-Percuteurs,  von  denen  hier  eine  Sammlung  von  Herrn 
Bracht  liegt,  —  die  Gesellschaft  hat  sie  am  17.  Oktober  v.  J.  schon  ge- 
sehen —  ihre  Artefaktnatur  besonders  dadurch  dartun  sollen,  dass  sie  so 
ausserordentlich  handlich  gewesen  wären.  Es  ist  tatsächlich  sehr  merk- 
würdig, dass  dort,  wo  wir  die  Reutelienkultur  linden,  und  wo  diese  Feuer- 
steinknollen zu  Tausenden  herumliegen,  es  sich  herausstellt,  dass  nur 
diejenigen  als  gebraucht  gedeutet  werden  können,  die  auch  wirklich  hand- 
lich in  der  Hand  liegen.  Ferner  bemerkt  Rutot,  bei  den  späteren 
Artefakten,  bei  einer  Industrie,  die  der  unseren  entsprechen  würde,  könnte 
sehr  oft  beobachtet  werden,  dass  die  viel  gebrauchten  Knollen  und  Stücke 
—  viel  gebraucht  gegenüber  andern,  wohl  weil  sie  aus  besonders  geeignetem 
Feuersteinmaterial  bestehen  ■ —  zum  Arbeiten  handlich  gemacht  worden 
sind  durch  ein  paar  Schläge.  Er  hat  mir  das  an  vielen  Beispielen  gezeigt, 
und  er  hat  mich  davon  überzeugt. 

Ich  habe  mich  dann  meinen  eigenen  Funden  von  diesem  neuen 
Gesichtspunkt  aus  zugewendet  und  habe  zu  diesem  Zwecke  ein  Studium 
besonders  intensiv  betrieben,  das  mir  so  wie  so  am  Herzen  liegt,  nämlich 
die  Physiologie  oder  vielmehr  die  Physiopsychologie  der  menschlichen 
Hand.  Ich  habe  zunächst  ohne  Vorurteil  und  ohne  viel  zu  überlegen 
folgende  Experimente  gemacht,  und  ich  habe  sie  vielleicht  ein  Jahr  lang- 
gemacht,  so  dass  ich  jetzt  im  ganzen  viele  hundert  Stück  daraufhin  unter- 
sucht habe.  Ich  habe  Stücke,  die  mir  besonders  gut  gearbeitet  erschienen 
(nicht  diese  Splitter,  an  denen  man  an  irgend  einer  beschränkten  Stelle 
Absplisse  sieht,  sondern  Stücke,  die  mir  einen  deutlichen  Werkzeug- 
gesamtcharakter zu  verraten  schienen),  immer  wieder  in  die  Hand  ge- 
nommen und  sozusagen  ihre  „Handhabung"  probiert  und  mir  dabei  die 
Gesetze  klar  gemacht,  die  dem  Gebrauch  dieses  Werkzeuges  —  wenn  es 
ein  Werkzeug  war  —  zugrunde  liegen  würden,  und  ich  habe  gefunden, 
dass  an  diesen  Stücken  die  Lage  in  der  (übrigens  rechten)  Hand,  die 
einer  supponierten  Gebrauchsstellung  des  Werkzeuges,  die  der  (Jebrauchs- 
stellung  als  Kratzer,  Schaber  und  dergleichen  entsprechen  würde,  sich  als 
bequemste  für  die  Hand  erweist,  und  umgekehrt  ergab  sich,  dass,  wenn 
ich  solche  Stücke  ohne  sie  anzusehen  möglichst  bequem  in  die  Hand  nahm, 
diese  Stellung  stets  der  „Arbeitsstellung"  entsprach.  Ich  bemerke,  dass 
manche  Stücke  durch  Verhalten  der  Kanten  und  der  Handlichkeit  sich  als 
in  verschiedener  Stellung  benutzt  erweisen.  Nach  diesem  kurz  angedeuteten 
Verfahren  habe  ich  viele  dieser  Dinge  durchprobiert,  und  ich  habe  nicht 
nur  allein  dieses  Experiment  gemacht,  sondern  habe  auch  eine  Menge 
Freunde  und  Bekannte  dazu  verleitet  (besonders  zu  dem  zweiten,  da  ich 
seihst  die  Stücke  meiner  Sammlung  allmählich  genau  kenne,  und  an  jene 
„Handgriffe"  bereits  ganz  gewöhnt  bin  —  was  ich  übrigens  als  Beweis 
dafür  ansehe,  dass  wir  es  nicht  mit  Zufälligkeiten  zu  tun  haben),  und 
wir  haben  bei  einigermassen  deutlich  bearbeiteten  Stücken  fast  niemals 
einen  Fehlversuch  gemacht. 


—     309     — 

Selbstverständlich  ist  auch  das  direkte  Experiment  für  unsere  Frage 
unerlässlich,  nämlich  die  Nachahmung  dessen,  was  wir  für  Menschenwerk 
halten.  Dadurch  wird  uns  alles  viel  unmittelbarer  verständlich;  und  haben 
wir  einen  „Eolithen"  mit  den  allerprimitivsten  Mitteln,  Stein  auf  Stein 
klopfend  etc.,  hergestellt,  so  können  wir  wenigstens  sagen,  „so  etwas 
kann  also  Menschenwerk  sein".  Ich  habe,  zumal  seit  meinem  Studium 
bei  Kutot  viel  „eolithisch"  gearbeitet,  die  betreffenden  Instrumente  her- 
gestellt und  mit  ihnen  gewisse  Verrichtungen  ausgeführt  und  kann  sagen, 
„man  kann  mit  so  etwas  auch  arbeiten." 

Endlich  erwähne  ich  noch  folgendes.  Wenn  wir  nun  solche  Silex- 
artefakte  in  die  Hand  nehmen,  wie  wenn  wir  sie  tatsächlich  gebrauchen 
wollten,  z.  B.  als  Schaber,  dessen  bogenförmige  Kante  etwa  der  Biegung 
des  Zeigefingers  parallel  läuft  (dies  Verhalten  zeigt  jener  bestimmte 
Schabertypus  mit  dem  Fortsatz  neben  der  Aushöhlung),  so  muss  die  Stelle 
der  Kante,  mit  der  naturgemäss  der  stärkste  Druck  durch  das  Werkzeug 
auszuüben  ist,  sich  am  meisten  abgenutzt  zeigen;  und  auch  diese  Anforde- 
rung erfüllen,  soviel  ich  sehe,  unsere  „Eolithen". 

Ich  glaube,  diese  geradezu  technologischen  Untersuchungsmethoden 
sind  recht  wichtig  für  die  Entscheidung  der  Frage:  war  das  ein  Werkzeug 
oder  nicht?  Ich  habe  jetzt  an  den  sogenannten  Schabern,  deren  Werkzeug- 
natur und  Bestimmung  bisher  am  deutlichsten  erscheint,  da  sie  auch  im 
Paläolithicum,  sogar  im  Neolithicum  ähnlich  vorkommen,  meine  „Methode" 
kurz  erörtert.  Es  liegen  nun  auch  z.  B.  einfache  eclats  vor,  die  wohl 
schneidende  Werkzeuge  waren;  manche  der  genannten  Spitzen  zeigen 
Eigenschaften,  die  auf  die  Verwendung  zum  Bohren  hinweisen;  Klopf- 
steine und  andere  Werkzeugformen  dürfen  wir  als  solche  bestimmen 
nach  gewissen,  an  den  nichtdeutschen  Eolithen  gewonnenen  Erkennungs- 
zeichen (siehe  mein  vorjähriges  Referat),  und  an  allen  sind  solche  Beob- 
achtungen zu  machen.  Erwähnen  möchte  ich,  dass  besonders  Virchow, 
auch  Götze  u.  a.  bei  Gelegenheit  früherer  Diskussionen  über  diluviale 
Silexfunde  wiederholt  hingewiesen  haben  auf  die  Notwendigkeit  von  typo- 
logischen  und  technologischen  Beweisen  für  die  Artefaktnatur  jener  viel- 
umstrittenen  Dinge.1) 

Es  ist  hier  in  der  Kürze  nicht  möglich,  meine  bezüglichen  Erfahrungen 
eingehender  mitzuteilen  (ich  behalte  mir  dies  vor,  möchte  auch  nicht  vor- 
eilig sein;  es  sind  ja  erst  Studien).  Ich  habe,  wie  gesagt,  die  Sache 
intensiv  verfolgt  und  möchte  das  nur  angedeutet  und  eine  Anregung 
gegeben  haben,  d;iss  wir  uns  auch  von  dieser  anthropologischen  Seite  an 
die  Eolithenfrage  sozusagen  heranpirschen  möchten,  während  Geologen 
und  Mineralogen  uns  sagen  müssen,  welche  Einflüsse  auf  Gestaltverände- 
rung der  Feuersteine  wir  denjenigen  natürlichen  Vorgängen  zuschreiben 
sollen,  welchen  ein  Feuersteinknollen  unterliegt  auf  dem  Wege  aus  seiner 


1)  Von  den  in  früheren  Jahren  zum  Teil  veröffentlichten  Einzelfunden  diluvialer 
Feuersteinstücke,  die  von  den  Findern  als  Artefakte  gedeutet  wurden  (Friedel,  Krause- 
Eberswalde  usw.)  sah  ich  kürzlich  die  von  Krause  (Archiv  für  Anthropologie  XXII)  und 
kann  feststellen,  dass  sie  sich  ganz  unsern  Funden  anschliessen.  Leider  ist  jenen  Dingen 
seinerzeit  nicht  planmässig  nachgegangen  worden. 


—     310     — 

primären  Lagerungsstelle  in  der  Kreide  bis  in  unsern  Diluvialsand  und  in 
unsere  Hände. 

Hr.  Wahnschaffe:  Ich  möchte  auch  meinerseits  dem  Vorstande 
meinen  Dank  dafür  aussprechen,  dass  er  mir  Gelegenheit  gegeben  hat, 
diese  Funde  unter  der  besonderen  Anleitung  der  Herren  Krause  und 
Hahne  zu  prüfen,  denen  ich  ebenfalls  zu  lebhaftem  Dank  verpflichtet  bin. 

Für  mich  waren  die  Funde  deshalb  von  so  grossem  Interesse,  weil  ich 
ihnen  bis  jetzt  sehr  skeptisch  gegenübergestanden  habe.  Ich  muss  aber 
nunmehr  sagen,  dass  ich  vollkommen  überzeugt  worden  bin  durch  die 
interessanten  Artefakte,  die  namentlich  Hr.  Hahne  hier  vorgelegt  hat. 
Dagegen  stehe  ich  wie  auch  mein  Kollege  Keilhack  den  Artefakten  von 
Britz  und  Rüdersdorf  noch  immer  zweifelnd  gegenüber;  ich  halte  es  für 
möglich,  dass  es  Artefakte  sind,  besonders,  wenn  man  noch  mehr  davon 
finden  könnte;  indessen  halte  ich  es  doch  nicht  ausgeschlossen,  dass  Stücke 
davon  auf  natürliche  Weise,  nicht  durch  Kunst  entstanden  sind.  Dies 
scheint  mir  aber  ausgeschlossen  zu  sein  bei  den  Stücken,  die  Hr.  Hahne 
vorgelegt  hat. 

Es  ist  dies  von  grosser  Wichtigkeit,  besonders  für  die  Gliederung 
unseres  Diluviums.  Ich  habe  in  der  Magdeburger  Gegend  zuerst  die 
Quartärbildungen  gegliedert,  und  was  mein  Kollege  Keilhack  gesagt  hat, 
kann  ich  nur  bestätigen. 

Es  liegt  hier  zu  oberst  eine  Lössschicht,  die  an  der  Oberfläche  die 
fruchtbare  Schwarzerde  der  Magdeburger  Gegend  besitzt.  Dieser  Löss  wird 
unterlagert  von  einer  Steinsohle,  die  zum  Teil  noch  im  Löss  eingeschlossen 
ist;  darin  kommen  zuweilen  grosse  nordische  Geschiebe  vor.  Es  ist  mir 
damals  gelungen,  nachzuweisen,  dass  diese  Steinsohle  in  echten  Geschiebe- 
mergel übergeht,  so  dass  wir  nicht  zweifelhaft  sind,  dass  wir  darin  den 
Rückstand  der  Moräne  der  letzten  Eiszeit  vor  uns  haben.  Darunter  liegen 
Kiesschichten,  die  teilweise  von  einer  älteren  Grundmoräne  unterlagert 
werden,  und  in  diesen  Kiesen  hat  Hr.  Hahne  an  bestimmten  Stellen,  etwa 
1  m  unter  der  Steinsohle,  die  Artefakte,  die  er  vorgelegt  hat,  gefunden. 
Das  ist  meiner  Ansicht  nach  von  grosser  Wichtigkeit.  Denn  diese  Arte- 
fakte sind  ausserordentlich  wenig  abgerollt.  Wären  sie  weit  transportiert 
worden,  dann,  glaube  ich  ganz  sicher,  hätten  sich  diese  feinen  Spitzen 
nicht  erhalten  können;  wir  würden  viel  mehr  gerollte,  gerundete  Formen 
finden.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall.  Wir  sehen  sogar  an  den  Spitzen 
noch,  wie  sie  durch  den  Gebrauch  gerundet  worden  sind,  während  sie 
mehr  nach  unten  hin  noch  scharfkantig  sind. 

Diese  Funde  haben  namentlich  eine  Bedeutung  für  die  Frage,  ob  wir 
Interglazialzeiten  im  norddeutschen  Flachlande  gehabt  haben,  oder  ob  nur 
grosse  Oszillationen  des  Eisrandes  stattfanden;  ob  die  Fauna  der  grossen 
Säugetiere  nur  am  Rande  des  Eises  gelebt  hat,  oder  ob  grosse  Klima- 
schwankungen eingetreten  sind,  die  einen  vollkommenen  Rückzug  des 
Eises  bedingten. 

Diese  Fragen  werden  heute  noch  lebhaft  diskutiert,  und  einige  Geo- 
logen, namentlich  Geinitz,    haben    sich  dafür  entschieden,    dass  die  Eis- 


—     311     — 

zeit  mehr  einheitlich  aufzufassen  sei,    und  tlass  man  nur  grössere  Oszilla- 
tionen annehmen  dürfe. 

Ich  stehe  auf  dem  Standpunkt,  dass  unsere  Eiszeit  mehrere  grosse 
Perioden  gehabt  hat.  Ich  bin  vollkommen  davon  überzeugt  worden 
namentlich  durch  die  Exkursion,  die  ich  im  vorigen  Jahre  mit  Hrn.  Penck 
in  die  Alpen  gemacht  habe,  wo  wir  die  grossartigen  glazialen  Zwischen- 
bildungen, wie  die  Höttinger  Breccie  und  den  grossen  Schotterkegel  bei 
Salzburg,  näher  besichtigten  und  wo  Penck  die  Moränen  und  die 
fluviatilen  Yorschüttungsmassen  der  verschiedenen  Eiszeiten  genau  verfolgt 
und  gegliedert  hat.  Es  ist  meiner  Ansicht  nach  gar  nicht  mehr  zweifel- 
haft, dass  wir  solche  grossen  Interglazialzeiten  auch  im  norddeutschen 
Flachlande  gehabt  haben.  Wir  haben  auch  hier  schon  verschiedene 
Bildungen  gefunden,  die  darauf  hinweisen,  und  diese  Artefakte  sind  mit 
ein  Beweis  für  die  Interglazialzeiten.  Denn  wenn  der  Mensch  in  so  be- 
deutendem Umfange  sich  ausbreiten  konnte,  dann  muss  auch  eine  Flora 
und  Fauna  vorhanden  gewesen  sein,  von  der  er  leben  konnte;  das  ist  un- 
bedingt erforderlich. 

Hr.  Jentzsch:  Was  vom  geologischen  Standpunkt  aus  über  die  Funde 
gesagt  werden  kann,  haben  die  Herren  Keilhack  und  Wahnschaffe 
bereits  in  so  ausgezeichneter  Weise  ausgesprochen,  dass  es  mir  kaum 
möglich  ist,  etwas  Neues  hinzuzufügen.  Indessen  ich  bin  so  durchdrungen 
von  der  Wichtigkeit  dieser  Stunde,  dass  ich  meine:  jeder  Anwesende  muss 
Zeugnis  ablegen  für  oder  wider  die  Sache,  und  so  fühle  ich  mich  ver- 
pflichtet, es  auszusprechen,  dass  ich  mich  eigentlich  wörtlich  dem  an- 
schliesse,  was  zuerst  Keilhack  ausgesprochen  hat.  Ich  erkenne  einen 
grossen  Teil  der  von  Hrn.  Hahne  gefundenen  Sachen  von  Magdeburg  für 
zweifellos  bearbeitet  an.  Ich  habe  mich  wohl  kritisch  gefragt,  ob  ähn- 
liche Formen  nicht  durch  Naturgewalten  entstehen  könnten.  Ich  habe, 
abgesehen  von  den  gewöhnlichen  Zufälligkeiten  des  Stosses  und  der 
Rollung,  vornehmlich  an  einen  Druck  überlagernder  Schottermassen  ge- 
dacht. Ein  solcher  Druck  kann  allerdings  Sprengungen  und  Spaltungen 
von  Feuersteinen  herbeiführen,  und  es  mögen  dadurch  auch  einzelne 
Retouchen  erzeugt  werden  können;  aber  in  diesem  systematischen  Zu- 
sammenhang, wie  wir  es  hier  beobachten,  können  dadurch  die  Retouchen 
nach  meinem  naturwissenschaftlichen  Gefühl  undenkbar  hervorgerufen  sein. 
Ich  erkenne  deshalb  einen  erheblichen  Teil  der  von  Hrn.  Hahne  vor- 
gelegten Stücke  als  zweifellos  bearbeitet  an  und  ebenso  einen  Teil  der- 
jenigen Stücke,  die  durch  die  Güte  des  Hrn.  Konservators  Krause  mir 
gestern  ein  paar  Stunden  lang  in  diesem  Hause  aus  Belgien  und  Frank- 
reich vorgelegen  haben. 

Wegen  des  Alters  der  französischen  Funde  möchte  ich  mich  ebenfalls 
den  Bedenken  des  Hrn.  Keilhack  anschliessen.  Mir  sind  die  dortigen 
Fundorte  nicht  aus  eigener  Anschauung  bekannt;  aber  ich  weiss  aus  dem, 
was  ich  anderwärts  beobachtet  habe,  besonders  im  norddeutschen  Flach- 
lande, dass  diese  Bedenken  Keilhack  s  wohl  begründet  sind.  Einmal 
entspricht  das,  was  er  über  die  Bedeckung  durch  vulkanische  Laven  sagte, 
durchaus   meinen    eigenen   Anschauungen,    dass    nämlich    der    französische 


—     312     — 

Vulkanismus  wohl  in  eine  geologisch  gesprochen  recht  junge  Vergangen- 
heit heraufgereicht  habe,  so  dass  in  der  Bedeckung  dieser  Lagerstätten 
durch  vulkanische  Massen  an  sich  noch  kein  Beweis  für  ihr  tertiäres  Alter 
erbracht  sein  würde. 

Das  zweite  Kriterium,  an  dem  wir  das  geologische  Alter  feststellen, 
ist  das  Vorkommen  von  bestimmten  Versteinerungen,  von  Muscheln,  von 
Schnecken  usw.  in  den  begleitenden  Schichten.  Indessen  gerade  bei 
diesen  erratischen  Schichten  müssen  wir  ganz  ausserordentlich  vorsichtig 
sein,  so  dass  wir  nicht  etwa  eine  oder  mehrere  Muscheln  und  Schnecken, 
die  wir  darin  finden,  gleich  als  Leitfossilien  betrachten  können.  Um 
dafür  ein  Beispiel  zu  erbringen,  brauchen  wir  nur  wenig  über  die  Tore 
Berlins  hinauszugehen.  So  habe  ich  gestern,  um  mein  Gewissen  zu  be- 
ruhigen, einen  kleinen  Ausflug  in  die  nächste  mir  erreichbare  Kiesgrube 
gemacht,  um  mir  noch  mal  Feuersteine  im  frischen  Zustande  vor  Augen 
zu  führen.  Es  war  die  Kiesgrube  in  Westend,  wo  massenhaft  Feuersteine 
herumlagen.  Da  habe  ich  ganz  en  passant  auch  ein  paar  Schnecken  ge- 
funden, die  zweifellos  interglazial  und  vielleicht  sogar  frühglazial  waren; 
es  war  die  berühmte  Paludina  diluviana  Kunth,  die  an  jener  Lagerstätte 
offenbar  an  sekundärer  Stelle  sich  befand,  nachdem  sie  eine  Ura- 
lagreruns  durchgemacht  hatte.  So  ist  es  an  Hunderten  von  Fundorten  in 
der  Mark  und  in  benachbarten  Teilen  Norddeutschlands.  Wir  haben 
zahllose  Stellen,  wo  mau  bei  flüchtiger  Denkweise,  wie  ich  mal  sagen 
will,  zu  der  Ansicht,  ja  selbst  zu  der  Überzeugung  gelangen  kann,  diese 
Schnecken  hätten  zur  Zeit  der  Ablagerung  jener  Schichten  gelebt.  Und 
doch  finden  wir  nicht  einen,  sondern  Dutzende  und  Aberdutzende  von 
solchen  Schichtenaufschlüssen,  in  denen  die  Reste  von  Lebewesen  vor- 
kommen, die  nie  und  nimmer  zusammengelebt  haben  können:  Land-  und 
Süsswassertiere  gemischt  mit  Tieren  des  Meeres,  Organismen,  die  unserem 
gemässigten  Klima  angehören  mit  solchen  des  eiszeitlichen  Klimas;  also 
4,  5  verschiedene  Lebensgemeinschaften  haben  ihre  Vertreter  in  eine  und 
dieselbe  Schicht  hineingesandt.  Das  kann  doch  nicht  anders  erklärt 
werden,  als  dadurch,  dass  die  Muscheln  und  Schnecken  nicht  auf  ihrer 
ursprünglichen  Lagerstätte  liegen,  sondern  dass  sie  an  ihrer  jetzigen  Fund- 
stelle sekundär  umgelagert  worden  sind.  Diese  Bedenken  müssen  uns 
entgegentreten,  wenn  wir  die  französischen  Schichten  ihrem  Alter  nach 
bestimmen  wollen.  Daher  fühle  ich  mich  vollkommen  ausser  stände, 
über  diese  französischen  Schichten  hier  ein  Urteil  abzugeben.  Ich  meine 
nur,  man  kann  über  das  tertiäre  Alter  dieser  Schichten  nicht  vorher  sicher 
sein,  bevor  nicht  die  Ursprünglichkeit  und  Einheitlichkeit  der  begleitenden 
Fauna  ganz  unzweideutig  festgestellt  ist. 

Einen  Funkt  kann  ich  nur  unterstreichen,  den  Keilhack  angeführt 
und  den  auch  Hr.  Hahne  berührt  hat,  nämlich  den,  dass  die  Arte- 
fakte ja  wohl  an  der  Oberfläche  der  Kiesschicht,  also  in  einem  verhältnis- 
mässig engen  geologischen  Horizont  gelegen  haben.  Es  zeigt  sich  nämlich 
bei  uns  fast  überall  da,  wo  wir  Interglazial  haben,  dass  die  echt  inter- 
glazialen  Schichten  im  engsten  Sinne  sehr  geringmächtig  sind,  abgesehen 
von  den  kleinen  Stellen,  wo  Seen  und  kleine  Sümpfe  lagen.    Meist  sind  es 


—    313    — 

ganz  dünne  Schichten,  die  aber  verbunden  sind  mit  petrographisch  ähnlichen 
fossilleeren  Schichten  von  sehr  viel  grösserer  Mächtigkeit.  Weil  nun  die 
echt  interglazialen,  eine  homogene  Fauna  führenden  Schichten  so  wenig 
mächtig  sind,  sind  sie  uns  auch  nur  an  wenigen  Stellen  erhalten,  und 
deshalb  sind  die  Funde  von  diesen  Stellen  sehr  selten. 

Was  Wahnschaffe  über  das  Interglazial  sagte,  kann  ich  vollkommen 
unterschreiben.  Dass  das  Interglazial  in  Norddeutschland  besteht,  ist  für 
mich  ausser  Zweifel;  es  ist  mir  sicher,  dass  mehrere  Eiszeiten  über  uns 
hinweggegangen  sind.  Es  ist  ferner  zweifellos,  dass  die  Magdeburger 
Lagerstätte,  die  uns  Hr.  Hahne  so  schön  aufgeklärt  hat,  interglazial  ist. 
Eines  neuen  Beweises  für  das  interglaziale  Alter  dieser  norddeutschen 
Schichten  hat  es  für  mich  nicht  bedurft;  wir  haben  in  Norddeutschland, 
zumal  in  Westpreussen,  so  klare  Beweise  dafür,  dass  die  Magdeburger 
Funde  dazu  nicht  mehr  notwendig  waren,  sondern  sich  nur  einer  bereits 
festgestellten  Schichtenfolge  eingliedern. 

Ferner  möchte  ich  noch  betonen,  dass  auch  ich  in  den  bisherigen 
Funden  von  Britz  und  Rüdersdorf  noch  keine  überzeugenden  Beweise  er- 
kennen kann.  Das  ist  aber  für  die  allgemeine  Frage  nach  der  Existenz 
des  interglazialen  Menschen  in  Norddeutschland  unwichtig;  wenn  diese 
Artefakte  bei  Magdeburg  auftreten  und  wenn  sie  ein  paar  Meilen  davon 
entfernt  nicht  auftreten,  dann  ist  das  für  die  allgemeine  wissenschaftliche 
Auffassung  nicht  bestimmend;  denn  diese  Magdeburger  Funde  sind  ausser- 
ordentlich massgebend.  Ich  möchte  hierbei  daran  erinnern,  dass  auch  au 
einem  andern  Punkte  Norddeutschlands,  an  einer  geologisch  ebenso  fest 
bestimmten  interglazialen  Lagerstätte  in  ebenso  überzeugender  Weise  ein 
Fund  des  Menschen  gemacht  worden  ist.  Hr.  Bezirksgeologe  Maas  hat 
bei  der  Stadt  Posen  in  einem  diluvialen  Kiese  zwei  Feuersteinstücke  ge- 
funden, die  nach  ihrer  ganzen  Gestalt  zweifellos  bearbeitet  sein  müssen. 
Der  grosse  Vorzug  dieser  Posener  Funde  ist  der,  dass  erstens  ein  Geologe 
persönlich  die  Sachen  aus  der  anstehenden  Schicht  herausgezogen  hat 
zweitens  aber,  dass  die  geologische  Stellung  der  Lagerstätte  ausserordent- 
lich klar  ist.  Denn  diese  Kiese  werden  überlagert  von  echtem,  zweifellos 
diluvialem  Geschiebemergel;  and  aus  Bohrungen  in  der  Nachbarschaft 
wissen  wir,  dass  sie  auch  unterlagert  werden  von  Geschiebemergel,  so 
dass  an  dem  interglazialen  Alter  dieser  Posener  Funde  kein  Zweifel  ist. 
So  stimmen  die  Magdeburger  Funde  mit  den  Posenern  sehr  gut  zu- 
sammen, und  wir  können  uns  glücklich  schätzen,  eine  so  reiche  Lager- 
stätte entdeckt  zu  sehen. 

Hr.  Branco:  Es  ist  über  dieses  Thema,  namentlich  über  das  Thema 
des  tertiären  Menschen  schon  soviel,  besonders  von  französischer  und 
belgischer  Seite  gesprochen  worden,  dass  es  eigentlich  absolut  unmöglich 
ist,  etwas  zu  sagen,  was  nicht  schon  längst  gesagt  worden  wäre. 

Rutot  hat  zwei  grosse  Entwickelungsstufen  der  menschlichen  ..In- 
dustrie",  der  Erzeugung  von  Geräten  unterschieden:  die  älteste  Industrie 
hat  darin  bestanden,  dass  ein  .lenkendes  Wesen,  ein  Mensch,  Steine  er- 
griffen, sie  an  einer  Handhabe,  die  sie  ihm  durch  ihre  Gestalt  darboten, 
ert'asst  und  sie  nun  als  Werkzeug  benutzt  hat.  ohne  sie  weiter  zuzuschlagen. 


—     314     — 

Sein  Geist  konnte  also  noch  nicht  den  Gedanken  fassen,  durch  Schlagen 
Werkzeuge  zu  formen;  sondern  er  hat  die  Steine  nur  so  benutzt,  wie  die 
Natur  sie  geformt  hatte. 

Das  ist  indessen  noch  kein  völlig  unantastbarer  Beweis  für  den 
Menschen.  Wenn  ich  auch  anerkenne,  dass  alle  hier  liegenden  derartigen 
Stücke  wirklich  von  einem  etwas  denkenden  Wesen  benutzt  worden  sind, 
so  braucht  dieses  denkende  Wesen  doch  nicht  notwendig  der  Mensch  ge- 
wesen zu  sein.  Die  Menschenaffen  tun  das  ebenso,  indem  sie  Nüsse  und 
Steine  nehmen  und  damit  auf  einem  anderen  Gegenstande  herumhauen. 
Wir  können  also  gegenüber  diesen  Steinen  nur  sagen:  es  war  da  ein 
Wiesen,  welches  mit  ihnen  geschlagen  hat;  ob  es  ein  Mensch  war  oder 
nicht,  können  wir  nicht  absolut  sicher  entscheiden. 

Anders  liegt  es  bei  der  zweiten  Entwickelungsstufe  der  Industrie. 
Hier  sind  die  Steine  von  einem  denkenden  Wesen  durch  Schlagen  oder 
Brechen,  später  durch  Schleifen  in  eine  Form  gebracht  worden,  welche 
dem  denkenden  Wesen  vorschwebte.  Das  kann  nur  ein  Mensch  gewesen 
sein.  Es  ist  gegenüber  solchen  Steinstücken  freilich  bisweilen  strittig, 
ob  sie  absichtlich  so  geformt  oder  von  der  Natur  zufällig  so  zerpresst 
worden  sind.  Ein  Zweifel  ist  aber  sicher  da  ausgeschlossen,  wo,  wie 
Hr.  Hahne  hervorgehoben  hat,  die  Schlagmarken  alle  nach  einer  Richtung 
hin  fallen. 

Denn  wir  können  uns  wohl  vorstellen,  dass  Gesteine,  wenn  sie  in 
einer  Moräne  eingeschlossen  sind,  oder  wenn  sie  in  einem  Fluss  bewegt 
werden,  unter  dem  Druck  der  auflagernden  Gerolle  nach  verschiedenen 
Richtungen  hin  absplittern;  aber  wir  können  uns  nicht  vorstellen,  dass 
diese  Absplitterungen  nun  sämtlich  nur  nach  einer  Richtung  hin  verlaufen 
sollten.  Fallen  die  Absplitterungeu  also  nur  nach  einer  Richtung  hin, 
so  muss  sie  ein  denkendes  Wesen  erzeugt  haben.  Ob  es  nun  die  Gattung 
homo  gewesen  ist  oder  eine  andere  Gattung,  die  den  Namen  homo  noch 
nicht  verdiente,  ist  nicht  zu  entscheiden. 

Die  zweite  der  hier  angeschnittenen  Fragen  betraf  das  tertiäre  Alter 
dieses  denkenden  Wesens,  aber  auch  das  tertiäre  Alter  der  Schichten,  in 
denen  man  die  erwähnten  fraglichen  Gesteinsstücke  gefunden  hat.  Ich 
meine,  das  tertiäre  Alter  der  Schichten  ist  in  einer  Anzahl  von  Fällen  so 
zweifellos  erwiesen,  dass  es  einer  Diskussion  entzogen  ist.  Der  Name 
des  Ablte  Bourgeois  ist  unauflöslich  damit  verknüpft.  Er  hat  schon  am 
Ende  der  50  er  Jahre  die  Ansicht  vertreten,  dass  er  den  Beweis  für  den 
tertiären  Menschen  aus  den  Werkzeugen  bezw.  Gesteinsstücken,  die  er 
aus  tertiären  Schichten  herausholte,  liefern  könnte. 

Mau  hat  ihn  selbstverständlich  damals  verlacht;  aber  man  hat  ihm 
doch  darin  zugestimmt,  dass  diese  Schichten  wirklich  tertiären  Alters  seien. 
Ich  meine,  das  ist  durch  die  französischen  Geologen  so  anerkannt  worden, 
dass  wir  daran  nicht  werden  zweifeln  können  —  es  sind  sogar  miocäne 
Schichten.  An  diese  französischen  Funde  reihten  sich  dann  die  be- 
kannten im  Tajo-Tale,  wo  auch  an  dem  tertiären  Alter  nicht  zu  rütteln 
sein  wird. 

Strittig  war  hier  also  nicht  das  tertiäre  Alter  der  Schichten,    sondern 


—     315     — 

nur  die  Frage,  ob  die  in  ihnen  gefundenen  Gesteinsstücke  absichtlich  vom 
Menschen  oder  unabsichtlich  von  der  Natur  geformt  worden  seien. 

Für  diese  Frage  von  Entscheidung  sind  die  diluvialen  zugeschlagenen 
Gesteinsstücke,  welche  wir  hier  sehen. 

Beanspruchen  sie  auch  an  sich  weniger  Interesse,  weil  für  uns  ja  das 
diluviale  Alter  des  Menschen  bereits  feststeht,  so  sind  sie  doch  deshalb 
so  wichtig,  weil  sie  uns  Rückschlüsse  gestatten  auf  jene  fraglichen  Funde, 
die  man  in  tertiären  Schichten  gefunden  hat.  Wenn  nämlich  die  in 
tertiären  Schichten  gefundenen  Gesteinsstücke  ganz  dieselbe  Form  be- 
sitzen, wie  das  bei  den  diluvialen  der  Fall  ist,  und  wenn  man  ferner  diese 
diluvialen  als  sicher  vom  Menschen  herrührend,  also  künstlich  geformt, 
anerkannt  hat,  dann  muss  man  auch  die  in  tertiären  Schichten  gefundenen 
anerkennen. 

Hr.  Noetling:  Auch  ich  hatte  das  Vergnügen,  unter  Führung  der 
Herren  Krause  und  Dr.  Hahne  die  hier  vorliegenden  Stücke  näher  anzu- 
sehen und  prüfen  zu  können.  Ich  gestehe,  dass  ich  denselben  nicht  wie 
die  Herren  Vorredner  mit  einer  gewissen  Skepsis  gegenüber  trat,  im 
Gegenteil,  ich  hatte  es  schon  längst  nur  noch  für  eine  Frage  der  Zeit  ge- 
halten, dass  derartige  Artefakte  in  diluvialen  Schichten  gefunden  würden, 
nachdem  die  Existenz  des  diluvialen  Menschen  als  solche  längst  erwiesen 
war.  Aber  trotzdem  haben  mich  die  Funde  des  Hrn.  Dr.  Hahne  über- 
rascht. Ich  kann  mir  nicht  gut  vorstellen,  wie  die  vorliegenden  Stücke 
mit  ihren  retouchierten,  konkaven  Schneiden,  mit  der  eigentümlichen 
Spitze,  auf  natürlichem  Wege  entstanden  sein  können.  Da  auch  sämt- 
liche Herren  Vorredner  sich  in  ähnlichem  Sinne  ausgesprochen  haben,  so 
brauche  ich  mich  über  die  Gründe,  welche  für  die  künstliche  Herstellung 
dieser  Stücke  sprechen,  nicht  weiter  zu  verbreiten  und  bei  der  Ein- 
stimmigkeit der  Meinungen  dürfen  wir  es  als  festgestellt  erachten,  dass 
die  hier  vorliegenden  Reste  aus  dem  Diluvium  von  Magdeburg  als  Arte- 
fakte anzusehen  sind.  Dagegen  kann  ich  gewisse  Bedenken  bezüglich  der 
bei  Britz  und  Rüdersdorf  gesammelten  Stücke  nicht  unterdrücken.  Bei 
diesen  wären  natürliche  Prozesse  doch  nicht  so  ganz  auszuschliessen. 

Anders  liegt  die  Frage  bei  den  angeblich  aus  tertiären  Schichten  von 
Puy  Courny  stammenden  Stücken.  Wenn  auch  die  Artefaktennatur  der 
betreffenden  Stücke  mir  nicht  zweifelhaft  erscheint,  so  ist  «las  tertiäre 
Altei-  der  Lagerstätte,  in  welcher  dieselben  gefunden  wurden,  nicht  ganz 
zweifelsfrei,  und  möchte  ich  darum  in  dieser  Hinsicht  gewisse  Be- 
denken nicht  ganz  unterdrücken.  Da  ich  jedoch  die  betreffende  Fund- 
stätte nicht  aus  eigener  Anschauung  kenne,  so  möchte  ich  mein  Urteil 
vorläufig  reservieren.  Jedenfalls  scheint  es  wichtig,  dass  das  tertiäre 
Alter  der  Artefakte  führenden  Schichten  von  Puy  Courny  erst  noch 
mit  Sicherheit  zu  erweisen  ist.  Wenn  man  also  die  Stücke  von  Puy 
Courny  noch  nicht  als  absolut  beweisend  für  die  Existenz  des  tertiären 
Menschen  ansehen  kann,  so  möchte  ich  Ihre  Aufmerksamkeit  doch  auf 
einen  Fund  von  Artefakten  hinlenken,  die  aus  Schichten  von  ganz  un- 
zweifelhaft tertiärem  Alter,  nämlich  aus  dein  Pliocäs  mit  Hipparion  spec. 
in  der   Nähe   von   Yenangyuung   in  Ober-Birma   stammen. 


—     316     — 

Ich  hatte  bereits  die  Ehre,  Ihnen  im  Jahre  1896  an  dieser  Stelle 
einige  Feuersteinsplitter  von  diesem  Fundort  vorzulegen,  Fragmente,  die 
meiner  Ansicht  nach  als  Artefakte  anzusehen  sind.  Ich  fand  dieselben 
ganz  zufällig,  als  ich  gelegentlich  der  geologischen  Aufnahme  von  Birma  nach 
fossilen  Knochenresten  in  dem  dortigen,  mächtig  entwickelten,  Pliocän  suchte. 

Eine  genaue  Beschreibung  des  Fundortes  und  der  Stücke  selbst  habe 
ich  in  den  Verhandlungen  dieser  Gesellschaft  1896  gegeben  und  kann  ich 
darum  darauf  hin  verweisen.  Neueres  habe  ich  dem  Fundberichte  nicht 
hinzuzufügen,  aber  ich  möchte  nochmals  betonen,  dass  an  dem  gemein- 
samen Vorkommen  mit  Hipparion  kein  Zweifel  sein  kann.  Ich  wurde 
überhaupt  erst  auf  diese  Stücke  aufmerksam ,  als  ich  auf  einer  frei 
gewitterten  Stufe  des  Konglomerates  einen  halb  in  demselben  eingebetteten 
Zahn  von  Hipparion  spec.  fand.  Während  ich  denselben  herausarbeitete, 
wurde  meine  Aufmerksamkeit  auf  die  gleichfalls  im  Konglomerat  ein- 
gebetteten Feuersteinsplitter  gelenkt.  Ich  habe  mich  seinerzeit  noch  mit 
Reserve  über  die  Artefaktennatur  dieser  Stücke  ausgesprochen  und  die- 
selbe zur  Diskussion  gestellt,  allein  vor  acht  Jahren  kam  die  von  mir 
beabsichtigte  Diskussion  nicht  recht  in  Fluss.  Artefakte  in  tertiären 
Schichten  waren  eben  doch  etwas  zu  Unerhörtes.  Aber  gerade  darum 
möchte  ich  heute  die  Gelegenheit  ergreifen,  nochmals  auf  diese  Stücke  hin- 
zuweisen. Nachdem  ich  die  unzweifelhaft  bearbeiteten  Stücke  aus  dem 
Diluvium  kennen  gelernt  habe,  ist  auch  für  mich  jedes  Bedenken  gegen 
die  Artefaktennatur  der  Feuersteine  von  Yenangyoung  geschwunden,  aber 
ebensowenig  kann  ein  Zweifel  über  das  tertiäre  Alter  der  Schichten,  in 
welchen  dieselben  gefunden  wurden,  herrschen.  Lagerung  und  Fossilien 
beweisen  aufs  Unwiderleglichste,  dass  das  Konglomerat  ins  Pliocän  gehört, 
das  hier  noch  von  einem  mehrere  tausend  Fuss  mächtigen  Komplex  jüngerer 
Schichten  überlagert  wird. 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet,  noch  auf  einen  weitereu  Fund  aus 
diesen  Schichten,  nämlich  einen  eigentümlich  abgeschliffenen  Femur  von 
Hippopotamus  irravadicus,  den  ich  in  den  das  Konglomerat  überlagernden 
Schichten  fand  und  im  XXX.  Bande  der  Records  Geol.  Survey  of  India  1897 
beschrieben  und  abgebildet  habe.  Für  mich  war  es  unerfindlich,  wie 
diese  eigentümlichen  Fazetten  ohne  Gletscherwirkung  —  und  an  diese  ist 
hier  nicht  zu  denken  —  entstanden  sein  sollen.  Gibt  man  aber  die  Arte- 
faktennatur der  Feuersteine  zu,  so  ist  kein  Grund  vorhanden,  warum  nicht 
auch  die  Schliffflächen  dieses  Femur  künstlichen  Ursprunges  sein  sollten. 
Hat  ja  doch  Dames  eine  ähnliche  SchliffHäche  auf  einer  Pferdeskapula 
aus  dem  Diluvialsande  von  Rixdorf  auf  menschliche  Einwirkung  zurück- 
geführt. Jedenfalls  liegt  nach  meiner  Ansicht  kein  Grund  vor,  an  der 
Existenz  des  Menschen  im  jüngeren  Tertiär  zu  zweifeln. 

Hr.  Lissauer:  Ich  danke  allen  Rednern  für  ihre  lebhafte  Teilnahme 
an  der  Diskussion  und  darf  wohl  das  Ergebnis  derselben  dahin  zusammen- 
fassen, dass  der  Manufaktcharakter  fast  aller  vorgelegten  Silex  anerkannt 
und  das  Alter  für  die  interglazialen  Fundstätten  auch  bestätigt  worden  ist. 
Was  ferner  die  Altersbestimmuno:  der  tertiären  Fundstätten  betrifft,  so  hat 


—     317     — 

Hr.  Klaatsch  durch  seine  Untersuchung  an  Ort  und  Stelle  nur  bestätigt, 
was  die  besten  französischen  und  englischen  Geologen  bereits  festgestellt 
hatten.  Ich  bitte  schliesslich  die  Herren  Geologen,  ihre  Aufmerksamkeit 
bei  ihren  Exkursionen  auch  ferner  diesen  Fragen  zuzuwenden  und  uns 
von  ihren  diesbezüglichen  Erfahrungen  Mitteilung  zu  machen.  — 

(11)  Hr.  v.  Luschan  berichtet  im  Anschluss  an  die  obige  Diskussion 
auf  den  Wunsch  des  Vorsitzenden 

über  seine  Beobachtungen  an  Kieselmanufakten  in  Ägypten. 

Einen  etwa  vierwöchigen  Aufenthalt  in  Helouan  und  einen  Ausflug 
nach  Theben  habe  ich  kürzlich  dazu  benutzt,  mich  an  diesen  beiden  be- 
rühmtesten aller  Fundorte  von  Kieselmanufakten  persönlich  über  die 
Fundverhältnisse  zu  unterrichten.  Ich  werde  an  anderer  Stelle  ausführ- 
lichen Bericht  erstatten  und  hier  nur  einige  Worte  über  den  Eindruck 
sagen,  den  ich  aus  persönlicher  Anschauung  gewonnen  habe. 

In  Theben  hatten  schon  1869  Arcelin,  Hamy  und  Lenormant 
zahlreiche  Kieselstücke  gefunden,  die  sie  für  absichtlich  geschlagen  er- 
klärten. In  Deutschland  hat  man  sich  diesen  Funden  gegenüber  zunächst 
zweifelnd  verhalten  und  besonders  unsere  Ägyptologen  haben  sie  glatt 
abgelehnt.  Im  III.  Bd.  unserer  Zeitschrift  (1871,  Yerh.  S.  65)  glaubt 
Dünlichen  „getrost  die  Behauptung  aussprechen  zu  dürfen",  das  von 
Lenormant  entdeckte  Kieselfeld  sei  kein  prähistorisches  Atelier,  sondern 
„eine  von  jenen  grossen  Werkstätten,  deren  Werkmeister  der  ägyptische 
Sonnengott  Ra  gewesen".  Ebenda  sagt  er,  es  sei  überhaupt  wohl  wenig 
Aussicht  vorhanden,  ein  solches  (prähistorisches)  Atelier  auf  ägyptischem 
Boden  jemals  aufzufinden  und  zitiert  den  bekannten  Satz  von  Lepsius: 
„Es  ist  wenig  Aussicht  vorhanden ,  dass  der  neuerdings  nach  den 
Europäischen  Funden  gebildete  Begriff  von  einer  prähistorischen  Steinzeit 
sich  auch  auf  ägyptische  Verhältnisse   mit  Grund  wird    anwenden  lassen." 

Das  war  1871;  dreissig  Jahre  später  legte  uns  Schweinfurth  eine 
überwältigende  Menge  von  Thebanischen  Kieseln  vor,  die  aber  gleichfalls 
nicht  allgemein  als  menschliche  Manufakte  anerkannt  wurden;  ausserdem 
waren  in  der  Zwischenzeit  auch  in  Theben  anscheinend  bearbeitete  Kiesel 
sogar  in  anstehendem  Gestein  lakustriner  Bildung  gefunden  worden,  über 
die  uns  hier  gleichfalls  Schweinfurth  an  der  Hand  zahlreicher  eigener 
Funde  berichtet  hat.  Persönlich  stand  ich  besonders  diesen  letzteren 
Funden  gegenüber  noch  vor  kurzem  eher  ablehnend  gegenüber.  Erst 
an  Ort  und  Stelle  habe  ich  mich  dann  davon  überzeugen  können,  dass  es 
sich  auch  bei  diesen  wirklich  im  engsten  Sinne  des  Wortes  fossilen  Funden 
um  einzelne  zweifellose  Manufakte  handelt. 

Durch  eine  Reihe  von  Versuchen  bin  ich  zu  der  Anschauung  ge- 
kommen, dass  ein  wirklicher  „Bulbus",  eine  wirkliche  „Sehlagnarbe"  und 
eine  wirkliche  „Schlagfläche*  niemals  durch  irgend  welche  Zufälligkeiten 
entstehen  können.  Mein  Verdacht  war  früher  hauptsächlich  auf  die 
Wirkung  von  Kameltritten  und  auf  den  Einfluss  plötzlicher  Abkühlung 
gerichtet  gewesen  sowie  auf  die  Schlagwirkung,  wie  sie  etwa  in  einem 
Gicsshach    möglich    ist:    meine  Versuche    haben    aber    keinerlei    Anhalts- 


—     318     — 

punkte  dafür  ergeben,  dass  jemals  derartige  zufällige  Einwirkungen  irgend 
etwas  hervorbringen  können,  was  einem  Bulbus  oder  einer  Schlagnarbe 
auch  nur  entfernt  ähnlich  sieht.  Ganz  besonders  habe  ich  mich  auch 
davon  überzeugt,  dass  bei  spontaner  Splitterung,  wie  sie  unter  dem  Ein- 
flüsse atmosphärischer  Einwirkung  entsteht,  sich  —  wenigstens  in  Theben 
und  bei  thebanischen  Kieseln  —  stets  nur  Bruchstücke  von  solcher  Form 
bilden,  dass  sie  niemals  mit  Manufakten  verwechselt  werden  können. 

Für  mich  persönlich  steht  es  also  jetzt  fest,  dass  es  bei  Theben 
Kieselmanufakte  gibt,  die  älter  sind  als  die  dortigen  lakustrinen  Bildungen. 
Ebenso  scheint  mir  nicht  der  allergeringste  Zweifel  daran  möglich,  dass 
sich  unter  den  die  Höhen  von  Theben  bedeckenden  Kieseln  zahllose  ab- 
sichtlich geformte  Stücke  befinden.  Es  ist  schwer,  deren  Zahl  auch  nur 
annähernd  zu  schätzen,  aber  ich  möchte  glauben,  dass  man  zu  mindestens 
siebenstelligen  Zahlen  kommen  würde,  wenn  man  da  alle  einwandfreien 
Werkzeuge  und  die  bei  ihrer  Herstellung  abgefallenen  grossen  Splitter 
mitzählen  würde.  Es  ist  offenbar  die  ungeheure  Massenhaftigkeit  dieses 
Vorkommens,  durch  die  Lepsius,  Dümichen  und  andere  Ägyptologen 
veranlasst  waren,  die  menschliche  Tätigkeit  bei  der  Bildung  dieser  Stücke 
in  Abrede  zu  stellen.  Heute  steht  es  wohl  fest,  dass  diese  Massen- 
haftigkeit mit  einer  sehr  langen  Dauer  menschlicher  Besiedlung  zusammen- 
hängt. Ich  möchte  keinen  Versuch  machen,  das  Alter  dieser  paläolithischen 
Geräte  zu  bestimmen,  aber  ich  möchte  annehmen,  dass  man  es  fast 
ebensogut  nach  Hunderttausenden  als  nach  Zehntausehden  von  Jahren 
abschätzen  könnte. 

Einer  solchen  Schätzung  steht  freilich  die  bestimmte  Angabe  der 
Ägyptologen  entgegen,  dass  Steingeräte,  die  man  in  Europa  als  prähistorisch 
bezeichnet,  in  Ägypten  der  historischen  Zeit  angehören.  Aber  dieser 
Widerspruch  ist  nur  ein  scheinbarer.  Alles  was  mir  wenigstens  in  Ägypten 
an  historisch  datierbaren  Steinwerkzeugen  bekannt  geworden  ist,  Sägen, 
Pfeilspitzen,  prismatische  Messer,  vor  allem  aber  jene  herrlichen  grossen 
halbmond-  und  fischschwanzförmigen  Geräte  mit  ihrer  unvergleichlich 
schönen  Denglung,  von  denen  uns  zuerst  Brugsch1)  berichtet  hat  —  all 
das  hat  einen  gänzlich  anderen  Charakter,  als  unsere  paläolithischen 
Stücke. 

Ich  würde  sehr  wünschen,  dass  unsere  heutigen  Ägyptologen  das  gut 
machen  wollten,  was  ihre  Vorgänger  versäumt  und  verfehlt  haben  und 
uns  wenigstens  mit  einer  allgemeinen  Übersicht  über  die  Entwicklung  der 
historischen  Steingeräte  Ägyptens  erfreuen  wollten.  Es  würde  dann 
wohl  klar  werden,  dass  zwischen  diesen  und  den  paläolithischen  kein 
anderer  Zusammenhang  besteht,  als  er  durch  das  Material  selbst  gegeben 
ist.  Meiner  Meinung  nach  handelt  es  sich  da  um  völlig  getrennte 
Kulturen,  die  sonst  nichts,  rein  nichts  mit  einauder  gemein  haben. 

Soviel  über  meine  Beobachtungen  in  Theben. 


1)  Die  elenden  Abbildungen  (Z.  f.  E.  XX,  1888,  Verl).  S.  209)    geben   allerdings  nur 
eine  sehr  ungenügende  Vorstellung  von  der  grossen  Schönheit  der  Originale. 


—    319     — 

In  Helouan  kennt  man  Fundstellen  von  Kieselgeräten  auch  schon 
seit  mehr  als  25  Jahren.  Durch  die  abenteuerlichen  Kombinationen  Mooks, 
der  völlig  haltlose  Bestimmungen  angeblich  fossiler  Tierknochen  zur  Da- 
tierung seiner  an  sich  sehr  schönen  Steinfunde  benutzen  wollte,  ist  diese 
Lokalität  lange  Zeit  etwas  anrüchig  gewesen.  Ich  selbst  habe  sie  unter- 
sucht, bevor  ich  die  Verhältnisse  in  Theben  studiert  hatte  und  verfiel 
zunächst  genau  in  denselben  Fehler,  in  den  vor  M  Jahren  Lepsius  und 
Dümichen  verfallen  waren.  Ich  fand  gleich  beim  ersten  Besuche  einer 
der  dortigen  Fundstellen  auf  einer  Fläche  von  wenigen  hundert  Quadrat- 
metern gegen  hundert  schöne  prismatische  Messerchen  frei  im  Wüsten- 
sande  liegen,  alle  ganz  gleichartig  und  alle  nur  etwra  3  oder  4  cm  lang. 
Das  „konnten"  keine  Artefakte  sein  und  ich  bildete  mir  allen  Ernstes 
die  Vorstellung,  es  sei  eben  eine  natürliche  Eigenschaft  des  bei  Helouan 
anstehenden  Feuersteins,  in  dieser  Form  zu  splittern,  genau  so  wie  Schiefer 
in  Platten  spaltet  und  Salz  in  Würfeln  kristallisiert.  Erst  nach  wochen- 
langen  Nachforschungen  an  Ort  und  Stelle  fand  ich  endlich  die  Erklärung 
für  das  mir  bis  dahin  rätselhaft  gewesene  Vorkommen  dieser  der  Grösse 
nach  „sortierten"  prismatischen  Splitter.  Sie  stammen  alle  von  einer  auf 
einer  nahen  Anhöhe  gelegenen  Werkstätte  und  sind  durch  wolkenbruch- 
artige  Regen  in  die  Wüste  hinuntergeschwemmt  worden.  Dabei  hat  eine 
vollständig  natürliche  „Sortierung"  nach  der  Grösse  und  dem  Gewichte, 
teilweise  sogar  nach  der  Form  stattgefunden,  genau  so,  wie  ein  und  der- 
selbe Fluss  an  einer  Stelle  groben  Schotter  ablagert,  an  einer  anderen 
feinen  und  an  einer  dritten  nur  Sand.  Tatsächlich  finden  sich  in  Helouan 
an  der  bekanntesten,  nach  der  „einsamen  Palme"  benannten  Fundstelle 
die  kleinsten  prismatischen  Splitter  am  weitesten  entfernt  von  der  ur- 
sprünglichen Werkstätte;  je  mehr  man  sich  dieser,  nach  Osten  zu  an- 
steigend, nähert,  um  so  grösser  werden  die  Bruchstücke,  bis  man  endlich 
ganz  oben  Stücke  von  der  Grösse  eines  Kinderkopfes  und  darüber  findet. 

Sägen,  Pfeilspitzen  und  ähnliche  in  Ägypten  sicher  wenigstens  teil- 
weise schon  der  historischen  Zeit  angehörige  Kieselstücke  habe  ich  an 
dieser  Stelle  selbst  nicht  finden  können.  Aber  solche  sind  mehrfach  aus 
Helouan  bekannt  und  auch  in  unserer  Zeitschrift  sind  zwei  solche  Stücke 
von  Schweinfurth  selbst  publiziert.1) 

Die  bisher  grösste  Sammlung  von  Kieselmanufakten  aus  Helouan  be- 
findet sich  in  Koni,  im  prähistorisch-ethnographischen  Museum;  sie  ist  in 
den  Jahren  1878—1880  als  Geschenk  der  Frau  Bettoni-Haimann  und 
von  Moritz  Wagner  dahin  «-ekommen.     Ich  kenne  sie  leider  noch  nicht 


1)  XVII,  1885,  Verh.  S.  302;  vgl.  auch  Z.  f.  E.  VI,  1871.  Verh.  S.  118  mit  einer 
Liste  der  von  Dr.  Reil  damals  an  die  Gesellschaft  gesandten  Stücke.  Diese  selbst  sind 
leider  zurzeit  nicht  auffindbar;  nach  den  damals  von  R.  Virchow  gemachten  Bemerkungen 
scheinen  sie  im  allgemeinen  mehr  den  von  mir  gesammelten  Stücken  zu  entsprechen  als 
den  in  Rom  befindlichen;  zwar  werden  „sägeförmig  bearbeitete"  Stücke  ausdrücklich  er- 
wähnt, Keils  „Pfeilspitzen4  werden  aber  von  R.  Virchow  als  nicht  „unzweifelhaft"  be- 
zeichnet, können  also  nicht  den  in  Rom  befindlichen  entsprechen,  die  von  Colini  (vgl. 
die  nächste  Seite  unter  VJII)  als  ausgezeichnet  schön  beschrieben  werden. 


—     320     — 

aus  eigener  Anschauung,  gebe  aber  hier  eine  Liste,  die  ich  der  Güte  von 
Prof.  G.  A.  Colini  verdanke: 

Heluan. 

E  una  collezione  di  qualche  centinaio  di  oggetti  per  lo  piü  donati  dalla 
Sigra.  Bettoni  Haimann  e  comprende: 

I.  Strumenti  di  tipo  chelleen. 

II.  Grandi  cuspidi  di  forme  mousteriennes.  Alcune  hanno  una 
bella  patina  e  quasi  tutte  hanno  gli  spigoli  arrotondati  dalle  acque  (?),  o  a 
causa  della  confricazione  della  sabbia. 

III.  Lame  staccate  da  nuclei  o  coltelli.  Alcune  si  restringono  alla 
sommitä  terminando  quasi  a  punta. 

IV.  Nuclei. 

Queste  lame  hanno  talora  sopra  uno  o  i  due  tagli  abrasioni,  rotture 
e  lucentezza  dipendenti  certo  dall'uso. 

V.  Raschiatoi  ricavati  da  lame  piü  o  meno  lunghe  e  relativamente 
strette  mediante  minuti  ritocchi  ad  una  delle  estremitä. 

VI.  Punte  ricavate  da  una  lama  stretta  e  lunga  asportando  uno  dei 
margini  taglienti  mediante  ritocchi  piccolissimi  per  formare  una  specie 
di  dorso:  Faltro  margine  e  intatto.  Gli  spigoli  di  questi  oggetti  sono  per 
lo  piü  levigati  dalla  confricazione  della  sabbia. 

VII.  Arnesi  geometrici  a  segmento  di  circolo,  a  rombi,  a  triangoli 
ecc.  Si  ricavarono  da  piccole  lame  lasciando  intatto  uno  dei  margini  piii 
lunghi  e  riducendo  l'altro  a  un  arco  di  cerchio,  a  triangolo  ecc.  mediante 
minutissimi  ritocchi.     Sono  gli  oggetti  piü  comuni. 

VIII.  Graziosissime  freccioline  formate  abbozzandole  mediante  scheggia- 
ture  sulle  due  facce  e  finendole  con  minuti  ritocchi  ai  lati.  Vi  e  anche 
una  serie  di  queste  cuspidi  molto  grossolane  e  lavorate  soltanto  sopra  la 
faccia  esterna,  cioe  sopra  la  faccia  della  lama  che  presenta  gli  spigoli. 

IX.  Lame  per  falci  di  due  specie:  a)  formate  mediante  un  lavoro  di 
scheggiatura  sulle  due  facce  e  finite  mediante  minuti  ritocchi  sui  margini 
piü  lunghi,  uno  dei  quali  e  sempre  dentato:  b)  lame  staccate  da  un  nucleo 
e  dentate  sopra  uno  dei  margini  piii  lunghi:  nel  rimanente  conservano  i 
caratteri  della  lama.  Molte  di  queste  lame  sono  logore  per  l'uso,  e  in 
ispecie  nei  denti,  e  presentano  la  lucentezza  caratteristica  dipendente  puro 
dall'uso.  Quasi  sempre  poi  hanno  gli  spigoli  arrotondati  dalla  confricazione 
della  sabbia. 

Es  würde  wichtig  sein,  zu  erfahren,  ob  all  diese  Stücke  von  Frau 
Bettoni-Haimann  persönlich  an  Ort  und  Stelle  gefunden  sind  oder 
ob  ein  wesentlicher  Teil  von  ihnen  etwa  von  Händlern  erworben 
wurde.  Nur  im  ersteren  Falle  würde  die  Angabe  ihrer  Herkunft  natürlich 
als  sicher  gelten.  Gegenwärtig  kann  man  bei  einem  nubischen  Händler 
in  Helouan  gegen  tausend  Kieselinanufakte  jedweder  Art  kaufen  und  alle 
natürlich  mit  jeder  gewünschten  Herkunftsangabe.  Derselbe  Korb  voll, 
der  dem  harmlosen  Touristen  heute  mit  der  Fundangabe  Helouan  gezeigt 
wird,  stammt  morgen  aus  Sakkara  und  wird  einem  Dritten,  der  sich  nach 


—     321     — 

Kieselfunden  aus  iIimii  Fayum  erkundigt,  als  eben  von  dorther  eingelangt 
bezeichnet. 

Gleichwohl  muss  es  einstweilen  als  wahrscheinlich  gelten,  dass  in 
Eelouan  selbst,  neben  den  prismatischen  Splittern,  kleinen  nuclei  and 
einigen  wenigen  Stücken  vom  thebanischen  Typus,  die  ich  persönlich  da 
gefunden,  auch  sehr  feine,  schön  gemuschelte  Geräte  vorkommen.  Ks 
würde  alter  einer  Arbeit  von  vielen  Monaten  bedürfen,  die  Fundverhält- 
nisse  von  Helouan  in  ähnlicher  Weise  aufzuklären  und  für  alle  Zeil  fest- 
zulegen, wie  »lies  Schweinfurth  in  mehrjähriger  Arbeit  für  Theben 
getan  hat.  Einstweilen  erscheint  es  mir  nicht  zweckmässig,  für  das  Alter 
der  Funde  von  Helouan  jetzt  schon  eine  auch  nur  annähernde  Zeit- 
bestimmung zu  versuchen. 

Inzwischen  habe  ich  hier  diese  ganz  vorläufigen  Mitteilungen  gemacht, 
nicht  nur  einem  Wunsche  unseres  Vorsitzenden  entsprechend,  sondern 
auch,  weil  ich  es  für  meine  Pflicht  hielt,  möglichst  bald,  noch  vor  der 
ausführlichen  Veröffentlichung  meines  Berichtes  wenigstens  im  Kreise 
dieser  Gesellschaft,  davon  Zeugnis  abzulegen,  dass  ich  mich  auch  persön- 
lich von  dem  Vorkommen  zweifelloser  Manufakte  im  gewachsenen  Fels 
l»ei  Theben  überzeugt  habe. 

(1"2)    Hr.  Sei  er  berichtet  über  seine 

Studien  in  den  Kuinen  von  Yukatan. 

Der  Vortrag  wird  später  erscheinen.  — 


Zoitschritf  tür  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Hefl  :'.  .>j 


I.    Literarische  Besprechungen. 


Rapport    der    Commissie    van  Advies  betreffende  's  Rijks  Ethnographisch 
Museum.     85  Seiten.    4°.     o.  0.  u.  J.  (Leiden  1903.) 

Auf  Befehl  der  Königin  der  Niederlande  ist  unter  dem  Vorsitz  des  Herrn  J.  J.  M. 
de  Groot  eine  Komission  eingesetzt  worden,  welcher  eine  Reihe  von  Fragen,  die  auf 
einen  Museum-Neubau  Bezug  haben,  vorgelegt  worden  sind.  Die  Beantwortung  derselben 
ist  für  das  Schicksal  der  ethnographischen  Sammlung  in  Leiden  von  erheblicher  Be- 
deutung. Das  Ergebnis,  zu  welchem  die  Kommission  gelaugt  ist,  wird  auch  für  weitere 
Kreise  von  Interesse  sein.  Drei  Mitglieder  der  Kommission  haben  sich  dem  Votum  der 
Mehrheit  nicht  angeschlossen:  es  liegen  von  ihnen  besondere  Auslassungen  vor. 

Die  gestellten  Fragen  werden  der  Reihe  nach  vorgeführt,  und  jeder  einzelnen  ist 
dann  gleich  die  Antwort  der  Kommission  angeschlossen  worden.  Das  Ergebnis  dieser 
Antworten  ist,  dass  die  Kommission  den  Neubau  eines  allgemeinen  ethnographischen 
Museums  befürwortet,  denn  nur  ein  solches  entspräche  der  gestellten  Forderung  eines 
ethnographischen  Museums  in  historisch-systematischer  Form.  Neben  der  wissenschaft- 
lichen Sammlung  wird  empfohlen,  eine  Schausammlung  für  das  grössere  Publikum  auf- 
zustellen, die  wissenschaftliche  Sammlung  aber  mit  den  notwendigen  Arbeitsräumen  und 
Laboratorien,  sowie  mit  Bibliotheksräumen  auszustatten.  Das  Verhältnis  der  ethnologischen 
Sammlungen  zu  den  Altertumssammlungen  wird  derartig  zu  regeln  empfohlen,  dass  alle 
Praehistorica,  welche  den  Ländern  archäologischer  Forschung  im  engeren  Sinne,  d.  h. 
Europa,  Nordafrika  und  Westasien  angehören,  in  einem  besonderen  Altertums-Muscum, 
das  unter  besonderer  Direktion  steht,  vereinigt  werden  sollen,  während  alle  vorgeschicht- 
lichen Gegenstände  aus  den  übrigen  aussereuropäischen  Ländern  dem  ethnographischen 
Museum  überwiesen  werden  sollen,  um  bei  den  Ethnographicis  des  betreffenden  Landes 
Aufstellung  zu  finden.  Die  eigentliche  Altertumssammlung  könnte  aber  in  dem  gleichen 
Neubau  Platz  finden. 

Die  Möglichkeit,  ein  ethnographisches  Museum  nur  für  die  breiten  Schichten  des 
Volkes  einzurichten,  wird  zugegeben,  jedoch  könnte  deswegen  das  wissenschaftliche  ethno- 
graphische Museum  nicht  in  Wegfall  kommen. 

Die  Frage,  ob  die  ethnographische  Sammlung  in  Leiden  Gegenstände  besitzt,  welche 
in  einem  neu  zu  begründenden  Museum  für  ostasiatisches  Kunstgewerbe  Aufstellung  finden 
könnten,  wird  zwar  bejaht,  es  wird  jedoch  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  diese  Stücke 
der  ethnographischen  Sammlung  nicht  entzogen  werden  dürfen,  wenn  deren  wissenschaft- 
licher Charakter  nicht  leiden  soll.  Darum  müsste  für  ein  solches  Museum  der  gesamte 
Inhalt  erst  neu  herbeigeschafft  werden  und  es  würde  sich  dann  doch  empfehlen,  gleich 
ein  Museum  für  das  Kunstgewerbe  aller  Völker  zu  begründen,  das  sicherlich  grossen 
Nutzen  stiften  würde.  Das  von  der  Kommission  für  den  Bau  eines  allgemeinen  ethno- 
graphischen Museums  in  Vorschlag  gebrachte  Bauterrain  befindet  sich  in  Leiden. 

Den  entworfenen  Bauplan  sowie  die  eingehende  Äusserung  über  die  Bau-  und  Be- 
triebskosten des  geplanten  Museums  Kann  ich  hier  übergehen,  jedoch  mag  aus  den  bei- 
gefügten Sondergutachten  noch  das  folgende  mitgeteilt  werden:  Die  Herren  van  Saher 
and    van    Hasseli    widerraten    die    Einrichtung    einer    Schausammlung.     Sie    wollen    die 


—     323     — 

Errichtung  eines  wissenschaftlichen  ethnographischen  Museums  für  die  ESthnographie  von 
Niederländisch  Indien  und  ausserdem  eines  allgemeinen  ethnographischen  Museum!  ftu 
die  breiten  Schichten  der  Bevölkerung.  Mau  wird  dieser  Forderung  kaum  Beifall  zollen 
können.  Am  meisten  abweichend  von  den  Forderungen  der  Kommission  sind  die 
Äusserungen  des  Vorsitzenden  der  Kgl.  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Amsterdam,  J.  W. 
Yzerman.  Er  befürwortet  die  Errichtung  des  neuen  Museums  in  Amsterdam,  während 
in  Leiden  nur  eine  Lehrsammlung  zurückbleiben  soll  zur  Unterweisung  der  Studierenden, 
welche  dort  für  den  Dienst  in  den  indischen   Kolonien  ausgebildet  werden. 

Zur  Anziehung  des  Publikums  sollen  im  Museum  wechselnde  Ausstellungen  ver- 
anstaltet werden,  und  er  rät,  an  der  Universität  Amsterdam  einen  Lehrstuhl  für  allgemeine 
Völkerkunde  zu  kreieren.  Die  Herren  Boescr,  de  Goeje,  de  Groot,  Holwerda  und 
Schmeltz  haben  sich  danu  noch  gemeinsam  über  diese  Fragen  geäussert.  Sie  entwickeln 
ausführlich  die  Notwendigkeit,  dass  dem  Museum  der  rein  wissenschaftliche  Charakter 
erhalten  bleiben  müsse.  Die  Umformung  desselben  in  ein  Handels-Museum  oder  in  ein 
Kunstgewerbe-Museum  widerraten  sie. 

Die  fernere  Erhaltung  der  mit  dem  Museum  verbundenen  Abteilung  für  physische 
Anthropologie  halten  sie  vom  wissenschaftlichen  Standpunkte  aus  für  notwendig.  Die 
Zugänglichkeit  derselben  für  das  grosse  Publikum  erscheint  ihnen  zwecklos.  Für  die 
Wissenschaft  ist  sie  aber  gerade  in  Leiden  nutzbringend,  da  sich  dort  auch  die  reiche 
anthropologische  Sammlung  des  berühmten  anatomischen  Kabinets  befindet.  Es  wäre 
aber  überhaupt  ein  Fehler,  das  Museum  von  Leiden  fortzubringen,  da  sich  dort  die  Lehr- 
stühle für  die  orientalischen  Sprachen  befinden  und  den  Studierenden  für  die  indologischen 
Studien,  für  die  Kenntnis  des  Buddhismus,  des  Islam  usw.,  sowie  den  für  den  Kolonial- 
dienst auszubildenden  Beamten  eine  reiche  ethnologische  Sammlung  mehr  zugute  kommen 
würde,  als  einer  grossen  Zahl  grossstädtischer  Besucher,  welche  ein  ernstes  Studium  gar- 
oicht  anstreben. 

Auch  ist  nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  dass  viele  kostbare  Gegenstände  durch  den 
Umzug  nach  ausserhalb  Schaden  leiden  oder  gänzlich  zerstört  werden  würden. 

Aus  der  Feder  des  Direktors  Schmeltz  ist  dann  noch  ein  Bericht  über  den  Inhalt 
des  Leidener  Museums  beigegeben.  Obwohl  derselbe  nur  nach  grösseren  Gruppen  auf- 
geführt wird,  beweist  diese  Liste  doch  bereits  die  grosse  Reichhaltigkeit  und  die  hohe 
Bedeutung  dieser  Sammlung.  Bei  jeder  Gruppe  ist  angegeben,  ob  und  wo  sie  schon  eine 
wissenschaftliche  Bearbeitung  gefunden  hat.  Aus  diesen  Angaben  geht  deutlich  hervor, 
wie  eifrig  die  Leiter  dieser  Sammlung  bemüht  gewesen  sind,  mit  Zugrundelegung  der 
ihnen  unterstellten  Schätze  an  dem  Ausbau  der  ethnologischen  Wissenschaft  mitzuarbeiten. 
Mit  gespannter  Aufmerksamkeit  und  grösster  Teilnahme  verfolgen  die  ausländischen  Ethno- 
logen, wie  sich  das  Schicksal  dieser  ältesten  völkerkundlichen  Sammlung  der  Welt  ge- 
stalten wird.     Möge  es  zum  Segen  der  Wissenschaft  sein.  Max  Bartels. 


Hellwig,  A.,  Da>  Asylrecht  der  Naturvölker.  .Mit  einem  Vorworte  von 
.).  Köhler.  Aus  den  Berliner  juristischen  Beiträgen,  herausgegeben 
von  .1.  Köhler.     1.  Heft.     Berlin,     v.  Deckeis  Verlag,    L903.     122  8. 

Als  eine  erfreuliche  Tatsache  müssen  wir  es  vom  Standpunkte  der  Ethnologie  aus 
begrüssen,  dass  die  moderne  verjüngte  Jurisprudenz,  wie  sie  sich  in  der  Kohlerschen 
Schule  verkörpert,  abermals  ein  offenes  Zeugnis  für  ihren  engen  Zusammenhang  mit  der 
modernen  Ethnologie  abgelegt  hat;  denn  gerade  ein  Beitrag  zu  der  auf  ethnologischer 
Grundlage  beruhenden  vergleichenden  Rechtswissenschaft  ist  es.  mit  welchem  Kohler  die 
Reihe  der  von  ihm  herausgegebenen  „Berliner  juristischen  Beiträge  zu  Zivilrecht,  Handels- 
recht, Strafrecht  und  Strafprozess  und  zur  vergleichenden  Rechtswissenschaft"  beginnen 
lässt.  Kohler  selbsl  hat  der  vorliegenden  Schrift  über  das  Asylrecht  der  Naturvolker 
ein  Vorwort  gewidmet,  auf  welches  wir  hier  wegen  seiner  treffenden  Kritik,  zumal  vom 
juristischen  Standpunkte  aus,  verweisen  müssen. 

In  einer  kurzen  Einleitung  legt  Verfasser  den  Bi  griff  und  die  verschiedenen  Arten 
de-,  Asylrechts,  wie  er  (.s  Beiner  folgenden  Darstellung  zugrunde  gelegt,  fest.     Er  versteht 

21 


—     324     — 

uuter  Asyl  diejenige  Rechtseinriehtung  einer  bestimmten  Rechtsgemeinschaft,  welche  be- 
stimmten Personen  oder  Orten  die  rechtliche  Macht  verleiht,  allen  oder  gewissen  Personen, 
welche  des  Rechtsschutzes  dieser  Rechtsgemeinschaft  entbehren,  dauernd  oder  für  gewisse 
Zeit  Rechtsschutz  angedeihen  zu  lassen.  Auch  wir  können  mit  Kohl  er  dem  in  dieser 
Definition  zum  Ausdruck  gebrachten  Ausschluss  des  zeitlichen  Asylrechts  nicht  bei- 
stimmen. 

In  drei  weiteren  Kapiteln  folgt  dann  die  eingehende  Behandlung  des  Asylrechts  in 
Australien  und  in  der  Südsee,  in  Afrika  und  in  Amerika.  Mit  Recht  sieht  Verfasser  seine 
Hauptaufgabe  bei  dieser  universalgeschichtlichen  Darstellung  des  Rechtsinstituts  darin, 
das  letztere  überall  in  seinem  Zusammenhange  mit  den  bei  der  betreffenden  Bevölkerungs- 
einheit vorliegenden  wirtschaftlichen,  rechtlichen  und  psychologischen  Verhältnissen  zu 
erfassen.  Gerade  aber  infolge  dieser  Methode  tritt  recht  deutlich  hervor,  wie  wichtig  für 
die  auf  den  Gebieten  von  Nachbarwissenschaften  erwachsenen  Bearbeitungen  irgendwelcher 
Verhältnisse  der  Naturvölker,  der  intimere  Zusammenhang  des  Verfassers  mit  der 
modernen,  in  den  letzten  Dezennien  auf  ganz  neuer  Basis  begründeten  und  von  ganz 
anderen  Ausblicken  geleiteten  Ethnologie  ist.  Die  letztere  muss  sich  aufs  Entschiedenste 
verwahren  gegen  so  allgemein  gehaltene  Urteile,  wie  sie  Verfasser  z.  B.  auf  S.  10G  mit 
Bezugnahme  auf  die  zur  Zeit  doch  als  veraltet  anzusehende  Anthropologie  von  Waitz 
über  die  Kulturverhältnisse  der  („in  Betracht  kommenden"  ?)  Indianerstämme  gilt.  Auf 
die  südamerikanischen  Indianer,  von  denen  auf  S.  122  bei  der  Schilderung  des  Sklaven- 
asylrechts  die  Guaikurü  angeführt  werden,  stimmt  nebenbei  die  gegebene  allgemeine 
Charakteristik  absolut  nicht. 

Kohler  weist  in  seiner  Vorrede  darauf  hin,  dass  im  Gegensatz  zum  Verfasser  nur 
da  das  Asyliustitut,  das  ein  Sicherungsinstitut  ist,  anzunehmen  sei,  wo  es  sich  um  eine 
besondere  Schutzeinrichtung  handelt.  Ich  möchte  dem  von  Kohler  hier  angeführten 
Falle,  dass  das  sog.  Bondo-  oder  Tombika-Institut  (nach  welchem  ein  Sklave,  um  seinem 
Herrn  zu  entgehen,  bei  einem  anderen  Herrn  irgendwelche  Unbill  verübt,  welche  eine 
Übergabe  an  diesen  Verletzten  zur  Folge  hat)  zu  Unrecht  dem  Asylinstitut  zugezählt  wird, 
noch  die  vielen  Fälle  hinzufügen,  in  denen  nach  meiner  Meinung  ohne  Grund  der  Fremden- 
schutz ohne  weiteres  mit  dem  Asylinstitut  verquickt  wird,  Das  für  dieses  meiner  Meinung 
nach  unrichtige  Ergebnis  liegt  in  der  konsequenten  Durchführung  des  auf  Seite  2  vom 
Verfasser  aufgestellten  Satzes:  „Rechtsschutz  geniessen  in  primitiven  Rechtsgemeinschaften 
nur  die  Genossen,  welche  nicht  durch  Verletzung  des  durch  die  Gemeinschaft  garantierten 
Rechtes  eines  anderen  Rechtsgeuossen  sich  dieses  Rechtsschutzes  unwert  gezeigt  haben." 
Die  uns  von  Forschern  über  die  Rechtsverhältnisse  der  Naturvölker  gegebenen  brauch- 
baren Angaben  sind  bisher  noch  viel  zu  dürftig,  um  ein  endgiltiges  Urteil  über  die  Richtig- 
keit eines  derartigen  a  priori  aufgestellten  Grundsatzes  zu  geben.  Jedenfalls  aber  er- 
scheint es  praktisch,  fürs  erste  alle  diejenigen  Fälle  des  Fremdenschutzes  aus  der 
Schilderung  des  Asylrechtes  auszuschalten,  wo  dieser  Fremdenschutz  nicht  nachweisbarer 
Massen  auf  der  einem  bestimmten  Orte  oder  einer  bestimmten  Person  (oder  auch  einer 
bestimmten  Zeit)  von  der  Rechtsordnung  verliehenen  Macht,  einen  solchen  Schutz  aus- 
zuüben, beruht. 

Abgesehen  von  diesen  Einwendungen  muss  die  vorliegende  eingehende  Abhandlung 
als  eine  willkommene  Bereicherung  der  auf  dem  Grenzgebiet  zwischen  Jurisprudenz  und 
Ethnologie  erwachsenen  Wissenschaft  betrachtet  werden,  und  wir  können  den  weiteren 
vom  Verfasser  in  Aussicht  gestellten  Darstellungen  des  asiatischen  Asylrochts  und  der 
Philosophie  des  Asylrechts  mit  den  besten  Hoffnungen  entgegensehen. 

Max  Schmidt. 


tfietzold,  Johannes,  \)r.  jur.,  Die  Ehe  in  Ägypten  zur  ptolemäisch- 
römischen  Zeit,  nach  den  griechischen  Heiratskontrakten  und  verwandten 
Urkunden.     Leipzig,  Veit  &  Co.,   L903.    8°. 

In  die  Linie  der  von  Mitteis  erfolgreich  erschlossenen  juristischen  Richtung  stellt 
sich  Nictzolds  Arbeit,  welche  die  griechischen  Papyrusfunde  in  Ägypten  zusammenfassend 
verwertet  um  aus    ihnen    die  Bestimmungen,    welche   sich  für  die  Ordnung  des  sexuellen 


—     825     - 

Lebens  ergeben,  herauszudestillieren.  In  dem  ptolemäischen  Staat,  auf  den  Bich  Nictzolds 
Ausführungen  vorwiegend  beziehen,  spielte  das  Griechentnm  zwar  eine  führende  Kolli*, 
nichtsdestoweniger  machten  sich  aber  unter  den  Lagiden  ägyptisch  antikisierende  Tendenzen 
mächtig  geltend.  Auch  auf  dem  Gebiete  des  Eherechts  zeigen  sich  im  allgemeinen  die 
griechischen  Sitten  der  herrschenden  Schicht  zu  schwach,  um  die  vom  Volke  getragenen 
ägyptisch-orientalischen  Überlieferungen  überwinden  zu  können. 

Die  Ehe  kann  als  „prinzipiell  monogam"  bezeichnet  werden',  wenn  auch  das  Halten 
von  Nebenfrauen  und  Kebsweibern  üblich  ist.  Mädchen  heiraten  vom  12.  Jahre  ab, 
Jünglinge  vom  15.  Jahre  ab  —  wie  auch  in  Rom.  Ehehindernisse  kennt  man  hier  eben- 
sowenig wie  in  Hammurabis  Gesetz;  ist  doch  die  Geschwisterehe  eine  in  Ägypten  seil 
den  ältesten  Zeiten  bekaunte  Erscheinung.  Zur  Abschliessung  einer  ägyptischen  Volk  he 
wird,  wie  in  Babylon  und  Ninive,  Schriftlichkeit  gefordert  (eyyQixpos  yafiog);  damit  hängt 
auch  die  Bestellung  der  Mitgift  zusammen,  während  die  später  völlig  missverstandene, 
rätselhafte  donatio  propter  nuptias,  wie  schon  Mitteis  erkannte,  an  die  Form  der  Kauf- 
ehe anknüpft.  Eine  andere,  übrigens  auch  im  Osten,  im  syrischen  Rechtsbuch  und  bei 
den  Hebräern  vorkommende  Form,  die  dort  mit  verschiedenen  Efochzeitsbräuchen  —  der 
Krönung  der  Braut,  teilweise  auch  des  Bräutigams,  ein  Brauch,  der  sich  in  Syrien  bis 
heute  erhalten  hat  (vgl.  Brassloff,  Zur  Kenntnis  dos  Volksrechts,  190-2)  —  zusammen- 
hängen, ist  die  schriftlose  Ehe  (äyga<pog  yä/tog).  Bei  dieser  wird  Virginität  gefordert,  sie 
trägt  provisorischen,  aber  nicht  auf  eine  bestimmte  Zeitspanne  beschränkten  Charakter  und 
ist  häufig  die  Vorstufe  zur  Schriftehe.  Diese  letztere,  bei  verschiedenen  Völkerstämmen 
später  eingeführte  Eheform  ist  die  eigentliche  Daucrehe.  Die  Scbriftehe  kounte  doch 
sicher  nur  in  Staaten  mit  ausgebildetem  Schreiberwesen,  wie  im  Zweistromland  und  am 
Nil  zur  Ausbildung  kommen.  Bei  Priesterheiraten  legte  man  auf  den  Nachweis  der  Ab- 
stammung grosses  Gewicht.  Sklavenehen,  die  der  Westen  nicht  kennt  (ausser  bei  den 
coloni),  sind  in  den  orientalischen  Fändern,  wo  der  Sklave  wirtschaftlich  selbständiger  ist, 
allgemein  üblich  und  auch  im  ptolemäischen  Ägypten  eingebürgert.  Der  Mann  hat  für 
den  Unterhalt  der  Frau  zu  sorgen.  Die  Rechte  der  Frau  an  der  Mitgift,  deren  Aus- 
bezahlung  für  sie  zugleich  Erbabfindung  bedeutet,  wie  bei  Hammurabi,  werden  dem  Manne 
gegenüber  aufs  strengste  gewahrt.  Eine  wichtige  Rolle  spielen  auch  die  nicht  selten  hohen 
Scheidungsstrafen,  denen  wir  auch  in  den  babylonischen  Kontrakten  oft  begegnen.  Bei 
der  Schriftehe  steht  dem  Vater  eine  viel  weitreichendere  väterliche  Gewalt  zu,  als  bei  der 
schriftlosen  Ehe,  bei  der  die  Kinder  namentlich  vermögensrechtlich  selbständiger  gestellt 
sind.  Aber  in  keinem  Falle  trifft  Kinder,  auch  nicht  wenn  sie  „vaterlos"  sind,  ein  gesell- 
schaftlicher Makel.  Der  griechische  Einfiuss  kommt  bei  allen  Eheverträgen,  von  denen 
formell  mehrere  Gattungen  zu  unterscheiden  sind,  dadurch  zur  Geltung,  dass,  während 
die  ägyptisch- demotischen  Kontrakte  vor  dem  Priester,  die  Vorträge  der  griechisch- 
römischen Zeit  bei  besonderen  Ämtern  abgeschlossen  werden.  Auch  inhaltlich  zeigen  sieh 
mannigfache  Verschiedenheiten,  so  wird  später  ein  geuaues  Signalement  der  beim  Vertrags- 
abschluss  beteiligton  Personen  eingeführt.  Die  Stellung  der  Frau  erscheint  durch  Be- 
tonung des  Gehorsams  in  den  griechischen  Verträgen  und  die  Einrichtung  der  griechische]] 
Geschlechtsvormundschaft,  die  erst  in  römischer  Zeit  (Constantiu)  verschwindet,  juristisch- 
formell ungünstiger.  Griechischen  Ursprungs  ist  auch  das  Testament,  das  in  igypten 
anfänglich  den  Heiratskontrakten  angeschlossen  worden  und  ovyygacpodia&Tjxr,  hiess.  In 
römischer  Zeit  wurde  für  die  Garnisonen  von  Söldnern,  die  sich  nicht  verheiraten  durfton, 
besondere  Ordnungen  des  Konkubinats,  ähnlich  wie  heute  für  Soldaten  in  exotischen 
Garnisonen,  getroffen. 

Wie  viel  von  den  orientalisch-ägyptischen  (Institutionen  Ägypten  eigentümlich,  wie 
viel  etwa  aus  Vorderasien  durchgesickert  ist,  das  zu  entscheiden,  muss  vertagt  werden, 
bis  uns  ein  günstiges  Geschick  ausführlicheres,  als  wir  bisher  über  altägyptisches  Rocht 
wissen,  bescheort.  Revillouts  Vermutungen  haben  ja  oft  ebensoviel  für  sieb  wie 
gegen  sich. 

Nietzold  hat   zweifellos  eine  ebenso  schwierige  wie  verdienstvolle  Arbeit  geh 
Nichtsdestoweniger  will   es   uns   scheinen,   dass  er   durch    reichlicheres  Heranziehen  der 
vorhandenen  Dokumente  geschäftlichen  und  politischen  Inhalts   in  seinem  Buch,    das  ein 
Bild  einer  ganzen  Institution  innerhalb  eines    nichl    geringen  Zeitraumes   geben  will,    die 


—    326     — 

juristischen  Formen  plastischer  aus  den  realen  Verhältnissen  des  Lebens  heraus  zu  meisseln 
vermocht  hätte.  Dadurch  würden  die  Bedingungen  staatlicher  Überlieferungen,  die  Be- 
deutung von  Volkssitten  beim  Zusammentreffen  verschiedener  ethnischer  Bestandteile  im 
ptolemäischen  Ägypten  noch  sichtbarer  geworden  sein.  R.  Thurnwald. 


Chalikiopoulos,  Leonidas,  Sitia,  die  Osthalbinsel  Kretas.  Eine  geo- 
graphische Studie.  Mit  3  Tafeln  und  8  Abbildungen.  Heft  4,  April  L903 
der  Veröffentlichungen  des  Instituts  f.  Meereskunde  u.  d.  Geographischen 
Instituts  a.  d.  Univ.  Berlin,  hergb.  von  F.  v.  R iehthofen;  Verlag  von 
S.   Mittler  &  Sohn.     138  Seiten. 

Die  mit  Methode  und  grosser  Akribie  durchgeführte  Abhandlung  betrifft  ein  nur 
kleines  Teilgebiet  der  Insel  Kreta.  Der  weitaus  grösste  Teil  der  Arbeit  (S.  1—119)  be- 
handelt die  physische  Geographie  der  Halbinsel.  Auf  eine  sehr  ausführliche  Topographie 
folgt  die  ebenso  eingehende  Behandlung  der  rein  geologischen  und  morphologischen  Ver- 
hältnisse im  Richtho fenschen  Sinne.  —  Den  Lesern  dieser  Zeitschrift  dürften  allein  die 
etwas  kürzer  geratenen  kulturgeographischen  Abschnitte  über  Siedelungen,  Wirtschafts- 
formen und  Bevölkerungsverhältnisse  von  Interesse  sein  (S.  121 — 138). 

Die  Lage  der  Siedelungen  ist  vor  allem  durch  die  Nähe  von  Quellen  und  frucht- 
barem Boden  bestimmt  worden;  es  sind  verhältnismässig  nur  wenige  Orte  auf  Zisternen- 
wasser angewiesen.  Merkwürdigerweise  war  die  Küste  fast  garnicht  besiedelt  und  erst  in 
neuerer  Zeit  haben  sich  einige  kleine  Seehandelsplätze  eingefunden.  Auch  die  Grösse  der 
TD  Siedelungsplätze  der  Halbinsel  ist  abhängig  von  geographischen  Momenten.  In  West- 
Sitia  überwiegen  die  grossen  Ortschaften,  in  Ost-Sitia  die  kleinen.  Auffallenderweise 
finden  sich  die  meisten  und  grössten  in  der  Höhenlage  von  300—400  m,  vermutlich  wegen 
des  Quellenreichtums  und  der  grösseren  Ebenheit  gerade  dieser  Höhenzone.  Beachtung 
verdienen  auch  die  Ausführungen  über  die  Wirtschaftsformen.  Eigentümlich  sind  die 
Saisondörfer,  zeitweise  bewohnte  Siedelungen,  deren  Bewohnerschaft  einem  nahegelegenen 
Mutterdorfe  entstammt  und  die  Kultur  einer  in  letzterem  nicht  gedeihenden  Pflanze  (Wein, 
Ölbaum)  betreibt.  Der  Kleingrundbesitzer  herrscht  vor;  Lohnarbeiter,  Herren  und  Knechte 
fehlen.  Die  Lebenshaltung,  die  Nahrung  ist  aber  eine  sehr  kärgliche  und  zu  einem  leb- 
hafteren wirtschaftlichen  Aufschwung  haben  es  die  unsicheren  politischen  Zustände  nicht 
kninmen  lassen.  K.  Kretschmer. 


Preyer,  Axel,  Indo-malayische  Streifzüge.  Beobachtungen  und  Bilder 
aus  Natur  und  Wirtschaftsleben  im  tropischen  Süd-Asien.  Mit  ."><)  Ab- 
bildungen. Leipzig  (Th.  Griebens  Verlag.  L.  Fernau)  1903.  8°. 
•287   Seiten. 

Der  Verfasser  hatte  seine  Reise  nach  dem  malayischen  Archipel  im  Auftrage  des 
Kolonialwirtschaftlichen  Komitees  in  Berlin  unternommen.  So  hat  er  seine  Aufmerksamkeit 
auch  in  erster  Linie  der  Nutzllora  Indiens  und  der  dort  geübten  Agrikultur  und  Plantagen- 
Wirtschaft  zugewendet.  Hierüber  macht  er  viele  und  anregende  Mitteilungen,  welche 
wohl  ein  allgemeineres  Interesse  erwecken  werden.  Aber  auch  die  Schilderungen  von 
Land  und  Leuten,  sowie  von  dem  Leben  der  europäischen  Ansiedler  in  diesen  Ländern 
finden  ihre  Berücksichtigung.  So  werden  wir  nach  Ceylon,  Singapore,  Sumatra  und  Java 
gefohlt.  Über  die  letztere  Insel  verbreitet  sich  der  Verfasser  am  ausführlichsten.  Viel- 
fach sind  dem  Bache  Betrachtungen  sozial-politischer  Natur  eingestreut,  besonders  über 
das  Verhalten  der  Europäer  in  den  Kolonien  gegenüber  der  eingeborenen  Uevölkerung. 
Eine  Anzahl  von  Abbildungen,  meist  Vegetationsbilder  vorführend,  sind  dem  Texte  ein 
gefügrt  worden.  Max  Bartels. 


IV.   Eingänge  für  die  Bibliothek.1 


1.  Giuffrida-Ruggeri,  V.,  La  maggiore  variabilitä  dclla  donna  ...  Firenzc  1903. 

(Aus:  Monitore  Zoologico  Italiano.)     Gesch.  d.  Verf. 

2.  Derselbe,    I    dati    dell'    antropologia    e  il   criterio    cronologico  ...  Padova  1904.     B 

(Aus:   Uivista  di  Storia  Antica.)     Gesell,  d.  Verf. 
:'>.    Müller,  F.  W.  K.,  Handschriften-Beste  in  Estrangelo-Schrift  aus  Turfan,  Chinesisch- 

Turkistan.     Berlin  1904.   8°.    (Aus:  Sitzungsb.  d.  Kgl.  Pr.  Akademie  der  Wissen- 
schaften IX.)    Gesch  d.  Verf. 
1.    Tischler,  Otto,    Ostproussische  Altertümer    aus    der    Zeit    der    grossen   Gräberfelder 

nach    Christi  Geburt  .  .  .  Herausg.    von    Heinrich    Kemke.     Königsberg  i.  Pr.: 

W.  Koch,  1902.     1".     Angekauft. 
5.    Aisberg,  Moritz,  Rassenmischung  im  Judentum.     Hamburg:  J.  F.  Richter  1891.    8". 

Angekauft. 
<i.    Derselbe,    Erbliche  Entartung   bedingt  durch    soziale  Einflüsse.    Kassel  und  Leipzig: 

Th.  G.  Fischer  &  Co.  1903.     8°.     Vom  Verleger. 

7.  Mies,  Joseph,    Über  die  grösste  Breite  des  menschlichen  Hirnschädels  .  .  .  Vollendet 

und    herausg.  von  Paul  Bartels.     Stuttgart:    E.  Nägele  1904.     8".     (Aus:  Zeit- 
schrift für  Morphologie  und  Anthropologie  VII.)    Gesch.  d.  Verf. 

8.  Bartels,  Paul,    Untersuchungen    und  Experimente  an  15  000  menschlichen   Schädeln 

über  die  Grundlagen    und  den  Wert  der  anthropologischen  Statistik.     Stuttgart : 

E.  Nägele  1904.     8".     (Aus:    Zeitschr.   f.  Morphologie    und  Anthropologie  VII. 
Gesch.  d.  Verf. 

9.  Schwalbe,  G.,  Die  Vorgeschichte  des  Menschen.     Braunschweig:  F.  Vieweg  u.  Sohn 

1904    8".     Vom  Verleger. 

10.  Schweiger-Lerchenfeld,   A.  v.,   Die  Frauen    des  Orients.     Lief.  21  —  25  (Schluss  . 

Wien:  A.  Hartleben  1904.    4".    Vom  Verleger. 

11.  Champion,   M.  Pauk   Industries    anciennes    et   modernes    de   l'empire    Chinois.  par 

M.  Stanislas  Julien.     Paris:  E.  Lacroix  18G9.     S".     Angekauft. 

12.  Schmeltz,  J.  D.  B.,    Fatsoen  en  Eerlijkheid.     De  redaetie  van  de  Gids  ...  Leiden: 

F.  .1.  Brill  1904.    8°.    Gesch.  d.  Verf 

L3.    Kohlbrugge,  J.  II.  F.,  Stadt  und  Land  IL    Greifswald  L903.    8°.    (Aus:    Internat 

Gentralblatt  für  Anthropologie.)    Gesch.  d.  Verf. 
11.    Schliz,  A..    Fränkische  und   alamanische  Kunsttätigkeit    im    frühen   Mittelalter  nach 

dem  Bestand  der  schwäbischen  Grabfelder.    Heilbronn:  Historischer  Verein,  1904. 
Aus:  Fundberichte  aus  Schwaben  XL)    Gesell    d,  Verf. 
15.   Lüdemann,    K..    Das    Gräberfeld    von    Kricheldorf,    Kr.  Salzwedel,    Prov.    Sachsen. 

Braunschweig  1904.     I".    (Aus:  Archiv  für  Anthropologie.)    Gesch.  d.  Verf. 


1)  Di''  Titel  der  eingesandten  Bücher  und  Sonder-Abdrücke  werden  regelmässig  hier 
veröffentlieht,  Besprechungen  der  geeigneten  Schriften  vorbehalten.  Rücksendung  un- 
verlangter Schriften  findet  nicht   -tatt. 


—     328     — 

16.  Ihering,  H.  v.,  The  anthropology  of  tlic  State  of  S.  Paulo,  Brazil.     S.  Paulo:  Duprat 

et  Co.  1904.    8°.     Gesch.  d.  Verf. 

17.  Köhler,  Arthur,    Verfassung,  soziale  Gliederung',    Recht  und  Wirtschaft  der  Tuareg. 

Gotha:  F.  A.  Perthes  1904.    Sn.     (In:  Karl  Lamprechts  Geschichtliche  Unter- 
suchungen II,  1.)     Vom  Verleger. 

18.  Jaekcl,  Otto,  K.  A.  v.  Zittel,  der  Altmeister  der  Paläontologie.     Jena:    G.  Fischer 

1904.     8°.     (Aus:  Naturwissenschaftl.  Wochenschrift.)     Gesch.  d.  Verf. 

19.  Festschrift    des    Coppernicus-Vereins    zur    Feier    seines    50  jährigen    Jubelfestes    am 

19.  Februar  1904  ...  von  K.  Boethke.     Thorn:    E.  Lambeck    1904.    8°.     Vom 
Verein. 

20.  Günther,  S.,  Ziele,  Richtpunkte  und  Methoden  der  modernen  Völkerkunde.    Stuttgart: 

F.  Enke  1904.     8°.    Vom  Verleger. 

21.  Wächter,  Wilhelm,  Das  Feuer  in  der  Natur,  im  Kultus  und  Mythus,  im  Völkerlebcn. 

Wien  und  Leipzig:  A.  Hartleben  1904.    8°.     Vom  Verleger. 

22.  Katalog    der   mittelalterlichen    Miniaturen    des    Germanischen  Nationalmuseums  .  .  . 

von  E.  W.  Bredt.     Nürnberg  1903.     8°.     Vom  German.  Museum. 

23.  Führer  durch  das  Kgl.  Museum  für  Völkerkunde.     11.  Aufl.     Berlin:  G.  Reimer  1904. 

8°.     Von  der  Generalverwaltung. 

24.  Frobenius,  Leo,    Das  Zeitalter  des  Sonnengottes.     Bd.  I.     Berlin:    G.  Reimer  1904. 

8°.     Vom  Verleger. 


(Abgeschlossen  den  21.  März  1901.) 


I.   Abhandlungen  und  Vorträge. 


1.   Gewerbe  in  Ruanda.1) 

Von 

Richard  Kandt. 

(Hierzu  4  Tafeln.) 

Ich  hatte  ursprünglich  beabsichtigt,  Ihnen  nur  die  Technik  einiger 
Gewerbe  zu  schildern,  die  ich  während  eines  fast  vierjährigen  Aufent- 
haltes in  Ruanda  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte;  nachdem  aber  durch  die 
Güte  des  Vorstandes  die  sonst  übliche 


Fig.  1. 


zeitliche  Beschränkung  für  meinen  Vor- 
trag aufgehoben  wurde,  ist  es  mir 
möglich,  auch  der  sozialen  Seite  der 
Gewerbe  von  Ruanda  einige  Worte 
zu  widmen.  Zunächst  aber  wird  es, 
glaube  ich,  nötig  sein,  zu  Ihrer  Orien- 
tieruno- wenigstens  einige  AVorte  über 
das  Land  zu  sagen,  in  dem  ich  meine 
Beobachtungen  gewann.  Ich  werde 
mich  aber  auf  das  wichtigste  be- 
schränken. Für  viele  unter  Ihnen 
wird  der  Name  Ruanda  ein  fremder 
Schall  sein,  wie  er  es  vor  10  Jahren 
noch  für  fast  jeden  von  uns  war.  Erst 
Graf  Götzen  war  es,  der  vor  noch 
nicht  9  Jahren  uns  die  erste  sichere 
Nachricht  über  dies  von  früheren 
Reisenden  unbetretene  und  von  Arabern 
und  Küstenleuten  mit  seltsamen  Ge- 
rüchten verschleierte  Land  brachte. 
Auf  der  Karte  Afrikas  finden  Sie  es 

dicht  unter  dem  Äquator,  nämlich  zwischen  1  und  27B°  südl.  Breite  und 
k2872  bis  31°  östl.  Länge.  Mit  seinem  südlichen  Nachbarlande  ürundi 
bildet  das  1500 — 3000  m  hohe  Gebirgsland  gleichsam  das  Dach  des  äqua- 
torialen Afrika.  Der  Schiit/.,  den  die  rauhe  Gebirgsnatur  des  Landes  und 
die  abschreckende  legendenbildende  Kraft  tätiger  Vulkane  den  Bewohnern 


V  Nach  einem  in  der  Sitzung  vom  27.  Juni   L903   gehaltenem  Vortrage. 
Ziitsclirilt  für  Ethnologie.    Jahrg.  19J4.    Heft  8  u.  I.  ^ 


—     330     - 

gab,  wurde  noch  durch  einige  andere  Momente  erhöht.  Fast  in  allen 
Himmelsrichtungen  wird  es  von  starken  natürlichen  Grenzen  umrahmt;  im 
"Westen  dehnt  sich  der  grosse  zentral-afrikanische  Graben  und  die  bis  fast 
3000  m  hoch  ansteigende,  von  Urwald  bedeckte  Wasserscheide  zwischen  Ml 
und  Kongo;  auf  der  Sohle  des  Grabens  ruht  der  breite  Kiwusee.  Im  Osten  und 
Südosten  bilden  die  enormen  Sumpftäler  des  Kagera  und  Akanjaru,  im  Süd- 
west die  Wildnis  eines  viele  Tagereisen  breiten  Urwald-Gürtels,  im  Nord- 
westen die  bis  4500  m  hohen  Vulkane,  die  sich  wie  eine  Mauer  vor  den 
nordwestlichen  Ausgang  schieben,  eine  starke  Grenze.  Nur  im  Nordosten 
klafft  in  ihr  eine  Lücke  und  von  hier  aus  zog  wohl  auch  alles,  was  an  Freud, 
Leid  und  fremdem  Einfluss  zu  den  Wanjaruanda  kommen  sollte,  bei  ihnen 
ein.  Diejenigen  unter  Ihnen,  die  Götzen  gehört  oder  gelesen  haben, 
werden  sich  erinnern,  wie  sehr  es  ihn  frappierte,  als  er  in  Ruanda  alle 
Verwaltungsstellen,  vom  König  bis  zur  kleinsten  Häuptlingschaft  hinab,  in 
den  Händen  des  von  der  grossen  Masse  der  Bantu- Bevölkerung  ganz 
verschiedenen  Stammes  der  Watussi  fand  (Fig.  1).  Diese  Watussi  waren 
uns  schon  aus  anderen  Ländern:  Uganda,  Unjoro  u.a.,  als  Wahuma  oder 
Wahima  bekannt.  Man  hält  sie  allgemein  für  Abkömmlinge  hamitischer 
oder  semitischer  Galla  aus  dem  Süden  und  Osten  Abessyniens,  ja  man 
glaubt  sogar,  die  Völkerbewegungen  und  Kämpfe  zu  kennen,  die  sie  nach 
Südwesten  drängten.  Aber  all  dies  schwebt  noch  sehr  in  der  Luft,  so- 
lange nicht  aus  linguistischen  oder  ethnographischen  Momenten  ein  sicherer 
Zusammenhang  abgeleitet  werden  kann.  Sicher  ist  nur,  dass  die  Watussi 
nicht  Bantu,  sondern  hamitischen  oder  semitischen  Stammes  sind  und  dass 
sich  auch  in  ihren  Traditionen  geringe  Spuren  semitischer  Geisteskultur 
finden.  Ihre  Sprache  ist  heute  die  des  von  ihnen  unterworfenen  Volkes, 
ist  eine  Bantu-Sprache.  Ob  auch  noch  Reste  semitischer  Elemente  in  ihr 
enthalten  sind,  werde  ich  zu  erforschen  suchen,  sobald  die  Beendigung 
meiner  geographischen  Arbeiten  mir  die  Zeit  dazu  geben  wird.  Eine  ober- 
flächliche Vergleichung  aber  mit  dem,  was  über  die  Sprachen  der  Galla- 
Völker  publiziert  ist,  lehrte  mich  schon,  dass  nach  dieser  Richtung  hin 
für  eine  Verwandtschaft  der  Watussi  mit  den  Galla  wohl  wenig  zu  holen 
sein  wird.  Das  erscheint  um  so  auffallender,  wenn  wir  an  ein  anderes 
Volk  semitischer  Abkunft  in  Ost- Afrika,  an  die  Massai,  denken,  deren 
Sprache  noch  ganz  aus  semitischen  Elementen  sich  zusammensetzt.  Aber 
freilich,  die  Massai  sind  bis  heute  ohne  engere  Verbindung  mit  anderen 
Völkern  geblieben,  während  die  Watussi  in  den  von  ihnen  eroberten 
Ländern  eine  (heute  etwa  272  bis  3  Millionen)  starke  Bantu-Bevölkerung  vor- 
fanden, so  dass  auch  hier  der  weltgeschichtliche  Vorgang  sich  wiederholen 
konnte:  victa  graecia  romanos  victores  superavit.  Ausser  den  Watussi  und  der 
von  ihnen  unterworfenen  Bantu-Bevölkerung,  die  sich  Wahutu  nennt,  leben 
in  Ruanda  noch  Reste  eines  Zwergstammes,  die  sogen.  Batwa,  über  die  später 
bei  der  Töpferei  einiges  zu  sagen  sein  wird.  Mit  diesen  flüchtigen  An- 
deutungen muss  ich  mich  begnügen,  um  meinem  eigentlichen  Thema  nicht 
zu  viel  Zeit  zu  rauben. 

Es  ist  vielleicht,  um  mir  später  abschweifende  Erklärungen  der  Termini 
technici   zu   ersparen,    gut,    wenn   ich   zunächst  die  Grundformen  des  Ge- 


—    331     — 

werbes  wie  sie  von  Nationalökonomen  —  in  sehr  klarer  Form  z.  B.  von 
Karl  Bücher  —  unterschieden  werden,  kurz  aufzähle.  Bücher  trennt 
das  Gewerbe  einmal  von  der  Urproduktion,  also  Landwirtschaft,  Viehzucht, 
Jagd,  Fischfang,  Bergbau  usw.,  andererseits  vom  Handel  und  Transport- 
wesen und  zum  dritten  von  den  höheren  persönlichen  Dienstleistungen 
des  Arztes,  Lehrers  usw.  Das  Gewerbe  wieder  scheidet  er  —  die  höchsten 
nur  in  sein-  entwickelten  Wirtschaftsgebieten  vorkommenden  Formen  werde 
ich  unerwähnt  lassen  —  in  folgende  Betriebssysteme: 

1.  Den  Hausfleiss  als  Nebenbetrieb  der  Urproduktion,  d.  h.  die 
Rohstoffe  werden  in  derselben  Wirtschaft  verarbeitet  und  verbraucht, 
in  der  sie  gewonnen  werden. 

2.  Eine  höhere  Stufe  des  Hausfleisses  entsteht,  wenn  Über- 
schüsse der  gewonnenen  Produkte  g-eleo-entlich  s-egen  andere  aus- 
getauscht  werden. 

3.  Eine  dritte  Betriebsform  ist  das  Lohnwerk;  hier  liefert  der  Aus- 
über des  Gewerbes  nur  sein  Handwerkszeug  und  seine  technische 
Geschicklichkeit,  während  er  die  Rohstoffe  von  dem  Urproduzenten 
zur  Verarbeitung  erhält.     Diese  kann  entweder 

a)  im  Hause  des  Bestellers  stattfinden,  als  sogen.  Stör,  ein 
Ausdruck,  der  den  Süddeutschen  unter  Ihnen  sehr  geläufig 
sein  wird,  oder 

b)  im  eigenen  Hause  des  Gewerkers,  als  Heim  werk. 

4.  Beim  Preiswerk  oder  Handwerk  endlich  ist  Verarbeitet'  und 
Eigentümer  des  Rohstoffs  ein  und  dieselbe  Person,  wie  beim  Haus- 
fleiss, aber  die  Arbeit  geschieht  professionsmässig  für  fremden 
Bedarf. 

So  klar  und  einfach  wie  in  den  Enzyklopädien  der  Staatswissenschaft 
lassen  sich  in  der  Wirklichkeit  die  afrikanischen  Gewerbe  nicht  scheiden, 
vielfach  sind  gerade  Verbindungen  der  einen  oder  anderen  Form  das 
Charakteristische.  Nach  Schurz,  der  die  soziale  Seite  der  afrikanischen 
Gewerbe  vielleicht  am  eingehendsten  studiert  und  das  Quellenmaterial 
am  fleissigsten ,  wenn  auch  nicht  immer  mit  der  gerade  auf  diesem 
Gebiet  nötigen  skeptischen  Kritik,  zusammengetragen  hat,  herrscht  in 
ihnen  der  Hausfleiss  vor.  Für  Ruanda  hat  dies  keine  Geltung.  Metall, 
Ton  und  selbst  Holz  werden  fast  ausschliesslich  von  Professionellen  be- 
arbeitet und  auch  Flocht-  und  Fellarbeiten  werden  nur  zum  Teil  vom 
Urproduzenten  angefertigt.  Vielleicht  ist  der  Hauptgrund  der  geringen 
technischen  Betätigung  des  Urproduzenten  in  der  relativ  grossen  Summe 
an  Zeit  und  Kraft  zu  suchen,  die  für  die  Urproduktion  von  der  einzelnen 
Wirtschaft  aufgewendet  werden  muss;  daneben  ist  zu  beachten,  dass 
Ruanda  ein  seit  Jahrhunderten  von  Völkerbewegungen  wenig  belästigtes, 
stark  bevölkertes,  durch  seine  politische  Organisation  gesichertes  und  seit 
langen  Zeiten   besiedeltes  Land1)  ist,  wodurch  sich  die  höheren  Stufen  der 


1)  Dafür  spricht  das  Verhältnis  von  Grasland  und  Urwald,  der  einst  grosse  Flächen 
bedeckte,  wie  es  die  kleinen  und  kleinsten  Beste,  die  sieh  gelegentlieh  weitab  von  jedem 
Zusammenhang  mit  den  noch  vorhandenen  Beständen  linden,  deutlieh  zeigen. 


—     332     — 

Gewerbe  naturgemäss  besser  entwickeln  konnten.  Ich  erwähnte  eben,  dass 
die  Urproduktion  unverhältnismässig  viel  Kraft  und  Zeit  in  Anspruch  nimmt. 
Die  Ursache  dessen  ist  die  Kleinheit  der  Einzelwirtschaft.  Die  Wanyaruanda 
wohnen  nicht,  wie  zum  Teil  ihre  Nachbarn,  in  Dörfern  —  nur  an  den  Grenzen 
gibt  es  solche  —  auch  betreiben  sie  den  Ackerbau  nicht  wie  die  Ein- 
wohner der  von  Westen  her  besiedelten  Strecken  des  Landes,  z.  B.  am  Fuss 
der  Vulkane  und  auf  einigen  Inseln  des  Kivu  in  Genossenschaften,  sondern 
jede  Familie  (und  das  ist  fast  immer  nur  der  kleine  Verband  von  Eltern 
und  unverheirateten  Kindern),  wohnt  und  arbeitet  für  sich.  Die  mut- 
masslichen Ursachen  dieser  Zersplitterung  kann  ich  Zeitmangels  halber 
hier  auch  nicht  einmal  in  flüchtigen  Strichen  anführen;  politische  und 
physikalische  Faktoren  werden  sich  wohl  ziemlich  die  Wage  halten.  Um 
die  wirtschaftliche  Selbständigkeit  der  einzelnen  Familie  zu  erhalten, 
dienen  in  Ruanda  mehrere  Institutionen:  die  Polygamie,  die  Lehnspflicht 
und  die  Sklaverei.  Aber  das  Gros  der  Bevölkerung  kann  von  ihnen  keinen 
grossen  Gebrauch  machen.  Denn  irgendwie  beträchtlicher  Überschuss  an 
Weibern  ist  nicht  vorhanden,  so  dass  die  meisten  Leute  doch  nur  eine 
Frau  haben;  und  um  Lehnsleute  in  nennenswerter  Zahl  zu  haben,  dazu 
gehörte  ein  erworbener  oder  ererbter  Überschuss  au  Land,  Bananen  oder 
Vieh,  was  ausser  bei  Häuptlingen  selten  der  Fall  ist;  was  endlich  die 
Sklaven  anbetrifft,  so  ist  der  Import  von  Westen  her  —  nur  Fremde  sind 
Sklaven  —  nicht  gross  genug,  um  für  die  Masse  der  Bevölkerung  eine 
tiefgreifende  wirtschaftliche  Bedeutung  zu  haben. 

Aus  diesen  Ursachen  liegt  also  der  Einzelfamilie  ein  immerhin  grosses 
Mass  von  Arbeit  zur  Bewältigung  der  Urproduktion  ob  und  da  für  die 
Verarbeitung  der  Nahrungsmittel,  für  die  notwendigste  Hausarbeit,  für  die 
Renovierung  der  Hütten  und  ihres  gröbsten  Inventars,  für  die  jährliche 
Erneuerung  der  Speicher  usw.  auch  viel  Zeit  nötig  ist,  so  bleibt  der  Masse 
der  Bevölkerung  für  Dinge,  die  eine,  wenn  auch  kleine  technische  Fähig- 
keit beanspruchen,  nicht  viel  Müsse  übrig.  Und  wo  die  Gelegenheit  vor- 
handen ist,  solche  Sachen  auf  einem  Markte  zu  erwerben,  wird  ein 
etwaiger  Überschuss  an  Zeit  und  Kraft  lieber  zur  Erlangung  von  Tausch- 
werten in  Form  von  Materialien  benutzt,  die  mit  geringerer  Zeit  oder 
Mühe  zu  erwerben  sind. 

Der  Einfluss  des  Marktes  auf  die  technische  Betätigung  der  Einzel- 
wirtschaft lässt  sich  gerade  in  R.  sehr  gut  beobachten.  Es  gibt  nämlich 
nicht  im  ganzen  Lande  Märkte,  sondern  nur  an  der  West-  und  Nordgrenze. 
Ich  vermute,  dass  diese  Institution  vom  Kongo  her  die  Kiwu-Ufer  und 
den  Fuss  der  Vulkane  entlang  gewandert  ist.  Solche  Märkte  finden  sich 
alle  zwei  bis  drei  Stunden,  werden  zum  Teil  täglich,  andere  den  zweiten 
oder  dritten  Tag,  besucht  und  sind  bisweilen  sehr  gross.  Der  Markt  hatte 
in  R.  zwei  sehr  ungleiche  Wirkungen;  wenn  ich  es  lapidarisch  ausdrücken 
sollte,  müsste  ich  sagen:  er  begünstigte  das  Handwerk  und  schädigte 
das  Kunstgewerbe.  Wer  nämlich,  wie  ich,  Gelegenheit  hatte,  fast  alle 
Teile  von  Ruanda  kennen  zu  lernen  und  längere  Zeit  in  ihnen  zu  ver- 
weilen, musste  zweierlei  auffällig  finden:  erstens,  dass  gewisse  Gegenstände 
deren    Herstellung    im    Innern    von    Ruanda    noch    der    ersten    Stufe    des 


—    333    — 

Hausfleisses  entspricht,  am  Kiwu-See  vielerorts  schon  handwerksmässig 
hergestellt  und  auf  den  Märkten  verkauft  werden,  besonders  Bettmatten, 
Getreidetrockner  und  allerhand  Körbe.  Zweitens,  dass  es  am  Kiwu  nicht 
möglich  ist,  einen  kunstgewerblichen  Charakter  tragenden  Gegenstand  zu 
erwerben,  der  dort  erzeugt  wäre.  Man  missverstehe  mich  nicht.  Es 
werden  auch  dort  Grasteller,  Wandschirme  Bettvorhänge,  erzeugt,  aber 
in  der  rohesten  Manier,  ohne  oder  mit  plumpen  unregelmässigen  Orna- 
menten usw. 

Da  es  weder  an  den  nötigen  Rohstoffen  noch  an  der  Kenntnis  der 
Technik  fehlt,  so  muss  die  Ursache  dieser  Erscheinung  wo  anders  zu 
suchen  sein.  Eine  davon  ist  wie  ich  glaube,  die,  dass  jemehr  die  Ent- 
stehung und  Einbürgerung  von  Markt  und  Handwerk  den  Kreis  der  dem 
Hausfleiss  verbleibenden  Gegenstände  einschränkten,  die  manuelle  Gewandt- 
heit wegen  mangelnder  Übung  immermehr  Bank.  Wer  über  technische 
Fähigkeiten  verfügte,  nutzte  sie  handwerksmässig  für  den  Markt  aus, 
vorausgesetzt,  dass  die  Bedingungen  dazu  günstig  waren,  etwa  die  be- 
treffende Einzelwirtschaft  durch  Kinder,  Sklaven,  Frauen  usw.  besonders 
gross,  oder  die  Rohmaterialien  durch  Lage  oder  Qualität  sehr  günstig 
waren.  Dingen  kunstgewerblichen  Charakters  aber  konnten  sich  die 
Handwerker  nicht  zuwenden,  weil  der  Aufwand  au  Müsse  und  Mühe  — 
zwei  bis  drei  Monate  dauerte  die  Herstellung  eines  Bettvorhanges  wie  Sie 
ihn  hier  sehen  (Fig.  46)  —  zu  gross  ist,  um  einen  aequivalenten  Tauschartikel 
auf  dem  Markte  der  Eingeborenen  zu  finden.  So  bleibt  die  Herstellung- 
derartiger  Dinge  dem  Hausfleiss  überlassen,  von  dem  sie  für  die 
Schmückung  des  eigenen  Heims  oder  als  Geschenke,  bezw.  Tribut 
produziert  wurden. 

Wo  aber,  wie  oben  erwähnt,  infolge  der  Märktebildung  und  der  durch 
sie  begünstigten  Entwickelung  des  Handwerkes  der  Hausfleiss  zu  Gunsten 
einer  verstärkten  Urproduktion,  d.  h.  zur  Erlangung  landwirtschaftlicher 
Tauschwerte,  sich  verringert,  sinkt  naturgemäs  die  manuelle  Gewandtheit 
und  damit  auch  die  kunstgewerbliche  Betätigung. 

Ich  bin  nicht  Theoretiker  genug,  um  hierin  die  einzige  Ursache  der 
geringen  Produktion  kunstgewerblicher  Gegenstände  in  den  Kiwu-Provinzen 
von  Ruanda  zu  suchen. 

Unter  anderem  kommt  noch  folgendes  hinzu.  Im  Innern  von  Ruanda 
befinden  sich,  weil  dort  die  Residenz  des  Königs  ist,  auch  die  grössten 
Niederlassungen  der  Watussi.  Da  deren  Frauen  durch  Urproduktion  und 
grobe  Hausarbeit  wenig  in  Anspruch  genommen  werden,  erlangen  sie 
in  Arbeiten  kunstgewerblichen  Charakters  eine  grosse  Fertigkeit.  Daher 
sehen  wir,  dass  grade  die  schönsten  Arbeiten  dieser  Art  von  ihnen  oder 
ihren  Sklaven  hergestellt  werden.  Ihr  Einfluss  reicht  aber  noch  weiter 
und  man  findet,  dass  in  den  Distrikten,  die  besonders  reich  an  Watussi 
sind,  auch  die  Frauen  der  Wahuttu  eine  grössere  Geschicklichkeit  in  der 
Herstellung  kunstgewerblicher  Dinge  zeigen. 

Ich  erwähnte  eingangs  auch  das  Lohnwerk,  also  die  Betriobsform, 
bei  der  der  Arbeiter  nur  Handwerkszeug  und  Arbeit  liefert.  Dabei  ist 
zu  beachten,  dass  in   Ruanda    oft    zwischen   Lohnwerk   und  Handwerk    eine 


—     334     — 

scharfe  Grenze  nicht  zu  ziehen  ist,  namentlich  nicht  bei  der  Metalltechnik. 
Es  gibt  Schmiede,  die  heute  das  Eisen  aus  den  Erzen  reduzieren  und 
Hacken,  Messer  und  ähnliches  daraus  schmieden:  Handwerker.  Derselbe 
Schmied  bearbeitet  aber  morgen  ein  Eisen,  das  ihm  in  Form  von  altem 
Werkzeug  gebracht  wird:  Lohn  werk  er.  Beim  Drahtzieher  kann  das 
Gleiche  vorkommen.  Dieser  ist  übrigens  der  einzige1)  Gewerker,  bei  dem 
Störarbeit  in  Ruanda  häufig  ist.  Gründe:  das  Handwerkszeug  ist  leicht 
transportabel  und  etwaiger  Diebstahl  am  Rohstoff  wäre  bei  Heimarbeit 
schwer  kontrollierbar.  Beim  Preis-  oder  Handwerk  ist  eine  Erscheinung 
noch  besonders  hervorzuheben:  die  Lokalisirung  einzelner  Gewerbe 
auf  gewisse  Orte  oder  Stämme.  Gewöhnlich  ist  es  so,  dass  nicht  alle 
Familien  eines  Ortes,  eines  Berges,  d.  h.  einer  Berggemeinde,  wie  der 
kleinste  Abteil  der  Landesorganisation  bei  den  "VVatussi  heisst,  das  Gewerbe 
ausüben,  sondern  nur  eine  mehr  oder  minder  grosse  Zahl.  Nicht  immer 
ist  die  Entwicklung  des  Ortsgewerbes  wie  z.  B.  bei  den  Erzaufarbeitern 
von  der  Nähe  des  Rohstoff- Vorkommens  abhängig.  So  gibt  es  z.  B.  in  Ruanda 
nur  drei  bis  vier  Berge,  wo  diese  Köcher  (Taf.  I,  Fig.  5)  fabriziert  werden, 
dann  aber  gleich  von  vielen  Familien,  trotzdem  das  Holz  dazu  überall  zu 
haben  ist,  ebenso  verhält  es  sich  mit  den  Bootsbauern  und  Pfeilmachern. 
Ich  glaube,  dass  beim  Ortsgewerbe  vielfach  der  Ursprung  in  der  Ab- 
stammung von  einer  einzelnen  Familie  zu  suchen  ist,  die  fruchtbar  war 
und  sich  mehrte  und  Kindern  uud  Kindeskindern  ihre  Kunst  vererbte. 
Man  sieht  wenigstens  analog,  wie  an  einzelnen  Plätzen  die  Ärzte  oder  die 
Immandwa  (d.  h.  etwa  die  Gottbegnadeten,  die  gewisse  Kultushandlungen 
verrichten),  an  anderen  wieder  die  Würfelzauberer  zusammensitzen.  Gerade 
beim  Orts-  wie  noch  mehr  beim  Stammesgewerbe  muss  man  auch  gewisse 
mystische  Anschauungen  der  Eingeborenen  berücksichtigen,  die  mit  dem 
Gewerbebetrieb  verbunden  sind.  So  haben  z.  B.  die  Pfeilmacher  verschiedener 
Gegenden  gewisse  Geschäftsmarken,  die  ich  Ihnen  nachher  zeigen  will, 
an  denen  jeder  landkundige  Eingeborene  sofort  erkennt,  in  welchem  der 
wenigen  Pfeilmacherbezirke  der  betreffende  Pfeil  hergestellt  ist.  Trotz- 
dem nun  die  Technik  dieser  Markenherstellung  überall  nur  geringe, 
durch  die  Form  der  Ornamente  bedingte  Modifikationen  aufweist,  Hess  sich 
doch  kein  Pfeilmacher  von  mir  bewegen,  die  Marken  der  anderen  nach- 
zuahmen: Sie  sehen,  wir  Wilden  sind  doch  bessre  Menschen.  Stammes- 
gewerbe ist  die  Töpferei,  die  wohl  ausschliesslich  in  den  Händen  der  Batwa- 
Zwerge  liegt.  Es  würde  mich  zu  weit  führen,  heute  darüber  Vermutungen 
anzustellen,  wie  es  kam,  dass  gerade  die  Töpferei  als  Monopol  einem  aus- 
gesprochenen Pariastamm  anheimfiel,  wie  ich  glaube  fast  ein  Unikum  in 
Afrika.  Erwähnen  möchte  ich  nebenbei,  dass  die  Batwa  ausser  ihrer  Töpfer- 
arbeit noch  gewisse  Guitarren  verfertigen  und  Henker  des  Königs  von  Ruanda 
sind.  Ich  muss  mich  mit  diesen  Lückenhaften  Bemerkungen  begnügen,  um 
mich   meiner  eigentlichen  Aufgabe  zuzuwenden. 

Gestatten  Sie  mir  also,    Ihnen   einiges  von  der  Technik  der  Gewerbe 
von   Ruanda  zu  beschreiben.    Ich  beginne  mit  den   Pfeilmachern,  weil  über 


1)  Hie  und  da  trifft  man  auch  liindenzeufrklopfor  auf  Stör. 


—    335    — 

ihre  wichtige  Arbeit  meines  Wissens  nach  kein  detaillierter  Bericht  vor- 
liegt. Fig.  2  zeigt  Union  einen  Pfeil  von  Ruanda  (Pfeil  und  Pfeilblatt 
heissen  umuambi),  Pfeilmacher  heissi  töutanasi.  Richtiger  übersetzte  ich  es 
mit  Schaftmacher,  da  »las  Eisen  des  Pfeils  von  den  Eisenarbeitern  hergestellt 
wird.  Das  Kutanaga  d.  h.  das  Schaftmachen  geschieht  in  folgender  Weise:  Man 
nimmt  einen  Zweig  des  Rukurasostrauches,  einer  Coniposite,  von  dem  zunächst 

Piff.  2. 


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Fig.  •">. 


die  Rinde  entfernt  wird.  Dann  beginnt  «las  Kubasa,  d.  h.  das  Schleifen.  Es 
geschieht  mit  dem  Inkongo,  einem  gewöhnlichen  Messer,  das  aber  so  ge- 
schliffen ist.  »lass  es  vor  dem  oberen  Drittel  einen  kleinen  Knick  hat. 
Damit  schneidet  man  zuerst  den  Spalt  i'i'w  die  Sehne,  das  sogenannte  [nkargwe 
(Fig.  2a).  Es  werden  nun  alle  Unebenheiten  des  Schaftes,  der  aber  von 
Vornherein  möglichst  gerade  gewählt  wird,  korrigiert.  Der  Arbeiter  kauert 
auf  der  Erde.  Das  Eisenende  des  Schaftes,  das  Basumuambi,  klemmt  er 
zwischen  grosse  Zehe  und  /.weite  Zehe:    die  Linke  Hand    hält  den  Schaft 


—     33G     — 

—  Iwannu  —  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  leicht  nach  vorn  geneigt 
und  dreht  ihn  langsam.  Die  rechte  Hand  legt  das  Messer  an  seinem  Knick 
gegen  den  Schaft  in  der  Weise,  dass  sich  der  Daumen  mit  seiner  Radial- 

Fi-r.  4. 


seite  am  Schaft  stützt  und  die  übrigen  Finger  das  Messer  von  oben  nach 
unten  ziehen,  ähnlich  wie  man  beim  Bleistiftspitzen  verfährt.  Der  Hand- 
rücken sieht  nach  dem  Arbeiter  (Fig  3).     Dann  klemmt  der  Arbeiter  den 


—     337 


Schaft  in  die  linke  Kniebeuge  und  hält  ihn  so  fest.  Die  rechte  Hand,  den 
Rücken  zum  Arbeiter,  hält  den  Messergriff,  die  linke  dreht  abwechselnd 
den  Schaft,  teils  drückt  sie  (wobei  der  Daumen  frei  in  der  Luft  bleibt) 
mit  den  letzten,  auf  dein  Kücken  der  Klinge  liegenden  vier  Fingern 
durch  eine  Beugebewegung  das  Messer  von  oben  nach  unten,  bezw.  von 
distal  nach  proximal,  oder  richtiger,  er  schiebt  es  und  die  passive  Rechte 
in  dieser  Richtung  (Fig.  4).  Punktion  1  ist  mehr  ein  derbes,  Punktion  2 
mehr  ein  zartes  Hobeln.  Die  dritte  Funktion  ist  folgende:  Die  linke  Hund 
hält  den  Schaft  senkrecht  fest,  die  rechte  setzt  das  Messer  an,  aber  nicht  am 
Knick,  sondern  am  geraden  Teil,  rechtwinkelig  auf  die  Schaftachse  und  macht 
kurze  schabende  Bewegungen  (Fig.  5).  Durch  diese  drei  Schleifarten,  die 
bei  jedem  Arbeiter  gleich  regelmässig  sich  abspielen,  erhält  der  Pfeilschaft 
noch  nicht  seine  definitive  Glätte.  Dies  geschieht  erst  durch  das  Ugussenna. 
d.  h.  durch  das  Schleifen  mit  den  getrockneten  (nicht  etwa  welken)  Blättern 
des  Umussenno  —  einer  Ficusart  (Fig.  (>).  Mit  diesen  wird  zunächst  das 
Sehnenende  des  Schaftes  tüchtig  ge- 
rieben, etwa  so,  wie  wir  einen  Stock 
mit  einem  Lappen  putzen  würden. 
Dadurch  wird  es  sehr  weiss  und  sehr 
glatt.  Ich  lasse  ein  paar  Blätter 
herumgehen  und  bitte  Sie,  sie  vor- 
sichtig   auf    ihre    grosse    Rauheit    zu 


Fis.  C. 


befählen. 

Nun- folgt  das  Präparieren  der 
Amoja,  d.  h.  der  Federn.  Diese  Arbeit 
liebst  Kugongora,  was  von  dem  Haupt- 
wort Nkongoro  d.  h.  Geier  abgeleitet 
ist.  Die  Schwingen  des  Geiers  sollen 
auch  die  besten  dafür  sein,  doch 
nimmt  man  faute  de  mieux  die  jedes  grossen  Vogels.  Zunächst  stellt 
man  die  sogenannten  Inkimma  her,  d.  h.  die  einzelnen  Federstücke, 
vier  aus  einer  Schwinge.  Man  reisst  dazu  mit  den  Fingern  die  Federn 
von  oben  nach  unten  längs  des  Federschaftes,  der  Federwirbelsäule,  wie 
die  Eingeborenen  ihn  nennen  und  trennt  g-leich  Stücke  von  der  nötigen 
Länge  ab.  Dann  nimmt  der  Arbeiter  ein  Rinderhorn,  «las  an  einer  be- 
stimmten Stelle  durch  Schaben  glatt  poliert  ist.  Er  hockt  wie  vorher 
nieder;  dicht  vor  ihm  liegt  das  Hörn;  auf  die  glatte  Stelle  legt  er 
das  Federstück  so,  dass  der  Federschaft,  von  dem  Nagel  des  linken 
Daumens  gehalten,  dem  Hörn  dicht  aufliegt  und  die  Fahne  nach  oben 
schaut.  Dann  beschneidet  er  den  Federschaft,  indem  er  von  -einem 
distalen  Ende  auf  sich  zuschneidet.  Das  Umutima,  d.  h.  das  Mark,  hat 
er  schon  vorher  mit  einer  Nadel  aus  ihm  entfernt.  Darauf  legt  er  die 
Feder  flach  auf  das  Hörn  und  beschneidet  die  Fahne  auf  zwei  Centimeter 
Breite;  dies  kiikewa  Moja  geschieht  mit  allen  Stücken,  d.  h.  für  je 
einen  Pfeil  drei.  Nun  schneidet  sich  der  Arbeiter  ein  Akatti,  d.  h. 
Bäumchen,  nämlich  eine  Holznadel,  aus  Bambus  oder  Rohr  von  ca.  10  cm 
Länge,     wäscht     sich     dann     sauber     die     Hände     und     nimmt    Fäden     aus 


—     338     — 

Rindersehne,  die  er  sich  schon  vorher  durch  Klopfen  der  Sehne 
hergestellt  hat.  Mit  ihnen  befestigt  er  die  Federn  am  Schafte,  indem  er 
sie  etwa  so  anbindet,  als  wenn  man  drei  Menschen  mit  einem  Strick  rings 
um  einen  Baumstamm  binden  wollte.  Dies  Befestigen  der  Federn  erfordert 
viel  Übung,  da  der  Arbeiter  eigentlich  3  Hände  bedürfte;  er  hilft  sich 
mit  dem  Munde,  in  den  er  das  eine  Fadenende  nimmt.  (Notabene  werden 
die  Sehnenfäden  vor  dem  Gebrauch  weich  gekaut.)  Nun  umwickelt  er 
den  Schaft  etwa  10  cm  oberhalb  des  Sehnenendes  einigemal,  legt  die  erste 
Feder  auf,  umwickelt  sie,  dreht,  legt  die  zweite  Feder  auf,  wickelt,  dreht, 
legt  die  dritte  Feder  auf,  wickelt,  und  was  dann  noch  vom  Faden  übrig- 
bleibt, schiebt  er  von  oben  her  zwischen  Feder  und  Pfeilschaft  und  wickelt 
es  um  letzteren,  indem  er  ihn  dreht.      Um  dies  Befestigen  zu  erleichtern, 


Fiff.  7. 


Fig.  8. 


ragt,  wie  Sie  hier  bei  a  (Fig.  7)  sehen,  ein  minimales  Stück  Feder- 
schaft an  dem  betreffenden  Ende  hervor,  auch  nimmt  man  gern  etwas 
Fahne  mit  unter  den  ersten  Faden. 

Nun  folgt  das  Kunjusa,  d.  h.  das  Festbinden  der  ganzen  Federn.  Der 
Anfang  und  das  Ende  jedes  Fadens  wird  in  der  vorhin  beschriebenen 
"Weise  zwischen  Pfeilschaft  und  Federschaft  von  obenher  geschoben  und 
eingewickelt.  Die  Linke  dreht  den  Pfeilschaft,  der  Mund  spannt  den 
Faden  und  die  Rechte  hält  die  Holznadel,  mit  der  man  die  Fahnen  alle 
1  bis  2  mm  teilt,  um  den  Faden  durchzulegen.  Nach  dieser  Prozedur 
stellt  man  die  Pfeile  für  einige  Minuten  in  die  Sonne.  Dann  folgt  das 
Lackieren  und  Glätten,  das  sogenannte  Kussiga  und  das  Kwitschira.  Dazu 
gehört  zweierlei:  ein  flaches,  bucht  gewölbtes  Rindorrippenstück  und  die 
Wurzel  einer  Orchidee,  die  Ikimascha  heisst  (es  gibt  zwei  eng  verwandte 


—     33!)     — 

Arten,  Fig.  8).  Diese  Pflanze  hat  ineist  zwei  oder  drei  Knollen.  Yon 
einer  schneidet  man  die  runzlige  Schale  und  alle  Nebenwurzeln  ab  und 
zerkaut  dann  die  Knolle.  Mit  dieser  stark  klebrigen  speicheligen  Masse 
lackiert  man  ca.  1  Minute  den  Pfeilschaft  zwischen  den  Federn  und  glättet 
ihn  mit  dem  Knochen.  Nun  sieht  man  mit  einem  Schlage  nichts  mehr 
von  den  Sehnenfäden.  Da  durch  diese  Arbeit  die  Federn  etwas  verschoben 
werden  müssen,  muss  man  sie  gerade  richten.  Dies  Kugorola  geschieht, 
indem  man  die  Schneide  des  Messers  dicht  an  den  Federschaft  ansetzt 
und  ihn  in  die  richtige  Lage  schiebt.  Darauf  wird  das  obere  Ende  des 
Pfeils  angespitzt  und  der  ganze  Schaft  in  der  vorher  beschriebenen  Weise 
mit  den  Blättern  des  Umussenno  poliert.  Dann  erfolgt  die  Herstellung 
des  Akatangau,  d.  h.  des  Ringes  aus  Sehnenfäden  dicht  über  dem  Sehnen- 
spalt. Darauf  quirlt  man  den  horizontal  liegenden  Pfeilschaft  auf  dem 
linken  Oberschenkel,  während  die  Rechte  den  Ring  mit  Kimascha  ein- 
seift, glättet  den  Ring  mit  der  Rippe,  bohrt  den  Stiel  des  Pfeilblattes 
in  das  weiche  Holz  und  umwickelt  auch  diesen  Teil  mit  Fäden, 
sengt  mit  einem  heissen  Eisen  die  Federn  so  weit  wie  nötig  ab,  visiert 
und  kontrolliert  noch  einmal  den  Schaft  und  korrigiert  ein  eventuelles 
Ausweichen  mit  der  Faust,  womöglich  nachdem  man  die  Stelle  über  dem 
Feuer  erwärmt  hat. 

Über  die  Herstellung  der    oben    erwähnten  Ge-  Fig.  9. 

schäftsmarken  sei  folgendes  erwähnt:  Das  Material 
heisst  lntunto  (die  äusserste  schwarze  Blattscheide 
der  Bananen).  Sie  wird  so  lange  in  Wasser  er- 
weicht, bis  sich  die  Fäden  auf  der  Rückseite,  die 
Utumbatumba1),  leicht  abziehen  lassen.  Dann  werden 
für  jeden  Pfeil  drei  entsprechende  Streifen  geschnitten, 
angefeuchtet  und  übereinandergelegt,  um  das  Schneiden 
der  Ornamente,  der  „Amassasi",  vorzunehmen.  Meist 
sind  es  Rhomben  oder  Vierecke  oder  Punkte,  oder 
gewisse  Fadenarabesken.  Sie  sehen  auf  dieser  Tafel, 
in  welcher  AVeise  z.  B.  Rhomben  hergestellt  werden 
(Fig.  9).     Als  Instrument  dient  dieses  kleine  Messer 

(Fig.  10).  Das  Befestigen,  das  Kutera,  geschieht  mit  Kimascha  und 
auch  auf  die  Oberseite  tupft  man  etwas  davon  und  glättet  es  mit  dem 
Knochen. 

Fier.  L0. 


* 


So  weit  die  Arbeit  der  Pfeilmacher.     Ich    wende    mich    nunmehr  der 
Holztechnik  zu.  der  in  Ruanda  ein  weites  Arbeitsfeld  offen  steht. 


1)    So  in  Ruanda-Ost.    In   R.-West:  uvutaminirizi. 


—     340     — 

Die  Holzschnitzerei,  Kuwamba,  hat,  Boote   und  Ruder   ausgenommen, 
folgende  Gegenstände  zu  bearbeiten  : 

1.  kjansi,  tschansi  oder  inkonkorro  —  Milchgefässe. 

2.  ubussorro  —  Guitarren. 

3.  umuhetto  —  Bogen. 

4.  umutauno  —  Köcher. 

5.  issekurru  —  Getreidemörser. 

6.  umuvule  (auch  einfach  ibgato  =  Kahn)  —  Brautröge. 

7.  inbähe,  ndogondo  —  Speiseschalen. 

8.  umäkko  —  Rührlöffel. 

9.  umudahu  —   Schöpflöffel. 

10.  inteve  —  Stühle. 

11.  mukenge  —  Saugröhren. 

12.  ikitembo  —  Büchsen  dazu. 

13.  mutulanji  —  Hackenstiele. 

14.  mpiri  —  Keulen. 

15.  insusi  —  Würfelschalen. 

16.  igissorro  —  Brettspiele. 

17.  umuhinni  —  Getreidestampfer. 

18.  i»itschubu  —  Salztrog. 


Fig.  11. 


Fig.  12. 


Die  wichtigsten  Instrumente    für  die  Holzschneider,  Umuwascha,  sind 
folgende: 

1.  intoleso  (Fig.  11)  —  Beil. 

•_'.  intschanuro    (mehrere  Formen)   (Fig.  12,  13,  14)  —  Hohl- 

klingenbeil. 
3.  irnbaso  (Fig.  15)  —  Axt. 


—     341      — 

4.  umuhorro  (Fig.  16)  —  Sichelmesser. 

5.  akongo  (viele  Formen,  darunter  ugokotto  und  irtamasso) 
.Messer  verschiedener  Formen. 


Fig.  15. 


Fig/14  (Eisen  von  Fig.  13  isoliert). 


Fi«r.   17  a. 


Fig.  16. 


Fig.  17  b  (das  Eisen  von  Fig.  17  a). 


Fig.  18. 


Fig.  19  (das  eiserne  Ende  des  Bohrers  . 


6.  nkorto  (Fig.  23)  —  Hobel. 

7.  omhwaruru  (Fig.  22)  —  Raspel. 

8.  ikissemiue,  ikissemjo  (mehrere  Formen)  (Fig.  19) 


Bohrer. 


—     342     — 

9.  umutwero  (Fig.  17)  —  Bohreisen. 
10.  uruhorro  (Fig.  18)  —  Raspelmesser. 

Fig.  22   (das  obere  Ende  des  Easpels) 


Fig.  23 


Nicht  jeder  Holzarbeiter  arbeitet  alles,  sondern  nur  gewisse  Gegen- 
stände. So  pflegen  die  Pfeilarbeiter  auch  Bogen  zu  machen,  andere 
Arbeiter  auch  Salztröge  fürs  Vieh  und  Trommeln,  andere  wieder  haben  als 
Spezialität  Getreidemörser,  Stühle  und  Bienenkörbe.  Ferner  bilden  oft  Speise- 
schalen, Rührlöffel,  Schöpflöffel  und  Keulen  zusammen  das  Arbeitsgebiete 
besonderer  Spezialisten.  Spezialisten  für  nur  einen  Gegenstand  sind  die- 
jenigen, die  Milchgefässe,  Köcher  und  Zierbüchsen  für  Pomberöhren  her- 
stellen. Die  Arbeiter  von  Milchgefässen  machen  bisweilen  auch  Pombetröge. 
Nicht  weit  von  meinem  Dorfe  Bergfrieden  am  Kivusee  befand  sich  ein 
Berg,  auf  dem  das  Arbeiten  dieser  Köcher  (Taf.  I,  Fig.  5)  Ortsgewerbe  war. 
Es  gibt  nur  wenige  solcher  Berge.  Es  scheint  beinahe  als  wenn  diese 
Köcher  früher  viel  weiter  verbreitet  waren;  als  Pfeilköcher  werden  sie 
gar  nicht  mehr  benützt.  Man  findet  manchmal  in  Hütten  zerbrochene 
Köcher,  die  aber  noch  einmal  so  gross  wie  diese  und  viermal  so  dick 
waren.  Die  Leute  sagten  mir,  dass  man  in  ihnen  früher,  d.  h.  vor  der 
Rinderpest,  seine  Felle  aufbewahrte,  heute  aber  froh  sei,  wenn  man  eins 
auf  dem  Leibe  trage.  Diese  Köcher,  die  Umutano  heissen,  werden  folgender- 
massen  hergestellt:  Sie  sehen  auf  Taf.  1  den  Sitz  des  Arbeiters1),  meist  ein 
Schemel,  und  vor  ihm  eine  Baumgabel,  die  etwa  40  cm  über  dem  Boden  steht; 
in  ihr  liegt  das  zu  bearbeitende  Stück  Holz,  meist  vom  Mukubaum  (Lry- 
thrina  tomentosa),  das  am  andern  Ende  ausserdem  durch  einen  Stein  fest- 
gehalten wird. 

Zuerst  kommt  das  Bearbeiten  mit  diesem  Instrument,  dem  Ikissemmi 
(Fig.  1!>),   das   sogenannte  Kutobora  (allgemein  =  höhlen)   auch  nach  dem 


1)  Die  Photographien,  die  die  Haltung  der  Kodier-  und  Milchgcfäss-Schnitzer  bei 
ihrer  Arbeit  zeigen,  sind  nach  detaillierten  Beschreibungen  und  Zeichnungen  unter 
meiner  Leitung  in  Deutschland  hergestellt. 


—     343     — 

Instrument  ukussemja;  der  Arbeiter  packt  es  so  nahe  als  möglich  beim 
Eisen  und  stösst  es  mit  voller  Wucht  in  das  Holz  (Taf.  I  Fig.  1).  Durch 
rüttelnde  Bewegungen  bringt  er  es  mit  den  Splittern  wieder  heraus.  Je 
tiefer  das  Eisen  vordringt,  um  so  stärker  ist  die  Wucht,  mit  der  es  sich 
festbeisst,  so  dass  es  nur  durch  Anstemmen  des  Beines  gegen  die  Gabel 
wieder  entfernt  wird  (Taf.  I  Fig.  2).  Ist  etwa  die  Hälfte  ausgehöhlt,  so  wendet 
er  es  und  arbeitet  von  der  anderen  Seite  aus,  bis  die  Höhlung  durch- 
läuft. Dann  kommt  die  Bearbeitung  des  Äusseren,  das  sogenannte  Kutem- 
bura  mit  dem  Mbaso  (Taf.  I  Fig.  3).  Die  Linke  hält  den  Köcher  schräg  nach 
vorne  und  mit  der  Rechten  schlägt  man  den  Köcher  auf  die  gewünschte 
Dicke  (Taf.  1  Fig.  5b).  Die  Splitter  sind  lang,  schmal  und  flach.  Darauf 
lässt  man  die  Arbeit  24  Stunden  ruhen,  damit  das  Holz  etwas  trockne. 

Am  nächsten  Tage  erfolgt  zunächst  das  Hobeln,  Ukwarura,  mit  einem 
geraden  Messer.  Der  Arbeiter  legt  sich  den  Köcher  auf  den  linken  Ober- 
schenkel und  zieht  das  Messer  mit  beiden  Händen  von  unten  auf  sich  zu 
(Taf.  I  Fig.  4);  dann  schneidet  er  die  Enden,  auf  die  die  Deckel  kommen, 
zurecht  und  von  dem  unteren  Rande  eine  Fingerlänge  entfernt  eine  Kerbe. 
Dieses  Kerbschneiden  nennt  er  Kugigenna.  Es  dient  als  Marke  für  den 
Deckel,  da  auf  die  Mitte  der  Kerbe  eine  scharfe  Leiste  des  Deckels  gerichtet 
sein  muss,  damit  er  passe.  Ist  es  so  weit,  so  beginnt  das  Kusiga,  das  Färben 
mit  der  Umujongafarbe.  Er  nimmt  Blutgerinnsel  von  Rinderblut,  reibt 
damit  den  Köcher  ein  und  schmiert,  ehe  es  trocknet,  Asche  von  frisch 
verbrannten  Gräsern  auf.  Das  Holz  saugt  diese  Farbe  begierig  ein  (Taf.  I 
Fig.  5  c). 

Nun  folgt  die  Schnitzerei.  Es  werden  12  Ringlinien  gezogen,  die  Ent- 
fernungen mit  dem  Finger  abgemessen  und  die  Figuren  in  ihren  Konturen 
vorgezeichnet  (Taf.  I  Fig.  5c).  Es  gibt  dreierlei  Ornamente:  1.  Die  Drei- 
ecke, die  Ingabbo  heissen,  d.  h.  Schild,  2.  die  schmalen  Kreise,  Imirindi, 
d.  h.  Handgelenksringe  und  3.  die  breiten  Kreise,  Imikakku,  d  h.  Arm- 
ringe. Die  Arbeit  selbst  heisst  Kunoscha;  meist  wird  das  Messer  flach 
angesetzt  und  durch  eine  Hebelbewegung  das  Holz  abgesplittert,  so  dass 
die  schwarzen  Teile  reliefartig  stehen  bleiben. 

Soweit  die  Köcherschnitzerei.  Ich  will  nunmehr  die  Herstellung  der  für 
ein"Yiehland  wichtigen  Milchgefässe,  der  sogenannten  Kjansi  beschreiben. 
Die  besten  werden  im  Innern  des  Landes  hergestellt,  doch  gibt  es  auch 
am  See  ca.  alle  10  km  Handwerker,  die  sich  damit  befassen  und  vielfach 
Sklaven  eines  vornehmen  Häuptlings  und  Herdenbesitzers  sind.  Es  gibt 
verschiedene  Formen  mit  rundem  oder  flachem  Boden,  mit  engem  (Fig.  5J0a) 
oder  breitem  Hals  (Fig.  20b),  dies  die  verbreitetste  Form.  Die  Milch- 
gefässe werden  aus  weichem  Holze  gemacht,  meist  aus  dem  einer  der 
beiden  in  Ruanda  weit  verbreiteten  Ficusarten,  aus  deren  Rinden  man  Zeug 
macht.  Zuerst  erfolgt  das  Kubasa:  der  .Mann  nimmt  den  zureeht  gehauenen 
Klotz  (Fig.  21).  setzt  sich  breitbeinig  hin  und  stellt  ihn  vor  sich  in  eine 
kleine  Grube;  dann  nimmt  er  dies  Instrument,  den  kleinen  Tschanuro,  die 
linke  Hand  fasst  den  Klotz  und  stellt  ihn  auf  die  ihm  abgewandte  Kante. 
.Mit  der  Hechten  schlägt  er  das  Instrument  m  das  Zentrum  der  Oberfläche 
(Taf.  II  Fig.  1).    Nach  jedem  Hiebe  wird  drv  Klotz  gedreht,  die  Klinge  wird 


—     344     — 

durch  Rütteln  aus  dem  Holze  entfernt  und  so  wird  eine  Röhre  etwa  von 
der  Hälfte  des  Gesamtdurchmessers  in  den  Klotz  getrieben. 

Nach  einiger  Zeit  greift  der  Arbeiter  zum  grossen  Tschanuro  (Fig.  14). 
Sobald  die  Röhre  ca.  8  bis  10  cm  tief  ist,  bemüht  er  sich,  sie  unten  schon 
etwas  weiter  zu  machen  als  oben.  Dann  folgt  das  Ukuarura  und  zwar^zu- 
nächst  innen.  Sein  Instrument  dazu  heisst  Inhuaruru  (Fig.  22).  Die  Prozedur 
unterscheidet  sich,  je  nachdem  er  den  Hals,  den  Bauch  und  die  Sohle 
des  Gefässes  bearbeitet.  Ad  1  (Taf.  II  Fig.  2):  Er  stellt  den  Klotz  näher  und 
umgreift  ihn  mit  Daumen  und  kleinem  Finger,  die  mittleren  drei  Finger 
umfassen  das  Blatt  des  Instruments,  das  von  der  rechten  Hand  am  Stiel 
ca.  40  cm  hoch  gefasst  wird  von  hinten.  Nun  werden  ruckweise  Be- 
wegungen gemacht,  indem  die  Rechte  das  Instrument  etwa  eine  halbe 
Drehung  um  die  vertikale  Achse  machen  lässt,  die  Linke  es  dirigiert  und 
drückt.  Ad  2:  Ist  der  Hals  fertig,  so  drückt  der  Arbeiter  den  Klotz  dicht  an 
die  Scham  und  klemmt  ihn  mit  seinem  linken  Schenkel  fest  (Taf.  II  Fig.  3); 


Fig.  20a. 


Fisr.  20b. 


Fi«?.  21. 


dann  fasst  die  Linke  das  Instrument  dicht  über  dem  Klotz,  die  Rechte 
weit  oben  und  es  folgen  ähnliche  Bewegungen  wie  vorher,  nur  dass  es 
mit  seinem  oberen  Ende  gleichzeitig  gesenkt  wird.  So  wird  ringsum  der 
Bauch  ausgehöhlt,  wobei  häufig  geklopft  wird,  um  aus  dem  Schall  die  Dicke 
festzustellen.  Ad  3:  Die  dritte  Prozedur  am  Boden  des  Gefässes  geschieht 
mit  dem  umgebogenen  Teil  des  Instrumentes  und  ist  sehr  anstrengend.  Es 
wird  senkrecht  eingesetzt  von  beiden  Händen  dicht  über  dem  Klotz  gefasst 
und  dann  den  Boden  entlang  kräftig  kratzend  geschoben  (Taf.  III  Fig.  4)1). 
Ist  dies  fertig,  so  wird  der  Klotz  mit  der  Oeffnung  nach  unten  auf  die 
Erde  schräg  mit  einer  Kante  aufgesetzt  und  mit  dem  Muhorro  (Fig.  16) 
zunächst  der  schlanke  Hals,  dann  das  Übrige  beschlagen  und  beschnitten. 
Das  Schlagen  geschieht  mit  dem  geraden  Teile  des  Instruments,  das 
Schneiden  mit  dem  Teil,  wo  Grade  und  Sichel  zusammenlaufen.  Er  nimmt 
dazu  das  Gefäss  zwischen  die  Beine,  die  Öffnung  auf  sich  zu,  der  rechte 
Daumen  liegt  in  der  Öffnung,  die  anderen  vier  Finger  auf  dem  Rücken 
des  Sichelmessers.  Beim  Beschlagen  der  Wände  sieht  dagegen  die  Öffnung 
nach  der  distalen  Seite. 

Die  Grösse  der   Öffnung    prüft    er    mit    der  Hand,    indem  er  sie  mit 


1)  Taf.  IT  Fig.  1   gibt  die    Situation   insofern    nicht   ganz    richtig,   als   der  Klotz  in 
Wirklichkeit  dicht  am  Arbeiter  steht. 


—    345    — 

zusammengelegten  Fingerspitzen  li ineinsteckt.  Dann  schneidet  er  am 
I3nde  des  Halses  die  Kreislinie  imd  vollendet  sie,  indem  er  von  zwei 
entgegengesetzten  Seiten  kleine  Keile  ausschneidet  Mit  Hilfe  von  Holz- 
kohle und  ein  wenig  Speichel  färbt  er  dann  den  Ring,  der  Umuvavu  ge- 
nannt wird.  Dann  flicht  er  einen  kleinen  (iraskranz,  kniet  mit  dem  linken 
Urin  nieder,  während  er  mit  dem  rechten  hockt,  stemmt  den  Boden  des 
Gefässes  gegen  einen  Baum  oder  eine  Wand,  die  Öffnung  aber  gegen  das 
rechte  Knie,  das  er  gegen  Druck  durch  den  Graskranz  schützt  und  hobelt 
dann  mit  diesem  Instrument  hier  die  ganze  Länge  des  Gefässes  auf  sich 
zu  (Fig.  23  u.  Taf.  II  Fig.  5).  Der  Haken  des  Hobels  —  Nkotto  ist  sein  Name 
—  ist  rechts  und  schaut  von  ihm  weg;  der  Daumen  liegt  aussen  am 
Haken,  die  übrigen  Finger  umgreifen  ihn  mit  Untergriff.  Die  Linke  fasst 
das  andere  Ende  mit  Aufgriff  nur  mit  den  Pingerspitzen,  den  Daumen 
innen.  Die  Späne  sind  ganz  klein  und  rollen  sich  auf.  Damit  ist  diese 
Arbeit  beendet. 

Eine  Ahart  der  Holztechnik  bildet  der  Bootsbau.  In  Ländern,  in  denen, 
wie  in  Ruanda,  die  Boote  einfache  Einbäume  sind,  ist  natürlich  die  x\rt  der 
Herstellung  eine  wenig  komplizierte.  Zwischen  derTechnik  der  Holzschnitzer. 
die  flache  Schalen  oder  auch  Gefässe  mit  grosser  Öffnung  fabrizieren  und 
zwischen  der  der  Bootsbauer  besteht  eigentlich  nur  der  durch  die  Grösse 
und  Grobe  der  Materialien  bedingte  Unterschied.  Dementsprechend  sind 
auch  die  Instrumente  beider  Kategorien  die  gleichen,  nur  dass  die  Boots- 
bauer ihrer  Arbeit  entsprechend  grössere  und  stärkere  haben.  Sie  sehen 
hier  (Fig.  24—37)  eine  grosse  Zahl  von  Schalen  und  Gefässen  aller  Art. 
die  einen  (Fig.  26— 29)  für  Fleisch  und  Gemüse,  die  anderen  für  Pombe- 
wein,   Eonig  u.  a. 

Ich  will,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  die  Herstellung  eines 
solchen  Gefässes  nicht  bis  in  jedes  Detail  verfolgen,  sondern  nur  die 
Reihenfolge  der  für  diese  Technik  nötigen  Funktionen  aufzählen. 

1.  Rohe   Darstellung  der  Form  mit  muhorro  (Fig.  16). 

2.  Höhlen 

a)  bei  flacheren  mit  mbaso  (Fig.  15), 
li)  bei  tieferen  mit  fcschanuro  (Fig.  14). 

3.  Bearbeitung  des  Bodens    beziehungsweise  der  tieferen    Partien  mit 
mutwero   (Fig.  17)    und    nachfolgender    sanfter    Anwendung    eines 

breiten    kisse s   (Fig.   19). 

•1.   Raspeln     der    Eöhlung    mit    mhwaruru    (Fig.  22)     oder    ruhorro 

(Fig.  18). 
ö.   Schnitzen   der   Ausseiiseite  mit   riihorro   (Fig.  18)   öder    mit    Messer. 

Je  nach  drv  Härte  des  Holzes  oder  dem   gewünschten  Kraftmasse 

entweder 

a)  ein  gewöhnliches  akongo,  bei  dem  Griff  und  Klinge  ziemlich 
gleich  Lang  sind,  oder 

b)  ntamasso,  bei  dem  der  Griff  sehr  lang,  die  Klinge   kurz,   stark 
und  wie  auch  a)  leicht  gebogen   ist. 

6.    Schleifen 

a)  der  Aussenseite, 

Zeitschrift  für  Ethnol  rg.  1904.    Heft  3  u.  i.  .>■• 


—     346     — 

b)  des  Innern 
entweder    mit  ruhorro    oder    einem  ngokotto,    d.  h.  einem  Messer 
mit  kurzem  (Jriff,  dessen  lange  Klinge    nach  Art  eines    mhwaruru 
(Fig.  22)  an  der  Spitze  umgebogen  ist. 
Die  Namen  der  einzelnen  Funktionen  kennen  wir   zumeist  schon  aus 
dem    vorher  gesagten:    kussatura  =  spalten;    kuwumbi.ra  =  Form  geben; 
kutoborra  =   höhlen:    ukwarura  =  raspeln,    hobeln;    kutschamura  =  be- 
schneiden u.  v.  a. 


Fiar.  24. 


Fig.  25. 


Fig.  26. 


Fig.  27. 


Fig.  28. 


Fiar.  29. 


Fiar.  30. 


Fier.  31. 


Fiar.  32. 


Fiar.  34. 


Fiar.  35. 


Fig.  36. 


Fiff.  33. 


Fig.  37. 


W 


Als  noch  nicht  erwähnt  hebe  ich  kutwera  hervor,  d.  h.  die  Arbeit 
mit  diesem  Instrument  (Fig.  17).  Es  wird  wie  ein  Stemmeisen  angesetzt 
und  durch  Schlagen  mit  einem  Stein  auf  das  (iriffende  ins  Holz  getrieben; 
eigentlich  ein  modifiziertes  kissemme  (Fig.  19  und  Taf.  I),  und  es  wird 
bei  der  Herstellung  von  Schalen,  Schöpflöffeln  und  ähnlichem  viel  benutzt. 

Nach  dem  bisher  gesagten  bedarf  es  nur  weniger  Worte  für  die  Be- 
schreibung  des  Bootsbaues. 

Die  Einbäume  sind  grosse  Gefässe  —  das  sagt  alles.  Die  Bäume, 
meist  Akazien,   werden  im  Walde  gefällt  (kuhumbira),    an  Ort  und  Stelle 


347 


fast  fertig  gearbeitet  und  oft  Stunden  weil  zum  Wasser  geschleppt,  wo  sie 
die  letzte  Feile  erhalten.  Die  Arbeit  erfolgt  zunächst  ganz  mit  grossen 
Beilen  (Fig.  11);    erst   wenn    der   Kahn    fast    fertig,    d.  h.  nahezu  die  ge- 

Fig.  38. 


Erklärung 
inkingi  akanangasi  —  Vordachstütze, 
kukitabo  —  Sitz, 
umurjangu  —  Türöffnung. 
urugi  —  die  (äussere)  Tür. 
mumfurukka  harrugurru  —  der  rechte 
Vorraum. 

mumfurukka  ja  hepfu  —  der  linke  Vor- 
raum, 
urugi  —  die  (innere)  Tür. 


OL 

',  der  Zeichen: 

d    muruvumbiro  —  der  Platz  hinter  dem  Herd. 
e    kusiko  —  der  Herd. 
/'    mukirambi  —  der  Platz  am  Herd. 
;/    murguiriro  —  der  Platz  vor  dem  Bett. 
h    mumirambisu  —  der  Schlafraum. 
i     mumwindschiro  —  die  hintere  Kammer. 
®  sind  die  inkingi,  die  Stützen  der  Hütte. 
Über  e  befindet  sich  urussengo,  ein  rostartiger 
Verschlag. 


liier  h  befindet  sich  kubullili,  die  Schlafstelle. 

wünscht»'  Dicke  hat,  nimmt  man  die  mbaso  (Fig.  15)  und  die  inuhorro  (Fig.  16) 
zu  Hülfe.  Pur  den  Boden  dient  ein  besonders  starkes  tschanuro  (Fig.  12). 
Die  Haltung  der  Arbeiter  zeige  ich  Ihnen  bald  in  Lichtbildern.  Die  Auf- 
nahme wurde    auf  der  Insel   Kwidjwi    im  Kiwusee    gemacht,    als  dort  ein 

•23* 


—     348     — 


Boot,  das  sich  als  zu  schwer  und  ungleich  schwimmend  erwies,  um  eine 
Schicht  von  fast  2  cm  dünner  gemacht  wurde.  Auf  dem  einen  der  beiden 
Bilder  (Taf.  III  Fig.  1)  sehen  Sie  die  äussere  Bearbeitung,  auf  dem 
andern  (Taf.  III  Fig.  2)  die  innere,  dabei  auch  einen  Arbeiter,  der  den 
Boden  mit  dem  tschanuro  schnitzt. 


Fi*?.  4<;. 


Fio.  47. 


I" 


:tjr 


Die  Löcher  im  Bordrande,  an  denen  die  Sitzbretter  mit  Bast  befestigt 
werden,  werden  mit  dem  glühenden  spitzen  Stiel  eines  nmhorro  (.Fig.  H>) 
gebrannt  (intöborro-Loch). 

Übrigens  sind  die  Einbäume  von  Ruanda  recht  massig  in  jeder  Be- 
ziehung; .sie  faulen  leicht  und  hissen  bald  Wasser  durch.  Kleinere  Spalten 
werden  immer  wieder  mit  Rindenstoff  gestopft;  auf  grössere  Lecks  legt 
man  Brettchen,  die  durch  quer  darüberlaiufende  eiserne  Spangen  gehalten 
werden. 

Ich  wende  mich  nunmehr  zu  den  Flechtarbeiten.  Aus  ihrer  Fülle 
kann  ich  flur  einiges  Wenige  herausnehmen. 


—     ?A\)     — 

Flechtarbeiten  spielen  im  I laushalt  einer  Ruandafamilie  eine  sehr 
grosse  Holle.  Hauptsächlich  wegen  «I<t  Einrichtung  der  Hütten.  Fig.  38 
stellt  den  Grundriss  einer.  Hütte  vor.  Es  ist  daraus  die  Menge  von 
Stützbalken  ersichtlich.  Zwischen  je  zwei  Stützbalken  stellt  immer  ein 
nach   vorn  konvexer  Schirm,    der    bei    den  Vornehmen   sehr  kunstvoll  ge- 


Fig.  ls. 


io.iiiiII.IIIU"!" 

,rrlT"" 


Fiff.  49. 


flochten  ist.  besondere  Sorgfalt  wird  auf  den  Abschluss  des  Schlafalkovens 
gelegt.  Um  den  Eingang  zu  verdecken,  hängt  bei  den  Reicheren  von 
der  Decke  bis  zum  Bettrand  ein  schön  geflochtener  aufrollbarer  Vorhang 
(Fig.  46 — 5.")),  und  vom  Bettrand  bis  zur  Erde  verdeckt  ein  gefloch- 
tenes Schild,  das  l'mulero  genannt  wird  (Fig.  62),  die  Grasunterlage  der 
Bettstelle. 

Ausser  in  diesen  Dingen  herrscht  ein    grosser  Bedarf   in  .Matten    und 


—     350     — 


Körben  aller  Art.  Die  Matten,  die  als  Unterlage  dienen,  werden  in  jedem 
Haushalt  hergestellt;  sie  heissen  iwirago  und  werden  aus  einem  in  allen 
Tälern    vorhandenen    rukangaga-Gras    gemacht.     Ausserdem    gibt  es    aber 

Fig.  5<>. 

Fi8"-  51-  Fig.  52. 


Fig.  53. 


ttiMmcmft 


Fig.  54. 


Fig.  55. 


auch  Matten,  die  nur  in  einigen  Bezirken  des  Kiwu,  und  wie  ich  vermute 
handwerksmäßig  und  als  Ortsgewerbe  fabriziert  werden.  Als  Material 
dient  ein  Schilf  (agassuna).  Diese  Matten  werden  mit  schwarzem  Bananen- 
blattscheiden  (Fi*  9)    in   einfachen  Ornamenten  verziert    und    dem  Sultan 


Fi-.  39. 


—     351     — 

und  vornehmen  Häuptlingen  als  Tribut  gebracht.  (Die  Frauen  der  Vor- 
nehmen  verbergen  nämlich  ihr  Haupt  hinter  diesen  Matten,  wenn  sie  sich 
in  der  Öffentlichkeit  zeigen).  Diese  Matten  heissen  iwissuno  tsch'amma- 
warra.  Eine  andere  Sorte,  die  auch  fast  in  ganz  Ruanda  für  das  Haus 
hergestellt,  gelegentlich  auch  im  fberschuss  er- 
zeugt und  in  der  Nachbarschaft  gegen  andere 
Produkte  umgetauscht  wird,  ist  die  sogenannte 
niutassessa.  Sie  dient  zum  Trocknen  des  Ge- 
treides,  ihr  Material  ist  meist  Papyrus,  seltener 
Bambus.  Alle  diese  Matten  werden  nach  einem 
ganz  bestimmten  Prinzip  geflochten.  Es  werden 
nämlich  die  vertikalen  Flechtstreifen  neben- 
einander auf  die  Erde  gelegt  in  der  Breite 
der  fertigen  Matte.  Dann  wird  von  links  nach 
rechts  der  horizontale  Flechtstreifen  eingeflochten. 
Und  zwar  in  folgender  Weise:  Es  seien  1,  2,  3, 
4,  5,  6,  7,  8  usw.  die  vertikalen  Streifen  und 
a,  b,  c,  d,  e  usw.  die  horizontalen.     Dann  liegt 

a)  über  1    u.  2,   unter  3  u.  4,  über  5  u.  6  usw. 

b)  über  1,  unter  2  u.  3,  über  4  u.  5,  unter  6  u.  7  usw. 

c)  unter  1  u.  2,  über  3  u.  4,  unter  5  u.  C  usw. 

d)  unter  1,  über  2  u.  3,  unter  4  u.  ."».   über  6  u.  7  usw. 

e)  wieder  wie  a.  f  wieder  wie  b  usw.  (siehe   Fig.  39). 

Fig.  40. 


Alles.  \\;is  ich  bisher  an  Flechtarbeiten  erwähnte,  wird  ebensohäufig 
von  Männern  wie  Frauen  hergestellt,  meistens  als  Bausfleiss  beider  Stufen. 
Sicher  handwerksmässig  ist  die  Arbeit  der  Sänften,  von  denen  Sie  eine 
hier  abgebildet  sehen  (Fig.  40).     Ihr  Name  i-t  ingowji  (auch  das  Rücken- 


—     352     — 

feil,  injdera  die  Mütter  ihre  Säuglinge  zu  tragen  pflegen,  heisst  so).     Das 
Material  ist  Bambus,  und  daher  kommt  es,    dass    ihre  Herstellung    nur  in 

den   wenigen,    sehr    hoch  ge- 


Pig.  41. 


nach  dem  Schema  Fig.  39  dargestellt.     Fi 


legenen  Ortschaften  erfolgt, 
die  Bambus  in  bequemer  Nahe 
haben.  Die  Ösen  an  den 
Seiten  heissen  issuri,  die  Trag- 
stangen midschischi. 

Auch  die  Herstellung  der 
in  Fig.  41  abgebildeten  Körbe 
(ikigagarra)  erfolgt  —  zum 
mindesten  in  vielen  Bezirken 
—  handwerksmässig.  Sonst 
aber  ist  alles,  was  Sie  hier 
sehen,  Produkt  des  Haus- 
fleisses. 

Fig.  42  sind  Teller  für 
die  Vornehmen.  Sie  heissen 
inhäkko  und  und  sind  meist 
die    vertikalen   Streifen    dient 


meist    Schilfrohr    (uruwingo),    für    die    horizontalen    ingaga-Schilf.      Die 


Fi-  42. 


—     353     — 

schwarzen  Streifen  sind  ingoüe  si  rufunso,  d.  li.  Papyrusbast,  der  mit 
dem  scharfei)  Saft  amasisi  der  Bananentraubenstengel  getränkt  und  dann 
mit  Russ  eingerieben  ist. 

Fig.  43  sind  Ringe,  von  denen  die  grösseren  als  Untersätze  für  Pombe- 
krüge  dienen.  Die  kleineren  werden  in  den  Hütten  der  Vornehmen  an 
einen  Bettpfosten  gebunden  und  dienen  als  Steck-  und  Lanzenständer. 
Die  grösseren  heissen  rugattu,  die  kleineren  in  einigen  (iegenden  ebenso, 
in  anderen  rutagarra. 

Fie.  i;;. 


\k      i 

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Piff.  4±. 


1  #1  i  1 1 


Fig.  4  I  sind  Deckel  von  Milchgefässen;  sie  heissen  muttemerre.  Sie 
sind  meisi  aus  gewöhnlichem  Gras  in  Bienenkorbwindungen  geflochten  und 
zum  Teil  mit  der  schwarzen,  merfach  erwähnten  Bananenblattscheide  verziert. 
Die  andern  nach  Art  der  Fangballtrichter  unserer  Kinder,  die  Sie  auf 
Fig.  44  sehen,  sind  seltener.  Der  Becher  ist  aus  schwarzen  und  weissen 
Bananenblattscheiden  gemacht,  der  Stengel  aus  rumamfu-Gras  (Fig.  56)  und 
aus  rotem  Sorghumbast.  Die  Körbe,  die  Sie  in  Fig.  4-">  sehen,  sind  von 
allen  Flechtarbeiten  am  meisten  verbreitet.  In  jedem  Haushalt  findet 
man    Frauen   und   Kinder  in  freien  Stunden   bei   ihrer  Arbeit.      Die  Technik 


—     354     — 

ist  die  einfachste  von  der  Welt;  die  Flechten  werden  spiralförmig  um  die 
Einlagen  aus  Gras  und  Schilf  gelegt;  jede  Flechte  wird  vom  unteren 
Rande  einer  der  bienenkorbartigen  Windungen  zum  unteren  Rande  der 
nächst  höheren  geführt  und  mit  Hilfe  einer  gewöhnlichen  Sandflohnadel 
durch  das  entsprechende  Loch  gesteckt.  Die  kleineren  Körbe  nennt  man 
tschiwo,  die  grösseren  gissekke.  Das  Material  der  schwarzen  Flechten 
und  die  Art  der  Ornamentierung  ist  meist  dieselbe,  wie  wir  sie  bei  Be- 
schreibung der  Matten  (Fig.  46  u.  f.)  des  näheren  kennen  lernen  werden. 
Alle  Bettmatten,  Wandschirme,  Bettvorlagen  werden  ausschliesslich '/ron 
Frauen  hergestellt,  die  schönsten  Exemplare,  wie  schon  erwähnt,  von  den  Frauen 
des  Häuptlings  oder  ihren  Sklavinnen.   Als  Instrument  dient  nur  ein  Ruhindu 

Pia.  45. 


(Fig.  88,  d)  d.  h.  eine  gewöhnliche  Nadel,  die  sonst  zum  Ausstechen  der  Sand- 
flöhe benutzt  wird.  Der  Name  dieser  Matten  (Fig.  4<>)  ist  Njegamma.  Die  Hal- 
tung der  Arbeiterinnen  ist  folgende.  Sie  sitzt  auf  der  Erde,  die  Arbeit  liegt  in 
ihrem  Schoss,  die  Basis  ihr  zugewandt,  die  Linke  hält,  die  Rechte  arbeitet. 
Zunächst  wird  die  Basis  gemacht,  das  sogenannte  Intangu.  Sie  besteht 
aus  den  ersten  drei  bis  sechs  Lagen.  Unter  Lage  verstelle  ich  diese  Stäbe, 
die  die  Grundlage  bilden.  Sie  sehen  wie  Röhren  aus,  sind  aber  nur  zusammen- 
gerollte Streifen,  Intamnye,  d.  h.  der  .Bast  des  Papyrus,  der  abgezogen 
und  in  der  Sonne  getrocknet  wird.  Aus  demselben  Material  werden  auch 
die  schwarzen  und  roten  Flechten  gemacht,  während  die  farblosen  Flechten 
teils  [ngagad.  h.  Schilfgras,  teils  Emamfu-Gräser  (Fig.  56)  sind.  Letztere  sind 
feiner  und  an  dcv  gelben  Farbe  von  dem  grünlichen  Schilf  unterscheidbar. 
DieBasis  wird  nach  verschiedenen  individuell  gefärbten  Methoden  hergestellt. 


855 


Die  gebräuchlichste  ist  der  sog.  Mukutto,  d.  h.  Knoten;  ich  habe  in  dieser 
Figur  (57)  diese  Methode  schematisch  gezeichnet,  indem  ich  die  beiden 
Lagen  A  und  B  auseinandergezerrt  habe.  Der  Lauf  des  Fadens  ist  wohl 
ziemlich  klar  zu  erkennen.  Zieht  man  die 
Lage  zusammen,  so  entstellt  zwischen  ihnen 
der  Knoten,  der  der  Flechtart  den  Namen 
o-ibt.    Das  Flechten  selbst  heisst  Kussoveka. 

o 

Ist  die  Basis  vollendet,  so  reiht  sich  die 
Fortsetzung  folgendermassen  an:  Es  wird 
immer  eine  neue  Lage  angefügt  und  um- 
flochten. Durch  das  Anziehen  der  Flechten 
werden  sie  röhrenförmig  zusammengepresst. 
Es  wird  immer  ein  Loch  mit  dem  Ruhindu 
in  den  unteren  Rand  der  letzten  Lage  ge- 
macht und  dann  wird  die  Flechte  hindurch 
geführt.  Die  Tendenz  ist,  mit  einer  Flechte 
immer  zwei  Lagen  zu  umfassen.  Nehmen 
wir  z.  B.  die  hier  (Fig.  58)  abgebildeten, 
aber  auseinander  gezerrten  Lagen  4,  5  und  (! 
und  die  Flechten  <)  und  e,  die  sie  bedecken. 
Dann  wurde  ö  durch  das  Loch  am  unteren 
Rande  oder  an  der  Berührungsfläche  von 
3  und  4  hindurchgeführt  und  bedeckt  4  und  5. 
Dementsprechend  verhält  sich  /-:  und  zwar  werden  die  Löcher  immer 
zwischen  zwei  Flechten  der  nächst  höheren  Lage  gemacht.  Also  die  Regel 
lautet:  Jede  Flechte  deckt  zwei  Lagen,  jede  Lage  wird  von  zwei 
Flechten  bedeckt.  Wenn  eine  Arbeiterin  eine  stärkere  Basis  von  6  bis 
7  Lagen  (der  Festigkeit  halber)  macht,  so  werden  zuerst  immer  1  bis  1  Va  Lagen 
unisponncii.      Die  Arbeit  beginnt  immer  an  der  linken  Seite  und  geht  etwa 


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ff* 


Fie  57. 


■^- 


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A. 
B. 


Fi£.  58. 


20 cm  nach  rechts  Dann  kommt  eine  Lücke,  bis  etwa20cwj  vor  dem  rechten 
Ende.  Nun  werden  auch  diese  "20  cm  von  links  nach  rechts  ausgeführt,  und 
dann  erst  ebenfalls  von  links  nach  rechts  die  Lücke  gefüllt.  1  )as  hat  den  Zweck 
die  Lauen  gleichmässig  liegen  zu  lassen.  Jede  neue  Laue  wird  also  von 
links  begonnen  und  ganz  einfach  befestigt,  indem  sie  entweder  nach  der 
Knotenmethode  angeschlungen  wird  oder  die  Flechte  um  drei  Lauen  gezogen, 
wie  es  Fig  59a  zeigt.  Noch  einfacher  ist  das  faule  der  Lage.  Eis  wird  einfach. 
wie  Fig.  59b  zeigt,  das  faule  des  Streifens  um  die  letzte  Schlinge 
schlagen.      Die  Zopfflechte,  die  man  auf  den  fertigen  Matten    sieht,    wird 


—     356     — 

erst  ganz  am  Schluss  gemacht,  wenn  die  Lagen  bereits  beschnitten  sind.) 
Nun  ist  noch  folgendes  zu  erwähnen:  Die  einzelnen  Flechten  sind  ja  nur 
kurz  und  reichen  nicht  für  die  ganze  Breite  der  Matte  aus.  Im  Gegenteil, 
es  sind  deren  sogar  10  bis  15  nötig.  Wie  man  da  verfährt,  sehen  Sie 
auf  den  Figuren  60  c  de  schematisch  dargestellt:  c  stellt  das  Ende  eines 
Flechtenstreifens  dar,  d  den  Anfang  eines  neuen.  Ist  ein  Flechtstreifen 
nahezu   beendet,    so  wird  der  Anfang  des  neuen  durch    das  nächste  Loch 


Fi*  59. 


Fi?.  &) 


Z§WÖ\ 


I 


K 


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Fig.  Gl. 


geführt  und  zwischen  letzter  und  vorletzter  Lage  eingeklemmt.  Die  nächste 
Schlinge  geht  noch  einmal  durch  dieses  Loch  hindurch.  Die  überragenden 
Stücke    des   alten,  d.  h.    also    das    Ende    desselben    und    der  Anfang    des 

neuen  Stückes,  werden  einfach  von  den 
nächsten  Schlingen  gepackt,  wie  Sie  dies 
in  e  sehen.  (In  Wirklichkeit  würden  es 
natürlich  mehrere  Schlingen  sein,  doch 
ist  dies  der  Klarheit  wegen  hier  fort- 
gelassen). Ähnlich  verfährt  man,  wenn 
ein  Wechsel  im  Farbstreifen  eintritt. 
Es  wird  dann  beispielsweise  der  weisse 
Streifen  dem  unteren  Rande  der  betr. 
Lage  angelegt  und  vom  schwarzen  um- 
flochten. Kommt  dann  wieder  der  weisse 
an  die  Reihe  und  ragt  noch  ein  Stück 
von  ihm  heraus,  so  flicht  man  mit  ihm 
weiter  und  umspinnt  mit  ihm  das  eventuell 
überragende  Ende  des  schwarzen.  Das 
ist  das  wichtigste;  ich  müsste  noch  auf 
eine  Reihe  von  Einzelheiten  eingehen,  will 
mich  aber  auf  die  Erklärung  der  Ornamente 
I»' 'schränken,  die  sie  auf  der  Fig.  61  sehen.  Ich  kann  mich  auf  die  allgemeinen 
Beziehungen  und  Bedeutung  der  Ornamente  hier  nicht  einlassen,  sondern 
registriere  nur  die  Namen  and  Übersetzung  dieser,  wie  sie  mir  von  den 
verschiedensten  Arbeiterinnen  genannt  wurden.  Nummer  1  heisst  Amatano, 
zu  deutsch  kleine  Köcher;  warum?  weiss  ich  nicht,  vielleicht  weil  das 
Dreiecksmuster  das  Charakteristikuni  fast  aller  Köcher  ist.  Nummer  2 
heisst  Imiambi,    zu  deutsch  Pfeile.     Über  Nummer  '■>  nachher.     Nummer  4 


—    y57    — 


heisst  Ischakka  =  Hirse.  Nummer  5  Ikirizo  —  grosser  Schwanz;  Nummer  6 
Uduhunda  =  kleine  Speerzwingen.  Nummer  3  hat  einen  sehr  sonderbaren 
aber  mir  mehrfach  beglaubigten  Titel:  Muschongole  kuherekesch"  undi,  zu 
deutsch  etwa:  „ein  höflicher  Mensch  begleitet  einen  anderen".  Bei  dieser 
Gelegenheit  möchte  ich  bemerken,  dass  mir  überhaupt  immer  als  Ornamente 
nicht  nur  die  schwarzen  Farbflecken  (Amawarra),  sondern  auch  ihre  weissen 
Pendants  genannt  wurden.1) 

Neben  diesen  Bettvorhängen  spielen  die  Wandschirme  eine  grosse 
Rolle  in  der  kunstgewerblichen  Betätigung  der  Wanjaruanda.  Ihre 
Technik  wird  leichter  verständlich  sein,  wenn  wir  erst  dies  Ding  hier 
(Fig.  62)  betrachten.  Dies  ist  ein  Umulero  und  dient,  wie  erwähnt,  dazu. 
die  Grasmatratze  unterhalb  des  Bettrouleaux  zu  verbergen.  Sie  haben  fast 
alle  dasselbe  Ornament,  das  „Amawawa  j'intasche"  d.  h.  Schwalbenflügel 
genannt  wird.  Die  Arbeit  geschieht  folgendermassen :  Das  Weib  (es  ist 
auch    Frauenarbeit),    baut   sich    in    die  Erde    ein  Gitter    aus    ca.    4.">    den 


Fig.  62. 


^r,'3£wMwiji 


Fig.  63. 


fc=lt 


•:':■:;; 


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ii  ii  ii 


Fig.  64. 


Fig.  fiö. 


H|  "IS.4-- 


Massen  der  Matte  entsprechenden  Stäben,  von  denen  fünf  aus  Rohr  sind, 
darunter  die  beiden  Eckstäbe ;  die  dazwischen  stehenden  Stäbe  sind  buratze 
d.  h.  besonders  lange  [ngaga-Streifen.  Diese  senkrechten  Stützen,  die  wie 
die  Hüttenstützen  Inkingi  heissen,  werden  provisorisch  durch  drei  quer- 
lanfende  buratze  unten,  oben  und  in  der  .Mitte  auf  der  Rückseite  locker 
befestigt.  Als  Flechtmaterial  dienen  dieselben  Iugaga-Schilfstreifen,  wie 
bei  den  Rouleaus  und  besonders  fein  gespaltenes  Schilf  zum  Flechten. 
Zunächst  wird  an  sämtlichen  senkrechten  Stäben  unten  eine  Flechte 
befestigt.     Dann  schiebt  man  das  erste  Schilt'  quer  aber  die  Stäbe,  indem 


1)  Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  auf  eine  von  mir  gemachte  Erfahrung  hin- 
weisen, die  mix  für  den  Forschungsreisenden  von  prinzipieller  Wichtigkeit  zu  sein  scheint 
Man  muss  immer  den  Arbeiter  selbst  nacli  Namen  und  Bedentang  der  Ornamente  fragen, 
am  besten  während  er  sie  herstellt.  Die  Eingeborenen,  die  die  ornamentierten  Gc< 
Bt&nde  nur  erworben  haben,  kennen  die  Ornamente  oft  3elbs1  nicht,  und  nur  zu  häufig 
erhalt  man  auf  die  Frage:  „Wie  heisst  diese  Verzierung?-  die  Antwort:  .Verzierung-. 
Und  daher  stammt  dann  die  vielen  Weissen  in  Afrika  geläufige  Anschauung,  dass  die 
afrikanischen  Ornamente  nur  sinnlose  und  zufällige  Arabesken  sind. 


—     358 


man  ihre  Enden  unter  die  Rohrstäbe  rechts  und  liuks  klemmt  und  befestigt 
sie  dann  mit  dem  Streifen  an  sämtlichen  senkrechten  Stäben.  Auf  Fig.  63 
ist  die  Methode  schematisch  dargestellt  und  auf  Fig.  64  sieht  man,  wie  die 
Flechtstreifen  um  die  Querlagen  laufen,  wobei  allerdings  die  Stäbe  der 
Klarheit  wegen  auseinandergezerrt  wurden.  Ist  der  Flechtstreifen  zu  Ende 
oder  reisst  er,  was  leicht  geschieht,  wenn  er  nicht  fortwährend  mit  Wasser 


Fig.  66. 


Fig.  67. 


"~M  flfl  fc 


Fig.  68. 


befeuchtet  wird,  so  wird  die  Schlinge  gemacht,  wie  Sie  sie  auf  Fig.  65 
abgebildet  sehen,  und  das  Ende  des  alten  Streifens  (a)  durch  sie  fest 
gehalten.  Das  Ornamentieren  mit  den  schwarzen  bei  der  Pfeilmacherei  er- 
wiilniten  Bananen-Blattscheide  geschieht  bei  jeder  Lage.  Der  Bast  wird 
in  entsprechende  Streifen  geschnitten  und  über  -  und  gleichzeitig  mit 
—  dem  quer  liegenden  Schilf  festgebunden.  Nach  dieser  Methode  können 
alle  Ornamente  entsprechend  den  Querlagen  nur  aus  horizontalen  Streifen 
.sich  zusammensetzen,  daher  stets  das  Schwalbenflügel-Ornament  oder  ähn- 
liche».    Analog  der  geschilderten  Methode  ist  die  Herstellung    der  Wand- 


—     359 


schirme  (Fig.  66—68),  die  Wibolobero  heissen.  Audi  hier  sehen  Sie 
(Fig.  63  und  (!'.»)  «las  Gerüst  von  senkrechten  Stützen,  übeT  die  die  einzelnen 
<  Querlagen  gezogen  werden.  Nur  ist  hier  das  (schwarze  oder  rote)  Ornament 
selbständig  eingeflochten  und  infolgedessen  mannigfaltiger.  Am  häufigsten 
tritt  bei  ihnen  in  verschiedenen  Variationen  das  Pfeilornament  auf. 


Fi--.  69. 

lliiimiMiimiiiii 


Fig.  70. 


Eine  ganz  andere  Technik  haben  die 
Wandschirme,  wie  Fig.  70  einen  darstellt. 
Bambus  ist  da  auf  Bambus  geflochten. 
Auf  die  Technik  will  ich  nicht  eingehen; 
sie  ist  übrigens  sehr  einfach  und  meist 
dem  in  Fig.  3!>  abgebildeten  Schema  ent- 
sprechend. 

Auch  Grasköcher  (Fig.  71 — 74)  — 
iwitembo  — ,  zum  Aufbewahren  von  Kleinig- 
keiten in  den  Hütten  aufgehängt  werden 
nach  ähnlichem  Prinzip  hergestellt,  nur 
dass  der  gitterartige  Stützapparat  einen  Ast 
kreisförmig  umgibt,  an  dem  er  oben,  mitten 
und  unten  provisorisch  befestigt  wird.  Die 
Querstreifen  laufen  an  diesen  Stützen  spiralförmig  in  die  Höhe  und  werden, wo 
sie  eine  der  senkrechten  Stützen  berühren,  festgeflochten.  Allerdings  besteht 
in  der  Art  der  Befestigung  der  erhebliche  Unterschied,  dass  nicht  je  ein 
Flechtstreifen  an  jeder  Vertikalen  nach  oben  steigt,  sondern  dass  eine  einzige 
nach  Bedarf  verlängerte  Flechte  den  Spiralen  folgt,  wie  dies  auf  Fig.  7")b  zu 
sehen  ist.  Figur  75c  zeigt  die  Lage  der  Schlinge.  Der  Ast  wird  erst  zum 
Schluss  entfernt.  Bei  kleineren  Köchern  wird  nur  ein  Sorghum-Stengel 
gespalten,  ein  Stock  in  die  Tulpe  (Fig.  7.">a)  hineingesteckt  und  die  einzelnen 
Streifen  dos  gespaltenen  Stengels  werden  als  lnkingi  d.  h.  als  senkrechte 
Stützen  in  der  beschriebenen  Weise  benutzt.  Der  Knoten  des  Sorghums 
bildet   dann   den    Hoden. 

Ich  wende  mich  nunmehr  zu  den  Metallarbeitern.  Ober  ihre  Organisation 
ist  folgendes  vorauszuschicken:  Eis  gibt  erstens  Schmiede,  die  in  grösseren 
Genossenschaften    das  Erz    aus    den   Bergen    gewinnen    und    in    Schmelz- 


—     360     — 

öfen  aufarbeiten.  Sie  sitzen  hauptsächlich  im  Nordwesten  des  Landes, 
in  der  Nähe  der  Wasserscheide  des  Kandgebirges  und  im  Norden 
östlich  von  den  Vulkanen.  Die  Schmelzöfen  sind  aus  Steinen  und 
Schlacken  locker  gefügt  mit  kreisförmiger  Basis,  an  der  gleichmässig 
verteilt    die  Luftlöcher    für    die  Blasebälge    sich    befinden.     Die    grössten 


Fig.  71. 


Fn 


Fig.  73. 


Fis:.  7G. 


Öfen,  die  ich  Bah,  waren  etwa  1 V2  m  hoch  und  wurden  von  8  Bälgen 
in     Gang     -ehalten.       In     der    östlichsten     Provinz     Kissaka     soll     es     aber 

<  »l'rn  mit  16  Bälgen  geben.  In  die  Öfen  wird  immer  je  eine  Schicht 
Holzkohlen  und  Erz  getan  und  nach  zweitägiger  Feuerung  das  ge- 
schmolzene  Elisen    ans     dem   auseinander  gerissenen   Ofen   entfernt.      Dann 


—     361     — 

wird  es  in  verschieden  lange  Bänder  von  etwa  1V2  cm  Breite  verarbeitet, 
die  in  den  Handel  kommen.  Übrigens  werden  auch  gute  Erze  aber 
weite  Strecken  an  die  Schmiede  des  Landes  verhandelt.  In  handlangen 
geflochtenen  Bastnetzen    befinden    sich    immer  5  Steine,    3  hühnereigross, 

2  kleiner.  Von  diesen  in  der  Nähe  der  Erzlager  sitzenden  Schmieden 
werden  auch  Hacken  für  den  Handel  verfertigt  und  die  lokalen  Schmiede- 
Bedürfnisse  des  Distrikts  befriedigt.  Zweitens  gibt  es  Schmiede,  die  teils 
aus  erhandeltem  Bandeisen  auf  eigene  Rechnung  Produkte  liefern,  teils  und 
hauptsächlich  aber  altes  Eisen  für  den  Produzenten  zu  neuen  Werkzeugen 
umschmieden.       In    den    reicheren  (legenden    sitzen    oft    auf  einem   Berge 

Fi£.  76. 


mehrere  Schmiede,  und  der  helle  Klang  der  Hämmer  auf  Eisen  in  den 
Bananenhainen  ist  für  diese  liegenden  ein  sehr  charakteristischer  Laut.  End- 
lich gibt  es  noch  im  ganzen  Lande  alle  paar  Stunden  verteilt,  kleine  Schmiede, 
die  nieist  mit  einem  Lehrbursehen  zusammen  auf  Stör  gehen  und  ver- 
brauchte Werkzeuge  timarbeiten.  Doch  liefern  sie  meist  nur  kleinere 
Arbeiten,  selten  Hacken.  Gewöhnlich  sind  sie  auch  Drahtzieher.  Oberhaupt 
findet  auch  in  diesem  Gewerbe  eine  teils  nach  Fähigkeiten,  teils  nach 
Absatzmöglichkeiten  sich  richtende  Arbeitsteilung  stutt.  In  der  Nähe  der 
Pfeilmacher  weiden  natürlich  sehr  viel  Pfeilblätter  produziert,  in  den  be- 
völkerten Gegenden  besonders  viel  Hacken,  in  der  Nähe  grösserer  Watussi- 
niederlassungen  kunstvoll  geschmiedete  Schwerter  usw. 

Die  Schmiedearbeit,    die   meist    (Fig.  76)    in  einer  offenen   Hütte  vor 
sich  geht,  wird  gewöhnlich  von  3  Leuten  gehandhabt     Ein  Gehilfe  unter- 

Zeitscbrift  fQr  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Heft  8  u.  4.  •>{ 


—     362     — 

hält  den  Blasebalg1)  (Fig.  77),  der  Hauptarbeiter  hält  in  der  linken  Hand 
das  Holz  —  mbagga  — ,  in  dessen  Spalt  das  zu  bearbeitende  Eisen  befestigt 
ist  und  hämmert  mit  der  Rechten;  der  zweite  Arbeiter  hämmert  nur.  Als 
Amboss  —  igunguru  —  dient  ein  grosser  flacher  Stein.  Ein  Gefäss  mit  "Wasser 
zum  Kühlen  und  ein  primitiver  Pinsel  vervollständigen  die  Ausstattung.  Über 
die  Form  der  Hämmer  siehe  Fig.  78.  Die  kleineren  Schmiede  haben  nur 
einen  Hammer  von  verschiedener  Grösse  wie  E.  A  und  B  sind  die  Haupt- 
hämmer. So  wird  bei  der  Hackenfabrikation  mit  ihren  stark  gewölbten 
Leisten  das  Eisen  breit  geschlagen.  C,  D  und  E  dienen  hauptsächlich  für 
den  Rand  der  Hacken  und  für  kleinere  Arbeiten,  z.  B.  Messer.  Auch  werden 
sie  als  Unterlage  beim  Biegen    oder  Abbrechen  eines  Teils  benützt.     Nur 


Fisr.  77. 


für  E  kenne  ich  den  allgemeinen  Namen  Umangato  oder  Schmiedehammer, 
die  übrigen  werden  von  ihren  Besitzern  verschieden  getauft,  etwa  wie 
bei  uns  ein  Landwirt  seinen  Pferden  und  Rindern  Namen  gibt.  Ich  erinnere 
mich  an  Namen  wie  „Riese",  „Zwerg",  „Nahrungsspender"  u.  a. 

Ich  will  mich  nun  etwas  eingehend  der  Drahtzieherei  zuwenden. 

Das  Metall,  das  die  Drahtzieher  für  ihre  Arbeit  benutzen,  ist  meist 
in  Form  von  dicken  Kupfer-  und  Messingringen  importiert.  Dagegen  wird 
Eisendraht  meist  aus  selbst  verfertigten  Ringen  gezogen.  Messing  und 
Kupfer  wird  in  kleinen  steinernen  Tiegeln,  die  gischonje  heissen  (Fig.  79) 
in  lebhafter  Holzkohlenglut  geschmolzen. 

Drahtziehen  heisst  Kukwega.  Als  Instrumente  dienen  1.  mehrere 
Klammern  —  igifasche  (Fig.  81),  2.  mehrere  Drahtdehner  —  injundi  (80), 
3.   zu    den    Klammern    passende    Hülsen  —   rugurri  (Fig.  82),    4.  mehrere 


1)  Blasebalg  =  umuwubba  entspricht  dem  in  ganz  Deutschostafrika  üblichen.  —  Die 
Pfanne  (a,  b)  =  amatschuba.  —  Die  Röhren  (c,  d)  =  iwiwgro,  eigentlich  die  Oberschenkel  des 
Blasebalgs.  —  Die  Mündungen  a,  a,)  =  amasuru  =  die  Nasenlöcher.  —  Der  thönerne  Vor- 
satz: inkerro.  —  Die  Handhabe  ainmasseke.  —  aravugutta  er  „blasebalgf.  —  Für  die 
Bälge  habe  ich  keinen  andern  Namen  als  uruhu  (Fell)  gehört.  —  Das  Ende  heisst  umu- 
kondo  -  Nabel. 


—     363     — 

Ahlen  —  umugerra  (Fig.  83),  5.  Hammer,  Blasebalg,  ein  Instrument  zum 
Brachen  des  Drahtes  Fig.  s4)  und  ein  ikombe.  d.  h.  ein  Gestell,  das  in 
Fig.  86  gezeichnet  ist. 

In  einem  vom  Blasebalg  unterhalteneD  Feuer  von  Holzkohle  wird  der 
Drain    geglüht    —    knvavura.     Nachdem    er    einigerniasaen    abgekühlt  — 

Fi<r.  78. 


B 


C 


Fiff.  79. 


V  -     31 


Piff.  82. 


uguhoza  —  ist,  schmiert  man  ihn  mir  Butter  ein  —  kusig'amavuta.  Dann 
wird  das    Ende    gehämmert,    so   'las-   es    kantig   wird   —   kunugutechurra 

—  und  der  Dehner  zubereitet.  (Gewöhnlieh  arbeitet  man  mit  2—3,  bei 
denen  das  a-Loch  verschieden  gross  ist.)  Dazu  wird  zunächst  das  a-Loch 
wieder    _     38    gebohrt,    weil    es  vom  letzten  Gebrauch  her  noch  klein  ist 

—  kutobor'injundo.  Dies  geschieht  so:  eine  Ahle  und  der  Dehner  werden 
geglüht  und  dann    die   Ahle    Boweit    eingesi  I  lagen   (vom  ß-hoch  aus),    als 


—     364     — 

nötig  ist,  um  das  Drahtende  durchzustecken.  Etwa  6—10  cm  Draht  ragen 
über  das  a-Loch  hinaus.  Dieses  Ende  steckt  man  (kutamika)  in  eine 
Klammer,  die  man  zu  diesem  Zweck  am  offenen  Ende  mit  der  Ahle  etwas 
öffnet.  Dann  wird  ein  passender  Klammerpresser  über  die  Klammer  ge- 
schlagen —  kutschumma  (Fig.  85).  Da  bei  der  Arbeit  der  Draht  leicht 
aus  der  Klammer  gleiten  könnte,  schüttet  man,  um  dies  zu  verhindern, 
etwas  weisse  körnige  Erde  zwischen  die  Klanmierschenkel.  Nun  wird  der 
Dehner  in  die  Kerben  des  Gestells,  das  ikombe  gelegt.  Die  Klammer  wird  an 

Fiff.  83. 


rtrirniirkii 


Fig.  84. 


Fig.  85. 


Fig.  86. 


^N. 


beiden  Enden  mit  der  Rinde  einer  Ficusart  oder  Strohbinde  umfasst  und 
so  von  einigen  Männern  gepackt.  Wie  ein  Seiler  rückwärtsschreitend 
ziehen  diese  scharf  an  —  ukwaga  (Fig.  87).  Sobald  Raum  genug  ist, 
greifen  2,  3  bis  5  Männer  auch  den  Draht  an.  Das  Anziehen  geschieht 
ruckweise.  Vor  jedem  Ruck  wird  der  Draht  in  kleinem  Halbkreis  ge- 
senkt und  dann  nach  rückwärts  oben  gezogen,  wie  man  es  ähnlich  bei 
Fischern  sehen  kann,  die  schwere  Netze  ans  Land  ziehen.  Der  Schmied 
sitzt  am  Gestell  und  achtet  darauf,  dass  kein  Schmutz  mitgenommen  wird. 
Bisweilen  ist  in  dem  Kanal  des  Dehners  eine  Schärfe,  so  dass  etwas 
Kupfer  abgeschält  wird.  In  diesem  Falle  bindet  der  Schmied  vor  das 
/?-Loch  einen   kleinen  Zeugstreifen  um  den  Draht,  der  beim  nächsten  Ruck 


—     365     — 

ins  Innere  gezogen  wird.  Ist  der  Draht  ganz  durch  den  Dehner  gegangen, 
so  wird  die  Klammer  geöffnet  und  der  Draht  herausgenommen  —  ukwak'- 
igifasche.  Dann  wird  das  «-Loch  mit  einem  Hammel  zugeschlagen  — 
kiikiimm'inyundi  —  und  wieder  mit  der  Ahle  —  aber  kalt  —  durch  drehen 
und  hämmern  geöffnet  —  kuvurugusrlfinyundi.  Der  Schmied  hat  kein 
Mass  für  die  Girösse  des  Lochs,  sondern  das  ist  Übungssache  und  das 
wichtigste  an  der  ganzen  Technik.  Die  geschilderte  Arbeit  wiederholt 
sich  oft.  Von  Zeit  zu  Zeit  wird  das  vordere  Ende  wieder  dünner  ge- 
schlagen, bei  jedem  Durchziehen  wird  gefettet,  nach  4—5  mal  wieder  der 
Draht  geglüht,  indem  er  zum  Ringe  gebogen  wird  —  kuzinga.  Um  einen 
Draht  von  5  mm  Querschnitt  zu  einem  von  1,2  mm  zu  ziehen,  war  es  nötig, 
die  geschilderte  Arbeit  ca.  250  mal  zu  machen.  Dünnen  Draht  ganz  fein 
zu  machen,  erfordert  weniger  Kraft.  In  diesem  Fall  ist  das  Gestell  ent- 
behrlich   und    die  Arbeit    des  Ziehens  verläuft  umgekehrt,    wie   oben  ge- 

Fiff.  87. 


schildert.  Ein  Mann  hält  die  Klammer  und  ein  anderer  zieht  den  Dehner 
über  den  Draht,  während  im  ersten  Fall  der  Draht  wanderte  und  der 
Dehner  stillstand. 

Ich  habe  Ihre  Geduld  zwar  schon  überlange  in  Anspruch  genommen, 
möchte  aber  doch  noch  einiges  über  die  Technik  der  Töpferei  anschliessen. 
Töpfer  heisst  umuvumbji  (plur.-  avavumbji).  Die  Töpferei  —  ukuvumba  — 
liegt  in  Ruanda  fast  ganz  in  den  Händen  der  Batwa.  Fast  jeder  mittlere 
Bezirk,  etwa  alle  5—8  Stunden,  pflegt  eiu  Töpferdorf  —  umuvumbano  — 
zu  haben.  Selten  ist  es  eine  einzelne  Familie,  meist  sind  es  deren  viele. 
So  hat  die  Batwagemeinde  Mukawagalle  kawawumhje  kwa  Kaware 
(Kaware  ist  einer  der  Batwapräfekten)  mindestens  40  Hütten,  in  denen 
selbständig  getöpfert  wird.  Die  Hilfswerkzeuge  Bind  lächerlich  gering, 
fast  alles  leistet  die  Hand.  Für  Topffabrikation  ist  zu  erwähnen  ein  kleiner 
Glätter  aus  der  Schale  eines  Kürbis  und  ein  10  cm  langer  Graszopf 
dei  aus  gewöhnlichem  Schilfgras  geflochten  wird  und  zur  Ornamentierung 
dient,  er  heist  rugenjorro,  der  Glätter  ugokotto.  wie  der  Hobel  der  Holz- 
schnitzer. 

Bevor  ich  auf  die  Arbeit,  wie  ich  sie  teils   am  Kivu.    teils  im  Innern 


—     366     — 

von  Ruanda  beobachtete,  eingehe,  will  ich  die  verschiedenen  Gegenstände 
aufzählen,  die  durch  Töpfer  hergestellt  werden: 

1.  Pfeifen  —  inkonno, 

2.  grosse  ovale  Töpfe,  teils  zum  Aufbewahren  der  Pombe,  teils 
zum  Bereiten  der  Speisen, 

a)  intango,  diese  sind  fast  60  cm  hoch,  mit  ca.  30  cm  breitem 
Mund  und  ca.  45  cm  breitem  Bauch,  fassen  also  über  50 
Liter.  Sie  werden  bei  den  Reichen  zur  Pombe,  sonst  auch 
zum  Aufbewahren  von  Lebensmitteln  benutzt ; 

b)  inkonno  (!)  ja  kuvugga.  Von  derselben  Form,  aber  kleiner, 
in  verschiedenen  Abstufungen  von  10—30  Litern,  zum  Kochen 
der  Speisen  (kuvugga  =  Mehlbrei  kochen); 

3.  impereso  sind  kleine  bauchige  Töpfe  von  6 — 10  Liter  Inhalt. 
Sie  sind  bauchig,  fast  kugelig,  teils  mit  weiter  Öffnung, 
teils  mit  engem  Hals,  erstere  vornehmlich  für  Honig,  letztere 
für  Wasser.  Übrigens  sind  die  letzteren  ziemlich  selten,  da 
weniger  vielseitig  zu  verwenden, 

4.  ikiwindi  (akawindi)  ist  der  Pombekrug,  grösser  oder  kleiner 
(letzterer  akawindi),  durchschnittlich  ca.  30  cm  lang,  15  cm 
breit.     Ihre  Form  ist  schlank,  krugartig,  ca.  5  Liter  fassend, 

5.  minwa  ivili  ist  eine  bizarre  Form  des  Pombekruges,  kuglig  mit 
2  kurzen  Hälsen,  sodass  gleichzeitig  2  Saugröhren  hineingetan 
werden  können.  Es  gibt  kleinere  und  grössere,  doch  fassen  auch 
diese  meist  nicht  mehr  als  2 — 3  Liter, 

6.  rugwävja  ist  eine  grössere  Form  von  7;  wird  zu  allem  mög- 
lichen verwendet,  fasst  etwa  3  Liter, 

7.  akävja:  kleine,  niedrige,  breite  Töpfchen  von  1/i—  1/a  Liter 
Inhalt  zum  Aufbewahren  von  Butter  und  Ol, 

8.  itcholero  —  Räuchergefäss  von  Tassenform, 

9.  bunuli,  kleine,  6  cm  hohe  Gefässe,  von  Flaschen-  und  anderer 
(z.  B.  Kreisel-)  Form,  die  die  kleinen  Kürbisse  —  daher  der 
Name  bunuli  —  für  die  Liebesamulette  der  Frauen  ersetzen 
(Fig.  93), 

10.  urwesso,  bauchig,    breiter  Mund,    mit  abstehendem  Halskragen, 
3/4  Liter  fassend, 

11.  itschwendo  (akatsch wende);  Zweck  wie  Nr.  7,  V*- ~7s  Liter,  fast 
kuglich,  ohne  Hals,  kleiner  Mund  (Fig.  94). 

Für  die  Fabrikation  der  Töpfe  will  ich  als  Beispiel  die  eines  mittel- 
grossen inkonno  ja  kuvugga  nehmen.  In  Luschans  Frageschema  wird  auf 
Anfänge  der  Drehscheibe  verwiesen.1)     Diese  lassen  sich   auch    hier  kon- 


1)  Primitive  Drehscheiben  werden  wohl  bei  Herstellung  grösserer  Töpfe  in  Afrika  weit 
verbreitet  sein.  Ihr  Ursprung  kann  vielleicht  in  der  Notwendigkeit,  den  frischen  Tbon 
vor  der  Berührung  mit  dem  Erdboden  zu  Benutzen,  gesucht  werden.  Ich  fand  auf 
Photographieen  eines  Kameruner  Reisenden  (Bauer,  Fig. 93a)  einen  Holzblock  mit  aus- 
geholtem oberen  Ende,  das  mit  einem  feuchten  Lappen  bedeckt  wird,  auf  dem  man  den 
Topf  dreht.  Bei  einem  anderen  Töpferbilde  aus  Kamerun  (Hauptmann  Engelhardt, 
Fig.  9ob)  sieht  man  schalenähnliche  Drehscheiben  aus  Ton  z.T.  auch  mit  feuchten  Lappen 
bedeckt. 


—     367     — 

statieren;  meist  wird  der  Boden  eines  zerbrochenen  grossen  Topfes  ge- 
nommen, doch  sah  ich  Lei  den  intelligentesten,  den  Batwa  in  Induga  (kwa 
Kaware),  auch  direkt  für  diesen  Zweck  hergestellte  flach«'  Schalen.  Zunächst 
wird  ein  Klumpen  Ton  (Taf.  IV  Fig.  2a)  —  iwumba  —  nachdem  die  Finger 
tüchtig  nass  gemacht  sind,  geknetet,  als  drücke  man  einen  Schwamm  aus, 
worauf  er  zwischen  beiden  Handflächen  wie  ein  Quirlstiel  gewälzt  wird, 
sodass  eine  lange  Wurst  entsteht  (Taf.  IV,  2b).  Dies  Zurechtkneten  heisst 
—  kukända.  Diese  Wurst  wird  nun  in  Bienenkot  hw  indungen  zusammen- 
gelegt, sodass  die  Fig.  Taf.  IV,  2  c  entsteht.  Diese  kommt  auf  die  Drehscheibe, 
wird  nach  unten  glatt  gedrückt  (Taf.  IV  Fig.  1  und  '2i\j  und  nun  beginnt 
die  Arbeit,  die  gleichmässig  zum  Ansatz  des  Halses  fortläuft  und  aus  zwei 
Verrichtungen  besteht,  dem  kutegga  und  dem  kusamura. 

Durch  das  kutegga  wird  die  Wurst  seitlich  platt  gedrückt,  indem  von 
aussen  der  Daumen,  von  innen  die  übrigen  Finger  drücken,  bis  die  Wurst 
jedesmal  im  gewünschten  Niveau  ist,  dann  kommt  eine  neue  Wurst 
auf    den   jedesmaligen  Rand    (Taf.  IV  Fig.  2  e,  2  f ).     Da    aber    der    neu- 


Pie.  93a. 


Fiff.  93b. 


angedrückte  Teil  immer  etwas  stärker  ist,  als  der  untere  fertige,  wird  die 
überflüssige  Masse  verstrichen,  distal  mit  dem  Radialrand  des  Daumens, 
proximal  mit  dem  Radialrand  des  Index,  dies  heisst:  „kusamura".  Neben 
diesem  einher  geht  das  Glätten  mit  dem  ngokotto,  d.  h.  dem  Hobel  aus 
Kürbisschale  (kunosa)  erst  innen,  dann  aussen.  Bei  all  diesem  wird  die 
Scheibe  ruckweise  gedreht  (Taf.  IV  Fig.  3  u.  4). 

Ist  das  Gefäss  bis  zum  Hals  ansatzfertig,  so  trocknet  es  im  Schatten 
24  Stunden.  Betreffs  des  Halses  gibt  es  2  Methoden.  Die  einen  machen 
den  Hals  besonders  und  setzen  ihn  dann  auf,  die  meisten  arbeiten  an  dem 
<iefäss  bis  zum  Ende  weiter.  Den  Hals  bezw.  das  Oberstück  arbeiten 
heisst  kuter 'urugarra.  Auch  das  Oberstück  wird  teils  mit  der  Hand,  teils 
mit  dem  ingokotto  bearbeitet.  Zum  Schluss  folgt  das  Ornamentieren,  das 
in  zweierlei  Form  geschehen  kann.  1.  Kugenjorro  ist  die  Arbeit  mit  dem 
oben  erwähnten  rugenjorro.  Man  quirlt  den  Zopf  zwischen  Gefäss  und 
Handfläche  hin  und  her  (Taf.  IV  Fig.  .">).  2.  KunGna  ist  das  Eindrücken 
entweder  tiefer,  meist  dreieckiger  Ornamente,  teils  am  Mundrand,  teils  am 
Baisansatz  mit  dem  ngokotto.  oder  tiefer  Linien,  die  einfache  geometrische 
Figuren  darstellen  (gewöhnlich  das  oft  erwähnte  Pfeilornament).  Zuletzt 
wird  noch  der  Hals  mit   Hilfe  von   Wasser    und   den  grossen    Blättern  der 


—     368     — 

Erythr.  toment.  gerundet  (Taf.  IV  Fig.  6).  Dann  setzt  man  die  Töpfe 
24  Stunden  auf  den  Hüttenrost  oder  48  Stunden  in  die  Sonne. 

Nach  dem  Brennen  folgt  das  Putzen.  Es  geschieht  mit  Gras,  wobei 
der  Russ  festgerieben  wird.  Zum  Verkauf  werden  die  Gefässe  mit  Asche 
beschmiert  und  mit  der  Wurzel  eines  Unkrautes  einige  rote  Flecken  und 
Striche  gemacht.  Das  wünschen  die  Käufer,  weil  es  Glück  bringt.  „Topf- 
brecher" heisst  es,  vielleicht  weil  die  dicken  hohlen  Stengel  im  Feuer 
explodieren. 

So  viel  über  die  Herstellung  der  Töpfe. 

Sie  sehen  ferner  (Fig.  88)  hier  eine  Anzahl  von  flachen  Eisen-Instru- 
menten, die  zur  Herstellung  von  Pfeifen  und  von  diesen  kleinen  Töpfen 
dienen  (Fig.  93  und  94).  Beide  werden  wohl  ausschliesslich  von  Männern 
gearbeitet. 

Sie  sehen  hier  auch  Präparate,  die  Ihnen  zeigen  sollen,  wie  eine 
Pfeife  entsteht.  Die  Arbeit  geht  übrigens  so  rasch  vor  sich,  dass  es 
schwer  ist,  den  Bewegungen    der  Finger    zu  folgen    und  dass  man  immer 


Fi*.  89. 


Fis.  90. 


Figr.  91a. 


Fi«?.  91b. 


Fi<r.  92. 


J 

wieder  neue  Objekte  beginnen  lassen  muss,  um  das  Handwerk  wirklich 
sorgfältig  studieren  zu  können.  Ich  glaube  mit  meinen  angefangenen  und 
halb  vollendeten  Pfeifen  hätte  ich  die  Peterskirche  füllen  können  und 
selbst  dann  wären  noch  einige  Exemplare  zu  den  Fenstern  herausgequollen. 
Aber  zur  Sache!  Der  Arbeiter  benetzt  sich  die  Hände  mit  Wasser  und 
nimmt  eine  Handvoll  Lehm,  die  er  tüchtig  durchknetet.  Das  Ende,  das  über 
die  Hand  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  hinausgepresst  wird,  schlägt 
er  mit  dem  Daumenballen  der  anderen  Hand  breit  (Fig.  89).  Dann 
kommt  das  Kunosa,  d.  h.  ein  gleichmässiges  Streichen  und  Glätten. 
Darauf  macht  er  an  beiden  Enden  eine  Vertiefung,  indem  er  am  breiten 
Ende  den  Daumen  hin  eindrückt  und  mit  dem  Zeigefinger  zirkelt,  und 
drückt  in  die  Mitte  ein  Loch  an  der  Stelle,  wo  sich  später  der  Winkel 
befindet  (Fig.  90).  Dann  knickt  er  es  an  dieser  Stelle  und  verstreicht 
den  Winkel,  wodurch  dies  hier  (Fig.  91a)  entsteht.  Nun  trocknet  das  Stück 
im  Schatten  24  Stunden.  Dann  folgt  das  Ukuarura,  das  Hobeln  mit  dem 
flachen  Eisen  (Fig.  88  1)).  Sein  schmales  Ende  wird  flach  aufgesetzt  und 
dann  nach  dein  Winkel  hin    «bestrichen.      Mit  dem  breiten  Ende  wird  auf 


—     369     — 

den  Rand  des  Mundes  geklopft.  Dann  folgt  an  beiden  Enden  der  Pfeife 
das,  was  er  Kupfundi  Kumagarra  nennt,  d.  h.  das  Schneiden  des  Randes. 
Mit  der  Erde,  die  dabei  vom  Munde  weggenommen  wird,  verschmiert  er 
den  Winkel  der  Pfeife  mit  Hilfe  des  Eisens.  Nun  erst  folgt  Kutobora, 
das  Höhlen  mit  dem  schmalen  Eisenende,  erst  von  dem  Pfeifenmund,  dann 

Fijr.  93. 


1LA&  bll 


A    £**£ 


von  dein  Röhrenansatz  aus  (Fig.  91b).  Hierauf  kommt  das  Kutzemba,  das 
< Hätten  des  Innern  mit  einem  glatten  Holz,  dem  ukutzombjo  und  zuletzt 
das  kukurungira,  das  Polieren  der  Aussenseite  mit  dem  breiten  Ende  des 
Eisens  in  der  Weise,  wie  wir  auf  Papier  eine  Rasur  glätten.  Nach 
weiteren  24  Stunden  brennt  man  die  Pfeife  sehr  vorsichtig.  Erst  legt 
man  sie  nur  in  die  Nahe  des  Feuers,  dann  tut  man  glühende  Kohlen- 
stückchen hinein   und  dann   erst  brennt  man  sie   stark.      Nach   einer  halben 


—     370     — 

Stunde  entfernt  man  sie,  reibt  den  Russ  tüchtig  mit  Gras  und  poliert  noch 
einmal  mit  dem  Holz. 

Die  gebräuchlichste  Form  der  Ruanda-Pfeifen  zeigt  Fig.  92.  Ähnlich 
wie  die  Pfeifenfabrikation  —  und  auch  meist  von  denselben  Leuten  ausgeübt 
—  ist  die  Herstellung  der  kleinen  Töpfe,  die  Sie  hier  (Fig.  93  und  94)  sehen. 
Die  runden  grösseren  in  der  untersten  Reihe  dienen  zum  Aufbewahren 
des  Öles,    die    oberen   Reihen    aber    einem    sehr  eigentümlichen   Zwecke. 


Jede  verheiratete  Frau  nämlich  in  Ruanda  trägt  vor  ihrem  Leibe  unter 
dem  schürzenartigen  oberen  Teil  ihres  Fells  an  einer  Schnur  befestigt 
einen  kleinen  Kürbis  oder  einen  der  hier  abgebildeten  Töpfe.  Ihr  Inhalt 
Bind  Amulette,  um  sich  die  geschlechtliche  Liebe  des  Ehemannes  zu  erhalten. 
Und  es  zeugt  eigentlich  nicht  von  viel  Selbstvertrauen  zu  den  eigenen  Reizen, 
wenn  man  die  grosse  Menge  der  Amulette  berücksichtigt,  die  solches 
Fläschchen  enthält.  Ich  zählte  einmal  bei  einer  Frau  deren  achtunddreissig. 
Aber  diese  Frage  geht  uns  hier  ja  nichts  an.  Die  Technik  dieser  Flaschen- 
f'abrikation   ist  der  der  Pfeifen  sehr  ähnlich.     Nur  haben  sich  die  Arbeiter 


—     371     — 

eine  grössere  Mannigfaltigkeit  von  Instrumenten  ersonnen,  die  Sie  in 
Fig.  88  abgebildet  sehen,  während  der  Pfeifenmacher  ausser  seinem 
hölzernen  Glätter  nur  ein  Fig.  88b  ähnliches  Eisen  zu  haben  pflegt.  Ich 
will  mich  darauf  beschränken,  Ihnen  eine  kurze  Beschreibung  des  Zwecks 
dieser  Eisen  zu  geben. 

Fig.  88  A.  Das  obere  Ende  dient  erstens  zum  Söhneiden  des  oder 
der  Kreise,  die  um  die  kleinen  Gefässe  herumlaufen  und  zweitens  als 
(i lütter.  Das  untere  Ende  erstens  zum  Polieren  kleinerer  Flächen  und 
zweitens  zum  Höhlen.  Fig.  B.  Ebenfalls  zum  Höhlen  dient  das  obere 
Ende  und  zwar  beginnt  das  Höhlen  mit  diesem  Instrument.  Leicht  winklig 
gebogen  höhlt  es  die  seitlichen  Partien  des  Halses.  Das  untere  Ende 
dient  hauptsächlich  zum  Glätten  des  Mundes.  Entweder  senkrecht  auf- 
gesetzt mit  der  Schärfe  oder  horizontal  mit  der  Fläche. 

Instrument  C  poliert  vorwiegend  grössere  Flächen.  Auch  wird  das 
obere  Ende  benutzt,  um  den  Mund  festzuklopfeu.  Das  untere  Ende  dient 
zum  Schneiden  des  Randes  und  zwar  der  unteren  Randfiäche. 

Das  Eisen  D  ist  eine  gewöhnliche  Sandflohnadel,  von  deren  Blatt  der 
eine  Rand  scharf,  der  andere  fein  gesägt  ist.  Sie  dient  zum  Ornamen- 
tieren der  Gefässe  in  folgender  Weise.  Nachdem  mit  der  Schärfe  die 
Umrisse  gezeichnet  sind,  z.  B.  (1)  erfolgt  durch  wiegende  Bewegungen 
mit  der  Nadel,  deren  Spitze  nach  der  Spitze  der  Winkel  schaut,  mit  dem 

/\/\        sW&s^r^S        -^wv^vr^    • 

CD  (2)  (3) 

gesägten  Rande  ein  Kerben.  Da  die  Fläche  und  der  Klingenrand  ge- 
wölbt sind,  erfolgt  das  Kerben  in  2  Absätzen,  erst  an  den  unteren 
Partien,  also  so  (2),  dann  an  den  oberen  (3).  Das  untere  Ende  der 
Nadel  dient  zum  Punktieren.  Das  Eisen  E  dient  erstens  zum  Polieren 
wie  C,  zweitens  mit  dem  oberen  etwas  umgebogenen  Rande  als  Raspel 
für  den  Boden  der  Gefässe.  Das  untere  Ende  dient  wie  das  gleiche  Ende 
von  C  zum  Schneiden  des  Randes  oder  der  oberen  Randfiäche. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  in  aller  Kürze  auf  eine  Technik  ein- 
gehen, die  für  Ruanda  wie  überhaupt  für  die  Länder  westlich  des  Viktoria- 
sees bis  zum  Kongo  hin  eine  grosse  Rolle  spielt.  Ich  meine  die  Her- 
stellung von  Rindenstoff. 

Das  Rindenzeug  —  impdsu  —  wird  auf   folgende   Weise   hergestellt: 

Nachdem  man   in  die   Fikus    (man    benutzt  "_'  Arten,    von    denen    die  eine 

umuwunintu.  die  andere  omuhehe  oder  ourakove  heisst)  einen  Längs-  und 

zwei   Kreisschnitte  gemacht  hat,   schält   man  die  Kinde  ab.     Rinde  heisst: 

1.  allgemein  igischfschwa, 

"2.   vom  ohigen  Baume  Lmpüsu. 

Dann  schneidet  man  veii  dem  betreffenden  Stück  die  Schale  ab.  legi 
es   auf   einen    ca.  60  cm  dicken    Stamm,    der    als    Unterlage   (mukömero) 


—     372     — 


dient  und  hämmert  es  (kukomma)  (Fig.  95)  mit  dem  Hammer  (imangu) 
(Fig.  96—98)  auf  beiden  Seiten.  Dies  dauert  so  lange,  bis  das  Stück 
weich  ist.     Dann  wringt    man    das  Wasser    aus    (kukamura),    trocknet  es 

Fig.  95. 


Fig.  96. 


Fig.  97.         Fig.  98. 


(kukanika)  in  der  Sonne  und  reibt  es  tüchtig,    etwa  in  der  Art,    wie  wir 

einen  Flecken  aus  einem  Stück  Zeug    entfernen  (kunjukku),    beschneidet 

darauf  den  Rand  (kukanna),  näht  es  mit 
anderen  Stücken  zusammen  (kutoteza)  und 
befestigt  die  Bänder.  Ein  fleissiger  Arbeiter 
macht  täglich  mindestens  4  Stück,  die  zu- 
sammen 1  qm  bilden. 

Diese  Arbeit  geschieht  in  den  meisten 
Haushaltungen,  doch  habe  ich  in  einigen 
Gegenden  auch  Arbeiter  gefunden,  die 
mit  ihren  Hämmern  auf  Stör  herumzogen 
und  einmal  sogar  einen  Eingeborenen,  der 
Rinde,  wo  immer  er  sie  bekommen  konnte, 
einhandelte,  zu  Hause  verarbeitete  und 
das  fertige  Produkt  verkaufte. 

Bemerken  möchte  ich  übrigens  noch, 
dass,    während    in   Urundi   Rindenstoff  als 

Bekleidung  bei   weitem  überwiegt,    er   in  Ruanda   immer    mehr  von  Fell 

und  Zeug  verdrängt  wird. 


—     373 


2.  Über  die  rachitischen  Veränderungen  des  Schädels.1) 

Von 

Professor  D.  von  Hansemann. 

Es  sind  vor  allem  zwei  Gründe,  die  mich  veranlassen,  hier  über  den 
Einfluss  der  Rachitis  auf  die  Schädelform  zu  sprechen.  Sie  werden  sich 
erinnern,  dass  Virchow  seinerzeit  bei  seinen  Äusserungen  über  den 
Neanderthalschädel  angab,  dass  derselbe  deutliche  Spuren  von  Rachitis 
an  sich  trüge.  In  dieser  Aussage  "Virchows  mögen  Sie  den  einen  Grund 
für  meine  heutige  Demonstration  sehen.  Der  andere  beruht  darauf,  dass 
ich  aus  zahlreichen  Angaben  in  der  Literatur  und  aus  häufigen  Fragen, 
die  an  mich  gestellt  werden,  ersehe,  dass  unter  den  Ärzten  und  ganz  be- 
sonders unter  denjenigen,  die  sich  mit  anthropologischen  Dingen  be- 
schäftigen, noch  wenig  bekannt  ist,  welche  Veränderungen  eigentlich  die 
Rachitis  am  Schädel  hervorbringen  kann  und  welche  niemals  durch 
Rachitis  erzeugt  werden.  Wenn  ich  mir  erlaube,  dieses  Thema  hier  vor- 
zubringen, so  ist  es  natürlich  nicht  zu  umgehen,  dass  ich  auf  die  rachi- 
tischen Veränderungen  überhaupt  eingehe,  aber  ich  werde  mich  doch  be- 
mühen, das  möglichst  zu  beschränken  und  nur  insofern  die  rachitischen 
Veränderungen  des  Schädels  zu  besprechen,  als  sie  für  die  anthropolo- 
gische Betrachtung  von  Bedeutung  sind. 

In  Wirklichkeit  war  es  in  früher  Zeit  und  auch  zu  der  Zeit,  als 
Virchow  den  Neandertalschädel  untersuchte,  schwierig,  mit  Sicherheit 
auszusagen,  welche  Veränderungen  auf  Rachitis  zu  beziehen  sind  und 
welche  nicht,  denn  man  war  in  jener  Zeit  im  wesentlichen  darauf  an- 
gewiesen, die  Schädelveränderungen,  die  sich  bei  früher  rachitischen  In- 
dividuen zufällig  fanden,  in  ihrem  Zusammenhang  mit  dieser  Krankheit 
zu  deuten,  was  natürlich  häufig  der  Willkür  oder  der  Neigung  des  Unter- 
suchers  unterlag. 

Neuerdings  hat  man  in  diesen  Schlussfolgerungen  eine  viel  grössere 
Sicherheit  bekommen,  und  zwar  speziell  durch  das  Studium  der  Rachitis 
bei  Tieren.  Es  ist  schon  seit  langer  Zeit  bekannt,  dass  viele  Tierarten 
und  speziell  die  Affen  Rachitis  bekommen  können.  Von  einigen  Unter- 
suchern wurde  diese  Krankheit  auch  direkt  als  Rachitis  bezeichnet,  von 
anderen  aber  unter  dem  Namen  Leontiasis,  Ostitis  deformaus,  Osteomalazie 
Lähme,  Rückenmarkskrankheit  usw.  beschrieben.  In  neuerer  Zeit  hat 
man  dies.'  Krankheit  mit  Sicherheit  als  Rachitis  erkannt  und  ich  habe 
speziell    <li<-    Rachitis    der  Affen    vor    einigen    Jahren    einer    ausgedehnten 


1)  Vortrag,  gehalten  in  der  Sitzung  vom  20.  Fobruar  liXKl. 


—     374     — 

Untersuchung  unterzogen,  deren  Resultate  ich  1901  in  einer  Monographie 
über  die  Rachitis  des  Schädels  veröffentlicht  habe.  Durch  das  liebens- 
würdige Entgegenkommen  des  Direktors  unseres  zoologischen  Museums, 
Herrn  Geheimrat  Möbius,  war  ich  in  die  Lage  versetzt,  eine  grosse  Zahl 
von  Affenschädeln  und  Skeletten  zu  untersuchen.  Herr  Direktor  Heck 
vom  hiesigen  zoologischen  Garten  stellte  mir  eine  ganze  Reihe  lebender 
und  toter  rachitischer  Affen  zur  Verfügung.  Ausserdem  habe  ich  noch 
bei  Händlern  zusammen  gekauft,  was  ich  irgend  finden  konnte,  und  so 
verfüge  ich  über  ein  ausserordentlich  grosses  Beobachtungsmaterial.  Bei 
diesen  Untersuchungen  hat  sich  die  merkwürdige  Tatsache  herausgestellt, 
dass  sämtliche  jung  eingefangenen  Affen  rachitisch  werden  und  zwar  nicht 
bloss,  wenn  sie  hier  bei  uns  in  Gefangenschaft  leben,  sondern  auch  wenn 
sie  in  ihrer  eigenen  Heimat  in  Gefangenschaft  gehalten  werden.  Niemals 
habe  ich  gesehen,  dass  ein  in  der  Freiheit  geschossener  Affe  Spuren  von 
Rachitis  gezeigt  hätte,  und  alle  rachitischen  Affenschädel,  die  ich  unter- 
sucht habe,  stammten  aus  der  Gefangenschaft.  Ein  grosser  Teil  dieser 
Affen  starb  direkt  an  den  Folgen  der  Rachitis,  aber  manche  und  vor 
allen  Dingen  die,  welche  sich  in  sorgsamer  Privatpflege  befinden,  über- 
stehen auch  die  Krankheit,  und  so  ist  man  in  Wirklichkeit  in  der  Lage, 
die  Rachitis  bei  den  Affen  in  allen  Stadien  zu  untersuchen.  Wie  gesagt 
bekommen  auch  andere  Tiere  die  Rachitis,  in  der  Gefangenschaft  aber 
nicht  mit  solcher  Regelmässigkeit  wie  die  Affen.  Aber  gerade  das  Auf- 
treten dieser  Krankheit  immer  nur  in  der  Gefangenschaft  der  Tiere  zeigt 
deutlich,  dass  es  sich  hier  um  eine  Krankheit  der  Domestizierung  handelt, 
und  man  könnte  geradezu  sagen,  die  Domestizierungsfähigkeit  einer  Tier- 
rasse ist  abhängig  von  ihrer  Widerstandsfähigkeit  gegen  Rachitis. 

Auch  für  den  Menschen  glaube  ich  vertreten  zu  können,  dass  die 
Rachitis  eine  Krankheit  der  Domestizierung  d.  h.  also  der  Kultur  ist,  die 
bedingt  wird  durch  das  Wohnen  in  geschlossenen  Räumen,  durch  den  Ein- 
fluss  der  Nahrung,  der  Kleidung  usw.  Bei  unkultivierten  Völkern  kommt 
Rachitis  nicht  vor.  Auch  in  Japan  soll  sie  nicht  vorhanden  sein.  Ich  bin 
überzeugt,  dass,  wenn  die  Japaner  anfangen  in  europäischen  Häusern  zu 
wohnen,  sie  auch  die  Rachitis  bekommen  werden. 

Was  nun  die  Affen  betrifft,  so  verläuft  die  Rachitis  bei  diesen  Tieren 
vollständig  analog  demjenigen,  was  man  beim  Menschen  sieht.  Kein 
Symptom  der  menschlichen  Rachitis  fehlt  bei  den  Affen,  und  keines  ist 
bei  den  Affen  vorhanden,  das  sich  nicht  auch  beim  Menschen  vorfände. 
Nur  ein  gradueller  Unterschied  besteht  darin,  dass  die  Periostrachitis  im 
Gegensatz  zur  Knorpelrachitis  bei  den  Affen  fast  immer  stärker  entwickelt 
ist,  als  in  den  gewöhnlichen  Fällen  beim  Menschen,  und  so  starke 
Periostrachitis,  wie  man  sie  beim  Affen  häufig  findet,  ist  beim  Menschen 
verhältnismässig  selten.  Aber  gerade  in  Bezug  auf  den  Schädel  spielt 
dieser  Unterschied  keine  hervorragende  Rolle,  da  ja  die  Schädelrachitis 
auch  beim  Menschen  eine  Periostrachitis  ist. 

Wenn  man  nun  betrachtet,  was  bei  der  Rachitis  geschieht,  so  sieht 
man,  dass  es  sich  um  eine  Wucherung  handelt,  die  vom  Periost  ausgeht 
und     die    zu    einer     Verdickung    der    Schädelknochen     führt.     Diese  Ver- 


—     375     — 

dickung  tritt  fast  immer  ganz  symmetrisch  auf,  wie  es  die  Fig*  1  zeigt, 
und  zwar  entweder  in  der  Mitte  der  flachen  Schädelknochen,  und  nähert 
sieh  von  hier  aus  erst  allmählich  den  Nähten  oder  sie  beginnt  auch,  was 
allerdings  selten  ist,  am  Bande  in  der  unmittelbaren  Nachbarschaft  der 
Nähte  und  sehreitet  von  hier  nach  der  Mitte  der  Knochen  zu.  Der  vordere 
Abschnitt  des  Schädels  pflegt  stärker  ergriffen  zu  werden  als  der  hintere, 
so  dass  die  Verdickungen  am  Stirnbein  gewöhnlich  stärker  sich  entwickeln 
als  am  Hinterhauptbein  (Fig.  2).  Unter  allen  Umständen  und  ohne  Aus- 
nahme sowohl  beim  Affen  wie  beim  Menschen  geht  die  Wucherung  vom 
äusseren  Periost  des  Schädels  aus,  niemals  vom  inneren,  der  Dura  mater. 
Alle  Verdickungen,  die  an  der  Innenfläche  des  Schädels  gefunden  werden, 
sind  also,  selbst  wenn  sie  bei  früher  rachitischen  Personen  vorkommen, 
nicht  rachitischer  Natur.  Obwohl  die  Wucherungen  die  Nähte  überziehen 
können,  so  kommt  es  doch  nicht  zu  einer  wirklichen  Yerknöcherung  der 
Nähte.     Man  kann    sie  von  der  Innenfläche    immer    noch    erkennen,    und 


Fisr.  1. 


Fis-  2. 


^ 


wenn  der  Prozess  zur  Ausheilung  kommt,  und  man  nun  die  verdickten 
sklerotischen  Schädelknochen  untersucht,  dann  kann  man  sehen,  dass  die 
Nähte  nicht  synostotisch  geworden  sind,  sondern  dass  sie  im  Gegenteil 
nur  eine  lockere  Verbindung  der  einzelnen  Knochen  darstellen,  weil  die 
Zähne  der  Naht  kurz,  dick  und  stumpf  geworden  und  wenig  geeignet 
sind,  eine  feste  Verbindung  herzustellen.  Bei  der  Maceration  fallen  die 
Scliädelknoclien  daher  trotz  ihrer  Verbindung  leicht  auseinander.  Daraus 
kann  man  sehen,  dass  frühzeitige  Synostosen  als  solche  niemals  auf  die 
Rachitis  bezogen  werden  dürfen. 

Die  Symmetrie,  in  der  sich  die  Affektion  entwickelt,  ist  eine  überaus 
auffällige  und  besonders  beim  Menschen  bemerkbar.  Eis  gibt  seltene  Aus- 
nahmen davon;  ich  habe  im  Laufe  der  -Jahre  nur  wenige  Beispiele 
Bammeln  können,  die  eine  asymmetrische  Kntw  ickelung  der  rachitischen 
Periost  Wucherungen  erkennen  lassen.  Daraus  kann  man  ersehen,  dass  eine 
Schiefheit  des  Schädels  in  der  Kegel  nicht  auf  Kachitis  zu  beziehen  i>t. 
Wenn  auch  eine  solche  unsymmetrische  Verdickung  eine  Asymmetrie  des 
Schädels  zurück  lassen  kann,  so  ist  diese  doch  so  geringfügig,  dass  sie  nur 


—     37G     — 

ganz  ausnahmsweise  einmal  in  die  Erscheinung  treten  dürfte.  Schiefheiten 
des  Schädels  sind  vielmehr  auf  andere  Ursachen  zurückzuführen,  z.  B.  auf 
eine  einseitige  Yerknöcherung  der  Nähte,  die,  wie  oben  gesagt,  nicht  von 
der  Eachitis  abhängig  ist,  oder  auf  individuelle  Entwickelung  des  Gehirns. 
Es  ist  ja  bekannt,  dass  die  Gehirnhemisphären  nur  selten  vollkommen 
symmetrisch  sind.  Häufig  ist  diese  Asymmetrie  eine  ganz  erhebliche, 
und  wir  wissen  durch  die  Untersuchung  Schwalbes,  welchen  ausser- 
ordentlichen Einfluss  die  Konfiguration  des  Gehirns  auf  das  äussere  Relief 
des  Schädels  ausübt.  Man  kann  also  im  allgemeinen  sagen,  dass  Schief- 
heit des  Schädels  nicht  auf  rachitische  Veränderungen  zu  beziehen  ist. 

Nun  kommt  aber  für  die  Schädelbildung  beim  Menschen  ein  Umstand 
in  Betracht,  der  sich  bei  den  Affen  nicht  findet,  und  der  auf  die  Form 
des  Schädels  einen  grossen  Eiufluss  ausübt.  Das  ist  die  Erweichung  des 
Hinterkopfes,  die  sogenannte  Craniotabes.     Die  Craniotabes   ist  nicht  eine 


Fiar.  3. 


Fig.  4. 


m**  ( 


eigentlich  rachitische  Erscheinung,  und  es  widerspricht  daher  das  aus- 
schliessliche Vorkommen  beim  Menschen  und  das  Fehlen  beim  Affen  nicht 
meiner  obigen  Behauptung,  dass  bei  der  Affenrachitis  kein  Symptom  der 
menschlichen  Rachitis  fehle.  Die  Craniotabes  ist  vielmehr  eine  ausge- 
sprochene Folge  davon,  dass  die  rachitischen  Menschen  in  ihrem  frühen 
Lebensalter  meist  auf  dem  Rücken  liegen,  wodurch  einmal  durch  Druck 
des  Gehirns  eine  Rarifikation  des  Knochens  eintritt,  die  immer  an  der 
Innenfläche  des  Schädels  sich  bemerkbar  macht  und  wodurch  zweitens  der 
Hinterkopf  platt  gelegen  wird.  Bei  Affen,  die  in  diesem  Stadium  nicht 
liegen,  fehlt  daher  auch  die  charakteristische  Gestaltung  der  Craniotabes, 
und  der  Hinterkopf  kann  sich  ungestört  entwickeln.  Wenn  man  den 
Schädel  eines  Menschen  betrachtet,  der  in  dieser  Weise  charakteristisch 
verändert  ist,  so  findet  man,  dass  der  Kopf  vom  Halse  aus  gerade  in  die 
Höhe  steigt,  ja  manchmal  ist  der  Übergang  der  Hinterfläche  zu  den  Seiten- 
flächen geradezu  winklig  abgeknickt,  wie  es  die  Fig.  3  deutlich  erkennen 
lässt.     Die  Folge    davon    ist,    dass    sich  der  Schädel  durch  das  Wachstum 


—     377     — 

des  Gehirns  ganz  vorzugsweise  nach  vorn  hin  entwickelt  und  die  Stirn  oft 
sehr  bedeutend  nach  vorn  gedrängt  wird,  so  dass  sie,  wenn  dazu  noch  eine 
Verdickung  des  Stirnbeins  hinzukommt,  balkonartiv,  ülici-  das  Gesicht  über- 
hängt. Solche  Köpfe  könnte  man  geradezu  als  Balkonköpfe  bezeichnen, 
die  sich  durch  eine  übermässige  Orthognathie  auszeichnen.  Diese  Ortho- 
gnathie wird  dadurch  verstärkt,  dass  auch  an  den  Kiefern  rachitische  Ver- 
änderungen eintreten,  die  ein  Wachstumshemmnis  für  den  Oberkiefer  und 
den  Unterkiefer  bedingen,  gleichzeitig  mit  Verdickung  der  Knochen  dieser 
'Peile.  Bei  'Pieren  und  besonders  bei  den  Affen  lässt  sich  diese  Wachs- 
tunisstörung viel  deutlicher  verfolgen  als  beim  Menschen,  und  man  spricht 

Fig.  5. 


bei  solchen  'Pieren  von  einer  Mopsköpfigkeit.  Man  darf  sich  aber  nicht 
vorstellen,  dass  die  Mopsköpfigkeit  gewisser  Hunderassen.  z.B.  der  Wachtel- 
hunde und  der  King  Charles-Rasse  usw.  auf  einer  Rachitis  beruhen,  wie 
man  das  früher  angenommen  hat,  ebensowenig,  wie  auch  die  gebogenen 
Beine  der  Teckel  rachitischer  Natur  sind.  Die  nebenstehende  Abbildung 
(Fig.  4)  zeigt  den  ausgezeichneten  Typus  eines  solchen  übermässig  ortho- 
gnathen  Balkonkopfes  am  macerierten  Schädel.  Wie  typisch  die  Form  des- 
selben  ist,  ergibt  sich  aus  der  Fig.  5,  die  von  einem  Lebenden  Menschen 
genommen  ist.  Der  macerierte  Schädel  könnte  geradezu  von  diesem 
Menschen  stammen,  obgleich  das  in  Wirklichkeil   nicht  der  Fall  ist. 

Man  kann  bei  den  Affen  deutlich  sehen,  dass  die   Rachitis  sich  häufig 
an    den    oberen  Augenbögen  lokalisiert  und  ganz,  besonders  stark  an  dem 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Heft  S  n.  i.  •>-. 


—     378     — 

über  der  Nase  gelegenen  Teil  des  Stirnbeins.  Dadurch  entsteht  zwischen 
Nasenrücken  und  Stirn  eine  tiefe  Einsenkung,  und  das  Stirnbein  buchtet 
sich  über  dieser  Einsenkung  stark  vor.  Auch  diese  charakteristische  Form 
ist  von  Bedeutung  für  die  Beurteilung  der  rachitischen  Kopfbildung 
(Fig.  4  und  5). 

Nun  muss  man  sich  nicht  vorstellen,  dass  jeder  Rachitiker  auch  einen 
rachitischen  Schädel  haben  müsse,  oder  dass  an  einem  rachitischen  Schädel 
alle  die  angeführten  Eigentümlichkeiten  vereint  in  die  Erscheinung  treten 
müssen.  Nicht  jede  Rachitis  verläuft  mit  besonderer  Beteiligung  des 
Schädels  und  nicht  jede  Schädelrachitis  mit  Craniotabes.  Es  kann  daher 
eine  äussere  rachitische  Verdickung  des  Schädels  vorhanden  sein,  ohne 
Craniotabes,  die  sich  auf  die  ganze  Zirkumferenz  des  Schädels  erstreckt. 
Man  kann  also  bei  einem  Menschen  mit  ausgebildetem  Hinterkopf  die 
Rachitis  nicht  etwa  ausschliessen. 

Schliesslich  will  ich  noch  darauf  hinweisen,  dass  die  Verdickungen, 
die  bei  der  Rachitis  auftreten,  stets  gleichmässige  sind,  sodass  sie  wohl  zu 
Hyperostose  aber  niemals  zu  Exostose,  d.  h.  also  zu  eigentlichen  Knochen- 
auswüchsen führen.  Exostosen  am  Schädel  sind  also  als  solche  niemals 
rachitisch. 

Wenn  wir  nun  speziell  auf  den  Neandertalschädel  eingehen,  so  waren 
es  vor  allem  zwei  Umstände,  die  Virchow  veranlassten,  denselben  für 
rachitisch  zu  erklären.  Der  eine  war  die  Verdickung  des  Schädels,  der 
andere  eine  kleine  Vorwölbung,  die  sich  in  der  Gegend  der  vorderen 
Fontanelle  findet.  Ich  halte  den  Neandertalschädel  wiederholt  und  auch 
wieder  neuerdings  mit  besonderer  Berücksichtigung  meines  heutigen  Vor- 
trages auf  seine  pathologischen  Veränderungen  hin  untersucht,  und  ich 
muss  sagen,  dass  ich  jedesmal  überrascht  war  über  die  Geringfügigkeit 
derselben  im  Vergleich  mit  den  Rasseneigentümlichkeiten  dieses  Schädels. 
Mit  der  grössten  Sorgfalt  sind  auch  die  minutiösesten  pathologischen  Ver- 
änderungen an  diesem  Schädel  hervorgesucht  worden,  und  es  sind  ausser 
den  eben  schon  genannten,  aus  denen  Virchow  die  rachitische  Natur 
derselben  abzuleiten  bestrebt  war,  noch  einige,  wahrscheinlich  traumatische 
Defekte  zu  erwähnen  und  eine  geringfügige  äussere  Osteoporose,  die  als 
Alterserscheinung  aufzufassen  ist  und  mit  der  hier  zu  diskutierenden 
Frage  nichts  zu  tun  hat. 

Was  nun  diese  Verdickung  des  Schädels  betrifft,  so  bezieht  sich  die- 
selbe in  uanz  charakteristischer  Weise  ausschliesslich  auf  die  Innenfläche. 
Die  Aussenfläche  ist  in  keiner  Weise  verdickt.  Verdickungen  der  Innen- 
fläche des  Schädels  sind,  wie  vorhin  auseinandergesetzt  wurde,  niemals 
rachitischer  Natur,  dagegen  findet  man  in  vielen  Fällen  solcher  inneren 
Hyperostose  und  speziell  auch  in  diesem  Falle  des  Neandertalschädels 
eine  vollkommene  Aufklärung  in  einem  anderen  Umstände.  Es  ist  Ihnen, 
nicinc  Herren,  ja  allen  bekannt,  dass  an  den  übrigen  Knochen  des  Neander- 
talnienscheii  bestimmte  eigentümliche  Veränderungen  vorhanden  sind,  die 
von  Virchow  als  Arthritis  deformans  bezeichnet  wurden,  was  auch  von 
allen  späteren  Untersuchern  vollkommen  anerkannt  wurde.  Diese  Arthritis 
deformans  ist  durchaus  analog  derjenigen   Erkrankung,   die  man  auch  bei 


—     379     — 

Höhlen  bewohnenden  Tieren  findet  und  die  deswegen  den  Namen  Höhlen- 
gicht bekommen  hat  Eis  ist  eine  Krankheit,  an  der  auch  rezente  Menschen 
besonders  im  höheren  Alter  überaus  häufig  leiden.  Sie  hat  den  Namen 
Altersgicht  bekommen,  hat  aber  in  Wirklichkeit  mit  der  eigentlichen  Gicht 
garnichts  zu  tun,  sondern  isi  eine  ganz  ausgezeichnete  Knochenerkrankung, 
die  sich  vorzugsweise  in  <\ti\'  Umgebung  der  Gelenke  abspielt.  Bei  Leuten 
mit  solcher  Arthritis  deformans  findet  man  mit  grosser  Kegelnlässigkeit 
Verdickungen  an  dw  Innenfläche  des  Schädels  und  zwar  manchmal  so  er- 
heblich, dass  dicke  Wülste,  ja  förmliche  Knochengeschwülste  besonders  in 
der  Stirngegend  sich  entwickeln.  Von  diesen  zeigt  der  Neandertalschädel 
11111'  einen  sehr  leichten  Grad,  aber  immerhin  doch  so  charakteristisch, 
dass  gar  kein  Zweifel  über  die  Zusammengehörigkeit  dieser  Verdickungen 
mit  den   Veränderungen   am  übrigen  Skelett  bestehen  kann. 

Nun  werden  Sie  vielleicht  erstaunt  sein,  dass  Yirchow,  obwohl  er 
•die  Skeletterkrankung  richtig  als  Arthritis  deformans  deutete,  die  Ver- 
dickung des  Schädels  doch  als  einen  rachitischen  Zustand  bezeichnete. 
Das  erklärt  sich  aber  aus  dem  Umstände,  dass  die  rachitische  Verdickung 
für  die  damalige  Betrachtungsweise  von  den  Verdickungen  bei  der  Arthritis 
deformans  garnicht  soweit  entfernt  lag.  Man  wusste  damals  noch  nicht, 
dass  die  Rachitis  des  Schädels  sich  ausschliesslich  an  der  äusseren  Fläche 
desselben  abspielt  und  die  Innenfläche  ganz  intakt  lässt,  und  man  wusste 
ebensowenig,  dass  eigentliche  Exostosenbildungen  nicht  in  das  Bild  der 
Rachitis  hineingeboren.  Virchow  hatte  z.  B.  auch  eine  Neigung,  das 
Auftreten  von  Exostosen  in  der  Nähe  von  Gelenken  auf  eine  in  der  Jugend 
überstandene  Rachitis  zu  beziehen.  Daraus  erklärt  sich  für  ihn  die 
Möglichkeit,  den  einen  Zustand  für  Rachitis,  den  anderen  für  Arthritis 
deformans  zu  erklären,  ohne  in  diesem  gemeinsamen  Vorkommen  einen 
Widerspruch  zu  erkennen. 

Während  sich  also  in  dieser  Weise  die  Verdickung  des  Xeandertal- 
schädels  mit  Sicherheit  von  rachitischen  Veränderungen  trennen  lässt,  so 
stossen  wir  bei  der  leichten  Ausbuchtung  in  der  Gegend  der  vorderen 
Fontanelle  auf  gewisse  Schwierigkeiten  der  Deutung.  Obwohl  ich  mich 
bemüht  habe,  etwas  Genaueres  über  die  Entstehung  einer  solchen  Vor- 
wölbung herauszubringen,  so  bin  ich  doch  nur  zu  einem  negativen  Resultat 
gelangt.  Ich  glaube  nämlich  mit  Sicherheit  aussagen  zu  dürfen,  dass  auch 
diese  Erscheinung  nicht  auf  Rachitis  beruht  und  zwar  deswegen,  weil  ich 
sie  wiederholt  an  Schädeln  gesehen  habe,  die  alter  zufälligerweise  mit 
Sicherheit  von  nicht  rachitischen  Individuen  stammten.  Merkwürdigerweise 
zeigt  dieselbe  Ausbuchtung  auch  der  Schädel  de-  Pithecanthropos  erectus 
und  ebenfalls  wieder  die  Röntgenphotographie  eines  mir  bekannten  Hrn.  T.. 
dessen  sehr  merkwürdige  Schädelbildung  sich  durch  stark  vorgewölbte 
Aiigenbögeu  und  dunh  enorme  Stirnhöhlen  auszeichnet.  Da  nun  diese 
vorspringenden  Augenbögen  auch  dem  Pithecanthropos  und  dem  Neander- 
taler eigentümlich  i>t,  und  sich  auch  wieder  bei  diesem  rezenten  Menschen 
vorfindet,  so  könnte  man  auf  die  Vermutung  kommen,  dass  zwischen  diesen 
Konfigurationen  ein  innerer  Zusammenhang  bestände.  Ich  mu>>  aber  be- 
kennen, dass  ich  einen  solchen  nicht  habe  auffinden  können,  im  Gegenteil 

25 


—     380     — 

weisen  die  übrigen  Fälle,  die  ich  hier  als  Beispiel  mitgebracht  habe,  wohl 
eine  solche  Yorwölbung  an  der  vorderen  Fontanelle  auf,  aber  sie  hatten 
keineswegs  prominente  obere  Äugenbögen  oder  besonders  grosse  Stirn- 
höhlen und  auch  umgekehrt  zeigen  die  meisten  bekannten  Schädel  mit 
prominenten  Augenbögen  und  grossen  Stirnhöhlen,  z.  B.  die  von  Spy  und 
Krapina,  nicht  die  Yorwölbung  in  der  Gegend  des  Bregmas.  Wovon  nun 
diese  herrührt,  das  vermag  ich  Ihnen  nicht  zu  sagen,  aber  ich  betrachte 
dieselbe  als  eine  individuelle  Entwickelung,  die  überhaupt  nicht  auf  einen 
pathologischen  Prozess  zurückzuführen  ist,  und  die  auch  nicht  die  Ver- 
breitung hat,  dass  man  aus  ihr  gewisse  Rasseneigentümlichkeiten  ableiten 
könnte.  Soweit  ich  an  rezenten  Schädeln  beurteilen  kann,  hängt  diese 
Yorwölbung  nicht,  wie  Yirchow  seinerzeit  glaubte,  zusammen  mit  einem 
gesteigerten  intrakamiellen  Druck  bei  noch  weicher  Beschaffenheit  der 
Schädelkapsel,  sondern  mit  dem  zeitweise  exzessiven  Wachstum  einer  der 
drei  Knochenecken,  die  hier  in  der  Gegend  des  Bregmas  aneinander 
stossen. 

Ich  habe  mir,  mit  Rücksicht  auf  diese  Betrachtungen,  noch  die  Frage 
vorgelegt,  ob  es  möglich  ist,  dass  die  starke  Prominenz  der  oberen  Augen- 
bögen und  die  grösseren  Stirnhöhlen  in  irgend  einem  Zusammenhange 
mit  Rachitis  stehen  könnten.  Zweifellos  ist  es,  dass  die  oberen  Augen- 
bögen durch  Rachitis  verdickt  werden  können,  aber  selbst  bei  den  Affen, 
wo  schon  so  wie  so  eine  Neiguug  zur  prominenten  Entwickelung  der  Augen- 
bögen besteht,  ist  dieselbe  doch  bei  rachitischen  Individuen  keineswegs 
wesentlich  stärker  als  bei  nichtrachitischen.  Besonders  aber  beim  Menschen 
haben  wir  keine  Veranlassung,  aus  irgend  einem  uns  bekannten  Spezimen 
anzunehmen,  dass  die  Rachitis  imstande  wäre,  auch  nur  annähernd  so 
prominente  Augenbögen  zu  produzieren,  wie  wir  sie  bei  der  Neandertal- 
rasse  finden,  und  wie  dies  ausnahmsweise  auch  bei  rezenten  Menschen 
gefunden  wird.  Weder  der  eben  erwähnte  Hr.  T.,  dessen  Röntgenbild 
ich  eben  erwähnte,  ist  jemals  rachitisch  gewesen,  noch  ein  anderer,  Hr.  R., 
dessen  Photographie  ich  Ihnen  hier  vorführe,  und  der  aus  verschiedenen 
Gründen  besonders  interessant  ist.  Schwalbe  hat  schon  darauf  hinge- 
wiesen, dass  die  Grösse  der  Stirnhöhlen  mit  der  Vorwölbung  der  Augen- 
bögen in  keinem  direkten  Zusammenhang  steht,  und  das  kann  man  durchaus 
bestätigen,  wenn  auch  häufig  diese  beiden  Zustände  bei  demselben  Indi- 
viduum gemeinsam  vorkommen,  wie  es  die  Neandertalrasse  zeigt  und 
wie  es  auch  Hr.  T.  erkennen  lässt.  Die  Röntgenbetrachtung  des  Hrn.  R. 
aber  hat  ergeben,  dass  derselbe  nur  ganz  minimale  Stirnhöhlen  hat,  trotz- 
dem sind  seine  Augenbrauen  ungewöhnlich  stark  vorgebuchtet.  Er  hat 
niemals  Rachitis  gehabt,  und  die  Vorbuchtung  der  Augenbrauen  hat  sich 
zwischen  seinem  1(5.  und  19.  Jahre  ziemlieli  schnell  entwickelt,  sodass 
sich  in  dieser  Zeit  seine  Physiognomie  vollständig  änderte.  Man  sieht  aus 
diesen  angeführten  Beispielen,  die  sich  gewiss  leicht  vermehren  lassen, 
wenn  man  einmal  darauf  aufmerksam  ist,  dass  das  Vorspringen  der  oberen 
Augenbögen  mit  Rachitis  sicherlich  in  keinem  Zusammenhange  steht. 

Was  die  Stirnhöhlen  betrifft,  so  könnte  man  sich  tatsächlich  vorstellen 
dass  durch  die  Verdickung  des  Stirnbeins   und  gerade  dieses  unteren  Ab- 


—    381     — 

Schnittes    dicht    über    der  Nase    eine  Knochenmasse    geschaffen  würde,    in 
der  sich  besonders  grosse  Stirnhöhlen  entwickeln  könnten.     Über  die  Ent- 
wickelung  der  Stirnhöhlen  ist  noch  nicht  sehr  viel  bekannt,  und  ich  habe 
deswegen    eine    kleine  Sammlung    angelegt,    an    der    ich  mich  orientieren 
wollte,    in    welcher    Lebenszeit    sich    die  Stirnhöhlen    entwickeln    und    ob 
ihre    Grösse    und    Form    in    irgend    einer    Beziehung    steht    zu    gewissen 
charakteristischen   pathologischen   Veränderungen    am  Schädel.     Aus  dieser 
Betrachtung    ergibt    sich,    dass    die    ersten  Anfänge  der  Stirnhöhlen  im  4. 
und  .').   Lebensjahre    auftreten,    dass    nun  die  Stirnhöhlen  sich  vergrössern, 
zuerst  schneller  bis  zum   15.  und    16.   Lebensjahr,    also  bis  in  die  Zeit  der 
Pubertät,  nachher  alter  vielleicht  auch  noch  weiter.     Ich  habe  nicht  nach- 
weisen   können,    dass    bei    rachitischen  Individuen  die  Stirnhöhlen  grösser 
sind  wie  bei  nichtrachitischen.     Ja  die  grösste  Form  von  Stirnhöhlen,   die 
ich   je    gesehen    habe    und  von  denen  ich  eine  Reihe  von  Beispielen  vor- 
lege, gehören  sicher  nichtrachitischen  Individuen  an.    Dahin  gehören  auch 
die  kolossalen  Stirnhöhlen,  die  der  kürzlich  hier  vorgeführte  Riese  Machnow 
besitzt.    Ich  verdanke  eine  Röntgenaufnahme  desselben  dem  Hrn.  Kollegen 
Zon deck.     Sie    sehen    an    derselben,    dass    die  Stirnhöhle    bis  etwa  3  cm 
dick    ist    und    fast    bis    zum    Scheitel    hinaufreicht.     Aber    irgend    welche 
bemerkbaren    rachitischen  Veränderungen,    die   man  gerade  bei  Riesen  so 
häufig    findet,    habe    ich    bei    diesem  Mann    nicht  entdecken  können,    und 
auch    der    Schädel    entbehrt    durchaus    irgend    welcher    charakteristischen 
rachitischen    Gestalt.      Nun    bin    ich    aber    nicht    der    Ansicht,    dass    die 
Rachitis    die  Form    der  Stirnhöhlen    ganz    unbeeinflusst    lässt,    sondern  es 
ist  mir  aufgefallen,  dass  bei  früher  rachitischen  Individuen  ganz  besonders 
häufig    unsymmetrische  Stirnhöhlen    vorkommen    und    mitunter    sogar    die 
Stirnhöhle   auf    einer  Seite  vollkommen  fehlen  kann.     Das  sind  aber  alles 
so  ausgesprochen  pathologische  Zustände,  dass  sie  nicht  annähernd  an  die 
unzweifelhaften  Rasseeigentümlichkeiten  des    Neandertaltypus    und  an  das 
gelegentlich    individuelle  Vorkommen    besonders    grosser    Stirnhöhlen    bei 
rezenten  Menschen  heranreichen.     Ich  bin  also  der  Ansicht,  dass  man  aus 
diesen    Betrachtungen    den    Schluss    ziehen    kann,    dass    der    Schädel    des 
Neandertaler    Menschen    nichts    aufweist,    das    als   Zeichen    einer    Rachitis 
gedeutet  werden  dürfte,  wie  ich  überhaupt  glaube,  dass  die  pathologischen 
Veränderungen    an    demselben  viel    zu  geringfügig  sind,    um  irgendwie  in 
Betracht  zu  kommen  gegenüber  seinen  Rasseeigentümlichkeiten,  die  durch 
die  Funde    von  Spy    und    besonders    von  Krapina   jetzt    so    ausgezeichnet 
charakterisiert  sind. 

An  diesen  Vortrag  schloss  sich  die  folgende  Diskussion. 
Hr.  Neu  mann:  Ich  bitte  um  Entschuldigung,  wenn  ich  auf  eine  im 
Verhältnis  zu  diesem  ausserordentlich  interessanten  und  auch  für  die 
Menschenpathologie  wertvollen  Vortrag  unbedeutende  Sache  eingehe.  Ich 
wollte  mir  einige  Bemerkungen  über  die  rachitischen  Veränderungen  der 
Zähne  erlauben.  Dieselben  sind  wenig  bekannt  und  oft  missverständlich 
aufgefasst,  sie  können  aber  auch  in  anthropologischer  Beziehung  von  Be- 
deutung werden,  da  oft  isolierte  oder  mir  dem  Schädel  zusammenhängende 
Zahnbefunde    gemacht    werden.      Ich    muss    allerdings    zugeben,    dass    die 


—     382     — 

rachitischen  Veränderungen,  wie  der  Herr  Vortragende  schon  bemerkt  hat,, 
bei  den  Urvölkern  und  bei  den  vorzeitlichen  Völkern  kaum  zur  Beob- 
achtung kommen.  Ich  habe  mir  in  der  Schädelsammlung,  welche  in  den 
Räumen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  aufgestellt  ist,  im  letzten 
Sommer  die  einzelnen  Schädel  daraufhin  angesehen  und  wenigstens  an 
den  Zähnen  keine  deutlichen  rachitischen  Veränderungen  gefunden.  Nur 
an  einem  einzigen  Schädel  fand  ich  solche;  es  stellte  sich  aber  heraus, 
dass  dieser  einem  zeitgenössischen  Berliner  angehörte.  Es  ist  ja  allerdings 
wenig  Aussicht,  dass,  selbst  wenn  Zahnrachitis  vorhanden  ist,  man  diese 
Veränderungen  finden  wird.  Denn  abgesehen  davon,  dass  manche  Völker 
die  Zähne  künstlich  abfeilen  oder  verunstalten,  machen  sich  die  rachi- 
tischen Veränderungen  der  Zähne  gerade  an  den  distalen  Enden  bemerkbar 
und  können  daher  gerade  zu  allererst  bei  dem  energischen  Kauen,  wie  es 
bei  den  Urvölkern  gebräuchlich  ist,  verloren  gehen.  Ausserdem  sind  die 
Zähne,  obwohl  vielfach  von  ihnen  Funde  gemacht  werden,  im  grossen 
ganzen  zum  Studium  wenig  geeignet,  da  sie  trotz  ihrer  grossen  Härte 
leicht  platzen  und  auch  leicht  ans  dem  Kiefer  herausfallen.  Die  rachi- 
tischen Zähne  zeigen  dieselben  Charakteristica,  auf  welche  der  Herr  Vor- 
redner für  den  Schädel  hingewiesen  hat.  Die  Veränderungen  an  den 
Zähnen  sind  auch  immer  symmetrisch;  ich  spreche  im  übrigen  hier  nur 
von  den  permanenten  Zähnen  am  Menschen,  trotzdem  in  ganz  geringem 
Grade  sich  rachitische  Veränderungen  auch  an  den  Milchzähnen  finden.  An 
den  permanenten  Zähnen  gehen  die  rachitischen  Erkrankungen  zu  der  Zeit 
vor  sich,  wo  der  Kiefer  selbst  rachitisch  erkrankt  ist.  Dann  findet  die 
Verkalkung  der  Zahnkronen  in  dem  Zalmsäckchen,  das  ja  in  dem  Kiefer 
eingeschlossen  ist,  ebenso  unregelmässig  statt,  wie  Sie  das  an  deu  Schädeln 
gesehen  haben.  Der  Zahn  wird  auch  gewissermassen  osteoporotisch;  d.  h. 
der  Kalk  wird  unregelmässig  abgelagert,  und  es  bleiben  grosse  Stellen, 
die  nicht  verkalken  und  nachträglich  durch  Einsinken  des  organischen 
Grundgewebes  Vertiefungen  zeigen.  Da  zur  Zeit  der  floriden  Rachitis  die 
Zähne  nur  erst  in  der  Nähe  der  Kau  flächen  verkalken,  so  müssen  die 
rachitischen  Vertiefungen  —  Erosionen  —  am  distalen  Ende  sitzen.  Da 
aber  die  Zähne  in  einer  gewissen  Reihenfolge  verkalken  —  zuerst  die 
ersten  Molarzähne,  dann  die  Schneidezähne  u.  s.  f.  — ,  so  werden  Sie  die 
rachitische  Erosion  nur  an  den  Zähnen  finden,  deren  Verkalkung  in  die 
erstem  Lebensjahre,  die  Zeit  der  floriden  Rachitis,  fällt.  Abgesehen  von 
den  ersten  Molarzähnen,  sind  die  Veränderungen  besonders  auffallend  an 
den  Schneidezähnen,  besonders  den  oberen  inneren. 

Da  ganz  besonders  in  den  Grossstädten  die  Rachitis  auch  in  den 
schweren  Formen  unendlich  verbreitet  ist,  so  sind  hier  die  Veränderungen 
an  den  Zähnen  ausserordentlich  häufig;  ich  selbst  habe  sie  z.  B.  an  18  pCt. 
der  Berliner  Gemeindeschulkinder  gefunden. 

Zum  Schluss  möchte  ich  darauf  aufmerksam  machen  —  deshalb  habe 
ich  überhaupt  dieses  Thema  hier  berührt  — ,  dass  die  rachitischen  Erosionen 
oft  Gelegenheit  zu  Verwechselungen  geben.  In  ausgedehntestem  Masse 
werden  mit  ihnen  die  Hutchinsonschen  Zähne,  eine  Veränderung,  die 
durch    die  Syphilis    hervorgerufen    wird,    in    medizinischen    und  sonstigen 


—     383     — 

Kreisen  verwechselt.  Diese  Hutchinson  schon  Zähne,  auf  die  ich  hier 
nicht  näher  eingehen  will,  sind  eiuo  angeborene  Missbildung  des  Zahnes, 
wie  oben  bei  Syphilis  Missbildung  nicht  selten  sind,  und  treten  in  Kora- 
bination  mit  gewisses  anderen  syphilitischen  Erscheinungen  auf. 

Hr.  v.  Hansemann:  Wegen  der  rachitischen  Veränderungen  an  'Ich 
Zähnen  will  ich  nur  bemerken,  dass  die  Veränderungen,  die  Hr.  Neu- 
mann gezeigt  hat,  unzweifelhaft  rachitisch  sind;  aber  ich  meine,  man  darf 
nicht  sagen,  <hiss  diese  Veränderungen  spezifisch  rachitisch  sind.  Es  kommt 
für  die  Frage,  ob  die  Rachitis  solche  Veränderungen  hervorbringt,  erstens 
mal  darauf  an,  zu  welcher  Zeit  die  Rachitis  einsetzt.  Wenn  die  Rachitis 
ziemlich  spät  einsetzt,  sind  ja  die  definitiven  Zähne  schon  vorgebildet; 
dann  erleiden  sie  in  ihrer  weiteren  Entwicklung  keine  Störung.  Daher 
kommt  es,  dass  schwer  rachitische  Individuen,  die  erst  spät  an  Rachitis 
erkrankt  sind,  ganz  tadellose  Zähne  besitzen  können. 

Es  kommt  hinzu,  dass  es  unzweifelhaft  andere  Krankheiten  gibt,  die 
dieselben  Veränderungen  bewirken  können.  Ich  glaube,  Hr.  Xeumann, 
der  ja  speziell  Kinderarzt  ist,  wird  mir  bestätigen  können,  wenn  er  Kinder 
verfolgt  hat,  die  in  frühen  Zeiten  schwere  Fieberkrankheiten  durchgemacht 
haben,  die  schwer  waren  und  sich  über  längere  Zeit  hin  erstreckt  haben, 
und  wenn  diese  Fieberkrankheiten  zeitlich  zusammenfielen  mit  der  Zeit, 
in  der  die  Zähne  sich  im  Wachstum  befinden,  so  wird  er  auch  solche 
Quererosionen  gefunden  haben,  wie  sie  in  den  Abbildungen  zu  sehen 
waren,  die  er  vorgeführt  hat.  Ich  meine,  dass  in  der  Tat  diese  Dinge 
von  Rachitis  herrühren,  dass  sie  aber  nicht  spezifisch  rachitisch  sind,  so 
dass  man  nicht  sagen  kann,  wenn  man  sie  sieht:  sie  rühren  von  Rachitis 
her.  Wir  brauchen  eben,  wie  bei  allen  diesen  Krankheiten,  immer  mehrere 
Kennzeichen  zusammen;  dies  gilt  auch  für  die  Schädelformen.  Man  kann 
niemals  aus  einem  einzigen  Symptom  auf  Rachitis  schliessen.  Wohl  aber 
kann  man  aus  der  Kombination  mehrerer  Anzeichen  schliessen,  dass  diese 
oder  jene  Krankheit  sie  bewirkt  hat.  Ich  glaube,  so  steht  es  auch  mit 
den  Zähnen. 

Hr.  Neumann:  Ich  bedauere,  nicht  ganz  der  Meinung  des  Hrn. 
v.  Hansemann  zu  sein.  Ich  habe  sehr  zahlreiche  Kinderleicheu  unter- 
sucht, und  immer  wenn  ich  rachitische  Erosionen  fand,  habe  ich  auch 
Rachitis  feststellen  können.  Ebenso  habe  ich  seit  einer  Reihe  von  Jahren 
bei  Kindern  klinisch  auf  diese  Erosionen  geachtet  und  ausnahmslos  in 
solchen  Fällen  Überreste  von  überstandener  Rachitis  feststellen  können. 
Und  zumal  die  rachitischen  Erosionen  mit  ihrer  nnregelmässigen  Dentin- 
bildung ihrer  Natur  nach  den  Verhältnissen,  wie  sie  bei  der  Rachitis  vor- 
liegen, pathologisch-anatomisch  entsprechen,  muss  mau  dazu  kommen,  dass 
diese  Erosionen  durch  Rachitis  hervorgerufen  sind. 

Man  hat  früher  angenommen,  dass  ähnliche  Erscheinungen  auch  durch 
Krampfanfälle  entstünden;  es  sollte  jeder  Krampfanfall  gewissermassen 
eine  Etage  in  diesen  Bildungen  bewirken.  Indessen  dies  klärt  sich  daliin 
auf,  dass  die  Kinder,  die  an  diesen  Krämpfen  leiden,  in  der  Regel 
rachitisch  sind. 


384 


3.   Über  aussterbende  Völker. 

(Die  Eingeborenen  der  „westlichen  Inseln" 
in  Deutsch-Neu-Guinea).1) 

Von 
Dr.  Dempwolff,  Stabsarzt  bei  den  Kaiserlichen  Schutztruppen. 

(Hierzu  Tafel  V.) 

Zwischen  dem  Äquator  und  dem  zweiten  Grad  südlicher  Breite, 
zwischen  142°  und  146°  östlicher  Länge,  nördlich  von  Kaiser  Wilhelms- 
land und  im  äussersten  Westen  des  Bismarck-Archipels  liegen  70  bis  80 
kleine  Inseln,  deren  Eingeborene  das  Interesse  aller  wissenschaftlich  be- 
obachtenden Reisenden  erregt  haben,  welche  gelegentlich  in  diese  von 
den  gewöhnlichen  Verkehrswegen  der  Südsee  weit  abgelegenen  Gebiete 
gekommen  sind,  —  von  jeher,  weil  sie  sich  in  Körperbeschaffenheit  und 
Lebensgewohnheiten  auffallend  von  den  umwohnenden  Völkern  unter- 
scheiden, und  in  den  letzten  Jahren,  weil  ihre  Anzahl  in  einer  starken 
Abnahme  begriffen  ist,  die  dem  Aussterben  nahe  kommt. 

Schon  in  den  spärlichen  spanischen  Quellen,  welche  uns  über  die 
ersten  Entdeckungsreisen  in  diesen  Gewässern  zu  Gebote  stehen,  finden 
wir  die  Notiza),  dass  Ortiz  de  Retes  am  19.  August  1545  auf  der  Fahrt 
von  der  Küste  Neu-Guineas  nach  Tidore  zu  zwei  niedrigen  Inseln  gelangte, 
von  denen  viele  Fahrzeuge  abstiessen  und  sein  Schiff  bekämpften.  „Es  war" 
—  so  heisst  es  —  „ein  weisses  Volk,  gut  gebaut  und  mutig  im  Gefecht. 
Und  an  jenem  Tage  nahmen  sie  die  Sonne  in  IV40  südlicher  Breite."3) 

Dann  hat  es  über  200  Jahre  gedauert,  bis  wieder  Europäer  von  jenen 
Inseln  Xachricht  geben.  Am  19.  September  1767  kam  der  Engländer 
Carteret    an    zwei  Inseln  auf  1°  14' — IG'  und  1°34'  südl.  Br.   und  rund 


1)  Vortrag,  gehalten  in  der  Sitzung  vom  28.  November  1903. 

2)  Herrera:  Historia  general  de  los  hechos  de  los  Castellanos  etc.  1(501— 1615. 
Decad.  VII,  libr.  V,  cap.  9.  —  Vgl.  auch  hinter  Dec.  IV:  Descripcion  de  las  Indias 
occidentales  cap.  XXVII. 

3)  Nach  unseren  jetzigen  Kenntnissen  kann  es  sich  nur  um  Durour-  und  Maty-Insel 
handeln.  Die  Breite  von  1 1/4°  entspricht  derjenigen  von  1°  14'  —  IG',  welche  Carteret 
—  siehe  weiter  unten  —  1767  für  die  Durour-Insel  angibt,  und  deutet  an,  dass  Ortiz  de 
Retes  nördlich  an  den  Inseln  vorbeigefahren  ist.  Die  Annahme  von  Burney4)  und 
Hamy&)  —  welche  von  der  hellfarbigen  Bevölkerung  jener  beiden  Inseln  noch  nichts 
wussten  — ,  dass  zwei  Inseln  des  L'Echiquier  Archipels  gemeint  seien,  ist  schon  deshalb 
unwahrscheinlich,  weil  dort  nirgends  zwei  Inseln  allein  gleichzeitig  sichtbar  sind. 

4)  Burney:  A  chronological  history  of  the  discoveries    in  the  South  Sea.     London 
Part.  I   p.  242.  —  5)  Hamy:    Commentaires  sur  quelques    cartes  anciennes  de  la 

Nouvclle  Guin«'-e,  im  Bulletin  de  la  societö  de  Geographie  1877  p.  475. 


-     38">     — 

143°  östl.  L.  in  der  Nacht  vorbei1)  and  sah  auf*  der  zweiten  zahlreiche 
Fackeln,  mit  denen  die  Eingeborenen  Fischfang  betrieben;  er  nannte  sie 
Durour-  und  Maty-Insel.8)  Am  8.  August  17b8  entdeckte  der  Franzose 
Bougainvillo3)  in  etwa  1°  südl.  Br.  uml  14.V  östl.  L.  eine  lange  flache 
Insel,  in  mehrere  Stücke  geteilt  und  durch  Riffe  und  Sand  verbunden. 
„Es  gibt  auf  dieser  [nselK  —  so  schreibt  er  —  „eine  grosse  Menge  von 
Kokospalmen  und  dn-  .Meeresstrand  ist  mit  einer  so  grossen  Zahl  von 
Eütten  bedeckt,  dass  mau  daraus  schliessen  kann,  dass  sie  ausserordentlich 
bevölkert  ist.  Die  Hütten  sind  hoch,  fast  rechtwinklig,  und  gut  gedeckt. 
Sie  schienen  uns  grösser  und  schöner  als  sonst  die  Hütten  der  Wilden, 
so  dass  wir  die  Häuser  von  Tahiti  wiederzusehen  glaubten.  Man  ent- 
deckte eine  grosse  Anzahl  von  Fahrzeugen  mit  Fischfang  beschäftigt  rund 
um  die  ganze  Insel,  aber  niemand  schien  sich  durch  unsere  Vorbeifahrt 
stören  zu  lassen,  und  wir  schlössen  daraus,  da>s  die  Bewohner  nicht  neu- 
gierig, sondern  mit  ihrem  Schicksal  zufrieden  seien.  So  nannten  wir  diese 
Insel  die  Insel  der  Anachoreten." 

Bougainville  hat  damals  am  gleichen  Tage  noch  andere  Inseln  im 
Westen  gesichtet,  aber  nicht  benannt.  Am  nächsten  Tage  fuhr  er  mit 
südwestlichem  Kurs  „an  einer  Unendlichkeit  von  kleinen  niedrigen  Inseln" 
vorbei,  die  er  für  unbewohnt  hielt,  weil  er  nachts  kein  Feuer  sah,  und 
die  er  „L'Echiquier"  —  das  Schachbrett  —  nannte. 

Jene  unbenannten  Inseln  haben  dann  1781  von  dem  Spanier  Maurella 
den  Xamen  „los  Eremitanos"  erhalten,  sind  aber  anscheinend  nicht  näher 
beschrieben  worden.4) 

Der  nächste  europäische  Seefahrer  in  diesen  Gewässern  war  der 
Franzose  Dentrecasteaux. 5)  Fr  fuhr  am  2.  bis  4.  August  1792,  von 
den  Admiralitäts-Inseln  kommend,  an  los  Eremitanos  (die  seither  fran- 
zösisrh  „llermits"  genannt  werden),  am  L'Echiquier- Archipel,  an  Durour- 
und  Ätaty-Insel  vorüber,  gibt  aber  nur  von  den  erstgenannten  eine 
Schilderung,  in  der  auch  die  Eingeborenen  erwähnt  werden.  „Wir  sahen" 
—  so  heisst  es  —  „mehrere  Fahrzeuge  vom  Nordende  der  bedeutendsten 
Insel  abfahren;  die  Eingeborenen  zogen  sie  über  den  weissen  Sand  und 
kamen  auf  uns  zu.  Sie  näherten  sich  uns,  jedoch  ohne  dasselbe  Zutrauen 
zu  zeigen,  wie  die  Bewohner  der  Admiralitäts-Inseln.  Sie  warfen  einige 
Äpfel  von  Spondias  cytherea  und  mehrere  andere  Früchte  von  ver- 
schiedenen Eugeniaarten  zu.     Sie  hatten   wTenio-  Wertschätzung  für    Eisen. 


1)  Hawkesworth:  Account  of  the  voyages  undertaken  by  the  order  of  His  Present 
Majesty  etc.  London  177'!.     I.  p.  606. 

2)  Maty-,  nicht  Matty-Insel  nach  F.  Strauch  in  den  Verhandlungen  der  Gesellschaft 
für  Erdkunde  1895,  p.  558. 

.">)  Bougainville:  Voyage  autour  du  monde  etc.  en  1766—69.     Vol.  II  p.  145  ff. 

1)  Die  Reisebeschreibung  habe  ich  im  Original  nicht  ermitteln  können.  In  dem 
anonymen  Buch:  Decouvertea  des  Fram.-ois  en  1768  et  1769  daus  le  sudest  de  la  Nouvellc 
Guinee  etc.,  Pari-  1790  wird  pag.  16'.»  „Viage  interessante  de  Manila  a  San  Blas  por  la 
Fragata  Princesa  en  los  aiios  1780  y  1781"  nur  als  Manuskript  zitiert. 

.">)  Voyage  envoye  a  la  recherche  de  la  Perouse  redigä  par  M.  de  Rössel.  Paris 
1808.  Vol.  I,  p.  1  (8  und  Labillardiere:  Voyage  in  search  of  La  Perouse.  London 
1800,  p.  182. 


-     386     — 

Alle  schienen  stärker  gebaut  als  die  Bewohner  der  Admiralitäts-Inseln. 
Es  wurden  keine  Waffen  bemerkt,  auch  nicht  auf  dem  Boden  ihrer 
Kanus." 

Von  der  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  an  sind  in  zunehmender  Menge 
Walfischfahrer,  Trepangfischer  und  Händler  auf  kürzere  Besuche  oder  zu 
längerer  Niederlassung  nach  diesen  westlichen  Inseln  gekommen,  ohne 
ausser  dem  Sammeln  einiger  Kuriositäten  etwas  wissenschaftlich  verwert- 
bares beigebracht  zu  haben.  Mit  solchen  Gelegenheiten  ist  auch  der  be- 
kannte Südseeforscher  Miklucho-Maclay  dorthin  gekommen,  dem  wir 
die  erste  Aufklärung  über  die  drei  nördlichen  Gruppen  verdanken,  die 
wir  seither  mit  den  richtigen  Eingeborenennamen  als  Kanied  (Anachoreten), 
Agomes  (Hermits)  und  Ninigo  (L'Echiquier)  bezeichnen  können.1)  Auch 
die  Offiziere  der  verschiedenen  Kriegsschiffe,  welche  in  diese  Gewässer 
gekommen  sind,  haben  manche  wertvolle  Einzelheit  zur  Erforschung  der 
Inseln  beigetragen.2)  Aber  im  Ganzen  blieb  dieser  Teil  der  Erde  so  un- 
bekannt, dass  noch  im  Jahre  188G  der  Engländer  Allisson  eine  neue 
Insel  entdecken  konnte,  die  nach  ihm  benannt  ist3),  und  dass  die  Maty- 
uud  Durour-Inseln  bis  zum  Jahre  1893  unbesucht  geblieben  waren.  Als 
damals  Kärnbach  und  Dali  mann  auf  dem  Schiff  der  Neu  Guinea- 
Kompagnie  „Isabel"  als  die  ersten  Europäer  an  Land  gingen,  fanden  sie 
hellfarbige  Leute  von  höchst  eigenartiger  Kultur  vor.4)  Und  die  damals 
überraschte  wissenschaftliche  Welt  hat  seither  soviel  als  nur  möglich  war 
über  die  Ethnographie  und  die  Rassenverwandtschaft  gearbeitet,  ohne  das 
Rätsel,  das  dieses  Völkchen  darstellt,  völlig  lösen  zu  können. 

In  dem  letzten  Jahrzehnt  wurde  auch  die  Nachricht,  welche  Händler 
und  Seeleute  schon  lange  übermittelt  hatten,  dass  nämlich  die  Leute  von 
Kanied  und  Agomes  im  Aussterben  begriffen  sind,  als  Tatsache  fest- 
gestellt.5) Über  die  Ursachen  dieser  Erscheinungen  wurde  allerdings  nur 
die  Annahme  jener  ungebildeten  Beobachter  nachgesprochen,  dass  es 
Syphilis  und  Inzucht  sei. 

Seit  etwa  5  Jahren  sind  die  Besuche  von  Europäern  auf  den  west- 
lichen Inseln  häufiger  geworden  und  es  ist  die  Reihe  der  Publikationen 
bedeutend  vermehrt.  Das  umfangreichste  Werk,  das  erst  in  diesem  Jahre 
erschienen  ist,  verdanken  wir  Professor  Tili len ins6),  welcher  seine  sorg- 
fältigen Beobachtungen  an  Ort  und  Stelle  mit  einer  erschöpfenden  Ver- 
wertung der  früheren  Literatur  verbunden  hat,  so  dass  ich  in  der  an- 
genehmen Lage  bin,  mich  auf  den  Inhalt  dieses  einen  Werkes  beziehen 
zu   können,  anstatt  viele  Quellen  anführen  zu  müssen. 

Alles,  was  über  die  westlichen  Inseln  bekannt  geworden  ist,  gibt  noch 
kein  grosses,  übersichtliches  Gemälde  von  Land  und  Leuten,  sondern 
besteht  aus  Bruchstücken,  mit  denen  mau  mühsam  einzelne  Teile  eines 
Bildes  zusammenzusetzen  versucht.     Auch  was  ich  Ihnen  im  folgenden  an 


1)  Zeitschr.  f.  Ethnol.  X  S.  99.  —  2)  u.  a.  von  Schleinitz  in  der  Zeitschr.  der  Ge- 
sellschaft für  Erdkunde  XII  S.  239.  Strauch  in  der  Zeitschr.  f.  Ethnol.  IX  S.  34.  — 
3)  Sailin<,r,  Directions  Pacific.  I  p.  411.  —  4)  Nachrichten  für  Kaiser  Wilhehnsland  1894. 
•"»)  Kol.-Blatt  1900  p.  L00.  —  G)  Thilenius,  Ethnographische  Krgcbnisse  aus  Melanesien. 
Tl.  Teil.    Die  westlichen  Inseln  des  Bismarck-Archipels.     Halle  1903. 


—     387     — 

eigenen  Beobachtungen  and  Erfahrungen  bieten  kann,  Bind  gleichfalle  nur 

bunte  und  verblasstc  .Mosaikstiickchen,  die  hier  und  da  an  andere  an- 
gepasst  werden  können,  um  die  verschwommenen  Linien  des  Ganzen 
deutlicher  zu   machen. 

Ein  reichlicheres  Material  ist  wenigstens  für  die  Ethnographie  von 
den  Arbeiten  des  Hrn.  Eellwig  zu  erwarten,  der  im  Auftrage  der  Firma 
Hernsheiin  als  ethnologischer  Sammler  monatelang  auf  jenen  Inseln  zu- 
gebracht hat. 

Der  Anlass  und  die  Gelegenheit  zu  meiner  fast  2  monatelangen  Reise 
vom  13.  November  1902  bis  G.  Januar  1903  bot  die  Niederlassung  einer 
grossen  selbständigen  Pinna  -  Rud.  Wahlen  —  mit  7  Europäern  und 
"ven  KM)  eingeführten  Farbigen  in  diesem  Gebiet,  so  dass  es  nicht  um- 
wissenschaftlich,  sondern  auch  wirtschaftlich  wünschenswert  erschien,  Klar- 
heit über  die  Ursache  des  Aussterbens  der  Eingeborenen,  namentlich  über 
die  angeblich  dort  herrschenden  Seuchen  zu  erhalten. 

An  dieser  Stelle  möchte  ich  der  freundlichen  Aufnahme  und  der 
bereitwilligen  Auskunft,  die  mir  von  der  genannten  Firma  und  den  an- 
sässigen Händlern  zu  teil  wurde,  mit  dem  Ausdruck  öffentlichen  Dankes 
zu  gedenken. 

Zu  den  westlichen  Inseln  wird  häufig  auch  die  Admiralitätsgruppe 
gerechnet,  aber  für  ihre  dunkelfarbigen,  krausköpfigen  Bewohner  ist  bisher 
noch  nichts  von  einer  Abnahme  berichtet  worden,  so  dass  sie  für  das  vor- 
liegende Thema  nicht  in  Frage  kommen.  Ich  bin  nur  flüchtig  mit  ihnen 
in  Berührung  getreten  und  bringe  von  diesem  Besuche  nur  einen  hier 
ausliegenden  Schädel  von  rein  nielanesischem  Typus  mit. 

Auch  auf  den  Anachoreten  -  -  Kanied  der  Eingeborenen  -  war  ich 
nur  knappe  zwei  Tage.  Die  Ethnographie  dieser  Gruppe  ist  am  be- 
kanntesten unter  allen  westlichen  Inseln,  seit  Kubary1),  F.  Strauch2), 
Thilenius8)  u.  a.  ihre  Einzelheiten  beschrieben  haben.  Für  die  Anthro- 
pologie liegen  eine  grosse  Anzahl  Schädel  in  den  europäischen  Samm- 
lungen, deren  letzte  Sendung  Hr.  Prof.  Lissauer  vor  2  Jahren  hier  genau 
beschrieben  und  beurteilt  hat4),  so  dass  die  6  Exemplare,  die  ich  mit- 
gebracht habe,  nichts  neues  bieten  werden.  Erwähnenswert  mag  sein, 
dass  ich  diese  Schädel  für  einige  Stangen  Tabak  von  den  nächsten  Ver- 
wandten der  Verstorbenen  erhalten  habe. 

Nach  Schädelbau,  äusserem  Habitus  und  Sprache  sind  die  Kanied- 
leute  ein  Mischvolk,  dessen  Hauptkomponenten  einer  dunkelfarbigen, 
krausköpfigen  und  einer  helleren,  schlichthaarigen  Kasse  angehören,  auf 
deren   weitere   Analyse  ich  hier  verzichten  muss. 

Die  Angaben  über  die  Zahl  der  Eingeborenen  der  Inselgruppe,  welche 
der  Entdecker    Bougainville  1768    als    „ausserordentlich  bevölkert"  be- 


1)  Schmeltz-Krausc:  Die  ethnographisch-anthropologische  Abteilung  des  Museum 
Godefroy,  S. 446.  —  Dieselben:  Südseetypen,  S.  18.  Nach  diesen  Quellen  war  Kubary 
nicht  selbst  auf  Kanied,  sondern  benutzte  die  Auskunft  von  sechs  Eingeborenen  von  Jon. 
die  er  auf  ilen  Karolinen  angetroffen.  —  2  Zeitschr.  f.  Kthnol.  IX,  S.  34.  —  3]  a.  a.  0., 
S.  197 ff.  —    li  Zeitschr.  f.  Ethnol.  XXXIII.  S.  367. 


—     388     — 

zeichnet  hatte,  widersprechen  sich  in  den  letzten  Jahren.  Kubary1)  — 
um  1870  —  und  v.  Schleinitz  18772)  geben  keine  Zahlen  an,  das  eng- 
lische Kriegsschiff  Alacrity  schätzte  1874  ungefähr  903),  Thilenius,  der 
Ende  der  neunziger  Jahre  dort  war,  spricht  von  höchstens  30  Individuen4), 
Bezirkssekretär  AVarnecke  zählte  1902  dagegen  110  Leute.5)  Mein  Ge- 
währsmann für  die  folgenden  Angaben  ist  der  Händler  der  Firma  Herns- 
heim,  der  über  60jährige  Monsieur  Lemelle,  der  vor  etwa  '2-i  Jahren 
als  Segelmacher  des  Chandenagor,  eines  Schiffes  der  berüchtigten  Marquis 
de  Rays  sehen  Expedition  in  die  Südsee  verschlagen  ist  und  mit  kurzen 
Unterbrechungen  seit  über  20  Jahre  auf  den  Anachoreten  gelebt  hat, 
selbst  wirklich  ein  Einsiedler  unter  den  Wilden,  denen  er  ein  relativ 
gutes  Englisch  beigebracht  hat,  ohne  mehr  wie  etwa  100  Ausdrücke  ihrer 
Sprache  zu  erlernen.  Dieser  alte  Herr  war  karg  in  seinen  Äusserungen, 
aber  seine  Auskünfte  trugen  den  Stempel  der  Aufrichtigkeit  an  sich.  Er 
hat  mir  ein  namentliches  Verzeichnis  von  73  jetzt  lebenden  und  77 
während  seines  Aufenthalts  Verstorbenen  gegeben,  mit  dem  Hinzufügen, 
dass  etwa  15  Namen  von  Lebenden  und  über  50  von  Verstorbenen  seinem 
Gedächtnis  entschwunden  wären.  Er  macht  ganz  sichere  Angaben,  dass 
zu  seiner  Zeit  kein  Schwanken,  sondern  nur  eine  Abnahme  der  Be- 
völkerung stattgefunden  habe.  Die  Ursache  sei,  dass  sämtliche  Frauen 
ihre  Leibesfrucht  abtrieben  oder  die  Neugeborenen  umkommen  Hessen. 
Er  zeigte  bei  einigen  älteren  Frauen  tiefe  Narben  von  Brandwunden  am 
Lnterleib,  in  der  Gegend  der  Ovarien,  welche  neben  Massage  als  Ab- 
treibungsmittel angewandt  wurden.  Er  behauptet,  in  all  den  Jahren  seiner 
Anwesenheit  sich  nur  an  sieben  Geburten  ausgetragener  Kinder  erinnern 
zu  können,  deren  letzte  und  zwar  von  Zwillingen  vor  drei  Tagen  erfolgt 
sei.  Die  Säuglinge  stürben  vor  Hunger,  da  die  Mütter  ihnen  statt  der 
Brust  einen  Zuller  aus  Kokosnusskeimen  geben. 

Von  diesen  Zwillingen  habe  ich  das  eine,  einen  kräftigen  Knaben 
mit  sehr  heller  Haut,  reichlichem  schwarzen  Haar  und  dunklen  Augen 
ohne  jede  Hautausschläge  usw.  im  Arm  der  Mutter  gesehen,  das  andere 
war  schon  gestorben,  angeblich  von  selbst,  und  in  der  Hütte  beerdigt. 
Nach  diesem  Neugeborenen  war  der  nächst  Jüngste  ein  25 jähriger  Mann. 
Als  Ursache  für  diesen  systematischen  Kindesmord  geben  die  Ein- 
geborenen selbst  nach  Lemelle  an,  dass  sie  nicht  genug  Nahrung  für 
etwaige  Nachkommen  hätten.  Diese  Ausrede  scheint  aber  unhaltbar,  wenn 
man  bedenkt,  dass  die  Inseln  früher  viel  mehr  Bewohner  ernährt  haben, 
und  den  Reichtum  an  Kokospalmen  und  fischreichen  Riffen  sieht,  auch 
überall  reichlich  Erdfrüchte,  verschiedene  Bananenarten  usw.  findet. 

Die  Legende  von  der  syphilitischen  Durchseuchung  dieses  Volkes  — 
ein  alter  Mann  sagte  spontan  zu  mir  „nie  all  got  bim  yphilis"  —  ist  auf 
den  alten    Lemelle    zurückzuführen.     Er  erzählte,    in    einem    alten   eng- 


1)  s.  Anm.  1  d.  vorigen  Seite.  —  2)  Zeitschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdk.  XII,  S.  239.  — 
3)  Sailing  Directions  Pacific.  Vol.  I.  1900.  p.  111.  —  I)  a.  a.  0.,  S.  197.  —  5)  Kolonialblatt 
L902,  S.  221.  —  Vgl.  auch  im  Nachtrag  die  Angabe  S.  M.  S.  „Carola",  das  1882  die  Zahl 
der  Anachoret-Insulaner  auf  90  geschätzt  hat. 


—     389     — 

lischen  Buche  habe  er  die  Beschreibung  dieser  Seuche  genau  gelesen  und 
wende  nach  dessen  Ratschlag  auch  nicht  (Quecksilber,  sondern  nur  .Tod- 
kali an.  Nun  habe  er  von  einem  Kriegsschiffsarzt  eine  Portion  Jodkali 
erhalten,  und  davon  sei  noch  etwas  da,  denn  er  müsse  sehr  sparsam  sein 
und  Löse  immer  nur  ein  Kristall  in  einer  Flasche  von  Wasser  auf  und 
das  habe  den  Leuten  noch  immer  geholfen. 

Wenn  demnach  Syphilis  nicht  nachweisbar  ist,    so   kommt    doch  eine 
andere  Geschlechtskrankheit  sporadisch  vor,    die    auch    sonst    im    Schutz- 
Pier,  l. 


***  '« 


Märmcrgriippc  auf  Kanied  (Anachoreten-Inseln). 

gebiet  uns  Ärzten  viel  Kopfzerbrechen  macht  und  die  wir  nach  Scheube1) 
„venerisches  Granulom"  nennen.  Einen  Fall  davon  sah  ich  auf  Kanied. 
von  einem  /.weiten,  der  zum  Tode  geführt  hatte,  wurde  mir  glaubwürdig 
berichtet. 

Einige  (5)  Fälle  von  Elephantiasis  kamen  mir  auch  zu  Gesicht,  und 
einer  davon,  bei  «lern  Penis  und  Scrotumnarhen  durch  Gesehwürsnarhen 
verändert  waren,  konnte  wohl  Syphilis  vortäuschen.     Sonst  aber  war  keine 


1)    Scheube:    Die    Krankheiten    der    ■wannen    Länder.     Jona    1903,    S.   719ff.    — 
2)  a.  a.  0.,  S  277  278. 


—     390     — 

Art  von  Infektionskrankheiten  vorhanden,  nicht  einmal  Krätze  oder  Rins-- 
wurm.  Auch  Malaria  war  im  Blute  von  12  Untersuchten,  die  sämtlich 
keine  Milzschwellung  hatten,  nicht  zu  finden,  obwohl  neben  zahlreichen 
Culices  auch  einige  Anopheles  nachts  gefangen  wurden. 

Auf  den  Anachoreten  Hess  sich  also  die  Tatsache  unaufhaltbaren  Aus- 
sterbens bestätigen,  und  der  Vorgang  als  Selbstvernichtung  eines  Volkes 
definieren,  dessen  Ursachen  ein  völkerpsychologisches  Rätsel  bleiben. 
Eine  Besserung  ist  um  so  weniger  zu  erwarten,  als  die  Zahl  der  noch 
zeugungsfähigen  Männer  höchstens  20,  der  geburtstüchtigen  Frauen  noch 
10  beträgt. 

Vor  '20  Jahren  abgetriebene  Kaniedleute  sitzen  auf  Malus  —  so  und 
nicht  Manus  hörte  ich  den  Namen  aussprechen  —  der  Allisson-Insel  der 
Karten,  wo  sie  sich  mit  benachbarten  Ninigoleuten  vermischt  haben.  Ich 
war  nur  2  Stunden  dort  und  hatte  von  den  Leuten  denselben  Eindruck 
eines  Mischvolkes,  wie  von  den  Bewohnern  ihrer  Heimatinsel.  Leider 
sind  mir  damals  meine  photographischen  Aufnahmen  durch  eine  Sturz- 
welle im  Boot  bis  auf  diesen  einen  Rest  sämtlich  verdorben,  sonst  könnte 
ich  Ihnen  das  Bild  eines  alten  Mannes  zeigen,  dessen  Penis  von  einer 
kleinen  Kapsel  umhüllt  war. 

Die  ethnologische  Bedeutung  dieser  Beobachtung  habe  ich  erst  aus 
Thilenius2)  ersehen  und  finde  in  meinen  Aufzeichnungen  keine  Angabe, 
ob  diese  Kapsel  aus  einer  Fruchtschale  vegetabilischen  Ursprungs  oder 
aus  einer  Muschel  bestand. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  zu  den  vielen  bei  Thilenius  er- 
wähnten Irrfahrten  über  See  noch  eine  erwähnen,  von  der  mir  draussen 
wiederholt  —  u.  a.  von  Hrn.  Wahlen  —  erzählt  wurde,  und  die  ich  in 
der  Literatur  nicht  finde.  Auf  Nugeria  (Abgarris-Inseln),  östlich  von 
Neu-Mecklenburg,  haben  vor  3  Jahren  4  Leute  aus  Kanied  gelebt  (ob 
jetzt  noch,  weiss  ich  nicht),  die  dorthin  vertrieben  waren,  und  deren  Namen 
von  ihren  Verwandten  in  der  Heimat  rekognosziert  sind. 

Die  von  Thilenius  geschilderte  unfreiwillige  Reise  eines  Kanus  von 
Kauiedleuten  nach  Utan,  den  zwei  Inseln  unter  dem  Äquator  auf  den 
Karten,  ist  auch  mir  genau  so  erzählt  worden,  noch  mit  den  Zusätzen, 
eine  Insel  sei  höher  als  die  andere,  die  Bewohner  seien  Krausköpfe  wie 
die  Mannsleute  (Admiralitäts-Inseln),  sie  hätten  Kanus  ohne  Segel,  keine 
Hunde,  aber  viel  Schweine  und  Taro.  Wir  haben  auf  dem  Motorschuner 
Gazelle  diese  Insel,  die  genau  auf  146°  liegen  soll,  gesucht  und  sind  auf 
2  Minuten  nördlicher  Breite  von  145°  45  Minuten  bis  14G°  15  Minuten 
ostwärts  gefahren,  ohne  irgendwo  Land  zu  sehen,  die  Position  ist  also 
anrichtig  angegeben,  denn  dass  die  Kaniedleute  so  positive  Angaben  er- 
finden, ist  sehr  unwahrscheinlich. 

Auf  A.gomes,  der  Hermitsgruppe,  war  ich  bei  drei  Besuchen  im  ganzen 
10  Tage,  von  denen  ich  acht  unter  den  Eingeborenen  zubrachte,  auch  zwei 
Nächte  im  Dorfe  Luf  schlief.  In  dieser  Zeit  habe  ich  zu  den  ausführ- 
lichen Schilderungen    von  Thilenius1).    welcher  .">  Jahre    früher   da  war. 


1)  a.  a.  ().,  S.  161  ff. 


—     391 


einige  Ergänzungen  sammeln  können.  Zur  Zeit  meiner  Anwesenheit 
bestand  das  Dorf  Luf  aus  zehn  gut  erhaltenen  Wohnhäusern,  einem  hallen- 
artigen   neuen    Müniwrhaus    und    einem    zerfallenden   Bootsschuppen;    von 

Fiff.  2. 


Dorfstrasse  auf  Luf  (Hermit-Inseln). 
Fiff.  3. 


Haus  auf  Luf  (Hermit-Inseln). 

einem  abgebrochenen  Hause  standen  aoch  die  Pfosten.  Auf  Maron  —  so 
und  nicht  Arkib  lwisst  die  zweitwestlichste  der  zentralen  Inseln  bei  den 
Eingeborenen   —   standen  sechs  Wohnhäuser  und   ein  Männerhaus;    alle  in 


—     392     — 

kleinerem  Masstabe  als  auf  Luf  angelegt.  Im  Innern  der  von  mir  be- 
sichtigten Wohnhäuser  war  auf  der  inneren  grossen  Plattform  eine  recht- 
winklige Feuerstelle  abgeteilt,  nach  der  hinteren  Giebelseite  offen,  nach 
den  drei  anderen  Seiten  durch  Wände  bis  zum  Dach  hinauf  abgegrenzt, 
so  dass  ein  Abhalten  des  Rauches  von  dem  Wohn-  bezw.  Schlafraum  er- 
zielt wird.  Vom  Dach  hängt  eine  Art  Hängeboden  ins  Innere,  der  zur 
Aufbewahrung  von  Geräten  dient.  In  Nebengebäuden  waren  Schweine 
untergebracht,  auf  Veranlassung  des  weissen  Händlers  waren  Schuppen 
zum  Trocknen  der  Kokosnusskerne,  der  sogenannten  Kopra,  erbaut.  Die 
Leute  lieferten  auch  geflochtene  Kokosblätter  zum  Dachdecken  für  die 
Arbeiterhäuser  der  neu  angelegten  Station;  einzelne  Hessen  sich  auf 
Monate  zur  Arbeit  dingen,  und  als  es  galt,  einen  neuen  Händler  in  einem 
australischen  Schmier  nach  Kanied  hmüb  erzubringen,  waren  sofort  ein 
halbes  Dutzend  Männer  bereit,  als  Matrosen  mitzugehen.  Und  diese 
„Wilden"  brachten  den  Schmier  ohne  weissen  Kapitän  nach  einigen  Tagen 
prompt  wieder  zurück.  Entsprechend  dieser  willigen  Arbeitsleistung  war 
auch  der  von  ihnen  begehrte  Lohn  an  Äxten,  Kisten,  Zeugstoffen,  Töpfen, 
Tellern,  Tischmessern,  Gabeln,  Löffeln  usw.  reichlich  und  der  Wohlstand 
der  Leute  bei  meiner  Anwesenheit  grösser,  als  ich  ihn  je  in  einem  Ein- 
geborenendorf  Neu-Guineas  gesehen.  Geradezu  wie  eine  Schlemmerei 
kam  es  mir  vor,  dass  eines  schönen  Abends  der  alte  Nieman  seinen 
Freund  Saun  zum  Schweineschlachten  eingeladen  hatte,  denn  beide 
schlürften  ihre  Metzelsuppe  mit  Blechlöffeln  aus  emaillierten  Tellern. 

An  Geräten  und  Waffen  fanden  wir  einiges  meines  Wissens  bisher 
nicht  erwähnte:  Bogen  und  Pfeile,  die  freilich  an  anderem  Ort  hergestellt 
sein  können,  und  grosse  und  kleine  Trommeln,  die  denen  von  Kaiser 
Wilhelmsland  im  allgemeinen  gleichen.  Die  einzige  grosse  Holzschlitz- 
trommel  stand  in  einem  Winkel  des  Männerhauses  von  Luf.  Ich  ver- 
anlasste einen  Mann,  ein  Sterbesignal  mit  dem  zugehörigen  Stock  zu 
trommeln,  worauf  das  ganze  Dorf  zusammenlief.  Der  Rythmus  dieses 
Signals  war  den  beiden  Leuten  aus  Kaiser  Wilhelmsland,  die  ich  als 
Diener  mit  mir  hatte,  unbekannt,  während  mir  aus  ihrer  Heimat  Beispiele 
erinnerlich  sind,  dass  sie  dort  auch  im  fremdsprachlichen  Gebiet  Signale 
verstehen. 

Endlich  fand  ich  —  was  neu  für  die  Hermits  sein  dürfte  —  Täto- 
wierungen. Bei  einigen  alten  Frauen  waren  auf  der  Streckseite  der 
Unterarme,  teilweise  auch  der  Oberarme  kleine,  blasse,  oft  verwaschene 
Schnittnarben,  ohne  Farbstoff,  nicht  erhaben,  zu  sehen,  die  ein  Muster 
bilden,  das  ich  abgezeichnet  habe  und  hier  in  Kopie  vorzeige.  Es  waren 
(J,  !).  10  und  5  -\-  6  Doppelarme  bei  verschiedenen  Individuen  zu  zählen. 
Das  Muster  entspricht  der  „Doppelspirale"  auf  Kalkspateln  und  Weiber- 
schurzen,  über  das  Thilenius  sich  ausführlich  äussert1),  ich  sah  es  noch 
auf  einer  alten  Tasche  eingekochten  und  rudimentär  in  die  Kinde  einer 
Kokospalme  eingehackt.  Die  Tätowierung  oder  das  Muster  wurde  mejon 
genannt. 

1)  a.  a.  0.,  S.  HUiff. 


—     393     — 

Schädel  habe  ich  auf  Agomes  nicht  erhalten,  nur  Baarprobe  und 
einen  Zahn.  Dieser  mag  beweisen,  dass  es  sich  nicht,  wie  Miklucho 
Maklay  meinte1),  um  eine  Eyperplasie  des  Zahnbeins  bandelt,  sondern 
dass  Thi  1  en  ins-)  Recht  hat,  der  die  Vergrössernng,  welche  zuweilen  den 
Lippenschluss  anmöglich  macht,  auf*  Zahnsteinansatz  beruht.  Diese  Folge 
des  Kalk-Betelkauens  wird  als  Prahlerei  zur  Schau  getragen,  weil  nur 
Wohlhabende  sich  diese  schwarze  Kruste  im  Laufe  der  Jahre  erwerben 
können,  und  ich  bin  auf  die  Vermutung  gekommen,  dass  das  Schwarz- 
färben  der  Zähne,  wie  es  in  Kaiser -Wilhelmsland  üblich  ist.  die  Wohl- 
habenheit und  den  reichlichen  Betelgenuss  vortäuschen  soll;  es  sind  Wert- 
schätzungen dieser  Naturkinder,  wie  hei   uns  Brillanten  und  Simili. 

Piff.   I. 


Eingeborene  von  Maron  (Hermit-Inseln). 


Der  Habitus  der*  Eingeborenen,  den  einige  Bilder  illustrieren  mögen, 
und  das,  was  von  ihrer  Sprache  bekannt  ist,  weisen  ebenso,  wie  die  Ethno- 
graphie auf  eine  ähnliche  Volksmischung,  wie  auf  Kanied  hin. 

Die  Zahl  der  Eingeborenen  wird  in  übereinstimmender  Weise  nach 
älteren  Berichterstattern,  von  Kommandanten  der  Kriegsschiffe8),  aus  Akten 
der  Firma  Hernsheim4)  und  von  den  alten  Händlern  Lesmelles  und 
Devlin  bis  etwa  zum  Jahre    1880    auf  einige    Hundert    angegeben.     Dazu 


1)  Zeits.hr.  f.  Ethnol.  X,  S.  99ff.  —  2)  a.  a,  0.,  S.  165.  —   3)  H.  M.  S.  Alacrity  L874 
in   Sailmg   Directions   a.  a.  0.    Ann.  der  Hydrographie  1876,  8.  "_'17.  —   4)  Nach  münd- 
licher Miteilung  dea  Chefs  der  Firma,  Hrn.  Thiel.     Vgl.  auch  den  Nachtrag. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Heft  S  u.  4.  •>,; 


—     394     — 

stimmt  auch  die  Grösse    der    Kokospalmenbestände    und    die    Spuren  von 
Plantagen  im  Jungbusch. 

Seither  ist  eine  progressive  Abnahme  berichtet  worden,  doch  werden 
Zahlen  erst  seit  1802  angegeben.  In  diesem  Jahre  schätzte  S.  M.  Kreuzer 
„Bussard"  die  Bevölkerung  auf  kaum  mehr  als  50  Köpfe1),  Thilenius2) 
spricht  nach  seinem  Besuche  im  Jahre  1897  von  40  Leuten,  Dr.  Schnee 
nennt  1900  die  Zahl  683)  und  1901  hat  Herr  Wahlen  nach  mündlicher 
Mitteilung  63  Köpfe  gezählt.  Da  mittlerweile  etwa  ein  Dutzend  nament- 
lich bekannter  Männer  teils  in  Agomes  selbst,  teils  in  Matupi  oder  auf 
der  Reise  verstorben  war,  so  musste  bei  meiner  Ankunft  die  Bevölkerung 
auf  etwa  50  Seelen  geschätzt  werden.  Es  gelang  mir,  die  meisten  Leute 
auf  drei  photographischen  Platten  festzuhalten,  auf  denen  15  -f-  22  -\-  28 
=  65  verschiedene  Gesichter  sich  unterscheiden  lassen.  Ausserdem  wurden 
mir  9  andere  genannt  und  wohl  sämtlich  gezeigt,  die  bei  der  photo- 
graphischen Aufnahme  nicht  zugegen  waren.  Andererseits  stammen  nach 
Aussage  der  Eingeborenen  von  diesen  74  Leuten  zwei  Mädchen  aus  Ninigo, 
zwei  Frauen  und  drei  Männer  aus  Kanied;  erstere  sind  etwa  zwei  Jahre, 
letztere  aber  seit  langer  Zeit  auf  Agomes.  Die  meisten  Leute  sind  Er- 
wachsene, ja  Alte;  unter  20  Jahren  sind  nur  12,  unter  10  Jahren  nur  5 
zu  schätzen;  das  jüngste  Kind  war  wohl  4  Jahre  alt,  Säuglinge  und 
Schwangere  fehlten  gänzlich. 

Für  diese  rapide  Abnahme  der  Bevölkerung  innerhalb  etwa  zwei  Jahr- 
zehnten ist  Nahrungsmangel  zur  Erklärung  nicht  heranzuziehen;  wie  er- 
wähnt, fand  ich  sogar  Wohlstand  vor.  Inzucht,  die  man  häufig  für  das 
Aussterben  anschuldigte,  kann  auch  ausgeschlossen  werden,  da  bekannt  ist, 
dass  die  Agomesleute  eine  Art  Wikingerherrschaft  über  Ninigo  und  Kanied 
ausübten,  von  denen  sie  sich  gewiss  genug  Frauen  zur  Blutauffrischung 
holten. 

Ein  ursächliches  Moment  suchte  ich  anfangs  in  der  laxen  Geschlechts- 
moral, von  der  Thilenius  das  Abtreten  einer  Frau  seitens  des  Ehe- 
mannes an  andere  Männer  erwähnt  und  von  der  ich  krasse  Fälle  sowohl 
gegenüber  den  Landsleuten,  wie  fremden  Besuchern  erlebte.  Aber  es  ist 
kein  Anhaltspunkt  dafür  da,  dass  solche  Sittenverderbnis  erst  in  den  letzten 
Zeiten  eingerissen  sei,  und  Vergleiche  mit  Mikronesien,  sowie  später  zu 
erwähnende  Beobachtungen  auf  der  Maty-Insel  zeigen,  dass  freie  Liebe 
auch  vor  Ankunft  der  Europäer  landesüblich  sein  kann. 

Entvölkernde  Arbeiteranwerbung  hat  jedenfalls  in  den  beiden  letzten 
Jahrzehnten  nicht  stattgefunden;  in  dieser  Zeit  ist  jeder  Mann  namhaft  zu 
machen,  der  als  Matrose  auf  dem  Schiff  eines  Weissen,  nie  auf  den 
Pflanzungen  Dienste  vorübergehend  getan  hat. 

Am  nächsten  lag  es  für  mich,  nach  Seuchen  zu  forschen.  Krank 
sahen  und  sehen  auf  den  Bildern  die  Leute  nicht  aus,  im  Gegenteil  kräftig, 
wohl  proportioniert,  gut  ernährt.  Fünf  Fälle  von  Elephantliiasis,  sämtlich 
an  den  unteren  Extremitäten  alter  Leute,  ein  Mann  mit  weisslichen  Narben 


\)  Kol.-Blatt  1893,  S.  88.  —  2)  a.  a.  O.,  S.  162.   -  3;  Mitteilungen  des  orientalischen 
Seminars  l'JOl,  III.  Abteil.,  S.  -'77. 


—    395    — 

von  oberflächlichen  Geschwüren,  ein  Jüngling  mit  Leistenbubo  ohne  Genital- 
geschwür, vier  Fälle  von  Ringwurm,  frisch  von  den  farbigen  Arbeitern 
der  Handelsstation  angesteckt  —  «las  war  alles,  was  mir  zu  Gesicht  kam. 
Immer  aufs  neue  habe  ich  nach  Geschlechtskrankheiten  gefahndet,  alle 
Leute  genau  besehen,  die  meisten  nach  Drüsenanschwellungen,  Knochen- 
deformitäten  abgetastet.  Nur  ein  etwa  20jähriges  .Mädchen,  Taitu,  wies 
einen  Nasendefekt  mit  strahlig  eingezogener  bis  in  die  Stirn  reichender 
Narbe  auf,  der  wohl  syphlilitischen  Ursprungs  sein  konnte.  Aber  dieses 
Mädchen  war  erst  seit  zwei  Jahren  aus  Xinigo,  dem  L'Echiquier-Archipel, 
zugezogen.  Gegen  endemische  Verbreitung  von  Geschlechtsleiden  sprach 
auch  der  Umstand,  dass  die  oft  kontrollierten  Stationsarbeiter  und  unsere 
Schiffsbesatzung,  welchen  die  Freuden  der  Liebe  von  den  Agomesfrauen 
in  liberalster  Weise  gewährt  wurden,  ohne  luetische  oder  gonorrhoische 
Ansteckung  blieben. 

Mein  Hauptaugenmerk  richtete  ich  auf  das  Vorkommen  von  Malaria. 
Von  47  Leuten,  darunter  von  allen  Kindern,  entnahm  ich  Blutpräparate. 
Nur  in  einem  einzigen  fand  ich  zwei  Malariaparasiten,  bei  einem  jungen 
Mann,  der  vor  einem  halben  Jahre  als  Zeuge  in  einem  Prozess  in  Herberts- 
höhe gewesen  war,  wo  er  sich  angesteckt  haben  konnte.  Ebenso  waren 
nur  zwei  Milzen  unerheblich  vergrössert.  Dabei  wurden  die  malaria- 
übertragenden Stechmücken,  die  Anopheles,  reichlich  gefunden,  so  dass 
<liese  Krankheit,  einmal  eingeschleppt,  verheerend  auf  den  Rest  der  offen- 
bar nicht  immunen  Eingeborenen  wirken  könnte. 

Nach  alledem  kann  ich  den  Angaben  des  Händlers  Devlin,  jetzt  in 
Ninigo,  seit  30  Jahren  in  der  Südsee,  davon  6  auf  Agomes,  den  Glauben 
nicht  versagen,  dass  als  hauptsächliche  ja  als  einzige  Ursachen  des  Aus- 
sterbens auch  auf  Agomes  Kindesmord  und  Abtreibung  vorkommen.  Und 
zwar  scheint  es  freiwilliger,  bewusster  Entschluss  dieses  Volksrestes  zu 
sein,  auszusterben.1)  Hierauf  machte  mich  Devlin  aufmerksam,  und  auch 
zu  mir  äusserte  ein  Eingeborener,  Dachada,  der  als  Matrose  bis  Sidney 
gefahren  war,  und  leidlich  englisch  sprach,  spontan:  „we  like  dy  outu, 
Hess  sich  aber  auf  keine  nähere  Erklärung  ein. 

laue  solche  scheint  aber  möglich  zu  sein,  wenn  mau  folgende  histo- 
rische Tatsachen  betrachtet. 

Die  Agomesleute,  500  bis  600  Köpfe  stark,  lebensfreudig,  kriegerisch, 
raublustig,  hatten  L878  die  deutsche  Bark  Else  überfallen,  die  Besatzung 
ermordet,  das  Schiff  geplündert  und  verbrannt  —  eine  Untat,  die  viele 
Jahre  später  dadurch  herauskam,  dass  man  das  Gebetbuch  des  Schiffs- 
jungen auffand,  worauf  die  Leute  geständig  waren.8)  1880  hatten  sie  einen 
Händler  ermordet  und  1882  hat  dafür  zur  Sühne  S.  M.  8.  Carola.  Komman- 
dant Korvettenkapitän  Karcher,  eine  Strafexpedition  unternommen3), 
bei  der  nur  ein  .Mann  und  eine  Frau  erschossen  sind.  aber,  während  die 
Eingeborenen  sich  im  Busch  versteckten,  ihre   Dörfer  und  ihre  Habe  ver- 


1)  Vgl.  auch  den  Nachtrag,  Anm.  2.  —  2)  Der  Vorfall  wird  in  der  Austral. 
Method.  Mission.  Rev.  vom  T.Juli  1902,  S.  9  ausführlich  erzählt.  —  3)  Annal.  d.  Hydrogr, 
1883,  S .  T»  1 1 ; .  576,     Vgl.  auch  den  Nachtrag. 

26" 


-     396     - 

nichtet  wurde.  In  der  darauffolgenden  Regenzeit  sollen  —  nach  De  vi  in 
—  aus  Mangel  an  Unterkunft  und  Nahrung  so  viele  umgekommen  sein, 
dass  die  Überlebenden  nicht  alle  Toten  hätten  bestatten  können.  Nach 
einigen  Jahren,  1889,  haben  die  einigermassen  sich  wieder  erholten  Ein- 
geborenen einen  Raubzug  nach  Ninigo  machen  wollen.  Dabei  sind  3  von 
4  Kriegskanus  verschollen,  eines  aber  in  St.  Davids  angetrieben.  Yon 
dort  hat  Devlin  den  Rest,  9  von  etwa  60  Männern  nach  Agomes  zurück- 
gebracht.1) 

Damals  erst  hat  —  nach  meinem  Gewährsmann  —  der  Lebens- 
überdruss  der  Leute  begonnen,  nur  noch  zwei  Familienhäupter  haben  auf 
Fortpflanzung  bestanden  (Belamai,  jetzt  tot,  und  Tabachai,  jetzt  sehr 
alt);  nach  dem  um  1895  erfolgten  Tode  des  letzten  angesehenen  Häupt- 
lings Labenan  habe  sich  der  Stamm  aufgegeben.  Zum  Beweise  mag 
noch  die  auch  von  Thilenius  angeführte  Tatsache  dienen,  dass  auf 
Agomes  kein  Häuptling  mehr  herrscht,  Morai,  der  „Thronerbe"  hat  nichts 
zu  sagen.  Auch  passt  zu  dieser  Darstellung,  dass  meinem  Reisegefährten 
Hellwig  die  Angabe  von  Eingeborenen  gemacht  wurde,  dass  das  grosse 
Kanu,  welches  sie  vor  1900  erbaut  haben,  und  das  jetzt  in  Matupi  zum 
Verkauf  steht,  nicht  als  Kriegskanu  gebaut  ist,  wie  die  Aufkäufer 
meinten,  sondern  zu  Ehren  jenes  verstorbenen  Häuptlings.  Von  Agomes 
nämlich  wie  von  Kanied  wird  erzählt,  dass  angesehene  Tote  nicht  be- 
erdigt, sondern  in  einem  Kanu  auf  die  hohe  See  gefahren  und  versenkt 
werden. 

„Selbstvernichtung  eines  Volkes  infolge  bewussten  Erlöschens  des 
Lebensmutes"  —  das  ist  der  merkwürdige  Schluss,  zu  dem  ich  über  das 
Aussterben  von  Agomes  und  Kanied  gekommen  bin,  und  den  ich  immer 
noch  mit  gewissem  Zweifel  begleite  und  mit  dem  Vorbehalt  äussere,  dass 
der  innere  psychologische  Zusammenhang  erst  erforscht  werden  müsste, 
ehe  diese  Erklärung  ganz  einwandfrei  ist. 

An  Abhilfe  ist  hier  ebensowenig  zu  denken,  wie  auf  Kanied.  Tief 
eingewurzelte,  fast  religiös  gewordene  Vorurteile  lassen  sich  nicht  durch 
Belehrungen  und  nicht  durch  exemplarische  Strafen  austreiben. 

Auf  der  L'Echiquiergruppe,  deren  grösstes  Atoll  den  Eingeborenen- 
namen Ninigo  führt,  nach  welchem  meist  und  jedenfalls  von  Europäern 
der  ganze  kleine  Archipel  benannt  wird,  war  ich  nur  zweimal  je  24  bis 
30  Stunden,  und  zwar  nur  auf  der  Handelsstation  Longan.  Für  die  Ethno- 
graphie kann  ich  zu  dem  bereits  Bekannten  und  insbesondere  zu  dem  von 
Thilenius  Erforschten  wenig  hinzufügen. 

Für  eine  reichliche  melanesische  Componente  in  der  Volksmischung, 
also  nicht  für  reine  Mikronesier,  die  Mikluclio  Maklay  aus  dem  Dutzend 
Weiber,  die  er  gesehen,  diagnostiziert  hatte2),  spricht  das  Ergebnis  meiner 
linguistischen  Aufzeichnungen:  ein  Teil  des  Wortschatzes  war  zur  Freude 
meines  kleinen  Dieners  aus  Friedrich  Wilhelmshafen  seiner  Muttersprache 
gleich  oder  sehr  ähnlich:  na  =  ich,  aita  =  wer,  was,  anak  =mein  Mund  usw., 


1)  Die  Tatsache  ist  mir   von  Hrn.  Thiel   aus    den  Akten    der   Firma   Hernsheim 
bestätigt.  —  2)  Zeitschr.  f.  Ethnol.  X,  S.  in:;. 


397     — 


während  ein  anderer  Teil  sich  mit  Wortwurzeln,  die  nur  aus  der  Agomes- 
sprache  bekannt  sind,  deckte:  sineu  =  Hund,  xv%  =  Ort,  gohn  =  Donner  usw. 
Zu  dieser  Auffassung-  passt  auch  der  Umstand,  dass  auf  Ninigo  .Mntter- 
recht  herrscht,  wie  sonst  im  Schutzgebiet,  soweit  diese  Frage  schon  be- 
antwortet ist,  während  Agomes,    und  wie  wir    sehen    werden,    Maty-Insel, 


o 


sichere  Symptome  des  Vaterrechts  aufweisen.  Endlich  lassen  diese  Gruppen 
von  Eingeborenen,  wenn  die  Bilder  auch  etwas  klein  sind,  einen  Misch- 
typus  erkennen,  der  dunklere  und  mehr  kraushaarige  Nuancen  aufweist, 
als   Kanied  und  Agomes. 

Schädel   habe   ich   auch  hier  nicht  erhalten. 

Die  Zahl   der  Ninigoleute    wird   sowohl   früher  —   18721)  —  als  auch 

1)  Sail.  Direct.,  S.  413. 


—     398    — 

jetzt1)  auf  einige  Hundert  angegeben.  Bei  der  zerstreuten  Lage  der 
Inseln  über  rund  600  Qtiadratseemeilen  ist  eine  Volkszählung  schwierig; 
mir  war  sie  aus  Zeitmangel  unmöglich,  doch  traf  es  sich  günstig,  dass  an; 
einem  Tage  viele,  besonders  erwachsene  männliche  Eingeborene  von  allen 
Inseln  zwecks  Landverkauf  auf  der  Handelsstation  zusammenkamen.  Ich 
zählte  über  150  und  schätze  daraus  etwa  500  Köpfe.  Es  ist  höchst  un- 
wahrscheinlich, dass  früher  etwa  Tauseude  hier  gelebt  haben,  weil  es 
nirgends  grosse  unbenutzte  Kokospalmenbestände  gibt,  wie  sie  auf  Kanied 
und  Agomes  und  sonst  im  Schutzgebiet  auf  den  French-Inseln  und  bei 
Nusa  das  sichere  Zeichen  einer  grösseren  Bevölkerungsdichte  vor  einigen 
Jahren  oder  Jahrzehnten  sind. 

Alle  Altersklassen  waren  auf  Ninigo  gleichmässig  vertreten,  ins- 
besondere sah  man  auch  genug  Säuglinge  und  schwangere  Frauen.  Ab- 
treibung uud  Kindesmord  kommen  (nach  Devlin)  nur  gelegentlich,  nicht 
systematisch  vor.  Dennoch  meinte  er,  in  den  letzten  sechs  Monaten  eine- 
ungewöhnliche Sterblichkeit  von  30 — 40  Menschen  jeden  Alters  verzeichnen 
zu  können. 

Es  kam  also  auch  hier  darauf  an,  so  viel  in  der  kurzen  Zeit  möglich 
war,  nach  Seuchen  zu  suchen.  Schwer  verdächtig  der  Syphilis  war  das 
Mädchen  Taitu  auf  Agomes  gewesen,  das  aus  Ninigo  stammte.  Hier  sah 
ich  einen  ähnlichen  Nasendefekt  bei  einem  jungen  Mann  und  stellte  bei 
einem  älteren  Mann  flache,  speckige,  pfenniggrosse  Geschwüre  am 
Gaumen  fest. 

Aus  diesen  Fällen  bin  ich  geneigt,  die  Diagnose  „sporadische  Syphilis" 
auszusprechen,  aber  Aron  einer  Durchseuchung  des  ganzen  Volkes  kann 
keine  Rede  sein. 

Von  drei  Weibern,  deren  Genitalsekret  ich  untersuchen  konnte,  hatte 
die  jüngste  Gonokokken,  angeblich  von  einem  aus  den  Salomon-Inseln 
stammenden  Arbeiter  infiziert,  der  aber  damals  frei  von  Krankheits- 
symptomen war. 

Hautkrankheiten  habe  ich  nirgends  gesehen,  Elephantiasis  kommt 
vereinzelt  vor. 

Dagegen  fand  ich  einige  Fälle  von  Malaria.  Unter  37  meist  von 
Kindern  entnommenen  Blutproben  hatten  6  die  charakteristischen  Parasiten; 
alle  diese  stammten  von  einer  Insel  Ami.  Es  waren  auch  Erwachsene 
dabei,  darunter  der  Inselhäuptling  Paiad,  der  früher  stets  gesund,  mir 
als  seit  5  Monaten  siecher  Mann  zugeführt  wurde.  Einige  ihm  zwischen 
meiner  ersten  und  zweiten  Anwesenheit  verabfolgte  Chiningaben  hatten 
ihn  gebessert  aber  noch  nicht  geheilt  Aus  diesen  kleinen  Befunden 
fürchte  ich  schliesseu  zu  müssen,  dass  die  Malaria  erst  neuerdings  nach 
Xinigo  eingeschleppt  ist,  dass  sie  die  von  Devlin  beobachtete  höhere 
Mortalität  der  letzten  Monate  erklärt,  und  dass  sie  auch  ferner  den  Volks- 
bestand dezimieren  wird. 

Es  ist  gegenüber  den  bisherigen  Annahmen  ein  geradezu  paradoxes 
l(«'>ii!t;it.   ilass  sieh  hei  den  aussterbenden  Kanied-  um I  Agonieseingeborenen 


1)  Mündliche  Mitteil,    der   Herren  Thiel,    Wahlen  u.  a. 


—     399     — 

keine  Seuche  als  Ursache  li;ii  nachweisen  lassen,  dass  aber  bei  den  noch 
relativ  lebensfrischen  Ninigoleuten  Syphilis,  Gonorrhoe  and  .Malaria  ge- 
funden hat,  freilich  vorläufig  so  sporadisch,  dass  sie. die  Bevölkerungsziffer 
noch  nicht  wesentlich  beeinträchtigt  halten. 

Die  Literatur  über  die  Maty-Insel  ist  erst  8  Jahre  alt,  aber  schon 
so  umfangreich1),  dass  die  Rekapitulation  derselben  Stunden  in  Anspruch 
nehmen  würde,  [ch  kann  sie  deshalb  nur  gelegentlich  streifen  und  be- 
schränke mich  im  wesentlichen  auf  das,  was  ich  in  den  14  Tagen  meines 
Autenthaltes  selbst  gesehen  und  erfragt  habe.  Die  Quelle  «lieser  Er- 
kundungen ist  i\>'\-  Händler  .Mr.  William  Leonhard,  ein  Däne,  seit  etwa 
in  Jahren  im  Schutzgebiet,  der  von  189!»  bis  1901  von  der  L'Echiquier- 
gruppe  aus  auf  einem  kleinen  Schuner  widerholt  die  Maty-Insel  zu 
Tauschhandels/wecken  besucht  hatte,  und  seit  Juni  1902  dort  dauernd 
ansässig  ist. 

Aus  dem  hier  sehr  tiefen  .Meere  erhebt  sich  die  Insel  als  ein  steil- 
wandiger grosser  Korallenblock  derart,  dass  sein  Riffsaum  in  20— bOO  m 
Breite  von  Ebbe  und  Flut  bespült  wird,  ohne  irgendwo  einen  Ankerplatz 
oder  auch  nur  eine  sichere  Bootsdurchfahrt  zu  bieten.  Das  trockene  Land 
umfasst  nach  rohen  Itineraren,  die  ich  bei  einem  Rundgang  um  die  Insel 
aufnahm,  etwa  20  qkm  und  hat  die  Gestalt  eines  Rechteckes,  dem  im 
Südosten  ein  tiefer  Bogen  ausgeschnitten  ist.  Nur  im  Nordwesten  erheben 
sich  zackige  Korallenformationen  zu  10—15  m  Meereshöhe,  und  hier  ist 
der  einzige  Fleck  Landes,  der  keine  Zeichen  bestehender  oder  früherer 
Bodenkultur  trägt,  sonst  ist  die  Insel  flach  und  eben,  ohne  Lagune  oder 
Andeutung  eines  Atolls. 

Der  Wald  ist  nicht  so  undurchdringlich  wie  auf  dem  Festlande  Neu- 
Guineas,  trägt  aber  eine  reichhaltigere  Flora,  als  man  auf  einsamer  Koralle 
erwarten  könnte;  Parkinson,  der  botanische  Vorkenntnisse  besitzt,  er- 
wähnt Cordia  subcordata,  Barringtonia,  Hibiscus,  Terminalio,  Thespesia.8) 
Aus  der  Fauna  sind  Ratten,  fliegende  Hunde,  Tauben,  Seeadler.  Leguane, 
Schildkröten,  wenig  Schmetterlingsarten,  und  unter  den  kleineren  Insekten 
—  was  sich  als  wichtig  erweisen  wird  --  massenhaft  Anophelesmücken 
mir  zu  Gesicht  gekommen;  von  den  Eingeborenen  wurde  noch  das  '\  or- 
kommen  von  Baumbären,  Schlangen,  Kokoskrabben  usw.  angegeben. 
Schwein,  Hund  und  Huhn  haben  bis  zur  Niederlassung  der  Europäer  sicher 
gefehlt. 

Die  Maty-Insulaner  sind  gut  mittelgross,  hellgelb  mit  Lippen-  und 
etwas  Wangenrot  bis  hellbraun;  ein  etwa  18jähriges  .Mädchen,  «las  seit 
5  Monaten  im  Hause  des  Händlers  lebte,  war  beinahe  weiss,  und  zwar 
abgebleicht,  weil  es  keine  Aussenarbeit  zu  verrichten  hatte.  Die  Haare 
sind  lang,  schlicht  oder  gelockt,  nie  kraus,  schwär/,  oder  braun:  ob  hier 
Beizung  vorliegt  und  welcher  Art  sie  wäre,  konnte  ich  nicht  ermitteln. 
Ich  lege  hier  drei  Proben  vor  und  bemerke  dazu,  dass  mir  nur  einheit- 
liche Haarfärbüug,  nicht  ein  Giemisch  hellerer  und  dunklerer  Strähnen  vor 


1)  Sie  findet  sich  bei  Thilenius  angeführt  —  2    Globus  L900,  S.  69. 


—     400     — 

Augen  gekommen  ist,  wie  man  sie  auf  Samoa  als  Folge  von  Bleichungs- 
prozessen  zu  sehen  bekommt.1) 

In  den  Gesichtszügen  kann  man  allerlei  Anklänge  von  javanischen, 
chinesischen  und  europäischen  Typen  finden,  selten  sprachen  platte  Nasen 
mit  weiten  Löchern,  breite  eckige  Stirnen,  tief  liegende  Augen  für  mela- 
nesische  Blutmischung,  nie  kamen  wulstig  aufgeworfene  Lippen  vor.  Der 
Knabe  Mairi,  en  face  und  en  profil,  die  Jünglinge  Vilia  und  Ferefere 
en  profil,  deren  erster  auch  en  face  aufgenommen  ist,  muten  doch  ganz 
arisch  an;  die  Kinder  Tsaida  und  Atsunas  mit  Lockenköpfchen  sind  eher 
mulattenhaft,  und  in  dem  einen  dieser  Jünglinge  kann  das  schräg  gestellte 
Auge  an  Mongolen  erinnern.  Eine  Plica  mongolica  hat  der  Knabe 
Pamona.  Schwer  zu  analysieren  sind  die  Züge  des  puala  und  seiner  Frau, 
an  deren  steifer  Haltung  ich  selbst  schuld  bin,  indem  ich  sie,  um  ein 
scharfes  Bild  zu  erhalten,  mit  dem  Kopf  an  die  Wand  drückte. 

Fünf  Schädel,  davon  einen  mit  Unterkiefer,  habe  ich  mitgebracht, 
meines  Wissens  die  ersten,  welche  von  der  Maty-Insel  kommen.  Hr.  Ge- 
heimrat Wald  ey  er,  dem  ich  dieselben  übergeben,  hat  die  Absicht  aus- 
gesprochen, sie  Ihnen  nach  erfolgter  genauer  Messung  selbst  zu  de- 
monstrieren. 

Sie  werden  aber  auch  ohne  die  genauen  Zahlen  sehen,  dass  es  sich 
nicht  um  die  melanesischen  Querköpfe  handelt,  sondern  dass  eine  Ähn- 
lichkeit mit  den  Kaniedschädeln  vorliegt.  Ein  männlicher  Schädel  sieht 
nach  einem  Bastard  aus.  Die  Narben  hier  möchte  ich  nicht  für  syphi- 
litisch halten,  und  ich  bin  glücklich,  dass  mir  Hr.  Prof.  Krause  nicht 
nur  Recht  gibt,  sondern  aus  seiner  grossen  Erfahrung  auch  eine  Erklärung 
mitgeteilt  hat,  die  ihm  in  Australien  englische  Ärzte  über  ähnliche  Be- 
funde gegeben  haben,  dass  diese  Gänge  durch  ausnahmsweise  Einnistung 
von  Milben  in  den  Knochen  gefressen  seien.  Ist  das  überhaupt  möglich, 
so  liegt  es  auf  Wuwulo  besonders  nahe,  daran  zu  denken,  da  dort  eine 
rote  Milbenlarve,  der  sogenannte  Buschmucker  (zoologisch  meines  Wissens 
noch  nicht  bestimmt)  zu  vielen  Tausenden  vorkommt,  und  namentlich 
dem  Fremdling,  der  sich  ihrer  noch  nicht  erwehren  gelernt,  eine  schlimme 
Plage  durch  Hautgeschwüre  bildet. 

Von  der  Sprache  der  Maty-Insel  sind  bisher  durch  Parkinson  32 
und  Thilenius  100  Worte  gesammelt,  die  von  letzterem  in  Beziehung  zu 
anderen  Südseesprachen  gebracht,  und  als  sicher  ozeanisch  diagnostiziert 
sind.  Mein  Material  von  400—500  Wortstämmen  wird  demnächst  im  Zu- 
sammenhang veröffentlicht  werden.  Ich  hebe  hier  folgende  Punkte  hervor. 
Phonetisch  hat  man  den  Eindruck  einer  (lein  Samoanischen  ähnlichen  poly- 
nesischen  Sprache:  die  Konsonanten  sind  häufig  durch  die  Öffnung  des 
Kehldeckels  ersetzt. 

,  SB  .  ...  3       l  .  , 

t;i  a  ua  =  richtig,  yau  ma   a  aia  =  ich  weiss. 


1)  Die  folgenden  Bemerkungen  beziehen  sich  auf  die  mit  dem  Vortrage  verbundenen 
Lichtbilder,  von  denen  nur  einige  auf  Tafel  V  wiedergegeben  sind. 


—     401     — 

Aber  die  Worte,  die  mit  dem  entsprechenden  polynesischen  überein- 
stimmen, sind  gleichzeitig  allgemein   ozeanisch. 

pu<5a  =  Mond,  pe  u  =  Stern,  avi  =  Feuer,  aru  =  Rauch,  ranu  =  Wasser, 
räumt  =  Blatt,  niu  =  Kokosnuss,  balu  =  Taube  usw. 

Zu  den  Nachbarinseln  uml  bis  in  die  Carolinen  hinein  weisen  eine 
Reihe  von  Wortstämmen. 

boboane  =  Mann  entspricht  moan  auf  Agomes,  man  auf  Poitape,  rufu 

=  Dorf  entspricht  luf  auf  Agomes,  suf  auf  Kanied,  aiva  =  Trommel  heisst 
auch  in  Ponape  so. 

Nun  genügt  bei  allen  diesen  Inselsprachen  der  Südsee  eine  Anzahl 
von  Wortstämmen  nicht,  um  sie  aus  dem  grossen  Kreis  ozeanischer 
Sprachen  in  die  Unterabteilungen  des  malayischen,  melanesischen  oder 
polynesischen  einzurangieren,  das  kann  erst  durch  die  Grammatik  ge- 
schehen. Und  da  finden  wir  in  dieser  Sprache  sowohl  Dual  und  Trial, 
als  auch  die  obligatorischen  Possessivaffixe  für  unveräusserliche  Besitz- 
tümer, d.  h.  bei  Verwandtschaftsbezeichnungen  und  Körperteilen  muss  zum 
Wortstamm  eine  besitzanzeigende  Silbe  gehängt  werden. 

papaneu,  -nenu,  -neue  =  mein,  dein,  sein  Kind;  nugeu,  -emo,  -ena 
=  meine,  deine,  seine  Nase. 

Diese  beiden  Spracheigenschaften  sind  streng  melanesich,  nicht  poly- 
nesisch  oder  malayisch.  Man  kann  noch  einen  Schritt  weitergehen:  Die 
Stellung  des  Genetivus  possessivus  hinter  das  Hauptwort 

ogegä  pula  =  Brauen  Augen,  boa  uraa  =  Mund  Haus  =  Tür,  avui 
inu  =  Angelhaken  (aus)  Trochus 

stellt  diese  Sprache  abseits  von  der  grossen  Gruppe  der  Küstensprache 
Neu-Guineas,  welche  den  Genetiv  voransetzt.1)  Eine  letzte  Handhabe, 
um  die  Sprache  einzureihen,  bieten  die  Zahlworte.  Die  melanesischen 
Sprachen  arbeiten  nur  mit  Zahlwurzelworten  1-5,  wobei  5  stets  durch 
Hand  wiedergegeben  wird,  6—9  wird  durch  drei  verschiedene  Arten  aus- 
gedrückt. 

Streng  melanesiseh  ist  es  zu  zählen:  Hand  -f-  Finger  1=6,  Hand 
-+-  Finger  2  =  7  usw.  Durch  malayischen  Einfluss  hineingekommen  ist 
die  Subtraktionsmethode:  9  wird  gebildet  durch  10  --  1,  8  durch  10  -  2 
und  eventuell  noch  7  =  10   -  3. 

Diese  Zählmethode  findet  sich  auf  einigen  Sunda-Inseln  und  in  unserem 
Schutzgebiete  nur  auf  den  Hermit--  Anachoret-  und  den  Admiralitäts-Inseln. 
Die  3.  Methode,  zur  Addition  noch  Multiplikation  hinzuzunehmen,  und 
6  aus  3  X  2,  7  aus  3x2  +  1,  8  aus  4x2,  9  aus  4x2  +  1  zu  bilden. 
war  bisher  nur  von  Mikronesien,  speziell  von  den  .Marschall-Inseln  be- 
kannt2); hier  auf  .Maty  finden  wir  sie  wieder. 

Aus  alledem  komme  ich  zu  dein  Schlüsse:  diese  Sprache  ist  gramma- 
tisch   nordmelanesisch,    phonetisch    polynesisch.     Und    wenn   ich  mir  vor- 


1)  P.  W.  Schmidt:    Die  Jabim-Sprache.     Wien  1901,    S.  4:?.   —   -2)   Frobeuius    in 
Petermanns  Mitteilungen  l'JÜO,  S.  2GG. 


—     402     - 

stelle,  dass  eine  Sprache  stets  Muttersprache  ist,  d.  h.  dass  Kinder  aus 
Mischehen  zuerst  und  zu  best  von  der  Mutter  sprechen  gelehrt  werden,  so 
komme  ich  zu  der  Hypothese,  dass  polynesische  Männer  in  ein  nord- 
melanesisches  Sprachgebiet  als  Eroberer  einfielen,  die  dort  angetroffenen 
Männer  vernichteten  und  mit  den  Frauen  eine  neue  Mischrasse  bildeten, 
deren  nächste  Generationen  die  Sprache  der  Mütter  lernten,  aber  mit  ihren 
von  den  Vätern  ererbten  Sprachwerkzeugen  sie  phonetisch  so  umbildeten, 
wie  wir  sie  jetzt  zu  hören  bekommen.  Ich  nehme  an,  dass  unser  Prozess 
auf  der  Maty-Insel  selbst  vor  sich  gegangen  ist,  und  dass  neue  sprachliche 
Elemente  nur  gelegentlich  durch  Angetriebene  im  Sinne  von  Fremdwörtern 
hineingekommen  sind. 

puala  =  Häuptling  hat  im  Javanischen  ein  ähnliches  Wort  buala  mit 
gleicher  Bedeutung,  pilaua  =  Fremder  entspricht  dem  a  perau  des  Neu- 
Pommern  und  ist  aus  malayisch  prau  =  Schiff  entstanden,  wie  noch 
neuerdings  tsitsi  aus  dem  englischen  ship  und  pitsi  aus  pig  angenommen 
sind. 

Auch  der  Name,  den  die  Leute  sich  selbst  und  ihrer  Heimat  geben, 
und  den  ich  nur  Wuwulo,  nicht  Popolo  oder  Bobolo  aussprechen  gehört 
habe  (Popolo  dagegen  ist  auf  den  LTEchiquier-Inseln  der  Name  für  Maty- 
Insel),  kann  ein  Fremdwort  sein,  aus  dem  malayischen  Stamme  Puluh  = 
Insel  entstanden,  da  ein  Bedürfnis,  die  Heimat  zu  benennen,  bei  Natur- 
völkern erst  eintritt,  wenn  man  sich  von  Fremden  differenzieren  will. 

Die  Verfassung  von  Wuwulo  ist  despotisch,  ein  Oberhäuptling,  Puala, 
herrscht  über  Leben  und  Tod.  Er  wohnt  in  dem  grössten  Dorfe  Auna 
auf  der  Südecke  der  Insel,  seine  Umgebung  soll  nach  Angabe  des  Händlers 
eine  Art  Aristokratie  bilden,  durch  Geburt  und  Ernennung  zusammen- 
gesetzt; jedenfalls  wird  das  Gros  der  Bevölkerung  mit  Tamolmol  =  Sklave, 
Höriger  bezeichnet.  Nach  derselben  Quelle  hat  diese  Aristokratie  auch 
besondere  sprachliche  Ausdrücke,  wie  sie  den  polynesisch-malayischen 
Völkern  eigentümlich  sind;  ich  habe  trotz  einiger  Mühe  nichts  hierüber 
ermitteln  können.  An  Zeremonien  war  nichts  besonderes  wahrzunehmen, 
doch  sprachen  eine  Reihe  von  Tatsachen    für    die  reale  Macht  des  Puala. 

Er  arrangierte  uns  zu  Ehren  ein  Fest,  zu  dem  ihm  von  anderen 
Dörfern  Tribut  in  Gestalt  von  reichlichen  Nahrungsmitteln  gebracht  wurden. 
Dem  Händler  hatte  er  schon  vor  5  Monaten  ein  Mädchen,  gewissermassen 
als  Geissei,  ins  Haus  gegeben.  Er  war  bereit,  der  dort  jetzt  Handel 
treibenden  Firma  für  die  Hermit-Inseln  die  Anwerbung  von  30  Arbeitern 
zu  vermitteln,  d.  h.  die  Leute  abzukommandieren.  Damals  wollte  jene 
Firma  vernünftigerweise  keinerlei  Druck  ausüben,  und  liess  ihm  auf  seine 
Bitte  die  schon  eingetretenen  Leute,  doch  ist,  wenn  ich  richtig  unter- 
richtet bin,  diese  Anwerbung  einig«1  Monate  darauf  erfolgt. 

Er  hat  im  Juli  1902  ein  Mädchen  namens  Wobolele  für  Ungehorsam, 
Nichtausführung  einer  Botschaft  mit  dem  Tode  bestraft,  der  durch  Lebendig- 
beg rabenwerden  vollzogen  wurde.  Den  Schädel  hat  der  Händler  im  Sep- 
tember 1902  ausgraben  lassen;  er  liegt  hier  vor. 

Im  August  1901  hatte  er  einen  Strafzug  gegen  die  Dörfer  Wanura 
und  Wagodsa,    die    den   Tribut    verweigert    hatten,    unternommen,    wobei 


—     403     — 

2  Mann  erschlagen  und  die  Häuser  niedergebrannt  wurden.  Noch  bei 
meiner  Anwesenheit  lebten  die  Leute  in  elenden  Hütten  aus  Kokos- 
blättern,  weil  der  Puala  ihnen  den  Wiederaufbau  ihres  Dorfes  nicht  ge- 
stattete. 

Der  jetzige  junge  Oberhäuptling,  Nalipe  oder  Iriatso  mit  Namen,  ist 
erst  vor  2  Jahren  seinem  Vater  gefolgt.  Nach  dem  Stammbaum,  den  der 
Händler  noch  2  Generationen  aufwärts  ermittelt  hatte,  geschieht  die  Erb- 
folge nach  Vaterrecht,  wobei  auch  der  Fall  vorgekommen  ist,  dass  ein 
jüngerer  Bruder  seinem  kinderlosen  älteren  in  der  Herrschaft  gefolgt  ist, 
vielleicht  unter  Verdrängung  und  Ermordung  desselben. 

Auch  dieses  ganze  Verfassungsleben  des  Völkchens  spricht  eindeutig 
für  asiatisch-polynesischen  Ursprung  des  Hauptanteils  der  Kasse. 

Über  religiöse  Vorstellungen  und  über  besondere  Sitten  gebe  ich  zu- 
nächst Mitteilungen  meines  Gewährsmannes  mit  einiger  Reserve  wieder, 
nicht  als  ob  ich  an  seiner  bona  fides  zweifelte,  sondern  weil  es  für 
jeden,  der  nicht  an  kritische  Prüfung  seiner  Beobachtung  gewöhnt  ist, 
schwer  wird,  seiner  ergänzenden  und  kombinierenden  Phantasie  Zügel 
anzulegen. 

Nach  dieser  Quelle  sollen  die  Maty-Insulaner  Monotheisten  sein,  die 
ein  höchstes  Wesen,  Baude,  anerkennen,  aber  nicht  zeremoniell  verehren. 
Die  Häuptlingsfamilie  soll  sich  auf  diesen  Baude  zurückführen  und  als 
Abzeichen  einen  Halbmond  an  den  Türgriffen  der  Häuser  noch  jetzt  an- 
bringen. Dieses  Symbol  soll  der  Puala  nur  seinen  Günstlingen  gestatten 
nachzuahmen,  mit  denen  er  Tan*  ist.  Dieses  Tafi  soll  sich  auf  gemein- 
samen Besitz  der  Weiber  beziehen  (was  in  den  Epanga  der  Herero  und 
wohl  auch  in  den  Sitten  anderer  Völker  Parallelen  haben  würde),  fin- 
den Hörigen  Tamolmol  eine  Ehre  sein,  wenn  es  der  Puala  tut.  Ausserdem 
soll  es  dem  Puala  und  den  Adeligen  erlaubt  sein,  jedes  Weib,  das  sie 
nachts  ausserhalb  der  Häuser  antreffen,  zu  benutzen,  wobei  die  Frau  den 
Mann  in  der  Dunkelheit  der  Nacht  mit  einer  Muschel  streifend,  in  die 
Haut  ritzt,  um  ihm  demnächst  am  Tage  wiederzuerkennen  und  mit  dieser 
Buhlschaft  prahlen  zu  können. 

Hierzu  füge  ich  meine  eigenen  kleinen  Beobachtungen,  die  wohl  im 
Rahmen  dieser  Darstellung  erklärbar  sind,  aber  sie  doch  nicht  voll  be- 
weisen. 

An  einem  Mondabend  hatte  ich  in  der  radebrechenden  Form,  in  der 
ich  nur  sprechen  konnte,  mit  einem  etwa  20jährigen  Manne  eine  Unter- 
haltung, über  die  ich  in  mein  Tagebuch  aufzeichnete:  „Ich  ze^ge  auf  den 
Mond,  der  hier  ebenso  wie  das  Auge  Pula  genannt  wird,  da  sagt  mein 
Begleiter:  „Baude  hat  den  Mond  gemacht".  Hat  er  auch  die  Sonne  ge- 
macht? „Ja,  die  Sonne  und  den  Regen  und  den  Wind  und  Wuwulo  und 
die  Menschen."  Hat  er  die  Weissen  nicht  auch  gemacht?  „Wir  sagen, 
Baude  ist  gross,  er  hat  alles  gemacht."  Sagt  Ihr  in  Wuwulo,  dass  Baude 
tot  ist?  „Wir  sagen  in  Wuwulo,  Baude  ist  nicht  tot.  Menschen  sterben 
alle,  Baude  stirbt  nicht.  — " 

Mondsichelförmige  Türeriffe  habe  ich   mir    auch    zeigen    lassen,    aber 


—     404     — 

die  Antwort,  die  ich  erhielt,  dass  der  Griff  den  Mond  darstellen  sollte, 
konnte  auch  von  früher  her  in  die  Leute  hineingefragt  sein. 

Das  Wort  Tafi  wurde  allgemein  als  Freund  in  bezug  auf  Weiber- 
gemeinschaft verstanden,  und  gleich  am  ersten  Tage,  als  der  Händler  über 
einen  anderen  Weissen  und  mich  gefragt  wurde,  ob  wir  Brüder  seien, 
und  antwortete:  Wir  seien  Freunde,  Tafi,  erhob  sich  ein  Gelächter  und 
Gefrage,  wo  denn  unsere  Frauen  wären.  Auch  war  es  möglich,  die 
ostentative  Gastfreundschaft,  mit  welcher  der  Puala  in  seinem  Wohnhause 
seine  Frau  neben  den  weissen  Gast  sich  setzen  hiess  und  allerlei  Gesten 
machte,  als  Offerte  des  Tafiwerdens  aufzufassen,  doch  habe  ich  mich  auf 
ein  solches  Experiment  nicht  eingelassen. 

Zwei  junge  Leute,  Anidsu  und  Patipoa,  kamen  mir  vor  Augen,  die 
frische  Ritznarben  —  nanaua  —  an  Gesicht  und  Körper  trugen,  und  auf 
Befragen,  ob  sie  dieselben  einer  Liebesnacht  verdankten,  so  schmunzelnd 
verneinten,  dass  man  jedenfalls  ein  sofortiges  Eingehen  auf  den  Sinn  der 
Frage  annehmen  konnte. 

Über  Zeremonien  bei  der  Geburt,  über  etwaige  Pubertätsweihen,  über 
Eheschliessung  und  Scheidung  habe  ich  nichts  erfahren  können.  Einzelne 
Männer  hatten  zwei  Frauen,  der  Oberhäuptling  zeigte  sich  nur  mit  einer, 
namens  Gebauge,  von  der  er  noch  nicht  Yater  war,  doch  hatte  er  einen 
etwa  4jährigen  Knaben,  Taetoe,  oft  um  sich,  der  von  einer  Nebenfrau 
stammen  sollte,  die  mir  nicht  gezeigt  wurde. 

Auch  war  in  seiner  Begleitung  ein  Halbbruder  seines  Alters,  der  den- 
selben Yater,  aber  eine  andere  Mutter  hatte.  Dieser  besass  offenbar  eine 
Vorzugsstellung  am  Hof,  und  der  Händler  bezeichnete  ihn  als  Kriegs- 
minister. 

Über  die  Bestattungsgebräuche  erhielt  ich  von  meinem  Gewährs- 
manne,  der  vielen  Todesfällen  beigewohnt  hatte,  folgende  Auskunft: 

Beim  Todesfall  wird  zuerst  das  Haar  frisiert,  mit  Kokosöl,  nicht  mit 
Kokosbutter,  auch  nicht  in  ein  Taroblatt  gewickelt.  Dann  wird  die  Leiche 
geschmückt,  jetzt  mit  Perlen  und  Zeug,  früher  mit  Blumen  und  Yogel- 
federn.  Das  Grab  ist  3  —  4  Fuss  tief,  dicht  am  Hause  der  Familie,  das 
Haupt  liegt  nach  Westen.1)  Ins  Grab  werden  Angelhaken,  Muschelbeile, 
Betelnüsse  u.  dgl.  mitgegeben.  Kurze  Speere,  sonst  mehr  Spielzeug,  3  bis 
4  Fuss  lang,  werden  auf  den  Toten  gelegt,  der  damit  mit  seinen  Vor- 
fahren spielen  soll.  Während  das  Grab  zugeschüttet  wird,  beginnt  die 
Trauerklagft,  die  Weiber  heulen  im  Hause,  die  Männer  helfen  von  draussen. 
Ist  das  Grab  ganz  zugeschüttet,  so  werden  Betelnüsse  verteilt,  es  wird 
geschwatzt  und  gelacht  und  vom  Toten  darf  nicht  mehr  gesprochen 
werden.  Beim  Begräbnis  des  letzten  Oberhäuptlings  sind  150  Schildkröten, 
alle  vorrätigen,  gegessen  und  die  ganzen  Schalen  ins  Grab  auf  die  Leiche 
gelegt. 


1)  Hr.  Marine-Stabsarzt  Dr.  Martini  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  diese 
Sitte  bei  den  Samoancrn  auch  vorkäme  und  auf  die  Heimat  der  Polynesier  im  Westen 
gedeutet  würde. 


—     405     — 

Die  Häuser  sind  von  Martini1)  und  Parkinson-)  beschrieben 
worden:  es  gibt  Wohnhäuser,  deren  Wände  aus  sorgfältig  geglätteten 
und  gekalkten  Planken  bis  auf  den  Boden  reichen,  Vorratshäuser  auf 
zierlichen  Gerüsten,  wie  sie  sonst  nirgends  in  <\<'v  Südsee  zu  sehen  sind, 
mit  liretterbmleii,  sonst  aber  den  Wohnhäusern  gleichend,  nur  in  ver- 
kleinertem Masstabe,  und  drittens  kleine  Hallen,  gleichfalls  auf  Gerüsten, 
alter  ohne  Seitenwände,  alle  drei  Arten  von  Gebäuden  rechtwinklig  aus- 
gerichtet, mit  dichtem  Flechtwerk  aus  Kokosblättern  gedeckt.  Häufig 
sind  Vorratshäuser  und  Hallen  vereinigt,  immer  dann  in  der  Längsachse. 
so  dass    man    nicht    etwa    die    Halle    einer  Veranda    gleichstellen   könnte. 

Fier.  6. 


Dorf  auf  Wuwulo  (Maty-Insel). 


Endlich  gibt  es  noch  grosse  Schuppen  für  Kanus,  die  der  Bodenbrot  ter 
und  Wände  entbehren,  so  dass  nur  die  Kokosblattdächer  als  Regenschurz 
dienen.  Wohn-  und  Vorratshäuser  haben  rechtwinklige  Türöffnungen  mit 
genau  schliessenden  Vorsätzen,  die  durch  ein  Schnurriegelwerk  kunstvoll 
festgehalten  werden  (mit  nach  innen  gerichtetem  Griffe).  Die  fensterlosen 
Wohnhäuser  sind  so  dicht  abgeschlossen,  dass  keine  Mücke  hineinkann. 
die  Gerüste  der  Vorratshäuser  so  kompliziert,  dass  Ratten  nur  schwer 
hinaufklettern  und  noch  schwerer  einen  Haltepunkt  linden  können,  um 
sich  durch  die  Planken  aus  hartem  Heize  durchzunagen.  Neubauten  und 
insbesondere   llerrichtung  der  wie  behobelt  glatten  Planken  waren  nirgends 


n  töarinerundscbau  1898,  S.  117.  —  2)  Internat.  Arch.  f.  Ethnographie  L896,  S.  195, 


-     406     — 

zu  sehen,  aber  jedes  Loch,  jede  morsche  Stelle  in  den  Wandbrettern  war 
durch  sorgfältigste  Tischlerarbeit,  durch  Falzen  mit  Holzpflöcken  aus- 
gebessert. Die  offenen  Hallen  wurden  von  beiden  Geschlechtern  zur  Arbeit, 
zum  Ausruhen  und  zu  den  Mahlzeiten  benutzt,  besondere  Männer -Ver- 
sammlungs-  oder  Kultusgebäude  gibt  es  nicht. 

Die  Ordnimg  der  5 — 40  Häuser,  die  eine  Dorfschaft  bilden,  zeigt  eine 
Vorliebe  für  gerade  und  rechtwinklige  Ausrichtung,  ohne  dass  eine  Strassen- 
bildung  strenge  durchgeführt  wäre;  grössere  Plätze  fehlen.  Befestigungen 
sind  nirgends  angedeutet. 

Fier.  7. 


Brunnen  im  Dorf  Auna  auf  Wuwulo  (Maty-Insel). 

Auch  die  innere  Einrichtung  der  Wohnhäuser  hat  Parkinson  schon 
beschrieben:1)  Bänke,  mit  Planken  rechtwinklig  begrenzte  Feuerstelle  zu 
ebener  Erde,  an  der  der  Tür  gegenüberliegenden  Giebelseite,  hölzerne 
Truhe  von  V4  cbm  Inhalt,  Holztöpfe,  Schüsseln,  Schalen  ans  Kokos  und 
Teller  mit  napfartigen  Vertiefungen,  um  die  letzgenannten  hineinzustellen, 
Löffel  aus  Schildpatt  und  Muscheln,  Kokosschaber  mit  Sitzbrett  n.  dergl. 
mehr. 

Bereits  von  Martini2)  erwähnt  werden  die  aus  Korallensteinen  sorg- 
fältig ohne  .Mörtel  aufgemauerten  Brunnen.  Der  im  Bild  vorgeführte  liegt 
im  Auna,    ist  2  qm  weit    und    etwa  3  m  tief.     Die    Momentaufnahme    war 


1)  S.  Anm.  2  S.  413.  —  2)  Marinerundschau  1898,  S.  117. 


—     407     — 

noch  nicht  schnell  genug,  um  die  Schöpfbewegung  «los  Mannes  fest- 
zuhalten, der  mit  einer  an  speerartig  Langem  Stock  befestigten  polierten 
Kokosschale  Wasser  heraufholt.  Tiefe  Kerben  an  der  Kante  zeigen  die 
Stellen,  an  denen  auf  diese  Weise  gewohnheitsmässig  das  Wasser  ge- 
schöpft wird.  Einen  anderen  gemauerten  Brunnen  von  kreisrunder 
Öffnung,  trichterförmig  sich  nach  unten  verdünnend,  Bah  ich  an  der  ver- 
lassenen Dorfstelle  Tsiriro,    in  den  kleineren  Dörfern  waren  die  Brunnen 

nicht    gemauert,    e lern    rechtwinklig    in    feste,    verfalzte   Planken    ein- 

gefasst. 

Feuerbereitung  habe  ich  nicht  gesehen.  Mr.  Leonhard  erwähnte, 
dass  es  durch  Reiben  hergestellt  werde,  doch  habe  ich  versäumt,  ihn 
zu  fragen,  nach  welcher  der  drei  ozeanischen  Methoden  es  ausgeführt 
wird. 

Eigenartig  und  im  Gegensatz  zu  den  Papuas  höchst  appetitlich  war 
die  Speisebereitung,  speziell  der  Fische.  Trockene  Kokosnussrinde,  d.  h. 
die  äussere  faserige  Hülle  der  Nuss,  wurde  zu  Kohle  verglüht  und  anter 
die  dadurch  erhitzten  Korallenstückchen  der  Feuerstelle  gemischt.  Auf 
diese  flamme-  und  rauchfreie  Glut  wurde  ein  20— 40  cm  langes,  10 — 15  cm 
breites  rechtwinkliges  und  an  den  Kanten  umgebogenes  Pandanusblatt, 
das  wie  der  offene  Deckel  einer  Pappschachtel  aussah,  gestellt,  und  in 
ihm  nun  der  geschuppte  Fisch  in  einer  Mischung  von  Kokosnusssaft  und 
geschabtem  Kokosnusskern  geschmort.  Aus  den  Kernflocken  trat  das  Ol 
aus  und  bräunte  den  Fisch,  während  kleine  Zutaten  von  Wasser  das 
Durchbrennen  der  Blattunterlage  verhinderten. 

Zur  Nahrung  dienen  vor  allem  Fische,  Krabben  und  dergleichen  See- 
tiere, Kokosnüsse  und  Sumpftaros.  Diese  werden  in  grossen  Pflanzungen 
gewonnen,  welche  das  Innere  der  Insel  in  kilometerlangen  Strecken  durch- 
ziehen, immer  in  rechtwinkligen  Figuren,  meist  mit  vielen  Einsprängen 
dem  Gelände  und  den  Baumgruppen  angepasst;  die  Koralle  ist  bis  auf 
das  Grundwasser  ausgehoben  und  zu  Wällen  und  gangbaren  Dämmen 
zwischen  den  einzelnen  Feldern  aufgehäuft.  Dicht  beisammen  stehen  im 
seichten  Schlamm  die  Taropflanzen  mit  1—2  m  hohem  Blätterbusch.  Es 
scheint,  als  ob  diese  Pflanzen  wie  auch  die  Kokosnüsse  zu  jeder  Jahres- 
zeit gedeihen,  so  dass,  wenn  man  die  Meeresprodukte  hinzurechnet,  eine 
Hungersnot  aus  .Missernte  schwer  vorstellbar  ist.  Yams  fehlen.  Bananen. 
Canarinüsse,  Papeia,  in  Schlingen  gefangene  Tauben  u.  dergl.  kommen 
gleichfalls  auf  den   Tisch. 

Seit  Kärnbachs  erstem  Besuche  1893  werden  wiederholt  Schild- 
krötenteiche erwähnt.  Was  mir  davon  gezeigt  wurde  —  und  auch  Mr. 
Leonhard  kannte  keine  anderen  —  enttäuschte  meine  Erwartungen  sehr. 
Unweit  von  Anna  wurde  ich  zu  einer  Lichtung  mitten  im  Busch  geführt. 
in  der  acht  Gruben  rechtwinklig  bis  tief  in  das  Grundwasser  ans  der 
Koralle  gehoben  waren  und  über  denen  unbearbeitete  Baumstämme  lagen. 
Diese  Gruben  waren  leer.  Wie  mein  Gewährsmann  schon  vorher  mit- 
geteilt hatte,  weil  die  dort  gefangen  gehaltenen  Schildkröten  bei  der 
Totenfeier  des  letzten  Oberhäuptlings  verzehrt  worden  waren.  In  den 
Behältnissen,    die   man    «'her    Käfige    als    Teiche    nennen    muss,    war  das 


—     408     — 

Wasser  süss,  und  das  Schildpatt  soll  durch  diesen  Mangel  an  Salzwasser 
matt  und  hell  werden.  Natürlich  müssen  die  Tiere  in  diesen  Käfigen  ge- 
füttert worden  sein.  Übrigens  soll  sich  der  jetzige  Puala  neue  Käfige 
angelegt  haben,  die  mir  verheimlicht  wurden. 

Ein  beliebtes  Genussmittel  ist  der  Betel;  aber  bereits  mehrfach  wird 
von  den  europäischen  Besuchern  hervorgehoben,  dass  so  wenig  Eingeborene 
davon  verfärbte  oder  veränderte  Zähne  aufweisen.  Vielleicht  kann  folgendes 
Erlebnis  dies  aufklären  helfen.  Bei  einem  Festessen,  das  der  Ober- 
häuptling gab,  öffnete  ich  eine  Betelnuss,  warf  die  Schale  weg,  teilte  den 
Kern  und  bot  die  eine  Hälfte  meinem  Wirte  an  —  eine  Zeremonie,  die 
in  der  Südsee  Frieden  und  Freundschaft  zu  gewährleisten  pflegt.  Mein 
Gegenüber  aber  zog  die  Schale  ohne  Kern  vor,  und  später  sah  ich,  dass 
wohl  beide  zusammen,  Schale  und  Kern,  aber  nie  der  Kern  allein  mit 
dem  üblichen  Kalk  gekaut  wurden.  Ich  nehme  an,  dass  dies  die  Zähne 
schön  und  eher  rein  hält. 

Von  Anthropophagie  hörte  ich  nichts.  Das  vom  Oberhäuptimg  mit 
dem  Tode  bestrafte  Mädchen,  dessen  Schädel  hier  vorliegt,  ist  jedenfalls 
nicht  verzehrt  worden. 

Bekannt  sind  die  halbzahmen  Riesenleguane,  die  in  den  Dörfern 
umherlaufen  und  auch  von  mir  sich  mit  Speiseresten  füttern  liessen.  Nach 
meinem  Gewährsmanne  geht  die  Sage,  bevor  Baude  die  jetzigen  Bewohner 
nach  Wuwulo  gebracht  habe,  seien  die  Leguane  die  Herren  der  Insel  und 
die  Ratten  ihre  Kamolmol-Sklaven  gewesen.  Es  würde  sich  dieses  daraus 
verstehen  lassen,  dass  diese  Tiere  als  Vertilger  der  überlästigen  Ratten 
geschont  werden.  Die  Leguane  sind  jedoch  nicht  heilig  oder  tabu,  da  die 
Jagd,  welche  die  Hunde  der  Europäer  auf  dieselben  machen,  ruhig  und 
mit  Gelächter  geduldet  wird.  Auch  fing  ich  einen  Leguan,  den  ich  mit 
an  Bord  nahm,  der  mir  aber  unterwegs  entkommen  ist. 

Zu  der  Beschreibung  der  Waffen  und  Geräte,  die  ich  als  bekannt 
voraussetzen  darf,  kann  ich  wenig  Neues  beibringen;  über  dieses  Gebiet 
wird  demnächst  von  Hrn.  Hellwig,  dem  ethnographischen  Sammler  der 
Firma  Hernsheim,  ein  grosses  und  genaues  Material  zur  Veröffentlichung 
kommen.  Nur  kurz  erwähnen  will  ich,  dass  es  einen  besonderen  Tischler 
Kano-Kano  gab,  in  dessen  Werkstatt  sich  neben  vielem  Knochengerät 
auch  Bohrer  befanden.  Neu  ist  meines  Wissens  das  Vorkommen  der 
Trommel,  deren  Bezeichnung  aiva  identisch  mit  derjenigen  von  Ponape 
ist.  Diese  wurde  auf  Wuwulo  bei  meiner  Anwesenheit  nicht  benutzt, 
auch  nicht  verkauft,  später  ist  ein  Exemplar  in  den  Besitz  des  Gouverneurs 
Dr.  Hahl  übergegangen.  Hervorheben  möchte  ich  noch,  dass  wir  keine 
einzige  Waffe  mit  Haifischzähnen  und  keine  einzige  Holznachbildung 
asiatischer  Schwerter  mehr  auftreiben  konnten;  alle  waren  von  früheren 
liesucliei  n   aufgekauft. 

Diese  Schwerter  können  wohl  nur  als  vereinzelte  Nachahmungen 
gelegentlich  in  nicht  allzu  weit  zurückliegender  Zeit  gesehener  asiatischer 
Waffen,  nicht  als  Reminiszenz  an  die  Eisenkultur  der  ersten  Ankömmlinge 
•  'der  Eroberer  aufgefasst  werden,  weil  ihr  Vorkommen  zu  vereinzelt 
dasteht.      Pur    einen    solchen    Besuch    aus    westlichen    Gebieten    in  jung- 


—     409     - 

historischer  Zeit  fand  ich  noch  folgenden  Beleg.  In  vielen  Häusern  waren 
die  rauchgeschwärzten  Innenflächen  der  Plankenwände  mit  weissen  Kalk- 
zeichnungen bedeckt,  die  u.  a.  auch  Fahrzeuge  darstellten.  Da  war 
S.  M.  S.  Möwe  mit  realistischer  Treue  wiedergegeben,  da  waren  die 
Scliwesterschill'e  der  Firma  Hernsheim,  .Masrotte  und  Gazelle,  die  sich 
nur  durch  kleine  Abweichungen  im  Kajütsaufbau  unterscheiden,  genau  aus- 
einander zu  erkennen,  und  auf  einer  Planke  eines  durch  Sturmflut  zer- 
störten Hauses  war  eine  Abbildung  von  bemannten  Fahrzeugen  zu  sehen, 
die  weder  den  eigenen,  noch  europäischen,  noch  anderen  in  der  Nachbar- 
schaft üblichen  Formen  entspräche,  aber  bei  dem  Realismus  der  anderen 
Darstellungen  keine  Phantasiegebilde  sein  können.  Sollten  es  nicht 
asiatische  Praus  sein?  Das  wertvolle  Original  dieser  Planke  hat  Hr. 
Hellwig  erworben,  es  wird  also  der  Wissenschaft  nicht  verloren  gehen. 
Über  die  Vergnügungen  dieses  von  Haus  aus  lebhaften  und  leicht- 
lebigen Völkchens  bitte  ich  einige  Stellen  aus  meinem  Tagebuch  vorlesen 
zu  dürfen: 

„8.  12.  02. 

Auf  heute  waren  wir  zum  Nalauga  =  Fest  in  das  Dorf  Auna  des 
Puala  eingeladen.  Schon  gestern  zogen  die  Leute  von  anderen  Dörfern 
mit  Lebensmitteln  beladen  dorthin,  heute  Morgen  holten  sie  uns,  viele 
festlich  in  europäische  Zeugstreifen  gehüllt.  Das  Dorf  war  voll  Menschen 
jeden  Alters,  wohl  300,  aber  die  bei  melanesischen  Sings-Sings  übliche 
lärmende  Fröhlichkeit  war  nicht  zu  hören.  In  den  Speisehäusern  sass 
alles  dicht  gedrängt  im  Schatten  vor  der  heute  besonders  glühenden  Sonne 
und  verzehrte  Fisch,  Tarokuchen  und  Betelnüsse.  Wir  gingen  zunächst 
zum  Puala,  der  uns  zu  essen  anbot.  Seine  Frau  war  nach  Negerart  in 
Kleider  von  buntem  Stoff  gehüllt,  wie  ihn  der  Händler  verkauft  hatte. 
Der  kleine  Sohn  von  einer  Nebenfrau  kam  zutraulich  auf  meine  Knie 
und  half  mir  essen.  Die  Abfälle  holten  sich  zahme  Leguane  wie  ander- 
wärts die  Hunde.  Gegen  Mittag  begann  der  Gesang.  Die  im  grössten 
Speisehaus  hockenden  Weiber  stimmten  zu  4  und  8  —  12  eintönig  gedehnte 
Verse  an,  bei  denen  —  im  Gegensatz  zu  den  Gesängen  anderwärts  — 
jede  Silbe  des  Textes  zu  verstehen  war.  Ein  Tanz  fand  nicht  statt,  es 
war  also  nur  ein  musikalisches  Diner.  Später  hiess  es,  sollten  die  Männer 
auch  singen.  Wir  warteten  das  aber  nicht  ab,  sondern  gingen  gegen 
2  Uhr  nach  der  Station  zurück. 

L3.  12.  02. 

Für  eine  Axt  und  l>  Pfd.  Perlen  hatte  sich  der  Puala  nach  einigem 
Zögern  bewegen  lassen,  gestern  Abend  auf  der  Station  einen  Tanz  zu 
veranstalten.  Leichter  Regenschauer  nach  Sonnenuntergang  schien  anfangs 
das  Fest  zu  vereiteln,  als  aber  der  fast  volle  Mond  durch  die  Wolken 
brach,  füllte  sich  der  Stationsplatz  bald  mit  Eingeborenen  jeden  Alters 
und  Geschlechts,  die  uns  ankündigten:  „nalauga  nomai",  „der  Tanz  kommt". 
Dann  erklangen  von  ferne  gedehnte  Töne,  wie  neulich  beim  Festessen  in 
Auna,  und  aus  dem  südlichen  Busche  kamen  in  gemessenem  Tanzschritt 
9  Paar  Weiber,  immer  2  Takte  lang  2  Schritte  vorwärts,  und  2  Takte 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1901    lieft  3  u.  4.  o- 


—     410     — 

lang  auf  einem  Bein  stehend,  das  andere  innere  in  die  Turnerstellung 
„Knie  aufwärts  beugt"  erhoben.  Dabei  hielten  sie  eine  lange,  lanzen- 
artige Latte  in  Schulterhöhe  hoch,  die  zuweilen  am  Ende  einer  Strophe 
nach  oben  über  die  Köpfe  und  nach  unten  geschwungen  wurde.  Als  diese 
9  Paare  so  unter  Gesang  am  Hause  angelangt  waren,  traten  aus  dem 
nördlichen  Busch  6  andere,  und  alsbald  von  Westen  her  7  weitere  Paare, 
wie  uns  erklärt  wurde,  jeweilig  aus  einem  andern  Gau. 

Alle  diese  Tänzerinnen  hatten  Röckchen  aus  getrockneten  und  zer- 
schlissenen Kokosschösslingen  um  die  Hüften  und  als  einzigen  Schmuck 
weisse  Taubenfedern  im  aufgelösten  Haar.     Der  Gesang  bewegte    sich  in 

Fig.  8. 


r».-  <""* 


* 


Frauentanz  auf  Wuwulo  (Maty-Insel). 


ganzen  und  halben  Koten,  immer  6  bis  8  in  einer  Tonhöhe,  dann  die  6 
bis  8  nächsten  in  der  Terz  dazu,  die  weiteren  6  bis  8  eine  Quint  höher, 
danach  wird  der  Tonwechsel  lebhafter,  indem  nur  2  bis  4  gleiche  Noten 
folgen,  und  zum  Schlüsse  kommt  eine  Art  Melodie  dadurch  zustande, 
dass  die  Töne  ohne  Wiederholung  innerhalb  einer  Oktave  steigen  und 
fallen,  wobei  sicli  der  Rhythmus  beschleunigt.  Dabei  wurde  der  Text 
sehr  deutlich  ausgesprochen,  so  dass  ich  wiederholt  einzelne  Worte  ver- 
stehen konnte. 

Mr.  Leon  ha nl  gab  den  Inhalt  als  Improvisation  an,  die  sich  auf 
den  Besuch  der  Pilaua  bezöge.  Der  Chinese  Akau,  der  als  Koch  und 
schon  10  Monate  hier  anwesend  ist,  wollte  wissen,  dass  dieser  Tanz  auch 


—     411     — 

Ton  Männern  und  Frauen,  die  sich  paarweise  gegenüberstünden,  ausgeübt 
sei  und  durchaus  sinnliche  Ideen  zum  Hintergrund  habe.  Bei  eigent- 
lichen Festes  wird  bis  zum  grauenden  Morgen  getanzt,  da  uns  jedoch 
der  Mangel  an  Abwechslung  ermüdete,  so  Hessen  wir  ihn  um  Mitternacht 
abbrechen." 

Ich  komme  jetzt  zum  Bericht  über  meine  ärztlichen  I  otersuchungen, 
welche  die  meiste  Zeit  meines  14tägigen  Aufenthalts  in  Anspruch  nahmen. 
Die  Eingeborenen  von  Wuwulo  sind,  seitdem  von  ihnen  berichtet  wird, 
immer  auf  2000,  '2300  oder  2500  geschätzt  worden.1)  Und  von  einem 
Rückgang  dieser  Bevölkerung  war  auch  auf  unserer  Reise  bis  zum  Be- 
treten der  Insel  keine  Rede.  Erst  an  Ort  und  Stelle  erzählt«'  der  Händler 
Mr.  Leonhard,  »lass  seil  etwa  einem  Jahre  ein  grosses  Sterben  stattfinde, 
<las  erst  seit  Ende  August  nachgelassen  habe.  Die  Eingeborenen  selbst 
«ollen  glauben,  dass  ihnen  die  Schiffe  der  Weissen  Krankheit  brächten. 
Als  Symptome  der  tödlich  verlaufenen  Fälle  werden  Hitze,  Husten  ohne 
Auswurf,  Schmerzen  in  beiden  Seiten  und  Bewusstlosigkeit  angegeben. 
Als  Beweis  für  das  Zurückgehen  der  Bevölkerung  führt  mein  Gewährs- 
mann an,  dass  er  vor  einigen  Jahren,  als  er  zu  Schiff  von  Xinigo  aus  hier 
war,  von  über  100  Kanus  umringt  gewesen  sei,  während  es  jetzt  kaum 
50  seetüchtige  gäbe,  und  dass  der  sonst  übliche  Besuch  der  Wuwulo  auf 
Aua  (Durourinsel)  seit  2  Jahren  ausgefallen  sei.  Es  zeigten  sich  auch 
mir  alsbald  eine  Anzahl  von  Tatsachen,  welche  diesen  Rückgang  der  Be- 
völkerung beweisen.  Ich  zählte  auf  der  ganzen  Insel  noch  nicht  50  Kanus, 
sowie  in  30  Dorfschaften  232  Wohn-,  72  Speise-  und  76  Vorratshäuser  in 
Benutzung,  34  Hausruinen  und  3  ausgestorbene  Dorfplätze.  In  etwa 
20  Wohnhäusern  lebten  durchschnittlich  nur  3 — 4  Leute,  Stichproben  in 
anderen  Säusern  ergaben  nie  über  5  Hausgenossen.  Demnach  würde  die 
Insel  nur  700—900  Einwohner  haben.  Ich  hatte  mit  meinem  Gefährten 
den  sicheren  Eindruck,  dass  es  unter  1000  sind. 

Nur  etwa  die  Hälfte  der  Tarofelder  ist  einigermassen  gepflegt,  nur 
ein  einziges  200  in  langes,  120  m  breites  Stück  Sumpf  war  frisch  angelegt, 
aber  noch  nicht  bepflanzt,  viele  Felder  waren  vom  Unkraut  durchwachsen. 
einige  schon  völlig  damit  überwuchert.  Diese  Pflanzungen  produzieren 
weit  mehr,  als  die  jetzige  Bevölkerung  zu  verzehren  vermag.  Ebenso 
steht  es  mit  den  Kokospalmen.  Obwohl  auf  der  Station  in  den  letzten 
:'>  .Monaten  über  30  von  Kopra  eingehandelt  waren,  lagen  die  reifen 
Nüsse  frisch  und  von  Ratten  angefressen  im  sumpffaulen  und  im  trockenen 
Keimen  allenthalben  umher.  Ältere  hatten  Wurzel  geschlagen  und  bildeten 
buschige  Dickichte.  Vielfach  konnte  man  mit  Schmarotzern  bewachsene 
Palmen  sehen,  welche  zeigten,  dass  auf  sie  Niemand  zum  Abpflücken  der 
Trinknüsse  geklettert  war;  und  zwar  solche,  die  eben  vom  Boden  bis  2  m 
Höhe  sich  mit  Orchideen  bedeckten,  bis  zu  solchen,  deren  ganzer  Stamm 
umhüllt  war.  während  die  bis  in  die  Krone  hinein  von  Lianen  überzogenen 
erdrückten  und  umstürzenden  fehlten.  Solche  habe  ich  später  auf  der 
unbewohnten  Commerson-Insel  gesehen. 


1)  Internat.  Archiv  f.  Ethnographie  L896,  S.  195.  -  Kol.-Bl.  190-2,  S.  222. 


—     412     — 

Wohl  die  Hälfte  der  Eingeborenen  hatte  ein  krankes  Aussehen,  war 
hager,  hohlwangig,  dickbäuchig;  während  alle  früheren  Besucher  ihren 
kräftigen,  schlanken,  ja  geradezu  schönen  Körperbau  beschreiben.  Bei 
der  körperlichen  Untersuchung  macht  sich  bei  allen  Altersklassen  neben 
der  Blutarmut  nur  eine  starke  Milzgeschwulst  bemerkbar.  Wo  die  Mite 
überhaupt  durch  die  sehr  straffen  Bauchdecken  fühlbar  ist,  da  ist  sie  in 
9/10  der  Fälle  bis  an  den  Nabel  vergrössert,  mitunter  sieht  man  bei  ruhig 
Sitzenden  die  linke  Seite  deutlich  vorgebeugt.  Bei  84  daraufhin  unter- 
suchten waren  im  Blute  39  mal  die  Parasiten  der  Malaria  tropica  zu  finden 
und  zwar  gleichmässig  bei  allen  Altersklassen  von  6—40  Jahren,  während 
die  sowieso  seltenen  kleinen  Kinder  der  Untersuchung  nicht  zugänglich 
waren. 

Nun  sind  auf  Wuwulo  neben  Kulices  soviel  tausende  Anopheles  zu 
allnächtlicher  Plage  da,  dass  es  sicher  erscheint,  dass  diese  Tiere  seit  un- 
berechenbar langer  Zeit  auf  der  Insel  einheimisch  sind. 

Es  bleibt  also  nur  der  Schluss,  dass  die  Malariakeime  selbst  erst  in 
den  letzten  Jahren  in  das  bis  dahin  malariafreie  aber  anopheleshaltige 
Gebiet  eingeschleppt  sind,  und  dass  die  Erwachsenen  in  dieser  kurzen 
Zeit  trotz  der  Menge  der  Infektion  noch  keine  Immunität  erworben 
haben. 

Für  den  Zeitpunkt  dieses  Einschleppens  der  Malaria  dient  als  Anhalt, 
dass  die  ersten  dort  niedergelassenen  Weissen,  sowie  die  wenigen  Besucher, 
die  über  Nacht  dort  blieben  (z.  B.  Ninigoleute)  aus  malariafreien  Gregenden 
stammten,  und  erst  1899  ein  Händler  mit  Arbeitern  direkt  aus  dem  bösen 
Malariaherd  Berlinhafen  hinübergeholt  wurde. 

Neben  der  neu  eingenisteten  Malaria  scheinen  noch  einige  andere 
Faktoren  mitzusprechen.  Die  Schilderung  des  grossen  Sterbens  weist  auf 
eine  Erkrankung  der  Atemorgane  hin,  mir  konnten  noch  gerade  zwei 
Frauen  zugeführt  werden,  die  als  die  letzten  an  dieser  Krankheit  leiden 
sollten.  Sie  hatten  neben  schwerer  Malaria  nur  heftigen  Bronchial-Katarrh, 
der  Auswurf  wies  keine  Tuberkelbazillen  auf.  Es  scheint  aber  vielfach  un- 
gewohnte Erkältung  in  den  malariageschwächten  Körpern  tötliche  Lungen- 
entzündungen hervorgerufen  zu  haben,  als  die  Leute,  vom  Händler  ver- 
anlasst, monatelang  auf  den  Riffen  um  die  Insel  nach  Muscheln  fischten, 
deren  Marktwert  im  Schutzgebiete  plötzlich  gestiegen  war. 

Bewegt  sich  diese  Erörterung  mehr  auf  der  Bahn  der  Vermutung,  so 
Bind  folgende  Tatsachen  für  die  Erklärung  des  Hinsterbens  hinzuzuziehen. 
Besonders  zahlreich  sollen  die  Todesfälle  in  den  Dörfern  gewesen  sein, 
die  der  Oberhäuptling  vor  V/a  Jahren  hatte  zerstören  lassen,  so  dass  die 
bisher  an  sorgfältig  gezimmerte  Häuser  gewohnten  Leute  seither  in  not- 
dürftig und  unpraktisch  hergerichteten  Hütten  herbergen  müssen.  Dicht 
neben  diesen  Dörfern  an  der  Ostküste  der  Insel  hatte  kurz  vor  unserer 
Ankunft  am  28.  November  1902  eine  Flutwelle  die  Dörfer  Wawalla  und 
Watsu  zerstört.  (Die  Wirkungen  dieser  Flutwelle  sind  aus  der  Auf- 
nahme ersichtlich,  die  ich  später  auf  der  unbewohnten  Commerson-Insel 
machen  konnte.)  In  einer  frisch  malariadurchseuchten  Bevölkerung  müssen 
solche  Unglücksfälle    zu    vermehrter  Sterblichkeit    führen-,    hier    liegt  vor 


—     413     — 

Auo-en,  was  von  den  Hermit-Insulanen]  erzählt  war.  Kommt  nun  noch 
hinzu,  dass  eine  vorübergehende  Fülle  ererbter  Nahrungsmittel  von  sonst 
gewohnter  Arbeit  ablenkt,  und  dass  die  Arbeitskraft  von  der  Handels- 
station auf  neue  Bahnen  geführt  wird,  so  muss  mit  Erschöpfung  oder 
Überwucherung  jener  Felder  eine  gewisse  Not  auftreten.  Ist  ferner  in 
der  Periode  von  Seuchen  der  Kindersegen  auf  natürlichem  Wege  ein  ge- 
ringerer geworden,  so  liegt  in  der  Zeit  der  Not  der  Gedanke  an  künst- 
liche Unfruchtbarkeit  und  Kindesmord  nahe. 

Von  anderen  Seuchen  als  Malaria  habe  ich  auf  Wuwulo  keine  Spuren 
gesehen.  Auch  nicht  von  Syphilis,  die  Kämbach  seinerzeit  erwähnt  hat1), 
falls  man  nicht  doch  die  Knochennarben  des  vorliegenden  Schädels  für  luetisch 
halten  will.  Auch  Elephantiasis,  deren  noch  Martini  gedenkt2),  sah  ich 
nicht;  es  ist  möglich,  dass  die  damit  behafteten  Individuen  ausgestorben 
sind.  Bei  Kindern  war  einige  Male  Framboesia  und  sonst  auch,  durch 
farbige  Arbeiter  eingeschleppt,  die  Krätze  vielfach  zu  sehen.  Die  schnelle 
Verbreitung  dieses  Hautleidens  über  alle  Leute,  welche  mit  der  Station 
Verkehr  haben,  zeigt  zur  Genüge,  wie  auch  die  noch  leichter  über- 
tragbare Malaria  in  einem  an  Anopheles  reichen  Gebiete  explosionsartig 
ausbricht. 

Die  Insel  Durour  haben  wir  nicht  angelaufen,  überhaupt  war,  soweit 
ich  habe  erfragen  können,  noch  kein  Europäer  über  Nacht  an  Land  ge- 
wesen, so  dass  diese  Wuwulo  sonst  ganz  gleiche  Insel  noch  von  Malaria 
verschont  und  noch  nicht  dem  Aussterben  verfallen  sei. 

Es  drängt  sich  natürlich  der  Wunsch  auf,  hier  Abhilfe  zu  schaffen. 
Der  Versuch  wird  auch  bezüglich  der  Malaria  gemacht,  indem  die  Firma 
Wahlen  in  sehr  verständiger  Weise  ihre  Angestellten  anhält,  jeden  Fieber- 
fall bei  ihren  Arbeitern  und  bei  den  freien  Leuten,  die  sich  behandeln 
hissen,  in  Chininkur  zu  nehmen.  Aber  für  eine  systematische  Malaria- 
bekämpfung müsste  ein  nur  hierfür  verfügbarer  Arzt  mit  Hilfspersonal 
jahrelang  tätig  sein  und  wer  wollte  für  die  tausend  Wilden  die  jährlichen 
Kosten  von  30  000  Mk.  tragen? 

So  ist  leider  zu  befürchten,  dass  diese  wohl  über  50  pCt.  zurück- 
gegangene Bevölkerung  von  Wuwulo  in  wenigen  Jahren  auf  dem  Aussterbe- 
Etat  stehen  wird,  zumal  bereits  das  erste  Symptom  des  Aussterbens,  das 
wir  in  Kanied  und  Agomes  kennen  gelernt  haben,  die  Kinderlosigkeit 
sich  bemerkbar  macht. 

Es  wäre  die  Aufgabe  einer  Mission,  den  psychologischen  Prozess,  der 
zur  bewussten  Selbstvernichtung  eines  Volkes  führen  kann,  zu  kontrollieren 
und  eventuell  aufzuhalten,  aber  wie  seit  8  Jahren  der  Ruf,  den  zuerst 
Prof.  v.  Luschan  hat  erklingen  lassen3),  diese  Ehrenpflicht  zu  erfüllen, 
ungehört  verhallt  ist,  so  ist  ein  verderbliches  Zögern  zu  befürchten,  bis 
die  Mission  gerade  noch  den  Letzten  der  Wuwulo  die  Sterbesakramente 
spenden  kann. 

Erst  nach  meiner  Rückkehr  von  dieser  Reise  nach  Herbertshöhe  kam 


1)  Internat.  Archiv   für   Ethnographie  1895,    S.  Uff.    —   2)   Marinerandschau    L898, 
S.  117  ff.  —  3)  Internat.  Archiv  f.  Ethnographie  1895,  S.    Uff. 


—    414     — 

mir  das  neu  erschienene  Buch  von  Blum  in  die  Hände,  welches  das  vor- 
liegende Thema  von  allgemein  national- ökonomischen  Gesichtspunkten 
aus  auf  Grund  grosser  Literaturstudien  mit  glänzender  Beredsamkeit  be- 
handelt1) und  die  letzten  Ursachen  des  Aussterbens  in  einem  Hinwelken 
der  Volkslebenskraft  sieht. 

So  verlockend  es  wäre,  auf  diese  Ideen  sowie  auf  die  älteren  Arbeiten 
Gerlands2)  u.  a.  näher  einzugehen,  so  hüte  ich  mich  doch,  die  kleinen 
gewonnenen  Ergebnisse  zu  verallgemeinern.  Nur  auf  eine  Beobachtung 
möchte  ich  zum  Schluss  noch  hinweisen,  die  meines  Wissens  zuerst 
Dr.  Danneil  an  einer  wenig  beachteten  Stelle  veröffentlicht  hat3),  das& 
die  Verteilung  der  polynesischen  Rasse  über  die  Südsee  sich  mit  der 
Malariafreiheit  der  einzelnen  Inseln  deckt.  Auch  die  kärglichsten  Er- 
nährungsverhältnisse haben  die  hellfarbige  Rasse  nicht  von  der  Besiedelung- 
abgehalten,  aber  auch  bei  üppigster  Vegetation  hat  sie  der  melanesischen 
Rasse  Platz  gemacht,  wenn  und  weil  Malaria  sie  aufrieb.  Viel  einfacher 
als  durch  Meeresströmungen  wird  auf  diese  Weise  die  Rassenverteilung' 
in  der  Südsee  erklärt.  Zur  Voraussetzung  hatte  diese  Hypothese,  dass 
die  Polynesier  der  Malaria  bis  zum  Aussterben  unterliegen,  während  sich 
die  schwarze  Rasse  einigermassen  damit  abfindet.  Während  für  diesen 
letzten  Punkt  Geheimrat  Koch  im  Kaiser  Wilhelmsland  nachgewiesen 
hat4),  dass  sich  die  Papuas  bis  zur  Immunität  an  die  Malaria  gewöhnen 
können,  bietet  nun  Wuwulo  das  beste  Beispiel,  wie  ein  ungewolltem 
Experiment,  für  die  These  von  der  Empfänglichkeit  und  der  Empfindlich- 
keit der  Polynesier  für  Malaria. 

Nachtrag. 

Das  Kaiserliche  Reichs-Marineamt  hat  mir  gütigst  erlaubt,  in  die  Be- 
richte der  Herren  Kommandanten  S.  M.  Kriegsschiffe  über  Reisen  in 
jenen  Gewässern  der  „westlichen  Inseln"  Einsicht  zu  nehmen.  Aus  den- 
selben, besonders  aus  den  Berichten  von  S.  M.  S.  „Carola",  Kommandant 
Korvetten-Kapitän  Karelier,  kann  ich  einiges  Neue  nachtragen,  was  in 
der  mir  zugänglichen  Literatur  nicht  enthalten  ist. 

Bereits  im  Jahre  1874  hatte  das  englische  Kriegsschiff  „Alacrity"  eine 
Strafexpedition  gegen  die  Hermit-Insulaner  ausgeführt,  weil  dieselben  1870 
einen  Handelsschiffskapitän  namens  Bird  ermordet  hatten. 

Seit  jenem  Jahre  sind  die  Hermit-Inseln  von  Schiffen  der  Firma 
Robertson  und  Hernsheim  (jetzt  Hernsheim  &  Co.)  regelmässig  be- 
sucht, seit  187G  war  ein  Agent  dort  ansässig. 

Im  Jahre  1882  haben  dort  nach  einem  dienstlichen  Bericht  des 
preussischen  Konsuls  Hernsheim  in  Jaluit  (Marshall-Inseln)  300  bis 
400  Papuas  gewohnt;  ein  Rückgang  der  Bevölkerung  wird  nirgends  er- 
wähnt. 

Im  Anfang  desselben  Jahres  war  der  schon  zwei  Jahre  lang  ansässige 


1)  Blum:  Das  Bevölkerungsproblem  im  stillen  Weltmeer.  Berlin  1902.  —  2j  Ger- 
land: Über  das  Aussterben  der  Naturvölker.  Leipzig  18G8.  —  :>)  Nachrichten  für  Kaiser 
Wilhelmsland  1898,  S.  34.  —  4)  R.  Koch:  Berichte  der  Malaria- Expedition  in  der 
Deutschen  medizinischen  Wochenschrift  1900. 


—     415     — 

Händler  Southwell  von  den  Eingeborenen  getötet,  und  zwar  lebendig 
begraben,  und  seine  Arbeiter,  Salomons-Insulaner,  erschlagen.  Am  1.  Mai 
1882  war  der  Kapitän  Homeyer  des  Dampfers  „Freya"  der  genannten 
Firma  beim  Anlandgelien  erschossen,  einige  Monate  später  ein  anderer 
Dampfer  derselben  Firma,  „Pacific",  durch  Flintenschüsse  zur  Umkehr 
gezwungen  (ungefähr  jeder  erwachsene  Hermit-Insulaner  besass  damals 
eine  Feuerwaffe). 

Daraufhin  wurden  S.  M.  Schiffe  „Carola"  und  „Hyäne"  zu  einer 
Strafexpedition  nach  den  Hermit-Inseln  beordert,  die  sie  um  die  Jahres- 
wende 1882/83  vollstreckt  haben. 

Aus  der  Beschreibung  dieser  Strafexpedition  ist  hervorzuheben,  dass 
die  in  den  Urwald  von  Luf  geflüchteten  Eingeborenen  durch  einen  Unter- 
händler erklärten,  „sie  hätten  beschlossen,  sich  selbst  zu  töten,  wenn  sie, 
verfolgt,  keinen  Ausweg  mehr  wüssten;  unter  Umständen  wollten  sie  auch 
nach  Uwe  (der  Insel  „la  Bondeuse"  zwischen  den  Hermit-  und  L'Echiquier- 
(iruppen)  flüchten,  jedenfalls  wollten  sie  sich  lieber  selbst  den  Tod  geben, 
als  sich  gefangen  geben."  l) 

Es  wurden  bei  jener  Strafexpedition  67  Häuser,  54  Kanus  und  alles 
kleine  Eigentum  zerstört,  20  Gewehre  und  viel  Munition  erbeutet,  aber 
nur  zwei  Mann  und  eine  Frau  getötet.2) 

Im  März  1883  war  S.  M.  S.  „Carola"  wieder  in  der  Hermitgruppe 
und  bekam  25—30  Männer  sowie  10 — 12  Weiber  in  friedlichem  Verkehr 
zu  Gesicht;  einige  Hütten  waren  wieder  im  Bau. 

Von  den  Anachoret-Insulanern  heisst  es  in  denselben  Berichten  1882: 
„sie  scheinen  im  Aussterben  zu  sein,  da  sie  nur  noch  wenig  Kinder  auf- 
bringen und  Lungenkrankheiten  unter  ihnen  stark  aufräumen.  Ihre  Zahl 
wird  im  Ganzen  auf  90  geschätzt." 


1)  Dieser  damals  spontan  geäusserte  Entschluss  lässt  auf  einen  heroischen  Volks- 
charakter schliessen,  dem  später  nach  -wiederholten  Schicksalsschlägen  die  Durchführung 
einer  bewussten  Selbstvernichtung  wohl  zuzutrauen  ist.  —  2)  Unmittelbar  gab  also  dieser 
Strafvollzug  keinen  Anlass  zum  Aussterben. 


—     416     — 


4.  Der  Bronzesichelfund  von  Oberthau,  Kr.  Merseburg-.1) 

Von 

Hubert  Schmidt. 

Im  Juli  des  Jahres  1903  erhielt  das  Kgl.  Museum  zu  Berlin  durch  Hrn. 
Th.  Apel  auf  Rittergut  Ermlitz,  Kr.  Merseburg,  Kenntnis  von  einem  Depot- 
funde von  Bronzesicheln,  der  in  einer  Kiesgrube  des  genannten  Gutes  im 
Frühjahr  1902  gemacht  worden  war.  Herrn  Apel,  der  selbst  erst  viel 
später  Nachrichten  von  dem  Funde  erhielt,  sind  folgende  Notizen  darüber 
zu  verdanken.  Die  Sicheln  sollen  in  einem  Tongefässe  1V4  m  tief  beim 
Sandgraben  gefunden  worden  sein.  Nach  den  Aussagen  der  Arbeiter, 
die  das  Tongefäss  zerschlagen  haben,  sollen  auch  Ringe  und  Beile  aus 
Bronze  dabei  gelegen  haben,  über  deren  Verbleib  jedoch  nichts  in  Er- 
fahrung gebracht  werden  konnte.  Der  Fundort  liegt  auf  einer  „Ober- 
thauer  Aue"  genannten  Feldmark,  1V2  km  von  Oberthau,  Kr.  Merseburg, 
entfernt.  Hr.  Apel  hat  die  Sandgrube  untersucht  und  bis  auf  eine  Reihe 
von  Scherben,  die  mit  dem  Funde  in  keinem  Zusammenhange  zu  sein 
brauchen,  nichts  mehr  feststellen  können. 

Der  Fund  besteht  aus  40  Bronzesicheln,  und  zwar  36  mehr  oder 
weniger  gut  erhaltenen  und  4  Bruchstücken.  Zwei  gut  erhaltene  Exemplare 
sind  als  Geschenk  des  Herrn  Apel  in  den  Besitz  des  Kgl.  Museums  ge- 
langt. Die  Mehrzahl  (26)  der  vorhandenen  Stücke  zeichnet  sich  durch 
Guss-  oder  sogenannte  „Fabrikmarken"  aus,  d.  h.  Zeichen  oder  Figuren, 
die  in  der  Gussform  als  Negativ  vorgezeichnet  waren  und  am  fertigen 
Guss  sich  als  erhabene  Linien  oder  Rippen  darstellen.  Sie  bestehen  in 
Parallelrippen,  Winkeln  oder  Bogen,  die  teils  einzeln  für  sich,  teils  in 
verschiedenartigen  Kombinationen  verwendet  werden.  Angebracht  sind 
sie  am  Griffende,  also  da,  wo  sie  am  wenigsten  durch  den  häufig  wieder- 
holten Schliff  der  Schneide  oder  die  Abnutzung  des  Geräts  überhaupt  zu 
leiden  haben.  Über  ihre  Bedeutung  soll  weiter  unten  ausführlicher  ge- 
handelt werden. 

Was  die  Form  der  vorliegenden  Sicheln  betrifft,  so  sind  sie  grössten- 
teils halbkreisförmig  nach  unten  gebogen;  in  der  Minderzahl  sind  solche, 
deren  Spitze  sich  verjüngt  und  nach  oben  richtet,  wodurch  die  Konturlinien 
einen  eleganten  Schwung  erhalten.  Fast  alle  haben  sie  längs  des  Rückens 
eine  dachförmige  Verstärkung,  die  sich  am  Griffende  zu  einem  beinahe 
senkrechten  Zapfen  erhebt.  Nur  ein  leider  unvollständiges  Exemplar  ge- 
hört einem  anderen  Typus  an  (Fig.  1):  es  ist  mondsichelförmig,  hat  keinen 


1)  Vortrag,  gehalten  in  der  Sitzung  vom  '.».  Januar  1904. 


—     417     — 

senkrechten  Zapfen,  sondern  einen  seitlichen,  am  Rande  sitzenden  zungen- 
förmigen  Vorsprung,  von  dem  abwärts  das  längere  Griffende  sich  ausdehnt, 
in  der  Regel  laufen  auch  Längsrippen,  einzeln  oder  doppelt,  vom  Griff- 
ende nach  der  Spitze  zu;  an  sie  setzen  sich  die  Gassmarken  an.  Doch 
ziert  diese  Plastik  immer  nur  die  Oberseite  der  Sicheln,  ihre  Rückseite 
ist  eben  und  glatt. 

Durch  das  häufige  Vorkommen  der  Gussmarken  —  auf  26  unter  40 
Exemplaren  —  erhält  der  Fund  von  Oberthau  seinen  besonderen  Wert. 
Die  einfachsten  von  ihnen  setzen  sich  aus  Rippen  zusammen,  die  parallel 
zum  Querrande  am  Griffende  laufen.  Es  finden  sich  so  der  Dreistrich 
(Fig.  2,  in  4  Exemplaren  vorhanden)  und  der  Fünfstrich  (Fig.  3,  in  2 
Exemplaren  vorhanden).  Hier  läuft  bei  dem  abgebildeten  Exemplar  die 
mittlere  Längsrippe  bis  an  die  Schneide  herunter.  In  anderen  Fällen 
führt  diese  Eigentümlichkeit  zu  einer  Vereinigung  von  Längsrippe  und 
„Gussmarke",  indem  das  Ende  der  Längsrippe  zugleich  eine  Parallelhasta 
der  Gussmarke  ist;  so  ergeben  sich  ebenfalls  Dreistrich  und  Vierstrich 
(Fig.  4  und  5,    erstere    in    3  Exemplaren    vorhanden).      Die  Längsrippen 

mg.  i.  Fig.  2. 


können  auch  bis  an  den  Rand  des  Griffendes  in  einer  abwärts  gehenden 
Richtung  durchlaufen  (Fig.  6),  ohne  dass  „gussmarkenartige"  Rippen  hin- 
zutreten. 

Eine  andere  Art  von  „Gussmarken"  entsteht  dadurch,  dass  eine  zweite 
Gruppe  von  Parallelrippen  an  die  erste  links,  im  Winkel  gegen  sie  ge- 
richtet, also  im  Zickzack,  sich  anreiht  ;  auch  dabei  kann  natürlich  die 
Zahl  der  Hasten  variieren.  So  tritt  der  Zweistrich  zum  Sechsstrich  (Fig. 
7  u.  8)  oder  der  Vierstrich  zum  Fünfstrich  (Fig.  9),  oder  der  Füufstrich 
zu  einer  einfachen  Strichmarke,  deren  Strichzahl  wegen  der  mangelhaften 
Erhaltung  der  Sichel  unbestimmt  ist  (Fig.  10) ;  derartige,  im  Zickzack 
gegen  einander  gestellte  Strichgruppen  sind  bei  den  Sicheln  Fig.  11  und 
12  zu  dreien  vorhanden.  Bei  dem  letzteren  Exemplar  kommt  noch  eine 
einfache,  rein  dekorativ  wirkende  Zickzacklinie  hinzu,  die  an  die  Längs- 
rippe angefügt  wird  :  auch  ist  zwischen  der  ersten  und  /.weiten  Gruppe 
von  Parallelrippen  noch  eine  Vertikalhasta  eingefügt. 

Wie  der  einstrichige  Zickzack  wird  auch  der  Bogen  verwendet  und 
zwar  in  der  Dreizahl  (Fig.  13,  2  Exemplare  und  1  Fragment  vorhanden) 
und  Vierzahl  (Fig.  1  I,  1  Exemplar  und  ein  etwas  zweifelhaftes  Bruch- 
Btück  vorhanden;  neben  dem  Fünfstrich.  Eine  Variation  zu  diesen  Mustern 
ergibt  sich  durch  Anfügen  eines  Häkchens  an  der  linken  Seite  des  Fünf- 
strichs  (Fig.  15).      Ein    grösseres  hakenförmiges  Anhängsel  am  Vierstrich 


—     418     — 

ohne  sonstige  Zusätze  zeigt  Fig.  16.  Vereinzelt  steht  das  Zeichen  von 
Fig.  17  :  eine  vom  Zapfen  ablaufende,  auf  der  Längsrippe  vertikal  stehende 
Querhasta  mit  2  vertikalen  Seitenrippen.  Unvollständig  sind  die  Parallel- 
rippen bei  Fig.  18,  was  vielleicht  auf  einem  Gussfehler  beruht. 

Formen  und  Technik  der  Bronzesicheln. 

Um  über  die  Bedeutung  dieser  Guss-  oder  Fabrikmarken  ins  Klare 
zu  kommen,  werden  wir  uns  Formen  und  Technik  der  Bronzesicheln 
vor  Augen  zu  führen  haben,  freilich  bei  der  überreichen  Fülle  des  bekannten 
und  noch  nicht  bekannt  gemachten  Materials  mit  Beschränkung  auf  das 
Notwendigste,  um  den  Rahmen  eines  Aufsatzes  nicht  zu  überschreiten. 


Fisr.  3. 


Fisr.  4. 


Fis.  6. 


Fig.  7. 


Fig.  8. 


Fisr.  9. 


Bronzesicheln  gehören,  wenn  es  sich  nicht  um  Einzelfunde  handelt, 
in  der  überwiegenden  Zahl  der  Fälle  zu  den  Depotfunden;  verhältnis- 
mässig selten  sind  die  Grabbeigaben.  Im  einzelnen  wird  über  ihr  Vor- 
kommen und  die  Datierung  noch  weiter  unten  zu  sprechen  sein. 

Was  ihre  Form  betrifft,  so  hat  man  hier  und  da  versucht,  eine  Typen- 
reihe aufzustellen,  teils  ohne  die  wesentlichen  Merkmale  herauszuheben, 
teils  ohne  das  gesamte  Material  zu  übersehen.  E.  Chantre  (l'äge  du  bronze 
I  65  ff.  II  125)  unterscheidet  5  Typen  :  faucilles  ä  bouton,  f.  ä  talon,  f.  ä 
languettes,  f.  ä  rivets,   f.  ä  cotes  transversales.     Andere x)  —  und  sie  sind 


1)  E.  Dcsor  in  Desor  et  Le  Favre,  le  bei  äge  du  bronze  lacustre  en  Suissc  1874 
S.  22.  Scli  u  im  an  ii,  Halt.  Stud.  N.  F.  IV  1900  S.  148;  Die  Kultur  Pommerns  in  vor- 
geschichtl.  Zeit  S.  .".!»  f.  Vgl.  Evans,  Bronze  Implements  S.  194  ff.  Lindenschmit 
Altert,  uns.  heidn,  Von.  I.  12,  2.  tfemble,  Horae  ferales  8.  L62  ff.  KEoftillet,  Musee 
prehistorique  pl.  LXX  u.  LXXVIII  (schliesst  sich  enger  an  Chantre  an). 


—    419    — 

in  der  Mehrzahl  —  unterscheiden  „Knopf-"  und  „Lochsicheln".  Richtig 
ist  es,  die  Art  der  Befestigung  des  Griffes  zum  unterscheidenden  Merk- 
male zu  machen.  Aber  nicht  immer  sind  der  „Knopf"  (bouton)  oder  das 
„Loch"  (rivet),  oder  der  Absatz  (talon),  oder  die  „languettes"  oder  gar 
die  Querrippen  (cötes  transversales)  bei  den  damit  gekennzeichneten  Formen 
vorhanden.  Ich  ziehe  es  vor,  mit  Rücksicht  auf  die  Technik,  auf  die 
Art  der  Befestigung  des  Griffes,  aber  auch  mit  Bezug  auf  die  Verbreitung 
der  Sicheln  4  Typen  zu  unterscheiden.  *) 

I.  Sicheln  mit  langem,  schräg  oder  vertikal  ablaufendem  Griffende 

(„Lochsicheln",  "Flachsicheln"). 
II.  Sicheln  mit  kurzem  Griffende  („Knopfsicheln"). 

III.  Sicheln  mit  hakenförmig  umgebogenem  Griffende. 

IV.  Sicheln  mit  Schafttttlle. 


Fig.  10. 


Fie:.  11. 


Fig.  1; 


Fi".  13. 


Fiff.  14. 


Typus  I  hat  gewöhnlich  rechts  am  äusseren  Rande  —  die  Sicheln 
sind  in  der  Regel  für  den  Gebrauch  der  rechten  Hand  eingerichtet  — 
einen  etwa  halbkreisförmigen  Ansatz  (Ferse,  talon)  in  einiger  Entfernung 
vom  untersten  Rande  des  Griffendes;  dieser  ist  wohl  zu  unterscheiden 
von  dem  meist  abgebrochenen  Gusszapfen,  der  auf  der  Höhe  der  Sichel- 
wölbung in  der  Mitte  des  äusseren  Randes  seine  Ansatzspuren  hinterlassen 
hat;  wahrscheinlich  diente  der  seitliche  Ansatz  zur  besseren  BetY-stimmu 
am  Griffe,  sei  es,  dass  er  in  das  Holz  desselben  verzapft  wurde,  sei  es, 
dass  er  sichtbar  blieb  und  vielleicht  einer  umgewickelten  Schnur  einen 
Halt  bieten  sollte  (vgl.  unten  über  die  Holzgriffe).2) 


1)  Ausgeschlossen  von  der  Untersuchung  bfeibt  die  Form  des  Gartenmessers,  'las 
auch  an  der  Spitze  sichelartig  gebogen,  aber  breiter  ist,  z.B.  Linden  seh  mit.  Altertümer 
uns.  heidn.  Vorzeit  1  L2,  "_'  Nr.  3  (ans  Winterlingen  in  Württemberg).  Lindenschmit,  I). 
röm.  germ.  Zentralmnsenm  Tf.  XLVIII,  4'.»  (aus  Hallstatt).  Montelius,  Civil,  prim.  en 
Italie  B.    p.  <>'.»  Fig.  G  (aus  dem  Depotfunde  von  S.  Franeesco  bei  Bologna). 

•_'i  Z.  B.  mit  Ansatz:  Hampel,  A  Bronzkor  Emlekei  Magvarhonban  I  15,  1;  95; 
32.  •_,:'.;  89,  12;  108,  LI;  152,  1!».  II  154,17;  L57,  11-17:  158,  6.  7.  III  204,  L2;  209,26; 
233,  28.  Mucb.  Kunsthistor.  Atlas  Taf.  XXXIV,  1  —  Ohne  Ansatz:  Hampel  I  152,  5. 
Mitteil.  Bosn.  Heraeg.  1893  8.  36ff.  Rg.  •_'.  Keller,  Pfahlbauten,  6.  Bor.  Tat.  IX.  41; 
7.  Ber.  Taf.  IX,  33.    Cervinka,  Morava  za  praveka  S.  !■">■">  Fig.  1.2;  Taf.  36,  7.  8.    Ph<>t. 


—     420     — 

Nicht  selten  lässt  sich  aber  auch  das  Fehlen  dieses  Ansatzes  kon- 
statieren, ohne  dass  der  Typus  eine  Veränderung  zu  erleiden  hat.  Ebenso 
unwesentlich,  wenn  auch  vielfach  vorhanden,  ist  auf  der  Bahn  des  Griff- 
endes ein  Loch,  seltener  zwei,  oder  gar  drei1);  sie  waren  gewiss  für 
Nägel  bestimmt,  die  durch  Holz  und  Bronzegriff  getrieben  wurden.  Sie 
können  aber  auch  diesen  Nägeln  ihren  Ursprung  verdanken;  denn  es  ist 
sehr  wahrscheinlich,  dass  sie  nicht  durch  und  mit  dem  Gusse  entstanden 
sind  (die  Gussformen  wenigstens  schliessen  das  aus),  sondern  überhaupt 
sekundäre  Bedeutung  haben  und  jedesmal  erst  bei  der  Befestigung  des 
Holzgriffes  durchgeschlagen  wurden.  Ob  das  immer  geschah,  müsste  im 
einzelnen  Falle  nach  den  Gebrauchsspuren  an  der  Sichel  entschieden 
werden.  Jedenfalls  fehlt  das  Loch  vielfach;  ich  möchte  also  die  für 
diesen  Typus  eingeführte  Bezeichnung  „Lochsichel"  nicht  für  alle  Fälle 
als  zutreffend  anerkennen. 


Fig.  15. 


Fig.  16. 


Fig.  17. 


Fig.  18. 


Fig.  19. 


Fig.  20. 


Die  Klinge  der  Sichel  wird  durch  Längsrippen  verstärkt;  der  Rücken 
selbst  hat  eine  dachförmige  Verdickung;  parallel  zu  ihr  laufen  ein  oder 
zwei  Rippen,  die  am  Griffende  divergieren  und  zur  Verstärkung  desselben, 
besonders  an  der  Seite  der  Schneide,  dienen.2)  Ist  nur  die  Verstärkung 
des  Rückens    vorhanden,    so  gabelt  sicli  diese  am  Griffende  in  zwei,    drei 


Album  (1.  Berliner  Ausstellung  1880.  VII,  Taf.  1,  IG;  12,  92.  Prähist.  Blätter  1899,  Taf.  I. 
Fundberichte  aus  Schwaben  1890  S.  31  Fig.  1.  Nass.  Annalen  1897  S.  lff.  Fig.  10.  11. 
E.  Chantrc,  Tage  du  bronze  pl.  XI,  2.  —  Besondere  Bedeutung  muss  ein  horizontal 
abstehender,  langer  Dorn  an  derselben  Stelle  haben:  Hampel  I  14,  8. 

1)  Berliner  Museum  für  Völkerkunde  II,  10063  aus  Golssen,  Kr.  Luckau. 

2)  Z.  B.  Hampel  I  99,  1;  107,  21;  152,  11.  II  154,  15.  Mitteil.  Bosn.  Herzeg.  VI 
144,  Fig.  22.  Montelius,  Civ.  prim.  en  Italie  B  pl.  L9,  3;  09,  7.  12.  Keller,  Pfahl- 
bauten 3.  Bcr.  Taf.  V,  .'SO;  G.  Ber.  Taf.  IX,  11.  Nachr.  über  deutsche  Altertf.  1895  S.  16 
Fig.  3.  Schles.  Vorzeit  VI  303  Fig.  1.  10;  372  Fig.  8.  Üervinka  a.  a.  O.  S.  155  Fig.  1.  2. 
Phot.  Album  d.  Beil.  Ausstellung  a.  a.  O.  Altbayr.  Monatsschrift  I  15511'.  Fig.  8.  Fund- 
berichte aus  Schwaben  a.  a.  O. 


—    421     — 

und  mehr  Rippen1),  welche  durch  Kerben  oder  sonstige  Vertiefungen2) 
gegliedert  werden  können,  um  den  Widerstand  bei  der  Verzapfung  im 
Holzgriff  zu  erhöhen. 

Das  Nützliche  wird  aber  auch  mit  dem  Schönen  verbunden;  so  kommen 
geometrische  Figuren  mehr  dekorativer  Art  auf  die  Bahn  des  Griffendea 
in  die  Zwischenräume  zwischen  den  beiden  Randrippen,  teils  im  Zu- 
sammenhange mit  diesen8),  teils  unabhängig  von  diesen  als  frei  erfundene 
Muster.*)  Eine  Übersicht  über  diese  dekorativ  gewordenen  Verstärkungs- 
rippen gewährt  Fig.  27. 

.Mit  Bezug  auf  die  Stellung  des  Griffendes  zur  Sichelschneide  Hessen 
sich    noch  Variationen    und  Übergangsformen    unterscheiden;    von    Belang 


Fig.  21. 


Fig.  22. 


Fig.  23. 


Fig.  24. 


Fig.  25. 


Fi<r.  2G. 


würde  aber  nur  sein  auf  der  einen  Seite  das  mehr  oder  weniger  senkrecht 
abfallende,  abgesetzte  Griffende  an  der  mehr  oder  weniger  gewölbten 
Schneide  (Variation  a  Fig.  19.  20),  andererseits  eine  mehr  halbkreisartige 
Gesamtform,     bei     der    Schneide     und     Griffende     ineinander     übergehen 


1)  Z.  B.  Hampel  1  SO,  12;  152,  1.  3.  5.  19.  22-25.  II  154,  14.  16.  17;  158,  G.  7: 
l.V.i,  17.  18;  HÜ,  7-9.  III  192,  7.  9.  10.21;  209,  2G.  Mitteil.  Bosn.  Herzeg.  I  36  Fig.  1.  2; 
IV  181  Fig.  42.  43;  VI  144f.  Fig.  21.  Zeitschr.  f.  Ethnol.  1900,  Verhandl.  S.  540  Fig.  5. 
Schles.  Vorzeit  VI  3(53  Fig.  4.  Cervinka  a.  a.  O.  Taf.  3G,  7.  8.  Fundber.  a.  Schwaben 
a.  a.  0. 

2)  Z.  B.  Hampel  I  14,  5.  G;  15,  3;  99,  :'».  5-7.  II  154,  20-24;  157,  18.  Mitteil. 
anthrop.  Ges.  Wien  1896  S.  217  Fig.  111.  Prähist.  Blätter  1897  S.  lff.  Taf.  1;  1903  S.  17ff. 
Taf.  II  14.  15. 

3)  Z.  B.  schwalbenschwanzartige  Verbindung  der  Längsrippen:  Hampel  I  15,  2; 
96.  22.  23;  99,  9.  L3;  152,  I.  7.  9.  15.  21.  II  154,  19.  III  192,  1.  13.  14.  Mitteil.  Bosn. 
Herzeg.  I  36f.  Kg.  3.  Prähist.  Blätter  1903  S.  17 ff.  Taf.  II,  15.  —  Schwalbenschwanz  mit 
parallelen  Querrippen:  Hampel  I  99,  10;  152,  8.  III  233,  28.  —  Kurzer  Parallelstrich: 
Hampel  III  192,  6.   I.  20;  214,  27. 

4)  Z.  B.  gahelförmig:  Hampel  III  192,  5.  —  T-förmig:  Hampel  I  152,  20.  — 
Y-förmig:  Hampel  I  99,  2;  L52,  13.  III  210,21.  —  Mitteil.  Bosn.  Herzeg.  I  36£  Fig.  10. 
—  Keilförmig:  Hampel  I  99,  15.  —  Zweigförmig:  Hampel  I  99,8;  III  210,17:  23G,  11. 
239,  12.  —  Kreuzförmig:  Hampel  III  233,  G.  —  Verschiedenartige  Einzelmuster:  Hampel 
I  14,  7.    III  210,  21.    Koller,  Pfahlbauten,  7.  Per.  Taf.  IX,  33. 


—     422     — 

(Variation  b  Fig.  21.  22).  Nach  diesem  Gesichtspunkte  können  vielleicht 
lokale  Unterschiede  gemacht  werden,  wie  wir  weiter  unten  noch  sehen 
werden.  Selten  findet  sich  eine  Abweichung  von  der  Halbkreisform  bei 
Variation  b1),  in  dem  die  Spitze  der  Sichel  sich  emporrichtet,  eine  Eigen- 
tümlichkeit, die  beim  Typus  II  häufiger  ist. 

Unter  den  Sicheln  unseres  Fundes  ist  der  Typus  I  und  zwar  in  der 
Variation  b  nur  durch  ein  einziges,  leider  nicht  vollständig  erhaltenes 
Exemplar  vertreten  (Fig.  1). 

Typus  II  lässt  sich  nach  den  übrigen  Stücken  des  Apel'schen  Fundes 
gut  charakterisieren  (vgl.  Fig  2 — 18). 2) 

Fast  durchgehend  ist  ihm  ein  ca.  1  cm  hoher  aufrecht  stehender  Zapfen 
(„Knopf"  oder  „Dorn")  am  äussersten  Griffende  der  Sichel  eigentümlich; 
er  sitzt  in  der  Regel  in  der  Ecke  des  verstärkten  Sichelrückens  und  hat  eine 
kegelartige  Form  mit  kreisrunder  Basis.  Vereinzelt  finden  sich  Ausnahmen, 
indem  der  Zapfen  mehr  nach  der  Schneide  zu  verschoben  ist3)  oder    eine 

Fig.  27. 


längliche  bügelartige  Form  mit  Querstellung  am  Griffrande  hat4)  (Fig.  31 
bis  33).  Auch  das  Fehlen  des  Zapfens5)  und  die  Verdoppelung  desselben6) 
gehören  zu  den  Ausnahmen.     (Vgl.  darüber  unten  noch  mehr.) 

Bemerkenswert  ist  es  noch,  dass  im  Unterschiede  zum  vorigen 
Typus  der  Gusszapfen  in  der  Regel  unmittelbar  neben  dem  „Knopf"  am 
Griffende  zu  suchen  ist. 


1)  Z.  B.  Schles.  Vorzeit  VI  370  Fig.  7;  .'372  Fig.  8.  Lindenschmit,  Altert,  unserer 
heidnischen  Vorzeit  I  12,  2  Fig.  7. 

2)  Die  Form  der  Sichel  kann  mehr  oder  weniger  gekrümmt  sein,  teils  halbkreistörmig, 
teils  nach  der  Art  der  Messer  mehr  flach  oder  sogar  mit  aufgesichteter  Spitze  und  ge- 
schwungener Schneide.  Wie  weit  wir  berechtigt  sind,  in  diesen  Unterschieden  die  Merkmale 
verschiedener,  auch  chronologisch  oder  lokal  getrennter  Variationen  zu  sehen,  soll  erst 
weiter  unten  entschieden  werden. 

3)  z.  B.  Pfahlbauten  des  Lac  du  Bourget  (Savoyen)  bei  E.  Chantre,  l'äge  du 
bronze  pl.  LVI,  2—4. 

4)  z.  B.  im  Depotfunde  von  Vernaison  (Rhone)  bei  E.  Chantre  a.a.O.  pl.  XXXV 
1.  3.  4.  Depotfund  von  Edington  Burtle  (Sommerset'shire)  bei  Evans,  Ancient  Bronze 
Irnplements  S.  197  Fi-.  233; 

5)  Im  Depotfund  von  Larnaud  (Jura)  bei  E.  Chantre  a.a.O.  pl.  XLI,1. 

G)  Evans  a.  a.  O.  Fig.  232.  Diese  Sichel  weicht  auch  technisch  insofern  von  allen 
übrigen  ab,  als  der  Gusszapfen  an  der  Sichelspitze  sitzt;  vgl.  darüber  noch  unten. 


—     423     — 

Von  einer  Griffbahn,  wie  beim  vorigen  Typus,  kann  bei  diesem  nicht 
die  Rede  sein.  Bei  der  Befestigung  des  Holzgriffes  spielte  offenbar  der 
Metall  zapfen  die  Hauptrolle;  denn  vom  Griffende  seihst  konnte  diesem 
Zwecke  nur  ein  sehr  kleiner  Teil  dienstbar  sein.  Bei  den  abgebildeten 
Exemplaren  habe  ich  durch  ein  kleines  Kreuz  die  Stellen  bezeichnet,  las 
zu  denen  von  der  Spitze  aus  die  Abnutzung  der  Schneide  durch  den  Schliff 
bemerkbar  ist;  der  Rest,  eventuell  sogar  noch  weniger,  blieb  für  die  Bin* 
falzung  in  den  Holzgriff  übrig. 

Höchst  auffallend  ist  es  nun,  dass  gerade  an  diesem  Ende  die  sogen. 
Gussmarken  sieh  befinden;  denn  sie  müssen  teilweise  oder  auch  ganz  von 
dem  Holzgriff  verdeckt  gewesen  sein,  ein  Umstand,  der  für  ihre  weiter 
unten  zu  erörternde  Bedeutung  von  Belang  sein  wird. 

In  der  Literatur  finden  wir  Typus  II  in  der  Regel  als  „Knopfsichel"  ein- 
geführt, eine  Bezeichnung,  die  meines  Wissens  auf  Lindenschmits  Be- 
schreibung (Altertum,  unserer  heidn.  Vorzeit  I,  12  zu  Taf.  2)  zurück- 
zuführen ist. 

Typus  III  gehört  zu  den  im  beschränkten  Masse  verbreiteten  Sonder- 
formen. Die  Spitze  dieser  Sichel  ist  immer  nach  unten  gebogen,  das  Griffen  de 
dagegen  hakenförmig  emporgerichtet,  wahrscheinlich  auch  zur  Befestigung 
des  Griffes. 

Die  Klinge  ist  breit  und  nur  am  Rücken  durch  eine  Längsrippe  ver- 
stärkt. Sonstige  plastische  Zutaten  sind  mir  bei  diesem  Typus  nicht  be- 
gegnet.    Als  Beispiel   diene  Figur  23. 

'Typus  IV  mit  Schafttülle  ist  noch  seltener  als  der  vorige  und  auf 
einzelne  Gegenden  beschränkt. 

Schon  hier  sei  erwähnt,  dass  er  mir  nur  aus  Italien1)  Schweiz2)  und 
( irossbritannien8)  bekannt  ist;  die  englischen  Sicheln  fallen  überhaupt  aus  der 
Entwicklungs-  und  Typenreihe  heraus  und  sind  als  singulare  Formen  von 
gewiss  nur  lokaler  Bedeutung  zu  betrachten  (Fig.  24). 

Auch  unter  dem  unten  genannten  Depotfund  von  St.  Francesco  ist 
eine  Sichel  mit  Schaftlappen4)  oder  Rändern,  wie  sie  die  bronzenen  Rand- 
celte  haben,  singulär. 

Von  der  Technik  der  Bronzesicheln  können  wir  uns  auf  Grund  der 
mehrfach  vorkommenden  Guss  formen  eine  genügende  Vorstellung 
machen. 

Bei  Typus  I — III  sind  die  Rück-  oder  Unterseiten  immer  flach  und 
ermangeln  jedes  plastischen  Details.  Für  diese  Typen  kann  man  also 
einen  Guss  in  einer  einzelnen  Negativform  voraussetzen.  Dem  entspricht 
es  auch,  wenn  bei  allen,  mir  bekannt  gewordenen  Gussformen  für  die 
Typen  I — III  die  Stiftlöcher  fehlen,  welche  beim  Guss  mit  zweiteiliger 
Form,    beim    sog.    Kastenguss,    zur    Verbindung    der    beiden  Teilformen 


1)  In  Italien  finde  ich  ihn  nur  im  Depotfund  von  S.  Francesco  (Montelius.  civ.  priniit. 
en  Italie  B  pl.  69  Fig.  LO.  11). 

2)  Erwähnt  von  Heierli  (Urgeschichte  der  Schweiz  S.  -2-20)  aus    dem  Pfahlbau   von 
€orcelettes  als  „seltener". 

:'.)  Evans,  Ancient  Bronze  Implements  S.  19S  f.  Fig.  334—238. 
4)  Bei  Montelius  a.  a.  0.  Fi£.  '•'. 


—     424     — 

dienten,  wie  sie  z.  B.  bei  Formen  für  Messer,  Schaftlappencelte,  Schmuck- 
werk  aller  Art  und  dergl.  üblich  sind. 

Gussformen  für  Sicheln  der  Typen  1— III  sind  also  immer  einteilig 
(Fig.  25,  26).  Anders  natürlich  für  Typus  IV,  da  mit  Schafttüllen  als 
Hohlräumen  versehene  Geräte  nur  in  zweiteiliger  oder  verlorener  Form  zu 
giessen  möglich  ist.  Daher  können  bei  Typus  IV  beide  Seiten  der  Sichel- 
klinge gegliedert  und  profiliert  sein,  wie  das  auch  bei  den  englischen 
Sicheln  dieses  Typus  der  Fall  ist  (vgl.  Fig.  24).  Im  übrigen  aber  sind 
alle  zweiseitig  profilierten  sichelförmigen  Geräte  von  den  eigentlicheu 
Sicheln  zu  unterscheiden  und  als  Sichelmesser  zu  bezeichnen.  Der  Unter- 
schied von  Sichel  und  Messer  lässt  sich  auf  die  Technik  zurückführen: 
für  diese  sind  zweiteilige,  für  jene  einteilige  Gussformen  üblich. 

Doch  kann  bei  den  Typen  I—  III  das  Verfahren  nicht  nach  der  Art 
des    offenen    Herdgusses    gewesen    sein.      Dagegen    sprechen    die    Guss- 


Fiff.  28. 


Fisr.  29. 


Fig.  30. 


zapfen  und  dementprechend  bei  den  Gussformen  die  Eingussrinnen. 
Diese  konisch  sich  verjüngenden  Vertiefungen  sitzen  bei  den  italischen 
Formen  für  Sicheln  mit  senkrecht  abfallendem  Griffende  (Typus  Ia) 
an  der  linken  Seite  desselben.  x)  Davon  unterscheiden  sich  in 
der  Regel  die  Formen  für  Typus  Ib:  die  Gussrinnen  sitzen  hier  an  dem 
oberen  Rande  der  Form,  ziemlich  in  der  Mitte  der  Sichelwölbuug.  2)  An 
derselben  Stelle  findet  man  vielfach  bei  den  gegossenen  Exemplaren  des 
Typus  I  b  die  Bruchstellen  vom  abgebrochenen  Gusszapfen,  der  bei  un- 
fertigen Exemplaren  sogar  noch  in  situ  erhalten  ist.  Solche  technischen, 
in  den  Gepflogenheiten  des  Gussverfahrens  begründeten  Unterschiede 
werden  bei  der  Frage  der  Herkunft  der  Sichelformen  gewiss  in  Betracht 
gezogen  werden  müssen. 

Bei    den  Formen    für    die    Typen  II    laufen    die    ebenfalls  sich  ver- 


1)  Montelius,  Civ.  prim.  en  Italie  B  pl.  17,  2  (Terrainare  von  Gorzano,  Prov.  Mo- 
dena);  pl.  11,  18  (Terramare  von  Castione,  Prov.  Parma). 

2)  Depotfund  von  Freghera,  Prov.  Como  bei  Montelius,  Civ.  primit.  en  Italie  B  pl. 
29,  L2  (unter  ■  >  verschiedenen  Gussformen).  Aus  dem  Pfahlbau  von  Mörigen  2  Formen 
bei  Heierli,  Urgesch.  d.  Schweiz  S.  225  Fig.  211  a,  b;  vgl.  Fig.  25,  26). 


—     425     — 

engenden  Kinnen  an  der  linken  Seite,  also  umgekehrt  wie  die  Guss- 
zapfen bei  den  gegossenen  Originalen,  auf  die  eingebohrten  Löcher  der 
hohen  Zapfen  oder  Knöpfe  zu. *) 

Die  einzigen,  mir  bekannten  Gussformen  für  Typus  III 2)  haben  die 
Eingussrinne    am  oberen  Rande  wie  der  Typus  I. 

Solche  Kinnen  haben  m.  E.  keinen  Zweck  beim  offenen  Herdguss. 
Sie  erklären  sich  nur  bei  der  Annahme,  dass  zu  den  einteiligen  Negativ- 
formen noch  ein  glatter  Deckstein  gehört,  der  auf  primitive  Art  durch 
Umschnüren  festgehalten  worden  sein  mochte.  Eine  Verzapfung  desselben 
war  überflüssig,  da  er  für  die  Formgebung  der  Bronze  keine  Bedeutung 
hatte.  Nur  so  erklären  sich  bei  den  oben  genannten  italischen  und 
schweizer.  Gussformen  zugleich  mehrere  feine  Kinnen,  welche  vom  Rande 
des  vertieften  Negativs  bis  an  den  Rand  des  Formsteins  hinführen  :  es 
sind  Luftlöcher  zur  bequemeren  Abfuhr  der  in  dem  verdeckten  Negativ 


Fier.  31. 


Fig.  32. 


Fig.  33. 


Fig.  34. 


vorhandenen  Luft.  Auch  sie  würden  für  den  offenen  Herdguss  überflüssig 
sein.  Angesichts  dieser  Gussrinnen  und  Luftlöcher  wird  man  also  nicht 
daran  zweifeln  können,  dass  unsere  Formsteine  wirklich  für  den  Bietall- 
guss  auch  verwendet  worden  sind. 

Gelegentlich    der  Technik    noch    ein  Wort    über  die  Griffe  und  ihre 
Befestigung.     In  den  Pfahlbauten  der  Schweiz  sind  mehrfach  Holz  griffe 


1)  Formstein  für  5  Sicheln,  3  auf  der  einen,  2  nebst  Ring  auf  der  anderen  Seite, 
aus  Liebenwalde  Kr.  Niederbarnim  (Brandenburg") :  Ztschr.  f.  Ethnol.  1900  S.  540  Fig.  6. 
Gussform  für  eine  Sichel  mit  dreistrichiger  Marke  unter  5  verschiedenen  Formsteinen  aus 
Müncheberg  (Brandenburg)  abg.  Phot.  Album  d.  Berl.  Ausstellg.  1880  Sekt.  IV  Tf.  11 
Nr.  11.  — Gussform  v.  Buckow  Kr.  Lebus  (Brandenburg)  im  Auz.  f.  Deutsche  Vorzeit  XIV. 
L861  S.  :'>:">.  —  Ungarische  Gussformen,  z.  T.  zugleich  mit  dreistrichigen  Marken  bei 
Hampel  a.  a.  0.  1  2,  I  :  .">,  4.  —  Für  den  weiter  unten  genannten  Fund  von  Grosseuhain 
im  Kgr.  Sachsen  Linie  eine  in  der  Nähe  gefundene  Gussform  in  Betracht  (Mittig.  d. 
Kgl.  sächs.  Ver.  z.  Erforsch,  d.  Vaterland.  Altert.  1857  S.  28. 

_'    Gefunden    zugleich    mit    gegossenen  Originalen    und  anderen  Bronzegegenständen 
unter    den  Überresten    einer  Gusswerkstätte    aus    der  Umgegend    von  Odessa:    Ztschr.  f. 
Ethnol.  1898,  Verhdl.  S.  114  f.  Fig.  10.  —  Aus  dem  Kaukasus,  gefunden  in  Novo-Rossisk 
(Abkhazie)  bei  E.  Chantre,  Recherches  anthropologiques  dans  le  Caucase  I  pL  V.  _'. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1901    Heft  3  u.  4. 


-     426     - 

gefunden  worden;  *)  ihre  eigenartige  Form  ist  merkwürdig  durch  Ein- 
arbeitungen für  ein  bequemes  Aulegen  der  Finger  der  rechten  Hand.  Es 
ist  das  Verdienst  von  Y.  Gross,  diese  Holzgriffe  als  Sichelgriffe  zuerst 
erkannt  zu  haben.2)  Allem  Anschein  nach  sind  sie  nur  für  Sicheln  des 
Typus  I  bestimmt.  Darauf  weisen  die  seitlichen  Löcher  am  oberen  Teile, 
welche  nur  von  Nägeln  herrühren  können,  also  zur  Befestigung  von  „Loch- 
sicheln" dienen;  ferner  zeigt  die  Abbildung  bei  Mortillet  a.  a.  O.  858^1 
im  Längsschnitt  2  vertiefte  Rinnen,  welche  den  Längsrippen  am  Griffende 
der  Bronzesicheln  entsprechen;  auch  das  trifft  nur  für  Typus  I  zu.  Die 
Sicheln  bei  Gross  (les  Protohelvetes  Tf.  XX  5,  7)  haben  eine  gegen  den 
Griff  abgesetzte  Schneide;  diesem  Absatz  entspricht  an  dem  äusseren 
Rande  der  zungenförmige  Ansatz;  beide  dienen  dazu,  wie  a.  a.  O.  Fig.  5 
zeigt,  dem  Holzgriff  einen  Widerstand  entgegen  zu  setzen. 

Bei  Typus  II  muss  die  Yerzapfung  der  Sichel  im  Holzgriff  eine  andere 
gewesen  sein;  ich  denke  mir,  dass  der  hohe  Zapfen  ganz  im  Holz  ein- 
gebettet war.  Formale  Bedeutung  hat  er  jedenfalls  nicht  gehabt.  Auch 
in  späterer  Zeit,  nachdem  die  bronzezeitlichen  Formen  und  Techniken 
längst  verschwunden  waren,  finden  wir  einen  solchen  hohen  „Griffdorn" 
bei  einer  Sichel  aus  dem  Eisendepotfunde  von  Körner,  Kr.  Gotha,  der  der 
ersten  römischen  Kaiserzeit  zuzuweisen  ist.3) 

Mit  der  Frage  der  Technik  hängt  aber  auch  die  der  Bedeutung 
der  sogenannten  Guss-  oder  Fabrikmarken  zusammen.  Es  ist  mir 
kein  Fund  bekannt,  in  dem  so  viele  „markierte"  Sicheln  vereinigt  wären, 
als  in  dem  Ap eischen;  also  bietet  gerade  er  eine  passende  Gelegenheit, 
auf  diese  Frage  näher  einzugehen. 

Auf  Grund  der  obigen  Behandlung  der  verschiedenen  Typen  und  der 
Beschreibung  der  Ap  eischen  Sicheln  im  besonderen  werden  wir  solche 
„Marken"  bei  beiden  Typen  I  und  II  zu  suchen  haben.  Die  Antwort 
auf  die  Frage  nach  ihrer  Bedeutung  ist  schon  oben  durch  die  Erörterung 
über  die  Merkmale  des  Typus  I  angebahnt.  Die  Veranlassung  zur  Aus- 
stattung der  Griffbahn  mit  „Marken"  oder  „Zeichen"  ist  ursprünglich  ohne 
Zweifel  technischer  Art  gewesen;  sie  dienten  dazu,  wie  die  einfachen 
Längsrippen,  das  Griffende  zu  verstärken. 

Die  oben  (Fig.  "27)  zusammengestellte  Reihe  solcher  Griffenden  ver- 
anschaulicht die  Leichtigkeit,  mit  der  die  einfachen  Längsrippen  figürlich 
umgestaltet  oder  durch  besondere  Zeichen  ersetzt  werden  können.  Die 
Beispiele  gehören  alle  zu  Sicheln  des  Typus  Ia. 

Auf  diese  Weise  könnte  sich  nun  die  Sitte,  Guss-  oder  Fabrikmarken 
auf  dem  Griffende  anzubringen,  eingeführt  und  eingebürgert  haben.  Auch 
rinden  sich  vielfach  Übereinstimmungen  der  gewählten  Figuren  unter  den 


1:  In  Corcelettes,  Mörigcn,  Chevroux:  Keller,  Pfahlbauten.  7.  Bericht  S.  14  Tf. 
VII,  1.  V.  Gross,  Los  Protohelvetes  pl.  XX,  ö.  Heierli,  Urgeschichte  der  Schweiz 
8.277  Fig.  302.  Weitere  Abbildungen:  Desor  et  Le  Favre,  Ee  bei  äge  du  bronze 
lacustre  cn  Suissi'  IsTI  s.  22.  Evans,  Ancient  Bronze  Implcments  S.  19G  Fig.  231;  E. 
Chantrf,  Page  du  bronze  II  125  Fig.  28.    Mortillet,    Mus.  prehist.   pl.  LXXVIII,  858. 

2)  An/.,  f.  Schweiz.  Altertumskunde  II  '122. 

3)  A.  Götze,  Zeitscbr.  f.  Ethnol.   1900  8.  204  Fig.  8  (Bcrl.  Mus.  f.  Völkerkunde). 


—     427     — 

verschiedensten  Funden,  wie  die  obigen  Beispiele,  im  besonderen  die  aus 
Ungarn,  zur  Genüge  zeigen.  Aber  es  wäre  überaus  schwierig  zu  beweisen, 
dasa  Sicheln  mit  gleichen  Zeichen  oder  Marken  aus  derselben  (Üesserei 
stammten.  Eher  würde  man  sich  mit  der  Erklärung  dieser  /eichen  als 
Ornamente  begnügen  können,  obgleich  sie  vom  Griffe  in  der  Regel  ver- 
deckt waren;  sie  hätten  dann  nur  für  den  Yerschleiss  der  gegossenen 
Produkte  eine  Bedeutung  gehabt.  Das  wäre  auch  verständlich;  denn  wie 
die  Depotfunde  beweisen,  sind  Sicheln,  wie  andere  Geräte,  ohne  die  Holz- 
griffe in  den  Handel  gekommen.  Doch  fehlt  die  Notwendigkeit  einer 
Solchen  Erklärung.  Notwendig  sind  die  Kippen  wirklich  nur  für  die  Ver- 
stärkung des  Griffendes  gewesen. 

Noch  eine  andere,  aber  auch  technische  Erklärung  legen  kleinere 
Querrippen  nahe,  die  sich  ebenfalls  beim  Typus  I  auf  der  Höhe  der 
Sichelwölbung  zwischen  den  parallelen  Längsrippen  in  der  Zahl  von 
'2 — 4  nebeneinander  und  bei  mehreren  Längsrippen  auch  untereinander 
linden.  Solche  Sicheln  sind  besonders  zahlreich  in  den  Schweizer  Pfahl- 
bauten ans  Tageslicht  gekommen;1)  aber  auch  anderswo  fehlen  sie  nicht.2) 
Auffallend  ist  es,  dass  die  ungarischen  Typen  diese  Eigentümlichkeit  nicht 
zeigen.  Hier  kann  aber  von  Zeichen  oder  Marken  gewiss  nicht  die  Rede 
sein.  Da  diese  Querstriche  immer  gegetiüber  dem  Gusszapfen  sitzen, 
könnten  sie  vielmehr  mit  dem  Gussverfahren  im  Zusammenhang  stehen; 
sehr  wohl  können  sie  dann  den  Zweck  haben,  die  Gussmasse  gerade  an 
der  Eingussstelle  schneller  abfliessen  zu  lassen.  Beide  Arten  von  Rippen 
aber  finden  ihre  schlagendsten  Parallelen  in  den  zahlreichen  Beispielen 
von  anderen  Bronzegeräten,  die  Olshausen  in  seinem  trefflichen  Aufsatze 
über  die  Technik  antiker  Bronzen  (Ztschr.  f.  Ethnol.  1885  Yerhdlg. 
S.  410  ff.)  mit  grosser  Sachkenntnis  behandelt  hat. 

Vom  Typus  II  wird  dasselbe  gelten  können,  wie  vom  ersten.  Auch 
hier  musste,  vielleicht  in  noch  höherem  Masse,  das  Bedürfnis  vorliegen, 
das  Sichelende  zu  verstärken,  da  es  in  die  dünne  Schneide  unmittelbar 
überging.  Teils  liess  man  die  Längsrippen  bis  zum  unteren  Sichelende 
ablaufen  (Fig.  <i)  ''),  teils  vervielfältigte  man  diese  Abläufe  durch  Parallel- 
pippen  (Fig.  4,  5),  beides  Vorgänge,  die  sich  in  ganz  analoger  Weise  auf 
den  Griffbahnen  des  Typus  I  beobachten  Hessen,  teils  brachte  man  getrennt 
von  den  Längsrippen  besondere  Querrippen  in  verschiedener  Zahl  an  der- 


1)  Keller,  Pfahlbauten.  1.  Ber.  Taf.  V,  11,  15:  7.  Bor.  Tf.  IX.  33.  Desor  et  Le 
Favre,  le  bei  äge  du  brdnze  lacustre  S. -22  Fig.39.  Mortillet,  Mus.  prellist.  pl.  LXXYJII, 
857.  V.  Gross,  les  Protohelvetes  pl.  XX,  8;  ebenda  Nr.  G  mit  winkelförmig  be- 
stellten Strichgruppen. 

2;  Schlesien,  Depotfund  vonProtsch:  Schles.  Vorzeit  VI  370  Fig.  10.  Bayern, 
Depotfund  von  Pullach:  Altbayer.  Monatsschr.  I  1899  S.  155  ff.  Fig.  8.  Aus  dem  Rhein 
bei  Mainz:  Lindenschmit,    Altert,  uns.  heidi).  Vorzeit  I   12,  2  Nr.   1  1. 

3)  Ämter«'  Beispiele:  Montelius,  Antiquites  Suedoises  Tf.55,ljB3.  Lindenschmit, 
d.  röm.  germ.  Zentralmnaenm  Tf.  XI. VIII.  52.  üampel  a,  a.  0.  1  89,  11.  Mit  Ablauf 
und  einem  winkelförmigen  Zwickelmnster:  BerL  Mus.  t.  Völkerk.  1  f.  568  aus  Rietz  bei 
Beizig,  abg.  Kemble,  Bora«  letales  S.  L62  iV.  Tf.  X.  20. 


-     428     - 

selben  Stelle  an  (Fig.  2,  3).  *)  Auch  hier  führte  der  Wunsch  nach  Ab- 
wechselung oder  reine  Dekorationslust  zur  reicheren  Gliederung  und 
Musterung,  ganz  unbekümmert  darum,  ob  diese  teilweise  oder  ganz  dem 
Blicke  durch  den  später  anzubringenden  Holzgriff  entzogen  wurde  :  Man 
stellte  die  Parallelrippen  im  Zickzack2)  (Fig.  7,  8,  9,  10,  11,  12),  fügte 
Winkel  oder  Zickzack-  und  Bogenmuster  oder  sonstige  Anhängsel  an 
diese  an  (Fig.  12 — 16)  oder  half  sich,  wie  es  ging  (Fig.  17).  Aber  auch 
unabhängig  von  den  Parallelrippen  wählte  man  Einzelmuster  3)  oder  suchte 
nach  Art  der  Flächenverzierung,  wie  auf  den  mitunter  schön  verzierten 
Messerklingen,  sogar  die  Klinge  als  solche  zu  dekorieren.  4)  Freilich  ist 
es  auf  den  Sicheln  immer  bei  gegossenem  Zierrat  geblieben;  eine  kost- 
barere Ziertechnik  lohnte  sich  bei  gewöhnlichem  Ackerbaugerät  nicht.6) 

Herkunft  und  Yerbreitung  der  Sicheltypen. 

Auf  die  Frage  nach  der  Herkunft  und  Verbreitung  der  behandelten 
Sicheltypen  geben  uns  die  fraglichen  Gussmarken  gewiss  keine  Antwort. 
Die  gleichen  Muster  finden  sich  in  den  verschiedensten  Gegenden,  ohne 
dass  die  Annahme,  die  mit  gleichen  Marken  versehenen  Sicheln  hätten  sich 
durch  Handel  von  bestimmten  Zentren  aus  verbreitet,  im  mindesten  ge- 
rechtfertigt wäre.  Vielmehr  sind  Bronzesicheln  gewiss  in  den  verschiedensten 
Gegenden  in  eigenen  Gusswerkstätten  angefertigt  worden,  und  grade  des- 
wegen müssen  die  Übereinstimmungen  in  den  ,, Gussmarken"  aus  rein 
technischen  Ursachen  sich  erklären  lassen.  Est  ist  bisher  meines  Wissens 
überhaupt  noch  nicht  der  Nachweis  gelungen,  dass  zwei  oder  mehr  Sicheln 
sich  so  gleichen,  dass  mau  zur  Annahme  gezwungen  wäre,  sie  seien  aus 
derselben  Gussform  hervorgegangen,  etwa  in  demselben  Sinne,  wie  man 
von  gestanzten  Metallreliefs  diese  Behauptung  aufstellen  kann.  Keller,  der 
gewiss  einen  zuverlässigen  Überblick  über  einen  geschlossenen  Fabrikations- 
kreis, den  der  Pfahlbauten,  gehabt  hat,  muss  versichern,  soviel  er  auch 
Sicheln  gesehen  habe,  dass  nicht  zwei  Exemplare  mit  derselben  Gussform 
verfertigt  worden  sind.6)      Selbst    da,    wo    wir,    wie    bei  dem  Ap eischen 


1)  Vgl.  Einzelne  Bandrippe  :  S.  Müller,  Ordning  of  Danmark3  Oldsager.  Bronze- 
alderen  pl.  X,  147.  Zweistrich:  ebenda  146.  Dreistrich:  Schles.  Vorzeit  VI,  370 
Fig.  G.  E.  Chantre,  a.  a.  0.  pl.  XXX  (Poype,  Isere).  Hampel  I  107,  24,  25,  27. 
Pünfstrich:  Niederlaus.  Mittig.  III  1894  S.  45  Tf.  II,  14.  E.  Chantre  pl.  XII,  2; 
XXVIII,  1.  Hampel  I  14,2.  Sechsstrich:  E.  Chantre  pl.  XXVII,  2.  Siebenstrich: 
Chantre  pl.  XXX.  —  Abweichend  von  der  gewöhnlichen  Art  oberhalb  des  von  seiner 
gewöhnlichen  Stelle  verschobenen  Zapfens  aus  dem  Pfahlbau  vom  Lac  du  Bourget 
(Savoyen):  E.  Chantre  pl.  LVI,  3. 

2)  E.  Chantre  pl.  XXX. 

3)  Einfache  Zickzacklippe  am  Griffende:  E.  Chantre  pl.  XIX,  2.  Mortillet, 
Mus.  prrdiist.  pl.  LXXVIII,  854.  Horizontal  gerichteter  Winkel  am  Zapfen  von  ab- 
weichender Form:  Evans,  Bronze-Implements  S.  197,  Fig.  293. 

4)  Am  grössten  Teile  der  Längsrippe  hängende  Bogenreihe:  Lindenschmit,  Altert. 
uns.  heidn.  Vorz.  I  12,  2  Nr.  11. 

5)  Ausnahmsweise  2  roh  eingeschlagene  Querfurchen  am  Griffende  aus  Wasser- 
burg, Kr.  Beeskow-Storkow.  Berl.  Mus.  f.  Völkerkunde  II  1 1  570.  Das  sind  aber  keine 
Ornamente  ! 

('))  Mittig.  der  antiquar.  Gcsellsch.  in  Zürich  IX  S.  '.)<». 


—     429     — 

Funde,  in  einem  geschlossenen  Depot  zahlreiche  Übereinstimmungen  der 
„Gussmarken"  gefunden  haben,  ist  es  unmöglich,  aus  derselben  Gussform 
hervorgegangene  Stücke  zusammenzustellen. 

Bei  alldem  muss  aber  die  geringe  Zahl  der  bisher  bekannten  Guss- 
formen  für  Sicheln  sehr  auffallen,  da  sie  in  keinem  Verhältnis  zur 
grossen  Zahl  der  Gussstücke  selbst  steht.  Man  wird  annehmen  müssen,  dass 
in  den  meisten  Gussstütten  ein  Verfahren  üblich  war,  bei  dem  man  der 
festen  Steinform  nicht  bedurfte.  Der  grössten  Wahrscheinlichkeit  nach 
hat  man  sich  also  zur  Herstellung  der  Sicheln  der  immer  schnell  her- 
zustellenden Sandform  bedient.  Für  sie  war  jedes  beliebige  Sichel- 
exemplar als  Modell  verwendbar  und  mit  dessen  Hilfe  der  Guss  aufs 
leichteste  auszuführen. 

Anders  freilich  hat  man  sich  gegenüber  der  Frage  zu  verhalten,  ob 
die  Haupttypen  bestimmten  Ursprungsgebieten  zuzuweisen  sind.  Darauf 
abzielende  Versuche  sind  auch  gelegentlich  gemacht  worden.  Schumann1) 
unterscheidet  westeuropäische  (Lochsicheln)  und  nordische  (Knopf- 
sicheln) und  glaubt,  dass  die  letzteren,  wenn  sie  in  der  Schweiz  auftreten 
aus  dem  Norden  importiert  sind.  Das  ist  meines  Erachtens  beides  nicht 
7Ai  treffend. 

Mit  Rücksicht  auf  das  Verhältnis  von  Typus  I  zu  Typus  II  könnten  wir 
reine  und  gemischte  Zonen  unterscheiden. 

Unter  den  Funden  aus  den  Terramaren  und  Pfahlbauten  Oberitaliens 
kommt,  soweit  mir  das  Material  durch  die  Literatur  bekannt  werden 
konnte,  ausschliesslich  Typus  I  vor.  Und  zwar  ist  hier  die  Variation  a 
mit  der  senkrecht  abfallenden  Griffbahn  besonders  beliebt  (Fig.  19 — 20) 2), 
Die  andere  Variation  b  ist  mir  aus  Italien  nur  von  der  Gussform  aus 
dem  Depotfunde  von  Freghera,  Prov.  Como,  ferner  aus  den  Depotfunden  von 
Casalecchio,  Prov.  Forli,  und  St.  Francesco  bei  Bologna3)  bekannt,  scheint 
also  einer  jüngeren  Periode  der  Bronzezeit  und  dem  Beginn  der  Eisenzeit 
eigentümlich  zu  sein.    (Letztere  abg.  Fig.  28.) 

Mit  der  Terramarekultur  ist  aber  der  Typus  Ia  bis  an  die  Küsten 
des  jonischen  Meeres  weiter  südwärts  gegangen.  In  Tarent  beim  Scoglio 
del  Tonno  haben  sich  unter  dem  für  die  östliche  Gruppe  der  ober- 
italienischen  Terramaren  charakteristischen,  keramischen  und  bronzenen 
Formenvorrat  auch  Sicheln  des  genannten  Typus  gefunden.  (Fig.  29.)*) 
Auch  hier  unterscheidet  sich  diese  archaische  Sichelform  sehr  deutlich 
von  den  jüngeren  Bronzesicheln,  die  schon  der  ersten  Eisenzeit  angehören 
und  die  Übergangsformen  zu  den    aus  Eisen  verfertigten  darstellen;8)    die 


1)  Baltische  Studien  N.  F.  IV  1900  S.  148  und  Schumann,  Kultur  Pommerns  in 
vorgeschichtl.  Zeit  S.  .".'.»f. 

2)  Typus  Ia:  Kellers  Pfahlbauten  .">.  Per.  Tf.  II  6.  7.  Montelius,  Civil,  prim.  en  Italie 
B  pl.  19,3  (Montale,  Prov. Modena);  pL  5,10  (Peschiera  im  Gerdasee);  pL  l. 5,5  (Campeggine, 
Emilia);  pl.  ,">.">,  14  (Einzelfund.  Beg»io  Emilia).  Gussformen:  Montelius  a.  a.  0.  pl.  1  I.  18 
(Castione,  Prov.  Parma);  pl.  17,2  (Gorzano,  Prov.   Modeua):  vgl.  oben  zur  Technik. 

3)  Typus  Ib:    Montelius  a.  a.  0.  pl.  29,  12,  30,  II.  69,  7,  12. 
■1    Pigorini,  Pullet,  d.  paletnot  ital.  XXVI  S.  16  Fig.  B. 

5)  Aus  dem  Depotfunde  von  Manduria.  Bullet,  paletn.    ital.  XXIX    108  f.  Taf.   VIII 


—     430     — 

oben  beleuchteten  Merkmale  der   bronzezeitlichen  Sicheln    sind    an    ihnen 
bereits  sämtlich  verschwunden. 

In  der  Schweiz,  wo  die  Pfahlbauten  zahlreiche  Sicheln  geliefert 
haben,  überwiegt  ganz  entschieden  Typus  I  mit  der  Variation  b  (Fig.  2.1. 
22.26).  währenddie  Variation  a  mir  daher  nicht  bekannt  geworden  ist.1) 
Doch  kann  man  die  Schweiz  nicht  als  seine  Zone  betrachten,  da  auch. 
Sicheln  des  Typus  II,  wenn  auch  in  in  beschränktem  Masse,  vorkommen.2) 
Das  bestätigt  Heierli  in  seiner  Urgeschichte  der  Schweiz  (S.  277),  unter- 
scheidet aber  die  Pfahlbaufunde  von  den  Landfunden,  insofern  er  unter 
den  letzteren  die  Knopfsichel  häufiger  beobachtet  hat. 

Auch  Keller  (Pfahlbauten  7.  Ber.  S.  14)  macht  beim  Pfahlbau  von 
Mörigen  in  Bezug  auf  das  Verhältnis  der  beiden  Haupttypen  die  Be- 
obachtung,   dass    unter    30  Stück  nur    eine  vom    Typus  II  sich    befindet. 

In  keinem  Falle  sollte  man  aber  die  vorkommenden  Vertreter  des- 
Typus  II  als  Importstücke  betrachten. 

Iu  Ungarn  überwiegt  zwar  ebenfalls  Typus  I  und  bietet,  wie  wir 
gesehen  haben,  gerade  für  die  Frage  der  Gussmarken  auf  Sicheln  dieses 
Typus  ein  reiches  Material,  aber  das  Verhältnis  der  beiden  Haupttypen 
verschiebt  sich  doch  so  sehr  zu  Gunsten  des  Typus  II,  dass.  wir  auch 
Ungarn  zur  gemischten  Zone  rechnen  müssen.3)  Aber  auch  hier  sind 
die  „Knopfsicheln"  keineswegs  importiert,  sondern  in  einheimischen  Guss- 
stätten verfertigt  worden,  wie  die  mehrfach  gefundenen  Gussformen  be- 
weisen (vgl.  oben  S.  115.    Anm.  3). 

Für  Typus  I  sind  mir  zwar  Gussformen  aus  Ungarn  nicht  bekannt, 
doch  kann  bei  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  von  Sicheln  gerade  dieses 
Typus  an  ihrer  ungarischen  Herkunft  nicht  gezweifelt  werden.  Übrigens 
beobachtet  man  an  diesen  Sicheln  das  Bestreben,  die  Griffbahn  von  der 
Sichelklinge  scharf  abzusetzen,  also  eine  Annäherung  an  den  Peschiera- 
Typus.*)     Ein  recht  charakteristisches  Beispiel  bietet  Fig.  30. 

Wo  der  Ursprung  dieser  Variation  a  zu  suchen  ist,  in  Italien  oder  in 
Ungarn,  wird  sich  aus  der  weiter  unten  zu  behandelnden  Chronologie  er- 
geben. 


1)  Keller,  Pfahlbauten  1.  Ber.  Tf.  V,  14,15;  3.  Ber.  Tf.  V,  30;  6  Ber.  Tf.  IX,  33. 
V.  Gross,  Protohelvetes  Tf.  XX,  5— S.  Ullrich,  Katalog  d.  Sammlg.  d.  antiqu.  Ges.  in  Zürich 
S.  88  nr.  1741g.  Mortillet,  Mus.  Prehist  pl.  LXXVII1,  856.  857.  Heierli,  Urgesch.  der 
Schweiz  S.211,  217.  223.  229.  —  Gussformen  bei  Heierli  S.  225  Fig.  211  ab. 

2)  V.  Gross  a.  a.  0.  pl.  XX,  3.  Mehr  nach  Art  der  "Winzennesser:  Keller,  Pfahl- 
bau^.n  8.  Ber.  Tf.  II  33:  Hl   IC    17. 

3)  Die  beiden  Typen  verteilen  sich,  wie  folgt:  Typus  I:  Hampel  1 14,  5—8;  15,  1  —  3; 
95,  22.  23;  99,  1—16;  117,  5-17;  118,  1-9.  11;  125,  31—44;  L52,  1-28.  11  152,  1-28; 
154,  15  -24;  l.Y>,  9-16;  157,  14-20;  158,  6-7;  15!),  17.  IS;  164,  7—9.  III  192,  1-22; 
L95,  L9-24;  2(»5,  1  21;  206,  21.  22:  209,  26;  210,  14-35;  214,  22-30;  235,  11,  12; 
236,  9  12:  239,  1-15.  Typus  II:  Hampel  I  '.»•"»,  20:  111,  5-10.  :!7;  120,  11-19. 
II  L56,  9-19;  ICO,  I.  Gemischte  Funde  mit  Typus  I  und  II:  Hampel  I  <S'.),  11.  12; 
107,  21  : 2:; -27;  los,  H:32-39;  116,25:24.26;  122,29-54.  11143,12:13—18;  147, 
33-38:1-32;  17:;,  11  :  lo.  12.  III  201,  10—12.  11.  1."».  19:13,  IC.  17.  18;  23:'.  (unter 
36  Fragmenten  nur  zwei,  Nr.  IC.  25,  vom  Typus  II). 

4)  Vgl.  Hampel  1  11,  5;  1.  .J:  89,  12;  !>(.>,  1.  6.  7.  lo.  II.  III  L92,  7  u.  a.  m. 
Demgegenüber  kann  ich  nur  wenige  Beispiele  anführen,  bei  denen  die  Art  der  Variation  t> 
vorwiegt:  I  L07,  21:  II  157,  11-20;  Ul  204,  10;  205.  206.  209,  26. 


—     431     — 

Unter  den  ungarischen  Funden  füllt  nun  eine  dritte  Sichelform  auf, 
die  von  allen  übrigen  Typen  abweicht  und  oben  als  Typus  III  abgesondert 
wurde  (Fig.  23). *)    Charakteristisch  für  sie  ist  das  hakenförmige  Griffende 

(vgl.  oben  S.  1  l:>).  Obgleich  es  nicht  zweifelhaft  sein  kann,  dase  in  Ungarn 
auch  Sicheln  des  Typus  I  und  II  angefertigt  wurden,  pflegen  die  ungarischen 
Prähistöriker  den  Typus  III  als  eine  ungarische  Spezialität  „die  eigen- 
tümliche Form  des  ungarischen  Bron/.e^ehietes,  welche  sich  ausschliesslich 
in  dieser  liegend  entwickelt  hat"*),  oder  mich  als  Biebenbürgischen 
Typus3)  zu  bezeichnen. 

Dass  er  zu  gleicher  Zeit  mit  den  beiden  anderen  Typen  im  Gebrauch 
war,  beweisen  Depot-  und  ( lussstüttenfunde,  in  denen  er  mit  einem  der- 
selben oder  mit  beiden  vereinigt  vorkommt.4)     (Vgl.  darüber  noch  unten.) 

Keinesfalls  kann  er  aber  in  bezug  auf  Häufigkeit  des  Vorkommens 
den  beiden  anderen  Typen  die  Wagschale  halten.  Dazu  kommt,  dass  er 
nicht  auf  Ungarn  beschränkt  ist,  sondern  ausserhalb  seiner  Grenzen,  in 
Südrussland "),  Kaukasus6)  und  Polen7)  sich  vorfindet.  Die  unten  genannten 
Gussformen  liefern  gar  den  Beweis,  dass  diese  Typen  in  Südrussland  und 
im  Kaukasus  auch  angefertigt  wurden.  Ebenso  können  freilich  auch  die 
ungarischen  ( iusswerkstütten  eigene  Formen  für  diesen  Typus  im  Gebrauche 
gehabt  haben;  aber  dass  er  in  Ungarn  seinen  Ursprung  hatte  und  von 
dort  aus  weiter  nach  Osten  verpflanzt  wurde,  lässt  sich  nach  dem  Stande 
der  Dinge  nicht  aufrecht  erhalten. 

Diese  Beziehungen  zwischen  Ungarn  einerseits  und  Südrussland  und 
dem  Kaukasus  andererseits  sind  lehrreich  und  beweisen,  wie  man  auch 
mit  Ackerbaugeräten  Kulturgeschichte  treiben  kann.  In  dieser  Hinsicht 
stellen  sich  die  Bronzesicheln  an  die  Seite  der  viel  älteren  kostbaren, 
goldenen  Hängespiralen,  deren  Typen  bestimmt  ungarischer  Herkunft  sind 
und  von    da  aus  nach  ihrem  zweiten  Fabrikationszentrum,  dem  Kaukasus. 


1)  Hampcl  I  15,   I.  5;  95,  22—24;   118,  10.     U  148,  1-13  (neben  Typus  I  und  II:. 

2)  Ortvay,  Mitteil,  anthrop.  Ges.  Wien  1887.     XVII.  3!». 

3)  Nach  üainpel  ..erdely  typus". 

h  Gussstättenfund  von  Bodrog-Kcresztür,  Koni.  Zemplen:  Hampcl  I  95,  24  (neben 
Typus  I  und  II).  —  Depotfund  von  Ker,  Korn.  Somogy:  Hampel  I  118,  in  (unter  zahl- 
reichen Vertretern  des  Typus  I).  —  Grosser  Giessereifund  aus  Espänlaka,  Kom.  Also  Fejer-' 
Hampel  II  148,  1—13  (neben  zahlreichen  Sicheln  des  Typus  I  und  II).  —  Gussstätte  von 
Szent-Erzsebet  Koni.  Szeben:  Hampel  I  15,   I.  5. 

5)    Unter  Grii    sereifunden  aus  der  Umgegend  von  Odessa  bei  Martin.   Zeitschr.  für 

Ethnologie  X.W   1898  Verhandl.  Ulf.  Fig.  5— 7;  zur  Gussform  Fig.  LO  vgl.  oben  S.115. 

Ferner  Aspelin,  Antiquites  du  Nord  Fiuno-Ougrien  pl.  82,  360;  83,  369  (Cherson,  Ekate- 

rinoslav  und  Krim).    Ans  der  Gegend  des  Dniepr:    Collection  Khanenko,  Antiquites  de  la 

.region  du  Dpiepr  I  pl.  IX.  5b, 

6     Aus  Kabarda  l>ei  E.  Chantre,    Recherches    anthropologiques    dans  le  Cancase 
pl.  VI,  1.    Aus  Bekeschew  bei  Mortillet,  Mus.  prebist.  pl.  I. XX VI II.  862  (M.  hält  diesen 
Typus  irrtümlicherweise  für  jünger  als  die  anderen).  —   Kino  Gussform  s   oben  S.  li"> 
Anm.  I. 

7)  Aus  dem  Polnischen  Nationalmuseum  im  Schlosse  von  Rapperswei]  am  Züricher 
See  bei  R.  Forrer,  Antiqua  L885  Taf.  33,   I    Fundort  also  zweifelhaft). 


—     432     - 

übertragen  wurden.1)  Jedenfalls  werden  wir  den  Typus  III  als  südost- 
europäischen bezeichnen  dürfen. 

Aus  der  sibirischen  Bronzekultur,  wie  man  denken  könnte,  lässt  er 
sich  nicht  ableiten.  Die  sibirischen  Sicheltypen  sind  von  allen  europäischen 
total  verschieden.2) 

Anders  verhält  es  sich  mit  den  Balkanländern  und  den  angrenzenden 
Gebieten  an  der  Nordostküste  des  adriatischen  Meeres,  soweit  wir  hier 
die  Funde  verfolgen  können.  Gerade  die  Bronzesicheln  aus  Bosnien8) 
und  Istrien4)  sind  zweifellose  Belege  für  die  ungarischen  Einflüsse,  die 
sich  südwärts  geltend  gemacht  haben.  Sie  stimmen  so  mit  den  ungarischen 
überein,  dass  man  an  einen  direkten  Import  aus  Ungarn  zu  denken 
geneigt  ist. 

Verfolgen  wir  das  Auftreten  der  Bronzesicheln  weiter  nach  Westen, 
so    können    wir    ganz  Mitteleuropa    als    gemischte  Zone    betrachten5), 


1)  Ausführlich  wird  über  dieses  Thema  nach  einem  in  der  archäologischen  Gesellschaft 
zu  Berlin  im  Februar  1903  gehaltenen  Vortrage  in  einem  besonderen  Aufsatze  gehandelt 
werden. 

2)  Im  Museum  von  Minussinsk  bei  Aspelin,  Antiquites  du  Nord  Finno-Ougiien 
pl.  57.    Martin,  Ztschr.  f.  Ethnologie  1893.     XXV  Verhdl.  S.  39  Fig.  12. 

3)  Einige  von  den  bosnischen  Sicheln  sind  gute  Vertreter  der  Variation  a  des  Typus  I; 
im  übrigen  sind  nur  solche  vom  Typus  Ib  vorhanden.  Depotfund  von  Sumetac  bei  Podz- 
vizd,  Bez.  Cazin:  Mitteil.  Bosn.  Herzog.  I  1893  S.  36 ff.  Fig.  1—4.  10.  Depotfund  von 
Peringrad,  Bez.  Zsornik:  ebenda  IV  189G  S.  181  Fig.  42.  43.  Depotfund  von  Motke,  Bez. 
Visoko:  ebenda  VI  1899  S.  144 ff.  Fig.  21.  22.  Einzelfund  von  einem  Gradina  von  Bobol- 
juske,  Bez.  Petrovac:  ebenda  VI  1899  S.  141  Fig.  7. 

4)  Von  Muscoli  bei  Marchesetti,  i  castellieri  preistorici  in  Trieste  e  della  regione 
Giulia  1903  Tav.  XI,  21. 

5)  Ich  zähle  im  folgenden  die  Funde  nach  geographischen  Gesichtspunkten  auf  mit 
dem  besonderen  Bemerken,  dass  ich  mich  auf  die  allgemein  zugängliche  Literatur  be- 
schränken muss,  von  dem  in  Berlin  befindlichen  Material  aber  nur  auf  die  königliche 
Sammlung  Bezug  nehme,  also  in  keinem  Falle  auf  Vollständigkeit  des  vorhandenen  Materials 
Anspruch  machen  kann. 

Böhmen. 
Siehe  Richly,  Die  Bronzezeit  in  Böhmen  Typus  I:  Taf.  I,  4;  II  6—8  (Berin). 
VII,  4  (Taus).  XII  21.  22  (Krendorf).  XV,  4  (Kolin).  XXXI,  3  (Rejkovice).  XLV  (Rataja). 
Typus  II:  Taf.  XIV,  1.  2  (Krupa);  Taf.  XXXIII,  13  (Smedrov);  XXXVI,  12  (Sobenice). 
Typus  I  und  II:  Taf.  XVI,  18.  XVII,  44.  46.  XVIII,  60.  Typus  I:  XVI,  15  Typus  II 
(Lhotka).  Taf.  XXI,  36.  39  Typ.  I:  44  Typ.  II  (Maskovice).  Taf.  XXII,  1.  3.  XXIII,  22. 
23.  25  Typ.  I:  XXII,  9  Typ.  II  (Sträzi).  Bei  dem  Exemplar  von  Maskovice  (Typ.  II)  ist 
die  für  Typus  I  charakteristische  Stellung  des  Gusszapfens  auf  der  Sichelwölbung  ab- 
weichend. —  Dazu  kommen  Sicheln  des  Typus  Ib  aus  den  sog.  Schmelzöfen  von  Plesivec: 
Mitteil,  anthrop.  Ges.  Wien  XXVI  1896  S.  217  Fig.  441.  442. 

Mähren. 
Typus  I:  Cervinka,  Morava  za  praveku  1902  S.  155  Fig.  1.  2;  Taf.  36,  7.  8  (ohne 
Ansatz).     Typus  II:  Cervinka  S.  234  Fig.  111.     Depotfund  von  Ungarisch-Brod:   Mitteil. 
anthrop.  Ges.  Wien  XIV  1S84  Sitzber.  S.  36  „Hohlkelte  und  Sicheln  in  einem  Gefässe". 

Ober-Österreich. 
Freistadt,  bei  Richly  a.  a.  0.    Typus  I:  Taf.  III.  1.  .!.     Typus  II:  Taf.  III,  2. 

Kärnten. 
Depotfund  von  Augsdorf:  Typen  I  wie  die  von  Krendorf  in  Böhmen  (Mitteil.  d.  K.  K. 
Zentralkoinmission  XX  1891  S.  112 f.). 


—     433     — 

wobei    das    numerische  Verhältnis    von  Typus   I   und   II    ungefähr    dem  in 
Ungarn    festgestellten    gleicht,    bei    Typus  I    aber    eine  Vorliebe    für    die 


Bayern. 

Typus  I:  Depotfund  von  Windsbach,  Mittelfranken  (Eidam,  Prähist.  Blätter  1897 
S.  lff.  Tai'.  T,  2).  Depotfund  von  Pullach  bei  München  (W.  M.  Schmid,  Altbayr.  Monats- 
schrift I  1899  S.  155 ff.  Fig.  8).  Typus  II:  im  Spessart  zwischen  Dürrmorsbach -Strass- 
Besscnbach,  B.-A.  Aschaffenburg  (Schumacher,  Korresp.-Bl.  1903  S.  99  No.  53).  Typus  I 
und  II:  Giesserfund  von  Gunzcnhausen  bei  Stockheim  (Eidam,  Prähist.  Blätter  1903  S.  IT  ff. 
Tal'.  II,  11.  15).  Unbestimmter  Typus:  Depotfund  von  Horgauergereuth  bei  Zusmars- 
hausen  (Beiträge  z.  Anthrop.  u.  Urgcsch.  Bayerns  Bd.  9  S.  1  l'.if.  Prähist.  Blatt.  1889  8.  44 
Taf.  IV,  5—7). 

Südwest- Deutschi  and. 
Die  südwestdeutseben  Funde  lassen  sich  in  der  Zusammenstellung  von  K.  Schumacher 
(Korresp.-Bl.  d.  deutsch,  anthrop.  Ges.  1903)  gut  übersehen. 

Württemberg. 
Typus  I:  Dächingen,  O.-A.  Ehingen  (v.  Tröltsch,  Fundber.  a.  Schwaben  1S9G  S.  31  11. 
Fig.  1.  2).     Winterlingen,    O.-A.   Balingen    (Fundber.  a.  Schwaben  IV  S.  31).     Pfef'tingen, 
O.-A.  Balingen  (Edelmann,  Prähist.  Blätter  XI,  17 ff.). 

Ho  henzollern-Sig  marin  gen. 
Typus  I:    Paulshöhle   bei    Beuron    (Schumacher  S.  9G  Nr.  3<i.     Lindenschmit, 
Altert,  uns.  heidn.  Vorzeit  I  12,  2  Nr.  4:  D.  vaterländ.  Altert,  a.  Sigmaringen  Taf.  XLI,  4.  5). 
Burgstall   zwischen  Beuron  und  Friedingen  (Schumacher  Nr.  37.    Edelmann,    Prähist. 
Blätter  1899  Taf.  I,  12). 

Baden. 

Typus  I:    Ettlingen  (Schumacher  S.  95  Nr.  30  Phot.  Album  VII  Taf.  14  Nr.  97). 

Dossenheim  B.-A.  Heidelberg  (Schumacher  S.  95  Nr.  31  Phot.  Album  VII  Taf.  12  Nr.  92;. 

Typus  II:    Ackenbach  B.-A.  Überlingen    (Schumacher  S.  94  Nr.  28).     Sichelmesser  mit 

Knopf  aus  dem  Torfmoore  von  Bussensee  (Bodenseegegend):  Antiqua  1885  S.  8G  Taf.  XX,  7. 

Hessen-Nassau. 
Typus  I:    Hochstadt,    Kr.  Hanau   (Schumacher   S.  98   Nr.  49.    Phot.  Album  VII 
Taf.  I  Nr.  IG).    Eibingen  bei  Rüdesheim  (Schumacher  S. 99  Nr.  52.    Pallat,  Nass.  Annal. 
1897    Fig.  10.  11).     Typus  I   und  II:    Homburg  v.  d.  H.  (Schumacher  S.  99   Nr.  Ol). 
Unbestimmt:  Goldgrube  bei  Niederursel  (Schumacher  S.  99  Nr.  50). 

Hessen  (rechtsrheinisch). 
Typus  I:  Gambach  (Schumacher  S.  98  Nr.  47).    Typus  II:  Maar,  Kr.  Lauterbach 
(Schumacher  S.  98  No.  28a).    Typus  I  und  II:  Ockstadt,  Kr.  Friedberg  (Schumacher 
S.  98  Nr.  44  Verhältnis  17::'.). 

Rheinhessen. 
Typus  II:  Wöllstein,  Kr.  Alzey  (Schumacher  S.  93  Nr.  14a).  Typus  I  und  II; 
Blödesheim,  Kr.  Worms  (Schumacher  S.  92  Nr.  11.  Lindenschmit,  Altert,  uns.  heidn. 
Vorzeit  I  12,  2  Nr.  9.  12).  Im  Rheine  bei  Mainz  (Schumacher  S.  93  Nr.  IIa.  West- 
deutsche Zeitsclir.  XVIII  L899  S.  404  Taf.  G  Nr.  2— 7).  Unbestimmt:  Hangenweisheim, 
Kr.  Worms  (Schumacher  S.  92  Nr.  10). 

Rheinpreussen. 
Typus    I:     Rummelsheim,     Kr.    Kreuznach    (Schumacher   a.  a.  0.).     Typus   II: 
Kreuznach  (Schumacher  S. 91  Nr.  15a). 

Lothringen. 
Typus    I:     Niederjeutz,     Kr.    Diedenhofen     (Seh  um  ach  er    a.  a.   0.).     Typus  II: 
Pouilly,  Kr.  Metz  (Schumacher  S.  91  Nr.  4). 


—     434     — 

Variation  b,  häufig  ohne  den  seitlichen  Ansatz,  sich  beobachten  lässt.  In 
dieser  Hinsicht  sind  die  mitteleuropäischen  Formen  mehr  ähnlich  denen 
der  Schweiz  als  den  ungarischen. 


Thüringische  Staaten. 

Unbestimmt:  Deetz,  Kr.  Dessau  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1894  XXVI  Verbandl.  §.  328. 
Depotfund  unter  einem  Stein:  40  Sicheln,  5  Celte,  6  Lanzenspitzen,  5  Halsringe,  3  Guss- 
stücke). Typus  II:  Riesdorf,  Anhalt,  Depotfund.  Berliner  Museum  IIb  757 — 759;  vgl. 
A.  Götze,  Nachr.  über  deutsche  Altertumsfuude  1896  S.  75  Fig.  1.  —  Kölbigk,  Anhalt, 
ebenda  II  5799. 

Königreich  Sachsen. 

Über  die  Funde  des  Königreichs  Sachsen,  soweit  sie  in  der  königl.  prähistorischen 
Sammlung  in  Dresden  aufbewahrt  werden,  bin  ich  in  überaus  dankenswerter  Weise  durch 
Hrn.  Prof.  Deichmüller  unterrichtet  worden.  Der  Hauptfund  ist  hier  der  grosse  Giesserei- 
fund  von  Weissig  bei  Grossenhain  (aus  dem  Jahre  1853),  dessen  Inventar  in  verschiedene 
Museen  zerstreut  worden  ist  (Grossenhain,  Bautzen,  Zittau,  Freiberg,  Leipzig,  Berlin);  die 
Hauptmasse  ist  nach  Dresden  gekommen,  darunter  50  Sicheln  und  Bruchstücke  von  solchen. 
(Literatur:  K.  Preussker,  Übersicht  der  mit  der  königl.  Antiken-Sammlung  in  Dresden 
vereinigten  Preusskerschen  Sammluug  vaterländischer  Altertümer  185G  (worauf  Herr 
Deich müller  freundlichst  verweist).  Dazu:  Mitteil,  des  königl.  sächs.  Vereins  für  Er- 
forschung und  Erhaltung  vaterländischer  Altertümer,  Heft  10.  Dresden  1857.  S.  2(5 f. 
Katalog  der  prähistorischen  Ausstellung  in  Berlin  1880  S.  5341).  Hr.  Deichmüller  zählt 
folgende,  weitere  Funde  aus  dem  Königreich  Sachsen  auf:  Wildenhain  bei  Grossenhain 
(2  Zierscheiben,  1  Armring,  1  Lanzenspitze,  1  Armspirale,  2  Lappenkelte,  1  Sichel);  Laube- 
gast  bei  Dresden  (1  grosser  Ring  mit  schraubenförmigen  Windungen,  12  Schaftlappenkelte, 
IG  Sicheln);  Tharandter  Forstgarten  bei  Dresden  (1  Zierscheibe,  5  Armringe,  1  Bruch- 
stück, 4  Armspiralen,  5  Sicheln;  vgl.  Isis  1899  S.  19 — 22);  Koblenz  bei  Bautzen  (9  Hohl- 
kelte,  1  Lappenkelt,  G  Lanzen,  1  Spirale  aus  Draht,  2  Sicheln  und  1  Bruchstück).  Die 
Typen  verteilen  sich  in  folgender  Weise:  Typus  I  und  II:  Weissig  bei  Grosshain;  und 
zwar  überwiegt  hier  bei  weitem  der  Typus  II,  von  welchem  20  Stück  und  4  Griffenden 
vorhanden  sind,  während  Typus  I  nur  durch  2  vollständige,  1  Mittelstück  und  3  Griffenden 
vertreten  ist.  Zahlreiche  Exemplare  des  Typus  II  haben  auch  „Gussmarken";  auf  den 
von  Hrn.  Deichmüller  mir  freundlichst  übersandten  Photographien  finde  ich  den  Zwei- 
strich einmal,  den  Drei-  und  Vierstrich  mehreremale  vertreten,  ohne  dass  die  betreffenden 
Sicheln  aus  einer  Gussform  wären.  Laubegast:  mit  14  Sicheln  des  Typus  I  und  4  Sicheln 
des  Typus  IT.  Koblenz:  1  Sichel  Typus  I,  2  vom  Typus  IL  Typus  II:  Tharandt  und 
Wildenhaiu  (nach  Deichmüller).  Ferner  aus  dem  Preuskerschen  Nachlasse,  also 
wahrscheinlich  zu  dem  grossen  Funde  von  Weissig  gehörig  im  Berl.  Mus.  II  6603ff.  ein 
Lappencelt  und  <S  Sicheln  des  Typus  IL    Ferner  Berl.  Mus.  IIb  5G  (Dresden). 

Provinz  Schlesien. 
Vgl.  0.  Mertins,  Depotfunde  der  Bronzezeit  (Schles.  Vorzeit  VI).  Typus  I:  Ott- 
muchow,  Kr.  Tost-Gleiwitz  (Mertins  S.  3G3  Fig.  4).  —  Karmine,  Kr.  Militsch,  Berliuer 
Museum  Ie  1313.  Typus  II:  Poln.  Peterwitz,  Kr.  Breslau  (Mertins  S.  365f ).  —  Kar- 
mine: Berl.  Mus.  Ie  102.  103  a,  b  (zu  einem  Depotfunde  gehörig).  Andere  Berl.  Mus.  Ie 
942.  1128 {Busehen-,  Kr.  Wohlan);  Ie  1178  (Sabor,  Kr.  Glogau).  Typus  I  und  II:  Protsch, 
Kr.  Militsch  (Mertins  S.  370  Fig.  1.  <;.  7.  LO.  12).  Karinine,  Kr.  Militsch  (Mertins 
S.  :\l-2  Fig.  8- in. 

Provinz  Brandenburg. 
Typus  I:  a)  Depotfunde:  Lehnitz,  Kr.  Niedcrbarnim  (Nachrichten  1895  S.  L6  Fi^r-  3). 
Dechsel,  Kr.  Landsberg  a.  W.  Berl.  Mus.  If  HOGlp-v  (vgl.  Brandenburgia  X  L902  S.Mlff.). 
-  lij  Einzellunde:  Geissen.  Kr.  Luckau.  Berl.  Mus.  II  10063.  Glienicke,  Kr.  Beeskow 
(Zeitschr.  f.  Ethnol.  XXXII  1900,  Verbandl.  S  540  Fig.  5).  Typus  II:  a)  Depotfunde: 
Guschter  Holländer,  Kr.  Friedeberg.  Berl,  Mus  [f  2909— 2911  (vgl.  Nachrichten  1890 
8.  22).  Wasserburg,  Kr.  Beeskow- Storkow.  Berl.  Mus.  II  LI 570.  Pritzcrbe,  Kr.  West- 
havelland, Berl.  Mus.  II  .".789.    Werder.  Kr.  Zauch-Belzig,  Berl.  Mus.  If  137.     Lichterfelde, 


—     435     — 

Die  spezifisch  ungarische  Sichelform  mit  Langem  Griffende  in  An- 
näherung an  <leii  Typus  Ta  ist  meines  Wissens  in  der  nördlich  gelegenen 
Zone  von  Mitteleuropa  von  geringem  Einflüsse  gewesen.*) 

Einen  direkten  Import  von  ungarischen  Sicheln,  wie  in  Bosnien  und 
Istrien,  wird  man  niemals  annehmen  können.  Seihst  im  Bereiche  der 
ostdeutschen  Buckelkeramik,  wo  die  Annahme  von  Büdöstlichen  Einflüssen 
nahe  liegen  würde,  schliessen  sich  die  Sicheln  des  Typus  1  mehr  den  in 
der  Schweiz  üblichen  Grundformen  an.  Ob  hier  die  Knopfsichel  auf 
ungarische  Einflüsse  zurückzuführen  ist.  wird  die  chronologische  Sichtung 
des  Materials  ergeben.") 

Kr.  Oberbarnim  lf  .'!!>(>.  Malcbow,  Kr.  Njedcrbarnim  II  5205 ff.  Arendsce,  Kr.  Prcnzlau, 
Berl.  Mus.  If  199.  200.  Petersdorf,  Kr.  Lebus:  8  Miniatursicheln  in  einem  zylinderförmigen 
Tongefässe  (Ztschr.  f.  Ethnol.  XXXII  1900,  Verhandl.  S.  539f.  Fig.  3.  4).  —  b)  Einzelfunde 
aus  dem  Berliner  Museum  für  Völkerkunde:  Burg,  Kr.  Kottbus  If  58.  II  11 197.  Itietz, 
Kr.  Beizig  If  568.  Guschau;  Kr.  Sorau  If  2247a—  c.  Grünow,  Kr.  Angermünde  If  2397. 
Rehuitz,  Kr.  Soldin  lf  2604;  Brunne,  Kr.  Osthavelland  If  3079.  Amt  Wittstock,  Kr. 
Königsberg  If  3752.  Golssen,  Kr.  Luckau  II  10095/96.  Freiwalde,  Kr.  I.uckau  II  10094. 
Müschen,  Kr.  Kottbus  II  11641.  Barnewitz,  Kr.  Westhavelland  If  6204.  Ausserdem  Forst, 
Kr.  Sorau  lNiederlaus.  Mitteil.  III  1894  S.  45  Taf.  II,  14).  —  Abzusondern  sind  sichel- 
förmige Winzermesser  mit  Zapfen  im  Depotfunde  von  Arnimshain,  Kr.  Templin  (Nachrichten 
1901  S.  TTff.  Schumann).  Typus  I  und  II:  Depotfunde  von  Straupitz.  Kr.  Lübben, 
Berl.  Mus.  If  1209—1255  (vgl.  Ztschr.  f.  Ethnol.  XV  1883,  Verhandl.  S.  244;  alles  Brucherz)"; 
—  von  Schwachenwalde,  Kr.  Arnswalde,  Berl.  Mus.  II  3962-3973  (11  Miniatursicheln  des 
Typus  II  und  ein  grosses  Exemplar  des  Typus  I),  ahg.  Bastian  und  Voss,  D.  Bronze- 
schwerter des  königl.  Musums  zu  Berlin  Taf  III;  —  Sommerfeld,  Kr.  Krossen,  Berl.  Mus. 
If  5246ff.  (8  Sicheln  Typus  II  und  1  Fragment  Typus  I);  —  Seelow,  Kr.  Lebus.  Berliner 
Museum  II   1392 ff.  (1  Sichel  Typus  I  und  1  Typus  II). 

Provinz  Sachsen. 

Typus  I:  Scheint  eine  grosse  Seltenheit  zu  sein;  mir  ist  nur  das  oben  abgebildete 
Exemplar  dieses  Typus  untpr  den  Apelschen  Sicheln  bekannt.  Typus  II:  a)  Depotfunde: 
Elsterwerda,  Kr.  Liebenwerda,  Berl.  Mus.  Ig  1187—1189  (vgl.  Nachrichten  1892  S.  18.52 
Schmon,  Kr.  Querfurt,  Berl.  Mus.  II  6634  6636  (Fund  III).  Pölzen,  Kr.  Schweinitz,  Berl. 
Mus.  Ig  1337.  Wiepersdorf,  Kr.  Schweinitz,  Berl.  Mus.  Ig  1352.  —  b)  Einzelfunde: 
Kötschen,  Kr.  Merseburg,  Berl.  Mus.  Ig  1170a,  b.  Frankleben,  Kr.  Merseburg,  Berl.  Mus. 
Ig  1179.  1180.  Carow,  Kr.  Jerichow  II,  Berl  Mus.  Ig  2806.  Reesen,  Kr.  Jericho*  II. 
Berl.  Mus.  II  10583.  10678.  10679.  Pölzen.  Kr.  Schweinitz  II  5649.  Ausserdem  Röder- 
berg  bei  Halle,  Phot.  Album  Sektion  VI,  Taf.  6,  21. 

Provinz  Hannover. 

Typus  II:  Aus  Hannover  kenne  ich  nur  einen,  allerdings  besonders  auffallend  grossen 
Fund  von  Sicheln,  1862  auf  dem  Pitjöckcnberge  bei  Bösel,  A.  Lüchow,  „im  Sande  auf 
dem  Grunde  einer  Steinsetzung  in  Form  eines  Backofens"  aufgedeckt  (vgl.  Kai.  d.  prahlst. 
Ausstellung  zu  Berlin  1880  S.  L83  Nr-59— 73).  Ursprünglich  umfasste  er  93  Exemplare; 
von  diesen  sind  nach  einer  freundlichen  Mitteilung  des  Hrn.  Dr.  C.  Heintzel  in  Lüneburg, 
in  dessen  Besitz  der  ganze  Fund  gewesen  ist,  nur  noch  II  Stück  in  seinem  Besitz 
blieben;  die  übrigen  sind  in  den  Museen  zu  Hannover  und  Lüneburg.  Anscheinend  gehören 
alle  dem  Typus  II  an.  —  Ferner  Berl.  Mus.  II  9520  aus  Uelzen):  1.1.  IS  (aus  Dannenberg). 
Typus  Ia:  Berl.  Mus.  II  9518  (aus  Eimstorf,  A.  Bleckede). 

h  Eine  rechte  „ungarische"  Sichel  ist  die  aus  Eimstorf,  Prov.  Hannover  (siehe 
8.  125  Anin.  :  sie  bat  ein  abgesetztes  Griffende  mit  einem  Ansatz  am  Umbruch  uud  auf 
der  Griffbahn  drei  Parallelrippen,  in  die  eine  Längsrippe  auseinander  geht. 

•_')  Merlin-  (Schh  Vorzeit  VI  364)  möchte  die  aus  scblesisclien  Funden  stammenden 
Formen  der  Loch*  und  Knopfsicheln  in  Ungarn  nachgewiesen  haben.  Im  Gebiete  der 
mittleren  Rheins  nimmt  Schumacher  [Westd.  Zeitsch.  XX   L901    S.  200     schon    für   die 


—     436     — 

Über  die  westdeutschen,  rechts-  und  linksrheinischen  Funde,  sowie  über 
die  der  westlich  angrenzenden  Gebiete  Frankreichs  wird  weiter  unten  aus- 
führlicher zu  handeln  sein. 

Xach  Norden  hin  nehmen  die  gemischten  Funde  allmählich  ab.  Die 
Einflüsse  der  südlichen  Formen  hören  schliesslich  auf.  Als  Grenze  für 
sie  könnte  man  eine  etwa  durch  Berlin   gezogene  Breitenlinie    annehmen. 

Von  da  an  beginnt  die  nordische  Zone,  in  der  nur  Sicheln  des 
Typus  II  vorkommen.1)  Aber  keine  Regel  ohne  Ausnahme.  Im  Berliner 
kgl.  Museum  (Kat  No.  II  6317 — 6321)  werden  aus  Wargen,  Kr.  Fisch- 
hausen (Ostpreusseu)  fünf  Sicheln  aufbewahrt,  die  ganz  und  gar  unter 
ungarischen  Einflüsseu  entstanden  sind:  sie  haben  senkrecht  abgehende 
Griffenden,  seitlichen  Zapfen  und  nur  eine  Längsrippe,  die  am  Griffende 
sich  gabelförmig  teilt. 


mittlere  Bronzezeit  ein  Überwiegen  der  Typen  der  Pfahlbautenkultur  an,  führt 
jedoch  gerade  die  Knopfsichel  auf  östliche  Einflüsse  zurück,  die  in  dieser  Zeit  nicht  aus- 
zuschliessen  seien.  Vgl.  darüber  unten. 

1)  Braunschweig. 

Typus  II:  Depotfund  von  Watenstedt  A.  Schöningen:  in  einem  bronzenen 
Hängegefässe  unter  21  bronzeneu  Gegenständen  4  „Knopfsicheln"  (Nachrichten  1901 
S.  81  ff.  Fig.  3.  4). 

Mecklenburg. 

Typus  II:  Moorfund  von  Gross-Dratow  nach  Beltz,  Meklenb,  Jahrbücher  54.  1889 
S.  103  Tf.  II,  5.  —  Beltz  zählt  von  anderen  auf:  Moorfund  aus  der  Lewitz,  Giesserfund 
von  Ruthen  (Jahrb.  Bd.  39,  129),  Depotfund  von  Wieek  (Jahrb.  Bd.  12.  415).  —  Ferner 
Berl.  Mus.  IIa  68    (Lübsee,  Mecklb,  Schwerin). 

Provinz  Schleswig-Holstein. 
Typus  II:   Nach    Splieth,   Inventar   der  Bronzealterfunde    aus  Schleswig-Holstein 

a)  Depotfunde:  Gr.  Buchwald  Kr.  Kiel  (Splieth  S.  38  nr.  179  Fig.  59. 60  (Kapein 
Kr.  Schleswig  (Splieth  S.  38  nr.  183).  Eichede  Kr.  Stormarn  (Splieth  S.  64  nr.  300). 
Oldesloe  Kr.  Stormarn  (Splieth  nr.  301),  Techelwitz  Kr.  Oldenburg  (Splieth  nr.  302).  — 

b)  Grabfunde:  Neuwühren  Kr.  Plön  (Splieth  S.30nr.  73  Fig.  60).  —  Ausserdem  c)  Einzel- 
funde Berl.  Mus.  Im.  778  a  (Sommerstedt  Kr.  Hadersleben);  II  9519  (Itzehoe  Kr.  Stein- 
burg). 

Provinz  Pommern. 

Typus  II:  a)  Depotfunde:  Kl.  Zarnow  Kr.  Greiffenhagen  (Mcnatsblätt.  d.  Pomm. 
Ges.  f.  Gesch.  u.  Altertk.  »XIV  1900  S.  74  ff  Fig.  c.  d)  Rosow  Kr.  Randow  (Balt.  Stud.  P,  F. 
V  1901  S.  9  Tf  II  15—23).  Nassenheide  Kr.  Randow  (Balt.  Stud.  N.  F.  VI  1902  Tf.  I  33) 
Steinwehr  Kr.  Greiffenhagen  (Monatsblätt,  1897  S  177  f).  —  Nach  Kühne  (Ba.lt.  Studien 
Bd.  33.  1883  S.  311  ff)  zähle  ich  auf:  Hökcndorf  Kr.  Altdamm,  Jahnkow  Kr.  Grimmen, 
Koppenow  Kr.  Lauenburg,  Mandelkow  b.  Bernstein,  Treptow  a.  d.  Rega;  doch  kann  ich 
über  die  Typen  dieser  Funde  nichts  sagen. 

Zu  Mandelkow  vgl.  Phot.  Album  Sekt.  III  Tf.  7  (Typ.  II).  —  e)  Einzelfunde  im  Berl. 
Mus.  Ic  717a. b.  miniaturartig(Damcrkow  Kr.  Bütow);  Ic3089  (Rödershorst  Kr.  Uckermünde); 
[c  3249d-g  (Warnow  Kr.  Uckermünde);  II 9902  (Greiffenhagen);  Ic  1586.  2354.  2355. 
3444;  II  5162  (alle  aus  Rügen). 

Provinz  Posen, 

Typus  II:  a)  Depotfund.  Schierzig  Kr.  Meseritz  Berl.  Mus.  I  d  1696.  —  b.)  wahr- 
scheinlich Grabfund.  Starkowe  Kr.  Bomst.  Berl.  Mus.  I  d  874  (zusammen  mit  3  Pfeilspitzen 
und  einem  Bronzeknopf  in  einer  Urne  gefunden  874a.  877).  —  Einzelfunde.  Berl.  Mus. 
M  63  (Srodke,  Kr.  Birnbaum);  I  d  471  (Starkowo  Kr.  Bomst);  Id  1618  (Owinsk  Kr.  Posen). 
Id.  1 1< m ».  im;  (Prov. Posen). 


—     437     - 

Dagegen  haben  wir  in  Dänemark  und  Schweden  nur  Sicheln  des 
Typus  II  gefunden1). 

Efl  liegt  natürlich  nahe  unter  diesen  Umständen  Typus  II  als  nordischen 
zu  bezeichnen,  aber  er  hat  hier  gewiss  nicht  seinen  Ursprung  gehabt. 
Das  ergibt  sich  aus  einer  chronologischen  Gruppierung  der  llaupttypen  und 
ihrer  Variationen. 

Die  Chronologie  der  Sicheltypen. 

Für  befriedigende,  chronologische  Bestimmungen  versagen  hier  freilich 
die  Grabfunde,  da  sich  unsere  Sicheln  als  Beigaben  in  den  Gräbern 
sehr  selten  vorfinden.  Auf  Grund  derselben  kann  man  im  allgemeinen  nur 
sagen,  dass  Sicheln  durch  die  ältere  und  jüngere  bezw.  jüngste  Bronzezeit 
im  Gebrauche  waren.  So  nennt  Undset  (Auftreten  des  Eisens  S.  53) 
Sicheln,  über  deren  Form  wir  nichts  erfahren,  unter  den  Beigaben  auf 
einem  Gräberfelde  von  Vokovic  in  Böhmen.  Es  gehört  in  die  Zeit 
des  Ausganges  der  Hallstattzeit,  also  in  eine  Kulturperiode,  die  mit  der 
„Knovizer  Kultur  (der  jüngeren  Bronzekultur  der  autochthonen  Bevölke- 
rung)" zu  identifizieren  ist.2)  Neben  den  Sicheln  ist  hier  das  Auftreten 
von  Fibeln  des  sogenannten  ungarischen  Typus3)  bemerkenswert;  darüber 
soll  weiter  unten  mehr  folgen.4) 

An  die  böhmischen  reihen  sich  naturgemäss  die  schlesischen  Funde 
aus  Urnenfeldern  der  jüngeren  Bronze-  oder  Hallstattzeit  an;  sie  sind  hier 
und  vielfach  auch  anderwärts,  ebenso  wie  die  Schwerter,  als  Yotivgegen- 
stände  „symbolisch"  aufzufassen6),  d.  h.  als  Miniaturform  üblich. 

Von  Schlesien  aus  bietet  sich  der  Übergang  nach  der  Provinz  Branden- 
burg   durch    die    Kultur    des    sogen.  Lausitzer  Typus,    der  gleichfalls  die 


1)  S.  Müller,  Ordning  of  Danmarks  Oldsager.  Bronze  alderen  Nr.  146. 147.  O.Montelius 
Antiquites.  suedoises  Tf.  55, 1S3.  Worsaae,  Nordiske  Oldsager  Tf.  34,159.  Montelius,  Die  Kultur 
Schwedens  in  vorchristlicher  Zeit  2.  Auü.  S.  70  Fig.  80.  Vgl.  S.  Müller,  Nordische  Alter- 
tumskunde I  S.279  Fig.   140. 

2)  Nach  K.  Buchtela,  Vorgeschichte  Böhmens,  S.  38  f. 

3)  Wie  die  bei  Undset,  Etudes  sur  Tage  du  bronze  en  Hongrie,  S.  59. 

4)  Wenig  anfangen  lässt  sich  mit  dem  Fragment  einer  Bronzesichel  von  unbestimmtem 
[Typus  aus  einem  Hügelgrabe  bei  Velkä  Dobrä  (Richly,  D.  Bronzezeit  in  Böhmen, 
Tf.  52,  24).  Wahrscheinlich  ist  auch  die  bei  Much  (Kunsthistor.  Atlas  Tf.  XXV,  12)  ab- 
gebildete in  einem  Grabhügel  in  Skal  in  Böhmen  gefundene  Sichel  des  Typus  Ib  als 
Grabfund  zu  betrachten. 

4)  So  eine  Knopfsichel  aus  Camoese  Kr.  Neumarkt  (Undset,  a.  a.  0.,  S.  70,  Tf.  X,  5). 
Ferner  sind  zu  erwähnen  Urnengräber  aus  Malkwitz  Kr.  Breslau  (Schles.  Vorzeit  1899 
S.  646);  aus  Ottwitz  Kr.  Strehlen  (0.  Mertins,  Schles.  Vorzeit  1899  S.  394  Fig.  152), 
aus  Carolath  Kr.  Freistadt  (Kat.  d.  prähist.  Ausstellg.  B.  562  Nr.  110),  aus  Polgsen 
Kr.  Wohlau,  erwähnt  von  Büsching,  D.  Altertümer  der  heidnischen  Zeit  Schlesiens, 
Tf.  VII,  11  ..auf  dem  Boden  einer  Urne  unter  den  Gebeinen  und  der  Asche  neben  einer 
Nadel".  Der  ganze  Fund  ist  nach  frdl.  Mitteilung  des  Herrn  Direktor  Seger  im  Bres- 
lauer Museum  vorhanden.  Die  21,2  cm  lange  Nadel  hat  einen  kolbenförmigen,  oben 
konisch  ablaufenden,  quer  gefurchten  Kopf  und  ist  am  Halse  mit  Querfurchen  und  Sparren- 
mustern  verziert;  die  bauchige  Urne  mit  vier  zapfenartigen  Vorsprüngen  im  unteren  feile 
gleicht  der  bei  Undset,  a.  a.  0.,  Tf.  VIII,  1  abgebildeten  ^aus  Polgsen*  .  also  wohl 
mit  ihr  identischen,  und  hat  Parallelen  z.B.  auf  dem  genannten  Gräberfelde  von  Ottwitz, 
a.  a.  0.,  S.  370  Fig.   1  1:  391  Fig.   117. 


-     438     - 

Hallstattzeit  ausfüllt.1)  Auch  hier  ist  die  „Knopfsichel",  wenn  auch  als 
seltene  Beigabe,  in  Gräbern  mit  Leichenbrand  zu  finden.2)  Zum  Teil 
rücken  diese  Gräber  bis  ans  Ende  der  Hallstattzeit. 

Gleichzeitig  lassen  sich  dann  weiter  in  Posen3),  Pommern4),  Mecklen- 
burg5) die  Knopfsicheln  als  Grabbeigaben  feststellen. 

Bewegen  wir  uns  mit  den  bisher  genannten  Grabfunden  in  der 
jüngeren  und  jüngsten  Bronzezeit,  d.  h.  innerhalb  der  ersten  Hälfte  des 
ersten  Jahrtausends  v.  Chr.  Geb.,  so  führt  uns  ein  Fund  von  Schleswig- 
Holstein  in  die  Blüte  der  älteren  Bronzeperiode:  es  ist  ein  Skelett- 
grab mit  Steinpackung  von  Neuwühren  Kr.  Plön  mit  folgendem  Inhalt6): 
eine  Sichel  mit  abwärts  gebogener  Schneide  vom  gewöhnlichen  Typus  II 
(bei  Splieth  Tf.  IV,  60)  und  ein  Bronzeschwert  mit  breiter  Griffzunge 
(Tf.  III,  37).  Splieth  setzt  das  Grab  in  die  zweite  Periode,  die  mit 
Montelius  II  ==  1250 — 1050  v.  Chr.  übereinstimmt,  aber  wohl  mehr  der 
Mitte  des  zweiten  Jahrtausends  v.  Chr.   anzunähern  ist. 

Weniger  bestimmt  sind  die  Funde  aus  Süd-  und  Südwestdeutsch- 
land. Ohne  nähere  Angaben  werden  Sicheln  aus  Hügelgräbern  im 
Köschinger  Forst  (Niederbayern)  und  bei  Sinzenhof  (Oberpfalz)  erwähnt. 7) 
Zweifelhaft  als  Grabinventar  ist  ein  Fund  im  sogen.  Römerhügel  bei 
Kellmünz  a.  d.  Hier  von  der  Fundstelle  F,  wo  drei  Sicheln  des  Typus  II 
zusammen  mit  zwei  offenen  Armbändern,  zwei  Armspiralen  und  einer 
Pfeilspitze  lagen.8)  Nicht  zu  kontrollieren  ist  eine  Angabe  im  Katal.  d. 
prähist.  Ausstellung  1880  S.  505,  Nr.  3  „Kupferne  Sichel  aus  dem  Grabe 
von  Schmerleke"  Kr.  Lippstadt  (Sammig.  Schaaffhausen  in  Bonn).  Neuer- 
dings ist  der  Fund  einer  Sichel  des  Typus  I  aus  einem  Grabhügel  bei 
Hundersingen  (Württemberg)  bekannt  geworden.  Der  Hügel  enthielt  drei 
Bestattungen,  ein  Skelettgrab  und  ein  Brandgrab  der  älteren  Bronzezeit 
mit  einer  Dolchklinge  und  einer  Nadel  mit  geschwollenem  und  durch- 
bohrtem Halse;  das  dritte  Grab  mit  Leichenbrand  lässt  sich  nicht  zeitlich 
bestimmen;  über  diesem  letzteren,  ca.  43  cm  höher,  lag  die  Bronze- 
sichel. Sie  ist  jedenfalls  jünger  als  die  beiden  Gräber  der  älteren 
Bronzezeit. 


1)  Stradow  Kr.  Calau,  wo  auch  das  Bruchstück  einer  Gussform  für  eine  Sichel 
unter  den  Grabbeigaben  erwähnt  wird  (Niederlaus.  Mittigen.  181)1  S.  92ff.);  Ratzdorf 
Kr.  Guben  (Katal.  d.  präbist.  Ausstellg.  S.  95  Nr.  25b).  Sonstige  Funde  von  Lausitzer 
Urnenfriedhöfen  (Niederlaus.  Mittig.  I  S.  52,  95,  97).  Eine  Kuopfsichel  vom  „heiligen 
Lande-'  bei  Niemitzsch  s.  ebenda  I  S.  219  Tf.  III,  54. 

2)  Sonstige  Grabfunde  aus  der  Provinz  Brandenburg:  Amt  Wittstock  Kr.  Königs- 
berg (Nachrichten  1892  S.  92  Fig.  ö;  A.  Götze,  Vor»esch.  der  Neumark  S.  29);  Schaber- 
nack Kr.  Ostpriegnitz  (Berl.  Mus.  If.  478G);  Grünow,  Kr.  Angermünde  (Berl.  Mus.  If.  23!>7). 

3)  Izdebno  Kr.  Birnbaum  (Ztschr.  f.  Ethnol.  XIV  1882  Vrhdlg.  S.  32).  Starkowo 
Kr.  Bomst  (Berl.  Mus.  Id  874,  877).  Jüngst  fand  K.  Brunner  in  Iwno,  Kr.  Schubin, 
eine  Miniatursichel  in  der  Knochenurne  aus  einem  Flachgrabe  der  Hallstattzeit. 

4)  Zuchen  b.  Bärwalde  |Ztschr.  f.  Ethn.  Vll  (26)   Tf.  III  1-5J. 

5)  Kegelgräber  v.  Suckow  (Meckl.  Jahrb.  1848  S.  309—370),  von  Sternberg  (ebenda 
Bd.  38  S.  L38). 

6)  Bei  Splieth,  Inventar  der  Bronzealterfunde  aus  Schleswig-Holstein  S.  30  Nr.  73. 

7)  Katal.  d.  Berl.  Ausstellg.  S.  66  Nr.  K),  11. 

8)  Beitr.  z.  Anthropol.  u.  Urgesch.  Baierns  Bd.  8  S.  12  Tf.  I,  5-7. 


—     439     - 

Mehr  Material  steht  mir  augenblicklich  nicht  zur  Verfügung. 

Immerhin  geht  aus  den  gemachter]  Angaben  hervor,  dass  «'im'  Sichel 
vom  Typus  II  etwa  während  der  Zeit  von  1500  v.  Chr.  bis  500  v.  Chr. 
in  Deutschland  und  den  angrenzenden  Gebieten  Österreichs  im  Gebrauche 
war.  Über  das  chronologische  Verhältnis  der  drei  Typen  I— III  aber  er 
fahren  wir  aus  den  Grabfunden  nichts.  Für  die  Bestimmung  desselben 
sind  wir  allein  auf  die  zahlreichen   Depotfunde  angewiesen. 

Die  Gleichzeitigkeit  der  Typen  I — III  beweisen  für  einen  kurz 
bemessenen  Abschnitt  der  jüngsten  in  Frage  kommenden  Entwicklung 
zwei  ungarische  Depotfunde:  die  Überreste  von  Gussstätten  in  Bodrog- 
Keresztiir,  Korn.  Zemplen  (Hampel  I  95—96)  und  in  Ispänlaka,  Koni. 
Alsö-Fejer,  Siebenbürgen  (Hampel  II  144—149).  Der  erste  davon  ist 
im  gewissen  Sinne  für  die  Beurteilung  der  gesamten  ungarischen  Bronze- 
zeit von  grundlegender  Bedeutung  durch  3  darin  enthaltene  Fibeltypen: 
a)  eine  einteilige  einfache  Drahtfibel  mit  einseitigem  Spiralgewinde  und 
einem  in  eine  Spiralplatte  auslaufenden  „Fussende"  (Tf.  95,  2.  3),  b)  das 
Bruchstück  einer  komplizierteren,  einteiligen  Spiralfibel  von  spezifisch 
ungarischem  Typus  mit  einer  Spiralplatte  am  „Fusse"  und  2  Reihen  neben- 
einander am  Bügel  angeordneter  Spiralreihen  (Tf.  96,  1;  vgl.  den  Typus 
Tf.  41,  4  und  c)  die  verzierte  Platte  von  einer  Fibel,  die  nach  Art  der 
zweiteiligen  Fibeln  mit  beiderseitigen  Spiralplatten  zu  ergänzen  ist  (Tf. 
96,7;  vgl.  den  Typus  Tf.  39,  2).  Von  den  übrigen  Bronzen  dieses  Fundes 
sind  ausser  den' Vertretern  der  3  Sicheltypen  I— III  (Tf.  95,  20,  22—24) 
hervorzuheben:  Eine  Schwert-  oder  Dolchklinge  (95,  1),  Hohlcelte  mit  Öhr, 
teils  mit  geradem,  teils  mit  ausgeschnittenem  Rande  (Tf.  95,  2 — 4), 
Schaftlappencelte  mit  mittleren  Schaftlappen  und  Ausschnitten  am  Bahn- 
ende (Tf.  95,  12,  18),  Schmalmeissel  (Tf.  95,  15),  langen  Armspiralen 
(Tf.  96,  4),  Bruchstücke  von  getriebenen  Bronzegefässen  (Tf.  96,  8,  9,  10). 

Weisen  schon  die  letzteren  auf  die  Technik  der  Hallstatt-Bronzen, 
so  sind  die  Fibeln  von  prinzipieller  Bedeutung  für  eine  grosse  Reihe 
anderer  Funde,  darunter  auch  solche  mit  Sicheln.  Es  ist  das  Verdienst 
von  Szombathy, x)  schon  im  Jahre  1890  die  ungarischen  Funde  der  älteren 
und  jüngeren  Bronzezeit  geschieden  und  nachgewiesen  zu  haben,  dass  die 
zahlreichen,  schönen,  spezifisch  ungarischen  Bronzen  nach  der  eigentlichen 
mitteleuropäischen  Bronzezeit  einzureihen  und  der  älteren  Phase  der 
Hallstattkultur  gleichzustellen  sind  und  dass  die  ungarischen  Bronzen 
nicht  der  Ausgangspunkt  für  die  europäischen  Bronzealterstypen  sein  können. 
Die  Grundlage  für  diese  Auffassung  war  eine  von  ihm  schon  vorher  (im 
Jahre  1889)  geübte  Kritik2)  an  den  Ansichten  l'ndsets3).  der  die  ungarische 
Fibel  (einteilige)  als  die  Mutter  der  nordischen  (zweiteiligen)  betrachtet 
wissen  wollte.  Diese  Kritik  gipfelte  in  dem  Nachweise,  dass  der  zwei- 
teilige Typus  in  Österreich  (Gemeinlebarn)  älter  sei,    als    die  ungarische. 


1)  Mittig,  anthrop.  Ges.  Wien  XX   L890  Sitzber.   S.  L3  IV. 

2)  Korrespbl.    d.  d.  anthropol.  Gesellseh.  1889  S.  17'.».     Mittig.  anthropol.  Gesollsrh 
Wien  t889  S.  1  IT. 

3)  Undset,  Etudes  sur  V&ge  du  brunze  cn  Hongrie  S.  71  IT. 


—     440     — 

einteilige  Fibel,  die  durch  ihre  Parallelen  in  Österreich,  Böhmen,  Schlesien 
und  Posen  als  Hallstattypus  erwiesen  sei. *) 

Beide  Fibeltypen  haben  wir  in  dem  Funde  von  Bodrog-Keresztür 
vereinigt.  Dadurch  erhält  dieser  seine  Zeitstellung  und  zwar  werden  wir 
die  schon  barocke  Form  b  mit  den  angefügten  Spiralreihen  in  eine  spätere 
Periode  der  jüngsten,  von  Hallstattformen  beeinflussten,  ungarischen  Bronze- 
zeit versetzen  dürfen,  eine  Verschiebung,  welche  die  Form  c  auf  Grund  der 
oben  aufgezählten  ostdeutschen  Grabfunde  sehr  wohl  vertragen  kann. 

Noch  zahlreicher  sind  die  3  Sicheltypen  in  dem  Funde  von  Ispänlaka 
(Hampel  II  147—148),  dessen  sonstiges  Inventar  (Tf.  144— 149),  Lanzen- 
spitzen,  Schwert-  und  Dolchklingen,  Pfeilspitzen,  Hohlcelte,  Schaftlappen- 
celte,  verzierte  und  glatte  Gürtelbleche,  Pferdetrensen,  verzierte  Nadeln, 
verzierte  und  glatte  offene  Armringe,  tordierte  Armringe,  auf  dieselbe  Spät- 
zeit weisen. 2) 

Diese  beiden  Depotfunde  können  vorbildlich  für  die  Einordnung 
einer  Reihe  von  übrigen  ungarischen  Funden  mit  Sicheln  sein.  Zunächst 
schliessen  sich  an  sie  weitere  Depots  mit  Fibeln  an.8) 

Auf  die  entwickelte  Hallstattkultur  weisen  ferner  verzierte  Bronze- 
bleche mit  figürlichen  Darstellungen  aus  dem  Schatzfunde  von 
Rinyaszentkiralyi,  Kom.  Somogy  (Hampel  III  214,  215),  in  dem  der 
Sicheltypus  I  (Tf.  214,  22—30)  vertreten  ist:  Das  -Hauptstück  dieses 
Fundes  ist  ein  ovales  Blech,  verziert  in  der  Punktmanier  mit  einem  Rande 
von  3  Punktreihen,  durch  gleiche  Längs-  und  Querreihen  in  2  Felder 
geteilt,  die  gefüllt  sind  durch  je  ein  Radmuster,  auf  dem  und  unter- 
halb dessen  je  ein  Wasservogel,  in  der  gleichen  Punktmanier  aus- 
geführt, steht. 


1)  Szombathy  ist  meines  Wissens  auch  der  erste,  der  den  Ursprung  der  Fibel,  ihre 
Entstehung  aus  der  einfachen  Gewandnadel  mit  Schnur  zur  Befestigung  der  Gewandfalte 
richtig  erkannte.  Doch  ist  es  A.  Voss  vorbehalten  geblieben,  die  Verschiedenheit  der 
beiden  Typen,  der  einteiligen  und  zweiteiligen,  aus  ihrem  Ursprünge  zu  erklären,  insofern 
die  einteilige  Fibel  die  umgebogene  Nadel  ist,  bei  der  zweiteiligen  dagegen  die  Nadel 
ihre  ursprüngliche  Bedeutung  behält  und  der  Bügel  mit  den  Spiralenden  der  ursprüng- 
lichen Schnur  gleichkommt  (vgl.  Ztschr.  f.  Ethnol.  XXX  1898  Verhdlg.  S.  216  ff.)  Neuer- 
dings hat  Hadaczek  (Jahreshefte  d.  Österreich,  arch.  Inst.  VI  1903)  die  Frage  im 
Zusammenhange  mit  griechischen  Fibeln  berührt  und  richtig  beurteilt,  ohne  von  seinen 
Vorgängern  zu  wissen. 

2)  Einen  Randcelt  (Tf.  145,15)  werden  wir  gleichsam  wie  „altes  Eisen"  anzusehen 
haben. 

3)  Komjäth,  Kom.  Lipto  (Hampel  I  120,-121;  darunter  Sicheln  Typus  I  (120,10), 
II  (120,  11 — 19),  Fibelform  b,  Radnabe  mit  einem  von  Hallstattvögeln  verzierten  Stift, 
Hohlcelte  mit  ausgeschnittenem  Rande,  getriebene  Bronzegefässe)  —  Läziirpatak,  Kom. 
Bereg  (Hampel  I  108,  109;  darunter  Sicheln  Typus  I  (108,  41),  Typus  II  (108,31—40), 
Fibelfragment  vom  Typus  Tf.  43,  1 — 2,  Hohlcelte  mit  geradem  und  ausgeschnittenem 
Rande).  —  Gyermel,  Kom.  Komarom  (Hampel  I  159;  darunter  Sicheln  Typus  I 
Nr.  17,  18);  Fibeln:  2  gut  erhaltene  Formen  b  und  eine  echte  Hallstattfibel  mit  zwei 
Spiralen  und  Kettengehänge)  —  Kurd,  Kom.  Tolna  (Hampel  III  210—213;  darunter 
Sicheln  Typ.  I,  dreierlei  Fibeln:  Form  b  (213,32—30),  Bruchstücke  wie  Tf.  43,  1,  2  und 
Form  c  wie  Tf.  39,  2;  Hohlcelte,  Schaftlappcncelte,  Zierscheiben,  zahlreiche  Ringe,  auch 
tordierte  (212,17)  grosses  Bronzegefäss  (Tf.  211,1).  —  Ker,  Kom.  Samogy  (Hampel  I 
I  [8  mit  Sicheln  des  Typus  Ia  und  III.) 


—     441      — 

Dio    für    alle    diese  jüngsten  Depots  charakteristischen  Hohlcelte  mit 

ausgeschnittenem  Rund«'  finden  wir  ferner  in  der  Gussstätte  von  Domahida, 
Com.  Szatmär  (Hampel  I,  122  —  124),  die  von  Sicheln  nur  Fragmente  der 
Typen  1  und  II  (Taf.  122,  28  —  54),  dagegen  eine  statt  lieh«-  Zahl  der  ent- 
wickelten Bronzeäxte  in  drei  Typen  (Tat'.  123,  124)  geliefert  hat. 

Alle  die  genannten  Funde  würden,  in  dem  von  Reinocke1)  auf  Ungarn 
übertragenen  und  angewandten  chronologischen  System  seiner  IV.  d.  h.  letzten 
Periode  (XII — IX.  Jahrhundert  v.  Chr.)  zuzuweisen  sein.  Von  den  drei 
Phasen,  die  er  innerhalb  der  Periode  unterscheidet,  würden  für  unsere 
Funde  nur  die  beiden  älteren  in  Betracht  kommen.  Wir  müssten  sogar 
noch  weiter  hinauf  in  das  Ende  der  III.  Periode,  wohin  er  die  einfache 
Drahtfibel  (in  der  obigen  Aufzählung  Form  a;  bei  Reinecke  Taf.  IX,  5) 
weist,  während  die  Form  b  mit  doppelter  Spiralreihe  am  Bügel  in  der 
mittleren  Phase  der  LY.  Periode  im  Gebrauche  gewesen  sein  soll.  Dass 
bei  dieser  Trennung  und  Gruppierung  mehr  das  System,  als  die  Frage 
der  Gebrauchsdauer  der  einzelnen  Typen  berücksichtigt  worden  ist,  zeigt 
unser  Fund  von  Bodrog-Keresztür,  in  dem  beide  Fibeltypen  mit  der 
zweiteiligen  Spiralplattenfibel  vereinigt  sind. 

Wir  haben  also  die  genannten  ungarischen  Funde  durchaus  der  ent- 
wickelten Hallstattkultur  anzunähern,  wenn  nicht  überhaupt  ihr  zuzu- 
weisen. 

An  ältere  Traditionen  dagegen  knüpfen  die  Funde  von  Nagydem, 
Com.  Veszprem  (Hampel  III,  195)  und  von  Piricse,  Com.  Szabolcs 
(Hampel  III,  192)  an,  deren  Sicheltypen  auffallenderweise  der  Variation  a 
des  Typus  1  entsprechen.  Zwar  findet  sich  bei  ersterem  auch  schon  der 
typische  Hallstattvogel  (Taf.  195,  18),  doch  gleichen  die  Schwerter  von 
Nagydem  (Taf.  195,  12 — 14)  dem  Naueschen  Typus  Ba,  das  von  Piricse 
den  Naueschen  Typen  D-E2);  den  ersteren  weist  Naue  „dem  Beginn 
oder  der  Mitte  der  jüngeren  Bronzezeit,  möglicherweise  dem  Ende  der- 
selben" zu,  die  letzteren  sind  „süddeutsch"  aus  der  jüngeren  Bronzezeit. 
Dieser  Typenkreis  mit  seinen  mehr  altertümlichen  Merkmalen  unterscheidet 
sich  sehr  augenfällig  von  der  entwickelten  Hallstattkultur,  für  die  das 
Auftreten  der  oben  genannten  ungarischen  Fibeln  charakteristisch  ist3). 

Verfolgen  wir  weiter  innerhalb  der  gemischten  Zone  west-  und 
nordwestwärts  das  Vorkommen  der  Sicheln  an  (\vv  Hand  der  mit  ihnen 
„vergesellschafteten"  Fibeln,  so  wäre  in  Bayern  der  (Kesserrund  von 
Horgauergereuth  zu  nennen  (oben  S.  123,  Anm.).  Die  Fibel,  von  der  nur  die 
blattförmige  Bügelplatte  erhalten  ist,  gehört  dem  zweiteiligen  Typus  mit 
Spiralplatten   an. 

In  dem  weiter  nördlich  liegenden  Teile  der  gemischten  Zone  kommen 


1)  P.  Rein  ecke  hat  im  Jahre  1809  (Archaeologiai  Ertesitö  XIX,  225ff.,  31  off.:  vgl. 
Auszug  in  deu  Mitteil.  Anthropol.  Gesellsch.,  Wien  1900,  S.  lolff.)  eine  Darstellung  der 
Entwicklung  der  ungarischen  Bronzezeit  nach  vier  Perioden  zu  geben  und  auch  durch 
Zahlen  dieselben  in  Anlehnung  an  die  Einteilung  von  Montelius  zu  bestimmen  gesucht. 

2)  Naue,  Vorrömische  Schwerter,  S.  66$  Taf.  Will,  1:  XXVI,  .">.  6,  8. 

3)  Reinocke  rechnet  den  Depotfund  von  Nagydem  in  die  ungarische  Periode  IVb, 
den  Fund  von  Piricse  dagegen  in  Periode  III. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904    Heft  3  u.  4.  29 


—     442     — 

zu  den  zweiteiligen  Spiralfibeln  die  aus  ihnen  entwickelten  Platten- 
fibeln, die  nach  Montelius  den  Perioden  IV  und  V  zuzuweisen  sind, 
d.  h.  der  Hallstattkultur  parallel  laufen.  Solche  Funde  sind  in  der  Provinz 
Brandenburg-  (Schwachen wähle,  Pritzerhe,  Straupitz),  Provinz  Sachsen 
(Elsterwerda),  in  Braunschweig  (Watenstedt)  zu  finden.  Auch  in  der 
reinen  Zone  mit  Sicheln  des  Typus  II  lassen  sich  einige  Funde  nach  den 
Fibeln  bestimmen,  so  in  der  Provinz  Pommern  (Mandelkow,  Nassenheide, 
Steinwehr,  Hökendorf)  und  in  Meklenburg  (Gr.-Dratow). 

Die  grosse  Menge  der  übrigen  Funde  aus  beiden  Zonen  muss  eben- 
falls der  jüngeren  und  jüngsten  Bronzezeit,  also  der  Zeit  um  1000  v.  Chr. 
und  den  ersten  Jahrhunderten  des  ersten  vorchristlichen  Jahrtausends  zu- 
gewiesen werden.  Daraus  lernen  wir  aber  nur  zweierlei:  erstens  dass  in 
diesen  Zeiträumen  beide  Typen  I  und  II,  in  Ungarn  sogar  I — III,  neben- 
einander im  Gebrauche  waren,  zweitens  dass  der  mit  der  Form  der  Sichel  I 
sich  dokumentierende  südliche  oder  südöstliche  Einfluss  nur  etwa  bis  in 
die  Provinz  Brandenburg  reicht. 

Es  fragt  sich  aber,  ob  der  Ursprung  der  Typen  I  und  II  gleichaltrig 
ist  oder  ob  einer  von  ihnen  ein  höheres  Alter  zu  beanspruchen  hat.  Wir 
haben  uns  also  nach  älteren  Funden  umzusehen  und  die  dort  vor- 
kommenden Sicheln  miteinander  zu  vergleichen. 

Obgleich  sich  für  die  Einzelfunde  aus  den  oberitalischen  Pfahlbauten 
und  Terramaren  ein  bestimmtes  Zeitalter  nicht  nachweisen  lässt,  darf  man 
doch  geneigt  sein,  dem  Peschiera-Typus  ein  höheres  Alter  zuzuschreiben. 
Dafür  spricht  seine  weitere  Verbreitung  nach  dem  Süden.  Die  Unter- 
suchungen des  oben  (S.  120)  genannten  Scoglio  del  Tonno  bei  Tarent  haben 
nämlich  drei  Fundschichten  ergeben.  Die  mittlere  von  ihneu  entspricht 
nach  ihrem  Vorrat  an  Keramik  und  Bronzen  —  unter  den  letzteren  eine 
Fibel  ad  arco  violino  —  durchaus  den  oberitalischen  Pfahlbau-  und 
Terramarefunden.  Die  obere  Schicht  dagegen  ist  durch  eine  Menge  spät 
mykenischer  Topfware  mit  geometrischer  Dekoration  und  myke- 
nische  Tonidole  ausgezeichnet1)  und  bietet  so  einen  chronologischen 
Fixpunkt  für  die  Terramarefunde,  zu  denen  auch  eine  Bronzesichel  ge- 
hört. Wir  dürfen  also  den  Typus  der  Peschierasichel  der  Mitte  des  zweiten 
Jahrtausends  v.  Chr.  annähern,  ihren  Ursprung  möglicherweise  sogar  für 
älter  als  diese  halten. 

Auf  den  oberitalischen,  selbständigen  Ursprung  des  Typus  Ia 
weist  auch  eine  technische  Besonderheit.  Die  hierher  gehörigen  Guss- 
formen 2)  unterscheiden  sich  durch  die  Stellung  der  Eingussrinnen  an  der 
Seile  des  Griffendes  von  allen  sonstigen  Variationen  des  Typus  I,  bei 
denen  die  Eingussrinnen  an  der  oberen  Wölbung  der  Sichel  voraus- 
zusetzen sind. 

Mit  der  zeitlichen  und  generellen  Bestimmung  des  Typus  Ia  wird  uns 
alier  die  ebenfalls  in  Oberitalien  vertretene  Variation  Ib  verständlich;  sie 


1)  Quagliati,  Bull,  paletn.  ital.  XXVI,  1!>0<>,  8.285f.  Die  Schicht  wird  bestimmt 
mit  den  Worten  „lo  strato  archeologico  immediatamente  superiore  agli  strati  della  terra- 
mare".    Vgl.  auch  Pigorini  a.  a.  0. 

2)  Oben  S.  11."». 


—  m  — 

wird  nicht  nur  als  jüngere  Entwicklung-Storni,  ;ils  welche  sie  nach  de^j 
Fiindnnistünden  erscheinen  iniissti',  bestätigt,  sondern  auch  nach  Form  und 
Technik  einem  anderen  Ursprungskreise  zuzuweisen  sein. 

I-Yn-  eine  Zeitbestimmung  der  Schweizer  Pfahlbautenfundei,  unter 
denen  die  Variation  I  b  neben  den  Siclieln  des  Typus  II  vorwiegt,  fehlt 
es  allerdings  noch  an  vergleichenden  Untersuchungen,  wie  sich  überhaupt 
hier  eine  Lücke  in  der  Publikation  des  vorhandenen  Materials  empfindlich 
bemerkbar  macht. 

Es  wäre  eine  wflnschens-  und  dankenswerte  Aufgabe,  die  Sicheln  aus 
den  Pfahlbauten  mit  denen  der  Landfuude  zu  vergleichen-,  sie  im  Verhältnis 
zu  anderen,  benachbarten  Fundgebieten  zu  untersuchen  und  so  das  chronolo- 
gische Verhältnis  des  Typus  11)  zu  la  und  II  festzustellen,  wie  es  sich  auf 
Schweizer  Gebiet  gestaltet. 

v.  Tröltsch1)  glaubt  Knopf-  und  Lochsicheln  auch  chronologisch 
trennen  zu  können,  indem  er  die  ersteren  zu  den  Typen  der  älteren 
Bronzezeit  rechnet,  die  letzteren  in  die  mittlere  versetzt.  Ob  ihn  dazu 
Beobachtungen  über  die  Lagerung  in  den  Fundschichten  der  Stationen  des 
Bodensees  selbst  veranlasst  Italien,  weiss  ich  nicht.  Dass  in  der  jüngeren 
und  jüngsten  Bronzezeit  überall  nördlich  d^r  Alpen  beide  Typen  gleich- 
zeitig im  Gebrauche  waren,  haben  die  oben  aufgeführten  Depotfunde 
gelehrt. 

Doch  scheint  es  nicht  immer  so  gewesen  zu  sein.  Auf  einen  älteren 
Ursprung  der  Knopfsichel  weisen  einmal  die  Gräberfunde  in  der 
Schweiz  und  noch  deutlicher  die  Funde  aus  dem  benachbarten  Rhone- 
gebiete hin. 

Für  die  Gräberfunde  der  Schweiz  kann  ich  mich  freilich  nur  auf 
die  Beobachtungen  Undsets  berufen8):  nach  ihm  kommen  Knopfsicheln 
dort  schon  in  Gräbern  der  „mittleren"  Bronzezeit  vor.  Aber  für  das 
Verhältnis  von  Knopf-  und  Lochsicheln  gewinnen  wir  aus  diesen  An- 
gaben nichts. 

In  dem  Rhonegebiete  hat  Mortillet3)  nach  den  wichtigsten 
Depotfunden  die  Typenfolge  festgestellt.  Sicheln  des  Typus  Ih  sind 
hier  entweder  Einzelfunde,  also  für  eine  Chronologie  nicht  geeignet, 
wie  die  von  Pontarlier  (Jura)  und  Xey  (Jura)4)  oder  kommen  im  Depot- 
funde von  Albertville  (Savoyen)5)  neben  dem  Typus  II  vor,  weshalb 
Mortillet  die  „Faucilles  a  languette"  (nach  Chantre)  ausschliesslich 
seiner  „epoque  larnaudienne",  also  der  jüngeren  Bronzezeit  /.uweist. 

Was  aber  den  Typus  II  anlangt,  so  lässt  sich  mit  Mortillet  die  oben 
genannte  Nebenform  mit  quergestelltem,  breiten,  bügelartigen  Knopf,  (,.ä 
bouton  aplati")  als  eine  ältere  Variation  a  (Fig.  31)  nach  dem  der  älteren 


1)  Die  Pfahlbauten  des  Bodenseegebietes,  S.  159. 

2    Undset,  Vorfömische  Metallzeit  in  den  Bheiulauden,  ia  der  Westdeutsch.  Zeitschr. 
V,  1886,  &.  9f. 

:;    Mus..'  prehistoricpie  pl.  l.XX  und  LXXYIII. 

4)  E.  Chantre,  L'age  du  bronze  pl  XI,  1.  2. 

5)  E.  Chantre,  a.  a.  0.  pl.  XXVII,  •_>,  3. 


—     444     — 

Bronezzeit  zugehörigen  Funde  von  Yernaison  (Rhone)  *)  mit  Sicherheit 
erweisen  und  von  der  mit  kegelförmigem  Knopf  versehenen  Sichel  („ä 
bouton  cylindrique"),  Variation  ß,  auch  chronologisch  abtrennen. 2) 

Diese  letztere  soll  zwar  schon  in  der  älteren  Periode  („epoque  mor- 
gienne")  aufgekommen  sein  (Fig.  32),  aber  erst  später  sich  voll  entwickelt 
haben.  Jedenfalls  haben  wir  in  den  Depotfunden  der  jüngeren  Bronze- 
zeit Frankreichs,  abgesehen  von  dem  oben  genannten  einzigen,  gemischten 
Funde,  den  vollentwickelten  Typus  II  ß  vorherrschend.3) 

Aus  der  älteren  Variation  a  lassen  sich  auch  die  Abweichuugen  er- 
klären, die  wir  auf  den  Sicheln  aus  dem  Pfahlbau  des  Lac  du  Bourget 
gefunden  haben  (vid.  oben  S.  113),  hier  sitzt  der  kegelförmige  Knopf 
in  der  Mitte  des  Griffendes  und  wird  von  den  Längsrippen  umzogen, 
während  die  Querrippen  oberhalb  des  Knopfes  nach  der  Sichelspitze  zu 
gesetzt  sind.  Dass  diese  Sonderformen  auch  jüngeren  Ursprungs  sind, 
dafür  würde  der  unten  genannte  Depotfund  von  Concelin  sprechen,  in 
dem  Analoga  zu  ihnen  vorkommen. 

Die  Sicheln  des  Rhonegebietes  werfen  nun  ein  klärendes  Licht  auf 
einige  andere  Funde  der  älteren  Bronzezeit,  zunächst  auf  den  sehr 
merkwürdigen  Fund  von  Ackenbach  in  Baden  (oben  S.  123),  merk- 
würdig gerade  wegen  der  Eigenart  der  Sichelformen  (beschrieben  und 
abgebildet  von  Bissinger,  der  Bronzefund  von  Ackenbach,  Programm 
von  Donaueschingen  1893). 

Wir  können  hier  vier  verschiedene  Variationen  des  Typus  II 
unterscheiden:  1.  Fig.  24  und  26;  der  Knopf  sitzt  quer  in  der  Mitte  des 
Griffrandes,  also  entsprechend  der  Variation  a.  2.  Fig.  28,  29;  der  Knopf 
hat  die  gewöhnliche  Form,  wie  bei  der  Variation  ß  und  sitzt  auch  in  der 
rechten,  oberen  Ecke  des  Griffendes.  3.  Fig.  25,  27;  mit  2  Knöpfen  in 
den  Ecken  des  Griffrandes,  Variation  y.  4.  Fig.  35;  der  Knopf  ist  noch 
mehr  nach  der  unteren,  an  der  Schneide  gelegenen  Ecke  des  Griffrandes 
verschoben,  als  es  bei  Variation  a  der  Fall  ist;  diese  Eigentümlichkeit 
finden  wir  auch  bei  einer  Sichel  aus  dem  Torfmoor  Bussensee  in  der 
Bodenseegegend  in  Baden  (abg.  Antiqua  1885  S.  86  Tf.  XX,  7),  sodass 
wir  auch  diese  Form  als  eine  Variation  «5  des  allgemeinen  Typus  II  an- 
sehen dürfen. 

Vergleichen  wir  nun  mit  den  Formeigentümlickeiten  der  Ackenbach- 
schen  Sicheln    das,    was  v.  Tröltsch    a.  a.  0.   S.  158    zur  Charakteristik 


1)  E.  Chantre  a.  a.  0.  pl.  XXXIII-XXXIX.  Der  Fund  enthält:  Rand-  und  Absatz- 
celte,  2  kurze  Dolchklingen  mit  2  Nieten,  Lanzenspitzen  mit  stabförmiger  Mittelrippe, 
Nadeln  mit  flachem,  konischem  oder  scheibenförmigem  Kopfe  und  geripptem  Halse,  ein- 
fache, verzierte,  meist  offene  Armringe,  gewundener  Halsring. 

2)  Mortillet,  Mus.  prehistor.  pl.  LXX  Nr.  724  aus  Vernaison;  723  aus  Autun  (Saone, 
et  Loire) :  725  aus  Sarry  (Saone  et  Loire) :  72G  Santenay  (Cötes  d'orj ;  letztere  schon  vom 
Typus  II  ß. 

3)  Voran  steht  der  Depotfund  von  Larnaud,    der  der  jüngeren  Epoche  ihren  Namen 
gegeben    hat    (bei   E.  Chantre,    a.  a.  0.    pl.  XL — L).     Dann    die     Depots     von   Realo 
(Hautes-Alpes)  bei  Chantre  pl.  XIX— XXIV,  von  Poype  (leere)  bei  Chantre  pl.  XXIX, 
von  Concelin    (Isere)    ebenda  pl.  XXVIII,   1     und    zon  Ribier  (Hautes  Alpes)    ebenda  pl. 
XXV,  3.  —  Einzelfunde  von  Thoissey  (Ain)  bei  Chantre  pl.  XII,  1—4. 


—     445     — 

der  Sicheln  sagt:  „die  Sicheln,  welche  anfänglich  nur  wenig,  später 
halbkreisförmig  gekrümmt  waren,  hatten  eine  flache  Rückseite  und  die 
älteren  seitwärts  am  Griffteil  einen  oder  zwei  kegelförmige  Knöpfe 
(Knopfsicheln),  die  jüngeren  ein  Loch  zur  Befestigung  am  Holzgriff  (Loch- 
sicheln), so  werden  wir  in  den  Variationen  a — y  spezifische  Typen  des 
Bodenseegebietes  zu  seilen  und  auf  Grund  des  Fundes  von  Ackenbach 
den  Typus  II  als  älteren  zu  betrachten  haben.  Dann  gehen  diese  Formen 
aber  auch  mit  denen  von  Vernaison  (bei  Mortillet  a.  a.  O.)  zusammen  und 
es  entsteht  die  Frage,  wo  sie  ursprünglich  zu  suchen  sind.  Aus  den 
Schweizer  Pfahlbauten  sind  mir  diese  Typen  nur  in  wenigen  Exemplaren 
des  Züricher  Sees  bekannt  (Keller,  8.  Bericht  Tf.  II  33;  III  16,  17). 
Es  scheint  vielmehr  das  Zentrum  ihrer  Verbreitung  im  Rhonegebiete  oder 
überhaupt  im  östlichen  Frankreich  gelegen  zu  haben.  Denn  ein  bedeutenderes 
Kulturzentrum  der  älteren  Bronzezeit  muss  für  ihre  Verbreitung  voraus- 
gesetzt werden. 

Aus  diesem  Zentrum  werden  jedenfalls  die  altertümlichen  Formen 
der  Sicheln  von  Edington  Burtle  bei  (Jlastonbury  (Somersetshire)  nach 
England  gekommen  sein  (bei  Evans,  Bronze  Implements  S.  197):  Wir 
finden  hier  sowohl  die  Variation  a  des  Typus  II  mit  geringer  Krümmung 
und  quergestelltem  Zapfen  (Fig.  233  =  oben  Fig.  33),  also  wie  in  Ver- 
naison und  Ackenbach,  als  auch  die  zweiknöpfige  Sichel  (Fig.  232  =  oben 
Fig.  34).  die  sonst  nur  im  Bodenseegebiet  (vgl.  Ackenbach  u.  v.  Tröltsch) 
belegt  zu  sein  scheint. 

Dieses  Fabrikationszentrum  von  besonderer  Eigenart  möchte  ich  nicht 
in  der  Schweiz  suchen,  da  die  dort  vorwiegenden  Formen  dem  oben 
(dinrakterisierten  Typus  Ib  entsprechen,  also  Lochsicheln  mit  langem 
<!  rufende  sind.  Ob  diese  Schweizer  Spezialität  im  wesentlichen  jünger 
ist,  als  der  für  das  Rhonegebiet  eigentümliche  Typus  IIa,  der  sicher  der 
älteren  Bronzezeit  angehören  muss,  können  erst  zukünftige  Untersuchungen 
ergeben. 

Zu  den  in  Frankreich  vorkommenden  Sicheltypen  möchte  ich  an 
dieser  Stelle  noch  Folgendes  nachtragen. 

Ein  reiches  Material  der  Bronzezeit  aus  der  Umgegend  von  Paris 
hat  in  den  letzten  Jahren  der  Abbe  Breuil  (l'Anthropologie  1900  XI, 
503  ff.  1901  XII,  282  ff.  1902  XIII,  467  ff.)  zusammengebracht  An 
Bronzesicheln  erwähnt  er  aus  dem  „bassin  de  la  Somme":  Knopfsicheln, 
k  bouton  (a.  a.  O.  XII  290  f.  Fig.  4  Xr.  32,  33,  34),  Lochsicheln  ä  lan- 
gnette (ebenda  Xr.  35,  36)  und  mit  Schafttülle,  ä  douille  (ebenda  Xr.  38), 
bei  der  letzteren  ist  eine  kleine  Henkelöse,  wie  die  an  Hohlcelten  übliche 
bemerkenswert. 

Mit  der  Chronologie  der  Bronzezeit  in  Prankreich,  Belgien.  Süddeutsch- 
land and  der  Schweiz  hat  sich  0.  Montelius  (l'Anthropologie  1901  XU 
609  ff.)  eingehend  beschäftigt.  Die  oben  genannten,  für  die  verschiedenen 
Variationen  der  Knopfsichel  massgebenden  Funde  von  Vernaison  und 
Santenay,  in  denen  Hand-  und  Absatzcelte  vorkommen,  setzt  er  in  die 
3.  Periode  (=  1550-1300  v.  Chr.  Geb.):  die  Funde  dagegen,  in  denen 
der  vollentwickelte  Typus  ü.ß  vorherrscht,    die    von    Poype    (Isere)    und 


-     446     — 

Larnaud  (Jura)  gehören  nach  Montelius  in  den  Anfang-,  bezw.  das  Ende 
der  4.  Periode  (=  1300—1050  v.  Chr.  Geb.),  während  der  Depotfund  von 
Realon  der  5.  Periode  (=  1050—850  v.  Chr.  Geb.)  zuzurechnen  wäre. 

Jedenfalls  sprechen  die  Funde  des  Rhone-  und  Bodenseegebietes  für 
die  ältere  Vorherrschaft  des  Typus  II  a-y,  der  zeitlich  an  die  Peschiera- 
Sichel  herranrückt.  Liegt  es  aber  nahe,  diese  Vorherrschaft  aus 
dem  Einflüsse  eines  westlichen,  etwa  im  Rhonegebiete  anzunehmenden 
Kulturzentrums  zu  erklären,  worauf  die  Funde  selbst  weisen,  so  Hesse  sich 
auch  das  Auftreten  der  Knopfsicheln  in  jüngeren  Depotfunden  Südwest- 
deutschlands eher  auf  dieselben  westlichen  Einflüsse  zurückführen,  als  auf 
östliche,  wie  Schumacher  (Korrespbl.  1903  S.100  Westd.  Ztschr.  XX  1901 
S.  200)  annimmt.  Kommen  doch  im  Depotfunde  von  Pouilly  Kr.  Metz 
(bei  Schumacher  S.  91  nr  4)  neben  11,  von  Schumacher  auf  west- 
liche Einflüsse  zurückgeführten  Absatzcelten *)  23  Knopfsicheln  vor. 
Warum  nicht  auch  bei  den    Knopfsicheln    dieselben    westlichen  Einflüsse? 

Diese  Frage  wird  sich  vielleicht  noch  mehr  klären,  wenn  wir  das 
Vorkommen  von  Sicheln  in  älteren,  östlichen  Funden  verfolgen.  Solche 
finden  wir  nun  in  der  Tat  in  der  reichen  Bronzekultur  Böhmens.  Eine 
Sichel  des  Typus  II,  sehr  einfach,  halbkreisförmig  mit  kurzem  Griffende, 
auf  der  Sichelbahn  nur  am  Rande  verstärkt,  ohne  die  sonst  üblichen 
Längsrippen,  also  die  gewöhnliche  Variation  ß,  gehört  zum  Inhalt  des 
Depotfundes  von  Sobenice  (Richly  a.  a.  O.  Tf.  XXXV  XXXVI,  12),  die  an- 
deren Fundstücke  (28  Flachkelte  mit  und  ohne  Randleisten  Fig.  1 — 5. 
10,  2  massive,  offene,  glatte  Ringe  mit  verjüngten  Enden  (Fig.  6.  8),  ein 
glatter,  offener  Halsring  mit  flach  gehämmerten  Ösen  an  den  Enden  (Fig  7.), 
eine  Nadel  (?)  mit  breiter  Kopfplatte  und  geschwollenem  Halse,  verziert 
(Fig.  9),  ein  glatter  Armring  mit  übereinandergelegten  Enden  (Fig.  11), 
bringen  diesen  Fund  mit  einer  ganzen  Reihe  von  Depots  der  älteren  Bronze- 
zeit Böhmens  zusammen,  von  denen  ich  folgende  aufzähle  mit  Hervorhebung 
der  charackteristischen  Fundstücke:  Böhmisch  Brod  Tf.  V  (Halsringe), 
Hospozin  Tf.  VIII  1—3  (Halsringe),  Nezdasov  Tf.XXIII,  1—3  (Halsringe), 
Stelcoves  Tf.  XXXVI  (Halsringe),  Plavnice  Tf.  XXVIII  (Flachcelte, 
Schleifennadel),  Ob  er  Idee  Tf.  XXXIV  (Flachcelte,  Halsring,  Arm- 
spirale, archaisch  mit  hohem  Dorn  an  den  Enden),  Stachov  Tf.  XXXVII 
(Flachcelte  von  etwas  entwickelter  Form,  Drahtspiralen,  Nadeln  mit 
schräg  durchbohrtem  Kopf).  Im  besonderen  ist  von  diesen  Typen 
Gewicht  zu  legen  auf  die  Halsringe  mit  den  breiten  Ösen,  die  für  das 
obere  Donaugebiet  charakteristisch  sind,  auf  die  mit  südlichen,  mittelmeer- 
lämlischen  Formen  korrespondierenden  Sehleifennadeln  und  auf  die  im 
wesentlichen  schon  den  sog.  „Säbelnadeln"  gleichzeitigen  Nadeln  mit 
schräg  durchbohrtem  Kopf,  alles  Formen  der  älteren  und  ältesten 
Bronzezeit.2) 


1)  Vgl.  auch  Undset  Westd.  Ztschr.1886.  V  S.  11  ff. 

l'j  Montelius,  D.  Chronologie  der  ältesten  Bronzezeit  S.  97  nr.  14;  98  nr.  4;  98  nr. 
17.  Nach  diesem  Schema  würden  die  genannten  Depotfunde  von  Plavnice  und  Gross- 
Vosov  „aus  dem  Ende  der  ersten  Periode"  stammen.  Vgl.  auch  Schumacher,  Westd. 
Ztschr.  XX   1901   S.  192  ff. 


—     447     — 

In  dieselbe  Reihe  der  älteren  Bronzealtertümer  gehört  der  Depotfund 
von  Krupa  (hei  Kichly  a.  a.  0.  Tf.  XIV).  Ausser  2  Bruchstücken  von 
Sichelndes  Typus  Uß  ohne  Desondere  Eigenart,  die  eine  nur  am  Kunde  verstärkt, 
die  andere  mit  Längsrippe,  enthält  der  Fand  ( jolddrähte,  ans  fünf  ineinander  ge- 
langten Gewinden  bestehend  (Fig.  3),  acht  massive,  offeneverzierte  Armringe, 
(Fig.  4.  6.  7),  ein  offenes,  an  der  Aussenseite  mit  drei  Längsrippen  ver- 
sehenes, an  der  beiden  ausseien  mit  kurzen  Querstrichelchen  verziertes 
Armband  (Fig.  5).  Machen  die  (jolddrähte  den  Fund  schon  des  höheren 
Alters  verdächtig,  so  gehört  »las  Armband  zu  einer  bestimmten,  an  die 
altertümlichen  Manschetten  sich  anschliessenden  Gruppe  von  Zierrat,  die 
Naue1)  zur  älteren  Bronzezeit  rechnet,  M.ontelius'j  in  das  Ende  der  ersten 
Periode  und  die  folgende  versetzt. 

Damit  wäre  also  auch  für  den  Osten  die  halbkreisförmige  Sichel 
mit  Knopf  als  ältere  erwiesen. 

Die  andere  Grundform  desselben  Typus  mit  geringerer 
Krümmung  nach  Art  der  Winzermesser  kommt  ebenfalls  in  Böhmen  schon 
in  der  ältesten  Bronzezeit  vor,  nämlich  im  Depotfunde  von  Smedrov  (bei 
Richly  a.  a.  O  Tf.  XXXIII,  11,13),  dessen  Zeitstellung  durch  die  langen 
Schmalmeissel,  einen  schmalen  Celt  mit  hohen  Ränder  nund  besonders  durch 
die  Nadel  mit  seitlicher  Öse  gesichert  ist. 

Gehen  wir  noch  weiter  nach  Osten,  so  müssen  wTir  auf  die  älteren 
bronzezeitlichen  Zustände  Ungarns  unser  Augenmerk  richten,  wo  wir  in 
der  jüngeren  und  jüngsten  Zeit  so  reiche  gemischte  Funde  kennen  gelernt 
haben.  Die  wenigen,  in  Frage  kommenden  Funde  ergeben  nun  folgendes 
in  bezug  auf  die   Haupttypen  der  Sicheln ;] 

Typus  III,  der  eine  Spezialität  von  Ungarn  sein  sollte,  fehlt  in  der 
älteren  Periode  gänzlich.  Die  Typen  I  und  II  kommen  aber  nicht  in 
gemischten  Funden,  sondern  gesondert  vor. 

Zunächst  Typus  I  mit  deutlicher  Anlehnung  an  die  Variation  a,  bei 
der  Sichelblatt  und  Griff  scharf  abgesetzt  werden,  und  mit  den  spezifisch 
ungarischen  Merkmalen  der  Griffbahnverstärkung  in  dem  Schatzfunde  von 
Nemet-Bogsän,  Com.  Krasso  (Hampel  II,  164,  7,  8,  9;  neben  den  Sicheln 
Bruchstücke  von  Spiralen,  Knöpfe  mit  Ösen,  einfache  Ringe  (Fig.  5,  1.2,  13), 
fein  verzierte  offene  Armringe  (Fig.  10,  11,  15,  1(5),  ein  Hohlcelt  (Fig.  la.  I.) 
und  ein  Flachmeissel  (Fig.  IIa,  b).  Der  Hohlcelt  weicht  von  den  jüngeren 
ungarischen  Formen,  wie  sie  in  den  gemischten  Funden  üblich  sind, 
wesentlich  ab;  er  hat  einen  nur  massig  markierten  Kandwulst,  keine  Zier- 
rippen  und  kein  Öhr,  sundern  ein  rohes  Loch  zur  Befestigung  des  Schaftes. 
Der  Flarluneissel  ist  fast  rechteckig,  hat  eine  nur  wenig  seitwärts  und 
nach  vom  ausladende  Schneide  und  gleicht  ganz  und  gar  den  einfachen 
Formen,  die  für  die  sogenannte  Kupferzeit  Ungarns  charakteristisch  sind8). 

Damit  gewinnt  die  spezifische  ungarische  Sichelform  des  Typus  la 
ihre  chronologische  Gleichstellung  neben  Typus  11,    und  es  ist  sehr  wahr- 


1)  Naue,  D.  Bronzezeit  in  Ober  Bayern  S.  IT'.»  B;    lt.  XXXIII,  7:  XXXIV,  1. 

2)  Montelius  a.  a.  0.  S.  42  Fig.  10ü:  S.  96.  97  not.   1. 

3)  Vgl.  Pulszky.  Die  Kupferzeit  in  Ungarn,  S.  51,  Fig.  7- 10:  S.  &2,  Fig.  L-3. 


—     448     — 

scheinlich,  dass  sie  unter  dem  Einflüsse  des  Peschiera-Typus  entstanden 
ist,  mit  dem  sie  die  Grundform  gemein  hat.  Die  Annahme  des  umge- 
kehrten Verhältnisses  hat  wenig  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Die  Peschiera- 
Sichel  ist  in  ihrer  Form  einfacher  und  ursprünglicher  als  die  ungarische 
Abart. 

Alter  auch  in  Ungarn  rückt  Typus  II  in  ein  höheres  Alter  hinauf 
durch  den  Gussstättenfund  von  Sajö-Gömör,  Com.  Gömör  (Hampel  I,  114. 
5 — 10,  37).  Die  Sicheln  sind  meist  mehr,  einige  weniger  stark  mit  der 
Spitze  nach  unten  gekrümmt,  also  im  ganzen  ist  es  die  Variation  11/?. 
Der  Hohlcelt  (Fig.  2 — 4)  weicht  ebenfalls  von  den  jüngeren  Typen  ab, 
hat  einen  geraden  Rand,  anscheinend  kein  Ohr,  soweit  die  Abbildung 
nicht  täuscht,  auch  keine  Zierrippen  und  ist  in  der  ganzen  Form  ge- 
drungener; die  zahlreichen  offenen  Armringe  (Fig.  22 — 36)  sind  nach  Form 
und  Verzierung  nach  der  älteren  Art;  besonders  bezeichnend  sind  die 
hingen  Nadeln  mit  flachem,  mitunter  mit  zentralem  Dorn  und  Gravierungen 
verziertem,  fast  scheibenartigem  Kopf,  unter  welchem  eine  kleine  Öse  an- 
gebracht ist.  Diese  ungarische  Abart  der  Ösennadel  gibt  dem  Funde  seine 
Zeitstellung.  Sie  findet  sich  sonst  unter  Bronzegegenständen  von  aus- 
gesprochen älterem  Charakter,  so  in  dem  in  einem  Buckelgefässe  ge- 
fundenen Schatze  von  Rakos-Palota,  Com.  Pest1);  ferner  im  Schatze  von 
Raksi,  Com.  Somogy2);  als  dritten  Parallelfund  nenne  ich  den  Schatz  von 
Särbogärd,  Com.  Tolna  (Hampel  III,  223,  7,  8),  wo  nur  altertümliche 
Formen,  wie  Randcelte  (Fig.  2 — 4),  eine  Schwertklinge  mit  vier  Nieten 
(Fig.  6),  eine  Axt  mit  Schafttülle3)  (Fig.  1)  und  eine  merkwürdige  Sichel 
(Fig.  5)  zusammen  vorkommen. 

Diese  Sichel  ist  nämlich  bemerkenswert  wegen  ihrer  völlig  ab- 
weichenden Form.  Sie  hat  eine  geringe,  mehr  nach  der  Spitze  zu  sich 
neigende  Krümmung  und  am  Griffende  statt  des  Dorns  eine  querlaufende 
Verdickung.  Entweder  liegt  also  hier  eine  Singularität  vor,  der  ent- 
wicklungsgeschichtliche Bedeutung  abgesprochen  werden  muss,  oder  die 
querlaufende  Verdickung  steht  unter  dem  Einflüsse  der  bekannten,  in 
Westeuropa  konstatierten  Querstellung  eines  bügelartigen  Zapfens  am 
Griffende. 

Alle  vier  Depotfunde  gehören  jedenfalls  der  älteren  ungarischen 
Bronzezeit  an.4)     Damit  ist  auch  für  diese  der  Typus  II  belegt. 

Es  fragt  sich  also:  dürfen  wir  auf  Grund  der  erwähnten  Funde  in 
Ungarn  oder  Böhmen  den  Ursprung  des  Typus  II  suchen?  Für  diese 
Frage  werden  wir    zweierlei    gegeneinander    abzuwägen    haben,    einerseits 

1)  Hampel  I,  86,  87,  Fig.  7  u.  a.  neben  einer  einfachen  ungarischen  Axt  mit  Schaft- 
lochrändern (Fig.  2),  verzierten  und  unverzierten  Armringen  (Fig.  3,  4),  einem  Armbande 
mit  Längsrippen  (Fig.  G),  einem  Armringe  mit  Spiralenden  nacli  Art  der  Armbergen  (Fig.  5), 
einer  Zierscheibe  (Fig.  8). 

2)  Hampel  III,  221,  3,  4,  neben  zwei  bandförmigen  Armspiralen  mit  Spiralenden 
(Fig.  1,  2),  Zierscheiben,  wie  die  vorigen  (Fig.  G— !>)  und  Spiralröhrchcn  (Fig.  10—17). 

'S)  Nach  Art  der  kupfernen  bei  Pulszky,  Die  Kupferzeit  in  Ungarn,  S.  70.  Fig.  1  —  G. 

4)  Kein  ecke  weist  a.  a.  0.  die  Funde  von  Raküs  Palota  und  Raksi  einem  jüngeren 
Abschnitte  der  II.  Periode  zu,  die  er  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  vorchristlichen  Jahr- 
tausends gleichsetzt. 


—     449     — 

das  relative  Alter  der  Depotfunde  im  Osten  und  Westen,  andererseits  die 
östlichen  und  westlichen  Sichelfornien  selbst.  Nach  dem  von  BIonteliuB 
eingeführten  Schema  würde  man  geneigt  sein,  die  älteren  böhmischen 
Depots  in  d;is  Ende  der  ersten  und  in  die  zweite  Periode  der  Bronzezeit 
vm  setzen;  sie  würden  also  älter  als  die  Funde  von  Vernaison  und  Santenay 

sein,    die    Moiltelins    der    dritten    Periode    zuweist.      Allel)     die     ongarischen 

Funde  mit  dem  Typus  II  wären  noch  der  zweiten  Periode  zugehörig:. 
Nach  der  Chronologie  *\*'v  gerade  vorliegenden  Funde  würde  man  also  die 
Knopfsicheln  im  Bodensee-  und  Ethonegel  tiefe  uns  östlichen  Formen  alt- 
leiten müssen.  Dagegen  spricht  alter  die  Eigenart  der  westeuropäischen 
Variationen,  die  wir  am  Bodensee,  im  östlichen  Prankreich  und  in 
England  gleichartig  konstatiert  halten,  die  aber  in  den  östlichen  Fnml- 
gebieten  gänzlich  fehlen.  Und  wenn  der  Typus  II  östlichen  Ursprungs 
wäre,  nuisste  man  auch  die  ungarische  Form  <\r<,  Typus  Ia  im  Westen 
finden,  was  nicht  der  Fall  ist.  Wir  halten  umgekehrt  viel  mehr  Grund, 
die  erwähnte  Sichel  ans  dem  Depot  von  Särbogärd  in  Ungarn  auf  west- 
europäische Einflüsse  zurückzuführen,  wenn  ihrer  Formeigentümlichkeii 
überhaupt  eine  Bedeutung  beizumessen  ist. 

Nun  könnten  alter  alle  diese  Formen  im  Norden  entstanden  sein,  von 
da  ans  sich  verbreitet  haben,  und  die  Knopfsichel  verdiente  mit  Recht 
die  Bezeichnung  „nordische".  Dem  würde  das  Alter  der  nordischen  Sichel 
gewiss  keine  Schwierigkeiten  entgegenstellen;  sie  ist  in  Schleswdg-Holstein, 
Dänemark  und  Schweden  (vgl.  ölten  S.  1*27)  schon  für  die  zweite  Periode 
der  Bronzezeit  belegt.  Alter  auch  auf  diese  nordischen  Formen  die  west- 
europäischen zurückzuführen,  wird  man  sich  schwerlich  entschliessen 
können;  sie  bieten  nichts  als  die  Grundform  mit  mehr  oder  weniger  aus- 
geprägter Krümmung.  Fs  liegt  doch  nahe,  das  gemeinsame  Zentrum  für 
die  Umwicklung  und  Ausbreitung  eines  Typus  da  zu  suchen,  wo  wir  nicht 
nur  seine  Grundform,  sondern  auch  eigenartige  Variationen  unter  alten 
Funden  belegen  können.  Für  die  Sichel  des  Typus  II  ist  das  aber  das 
östliche  Frankreich,  das  Gebiet  des  Bodensees  und  England.  Von  da  aus 
hat  sie  sich  sowTohl  nach  dem  Osten,  wie  nach  dem  Norden  weiter  ver- 
breitet und  ist  so  schnell  zum  Allgemeingut  der  mitteleuropäischen 
und  nordischen  Bronzekultur  geworden1). 

Dann  kann  alter  auch  ihr  Auftreten  in  späterer  Zeit  nicht  mehr  auf- 
fallen ;  zur  Erklärung  desselben  bedarf  es  nicht  mehr  der  Annahme  be- 
sonderer, neu  wirkender  Einflüsse  aus  irgend  einer  Richtung.  Die  Knopf- 
sichel ist  eben  überall  in  den  diesseits  der  Alpen  gelegenen  Gebieten  bis 
zum  Ausgange  der  Bronzezeit  verfertigt  worden  und  im  Gebrauche  _■■- 
wesen.     Das   kann   man  von  keinem  der  anderen  Typen  sagen. 

Fassen  wir  also  die  Ergebnisse  der  vorigen  Untersuchung  zusammen, 
so  lässt  sich  etwa  folgendes  sa»-en: 


1)  Diese  Auffassung  lässt  sich  auch  mit  der  von  Moiltelins  (Chronologie  der 
ältesten  Bronzezeit,  S.  91)  gut  vereinigen;  für  Skandinavien  nimmt  ei  einen  Import  von 
Metallen  im  Beginne  der  Bronzezeit  von  Westen,  besonders  von  den  britischen  Inseln  aus. 
neben  dem  aus  Nordwest-Deutschland  an. 


—     450     — 

Von  den  vier  europäischen  Sicheltypen  heben  sich  in  bezug  auf 
wesentliche,  typische  Merkmale  und  lokale  Verbreitung  drei  als  bedeutsam 
für  die  Kulturgeschichte  heraus.  Für  die  Entwicklungsgeschichte  hat 
Typ.  III  von  fast  garnicht  veränderlicher  Form  die  geringste  Bedeutung, 
ist  auch  lokal  im  Osten  oder  Südosten  beschränkt,  aber  gerade  deswegen 
wichtig,  weil  er  uns  Brücken  zwischen  den  südosteuropäischen  Kultur- 
provinzen (Ungarn  —  Südrussland  — •  Kaukasus)  während  der  Dauer  der 
Hallstattkultur  schlagen  hilft.  Am  besten  wäre  also  Typus  III  als  der 
südosteuropäische  von  den  übrigen  zu  unterscheiden  (Fig.  23). 

Diese  treten  in  ihren  Grundformen  und  mannigfachen  Variationen 
auf,    von    denen  entwicklungsgeschichtlich    folgende    von  Bedeutung  sind: 

Typus  Ia  mit  senkrecht  abgesetztem,  langem  Griff  ende  ist  der  Kultur 
der  östlichen  Pfahlbauten  und  Terramaren  Oberitaliens  eigentümlich 
und  kann  als  Peschiera-Sichel  bezeichnet  werden  (Fig.  19,  20)  >  er  ge- 
hört sicher  zu  dem  älteren  Bestände  der  Pfahlbauformen  und  ist  schon 
in  der  Mitte  des  zweiten  vorchristlichen  Jahrtausends  oder  nicht  viel 
später  südwärts  bis  zum  Gestade  des  jonischen  Meeres  gewandert  (Fig.  29)w 

Wie  die  Träger  der  östlichen  Gruppe  der  oberitalischen  Pfahlbau- 
kultur aus  dem  Nordosten  gekommen  sind,  so  gehen  von  ihnen  aus  auch 
rückwärts  sich  bewegende  Kulturwellen  nach  den  heimatlichen  Gegenden 
zurück.  Daher  hat  dem  oberitalischen  Typus  die  Sichel  der  älteren 
ungarischen  Bronzezeit  ihre  Grundform  zu  verdanken,  bildet  jedoch  ihre 
Eigenart  in  der  Formung  des  Griffeudes  durch  vielgestaltige  Rippen- 
bildungen von  ursprünglich  technischer,  daneben  auch  rein  dekorativer 
Bedeutung  aus.     (Ungarische  Abart.)    Fig.  30,  27. 

Typus  Ib  von  halbkreisartiger  Grundform  mit  langem  Griffende  und 
regelmässig  nur  in  der  Zweizahl  vorhandenen  Längsrippen  kann  als 
Schweizer  Pfahlbautypus  gelten.  In  der  jüngeren  und  jüngsten  Bronze- 
zeit ist  er  in  Mitteleuropa  weit  verbreitet  und  dem  Typus  II  gleich- 
gestellt. Für  die  ältere  Bronzezeit  ist  sein  chronologisches  Verhältnis  zu 
Typus  Ia  und  II  noch  nicht  festgestellt  (Fig.  1,  21,  22,  26). 

Typus  II  mit  kurzem  Griffende  und  knöpf-  oder  dornartigem  Ansatz 
auf  demselben  hat  eine  Reihe  von  Variationen,  die  bedingt  sind  einmal 
durch  die  verschiedene  Gestaltung  der  Grundform  entweder  als  weniger 
gekrümmt  nach  Art  der  Winzermesser  (Variation  IIa)  oder  als  Halbkreis- 
form mit  abwärts  gerichteter  Spitze  (Variation  II  b)  oder  schliesslich  mit 
geschwungener  Schneide  und  aufwärts  gerichteter  Spitze  (Variation  II  c), 
bedingt  zweitens  durch  Gestalt,  Zahl  und  Stellung  der  Knöpfe  am  Griff- 
ende und  zwar  als  Variation  IIa  mit  quer  gestelltem,  bügelärtigen,  seltener 
kegelförmigem  Knopf,  II  ß  mit  einfachem,  kegelförmigem  Knopf  in  der 
rechten  Ecke  des  Griffendes  (die  am  meisten  verbreitete  Form  der  „Knopf- 
sichel"), II  y  mit  doppeltem,  kegelförmigem  Knopf*  in  beiden  Ecken  des- 
selben und  II  <9  mit  einfachem,  kegelförmigem  Knopf  in  der  unteren  Ecke 
Je.  Griffendes  (Fig.  31—34). 

Diese  Variationen  und  ihr  gegenseitiges  chronologisches  Verhältnis 
können  nach  ihrem  Auftreten  in  Depotfunden  des  Rhone-  und  üodensee- 
orebietes     beurteilt    werden.      Bereits     in     der    älteren   Bronzezeit    sind   die 


—     451     — 

Variation«!]  der  Grundform  Ha  und  1)  mit  den  besonderen  Merkmalen 
von  IIa — y  konstatier!  worden.  In  anderen,  östlich  gelegenen  Fnnd- 
gebietei]  hat  sich  zwar  «Irr  Typus  II  in  den  Variationen  a,  b  und  ß  teils 
als  der  älrcrc  (im  Verhältnis  zu  I  1)).  teils  als  etwa  gleichzeitig  im  Ver- 
hältnis zur  Lokalform  la  (Ungarn)  erwiesen,  aber  nirgends  finden  wir 
in  der  älteren  Periode  eine  so  auffallende  Vereinigung  aller  Verschieden» 
heiten  der  Grundform,  wie  in  den  genannten  G-ebieten  der  Rhone  und  am 
Bodeiisee.  Da  wir  dieselben  aber  aurh  in  England  linden,  so  haben  wir 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auf  der  linken  Seite  des  Rheins  die 
Entstehung  und  Entwicklung  des  Typus  II  zu  suchen.  Von  da  ans  hat 
er  sich  auch  im  Norden  und  Osten  eingebürgert.  Wir  werden  also  die 
Knopfsichel  nicht  mit  Schumann  als  nordischen,  sondern  als  west* 
europäischen  Typus  bezeichnen  dürfen.  Wie  beim  'Typus  I,  wurde 
auch  bei  ihm  das  Griffende  durch  Querrippen  und  andere,  mehr  dekorativ 
wirkende  plastische  Figuren  verstärkt;  von  Fabrikmarken  kann  auch  hier 

nicht   die    Rede   sein1)   (Fig.  2— 18). 

Für  die  ältere  Bronzezeit  dürfen  wir  also  verschiedene  Zentren  vor- 
aussetzen, in  denen  die  Formen  der  Sicheln  ihre  lokale  Eigenart,  ihre 
typische  Physiognomie  erhielten  (Oberitalien,  Frankreich,  Ungarn,  voraus- 
sichtlich auch  die  Schweiz  im  Typus  Ib  und  wahrscheinlich  auch  Süd- 
Russland). 

Erst  in  einer  jüngeren  Periode  der  Bronzezeit  fand  ein  allgemeiner 
Austausch  der  auf  diese  Weise  gewonnenen  Lokalformen  statt.  So  er- 
klärt sich  .das  eigenartige  Bild  der  Sichelfunde  in  der  gemischten  Zone. 
In  Oberitalien  lehnen  sich  die  jüngeren  Formen  (F'reghera,  Casalecchio, 
S.  Francesco)  an  die  Schweizer  Grundform  an  (Fig.  25,  28);  auch  die 
Sichel  mit  Schafttülle  ist  in  jüngerer  Bronzezeit  beiden  Gebieten  eigentüm- 
lich, kommt  aber  sonst  nur  noch  in  Frankreich  und  England,  freilich  ganz 
umgestaltet  vor  (Fig.  24).  In  Zentraleuropa,  insbesondere  in  Süd-  und  Mittel- 
deutschland hänfen  sich  die  Einflüsse,  vorwiegend  vomSüden(Schweiz)und  im 
geringeren  Masse  vom  Südosten  (Ungarn).  Als  obere  Grenze  für  diese 
Einflüsse  ist  eine  ungefähr  durch  Berlin  gezogene  Breitenlinie  bezeichnet 
worden.  Auch  für  die  osteuropäischen  Einflüsse  ist  eine  Grenze  vorge- 
schrieben, insofern  die  Sicheln  des  Typus  111  auf  Ungarn  beschränkt 
bleiben.  Die  Bezeichnung  „ungarische  Sichel"'  für  diesen  Typus  ist 
ebensowenig  gerechtfertigt,  wie  in  "Württemberg,  wo  wir  ein  Vorherrschen 
des  Typus  Ib  beobachteten,    von    einem  „schwäbischen"    Typus  zu  reden. 

In  dieser  gemischten  Zone  macht  sich  aber  die  auffallende  Tatsache 
geltend,  dass  als  Grabbeigabe  bis  in  die  spätere  Bronzeperiode  hinein, 
besonders  in  östlichen  Fundgebieten,  in  der  Hegel  die  ältere  Knopfsichel 
vielfach,    wie    andere    Bronzebeigaben,     in    Miniaturform    üblich    war. 


1)  Die  Rippen  auf  den  Sicheln  unterscheiden  rieh  auch  von  den  Zeichen,  die  man 
auf  anderen  bronzenen  Geräten  oder  Waffen,  wie  Schwertern,  Beilen,  Fibeln,  als  Fabrik- 
marken zu  deuten  pflegt.  Über  Marken  auf  Beilen  s.  R.  Forrer,  Antiqua  1892 
S.  50  ff.  Tat',  VI,  4  und  XXVJI:  auf  Fibeln  und  Nadeln  Dressel,  Bonn.  Jahrb.  1894 
S.  Sl— 8-1.  Schumacher,  Korrespbl.  d.  westd.  Ztschr.  L895  Sp.  ■-'•">  IV.  Riese,  Korrespbl. 
ebenda  L897  S.  L36  f. 


—     452     — 

Überhaupt  tritt  die  Knopfsichel  in  der  jüngeren  Periode  häufig  in  der 
gefälligeren  Form  mit  geschwungenem  Rücken  auf,  sodass  Beltz  (Mecklb. 
Jahrb.  54,  1889  S.  103  f.)  gegenüber  Mertins  (Schles.  Vorzeit  VI  364) 
Recht  behalten  muss.  Auch  verschwindet  die  ältere  Form  mit  gerade 
gerichteter  Klinge  keineswegs  und  tritt  noch  in  so  jungen  Depots  wie 
z.  B.  von  Schwachenwalde  (Prov.  Brandenburg)  neben  den  mehr  ge- 
krümmten und  geschweiften  Formen  auf. 

Nördlich  der  bezeichneten  Grenzlinie  haben  aber  die  Einflüsse  aus 
dem  Süden  und  Südosten  abgenommen  und  allmählich  aufgehört.  Hier, 
in  Norddeutschland,  Dänemark,  Skandinavien  ist  der  Typus  II  allein- 
herrschend geblieben  und  hat  zur  unbegründeten  Vorstellung  einer  nor- 
dischen Sichel  Veranlassung  gegeben.  Die  erwähnte  Ausnahme  in  Ost- 
preussen  ist  vereinzelt. 

So  lässt  sich  aus  unscheinbaren  Steinen  ein  Mosaik  zusammensetzen, 
das  uns  einen  Blick  in  die  vorchristliche  europäische  Kulturgeschichte  eines 
Zeitraumes  von  mehr  als  1000  Jahren  (ca.  1500—500  vor  Christi  Geburt) 
gewährt.  Wir  sehen,  wie  auch  ohne  die  sonst  so  massgebenden  Einflüsse 
des  klassischen  Kulturbodens  in  Mittel-  und  Nordeuropa  eine  reiche  Ent- 
wicklung sich  abspielt  und  ihre  Spuren  sogar  an  den  Küsten  des  jonischen 
Meeres  zurücklässt.  Diese  Entwicklung  in  ihrer  Eigenart  zu  beleuchten, 
mag  zum  Schluss  durch  einen  Ausblick  auf  Troja  gestattet  sein.  Auch 
hier  finden  wir  sichelförmige  Geräte  aus  Kupfer  oder  Bronze,  aber  weder 
nach  Form,  noch  in  ihrer  Technik  lassen  sie  sich  mit  den  europäischen 
Sicheltypen  vergleichen;  vielmehr  sind  sie  nach  Art  der  Messer  mit 
breitem  Rücken,  2  gleichen  Seitenflächen  und  Griffzungen  gebildet.  Drei 
von  ihnen1)  gehören  zu  dem  der  VI.  Ansiedelung  zugewiesenen  Funde  P. 
Die  anderen  sind  Einzelfunde  von  gleichem  Charakter.2) 

Mögen  die  obigen  Ausführungen  Anregungen  dazu  geben,  das  so  ge- 
wonnene Bild  von  der  Entwicklung  und  Verbreitung  eines  bronzezeitlichen 
Gerättypus  durch  lokal  beschränkte  Einzelstudien  weiter  auszumalen. 
Namentlich  wäre  von  einem  feineren  Ausbau  der  Chronologie  der  älteren 
Bronzezeit  auch  für  das  chronologische  Verhältnis  der  Sicheltypen  ein 
Gewinn  zu  erwarten.3) 


1)  Heinrich  Schliemanns  Sammlung  Kat.  Nr.  (1137 — 6139. 

2)  Kat.  Nr.  G454-6462;   vgl.  A.  Götze  bei  Dörpfeld,  Troja  und  Ilion   S.  394,  396. 

3)  Nach  Abschluss  der  zweiten  Korrektur  linde  ich  auch  für  den  ungarischen 
Sicheltypus  Ia  eine  Gussform  unter  den  Funden  von  Lengyel  bei  Wosinsky  a.  a.  O.  II 
S.  203  Taf.  43,  334:  sie  stammt  aus  einer  bronzezeitlichen  Wohngrube  zusammen  mit 
Bronzenadeln,  Knochengeräten  und  Gefässresten  und  ist  den  oberitalischen  Typen  auf- 
fallend ähnlich.  Leider  ist  auf  Grund  der  Angaben  eine  Datierung  nicht  möglich.  Vgl. 
oben  S.  431. 


II.    Verhandlungen. 


Sitzung  vom  23.  April  1904. 
Vorsitzender:    Hr.  Karl  von  den  Steinen. 

(1)  Hr.  Waldeyer  nimmt  in  Halle  an  einer  Stiftungsfeier  der 
Leopoldinisch-Carolinischon  Akademie  teil  und  bittet  die  Gesellschaft, 
seine  heutige  Abwesenheit  zu  entschuldigen.  — 

(2)  Die  Giesellschaft  hat  drei  auswärtige  Mitglieder  durch  den  Tod 
verloren,  die  Herren:  Johann  Pudil  in  Prag,  Georg  Petermann  in 
Frankfurt  a.  Oder  und  Dr.  Ludwig  Belly  in  Frankfurt  a.  Main.  — 

(3)  Frl.  Prof.  Mestorf  in  Kiel,  die  für  ihre  Verdienste  um  die  prä- 
historische Forschung  gelegentlich  ihres  70.  Geburtstages  zum  Ehren- 
mitglied der  Gesellschaft  ernannt  worden  ist,  hat  am  17.  d.  Mts.  ihren 
75.  Geburtstag  begangen,  und  wir  gedenken  ihrer  mit  herzlichem  Glück- 
wunsch. — 

(4)  Hr.  Bartels  hat  nach  schwerer  Krankheit  den  Süden  aufgesucht. 
Er  sendet  der  Gesellschaft  seine  Grüsse  aus  Sestri-Levante,  wo  er  sich 
hoffentlich  schnell  erholt.   — 

(5)  Hr.  Lissauer,  der  inzwischen  schon  nach  Paris  weitergereist  ist, 
entbietet  der  Gesellschaft  ebenfalls  seine  Grüsse  in  einem  Briefe  vom 
15.  April  aus  Mentone,  aus  welchem  wir  folgendes  entnehmen: 

„Neben  dem  Naturgenuss  habe  ich  die  Forschung  nicht  ganz  vernach- 
lässigt und  mich  bemüht,  den  Stand  der  Ausgrabungen  in  den  Balz i 
rossi,  welche  icli  seit  zwei  Jahren  nicht  besucht  hatte,  festzustellen.  Von 
den  sieben  Höhlen,  welche  bisher  überhaupt  untersucht  sind,  kommen 
hierbei  nur  die  erste,  fünfte  und  siebente  in  Betracht.  Die  Funde  aus  der 
ersten  und  letzten  befinden  sich  bekanntlich  in  dem  Anthropologischen 
Museum  zu  Monaco,  die  der  fünften  Höhle,  der  Barma  grande,  teils  noch 
in  situ  in  der  Höhle,  grösstenteils  aber  in  dem  Museum  prähistoricum, 
welches  der  berühmte  Wohltäter  jener  Gegend,  der  Commodore  Eanbnry 
in  La  Mortola,  vor  dem  Eingang  der  Höhle  hat  erbauen  lassen.  Die  Funde 
in    diesem   Museum    sind    sämtlich    von    dem    Besitzer    der  Höhle,    Herrn 


—     454     — 

Abbo  Jim.,  mit  grosser  Sorgfalt  und  Genauigkeit  ausgegraben  und  später 
von  den  Herren  Boule  und  Verneau,  zum  Teil  auch  von  Arthur  Evans 
und  mir  beschrieben  worden. 

Hr.  Abbo  hat  nun  in  den  letzten  zwei  Jahren  die  Ausgrabungen 
während  des  Sommers  fortgesetzt,  —  im  Winter  und  Frühjahr  wird  die 
Höhle  und  das  Museum  von  den  Fremden  so  stark  besucht,  dass  er  den 
ganzen  Tag  mit  der  Führung  beschäftigt  ist.  Trotzdem  widmete  er  mir 
in  liebenswürdigerweise  eine  Stunde,  um  mir  die  neuen  Funde  der  letzten 
zwei  Jahre  vorzulegen. 

Dieselben  stammen  sämtlich  aus  der  tiefsten  Schicht,  die  überhaupt 
erreicht  ist  und  bisher  nur  Knochen  von  Elephas  antiquus  und  Werkzeuge 
aus  Stein,  meist  aus  Sandstein,  seltener  aus  Silex  ergeben  haben.  Diese 
Instrumente  haben  fast  alle  den  Charakter  des  Mousterien,  wie  die  von 
Taubach,  wto  ja  der  gleiche  paläontologische  Horizont  nachgewiesen  ist. 
Es  sind  nur  Schaber  und  Spitzen,  gut  gedengelte  Stücke,  —  keine  grossen 
axtförmigen  Werkzeuge.  —  Menschenreste  sind  bisher  in  dieser  Schicht 
nicht  gefunden  worden;  trotzdem  ist  es  nach  der  grossen  Masse  der 
gehobenen  Werkzeuge  nicht  mehr  zweifelhaft,  dass  der  Mensch  in  dieser 
Höhle  bereits  zur  Zeit  des  Elephas  antiquus  existiert  hat,  was  früher  aus 
den  wenigen  Stücken,  die  bekannt  waren,  nicht  mit  Sicherheit  hervorging. 
Die  in  den  höheren  Schichten  gefundenen  menschlichen  Skelette  gehören 
dagegen  der  Zeit  des  Ren  an,  wie  ich  ja  in  früheren  Mitteilungen 
berichtet  habe.  Auch  in  Monaco  erfreuen  sich  die  reichen  paläontologischen 
und  urgeschichtlichen  Sammlungen  fortgesetzt  der  Gunst  des  Fürsten,  wenn 
auch  nicht  in  gleichem  Masse,  wie  die  oceanographischen,  für  welche  ein 
Museum  von  monumentaler  Grösse  und  Pracht  errichtet  wird,  welches  noch 
immer  nicht  vollendet  ist,  obwohl  der  Grundstein  dazu  bereits  1899  unter 
den  Auspizien  unsere  Kaisers  gelegt  worden  ist.  Indessen  sind  schon 
bedeutende  Anfänge  mit  den  Aquarien  und  Sammlungen  gemacht  worden, 
zu  welchen  der  Direktor  Hr.  Richard  jedem  sich  dafür  Interessierenden 
gern  den  Zutritt  gewährt. 

Für  die  anthropologischen  Sammlungen  ist  nun  seit  meinem  letzten 
Besuche  ebenfalls  ein  eigenes  Museum  erbaut  worden,  zwrar  klein  und 
einfach,  aber  hell  und  seinem  Zweck  ganz  entsprechend.  Dasselbe  steht 
unter  Leitung  des  verdienten  Paläontologen,  Kanonikus  de  Villeneuve, 
der  seiues  Amtes  mit  grosser  Hingebung  und  Liebenswürdigkeit  waltet. 
Derselbe  hat  auch  im  Auftrage  des  Fürsten  die  Ausgrabungen  in  der 
ersten  und  siebenten  Höhle  der  Balzi  rossi  selbst  geleitet  und  ist  nun 
damit  beschäftigt,  diese  Funde  in  dem  neuen  Museum  aufzustellen  und  zu 
ordnen.  Die  berühmten  vier  menschlichen  Skelette  aus  der  ersten  Höhle, 
der  Grotte  des  enfants,  über  welche  ich  früher  berichtet  habe,  sind  jetzt 
bereits  in  würdiger  Weise  unter  Glas  geborgen,  während  die  mit  ihnen 
gefundenen  Beigaben,  meist  Werkzeuge,  augenblicklich  an  Hrn.  Cartailhac 
in  Toulouse  zur  genaueren  Bestimmung  gesandt  worden  sind.  Neuere 
Funde  sind  in  dieser  Höhle  nicht  gemacht  weiden,  da  dieselben  bis  auf 
den  gewachsenen  Fels  schon  früher  ausgeleert  worden  ist. 

Dagegen   wird    in  der  siebenten    Sohle,    der  Grotte  du  Prince,   unaus- 


—     455     — 

gesetzt  fortgearbeitet.  Dieselbe  hat  bisher,  trotzdem  die  Ausgrabungen 
schon  mehrere  Jährt'  dauern,  keine  Beste  des  Menschen  ergeben,  wohl 
aber  eine  grosse  Zahl  höchst  interessanter  paläontologischer  Funde, 
darunter  einen  ganz  neuen  Cerviden,  neben  einem  gewaltigen  Cervus 
canadensis.  Was  aber  von  besonderer  Wichtigkeit  erscheint,  ist  der  Nach- 
weis, dass  diese  Riesenhöhle  in  ihren  verschiedenen  Schichten  Überreste 
von  ganz  entgegengesetzten  Faunen  birst.  Während  unten  eine  rein 
marine  Fauna  vertreten  ist,  findet  man  in  den  höheren  Schichten  llippo- 
potamus,  Elephas  antiquus,  Rhinoceros  Merckii  und  noch  höher  die  Fauna 
des  Nordens,  Mammut,  Khinoceros  tichorhinus  und  andere  Tiere  der  kalten 
Zone,  eine  Tatsache,  die  bisher  nur  durch  die  Anwesenheit  weniger  Reste 
vom  Heu  in  der  fünften  Höhle  vermutet  werden  konnte,  und  welche  auf 
den  Einfluss  einer  Eiszeit  auch  auf  dieses  Gebiet  hinweist.  —  Viele  dieser 
Funde,  welche  sämtlich  mit  grosser  Exaktheit  dem  Boden  entnommen 
worden  sind,  ruhen  jetzt  in  den  Händen  des  Hrn.  Boule  in  Paris  zu 
genauer  wissenschaftlicher  Bestimmung.  Nach  Beendigung  dieser  Unter- 
suchung werden  die  reichen  Schätze  in  dem  anthropologischen  Museum 
ihre  würdige  Aufstellung  finden  und  dem  Publikum  allgemeiu  zugänglich 
gemacht  werden. 

Hr.  de  Villen euve  hofft,  dass  dies  bereits  Ostern  11)05  möglich  sein 
wird  und  beabsichtigt  in  Übereinstimmung  mit  den  Pariser  Forschern  den 
internationalen  anthropologischen  Kongress  um  diese  Zeit  nach  Monaco 
einzuladen.  Als  ich  ihn  darauf  aufmerksam  machte,  dass  um  dieselbe  Zeit 
der  internationale  archäologische  Kongress  in  Athen  stattfinden  solle,  ver- 
sprach er,  dieser  Kollision  vorzubeugen,  damit  der  vielversprechende 
Kongress  in  Monaco,  für  dessen  Zustandekommen  sich  auch  der  Fürst 
lebhaft  interessiert,  recht  zahlreich  besucht  werden  könne.  Hoffentlich 
benutzen  auch  viele  Mitglieder  unserer  Gesellschaft  diese  Gelegenheit,  die 
paradiesischen  Schönheiten  der  Riviera  kennen  zu  lernen,  —  ohne  der  in 
Monte  Carlo  lauernden  Schlange  Opfer  zu  bringen." 

(6)  Von  Hrn.  C.  Roesler  in  Tiilis  ist  die  folgende  Postkarte  ein- 
gelaufen: 

„Tiflis,  19./26.  III.  04. 

Am  29.  Januar  machte  ich  Ihnen  Mitteilung  von  einer  anscheinend 
vielversprechenden  archäologischen  Entdeckung  in  der  Stadt  Baku.  Laut 
erfolgter  Benachrichtigung  seitens  der  kaiserlich  russischen  archäologischen 
Kommission,  die  durch  Sachverständige  eine  genaue  Voruntersuchung  der 
in  Frage  kommenden  Objekte  anordnete,  haben  die  Gräber  nun  doch 
nicht  das  ihnen  in  der  ersten  Aufregung  von  den  Bakuer  Archäologen  zu- 
geschriebene Alter.  1'iS  handelt  sich  vielmehr  um  Kulturüberbleibsel  eines 
islamitischen  Volkes,  und  die  für  Keilschrift  gehaltenen  Epitaphien  Bind 
endgiltig  als  arabische  Schriftzeichen  erkannt  worden.  .Mit  der  Unter- 
suchung der  Grabstätten  ist  der  Professor  der  Petersburger  Universität, 
Barthold,  beauftragt  werden,  der  im  Mai  sich  über  Baku  nach  Trans- 
kaspien  begibt,  um  als  Vertreter  der  russischen  Regierung  den  Aus- 
grabungen   der   amerikanischen  Expedition    bei   Samarkand    beizuwohnen, 


—     456     — 

Dieser  Expedition  verdanke  ich  das  seltene  Vergnügen,  in  der  Person  des 
Hrn.  Hubert  Schmidt  unlängst  hier  einen  liebenswürdigen  Landsmann 
und  tatendurstigen  Vertreter  unserer  Gesellschaft  kennen  zu  lernen.  Mögen 
seine  Hoffnungen  vom  besten  Erfolge  begleitet  sein!" 

Der  Vorsitzende  bemerkt,  dass  Hr.  Hubert  Schmidt  in  einem  Brief 
an  Hrn.  Voss  sich  über  seinen  ersten  Arbeitserfolg  ausserordentlich  be- 
friedigt ausgesprochen  hat.  — 

(7)  Von  unserm  Altmeister  Bastian  ist  ein  Lebenszeichen  ein- 
gegangen. Er  befindet  sich  seit  einiger  Zeit  in  Jamaica  und  hat  von  dort 
ein  sehr  hübsches  kleines  Steinbeil  eingesandt.  — 

(8)  Der  Vorsitzende  legt  das  Programm  über  die  Versammlung  der 
Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Agram  vom  22. — 24.  Mai  vor 
und  spricht  die  Hoffnung  aus,  dass  es  einer  Anzahl  Mitglieder  möglich 
sein  wird,  sich  an  diesem  ausserordentlich  interessanten  Ausflug  zu  be- 
teiligen. — 

(9)  Als  Gäste  werden  begrüsst  der  Vortragende  des  Abends,  Hr.  Prof. 
Dr.  Mann  und  die  übrigen  Herren:  Prof.  Andreas  aus  Göttingen, 
v.  Hornbostel  aus  Berlin  und  Prof.  Thilenius  aus  Breslau.  — 

(10)  Unter  den  eingelaufenen  Manuskripten  befinden  sich  auch  die 
folgenden  drei  von  Hrn.  Cleve  in  Tandala,  Bezirk  Langenburg  in 
Deutsch-Ostafrika. 

1.    Zahnverstümmelungen    und   ihre  Bedeutung  für  den  Lautwandel. 

Meine  Arbeit  über  Lippenlaute  und  Lippenverstümmelungen  ist  zwar 
erst  als  ein  Programm  anzusehen,  das  eine  vielseitige  Durcharbeitung  er- 
heischt. Nun  bin  ich  aber  hier  in  Kingaland  (Xinga)  in  ein  Gebiet  ver- 
setzt, wo  sich  Gelegenheit  bietet,  die  Einwirkung  der  Zahnverstümmelungen 
auf  den  Lautbestand  zu  beobachten. 

Die  Kinga  stossen  die  zwei  vorderen  Unterzähne  aus;  die  Reste  der 
älteren  Bewohner,  die  Hanzi  oder  Hasi,  feilen  sämtliche  oberen  Vorder- 
zähne  kurz,  in  einer  geraden  Linie.  Dieselben  haben  meist  die  Sprache 
der  Kinga  angenommen.  Die  Kinga  um  Tandala  befolgen  meist  beide 
Sitten  zugleich. 

In  der  Sprache  der  Kinga  fehlt  der  Laut  f  und  v  gänzlich;  die  Laute 
k  und  g  kommen  nur  in  Verbindung    mit    einem    i-haltigen  Nasal  als  ng 
und  nk  vor.     Sonst  haben  die  Gleichungen  Geltung: 
f  =  s 
g  =  g  (ein  explosiver  Laut,  der  an  das  hebräische  p  erinnert,  wie 

es  in  den  Bantuspracheu  sonst  nicht  konstatiert  ist) 
k  =  x  (bisweilen  k%,    wobei    aber    das  k  nur  ganz  schwach  vor- 
schlägt) 
v  =  s 
Hierbei  ist  absichtlich  nicht  das  Ur-Bantu    zugrunde    gelegt    worden, 
sondern  die  f,  g,  k,  v  des  benachbarten   Kunde    und    des    sprachlich    ver- 
wandteren Bona.     Es  ist  anzunehmen,    dass  wir    damit    die    nächstvorher- 
gehende Stufe  in  der   Lautentwicklung  getroffen  haben. 


—     457     — 

Die  Neigung-,  f,  v,  k,  g  zu  vermeiden,  erklärt  sich  daraus,  dass  zur 
Hervorbringung  dieser  Laute  die  Unterzähne  erforderlich  sind.  Des  zum 
Beweise  wird  bei  k  und  g  in  der  Regel  die  Selbstbeobachtung  beim 
Sprechen  dieser  Buchstaben  genügen:  die  Spitze  der  Zunge  stemmt  sich 
gegen  die  ünterzähne.  Ein  schlagendes  Beispiel,  wie  -ehr  man  eines 
festen  Stützpunktes  für  die  Zungenspitze  bei  Eerrorbringung  eines  k  be- 
nötigt, gab  mir  mein  verehrter  Lehrer,  Hr.  Dr.  Stolze  in  Berlin.  Seit 
dem  20.  Jahr  durch  einen  Typhus  sämtlicher  Zähne  beraubt,  bildet  er  t'iir 
das  normale  k  einen  Ersatzlaut,  bei  welchem  er  die  Zungenspitze  gegen 
den  Gaumen  drückt.  Die  Selbstbeobachtung  wird  allerdings  bisweilen, 
namentlich  Herren  jüdischer  Abstammung,  zu  dem  vermeintlichen  Er- 
gebnis führen,  dass  bei  Hervorbringung  von  k  und  g  die  Zunge  zurück- 
gezogen frei  im  Hohlraum  des  Mundes  liege,  ohne  die  Zähne  zu  berühren. 
Dann  wird  k  und  g  nicht  als  vorderer,  sondern  als  hinterer  Guttural  ge- 
sprochen. 

Will  man  ein  vorderes  gutturales,  d.  h.  für  uns  Deutsche  normales  k 
oder  g  bei  fehlenden  Unterzähnen  sprechen,  so  löst  sich  entweder  der 
Schluss  in  der  Kehle  und  es  tritt  ein  Reibelaut  ein  (Xinga:  %  statt  k) 
oder  bei  dem  Versuch,  den  Schluss  doch  festzuhalten,  rückt  die  ganze 
Zunge  mehr  nach  hinten  und  der  Laut  erhält  etwas  gepresstes  (explosives, 
hinteres,  gutturales  g  statt  g  im  Xmga)- 

Weniger  einleuchtend  ist  zunächst,  dass  zur  Hervorbringung  eines 
labiodentalen  f  und  v  die  ünterzahne  erforderlich  sein  sollen.  Hier  hat 
die  Erwägung  einzutreten,  dass  die  Zunge  die  Neigung  hat,  sich  in  die 
Zahnlücken  einzuschieben.  Hat  die  Zunge  durch  die  Zahnlücke  sich 
einmal  gewöhnt,  sich  vorzudrängen,  so  wird  sie  bei  dem  Versuch,  f  und  v 
zu  sprechen,  sich  dazwischen  drängen  und  einen  Zischlaut  verursachen. 
Eine  Bestätigung  meiner  Auffassung  sehe  ich  darin,  dass  in  der  Sprach- 
probe des  .Massai  bei  Last,  Polyglotta  Afrikana,  kein  f  und  v  vorkommt. 
Auch  die  Massai  stossen  die  zwei  vordersten  Unterzähne  aus  und  voll- 
ziehen gleichzeitig  eine  Luxation    der  oberen  Vorderzähne  nach  auswärts. 

Die  erforderlichen  Beispiele  bringe  ich  an  der  Hand  einer  Abbildung 
eines  eigenartigen  Haumessers,  welches  die  Kinga  vor  etwa  60  Jahren 
aus  Benaland  mitgebracht  und  angeblich  den  Konde  (Xyakjusa)  vermittelt 
haben. 

Das   Bild  eines   Haumessers. 
Xinga:    eYJhuani   yja  hula 
Bona:    e^ifuani  \ja  hola 
konde:    ekifuani  kja   sengo. 

Xinga  Bena1)  Konde 

1.    \ilesu  j(ilefu  kukanwa  ..Die  obere  Spitze". 

■_'.    uvuoge  vugi  rrvugi  ,,Die  Schneide". 

3.    ungongo  mgongo  pa    njunia  „Der   Kücken". 


1)  Mein  Gewährsmann   stammt   aus  Kolosani,   zwischen  Tandala   und   Kidngala;    in 

anderen  Gegenden  von  Benaland  soll  sich  die  Aussprache  mehr  vom  X'n?a  entfernen. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahri:.  190-1.    lieft  :5  u.  4.  3Q 


—     458 


epteude 

exiaxa 

amaxata 

eximanga 


ßena 
e^itende 

XiaXa 

makata 

XÜnanga 


Koude 
kukitende 
uluti 

amalembo 
ekikuba 


„Die  untere  Spitze". 

„Der  Stiel". 

„Die  Rillen  in  der  Verdickung*. 

„Die  Messio'verzierunaren". 


„Die  Kupferverzierungen" . 


exibalasu       xiDala^u        ekielu 
8.    eximaöga        ^imanga        isambo 
exinunu  xilungu 

Nach  den  Beispielen  zeigt  sich  das  Bena  als  mit  dem  Kinga  näher 
verwandt  als  das  Konde.  Die  Geschichte  der  Kinga  erzählt  uns,  dass 
dieselben  vor  Jahren  aus  Benaland  ausgewandert  seien.  An  den  "Worten 
XÜefu  und  xibalafu,  welche  das  f  aufweisen,  möchte  man  vermuten,  dass 
die  Bena  die  Zahnverstümmelungen  nicht  üben  (sie  haben  f),  dass  aber 
die  Zahnverstümmelung  doch  auf  sie  eingewirkt  hat  (sie  haben  statt  ki 
zwar  nicht  yi,  aber  immerhin  [mehr  palatal]  xi).  Und  diese  Vermutung 
wird  bestätigt  durch  das,  was  wir  aus  der  Überlieferung  der  Bena  er- 
fahren. Missionar  Maass  aus  Kidugala  teilt  mir  mit,  dass  hin  und  wieder 
noch  alte  Leute  gefunden  würden,  die  die  Zähne  verstümmeln;  im  grossen 
und  ganzen  habe  die  Sitte  aufgehört. 

Wir  können  also  wohl  im  Bena  beobachten,  wie  weit  der  Lautbestand 
auch  nach  Aufhören  der  Zahnverstümmeluno-  bleibt.  Dass  das  f  wieder- 
gekehrt  ist,  mag  sich  daraus  erklären,  dass  man  es  immer  in  der  Be- 
rührung mit  Nachbarvölkern  zu  hören  bekommt.  Der  Reibelaut  x,  sehr 
viel  häufiger  in  der  Sprache  vorkommend,  veränderte  nur  ein  wenig  seinen 
Charakter,  er  rückte  an  die  alte  Stelle,  dem  palatum  näher,  wo  er  wegen 
des  Haltes  der  Zunge  an  den  Unterzähnen  nun  artikuliert  werden  konnte. 
Man  mache  die  Probe  mit  „ach"  und  „ich*,  so  wird  man  sich  überzeugen, 
dass  bei  dem  ix  von  der  Zunge  ein  Druck  gegen  die  Unterzähne  aus- 
geübt wird. 

Bisher  haben  wir  das  Kinga  nur  im  Vergleich  mit  den  nächst- 
benachbarten  zwei  Sprachen  verglichen.  Es  empfiehlt  sich,  den  Rahmen 
nunmehr  weiter  zu  spannen  und  sämtliche  von  Meinhof  fixierte  Laut- 
systeme in  Vergleich  zu  ziehen. 

Ich    gebe    zur    Orientierung    einige    Auszüge    aus    der    Tabelle    von 
Meinhofs  Lautlehre,  wobei  ich  hinter  P.  (Peli)  gleich  das  stammverwandte 
Ve  (Venda),  das  erst  später  bearbeitet  ist,  hinzufüge. 
(Siehe  Tabelle  auf  nächster  Seite.) 

Die  erste  Frage,  die  wir  an  die  obenstehende  Tabelle  zu  richten 
haben,  wird  die  nach  den  labiodentalen  Lauten  sein  (f  und  v),  dieselben 
finden  wir  unter  den  Rubriken  von  B  kü,  y\i  und  pi.  Da  sehen  wir, 
dass  das  P,  H,  Du  und  X}  die  bilabialen  Laute  gänzlich  vermeidet,  das 
Ve  teilweise.  Die  grosseste  Ähnlichkeit  mit  dem  Xm8'a  weist  das  H  auf; 
es  bildet  auch  einen  Zischlaut  anstatt  f,  differenziert  denselben  aber  zu 
s  und  z,  während  das  Xmoa  immer  s  hat.  Wir  müssen  nach  dem  oben 
Gesagten  vermuten,  dass  eine  Zahnverstümmelung  bei  den  Herero  vor- 
liegt,  dass  dieselbe  aber  geringfügiger  ist,  als  wie  die  der  Kinga. 


—     459 


B 

ka 

ki 

kü 

ya 

pi 

P 

Xa 

se 

X11 

a 

u 

fi.  fswi, 
swi 

Ye 

h 

t§i 

fu,  pi'u 

a 

(u) 

si 

ka 

ki 

fu  (vu) 

ga,  a 

vu 

fi 

H 

ka 

tXi 

tu  (su) 

ja,  a 

zu  (u) 

se,  si 

Du 

a 

e 

u,  ku 

a  (ka) 

u 

i 

Ko 

klia 
ka 

khi 
ki 

fu 

ga 
ja 
a 

fu 

« 

Sa 

Xa 

Xi 

fu 

ga 
ja 

vu 

fi 

Xi 

Xa 

Xi 

SU 

ga 

SU 

si 

In  der  'Fat  haben  «lie  Herero  Zahnverstümmelungen,  aber  an  den 
Oberzähnen,  gleich  den  Shambala  in  Deutsch -Ostafrika,  welche  auch 
s  statt  f  sprechen,  die  zwei  oberen  Yorderzähne  schräg  (/\)  ausmeisselnd. 
Diese  Verstümmelung  hindert  sie  nicht,  ka  zu  sprechen,  das  mehr  palatale 
k  in  ki  mag  aber  schon  dadurch  beeinflusst  sein.1)  —  Ausser  dem  Herero 
zeigen  auch  P,  Ve  und  Sa  ein  dem  X^nSa  verwandtes  Lautsystem.  Die 
Zahnverstümmelungen  sind  in  Afrika  eben  sehr  verbreitet  und,  da  die 
Sitte  im  allgemeinen  eine  abnehmende  ist,  früher  noch  viel  verbreiteter 
gewesen.  Am  stärksten  zeigen  sich  die  Gutturale,  wie  auch  die  Labialen, 
im  Duala  beeinflusst.  Wieweit  bei  den  genannten  Völkern  Ver- 
stümmelungen am  Sprachorgan  nachweisbar  sind,  kann  ich  nicht  angeben. 
Missionar  Källner  in  Magqje  schreibt  mir  über  die  Sango,  dass  er  unter 
ihnen  die  Sitte  der  Zahnverstümmelung  nicht  kenne.  Nach  dem  ganzen 
vorhergehenden  kann  aber  gesagt  werden:  der  Lautbestand  bietet  Indizien, 
darauf  zu  vermuten,  dass  die  Sitte  geherrscht  hat. 

über  die  Verbindung  der  Gutturale  mit  den  Nasalen  will  ich  hier 
nur  andeuten,  dass  durch  die  Verbindung  mit  basalen  die  Gaumenlaute 
zu  hinteren  Gaumenlauten  werden,  bei  denen  die  Zungenspitze  die 
ünterzähne  nicht  zu  berühren  braucht.  Daher  treten  hier  wieder  die 
Gutturalen  rein  hervor,  als  Momentane. 

Nachträglich  habe  ich  von  den  Sango  erfahren,  dass  bisweilen  Lippen- 
verstümmelung in  der  Unterlippe  bei  beiden  Geschlechtern  vorkommt, 
und  zwar  ein  kleines  Loch  in  der  Unterlippe,  durch  welches  ein  Stroh- 
halm gesteckt  wird.  Dieser  Befund  berechtigt  zu  folgenden  Schluss- 
folgerungen: Die  jetzt  nur  selten  und  geringfügig  hervortretende  Lippen- 
verstümmelung ist  vermutlich  das  Überbleibsel  einer  früher  allgemeiner 
und  gewaltsamer  geübten  Verstümmelung.     Die  starke  Verstümmelung  der 


1)  Im  Shambala,  Yao  und  Herero  beobachte  ich  bei  der  gleichen  Zahnverstümmelung 
_/\_  die  Gleichungen:    ki  =  chi,  f  =  s. 

:;u* 


—     460     — 

Unterlippe  hat  aber  Zahnschwund  zur  Folge  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1903, 
S.  697  oben),  so  dass  zu  vermuten  ist,  dass  Verstümmelung  der  Lippe 
mit  Verstümmelung  der  entsprechenden  Vorderzähne  zusammenfällt.  Be- 
züglich Oberlippe  und  oberer  Vorderzähne  beobachtete  ich  es  in  Mozam- 
bique  und  im  Shirehochland.  Bezüglich  der  Unterlippe  und  Unterzähne  be- 
obachteten es  Schweinfurth  und  Emin  Pascha  im  ägyptischen  Sudan 
(Frobenius,  Die  Heidenvölker  im  ägyptischen  Sudan.  Berlin  1893. 
Sihuli  S.  331,  Bari  S.  347,  Bongo  S.  357,  Madi  S.  371,  Lattuka  S.  444.)  - 
Also  ist  die  jetzt  nur  noch  andeutungsweise  uns  sichtbare  Lippen- 
verstümmelung der  Sango  ein  Wahrscheinlichkeitsbeweis,  dass  die  Sango 
früher  die  Unterzähne  verstümmelt  haben.  Dies  erklärt  es,  dass  sie  den- 
selben Bestand  an  Gutturalen  aufweisen  wie  die  Bena;  von  diesen  aber 
wissen  wir,  dass  sie  die  Zähne  verstümmelt  haben. 

Es  ist  nun  eine  Aufgabe,  zu  erforschen,  ob  für  die  Peli  und  Venda 
ein  Beweis  zu  erbringen  ist,  dass  sie  auch  Zahnverstümmelung  geübt 
haben  und  zwar  an  den  unteren  "Yorderzähnen.  Ferner  ist  der  Laut- 
bestand  der  zahlreichen  Sudansprachen  heranzuziehen,  deren  Träger  zum 
allergrössten  Teil  dieselbe  Zahnverstümmelung  üben,  sowie  der  Laut- 
bestand des  Massai. 

Ich  stelle  für  die  Erforschung  der  einschlägigen  Probleme  folgende 
Leitsätze  auf: 

1.  Jede  erhebliche  Zahnlücke    in    den    oberen    oder  unteren  Vorder- 
zähnen verhindert  die  Bildung  eines  dentilabialen  f. 
'2.  Verstümmelung  der  Oberzähne    beeinüusst  die  eigentlichen  „Den- 
talen".    Dr.  Hetherwick   in  Blantyre  findet  das   englische  th  im 

Ngulu  und  erklärt  es  als  Wirkung  der  spitz  zugefeilten  r^-fX 
Oberzähne. 
'.').  Verstümmelung  der  unteren  Vorderzähne  beeinflusst  die  Laute 
dorsaler  (mit  dem  Zungenrücken)  Bildung.  Dies  sind  ausser  den 
Gutturalen  bisweilen  t,  s,  d,  1,  n  und  verwandte  Laute.  Und  zwar 
ist  die  Wirkung  derart,  dass  entweder  die  Momentanen  zu 
Spiranten  werden,  oder  im  hinteren  Gaumen  Ersatzlaute  sich 
bilden.     Es  können  auch  beide  Tendenzen  zusammenwirken. 

2.    Über  die  Frauensprache. 

Ein  ziemlich  dunkles  Gebiet  der  Sprachforschung,  das  aber  vielleicht 
von  nicht  geringer  Bedeutung  für  die  Auffindung  sprachbildender 
Tendenzen  ist,  ist  die  „Frauensprache",  eine  besondere  Sprache,  ein  be- 
sonderer Dialekt,  ein  besonderer  Vokabelschatz,  Besonderheiten,  deren 
sich  die  Frauen  im  Umgang  unter  sich  bedienen  und  in  der  Regel  vor 
den  Männern  ängstlich  geheim  halten.  Von  einer  Frauensprache  wird  bei 
allen  Völkern  etwas  vermutet  werden  dürfen,  bei  denen  der  soziale  Gegen- 
satz zwischen  Männern  und  Frauen  stark  ausgeprägt  ist.  Aufmerksam 
gemacht  bin  ich  auf  das  Vorhandensein  einer  Frauensprache  durch  einen 
des  Arabischen  kundigen  intelligenten  Beludschen  in  Dar-es-Salaam,  indem 
derselbe  an  mich  die  Frao-e  richtete,  ob  wir  im  Deutschen   auch  eine  be- 


—     461     — 

sondere  Frauensprache  (Suaheli:  kike)  hätten.    Er  hielt  das  Vorhandensein 
einer  solchen  für  ein  Zeichen  feiner  Kultur. 

Gelegentlich  einer  Arbeit  aber  die  in  Afrika  bei  Frauen  verschiedener 
Völker  geübte  Lippenverstümmelung-  habe  ich  Veranlassung  genommen, 
die  Vermutung  auszusprechen,  dass  eine  derartige  Sitte  zur  Bildung  eines 
Frauendialektes  beitragen  kann.  Gewiss  sprechen  aber  noch  mancherlei 
andere  .Momente  mit.  Eine  uneigentliche,  den  Forscher  irreführende 
„Frauensprache"  kann  dadurch  in  die  Erscheinung  treten,  dass  ein 
kriegerisches  Volk  Weiber  fremden  Stammes  raubt,  und  nur  im  Frauen- 
kreise die  alte  Meimatsprache  in  Kraft  bleibt.  Die  hierdurch  oft  ent- 
stehenden Irrtümer  haben  bisweilen  den  Forschern  das  ganze  Problem  als 
ein  Phantom  erscheinen  lassen.  Auch  ich  wurde  stutzig  gemacht  durch 
die  bestimmte  Erklärung  des  Suaheli-Lektors  Mtoro  bin  Mwenyi  Bakari, 
eines  sonst  zuverlässigen  Berichterstatters,  dass  es  weder  im  Suaheli  noch 
im  Saramo  eine  Frauensprache  gebe.  Dagegen  erklärt  mir  nun  wieder 
mein  aus  Dar-es-Salaam  stammender  Boy,  jeder  Schwarze  wisse,  dass  es 
ein  kike  gebe  und  dass  jeder,  der  es  leugne,  es  nur  verheimlichen  wolle, 
weil  es  sich  dabei  um  ein  Geheimnis  handle,  in  das  man  die  Europäer 
nicht  wolle  eindringen  lassen. 

Bei  näheren  Nachfragen  erfuhr  ich,  dass  die  Frauen  sich  der  Frauen- 
sprache insbesondere  bedienen,  wenn  sie  einander  von  ihren  Frauenleiden 
erzählen.  Zurzeit  bin  ich  von  der  Küste  zu  weit  entfernt,  um  in  die 
Frauensprache  der  Suaheli  etwas  mehr  eindringen  zu  können. 

Dagegen  habe  ich  hier  auf  der  Durchreise  durch  das  Kondeland,  nörd- 
lich des  Nyassa-See,  von  einer  ausgebildeten  Frauensprache  zuverlässigen 
Bericht  erhalten  und  möchte  an  den  gesammelten  Beispielen  diese  Frauen- 
sprache charakterisieren.  Ich  verdanke  die  Mitteilungen  meinem  10  Jahre 
im    Lande  befindlichen  Mitmissionar,  Hrn.  Schüler  in  Mwakaleli. 

Hr.  Schüler  sieht  den  Ursprung  der  Frauensprache  in  der  hier  zur 
weiblichen  Schamhaftigkeit  gehörigen  Sitte,  dass  die  Ehefrau  die  Namen 
des  Schwiegervaters  und  seiner  Brüder  nicht  in  den  Mund  nehmen  darf; 
ebensowenig  aber  auch  alle  diejenigen  Worte,  welche  mit  den  Namen  im 
Zusammenhang  stehen.  Nun  haben  aber  die  Personennamen  einen  durch- 
sichtigen Zusammenhang  mit  Bezeichnungen  von  Gegenständen.  Sehen 
wir  acht  beliebige  Männernamen  auf  ihre  Bedeutung  an. 

mangambako  =  Sohn  des  Ochsen, 

mafilombe  =  Sohn  des  Maises, 

maluesi  =  Sohn  des  Flusses, 

mangosi  =  Sohn  des  Schafes, 

masongwe  =  Sohn  der  Frucht, 

maisuba  =  Sohn  der  Sonne, 

inwankupili  =  Sohn  der  Spreu, 

manyoka  =  Sohn  der  Schlange. 

Denken  wir  uns,  dass  eine  Frau  einen  Schwiegervater  hat.  der  sechs 

Brüder  hat  —    bei    der    herrschenden  Vielweiberei    können    es   aber  sehr 

viel  mehr  sein  — ,  so  erhellt,   wie  die  Frau  im  Sprechen  fortwährend  auf 

der  Hut  sein  muss.    damit    sie    nicht    gegen    den    Anstand   verstösst.     Die 


—     462     — 

Frauen  gewöhnen  sich  an  Umschreibungen  und  Ersatzworte,  eine  lernt 
von  der  andern  und  so  entsteht  mehr  und  mehr  eine  eigentümliche 
Frauensprache,  die  dann  schliesslich  zur  Geheimsprache  der  Frauen  werden 
kann.  Nach  den  Proben  erinnert  dieselbe  an  die  „Kundensprache"-,  in 
dieser  finden  wir  teils  schwerverständliche  Fremdwörter  (meist  hebräischen 
Ursprungs),  teils  ein  Rätsel  bergende  Umschreibungen  (z.  B.  Lebens- 
pulvermacher =  Müller). 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  das  Material  ordnend,  gebe  ich  zunächst 
einige  Beispiele  von  fremdartigen  Worten,  die  zum  teil  nachweisbare 
Fremdworte  sind. 

Gewöhnliches  Konde  Frauensprache 

amesi  (Wasser)  =  amalenga  (Bena) 

lambalala  (sich  legen)  =  kwasalala 

iiiombe  (Rind)  =  ingwafi 

inosi  (Schaf)  •  =  iiiololela 

isongwa  (eine  bestimmte  Frucht)  =  isafye  (Mamba) 

ikilombe  (Mais)  =  ikijebele  (Makoma) 

indima  (Bohne)  =  indeleka 

Das  Wort  kwasalala  erinnert  mich  an  das  lokal  weit  entfernte, 
Dzalamo  (Saramo),  wo  kwasa  =  Suaheli  kulala  ist.  Von  den  sieben 
Worten  der  Frauensprache  sind  vier  um  eine  Silbe  länger,  als  wie  die 
entsprechenden  Worte  der  gewöhnlichen  Sprache.  Wir  dürfen  wohl, 
namentlich  im  Hinblick  auf  die  folgenden  Worte,  von  einer  Tendenz  zur 
Bildung  längerer  Formen  sprechen. 

Die  übrigen  mir  zu  Gebote  stehenden  Worte  der  Frauensprache 
charakterisieren  sich  als  rätselhafte  Umschreibungen. 

Gewöhnliches  Konde  Frauensprache 

iliseke  (Gemüse)  =  elyantaba    (das  sich  hinrankende)    oder 

=  elyalouda  (das,  was  man  sucht) 
umpiki  (Baum)  =  umbyaligwa  (der  gepflanzt  wird) 

inyoka  (Schlange)  =  inenda  hasi  (was  unten  läuft) 

umwende  (Zeug)  =  umfwaligwa  (das  getragen  wird) 

injila  (Weg)  =  inendigwa  (das  Begangene) 

ingubo  (Fell)  =  imbapilo    (das,    womit    man    das    Kind 

trägt) 
ilipamba  (Ziegelstein)    =  ibumbigwa  (das  geformte) 
ilisuba  (Sonne)  =  ilibaligwa  (das  Scheinende) 

unkupuli  (Spreu)  =  umpetelo  (das  Ausgeschüttelte) 

Von  diesen  verbalen  Umschreibungen  hat  ein  besonderes  Interesse 
die  Umschreibung  für  Zeug.  Wenn  die  Frau  umwende  vermeiden  muss, 
könnte  sie  dafür  das  Substantivurn  umfualo  gebrauchen;  der  Stil  der 
Frauensprache  fordert  aber  die  umständlichere  Form  umfwaligwa. 

Die  Frauensprache  ist,  soweit  sie  bekannt  ist,  unter  den  Konde  nicht 
zur  Geheimsprache  geworden.  Im  Gegenteil  ist  nach  10 jähriger  Be- 
obachtung zu  sagen,  dass  die  Männerwelt    sich    mehr    und    mehr  von  der 


—     463    — 

Rodeweise,  der  Frauen  annimmt.  „Unsere  Frauen  vermehren  den  Sprach- 
schatz" sagen  die  Konde.  Es  liegt  hier  also  eine  sprachbildende  Tendenz 
deutlich  zu  Tage. 

Man  muss  wohl  sagen,  dass  die  die  Frauensprache  erzeugende  Sitte 
im  Zunehmen  begriffen  ist.  Den  Wakinga  ist  von  Haus  aus  diese  Sitte 
fremd;  aber  je  mehr  sie  mit  den  Wakonde  Verkehr  haben  und  bekommen, 
um  so  geneigter  sind  sie,  die  gleiche  Sitte  anzunehmen. 

3.    Die  Dorsalen  des  Sango. 

I.    Die  Gutturalen. 

Die  Artikulation.  Daseist  ausserordentlich  weit  hinten;  geht  ein 
i  vorher,  so  wird  dieses  ein  sehr  offenes  und  sehr  kurzes  1  mit  einem 
darauf  folgenden  kurzen  Gleitlaut:  fi»xa  (ankommen).  Dies  erinnert 
frappant  an  die  Gutturalen  des  St.  Gallei;  Dialekts. 

g  ist  explosiv,  ziemlich  weit  hinten  und  für  das  Ohr  zunächst  durch 
eine  vorhergehende  Pause  charakterisiert. 

X  ist  sehr  vorn  am  Palatum  und  scheint  mir  meist  einen  kurzen 
t -Vorschlag  zu  haben. 

k  des  Bantu  bleibt  nur  vor  u  bestehen,  y  dagegen  zeigt  vor  fast  jedem 
Vokal  eine  doppelte  Tendenz:  es  wird  entweder  zu  g  oder  wird  erweicht 
bis  zu  völliger  Elision. 

Die  7  betreffenden  Fälle  lassen  sich  nun  aber  unter  eine  beachtens- 
werte Regel  subsummieren.  Die  Verhärtung  zu  g  tritt  nur  in  den 
Affixen  ein,  die   Erweichung  nur  in  den  Stämmen. 

ga  ja 

Verb,  zu  5   ga  jala  (ausbreiten) 

jani^a  (trocknen) 

Kl.  4  vor  dem  Verb,  gi  lu-jimbo  (der  Gesang) 

gu  JL1 

Kl.  5  vor  dem   Verb,  gu         juma  (trocknen) 

ge  dje 

djenda  (gehen) 
vir^adje  (Suffix) 
go  jo 

jotha  (sich  wärmen) 

o 
ona  (schlafen) 
Ein  nicht  ganz  gleiches  Bild    bieten  die  Zusammensetzungen    des  ur- 
sprünglichen k-Lautes  dar. 

Ba  ka         ke  ki  ko         ku 

Sa  xa         Xe  X1  X°         ku 

^a   kommt  als  Präfix  Kl.  13  und   als   Verbalaffix  §xa   vor:    ausserdem 
in  Wortstämmen. 

%[   kommt  als  Präfix   kl.  7  und  in  Stämmen  vor. 


—     464     — 

ku  kommt  als  Präfix  Kl.  17  vor;  ausserdem  ist  k  erhalten  in  dem 
aus  ku  -  i  entstandenen  Infinitivpräfix  ki;  ku  kommt  gleichfalls  im 
Stamm  vor.1) 

Nun  ist  aber  zu  beachten,  dass  im  Satz  \a  als  Präfix  sehr  selten  vor- 
kommt, während  es  als  Bestandteil  des  Stammes  sehr  häufig  vorkommt; 
dass  andererseits  die  Präfixe  ku  und  ki  sehr  häufig  vorkommen,  während 
ku   im  Stamm  selten  and  ki  im  Stamm  gar  nicht  vorkommt. 

So  lassen  sich  für  den  k-Laut  die  Befunde  unter  eine  Regel  sub- 
summieren,  die  der  für  den  /-Laut  gefundenen  Regel  analog  ist:  Die 
Präfixe  zeigen  eine  weit  häufigere  Erhaltung  des  k  als  die 
Stämme. 

"Wo  die  syntaktischen  Silben  und  die  Sprachstämme  Verschiedenheiten 
des  Lautwandels  aufweisen,  liegt  ein  deutliches  Anzeichen  der  Sprach- 
mischung vor;  die  Sprache  des  herrschenden  Volkes  ist  durch  die  syn- 
taktischen Silben  charakterisiert.  Abweichende  Eigentümlichkeiten  der 
Stämme  charakterisieren  das  unterworfene  Arolk.  In  der  Sprache  des 
Sango  hat  sich  ein  herrschendes  Volk  die  Sprache  eines  anderen  Volkes 
unvollkommen  assimiliert,  welch  letzteres  die  Neigung  hatte,  die  Gutturalen 
spirantisch  zu  artikulieren. 

Auf  Grund  einer  Vergleichung  von  Lautbestand  und  Sprachorgan  im 
Xinga  und  Bena  muss  vermutet  werden,  dass  die  Neigung,  die  Gutturalen 
spirantisch  zu  sprechen,  auf  eine  früher  geübte  Verstümmelung  der  unteren 
Vorderzähne  zurückzuführen  ist. 

Bezüglich  der  Zahnverstümmelung  lässt  sich  nach  dem  sprachlichen 
Befund  folgendes  vermuten: 

Die  eigentlichen  Sango  haben  keine  Zahnverstümmelung 
geübt,  aber  ein  ihnen  jetzt  assimilierter  unterworfener  Volks- 
stamin. 

Wie  stellen  damit  die  Tatsachen  im  Einklang? 

Die  Sango  üben  keinerlei  Zahnverstümmelung,  entsinnen  sich  auch 
nicht,  dass  ihre  Vorfahren  es  getan  hätten.  Ein  Volksstamm,  von  dem 
sie  bis  vor  etwa  20  Jahren  viel  Weiber  geraubt  haben,  sind  die  Safua. 
Diese  üben  keine  Zahnverstümmelung,  wohl  aber  bisweilen  eine  kleine 
Durchbohrung  der  Unterlippe.  Diese  Verstümmelung  aber  darf  als  Rest 
einer  früher  allgemeiner  und  in  grösserem  Massstab  geübten  Verstümmelung 
der  Unterlippe  angesehen  werden,  welche  dann  eine  Verstümmelung  der 
Onterzähne  zur  Folge  hatte,  wie  solche  sich  in  der  Nachbarschaft,  beiden 
Xinga,  erhalten  hat. 

Wir  können  jetzt  das  Sango  von  heute  ansprechen  als  eine  Misch- 
Bprache  von  älterem  Sango  und  Safua2)  und  können  hinzufügen,  dass  die 
Sango  wahrscheinlich  nicht  die  Zähne  verstümmelt  haben,  während  die 
Safua   ursprünglich   die   rnter/.ähne  verstümmelt  haben. 

Das  Sango  dürfte  ein  interessantes  Beispiel  sein  für  die  Übertragung 


1)  Obiges  Sprachgui  ist  entnommen  aus  Meinhof.    Grundriss  S.  132ff. 
2    I.     können  auch  andere  Völker  in  Betracht  kommen. 


—     465     —    ■ 

eines  Lautbestandes,  der  durch  Zahnverstümmelung    bewirkt    ist,    anfein 
Volk,  welches  die  Zähne  nicht  verstümmelt   bat. 

II.    Weitere  dorsale  Laute  (t,  1,  n.  s)  habe   ich    im    Sango    nicht  ge- 
funden.    Doch  will  ich  die  Untersuchung  dieser  Laute  Forschern  empfehlen, 

welche  mein-  (ielegenheit   halten,  sich  mit  dem  Sango  zu  beschäftigen. 

Mein  Gewährsmann  ist  ein  Abgesandter  Mereres,  Xiuvuv_a.  aus 
Utengule. 

(11)    Hr.  v.   Luscb.au:    Ich  bin  heute   in  der  sehr  angenehmen  Lage, 

Ihnen 

einige  wesentliche  Fortschritte  in  der  Technik  der  physischen 

Anthropologie 

zu  demonstrieren.  Zunächst  zeige  ich  Ihnen  eine  Tafel,  die  mein  Kollege 
.Martin  in  Zürich  mich  vieljährigen  Bemühungen  eben  vollendet  hat,  eine 
Tafel  zur  Bestimmung  der  Augenfarben.  Die  wenigen  unter  Ihnen,  die 
sich  wirklich  ernsthaft  damit  beschäftigt  haben,  die  Augenfarbe  am  Lebenden 
Menschen  zu  bestimmen,  wissen,  welche  ungeheueren  Schwierigkeiten  'Ins 
hat.  Alle  Versuche,  nur  unsere  gewöhnlichen  Farbennamen  zur  Kenn- 
zeichnung benutzen  zu  wollen,  sind  gescheitert.  Es  gibt  ferner  eine  Reihe 
von  lithographisch  hergestellten  Augenfarbentafeln;  indes  auch  diese  sind 
sämtlich  ungenügend.  Prof.  Martin  hat  nun  eine  Farbentafel  mit  16  wirk- 
lichen Glasaugen  fertig  gebracht,  die,  wie  ich  glaube,  alle  Anforderungen 
befriedigt,  und  die  wahrscheinlich  —  ich  will  nicht  sagen:  für  alle  Zeit, 
aber  sicher  für  viele  Jahrzehnte  —  massgebend  sein  wird  für  die  Bestimmung 
der  Augenfarbe  zu  wissenschaftlichen  Zwecken.  Die  Augen  liegen  auf 
einem  elastischen  Kissen  unter  einer  im  Sandgebläse  mattgemachten,  dunkel 
silbergrauen  Aluminium-Platte,  aus  der  16  Öffnungen  in  Gestalt  einer 
Lidspalte  gestanzt  sind.  Dadurch  ist  auch  die  schwierige  Präge  eines 
neutralen  Hintergrundes  für  die  einzelnen  Augen  in  sehr  glücklicher  uml 
gefälliger  Weise  gelöst  worden.  Nach  England,  wo  man  augenblicklich 
eine  grosse  anthropologische  Massenuntersuchung  vorbereitet,  sind  bereits 
50  Exemplare  dieser  Augenfarbentafel  abgegangen. 

Ferner  kann  ich  Ihnen  hier  das  Ergebnis  einer  analogen  Arbeit  vor- 
legen, mit  der  ich  mich  selbst  seit  etwa  "J0  Jahren  beschäftigt  habe,  und 
die  jetzt  abgeschlossen  ist.  Es  handelt  sich  um  die  Bestimmung  der 
Eautfarbe.  Auch  hier  gab  es  grosse  Schwierigkeiten  zu  überwinden.  Es 
i>i  hauptsächlich  der  gemeinsamen  Arbeit  mit  meinem  Kollegen  Martin 
zu  verdanken,  wenn  nun  auch  diese  Aufgabe  als  vollkommen  gelösl 
gelten  kann.  Wir  wollen  die  jetzt  fertig  vorliegende  Tafel  von  nun  an 
für  alle  Massenaufnahmen  verwenden  und  auch  den  von  uns  ausgesandten 
Reisenden  mitgeben.  Ich  lege  hier  ein  etwas  grösseres  Exemplar  vor,  das 
im  Laboratorium  nur  zur  Kontrolle  dienen  soll,  und  hier  sehen  Sie  die 
kleinere    Form,    in   der  die    Tutel   endgültig  hergestellt  werden   wird. 

Sie  enthält  36  Steinchen  aus  opakem  Glas,  in  zwei  Reihen  angeordnet 
und  fortlaufend  numeriert.  Die  ganze  Tafel  ist  nur  7  18  cm  gross  und 
7  mm  dick.  .Meine  ersten  Versuche  in  dieser  Richtung  waren  mit  einer 
italienischen   Glasmosaik-Firma    gemacht    weiden    und    scheiterten    haupfc- 


—     466     — 

sächlich  an  der  nicht  absoluten  Sicherung  der  dauernden  Herstellung- 
absolut identischer  Farbentöne.  Jetzt  habe  ich  die  Arbeit  mit  unserer 
heimischen  Firma  Puhl  und  Wagner  zu  Ende  gebracht,  der  ich  für  das 
der  Sache  bewiesene  Interesse   sehr  zu  Dank  verpflichtet  bin. 

Die  Tafel  wird  jetzt  in  einer  Auflage  von  mehreren  hundert  Exem- 
plaren hergestellt,  die  untereinander  absolut  identisch  sind.  Die  Farbe 
der  einzelnen  Steinchen  ist  dauernd  unveränderlich  und  kann  besonders 
auch  von  der  Sonne  nicht  ausgebleicht  werden.  Im  ersten  Augenblicke 
stören  bei  einzelnen  Steinchen  die  Reflexe,  die  stärker  sind,  als  die  der 
menschlichen  Haut;  aber  sie  treten  nur  bei  ungeschickter  Haltung  auf  und 
sind  leicht  auszuschalten.  Es  wäre  natürlich  sehr  einfach,  diese  Reflexe 
ganz  zu  vermeiden;  mau  brauchte  nur  die  einzelnen  Steine  oder  die  ganze 
Tafel  im  Sandgebläse  anzurauhen.  Die  Tafel  wirkt  dann  sehr  gefällig, 
ist  aber  schon  desshalb  für  den  Gebrauch  ungeeignet,  weil  die  Farbentöne 
durch  die  Anrauhung  ungleichmässig  verändert  werden;  auch  werden  sie 
für  Feuchtigkeit,  Schmutz  und  Fett  so  empfindlich,  dass  eine  fortwährende 
Reinigung  mit  Alkohol  und  Benzin  unerlässlich  wäre.  Im  Interesse 
wissenschaftlicher  Genauigkeit  haben  wir  daher  die  ursprünglichen  glatten 
Schlagflächen  unverändert  beibehalten. 

Die  einzelnen  Farbentöne  sind  im  allgemeinen  nach  der  Intensität 
dunklen  Pigmentes  geordnet.  Doch  wurde  aus  praktischen  Gründen  im 
einzelnen  bei  der  Anordnung  auf  die  Schwankungen  Rücksicht  genommen, 
die  durch  den  wechselnden  Blutgehalt  der  Haut  und  das  ungleichmässige 
„Abbrennen"  entstehen.  So  entsprechen  die  Nummern  1  bis  6  den 
häufigsten  Farben  stark  anämischer  Europäer,  die  Nummern  7  bis  35  den 
Farben  blutreicher  Haut  von  den  hellsten  bis  zu  den  dunkelsten  Tönen. 
Ganz  am  Schluss  der  Reihe,  als  Nummer  36  habe  ich  ein  rein  schwarzes 
Steinchen  aufgenommen,  natürlich  nicht  für  den  ernsthaften  Gebrauch, 
sondern  nur  zur  Warnung  für  den  weniger  Geübten,  dem  man  niemals 
eindringlich  genug  klar  machen  kann,  wie  weit  von  reinem  Schwarz  auch 
die  Hautfarbe    sehr    dunkler  Individuen    in  Wirklichkeit    entfernt    bleibt. 

Hr.  von  den  Steinen:   Sind  diese  Tafeln  schon  käuflich  zu  haben? 

Hr.  von  Luschan:  Beide  Tafeln  werden  wahrscheinlich  schon  in  den 
nächsten  Wochen  oder  Monaten  käuflich  zu  haben  sein. 

(12)  Er.  Max  Schmidt  überreicht  nach  einem  Brief  aus  Cuyabä  die 
folgenden 

Nachrichten  über  die  Kayabi-Indianer. 

Seitdem  der  nördliche  Teil  von  Matto  Grosso  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten mit  in  die  Reihe  der  Gummi  exportierenden  Gebiete  eingetreten 
i>t.  ist  hierdurch  mehrfach  Veranlassung  zu  Unternehmungen  gegeben 
worden,  welche  die  Brasilianer  mit  bisher  wenig  beachteten  eingeborenen 
Stämmen  in  Berührung  brachten.  Da  bei  allen  den  Expeditionen,  welche 
von  den  Cuyabaner  Kaufhäusern  in  dieser  Hinsicht  ausgerüstet  werden, 
natürlich  stets  nur  kommerzielle  Gesichtspunkte  in  Betracht  kommen,  so 
bleiben  die  vielen  Erfahrungen  von  ethnologischer  Bedeutung,  welche  bei 


—     467     — 

Gelegenheit   solcher  Expeditionen    gemacht   werden,  leider  gewöhnlich  für 
weitere  Kreise  in  tiefes  Dunkel  gehüllt. 

Ich  bin  daher  Hrn.  Bodstein  in  Cuyabä  zu  grossem  Danke  verpflichtet 
dafür,  dass  er  mir  seinen,  in  der  Gazeta  Official  d<>  Estado  de  Matto-Ghrosso 
in  den  Xnni in  vorn  5.  Dezember  1903  Ins  zum  22.  Dezember  1903  ver- 
öffentlichten Bericht  über  die  Expedition,  welche  er  im  Jahre;  1901  im 
Auftrage  der  Firma  Orlando,  Bruno  u.  Co.  in  Villa  do  Rosario  nach  der 
Mündung  des  Rio  Verde  ausführte,  zugeschickt  hat,  um  90  mehr,  weil  in  dem- 
selben verschiedene  Notizen  aber  die  Kayabi  enthalten  sind,  einen  Stumm. 
von  dem  wir  bisher  nur  wenige  Angaben  hatten. 

Wir  wussten  bisher  nur  aus  dem  Bericht  der  Directoria  dos  Indios1), 
dass  die  Kayabi  „unbezwungene  Wilde  in  der  Nähe  des  Salto"  seien  und 
ausserdem  das,  was  Karl  von  den  Steinen  von  den  am  Paranatinga  an- 
gesiedelten Bakairi-Indianern,  den  alten  Feinden  der  Kayabi,  über  diese 
erfahren  konnte2). 

Vor  allem  wichtig  sind  die  Angaben,  an  denen  wir  einen  festen  Anhalt 
für  die  Festlegung  des  von   den  Kayabi  bewohnten  Gebietes  haben. 

An  den  letzten  drei  Reisetagen  der  Rio  Verde-Fahrt  bis  zur  Ein- 
mündung dieses  Flusses  in  den  Parataninga  werden  die  ersten  Anzeichen 
der  Indianer  gefunden.  Zunächst  ein  verlassener  Rancho  am  Ufer  des  Rio 
Brauco.  Am  11.  August  werden  die  Indianerspuren  häufiger,  an  der  linken 
Flussseite  ist  eine  Pflanzung  der  Kayabi  sowie  ein  Anlegeplatz  für  ihre 
Bote  sichtbar.  Der  Rauch  von  ihren  Feuern  wird  gesehen,  ferner  zwei 
Bote  aus  der  Rinde  des  Jatoba-Baumes,  ein  kleiner  Rancho  und  endlich 
tun  Mann  mit  einem  Kinde,   die  aber  sogleich  in  den  Wald  laufen. 

Das  eigentliche  Zusammentreffen  mit  den  Kayabi  geschieht  dann  am 
nächsten  Tage,  dem  1"2.  August,  wo  etwa  dreissig  der  genannten  Indianer 
am  Flussufer  erscheinen  und  „coroas,  brincos  e  adornos  de  plumas  de 
passaros",  also  Federschmuck,  zum  Geschenk  anbieten.  Alle  haben  den 
Körper  mit  ürueum  rot  bemalt.  Zu  diesen  Indianern  gesellen  sich  bald 
nach  der  Einfahrt  in  den  Paranatinga  andere  hinzu,  von  denen  die  einen 
vom  unteren  Paranatinga  aufwärts  und  die  anderen  umgekehrt  vom  oberen 
Paranatinga  abwärts  gefahren  kamen. 

Zu  diesem  Nachweis  der  Kayabi  am  unteren  Rio  Verde  sowie  am 
Paranatinga,  sowohl  weiter  abwärts  als  weiter  aufwärts  von  der  Ein- 
mündung des  Rio  Verde  müssen  wir  bei  der  Festlegung  des  von  diesen 
Indianern  besetzt  gehaltenen  Gebietes  die  Tatsachen  hinzunehmen,  die  ich 
auf  meiner  Reise  zum  Schingu-Quellgebiete  feststellen  konnte  und  die 
die  weite  Ausdehnung  des  Gebietes  der  Kayabi  nach  Osten  hin  kundtun. 
Mehrfach  wurde  mir  auf  der  Strecke  im  Gebiete  zwischen  dem  oberen 
Ronuro  und  dem  oberen  Batovy  von  den  mich  begleitenden  Bakairi- 
Indianern  bedeutet,  dass  die  Kampbrände,  die  wir  zu  passieren  hatten,  von 
den  Kayabi  herrührten.  Ein  Pfad,  der  den  unsrigen  quer  kreuzte,  seilte 
nach  Aussage    der  Leute  von  den  Kayalu   ausgetreten   sein,    und    endlich. 


1)  K.  v.  (1.  Steinen:    Unter  den  Naturvölkern  Zentralbrasiliens,  Berlin  1894,  S.  551. 

2)  Ebenda  S.  391  ff. 


—     468     — 


W' 


V 


als  ich  auf  der  Rückkehr  in  Corrego  Fundo,  an  dem  gleichnamigen  Flusse 
uanz  in  der  Nähe  des  Paranatinga  gelegen,  weilte,  kamen  die  Bakairi  aus  dem 
nahen  Paranatinga-Dorfe  mit  der  Kunde  zur  Ansiedlung,  dass  sie,  etwa 
6  Leguas  von  dieser  entfernt,  im  Walde  beim  Gummisuchen  auf  Kayabi  ge- 
stossen  seien  und  bei  dieser  Gelegenheit  einen  ihrer  Feinde  erschossen  hätten. 

Durch  die  wenigen  Angaben,  die  wir 
von  Hrn.  Bodstein  über  die  Gebrauchs- 
gegenstände erfahren,  werden  die  von  den 
Bakairi  -  Indianern  Karl  v.  d.  Steinen 
gegenüber  o-emachten  Aussagen  hierüber 
als  zuverlässig  bestätigt.  Auch  Bodstein 
erwähnt,  dass  die  Kayabi  Keulen  haben 
und  bei  dem  in  nebenstehender  Abbildung- 
gegebenen  Pfeile,  der  von  der  Bodstein- 
schen  Expedition  stammt  und  mir  von 
einem  Reisegefährten  auf  der  Dampferfahrt 
den  Paraguay  abwärts  gütigst  geschenkt 
wurde,  besteht  der  Schaft  im  Einklang  mit 
den  Angaben  der  Bakairi  aus  Cambayuva- 
Rohr. 

Die  Knochenspitze  des  1,60  m  langen 
Pfeiles  ist  durch  Wachs  und  Umwicklung 
mit  einer  feinen  Schnur  aus  Pflanzenfaser 
an  dem  in  den  Cambayuva-Rohrschaft  ein- 
gelassenen Rohrteil  befestigt.  Die  Ver- 
bindung des  Holzteiles  mit  dem  Rohrschaft 
ist  durch  Umwicklung  mit  Waimberinde 
(Philodendron)  gesichert.  Die  beiden,  die 
Befestigung  am  unteren  Ende  bildenden 
Federhälften  sind  dem  Rohrschaft,  nach 
Durchlöchern  des  letzteren,  aufgenäht  und 
an  den  Enden  mit  einem  Faden,  bezw.  einem 
Stück  Sipo  umwickelt.  Die  dem  Oberteil 
der  Federn  parallel  liegende  Kerbe  ist 
einfach  geschnitten  ohne  Hinzufügung  von 
Kerbhölzern.  In  die  an  der  Kerbe  liegende 
Fadenumwicklung  sind  kleine  Schmuck- 
federchen  eingefügt. 
Als  einziges  Wort  der  Kayabi-Sprache  giebt  uns  Bodstein  das  Wort 
appi  für  Beil  an. 

Leider  war  es  Hrn.  Bodstein  nicht  vergönnt,  nähere  Einzelheiten 
aber  den  in  Frage  stehenden  Stamm  zn  erfahren,  da  die  anfängliche  Ein- 
inirlit  /.wischen  den  Kxpeditionsmitgliedern  und  den  Indianern  durch  einen 
feindlichen  Angriff  von  Seiten  der  letzteren  bald  nach  dem  ersten  Zusammen- 
treffen gestört  wurde.  Hoffentlich  aber  wird  Hr.  Bodstein  meiner  an  ihn 
gerichteten  Bitte,  mir  noch  einige  Angaben  über  die  Gebrauchsgegenstände 
zu  geben,  nachkommen,  die  ich  dann  später  hier  vorlegen  zu  können  hoffe. 


—     469     — 

(13)   JIr.  Paul  Traeger  legt 

das  Handwerkszeug  eines  tunesischen  Tätowierers 

vor. 

Die  Literatur  aber  <lio  Sitte  des  Tätowierens  bei  den  verschiedenen 
Völkern  ist  heute  bereits  eine  sehr  umfangreiche  und  zum  Teil  auch  sein 
eingehende  und  zuverlässige.  Das  im  Jahre  1887  erschienene  grosse  Werk 
von  Wilhelm  .loest1)  darf  man  wohl  als  eine  den  Gegenstand  zunächst 
abschliessende  Zusammenfassung  des  vorliegenden  Materials  betrachten.  Selt- 
samerweise ist  dieses  noch  recht  dürftig  aus  einer  uns  verhältnismässig 
nahe  liegenden  Gegend,  deren  Bevölkerung  bis  heute  treu  am  Tätowieren 
festhält.     Ich  meine  die  hellfarbige  Bevölkerimg  Nordafrikas. 

Meiue  eigenen  Beobachtungen  beziehen  sich  vornehmlich  auf  Tunis. 
Hier  scheint  zwar  die  Sitte  bei  den  vornehmen  Arabern  der  Küstenstädte 
allmählich  abzukommen,  in  den  unteren  Klassen  jedoch,  und  besonders 
unter  den  Beduinen  und  Kabylen  findet  man  ziemlich  jede  Person,  Mann 
wie  Frau,  mit  einer  oder  mehreren  Tätowierungen  geschmückt.  Bei  den 
Trogodyten  des  Matmata,  für  die  wir  berberische  Abstammung  annehmen 
dürfen,  wiesen  besonders  einige  Frauen  an  fast  allen  sichtbaren  Körper- 
stellen reiche,  zum  Teil  sehr  grosse  und  hübsche  Zeichnungen  auf. 

In  gleicher  Weise  wie  in  Tunis  scheint  die  Sitte  auch  bei  der  ein- 
geborenen  Bevölkerung  Marokkos  und  Algiers  zu  herrschen.  Wir  sind 
darüber  durch  eine  ältere  Arbeit  von  D'Hercourt2)  und  eine  neuere  von 
Jacquot3)  unterrichtet.  Mehr  im  Abnehmen  begriffen  scheint  sie  in 
Ägypten  zu  sein.  Hier  fand  Charles  S.  Myers  in  den  Jahren  1901/2  nur 
eine  unter  vier  Personen  tätowiert4). 

Wie  gross  die  Verbreitung  selbst  in  der  Hauptstadt  Tunis  noch  ist, 
bezeichnet  schon  der  Umstand,  dass  auch  dort  die  Kunst  des  Tätowierens 
noch  als  selbständiges,  seinen  Mann  ernährendes  Gewerbe  geübt  wird.  Im 
vorigen  Herbst  wurden  mir  zwei  derartige  Künstler  genannt,  die  sich  eines 
besonderen  Rufes  in  ihrem  Fache  erfreuten.  Ausser  diesen  gab  es  noch 
einen  oder  einige  Xeger,  die  sich  mit  Tätowieren  beschäftigten.  Und  nicht 
weniger  bezeichnend  ist  die  Art,  wie  das  Gewerbe  ausgeübt  wird.  Wie 
bei  uns  auf  dem  Lande  etwa  der  Scheerenschleifer  noch  durch  die  Strassen 
zieht  mit  dem  Rufe:  „Scheerenschleifer,  Scheerenschleifer!",  so  geht  in 
den  Eingeborenen -Vierteln  von  Tunis  „der  Tätowierer"  durch  die  Gassen 
und  ruft:  „el  ouescham,  el  ouescham!"6) 

Nach  Myers'  Angabe  wird  dasselbe  von  Laue  und  Fouquet  aus 
Gairo    berichtet.     Dort    hat    aber    offenbar    der    Tätowierer    noch    andere 


1)  W.  Joe  st,  Tätowieren,  Narbenzeichnen  und  Körperbemalen.    Berlin  1887. 

2)  G.   D'Hercourt,    Anthropologie    de   l'Algerie.      Moni,    de   la   soc.    d'Anthropol. 
de  Paris  1868. 

3)  L.  Jacquot,   etude  sur  les   tatouages   des  indigencs    de  l'Algerie.     L/Anthropo- 
logie,  X.    1899.     WOfl. 

4)  Contributions  to  Egyptian  Anthropologie:  Tatuing.     Journal  of  the  Anthrop.  Inst, 
of  Great  Britein  and  Ireland.    1903. 

5)  Jacquot  gibt    das  Wort  auch  für  Algier  an   in  der  Form:    oucham,  gesprochen 
ouchem. 


—     470     — 

Funktionen.  Bei  Laue  ruft  er:  „we  tatu  and  circumcise",  und  bei  Fouquet: 
„faire  les  tatouages,  percer  les  oreilles,  et  couper  les  clitoris.  In  Tunis 
habe  ich  nichts  davon  gehört,  dass  der  Tätowierer  auch  jene  Geschäfte 
mitbesorgt,  ebenso  habe  ich  kein  Instrument  bemerkt,  was  darauf  hin- 
gewiesen hätte. 

"Wer    tätowiert    zu    werden  wünscht,    ruft    den    auf    der    Strasse    sich 
meldenden  Künstler   zu   sich  in  die  WohnuiiL!'.     Ich  konnte  den  einen  der 


Fig.  ± 


Fig.  1 
(V!  nat.  Gr.). 


( 


beiden,  die  in  Tunis  als  die  besten  galten,  einen  marokkanischen  Berber 
aus  Sakia  el  Ilamra,  Mohanied  ben  el  Hadji,  bei  seiner  Tätigkeit  beob- 
achten, und  es  gelang  mir  vor  allem,  das  ganze  Handwerkszeug,  dessen  er 
sich  dabei  bediente,  zu  erhalten.  Dieses  muss  er  natürlich  stets  bei  sich 
tragen.  Der  Hauptgegenstand  war,  eingewickelt  in  dieses  schmutzige 
Läppchen,  das  kleine  Messerchen  (Fig.  1).  Es  hat  etwa  die  Form  eines 
Stemmeisens,  ist  knapp  10  cm  lang,  die  dünne,  haarscharf  geschliffene 
Schneide  7  mm  breit.  In  Papierumhüllung  hatte  er  in  grosser  Menge  den 
schwarzen  Farbstoff  hei  sich,  der  mir  feingeriebene  Kohle  zu  sein  scheint. 
Am   interessantesten   war  mir  aber,    und    «lies   scheint  anderwärts  nirgends 


-     471     - 

beobachtet  zu  sein,  dass  er  auch  gewissermaßen  ein  Musterbuch  mit  sich 
führte,  nach  dem  er  die  Figuren  auswählen  liess  und  das  ihm  zugleich  als 
Preisliste  diente. 

Die  Operation  selbst  war  die  folgende  (vgl.  die  Aufnahme  Fig.  2). 
Die  zu  tätowierende  Stelle  reinigte  er  etwas  mit  Hilfe  von  Speichel  und 
dem  erwähnten  Läppchen.  Dann  rasierte  er  mit  dem  Messerehen  die  etwa 
vorhandenen  Härchen,  und  das  Tätowiren  begann.  Er  hielt  dabei  das 
Messerchen  etwas  schräg  und  zeichnete,  mit  einer  der  scharfen  Ecken 
schaltend,  die  Figur  in  die  Haut,  bis  das  Blut  hervordrang.  Sodann 
schmierte  er  die  Farbe  darauf,  liess  sie  kurze  Zeit  einziehen  und  wischte 
dann  die  Stelle  wieder  mit  demselben  Wasser  und  Läppchen  oberflächlich 
ab.  Der  Heilungsprozess  soll  gewöhnlich  drei  liis  vier  Tage  dauern,  bei 
grösseren  Tätowierungen  allerdings  oft  auch  ebenso  viele  Wochen.  Er 
soll,  so  viel  ich  darüber  erfahren  konnte,  immer  gut  verlaufen,  trotzdem 
man  die  dabei  gebrauchten  Hilfsmittel  nicht  gerade  antiseptisch  nennen 
kann. 

Bei  dieser  Art  der  Tätowierung  ist  zunächst  die  Verwendung  eines 
.Messer«  liens  auffallend.  Bekanntlieh  gebraucht  man  in  der  Südsee.  in 
Ostasien,  in  Neuseeland  usw.  überall  scharf  zugespitzte,  einzelne  Knochen, 
kammartig  fein  gezähnte  Knochen-  und  Muschelstücke  oder  auch  euro- 
päische Nähnadeln.  Die  Wundlinie  wird  dabei  immer  durch  Punktierung, 
durch  Einstechen  oder  Schlagen  erzeugt,  nicht  wie  hier  durch  eine  mehr 
schabende  Bewegung.  Auch  in  den  anderen  Ländern  Nordafrikas  scheint 
der  Gebrauch  eines  Messers  unbekannt  oder  ungewöhnlich  zu  sein.  Nach 
Lane1)  wird  in  Ägypten  das  Muster  mit  einigen,  gewöhnlich  sieben, 
zusammengebundenen  Nadeln  in  die  Haut  gestochen.  In  Algier2)  ist  es 
ein  Bündel  von  drei  feinen  Nadeln,  womit  man  ä  petits  coups  secs  et 
vivenient  repetes  die  Haut  bearbeitet.  In  den  armen  Dörfern  der  Kabylie 
jedoch  nimmt  man  einfach  einen  Splitter  vom  Schilfrohr.  Und  hier  kommt 
auch  die  Verwendung  eines  Messers  vor. 

Das  arabische  Wort  daqq  für  tätowieren,  welches  Lane,  Joest  und 
Myers  angeben,  und  das  nach  einer  Mitteilung  von  Lecoqs  auch  in  Syrien 
der  gewöhnliche  Ausdruck  dafür  ist,  habe  ich  in  Tunis  nicht  gehört.  Ob 
es  zufällig  nicht  geschah  oder  vielleicht,  weil  sein  Sinn  der  Verwendung 
eines   Messers  nicht   entspricht,   kann   ich  leider  nicht  entscheiden. 

In  Bezug  auf  die  Färbung  der  Zeichnungen  habe  ich  in  Tunis  immer 
nur  einfarbige  beobachtet.  Am  beliebtesten  ist  schwarz,  doch  kommt  auch 
blau  vor.  Nur  in  einem  Falle  fand  ich  zwei  Farben,  schwarz  und  rot, 
nebeneinander  in  der  gleichen  Figur  verwendet.  Alier  diese  Ausnahme 
war  eine  solche  auch  in  Bezug  auf  das  Motiv  der  Zeichnung.  Sie  fiel 
gänzlich  aus  dein  Rahmen,  in  welchem  sich  die  Art  der  Darstellungen  zu 
halten  pflegt,  so  lange  das  Tätowieren  noch  allgemeine  Volkssitte  ist.  und 
erinnerte  stark    an  europäische  Muster.     Es  war   in    der   ehemals   heiligen 


1)  Sitten    und    Gebräuche   der   heutigen    Ägypter    a.  d.  Engl.  v.  Zenker.     Leipzig. 
s.  35. 

■_*    Jacqnot,  S.  136. 


—     472     - 

Stadt  Kairouan,  wo  ein  junger  Araber  in  übrigens  sehr  guter  Ausführung 
in  zwei  Farben  das  Bild  einer  jungen,  elegant  gekleideten,  europäischen 
Dame  in  ganzer  Figur  auf  dem  Arme  trug,  auf  dem  Oberarm  Kopf  und 
Büste,  die  andere  Körperhälfte  auf  dem  Unterarme.  Ausser  der  Farben- 
tätowierung  sieht  man  in  Tunis  auch  häufig  Xarbentätowierung,  aber  aus- 
schliesslich bei   der  schwarzen  Bevölkerung. 

An  welchen  Körperstellen  pflegt  man  sich  vornehmlich  tätowieren  zu 
lassen?  3Ian  kann  wohl  allgemein  sagen,  an  so  ziemlich  allen,  die  sichtbar 
sind.  In  erster  Linie  sind  es  bei  beiden  Geschlechtern  Arme  und  Hände. 
Bei  den  Frauen  kommt  dann  hauptsächlich  das  Gesicht  in  Betracht,  Kinn, 
Stirn  und  Wangen.  Eine  kleine  Zeichnung  zwischen  den  Augenbrauen  ist 
fast  immer  vorhanden;  damit  korrespondierend  meist  eine  solche  am  Kinn, 
wozu  häufig  auch  noch  Wangen  und  Stirn  kommen.  Bei  den  Männern 
tritt  das  Gesicht  zurück,  dafür  spielen  aber  Beine  und  Füsse  eine  grössere 
Rolle.  Man  tätowiert  mit  Vorliebe  die  Waden  und  den  Fussrücken, 
ebenso  die  schmale  Stelle  am  Hinterfuss  von  der  Ferse  bis  zur  Wade. 
Ferner  ist  bei  den  Männern  die  Brust  sehr  beliebt,  doch  sieht  man  die- 
selbe auch  häufig  genug  bei  den  Frauen  verziert. 

Die  Stelle  der  Tätowierung  bedingt  in  vielen  Fällen  naturgemäss  auch 
den  Charakter  der  Zeichnung.  Man  kann  auf  den  Fingern,  am  Kinn  oder 
zwischen  den  Brauen  selbstverständlich  nicht  grosse  Figuren  anbringen. 
Demgemäss  haben  wir  es  in  den  meisten  Fällen  mit  kleinen,  einfachen 
.Mustern  zu  tun.  Oft  ist  es  nur  ein  Punkt  oder  mehrere  nebeneinander 
gruppiert;  ein  kleiner  senkrechter  Strich  oder  drei  spitzwinkelig  von  einem 
Punkte  nach  oben  auseinandergehende  zwischen  den  Brauen,  dazu  zwei 
oder  drei  parallele  am  Kinn  und  sich  kreuzende  auf  den  Wangen.  Kleine 
Kreise,  einfache  oder  konzentrische,  ein  Kreuz  von  einem  Kreis  umschlossen, 
Sterne,  Quadrate  und  andere  Figuren  geometrischer  Art.  Man  vergleiche 
die  zahlreichen  Abbildungen  dieser  Art  beiLane,  D'Hercourt,  Jacquot 
und  Myers.  In  gleicher  Weise  wie  in  Ägypten  und  Algier  kommen  sie 
auch  in  Tunis  vor.  Sie  ergeben  sich  ja  eigentlich  von  selbst  bei  jeder 
einfachen  oder  primitiven  Ornamentik. 

Daneben  findet  man  aber  vielfach  grössere  Bilder  komplizierteren 
Charakters  und  von  schwierigerer  Form.  Sie  sind  nicht  mehr  bloss  als 
Tätowiermuster  interessant;  sie  verlangen  von  ihrem  Hersteller  schon  einen 
höheren  Grad  von  Kunstfertigkeit  und  Phantasie  und  sie  sind  wichtig  als 
ein  Ausdruck  der  Vorstellungswelt  und  Anschauungsweise  des  Volkes. 

Zur  Kenntnis  dieser  reicheren  Tätowierung  bietet  nun  das  Original- 
Musterbuch  des  Mohamed  ben  el  Hadji  ein  wertvolles,  in  keiner  Hin- 
sicht verfälschtes  Material  aus  erster  Hand.  Es  besteht  aus  fünf  Folio- 
blättern, die  ziemlich  dicht,  in  kräftigen  Linien  mit  Tinte  gezeichnet,  von 
den  Entwürfen  des  Künstlers  bedeckt  sind.  Sie  sind  hier  alle  in  7«  der 
Qriginalgrösse  wiedergegeben.  Die  oben  besprochenen  kleinen  und  ein- 
fachen Muster  fehlen  darauf.  Für  solche  bedarf  es  offenbar  weder  für  den 
Künstler  noch  für  die  Kundschaft  eigener  Vorlagen.  Figuren  geometrischer 
Art  sind  darunter  nur  ein  paar  durch  besondere  Crosse  ausgezeichnete. 
Alle    übrigen    sind    bildliche  Darstellungen,    Wiedergabe  eines    einzelnen 


—     473     — 


Gegenstandes,    eines  Tieres    oder  einer  Pflanze  oder  auch   Kombinationen 

daraus,    teilweise    von    kühner  Zusammenstellung.     Bei    eini-en    bestrebte 

sich  aber  der  Künstler,  direkt  kleine  Gemälde  und  Genrebilder  zu  -eben, 

I'.laii   I    '/,  nat.  Gr.).  Blatt  2  (V,  nat.  Gr.). 


Blatt  .".  (V,  nat.  Gr.). 


Blatt  1  (V4  nat.  Gr.). 

?§tk 


denen  eine  bestimmte  Idee  zu  Grunde  liegt.    Zwei  Schlangen  fangen  einen 
Pisch(2),  ein  zusammengekoppeltes  Löwenpaar  in  einem  Käfig  (6),  Gazellen 

unter  einer  l'alnie(7)  oder  einem  Strauche,  auf  dessen  Zweigen  \  ögel  3itzen  8> 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Hott  3  u.  +.  -;i 


—     474 


Blatt  5  (V4  nat.  Gr.). 


Von  Gegenständlichem  sehen  wir  Schere,  Pistole,  Schwerter,  Anker, 
Blumentopf  (26),  Wasserbassin  (24).  Aus  dem  Tierreich  tritt  uns  ausser 
den  genannten  noch  ein  Skorpion  (1)  und  ein  Kamel  (21)  entgegen.  Am 
häufigsten  findet  man  jedoch  unter  den  Tätowierungen  einen  Fisch. 
Auf  unsern  Blättern    sehen    wir    ihn    als    selbständige  Figur,    nach  Beute 

schnappend  (11),  ein  Paar  bei  dem  Anker 
schwimmend  (29),  in  mehr  dekorativer 
Anwendung  bei  5,  8  und  23.  Der  Fisch 
spielt  im  tunesischen  Volksglauben  eine 
wichtige  Rolle1).  Man  sieht  ihn  an  die 
Häuser  und  auf  Gegenstände  gemalt,  häufig 
in  Verbindung  mit  einer  Hand,  dem  ver- 
breitetsten  Amuletbilde,  als  Darstellung  der 
heiligen  chomsa.  Mit  verwandten  Vor- 
stellungen könnte  es  möglicherweise  zu- 
sammenhängen, wenn  wir  den  Fisch  mit 
der  Mondsichel  und  dem  Hexagramm  ver- 
einigt sehe  (10),  mit  jenem  Zeichen,  welches 
von  ältester  Urzeit  an  auf  die  Phantasie 
der  verschiedensten  Völker  einen  so  ge- 
heimnisvollen Eindruck  gemacht  hat.  Die 
Zeichnung  27  zeigt  es  uns  noch  einmal  mit 
der  Mondsichel  zusammen;  ich  sah  es  aber  verschiedentlich  bei  Tätowierten 
auch  allein.  Es  wurde  mir  dafür  der  Name  nischma  angegeben,  für  den  ich 
jedoch  bei  hiesigen  Arabisten  keine  Deutung  erhalten  konnte.  Mehr  noch 
als  in  Tunis  fand  ich  das  Hexa-  oder  Pentagramm  in  Albanien  als  Tätowier- 
zeichen beliebt.  Ebenso  wird  es  in  Bosnien  als  solches  gebraucht2).  Die 
Mondsichel  ist  sonst  in  der  Regel  mit  einem  Sternbilde  verbunden  (8,  12, 
14,  23). 

Sämtliche  Darstellungen  dieser  Tätowiervorlagen  tragen  entschieden 
einen  einheitlichen  Charakter.  Obwohl  sie  in  erster  Linie  für  den  Gebrauch 
in  der  Hauptstadt  der  französischen  Regentschaft  bestimmt  waren,  so  ist 
doch  nicht  ein  einziges  unter  den  verschiedenen  Motiven,  welches  über 
den  Gesichtskreis  der  eingeborenen  Bevölkerung  hinausginge.  Alle  offen- 
baren eine  gewisse  einfache,  ich  möchte  sagen,  schlichte  Natur-  und 
Lebensanschauung.  Da  ist  nichts  Gesuchtes  oder  Pikantes,  nichts,  was 
wie  das  oben  erwähnte  Frauenbildnis  fremden  Einfluss  zeigte.  Es  ist 
bezeichnend,  dass  sich  menschliche  Darstellungen  überhaupt  nicht  darunter 
finden. 

Diesem  einfachen  Charakter  entspricht  auch  die  Ausführung  der  Bilder, 
die  man  keineswegs  hochstehend  nennen  kann.  Die  meisten  sind  mit 
vielen  Schnörkeln  verseilen  und  von  anderen  kleinen  Zeichnungen  um- 
geben, wie  es  scheint,  um  einen  gewissen  symmetrischen  Abschluss  herzu- 


1)  Als  Tätowierung  wurde  er  von  Myers  auch  in  Ägypten  besonders  häufig  bemerkt. 
L.  c.  84. 

2)  Wiss.  Mitt.  aus  Bosnien,  Bd.  V  S.  !». 


—     475     — 

stellen,  man  vergleiche  die  Fortsetzung  des  Kusses  der  Palme  7.  Am 
besten  scheinen  mir  die  Tierbilder,  wie  die  Schlangen  (2),  die  Löwen  (6) 
und  die  Gazellen  (8)  einigermassen  das  Bezeichnende  zu  treffen.  Auch 
die  Palme  in  der  Darstellung  7  lässt  sich  sehen,  aber  schwerlich  würde 
man  darauf  kommen,  auch  in  den  Bildern  13  und  16  Palmen  vor  sich 
zu  haben,  wenn  nicht  Mohamed  dieselben  ausdrücklich  als  dschirida 
bezeichnet  hätte.  Sie  haben  jedoch  etwas  so  gleichmässig  Stilisiertes,  dass 
der  Gedanke  an  eine  bestimmte  alte  Tradition  in  der  Darstellung  nahe 
liegt.  Eine  solche  scheint  es  auch  für  die  grosse  dreiästige,  in  einem 
Blumentopf  wachsende  Pflanze  zugeben,  die  in  ganz  ähnlicher  Weise  auch 
unter  Myers'  und  Jacquots  Zeichnungen  vorkommt1).  Auch  das  Bild  24, 
welches  Mohamed  cbasa,  kleines  Bassin,  nannte,  wird  man  nicht  gleich 
als  solches  erkennen.  Ebenso  verlangt  der  Blumentopf  (26)  einiges  Nach- 
denken. 

Auf  eine  alte  traditionelle  Überlieferung  mancher  Darstellungen  weist 
auch  der  Umstand  hin,  dass  viele  davon  unter  einem  bestimmten,  sich 
nicht  immer  von  selbst  ergebenden  Namen  bekannt  zu  sein  scheinen.  So 
nannte  Mohamed  das  Bild  9  luha,  ohne  dass  er  selbst  oder  andere  Araber 
imstande  gewesen  wären,  eine  Erklärung  über  den  Sinn  des  Wortes  zu 
geben2).  Figur  12  bezeichnete  er  mit  dem  Worte  zind  =  Arm,  aber  auch 
hierbei  ohne  nähere  Deutung.  Den  Namen  des  alten  tunesischen  Längen- 
masses  dra'  führt  das  Bild  14,  wahrscheinlich  nach  der  die  Basis  bildenden, 
aus  kurzen,  parallelen  Strichen  bestehenden  Linie.  Das  Löwenbild  heisst 
schlechtweg  Kfös  =  Käfig. 

Noch  in  anderer  Beziehung  wurden  mir  die  Musterbogen  Mohameds 
interessant  und  lehrreich.  Bei  seinen  Erklärungen  trennte  er  die  ver- 
schiedenen Bilder  auch  nach  ihrer  Anwendung  bei  Männern  oder  Frauen. 
Er  bezeichnete  mir  solche,  die  ausschliesslich  für  das  eine  oder  andere 
Geschlecht  genommen  werden,  und  solche,  deren  sich  beide  bedienen. 
Auch  für  welche  Körperstellen  die  einzelnen  Zeichnungen  Anwendung 
finden,  scheint  nach  feststehendem  Gebrauche  bestimmt  zu  sein.  Das 
Kamel  (21)  ziert  nur  den  Arm  von  Frauen.  Für  deren  Oberarm  ist  ferner 
Figur  22  bestimmt.  Die  beiden  eigentümlichen  Palmen  (13  und  16), 
ebenso  15  gehören  den  Männern  für  den  Hinterfuss  oberhalb  der  Ferse 
bis  zur  Wade.  Dagegen  wird  die  Palme  7  für  die  Brust  beider  Geschlechter 
genommen.  Ich  sah  eine  derartige  schlanke  Palme  einmal  im  Süden  des 
Landes  sehr  hübsch  bei  einer  Frau  derart  angebracht,  dass  sie  zwischen 
den  Brüsten  hervorzuwachsen  schien.  Für  den  Ann  bei  beiden  sind  ferner 
12,  8,  23  bestimmt,  für  die  Hand  14.  Der  Löwenkäfig  dient  für  Brust 
und  Arm.  Den  Männern  gehören  ferner  17,  auf  den  Ann,  und  die  grösste 
der  Zeichnungen  (5)  auf  die  Brust  oder  den  Klicken.  Der  Anker  (29) 
hat  die  Wade  zu  verschönern. 

Wie  die  Zeichnungen  nicht  gerade  messen  Kunstwert  besitzen,  so  sind 


l)  Myers,  Fig.  18,  11>  und  S.  88;  Jacquot,  S.  135. 

•2)  Ob  es  mit  luhya  =  Bart  zusammenhingt,  worauf  mich  Hr.  Prof.  Eartmann  hin- 
zuweisen sn  freundlich  war,  l&ssl  sieh  nach  dem  Bude  schwerlich  entscheiden. 

31  * 


—     476     — 

entsprechend  auch  die  Preise  keine  hohen,  für  welche  Mohamed  sein 
Talent  verkauft.  Schon  für  20  cent.  tätowierte  er  den  Skorpion  (1);  die 
hübsche,  dramatisch  bewegte  Seene,  wie  die  Schlängen  nach  einem  Fisch 
schnappen,  kostete  mir  75  cent.  Einen  Mittelpreis,  4  francs,  hatte  der 
Löwenkäfig,  den  höchsten,  6  francs,  ihrer  Grösse  angemessen  die  Kom- 
bination 5. 

Haben  wir  nun  bei  dem  einen  oder  anderen  dieser  Tätowierbilder 
einen  tieferen  Sinn,  ein  besondere  Bestimmung  anzunehmen?  Die  Frage 
hängt  eng  zusammen  mit  der  anderen,  welches  Motiv  der  Sitte  des  Täto- 
wierens  überhaupt  zugrunde  liegt.  Diese  Frage  aber  darf  heute  ja  als 
entschieden  gelten.  Wir  haben,  wie  Joest  und  andere  überzeugend  nach- 
weisen, als  Urquell  der  Sitte  nichts  anderes  anzusehen  als  das  Verlangen 
nach  Verzierung.  Das  schliesst  aber  nicht  aus,  das  sekundär  hier  und  da 
bei  irgend  einer  Darstellung  doch  eine  besondere  Idee  oder  ein  bestimmter 
Zweck  mitspielte.  Auch  für  Nordafrika  hat  man  nach  mancherlei  Deu- 
tungen und  eigenen  Ursachen  gesucht. 

In  erster  Linie  waren  es  die  kleinen  Kreuze,  die  man  vielfach, 
besonders  auf  der  Stirn,  tätowiert  sah.  Einige  glaubten,  sie  unbedingt 
irgendwie  mit  dem  Christentum  in  Zusammenhang  bringen  zu  müssen. 
Ernst  von  Hesse- Wart  egg  war  sogar  so  glücklich,  eine  Stelle  in  der 
Geschichte  Carthagos  zu  entdecken,  „in  welcher  von  dem  Steuererlass  ge- 
sprochen wird,  der  allen  jenen  Eingeborenen  zugesagt  wurde,  die  sich  zum 
Christentume  bekehrten.  Jeder  von  ihnen  musste  als  Abzeichen  ein  kleines 
Kreuzchen  tragen1)."  Das  gibt  ihm  denn  die  Erklärung  für  die  Kreuzchen 
zwischen  den  Augenbrauen.  Aber  auch  Jacquot  scheint  einen  Zusammen- 
hang nicht  ganz  für  ausgeschlossen  zu  halten.  Man  hat  ihm  versichert,  dass 
ein  gewisser  Stamm  in  der  Umgegend  von  Collö  einheitlich  das  Kreuz 
trage:  Ces  indigenes  passent  pour  descendre  de  marins  chretiens  naufrages 
sur  les  cötes.  Es  bedarf  wohl  kaum  einer  langen  Widerlegung  derartiger 
Konstruktionen.  Ich  möchte  nur  noch  besonders  darauf  hinweisen,  dass 
nach  meinen  Beobachtungen  bei  der  Stirn-Tätowierung  nicht  etwa  das 
Kreuz  die  Regel  bildet.  Ich  habe  schon  früher  ausgeführt,  dass  ich  alle 
möglichen  kleinen  Muster  zwischen  den  Brauen  und  auf  der  Stirn  gefunden 
habe,  einfache,  doppelte,  parallel  und  winkelig  verlaufende  Striche  und 
einmal  auch  einen  sehr  hübsch  gezeichneten  kleinen  Anker.  AVenn  man 
aber  kurze  Striche  auf  verschiedene  Weise  zu  kleinen  Ornamenten  variiert, 
dann  wird  von  selbst  auch  immer  eine  Kreuzform  mitentstehen,  bei  Täto- 
wierungen in  Nordafrika  wie  bei  solchen  auf  den  Pelau-Inseln,  wie  in 
der  Keramik    und    bei    jeder  Ornamentik   überhaupt8).     In  diesen  Dingen 


J)  Tunis,  Land  und  Leute.     Wien.     S.  L94. 

ehr  zahlreich  sind  Kreuze  und  Kreuzchen  besonders  auch  bei  den  Tätowierungen 
der  Katholiken  Bosniens  und  der  Herccgowimi.  Truhelka  hat  in  seiner  eingebenden, 
mit  vortrefflicher  Wiedergabe  der  Ornamente  ausgestatteten  Studie  verschiedene  Formen 
davon  abgebildet.  Aber  der  Meinung,  dass  sie  aus  dein  Christentum  entsprungen  seien, 
tritt  auch  er  entschieden  und  mit  guten  Gründen  entgegen.  Vergl.  Wissensch.  Mitt.  aus 
Bosnien.  IV,   I93ff.,  S.  503. 


—     477     — 

zu  viel  d eilten  zu  wollen,  ist  vom  Übel.  So  kann  ich  auch  nicht  wie 
Jacquot1)  in  jeder  Kreislinie  eine  Darstellung  des  Mondes  Bellen. 

Nicht  so  ohne  weiteres  von  der  Hand  zu  weisen  Lei  die  Möglichkeit, 
<lass  bestimmte  Tätowierungen  auch  bei  den  Kabylenstämmen  einmal  als 
Stammeszeichen  gejtorauchi  worden  sind  oder  noch  gebraucht  werden,  [ch 
haiir  in  'Tunis  nicht  davon  gehört,  und  noch  ein  anderes  .Motiv  /.ihm  Täto- 
wieren könnte  in  Betracht  kommen.  Jacquot  versichert,  dass  man  sich 
in  Algier  manchmal  zum  Schutz  gegen  den  bösen  Blick  tätowieren  lasse. 
Dasselbe  berichte!  Myers  ans  Ägypten.  Audi  dies  könnte  möglicherweise 
eine  der  Bekundären  Ursachen  des  Tätowiereiis  Bein,  [ch  habe  jedoch  in 
Tunis  auch  davon  nichts  wahrgenommen,  obwohl  ich  gerade  'lem  Ämulet- 
GHauben  auf  meiner  Reise  besondere  Aufmerksamkeit  schenkte.  Es  scheinl 
mir  auch  dagegen  zu  sprechen,  dass  unter  den  gewöhnlichen  Tätowier- 
bildern  gerade  die  Darstellung  einer  Hand  fehlt,  die  sonst  als  Hauptamulet 
überall  aufgemalt  und  fast  von  jedem  Eingeborenen  in  irgend  einer  Form 
an  sich  getragen  wird. 

Hr.  .Mielke:  [ch  war  durch  eine  Bemerkung  in  dem  Buche  von 
Kleist  und  Schrenck  v.  Notzing  über  Tunis  auf  die  sogenannten 
Kreuze  aufmerksam  geworden  und  hatte  mich  bemüht,  darauf  zu  achten.  Ich 
muss  gestehen,  dass  die  Figuren,  die  ich  gesehen  habe,  immer  mehr  oder 
weniger  auf  Kreuze  zurückgehen.  Es  waren  entweder  Linien  oder  auch 
Punkte,  die  immer  zu  zwei  an  derselben  Stelle  sassen,  sich  aber  ohne 
weiteres  auf  ein  Kreuz  zurückführen  Hessen. 

Herr  Traeger:  [ch  glaube  absolut  nicht,  dass  bei  den  Kreuzen  hier 
irgend  ein  Zusammenhang  besteht  mit  der  Bedeutung,  die  wir  dem  Kreuze 
beizulegen  pflegen.  Wie  schon  gesagt,  ist  das  Kreuzornament  so  einfach, 
dass  es  sich  immer  mit  ergeben  wird,  wenn  man  kleine  Strichornamente 
herstellt. 

(14)    Hr.  Olshausen  berichtet 
über  einen  Ausflug  nach  Dr.  Hahnes  diluvialen  Fundstätten  bei 

Schönebeck  a.  E. 

In  der  Sitzung  vom  1!».  März  d.  J.,  in  welcher  die  Sammlung  der 
Tertiär-Silex  des  Hrn.  Klaatsch  zur  Erörterung  stand,  wurden  auch  die 
Punde  besprochen,  die  Hr.  Hahne  in  diluvialen  Schichten-Aufschlüssen 
der  weiteren  Umgebung  Magdeburgs  gemacht  hatte.  (Z.  f.  B.  1904, 
S.  299 ff.)-  Ober  diese  allein  will  ich  hier  sprechen,  die  Präge  nach  dem 
Auftreten  di'-  Menschen  in  der  Tertiärzeit  von  meinen  Betrachtungen 
völlig  ausschliessend  und  selbstverständlich  den  diluvialen  Menschen  als 
sicher  nachgewiesen  annehmend. 

Die  von  Hahne  gesammelten  Fuudstücke  nun  wurden  in  jener  Sitzung 
von  allen,  die  das  Wort  nahmen,  als  zumeist  von  .Menschenhand  be- 
absichtigtem! assen  geformt,  d.h.  als  Arte-  oder  Manufakte2)  anerkannt. 


1)  Fig.  26  n.  30. 

I  Schweinfurth  ist  L903  dafür  eingetreten  Z.  f.  E.,  S. 821),  bearbeitete  Kiesel  aller 
Art,  statt,  wie  es  in  der  deutschen  Literatur  meist  geschah,  als  „Artefakte",  vielmehr 
als  „Manufakte"  zu  bezeichnen,   und  zwar,   wie  er  sagt,   nach  „Virchows  Vorgang"  and 


—     478     — 

Audi  erhoben  die  anwesenden  Geologen  nicht  allein  keinen  Widerspruch 
gegen  die  Annahme,  dass  die  betreffende  Fundschicht  interglazial  sei, 
sondern  stimmten  derselben  vielmehr  ausdrücklich  zu  (Keilhack, 
Wahnschaffe,  Jentzsch).  Keilhack  bezeichnete  es  dabei  als  sehr 
wünschenswert,  innerhalb  der  zwischen  den  Löss  der  jüngsten  Glazialzeit 
und  den  Geschiebemergel  der  Haupteiszeit  abgelagerten  Sande  und  Kiese 
eine  alte  Landoberfläche  nachzuweisen,  auf  der  der  Mensch  der  Inter- 
glazialzeit  seine  Spuren  hinterlassen  habe,  die  dann  später  mit  den 
Sedimenten  der  nachfolgenden  Glazialzeit  überdeckt  seien,  und  Hahne 
glaubte  auch,  eine  solche  alte  Oberfläche  tatsächlich  gefunden  zu  haben. 
Er  sagte:  „Es  ist  mir  aufgefallen,  dass  die  Silexe  gewisser  Formen  von 
feinerer  Ausführung  da  liegen,  wo  Streifen  von  dunklerer  Färbung  und 
eisenschüssiger  Beschaffenheit  durch  die  dort  anstehenden  grauen  Sande  ver- 
laufen." Er  fand  ferner  bei  Biere,  südwestlich  von  Schönebeck,  nicht  tief 
unter  der  Steinsohle  des  Löss,  in  einem  grobkörnigen  Streifen  auf  einem 
etwa  I7a  m  breiten  Gebiet  der  Wand  der  Grube  Feuersteinstückchen; 
darüber  und  darunter  keine.  „Dieser  Strich  würde  also  eventuell  einer 
Oberfläche  entsprechen.  Von  diesen  Feuersteinstückchen  ist  dem  Stande 
meiner  bisherigen  Erfahrungen  nach  jedes  der  Einwirkung  von  absicht- 
lichen Absplitterungen  und  Zurichtungen  unterworfen  gewesen  und  sie 
zeigen  reineren  Mesvinien-Charakter  als  andere.  Einem  solchen  nest- 
artigen Vorkommen  begegnete  ich  bisher  nur  dieses  eine  Mal."  Von  den 
Stücken  „aus  diesem  Neste"  legte  Hahne  ein  Dutzend  aus  einer  viel 
grösseren  Anzahl,  die  er  gefunden  hatte,  vor. 

Nun  wurde  am  28.  März  d.  J.  unter  Führung  Hahnes  ein  Ausflug 
nach  jenen  Fundstätten  unternommen,  an  denen  beteiligt  waren  die  Herren 
Geologen  Geh.-R.  Wahnschaffe  und  Prof.  Keilhack,  ferner  Prof. 
Bracht    aus    Dresden,    Konservator    Krause    und    ich  selbst.     Dabei  bin 


weil  der  letztere  Ausdruck,  nicht  aber  die  Bezeichnung  Artefakte,  auch  für  die  französische 
Sprache  verwertbar  sei,  weil  ferner  in  den  primitiven  Stadien  der  Kieselschlagekunst  von 
Kunst  oder  Gewerbe  überhaupt  nicht  die  Rede  sein  könne.  Aus  dem  von  ihm  gegebenen 
Zitat  (Verhandl.  d.  anthrop.  Ges.  1S7G,  S.  120—21)  ergibt  sich  aber  zunächst,  dass  nicht 
Virchow,  sondern  H.  Weiss  die  Bezeichnung  „Manufakt"  vorschlug.  Virchow  hat  die- 
selbe tatsächlich  nur  gelegentlich  gebraucht,  blieb  meist  bei  „Artefakt".  Ich  meine  aber 
auch,  dass  in  der  Prähistorie  wohl  fast  niemals  jemand  das  Wort  Artefakt  im  Sinne  von 
künstlerisches  Gebilde  gebraucht  hat,  sondern  vielmehr  von  künstliches,  im  Gegensatz 
zu  einem  „natürlich"  entstandenen.  Es  kommen  endlich  dem  französischen  „artificiel" 
und  dem  englischen  „artificial''  beide  Bedeutungen  zu,  künstlerisch  und  künstlich, 
während  anderseits  das  englische  „manufacture"  neben  den  Bedeutungen  „Herstellung" 
und  „Erzeugnis"  durch  Hand,  auch  die  durch  Maschinen  in  sich  schliessr,  also 
Fabrikation  und  Fabrikprodukte,  gerade  wie  man  bei  uns  unter  Manufakturwaren  längst 
nicht  mehr  ausschliesslich  solche  versteht,  die  mit  der  Hand  gearbeitet  sind,  sondern  weit 
überwiegend  maschinelle  Erzeugnisse.  Ich  sehe  daher  keinen  Grund,  das  althergebrachte 
Wort  Artefakt  hier  auszumerzen,  umsoweniger,  als  im  Französischen  das  Wort  „mauufacte" 
doch  bisher  nicht  existiert  und  man  vielleicht  eben  so  gut  „artifacte"  oder  „artefacte"  neu 
bilden  könnte.  —  Im  übrigen  erkenne  ich  das  Bestreben  Schweinfurths,  eine  einheitliche 
deutsche  Nomenklatur  für  die  hier  zur  Erörterung  stehenden  Gebiete  zu  schaffen,  willig 
an.  Wie  Behr  das  notwendig  ist,  erkennt  man  leicht,  wenn  man  einige  der  neuesten  Ab- 
handlungen anderer  Autoren  liest,  die  von  französischen  Ausdrücken  förmlich  strotzen. 


—     479     — 

ich,  wir  gleich  vorweg  bemerkt  sei,  zu  der  Ansicht  gelangt,  dass  es 
nicht  erwiesen  ist,  die  Kundstücke  Halmes  seien  Artefakte  der  Inter- 
glazialzeit,  und  zwar  deshalb  nicht,  weil  nicht  feststeht,  dass  die 
Fundschicht,  in  der  sie  lagen,  interglazial  ist.  Zur  Bericht- 
erstattung über  den  Ausflug  bin  ich  übrigens  nicht  beauftragt  worden,  ich 
gebe  nur  meine  persönliche  Auffassung  wieder. 

Wir  besuchten  eine  Reihe  von  Aufschlüssen,  deren  erster,  zunächst 
bei  Schönebeck  gelegener,  mir  geologisch  der  interessanteste  zu  sein 
scheint,  weil  er  zuunterst  auch  die  tertiäre  Grundlage,  blaugrauen 
Septarienton,  zeigt,  auf  den  dann  nach  oben  hin  der  Geschiebemergel, 
eine  Grundmoräne,  folgt,  wiederum  überlagert  von  verschiedenen  Sand- 
und  Kiesschichten,  bis  endlich  zu  oberst  die  Steinsohle  des  Löss  und  der 
Löss  selber  unter  Acv  Ackererde  sich  finden.  Von  dem  Massiv  des  tertiären 
Tons  sah  man  lange  Zungen  oder  Keile  dieses  Materials  schräg  nach  aufwärts, 
in  die  diluvialen  Kiesschichten  eingezwängt,  sich  erstrecken  —  nach  Er- 
klärung der  Geologen  eine  Folge  des  Gletscherdrucks,  welcher  so  älteres 
Material  das  jüngere  überlagern  machte.  Die  zuletzt  besuchte  Grube,  bei 
liiere,  war  die  oben  schon  erwähnte,  in  welcher  Hahne  seine  wichtigsten 
Funde  gemacht  hatte. 

Bei  unseren  Nachforschungen  kam  so  gut  wie  nichts  auf  die  ein- 
schlägigen Fragen  bezügliches  zum  Vorschein.  Diesem  Umstände  ent- 
nehme ich  jedoch  keine  Stütze  für  meine  Auffassung;  denn  es  ist  selb>t- 
verständlich,  dass  man  nicht  bei  jedem  einzelnen  Besuch  der  Fundstelleu 
etwas  mit  nach  Hause  bringen  wird,  und  es  genügt,  wenn  von  einem 
zuverlässigen  Beobachter  einmal  solche  Funde  gemacht  sind.  Aber  ich 
legte  im  Laufe  der  Untersuchungen  den  Herren  Geologen  Wahnschaffe 
und  Keil  hack,  jedem  für  sich  gesondert,  die  Frage  vor,  ob  sie  bestimmt 
versichern  könnten,  dass  die  betreuende  Fundschicht  Hahnes  interglazial 
sei.  Jeder  von  ihnen  antwortete  fast  gleichlautend:  „Nein,  das  kann  ich 
nicht".  Welcher  Periode  wmrde  die  Schicht  dann  angehören?  „Der  letzten 
Glazialzeit  selbst",  lautete  auch  hier  übereinstimmend  die  Antwort. 
Da  beide  Fachmänner  die  Gegend  gut  kennen  und  der  erstere  ins- 
besondere eingehende  Untersuchungen  über  dieselbe  schon  früher  angestellt 
hatte,  so  sind  diese  ihre  Aussprüche,  gefallen  angesichts  der  Fund- 
stellen selbst,  für  mich  einstweilen  massgebend,  wenn  die  Herren  auch 
ebenso  wie  Hr.  Jentzsch,  in  unserer  Sitzung  vom  in.  .März  die  entgegen- 
gesetzte Auffassung  vertraten. 

Steht  es  mithin  nicht  fest,  dass  die  Fundstücke  Hahnes  interglazial 
sind,  so  wird  damit,  denke  ich,  auch  ihre  Natur  als  Artefakte  überhaupt 
in  Krage  gestellt.  Denn  während  der  Eiszeit  könnte  der  Mensch  an 
diesen  Stellen  höchstens  ganz  vorübergehend,  etwa  bei  einer  kurzen 
Periode  des  Rückgangs  der  Gletscher,  gewohnt  haben.  Nach  Hahnes 
eigenen  Angaben  inuss  man  aber  annehmen,  dass  er  geneigt  war.  eine 
Niederlegung  der  fraglichen  Fundstücke  durch  den  Menschen  am  Fund- 
orte selbst  vorauszusetzen.  Welche  Deutung  will  er  sonst  -einen  Worten 
gelten,  dass  eine  grosse  Zahl  von  Feuersteinstückchen,  deren  jedes  die 
absichtliche  Formbildung  verrät  und  die  einen  gewissen  Charakter  besonders 


—     480     — 

rein  zeigen,  wie  in  einem  Xest  beisammen  lagen.  Sollen  fliessende 
Gewässer  gerade  diese  Auslese  von  Artefakten  an  eine  Stelle  von  nur 
IVa  m  Breite  zusammengetragen  haben?  Hahne  betont  Z.  f.  E.  1904,  306 
auf  das  nachdrücklichste  und  wiederholt  die  grosse  Feinheit  eines  Teiles 
dieser  Stücke;  ein  kleines  zeigte  nach  ihm  die  Arbeitsweise  mit  aus- 
geschalteten gleichinässigen  Rundungen  „bis  in  das  feinste  Miniatur  über- 
setzt zweimal  nebeneinander"  und  dazwischen  eine  ausgesparte  Spitze 
usw.  —  Z.  f.  E.  1903,  496  schon  bemerkte  er,  dass  die  Fundstücke  einer 
Kiesgrube  südwestlich  von  Magdeburg  (von  Schönebeck?)  „sich  von  den 
Gerollen  ihrer  Lagerstätte  meist  abheben  durch  wenig  oder  gar  nicht 
(besonders  in  oberen  Schichten)  abgerollte  Kanten."  Er  unterscheidet 
also  hier  ausdrücklich  zwischen  Gerollen  und  den  vermeintlichen  Arte- 
fakten. Aus  diesen  Äusserungen  schliesse  ich,  und  schliessen,  wie  ich 
weiss,  auch  andere,  dass  Hahne  die  fraglichen  Flintstücke  als  an  Ort  und 
Stelle,  oder  doch  ganz  in  der  Nähe  durch  den  Diluvial-Menschen  nieder- 
gelegt erachtete.  Diese  meine  Auffassung  scheint  auch  Wahnschaffe 
geteilt  zu  haben,  da  er  Z.  f.  E.  1904,  S.  310  sagte:  „Dass  Hr.  Hahne  an 
bestimmten  Stellen,  etwa  1  m  unter  der  Steinsohle  (des  Löss)  die  Artefakte 
gefunden  hat,  ist  von  grosser  Wichtigkeit.  Denn  diese  Artefakte  sind 
ausserordentlich  wenig  abgerollt.  Wären  sie  weit  transportiert 
worden,  dann,  glaube  ich  ganz  sicher,  hätten  sich  diese  feinen  Spitzen  nicht 
erhalten  können;  wir  würden  viel  mehr  gerollte,  gerundete  Formen  finden." 
Wenn  somit  die  Fundstücke  einen  weiten  Transport  augenscheinlich 
nicht  durchgemacht  haben  und  auch  nicht  würden  haben  ertragen  können, 
so  hat  der  Mensch  sie  hier  während  der  Eiszeit  nicht  niedergelegt. 
Können  aber  die  Geologen  ein  bestimmtes  Zeugnis  für  die  interglaziale 
Natur  der  betreffenden  Fundschicht  nicht  abgeben,  so  möchte  mancher 
sich  versucht  fühlen,  umgekehrt  durch  die  vermeintlichen  Artefakte  eben 
diese  Natur  als  bewiesen  anzusehen.  In  der  Tat  hat  Wahn  schaffe  das 
auch  in  unserer  Sitzung  vom  1!).  März  getan  (Zeitschr.  f.  Ethn.  1904, 
S.  310 — 311).  Ich  halte  das  aber  nicht  für  statthaft;  dazu  sind  mir  die 
Formen  der  Fundstücke  nicht  unzweideutig  genug.  Vergleicht  man  mit 
Hahnes  Sachen  andere,  aus  nicht  so  sehr  entfernt  gelegene  Fundstellen 
von  ungefähr  gleicher  Zeitstellung,  so  ergeben  sich  doch  zwischen  ihnen 
gewaltige  Unterschiede.  Von  Tan  back,  das  im  allgemeinen  für  etwas 
älter  gilt,  als  die  .Magdeburger  Aufschlüsse,  hat  man,  wie  die  hier  vor- 
liegenden Stücke  aus  der  prähistorischen  Abteilung  des  Kgl.  Museums  für 
Völkerkunde  zeigen,  Flinte,  an  deren  Artefaktnatur  ernste  Zweifel  nicht 
aufkommen  würden,  selbst  wenn  nicht  die  gesamten  Verhältnisse  zu 
Taubach  die  Anwesenheit  des  Menschen  daselbst  unwiderleglich  dartäten 
(vergl.  auch  Zeitschr.  f.  Ethn.  1904,  S.  304  Note  1).  Vollends  tritt  aber  der 
Unterschied  zu  tage,  wenn  man  die  durch  Nehring  zu  Thiede,  nordwestlich 
bei  Wolfenbüttel,  und  zu  Westeregeln,  Kr.  Wanzleben,  gehobenen  und 
wiederholt  abgebildeten1)  Schätze  betrachtet.    Namentlich  ist  der  Schaber, 

L)  Archiv  f.  Anthrop.  Bd.  L0  (1878)  8.363;  Bd.  II  (1879  8.6:  Verhandl.  unserer 
Gesellsch.  L889,  8.  359-62;  Mitt.  d.  Wiener  anthrop.  Gesellsch.  Bd.  23  (1893),  S.  207 
bis  209).' 


—     481     — 

wie  ich  mich  nochmals  an  dem  Original  im  Besitz  des  Hrn.  Nehring 
überzeugte,  ein  so  ausgezeichnetes  Stück,  dass  jedei  ihn  als  Artefakt 
anerkennen  muss,  auch  wenn  ei  gar  nichts  aber  seinen  Fundort  weiss.  In 
der  Tat  hat  er  schon  einen  neolithischen  Charakter.  Freilich  wurde  er  im 
Lüss  selbst  gefunden  and  wird  als«»,  trotz  seiner  Tiefenlage  von  28  Fuss, 
wühl  etwas  jünger  sein  als  die  Hahneschen  Stücke,  aber  der  Unterschied 
in  der  Formgebung,  wenn  man  eine  solche  bei  letzteren  anerkennt,  würde 
auch  ein  ganz  (gewaltiger  Bein. 

Die  Taubacher  und  namentlich  einige  Tliieder  Dinge  sind  also  an 
sich,  schon  liloss  ihrer  Form  nach,  völlig  beweisend;  den  Stücken  der 
Magdeburger  Bliesgruben  kann  ich  i\t'n  gleichen  Wert  in  dieser  Einsicht 
nicht  beimessen.  Wir  wissen  auch  nichts  von  begleitenden  Funden  der 
Fauna  oder  Flora  in  der  betreffenden  Fundschicht,  wenn  auch  Hahne. 
Zeitschr.  f.  Fthnol.  l'.MKi,  S.  I'.m;  die  zwischen  (ieschiebemergel  und  Löss 
Liegenden  Sande  und  Grande  im  allgemeinen  als  Fandstätten  von  Tier- 
nnd  Pflanzenresten  bezeichnet.  In  dem  einzigen  Falle,  wo  die  Schicht 
genauer  angegeben  ist,  handelt  es  sich  um  eine  weit  grös>ere,  dein  .Merkel 
etwa  gleichkommende  Tiefenlage. 

Nach  alledem  kann  ich  die  Artefakt-Natur,  wenigstens  eines  grossen 
Teiles  der  von  Hahne  uns  vorgelegten  Flintstücke  einstweilen  noch 
nicht  anerkennen.  Ich  bin  vielmehr  der  Ansicht,  dass  viele  derselben 
wohl  durch  zufälligen  Druck  irgend  welcher  Art,  insbesondere  von 
Gletschern  ihre  Form  erhalten  haben  können,  —  weniger  vielleicht  durch 
Druck  von  oben  nach  unten,  als  durch  Pressung  in  mehr  horizontaler 
Richtung.  Wir  haben  ja  oben  besprochen,  wie  der  Gletscher  in  den  Sand- 
und  Grandschichten  herumgearbeitet  hat,  und  wenn  man  die  .Massen  von 
(Jeschieben  mannigfachster  Art  und  aller  Grössenabstufungen  bis  zu  gewal- 
tigen Blöcken  in  diesen  Gruben  betrachtet,  so  wird  man  doch  den  Fall, 
dass  Flintknollen  zwischen  grössere  Steine  eingekeilt  werden,  und  so  wie 
Hahne  treffend  sagt  „in  Bedrängnis"  geraten,  als  ein  gewöhnliches  Vor- 
kommnis ansehen  müssen.  Dabei,  sollte  ich  denken,  könnten  sehr  wohl 
Stücke  entstehen  mit  einer  Art  Spitze  in  der  Mitte  des  vorderen  Teiles,  an 
die  sich  beiderseits  ziemlich  gleichartige  Absplitterungen  sohliessen,  her- 
rührend von  dem  Gegendruck  der  Steine,  zwischen  die  sich  das  Flintstück 
einschob.  Ich  halte  es  auch  für  durchaus  möglich,  dass  solche  Absplitterungen 
(Schartungen)  sich  nur  an  den  Bändern  der  einen  Fläche,  z.B.  der  oberen 
bildeten,  wenn  die  andere  auf  feinkörnigem  Material  auflag.  Meweisen  kann 
ich  diese  „Möglichkeiten"  natürlich  nicht,  aber  beweispfliohtig  i>t  in  dieser 
Frage  auch  eigentlich  Der.  welcher  die  Artefakt-Natur  behauptet,  /.um 
Schluss  möchte  ich  nur  darauf  hinweisen,  dass  Hahne,  Zeitschr.  f.  Ethnol. 
1!»04.  S.  ;>05.  in  der  lieschreibung  seines  Fundes  von  Biere  ausdrücklich 
betont,  dass  der  Streifen,  in  dem  die  so  sehr  feineu  Flintstückchen  lagen. 
gröberes  Material  enthielt  und  auch  unmittelbar  darüber  ziemlich  grobes 
Material  sich  fand,  „auffallend  viel  gröber  als  in  den  unteren  Schichten". 
Das  eben  sind  meines  Brachtens  die  Bedingungen,  unter  denen  die  feinen 
Sächelchen  sich  an  Ort  und  Stelle,  wo  sie  gefunden  wurden,  mitten  in  dem 
Gerolle  bilden  konnten,  oder  wenigstens  in  geringer  Entfernung  von  ihrer 


—     482     — 

jetzigen  Lagerstätte,  wenn  sie  auch  immerhin  mitsamt  dem  gröberen 
Material  eine  gewisse  Strecke  weiter  transportiert  sein  mögen. 

Dem  Forschungs-Eifer  des  Hrn.  Hahne  soll  übrigens  mit  diesen 
Bemerkungen  in  keiner  Weise  zu  nahe  getreten  werden. 

Hr.  Hahne:  Es  ist  gewiss  sehr  erwünscht,  dass  sich  bei  einer  so 
neuen  Sache,  zu  der  wir  durch  unsere  Untersuchungen  für  die  deutsche 
Forschung  eine  Anregung  gegeben  haben  wollten,  ein  offener,  ehrlicher 
Widerspruch  erhebt;  denn  der  dient  immer  zur  Klärung,  und  die  hat  das 
Eolithenproblem  noch  recht  nötig.  Wir  könnten  Hrn.  Olshausen  deshalb 
nur  dankbar  sein.  Indessen  ich  glaube  nicht,  dass  dieser  Widerspruch  in 
geeigneter  Weise  hier  in  einer  Debatte  innerhalb  der  Gesellschaft  erledigt 
resp.  richtig  gewürdigt  werden  kann.  Ich  halte  es  für  richtiger,  dass  man 
in  der  kommenden  Sommerszeit  sich  diese  Dinge  in  ruhiger,  ehrlicher 
Arbeit  vornehme,  so  dass  man  dann  vielleicht  im  nächsten  Winter  hier 
wieder  darüber  sprechen  kann.  Der  Inhalt  der  Ausführungen  des  Hrn. 
Olshausens  anderseits  wird  die  Angelegenheit,  glaube  ich,  leider  wenig 
fördern. 

Hrn.  Olshausens  Einwände  sind  zum  Teil  geologischer  Art,  und  es  ist 
natürlich  auch  Sache  der  Herren  Geologen,  sich  darüber  zu  äussern.  Dass 
die  Schichten  nicht  interglazial  sein  sollen,  in  dem  Sinne  habe  ich  die 
Herren  bisher  nicht  verstanden,  sondern  vielmehr  so,  dass  man  bisher  die 
Grenze  zwischen  Hinterlassenschaft  der  ersten  Eisperiode  und  der  der 
zweiten  noch  nicht  exakt  legen  kann  in  jedem  Aufschluss!  Die  Gletscher- 
wirkungen usw.  zu  präzisieren  ist  ja  der  Inhalt  der  nunmehr  von  unseren 
Geologen  bereits  aufgenommenen  Arbeit  an  der  Eolithenfrage ! 

Zweitens:  die  Vergleichung  der  Funde  von  Taubach  und  Thiede 
speziell  mit  den  meinigen  ist,  glaube  ich,  insofern  nicht  richtig,  als  es 
sich  in  Taubach  wie  in  Thiede  um  Stücke  handelt,  die,  wie  man  leicht 
erkennt,  intakt,  nicht  gerollt  sind.  Dies  ist  ein  typischer  Unterschied 
zwischen  den  Taubacher  nud  den  Thieder  Sachen  einerseits  und  den 
unserigen  andererseits.  Hr.  Olshausen  hat  mich  missverstanden,  wenn 
er  meint,  ich  hätte  behauptet,  die  Sachen  lägen  an  Ort  und  Stelle  dort, 
wo  sie  bearbeitet  sind;  das  ist  deshalb  schon  ausgeschlossen,  weil  sie  samt 
und  sonders  in  direkter  Beziehung  zu  Flusssedimenten  stehen;  auch  die 
möglicherweise  alte  (interglaziale)  Oberflächen  darstellenden  Horizonte 
zeigen  Verschwemmung.  Es  haben  sich  allerdings  vereinzelt  —  das  habe 
ich  wohl  einmal  erwähnt  —  scharfkantige  und  scharfrandige  Sachen  ge- 
funden; aber  im  grossen  und  ganzen  sind  unsere  Sachen  gerollt,  und 
deshalb  sehen  sie  ganz  anders  aus  als  diese  scharfkantigen.  Gerade  die 
Stücke  aus  dem  „nestartigem"  Vorkommen  sind  selbst  alle  etwas  ge- 
rollt! (Siehe  meine  Ausführung  vom  19.  März  1904.)  Im  übrigen  stimmt 
aber  die  Technik  der  Stücke  von  Taubach  und  Thiede  prinzipiell  überein 
mit  den  Suchen,  die  wir  gefunden  haben.  Viele  haben  den  bulbe  de 
percussion,  und  eclats  kommen  ganz  ebenso  schön  vor  und  in  grossen 
Reihen  wie  an  jenen  Orten,  und  die  Abspidlungen,  die  Dengelungen  oder 
Schartungen  sind  ganz  genau  so  vorhanden,  sowohl  steilkäntige,  die  recht- 
winklig auf  der  Fläche  stehen,   als  auch  solche,  die  mehr  über  die  Fläche 


—     488     — 

hinweggehen.  .Meiner  .Weinung  nach  bestellt  der  ganze  grundsätzliche  Unter- 
schied eben  darin,  dass  dies  frische  ungerollte  Stücke  sind,  während  unsere 
fast  immer  gerollt  sind.  Auch  die  Patina  ist  ganz  wesentlich  verschieden! 
Darauf  beruht  es  wühl,  dass  sie  auf  Hrn.  Olshauseu  \i'd  eher  den 
„Eindruck"  von  Artefakten  machen  als  meine  Stücke!?  Ich  will  ferner 
daran  erinnern,  dass  andererseits  die  Lagerungsverhältnisse  bei  Thiede 
andere  sind  als  bei  uns.  Dort  sind  Spalten  im  anstehenden  Gips  von 
lössartigen  Massen  ausgefüllt,  die  übrigens  noch  gar  nicht  sicher  geologisch 
datiert  sind;  hierin  finden  sich  Fossilien  und  die  Artefakte.  Diese  sind  viel- 
leicht Dacheiszeitlich;  jedenfalls  bieten  sie  kein  entscheidend'- 
sicheres  Vergleichsmaterial  für  unsere  Eolithen!  Nehring  u.  a. 
stellen  die  Ablagerung  bekanntlich  in  die  postglaziale  Steppenzeit;  somit. 
wäre  das  Alter  der  Silexe  von  Thiede  nebenbei  gesagt,  gänzlich  ver- 
schieden von  dem  unserer  Eolithen,  infolgedessen  böte  sich  hier  überhaupt 
kein  gültiges  Vergleichsmaterial. 

Betreffs  der  Taubacher  Eolithen  verweise  ich  auf  meine  Ausführungen 
vom  19.  März  d.  J.  —  Eingehende  Vorgleichung,  die  auf  feinste  technische 
.Merkmale  Rücksicht  nimmt,  lassen  mich  eine  nahe  Verwandtschaft  zwischen 
Taubachsilexen  und  meinen  Eolithen  annehmen,  obwohl  über  die  geo- 
logische Gleichstellung  noch  nicht  das  letzte  Wort  gesprochen  ist.  Doch 
hierüber  später  mehr. 

Die  Taubachsilexe  sind  übrigens  meines  Wissens  niemals  gerollt, 
daher  bei  oberflächlicher  Betrachtung  auch  zwischen  ihnen  und  unseren 
Stücken  ein  grosser  Unterschied  des  „Eindruckes".  Wie  schon  gesagt, 
gehört  zur  Förderung  der  Eolithenfrage  ein  eingehenderes  Studium  der 
primitiven  Feuersteintechnik,  der  „natürlichen  Veränderungen"  des  Feuer- 
steins, der  Veränderung  von  natürlichen  und  künstlichen  Schneiden,  Kanten, 
Spitzen  usw.  durch  Gebrauch  in  Menschenhand  und  durch  natürliche  Vor- 
sänge, kurz  gesagt  eine  Revision  der  gültigen  Kriterien  für  Steinartefakte 
von  Menschenhand.  Auf  das  Experiment  ist  meines  Erachtens  ein  grosser 
Wert  dabei  zu  legen.  Ferner  gehören  (nach  Prestwichs  und  Rutots 
Vorgang)  Untersuchungen  geologischer  und  mineralogischer  Art  von  Seiten 
der  Fachleute  dazu,  die  infolge  der  vielfachen,  zum  Teil  neuen  Gesichts- 
punkte für  unsese  deutschen  Funde  nicht  kurzerhand  erledigt  sein  werden: 
und  endlich  Nachprüfung  der  bisher  veröffentlichten  Untersuchungen.  Wie 
schon  gesagt,  sind  alle  diese  Untersuchungen  bereits  von  massgebenden 
Seiten  in  Angriff  genommen. 

Wer  die  bisher  schon  angehäufte  Literatur  über  die  Eolithenfrage 
(französischer  und  englischer  Sprache  meist)  studiert  und  womöglich  in 
persönliche  Verbindung  tritt  mit  denen,  die  sie  hervorbringen,  wird  mir 
beistimmen,  dass  es  sich  um  sehr  viel  Neues  handelt  und  dass  die  be- 
treffende Literaturkenntnis  ebenso  nötig  ist.  wie  selbstredend  ein«'  ge- 
nügende Kenntnis  vom  Fundmaterial  der  Eolithen,  zumal  auch  der 
englischen  und  belgischen1) 


1)  Während  der  Korrektur  erhalte  ich  eine  neue,  auch  die  Eolithenfrage  sehr  er- 
schöpfend darstellende  Arheit  Rutots  „Le  Prehistorique  dans  TEurope  centrale". 
Namur  L904. 


—     484     — 

Hr.  Wahnschaffe:  Darf  ich  meinen  Standpunkt  Aber  die  interglazialen 
Schichten  der  Gegend  von  Magdeburg  noch  einmal  klarlegen? 

(Zustimmung.) 

Wie  ich  schon  in  der  vorigen  Sitzung  erwähnte,  ist  das  Profil  der 
Diluvialablagerungen  in  der  Magdeburger  Gegend  (vergl.  F.  Wahnschaffe, 
Die  Quartärbildungen  der  Umgegend  von  Magdeburg  1885)  gewöhnlich 
folgendes:  Wir  haben  an  der  Oberfläche  den  humosen  schwarzen  Bördelöss, 
unter  dein  der  gelbe  Bördelöss,  wie  ich  ihn  genannt  habe,  folgt.  Schon  in  der 
untersten  Schicht  dieses  gelben  Lösses  beginnt  eine  Steinsohle,  die  zum 
Teil  grosse  Geschiebe  mit  oft  sehr  schöner  Schräm mung  führt.  Nun  habe 
ich  angenommen,  dass  diese  Steinsohle  wahrscheinlich  aus  zerstörtem 
Geschiebemergel  hervorgegangen  ist.  An  einigen  Stellen  habe  ich  ge- 
funden, dass  noch  eine  Geschiebemergelschicht  unmittelbar  unter  der 
Steinsohle  des  Löss  erhalten  war,  aus  der,  wie  ich  glaube,  die  Steiusohle 
durch  Ausschlämmung  entstand.  "Wir  haben  auch  am  Hummelsberge  auf 
unserer  Exkursion  am  28.  März  d.  J.  noch  Reste  dieses  Geschiebemergels 
unmittelbar  unter  der  Steinsohle  gesehen.  Unter  dem  Löss  mit  seiner 
Steinsohle,  falls  derselbe  nicht  unmittelbar  auf  älteren  Bildungen  ruht, 
folgen  dann  Geröllschichten,  Kiese  und  Sande,  aus  denen  die  fraglichen 
Artefakte  stammen.  Darunter  tritt  gewöhnlich  in  der  Magdeburger  Gegend 
eine  ältere  Grundmoräne  auf  mit  geschrammten  nordischen  Geschieben. 
Nun  habe  ich  seinerzeit  bei  Sudenburg  in  der  Nähe  von  Magdeburg  in 
den  Kiesen,  die  zwischen  den  beiden  Grundmoränen  liegen,  einen  Kalk- 
tuff nachgewiesen.  In  diesem  waren  in  unzähliger  Menge  Schalen  von 
Limnaea  minuta  enthalten.  Professor  Martens,  dem  ich  diesen  Kalktuff 
zeigte,  sagte,  er  sei  zweifellos  in  einem  Sumpfe  primär  entstanden.  Ich 
glaube  nun,  dass  sich  dieser  Kalktuff  nicht  in  der  Nähe  eines  Eisrandes 
gebildet  haben  kann,  denu  unter  den  eiszeitlichen  klimatischen  Verhält- 
nissen leben  diese  Schnecken  nicht.  Es  war  notwendig,  dass  das  Gebiet 
eisfrei  war.  damit  diese  Fauna  sich  dort  entwickeln  konnte.  Aber  noch 
ein  anderer  Umstand  zwingt  uns  anzunehmen,  dass  wir  in  der  Magde- 
burger  Gegend  zwei  verschiedene  Grundmoränen  haben  und  dass  die 
Schichten  zwischen  ihnen  zum  Teil  interglazial  sind. 

Es  geht  dies  auch  daraus  hervor,  dass  z.  B.  die  bei  Ullnitz  in  diese 
Schichten  eingelagerten  diluvialen  Tone  nach  unten  blaue,  kalkreiche 
Schichten  zeigen,  während  sie  nach  oben  zu  braune  Färbung  annehmen. 
Die  Oxydation  kann  nach  meiner  Ansicht  nur  dadurch  zustande  gekommen 
sein,  dass  diese  Schichten  eine  Zeitlang  an  der  Oberfläche  gelegen  haben. 
Dazu   musste  das  Gebiet  natürlich  eisfrei  sein. 

Die  Oxydation  und  Kalkentziehung  kann  nicht  in  kürzerer  Zeit  zu- 
Btande  gebrach!  sein,  denn  dazu  ist  eine  längere  Zeit  erforderlich.  Das 
wissen  wir  von  unserem  Geschiebemergel,  wo  die  seit  der  letzten  Biszeit 
entstandene  entkalkte  Schicht,  der  Lehm,  oft  nur  1  m  mächtig  ist  und 
selten  2  ///  Mächtigkeit  überschreitet. 

Auf  die  Bemerkungen  des  Hrn.  Olshausen  erwidere  ich,  dass  man 
nicht  genau  das  Niveau  bestimmen  kann,  wo  man  den  Schnitt  zwischen 
Glazial  und   [nterglazial  zu  machen  hat.     Eis  kann  ja   immerhin  sein,  dass 


—     485     — 

grosse  Teile  von  den  Kiesen  und  Banden  auch  durch  die  Schmelzwasser 
der  heranrückenden  letzten  Vereisung  abgelagert  worden  sind,  [ch  halte 
es  aber  für  anwahrscheinlich,  dass  der  .Mensch  zur  Zfeii  des  Heranrückens 
der  letzten  Vereisung  in  den  Gebieten  gelebt  hat,  in  welchen  die  Gletscher- 
schinel/.wiisser  Sande  und  Kiese  ablagerten.  Dass  zwischen  beiden  Ge- 
Bchiebemergelri  ein  Schnitt  gelegt  werden  nmss  innerhalb  der  Kie>-  und 
Bandzone  erscheint  mir  notwendig. 

Ih-.  Bracht  hat  mich  gehoten,  zwei  Artefakte  hier  vorzulegen,  die 
Hr.  Pavreau  und  er  in  einer  Kiesgrube  bei  Eundisburg,  anweit  Neu- 
baldensleben,  aufgefunden  hat. 

Hr.  Bracht,  der  sonst  diesen  Dingen  sehr  skeptisch  gegenübersteht. 
schrieb  mir,  er  wäre  überzeugt,  dass  hier  echte  Artefakte  vom  Typus  der 
Eolithe  vorlagen. 

Er.  Ed.  Krause:  Hr.  \\  a  h  n  schaff  e  hat  tierische  Reste  als  Beweise 
des  interglacialen  Alters  der  Kundschichten  der  Eolithen  angeführt.  Ich 
möchte  «lein  hinzufügen,  dass  wir  bei  Biere  pflanzliche  Beste  gefunden  haben. 
Elfi  ziehen  sich  horizontale,  schwarze  Streifen  tief  unter  dem  Löss  durch  die 
Schichten,  in  denen  gerade  die  Eolithen  gefunden  worden  sind,  von  I/s  mm 
bis  2  cm  Mächtigkeit.  Ich  glaubte  dies  als  pflanzliche  Keste  ansehen  zu 
dürfen.  Hr.  Keilhack  meinte  aber,  es  wäre  Mangan.  Ich  habe  grössere 
Proben  davon  mitgebracht  und  untersucht.  Die  muh  dem  Trocknen 
dunkelbraune  Masse  verbrennt  auf  dem  Platinblech  mit  stark  russender 
Flamme,  ohne,  wie  tierische  Reste  beim  Verbrennen  schwammartige  Gre- 
stalt  anzunehmen,  zu  loser  graugelber  Asche.  Mangansuperoxyd  (Braun- 
stein), das,  wenn  Mangan  den  Hauptbestandteil  der  schwarzen  Horizontal- 
streifen bildete,  hier  nur  in  Frage  kommen  könnte,  brennt  auf  dem  Platin- 
blech nicht,  sondern  nimmt  nur  eine  etwas  hellere  Farbe  an,  doch  immer 
noch  tief  dunkelbraun,  während  die  Asche  unserer  Streifen  sehr  hell  ist 
und  ganz  das  Aussehen  der  hellen  Asche  von  eisenarmen  Braunkohlen 
zeigt.  Die  Bildung  von  Boraxperlen  vor  dem  Lötrohr  erwies  ebenfalls 
die  vollständige  Verschiedenheit  der  beiden  untersuchten  Massen,  denn 
die  Perle  mit  Braunstein  ergab  die  bekannte  Amethystfarbe  des  Mangans, 
während  diejenige  mit  der  Asche  nur  eine  schwache  grünliche  Färbung 
zeigte,  hervorgerufen  von  dem  schwachen  Eisengehalt,  der  sich  schon  durch 
die  Gelbfärbung  der  Asche  verriet.  Die  fraglichen  schwarzen  Eorizontal- 
streifen  enthalten  also  in  der  Tat  pflanzliche  Überreste.  Welcher  Art 
diese  sind,  ob  Reste  alter  Oberflächen  Vegetation,  oder  o!>  Anschwemmungen 
von  zerstörter  Braunkohle  aus  in  der  (legend  mit  und  unter  dem  Septarien- 
ton  öfters  vorkommenden  Braunkohlenlagern,  das  wird  die  genauere, 
namentlich  mikroskopische  Untersuchung  von  berufener  Seite  ergeben. 
Haken  wir  in  den  schwarzen  Streifen  Reste  von  Oberflächenvegetation  zu 
sehen,  so  haken  wir  damit  einen  neuen  Beweis  für  das  interglaciale  Alter 
dei-  Fundschichteu  und  auch  zugleich  für  Möglichkeit  der  Existenz  des 
.Menschen  im  interglacialen  Zeitalter  in   Norddeutschland. 

llr.  Pavreau  (Neuhaldensleben) :  Im  Anschluss  an  den  Ausflug  nach 
Schönekeck  und  Biere  kam  Hr.  Bracht  Qach  Neuhaldenaleben,  von  wo 
aus  er  mit  mir  zusammen  die  Kiesgrube  von   Eundisburg  besuchte.     Dort 


—     486     — 

fanden  wir  die  von  Hrn.  Wahnschaffe  vorgelegten  Stücke.  In  der 
Schicht,  der  dieselben  entstammen,  habe  ich  eine  ganze  Reihe  von  deut- 
lich bearbeiteten,  d.  h.  mit  Bulbe  de  percussion  und  Retouehen  versehene 
Feuersteinsplitter  gefunden,  von  denen  einige  ausgestellt  sind.  Die  Schicht, 
der  alle  diese  Funde  entstammen,  halte  ich  für  interglacial.  Da  ich  nicht 
Geologe  von  Fach  bin,  kann  diese  Bestimmung  natürlich  nicht  Anspruch 
auf  absolute  Sicherheit  machen;  Hr.  Wahnschaffe  wird  daher  demnächst 
nach  Neuhalden  sieben  kommen,  um  die  Hundisburger,  sowie  einige  andere 
Kiesgruben,  in  denen  ich  zahlreiche  Eolithen  gefunden  habe,  geologisch 
zu   untersuchen.1) 

Hr.  Götze:  Es  ist  ja  natürlich  von  grossem  Interesse,  neue  inter- 
glaciale  Funde  zu  haben  und  sicher  zu  konstatieren;  aber  etwas  prinzipiell 
Neues  liegt  bei  den  Funden  des  Hrn.  Hahne  doch  nicht  vor.  Denn  der 
interglaciale  Mensch  ist  in  Mitteldeutschland  schon  seit  vielen  Jahrzehnten 
bekannt  durch  die  Taubacher  Funde.  Es  handelt  sich  jetzt  höchstens 
darum,  dass  wir  das  Terrain  der  Besiedelung  etwas  nach  Norden  erweitern. 
In  der  Luftlinie  beträgt  die  Entfernung  von  Taubach  nach  Magdeburg  etwa 
18  geographische  Meilen,   und  das  ist  doch  keine  wesentliche  Entfernung. 

Hr.  Hahne:  Auch  Hrn.  Götze  muss  ich  widersprechen  und  seiner 
Art  der  Stellungnahme  gegenüber  unsern  Ausführungen.  Das  wesentlich 
Neue  ist  natürlich  nicht  die  Datierung  des  diluvialen  Menschen,  sondern 
eben  die  Eolithenfrage.  Der  Ruhm  Taubachs  wird  durch  die  neuen 
Untersuchungen  nicht  berührt.  Im  übrigen  wäre  es  auch  schon  wertvoll 
genug,  18  Meilen  nördlich  von  T.  den  Menschen  nachgewiesen  zu  haben, 
in  geologisch  ganz  anderer  Lage,  innerhalb  des  Bereiches  der  letzten 
Eiszeit.  Von  der  Eolithenfrage  also  sind  wir  auch  ausgegangen  bei  den 
ersten  Vorführungen  norddeutscherDiluvialfunde,  die  seinerzeit  Hr.Klaatsch 
und  ich  gemacht  haben,  indem  wir  die  ganzen  Dinge  betrachteten  unter 
dem  neuen  Gesichtspunkt,  den  wir  gewonnen  haben  aus  der  Kenntnis 
derjenigen  Typen,  die  in  unsern  westlichen  Nachbarländern  als  Eolithen 
gelten.  Ich  verweise  auf  das  vorhin  Gesagte  und  auf  die  Verhandlungen 
der  betreffenden  Sitzungen.  (März  1903,  März  1904;  bes.  s.  auch  Bericht 
über  den  Wormser  Anthropologenkongress  1903  im  Korrespondenzblatt 
der  deutsch,  anthr.  Ges.  Oktober  1903  S.  102ff.,  Vortrag  Klaatsch.) 

Hr.  Götze:  Darauf  möchte  ich  entgegnen,  dass  bei  dieser  Eolithen- 
frage doch  die  Präge  nach  dem  tertiären  Alter  des  Menschen  der  Ausgangs- 
punkt der  Diskussion  war.  Und  ich  meine,  dass  wir  diese  Frage  doch 
mit  sichererem  Material  lösen  müssen  und  nicht  mit  Material,  das  erst 
wieder  selbst  des  Beweises  bedarf  und  bis  jetzt  noch  weit  davon  entfernt 
ist,  allge ine  Anerkennung  zu  finden. 

(15)    Hr.  Oskar  Mann  hält  einen  Vortrag  über 
Ethnologisches  und  Archäologisches  aus  dem  westlichen  Persien, 

der  durch    viele   Lichtbilder  erläutert  wurde.   — 


1)  Inzwischen  hat  Hr.  Wahnschaffe    die  Fandschicht    in    Hundishurg    „als    sicher 
interglaciale  SüsswasserahlageruDg"  festgestellt. 


—     487 


Sitzung  vom    I  I.  .Mai  1 1)04. 

Vorsitzender:    Hr.  Waldeyer. 

(1)  Die  Gesellschaft  beklagt  den  Tod  des  Hrn.  Gemellaro,  des 
verdienten  Direktors  des  geologischen  Museums  in  Palermo,  welcher  seit 
1883  unser  korrespondierendes  Mitglied  war.  Ferner  wurde  uns  Hr.  His 
in  Leipzig  durch  den  Tod  entrissen,  der  zwar  nicht  ansei  Mitglied  war, 
aber  durch  seine  anatomischen  und  anthropologischen  Studien,  namentlich 
an  Schweizer  Schädeln,  uns  sehr  nahe  stand;  endlich  hat,  wie  Sie  alle 
wissen,  auch  Stanley  das  Zeitliche  gesegnet.  Wir  werden  ihnen  allen 
ein  aufrichtig  dankbares  Andenken  bewahren.  — 

('2)  Zu  korrespondierenden  Mitgliedern  hat  der  Vorstand  in  Über- 
einstimmung mit  dem  Ausschuss  die  Herren  Professoren  Capitan  und 
Manouvrier  in  Paris  ernannt,  zwei  der  verdientesten  Lehrer  an  dir 
Ecole  d'Anthropologie  in  Paris.  — 

(3)  Hrn.  Maass  haben  wir  ersucht,  Mitglied  unserer  Bibliotheks- 
kommission  zu  werden.  Die  Arbeiten  an  unserer  Bibliothek  steigern  sich 
von  Tag  zu  Tag,  daher  war  die  Gewinnung  einer  bewährten  Hilfskraft 
ausserordentlich  wünschenswert.  Hr.  Maass  hat  sich  bereit  erklärt,  dieses 
Amt  zu  übernehmen.  — 

(4)  Die  Xiederlausitzer  Gesellschaft  ladet  zu  ihrer  20.  Haupt- 
versammlung ein,  die  am  Sonntag  den  19.  Juni  in  Cottbus  abgehalten 
werden  soll. 

Es  liegt  ferner  eine  Einladung  zu  dem  VIII.  Internationalen  Geographen- 
kongress  vor,  der  im  September  d.  J.  in  Washington  tagen  wird. 

Endlich  liegt  das  Programm  für  die  Versammlung  vor.  welche  die 
Wiener  Anthropologische  Gesellschaft  in  Gemeinschaft  mit  dem  dortigen 
Wissenschaftlichen  Klub  vom  22. — 24.  Mai  in  Agram  und  Krapina  ab- 
halten wird  in    Verbindung  mit  einem  Besuch  von  Dolnja  Dolina.  — 

(5)  Hr.  Bartels  hat  der  Gesellschaft  am  11.  .Mai  von  Sestri-Levante 
einen  (iiuss  gesandt.  Er  teilt  mit  -  gewiss  zu  unser  aller  Freude  — , 
ilasv  er  beginne,  sieh  wohler  zu  fühlen.  Hoffen  wir.  das^  es  nicht  beim 
Beginnen  bleibt,  sondern  möge  er  seine  alte  Kraft  und  Rüstigkeit  dauernd 
wiedergewinnen. 

Hr.  Klaatsch,  der  nach  Australien  -.'feist  ist.  teilt  auf  einer  Karte 
vom  22.  Mär/,  aus  Brisbane  mit.  dass  er  nach  langer  Fahrt  dort  glücklich 
angelangt  sei  und  nun  seine  Arbeiten  besinnen  werde.  — 


—     488     — 

(6)  Hr.  Lissauer  teilt  mit,  dass  der  Vorstand  und  Ausschuss  be- 
schlossen haben,  in  Fürstenberg  i.  Mecklbg.  an  dem  Hause,  in  welchem 
Heinrich  Schliemann  als  Kaufmannslehrling  gelebt  und  zum  ersten  Mal 
in  seinem  Leben  den  Vortrag  homerischer  Verse  gehört  hat,  eine  Gedenk- 
tafel anbringen  zu  lassen,  welche  bei  Gelegenheit  einer  Exkursion  der 
Gesellschaft  dorthin  am  11.  Juni  dem  Magistrat  der  Stadt  übergeben 
werden  soll.  — 

(7)  Hr.  C.  F.  Lehmann  übersendet  die  folgende  Mitteilung 

über  neu  gefundene  ckaldische  Inschriften. 

1.    Bauin  schrift  des  Menuas. 

a)  „Mitteilung  des  Hrn.  Dr.  G.  C.  Raynolds  d.  d.  Van,  13.  Juli  1903: 
Ich  schreibe  heute  ausdrücklich,  um  Ihnen  mitzuteilen,  dass  Hr.  Goorken1) 
eine  Keilinschrift  in  einer  Kirche  im  Dorfe  Vosge-pag1),  von  der  Sie 
nach  seiner  Ansicht  keine  Kunde  erhalten  haben,  entdeckt  und  einen 
wohlgelungenen  Abklatsch  genommen  hat,  den  ich  Ihnen  auf  seinen  Wunsch 
sende." 

b)  Mitteilung  des  Hrn.  Dr.  Raynolds  d.  d.  Van,  7.  September  1903: 
„Ich  freue  mich,  dass  die  Abklatsche2)  Sie  wohlbehalten  erreicht  und  sich 
als  einigermassen  wertvoll  erwiesen  haben.  Ich  habe  Hrn.  Goorken 
Ihre  Fragen 3)  vorgelesen,  und  er  wird  antworten,  aber  vielleicht  nicht 
rechtzeitig  für  diese  Post."4) 

c)  Befund  des  Abklatsches.  Runder  Säulenstein  bekannter  Art,  drei- 
teilig beschrieben,  aber  dreimal  mit  derselben  einzeiligen  Inschrift. 

mMe-i-nu-u-a-se5)     mIs6)-pu-u-i-ni-e-M-ni-se    i-ni   ase7) 

za-a-du-u-ni 
„Menuas,  Ispuinis  Sohn,  hat  diesen  Tempel  erbaut." 

Die  Kirche,  die  den  Stein  birgt,  kann  eventuell  an  der  Stelle  des  alten 
Heiligtums  stehen,  wie  so  oft.  In  der  Kirche  zu  Zevastan  scheinen 
mehrere  dieser  Säulensteine  sogar  ihre  alte  Lage  bewahrt  zu  haben. 

2.    Kanalinschrift   des  Menuas. 
Mitteilung  des  Hrn.  Hampartsum    Der  Harutunian  d.  d.  Van,  8.  Juli 
1903:     „Eine  kurze,  dreizeilige  Inschrift,  ähnlich  der,  die  Sie  in  Ishaniqom, 
im  Hayoc'-zör  fanden.     Sie  lautet: 

1.     (ILU)  Hal-di-ni-ni   us-ma-si-ni   '"Me-nu-a-se 
_.     '"Is-pu-u-i-ni-l  lii|-ni-se  i-ni   pi-li 
3.     a-gu-ni   '"Me-nu-a-i-pi-1  i    ti-ni  " 
(Stereotype    Kanalinschrift    des    Menuas,    der    bekannten    dreizeiligen 
Form.     C.   I,.) 


1)  Die  englische  Orthographie  der  armenischen  Namen  ist  beibehalten.  —  2)  Gemein) 
sind  die  verschiedenen  Teile  des  Altklatsches.  —  3)  Ich  bat  um  nähere  Angaben  über  den 
Lokalbefund  und  die  Lage  des  Steines  etc.  —  4)  Bis  jetzt  nicht  eingetroffen.  —  5)  Nur 
in  der  ersten  Zeile  erhalten.  —  (1)  Spuren  nur  in  der  ersten  Zeile.  —  7)  Geschrieben 
BITU. 


—     489     — 

„Der  Schriftstein,  etwa  2  m  lang,  befand  sich  in  einem  kleinen  Tal 
zwischen  Andz(?)  und  Maschpak  im  Hayöc'-zör,  nahe  dein  Menuas-Kanal, 
von  dessen  Mauer  der  Stein  herabgestürzt  war;  er  ist  j«'tzt  beinahe  im 
Boden  vergraben.  Melkon  Koondorian  aus  .Mastag  hat  mir  diese  In- 
schrift gezeigt. 

Km  Dorfbewohner  sagte  mir,  <t  kenne  eine  andere  neue  Inschrift 
unweit  des  Kanals,  irgendwo  zwischen  Andz(?)  und  Karawane',  aber  er 
wollte  sie  mir  nur  zeigen,  wenn  ich  ihm  Geld  gäbe.1' 

(Ob  die  zweite  der  erwähnten  Kanalinschriften  neu  wäre,  bliebe  zu 
prüfen.')     C.   L.) 

:i.    Inschrift  (Argistis  II?)   Rusahinis. 

a)  Mitteilung  des  Hrn.  Hampartsum  vom  gleichen  Datum,  dem 
unter  2.  wiedergegebenen  Bericht  vorausgehend:  „Neuerdings  habe  ich 
drei  neue  Keilinschriften  gefunden,  die  erste  im  Hause  des  Hagop 
Hampartsumian  in  Haykavank"  (Stadtteil  von  Van).  „Yor  vielen  Jahren 
hatte  sein  Vater  Hampartsum  sie  beim  Graben  in  der  Nachbarschaft 
der  Kirche  Haykavank  gefunden  und  in  sein  Haus  gebracht.  Hagop 
kannte  die  Geschichte  des  Steines  und  sein  Vorhandensein  in  seinem 
Hause,  konnte  ihn  aber  Ihnen  nicht  zeigen,  während  Sie  im  Lande  waren. 
Erst  neuerlich  ist  er  beim  Graben  eines  Wasserlaufs  durch  die  Wieder- 
auffindung des  Steines  überrascht  worden,  der  mit  der  Oberfläche  nach 
unten  zur  Pflasterung  des  Hofes  verwendet  war." 

Hr.  Hampartsum  gibt  nun  eine  genaue  Beschreibung  des  Steines 
und  seiner  Gestalt,  eine  gute  Kopie  und  eine  korrekte  Transkription  der 
Inschrift  und  macht  den  Instruktionen  der  Expedition  und  besonders  dem 
Unterricht  speziell  seines  Lehrers,  meines  ehemaligen  Reisegefährten, 
alle  Ehre. 

b)  Mitteilung  des  Hrn.  Dr.  Ussher,  d.d.  Van,  9.  April  1904:  „Mein 
Bruder  fand  während  seiner  Anwesenheit  eine  neue  Keilinschrift  im  Hofe 
eines  armenischen  Hauses  und  nahm  eine  sehr  gute  Photographie  davon, 
die  er  auch  an  die  University  of  Pennsylvania,  seine  alma  mater,  ge- 
sandt hat." 

Hr.  Dr.  Ussher  sendet  mir  die  Photographie  mit  der  Bitte  um  Aus- 
kunft mit.  Ich  werde  sie  an  anderer  Stelle  mit  den  Massangaben  des 
Hrn.  Hampartsum  publizieren.  Die  Photographie  bestätigt  die  Richtig- 
keit von  Hrn.  Harn  partsums  Kopie. 

1.  |-Ar-gis-|2)t)i3)]-se 

2.  "'Ru-sa-lii-ni-st' 

3.  -4)  KAK6)  ti-ku-lu--6) 

4.  i-nu-ka-a-ni 


1)  Hr.  Hampartsum  gibt  noch  Nachrichten  über  ein  weiteres  Fragment, 
ca.  0,35  m  in  allen  Dimensionen,  gefunden  in  der  Mauer  der  Kirche  Surp-Pogos  in  Van, 
die  so  viele  wichtige  Inschriften  birgt.  Doch  sei  keine  Silbe  darin  leserlich.  Ich 
werde  darüber  berichten,  falls  der  Abklatsch,  den  er  in  Aussiebt  stellt,  etwas  ergeben 
sollte.  —  2)  Weggebrochen.  —  3)  Nur  Spur  eines  senkrechten  Keils.  -  I  Hin  Zeichen 
fehlt.  -  5)  Als  [deogramm  bmachen,  schaffen-.  —  6  Ein  Zeichen  fehlt. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.   Jahrg.  1904.    Heft  S  o,  -i.  32 


—     490    — 

5.  e-si-ni-ni 

6.  mGi-lu-ra-a-ni-e 

7.  ISU.  TIR^-ni-ka-i 

8.  pa-ri     mIs-pi-li-ni 

9.  mBa-ti-lii-ni-ni 

10.  ISU.NU-SAR2)-ni-di 

11.  IX.C.L.I.  KID.3) 

Es  ist  höchst  bedauerlich,  dass  die  erste  Zeile  weggebrochen  ist.  Die 
Ergänzung  zu  Argistis  (IL,  dem  Sohne  Rusas  I.)  ist  die  nächstliegende 
und  würde  uns  eine  dritte  Inschrift  dieses  vor  unserer  Expedition  über- 
haupt nicht  mit  eigenen  Inschriften  vertretenen  Königs  liefern. 

Es  wäre  aber  wohl  möglich,  dass  ein  anderer  Name  dagestanden 
hätte.  Damit  wäre  dann  die  Frage  entschieden,  wer  Rusas'  IL  (ca.  680 
bis  645  v.Chr.)  Sohn  und  Nachfolger  war:  ob  Sardur  IV.  (III.),  wie  ich 
nunmehr  definitiv  glaube  und  vor  einiger  Zeit  öffentlich  ausgesprochen 
habe,  ob  Erimenas,  Rusas'  III.  Yater,  wie  die  herrschende  Meinung  an- 
nimmt. Ja  der  Urheber  der  Inschrift  könnte  sogar  an  sich  ein  Sohn 
Rusas'  III.  sein,  wenngleich  mir  das  sehr  unwahrscheinlich  ist,  da  ich 
Rusas  III.  für  den  letzten  König  des  Reiches  Chaldia  (m.  E.  gestorben 
um  oder  kurz  vor  585  v.  Chr.)  halte. 

Die  Inschrift  ist  in  jedem  Falle  von  besonderem  Interesse.  Sie  nennt 
allem  Anscheine  nach  ausser  dem  König  und  seinem  Vater  noch  mehrere 
männliche  Personen.  Zeile  9  bezeichnet  wohl  den  in  Z.  8  Genannten 
seiner  Herkunft  nach.  Anscheinend  spielen  u.  a.  Ländereien  und  vermut- 
lich ihre  Bebauung  oder  Übertragung  darin  eine  Rolle.  Über  Z.  4/5  an 
anderer  Stelle. 

(8)  Hr.  F.  v.  Chlapowski  legt 

ein  pfriemartiges  Knochenstück 

aus  einer  Kiesgrube  von  Obornik  zur  Beurteilung  vor,  ob  dasselbe  Spuren 
menschlicher  Bearbeitung  darbietet. 

Hr.  Ed.  Krause  erklärt,  dass  die  an  dem  Geräte  befindlichen  Marken 
von  Nagezähnen  herrühren,  wie  er  an  Parallelstücken  beweisen  werde, 
welche  er  in  der  nächsten  Sitzung  zur  Vergleichung  vorlegen  wolle.  — 

(9)  Hr.  A.  Plehn  spricht  über 

Beobachtungen  in  Kamerun. 

Der  Vortrag  wird  später  erscheinen.  — 

(10)  Hr.  Max  Schmidt  hält  einen  Vortrag  über 

Ableitung  südamerikanischer  Geflechtmuster  aus  der  Technik  des 

Flechtens. 

Bei  der  wissenschaftlichen  Behandlung  der  Ornamentik  und  ihrer 
Entwicklung  an  den  Gebrauchsgegenständen    der  Menschheit    treten    zwei 


1)  D.  i.  KISTÜ  „Hain«,  „Waldung".  -  2)  Assyrisch  NU.  GIS(ISU).  SAR  ist  =  Gärtner. 
—  3)  Massbezeichnung,  den  Betrag  oder  Ertrag  bezeichnend. 


—     491     — 

Methoden  in  den  Vordergrund,  die  sich  vor  allem  da,  wo  es  sich  um  die 
Naturvölker  handelt,  Hand  in  Hand  arbeiten  müssen.  Wir  können  ein- 
mal die  Untersuchung  auf  die  Ornamente  als  solche  richten  und  den 
Inhalt  dessen  zu  bestimmen  suchen,  was  die  menschliche  Vorstellung  zum 
Gegenstände  ihrer  ornamentalen  Darstellungen  auf  den  Gebrauchsgegen- 
ständen auserwählt  hat.  Wir  werden  hier  zur  Erklärung  der  ornamentalen 
Formen  die  letzteren  vor  allem  in  ihrem  Zusammenhange  mit  dem,  was 
Gegenstand  der  Vorstellung  des  betreffenden  Völkerkreises  ist,  d.  h. 
im  Zusammenhange  mit  dem  ( ieistesleben  des  betreffenden  Volkes, 
erfassen. 

Im  Gegensatz  zu  dieser  Methode  steht  eine  zweite,  ebenso  wichtige, 
ohne  deren  Heranziehung  die  ersten«  den  Boden  völlig  verlieren  würde. 
Dieselbe  behandelt  die  Form  der  Ornamente  in  ihrem  Zusammenhange 
mit  der  Herstellungsweise  und  dem  Material  des  betreffenden  Gebrauchs- 
gegenstandes. Für  die  Erfassung  des  Wesens  der  Ornamente  von  dieser 
Seite  her  kommt  es  vor  allem  auf  eine  genaue  Kenntnis  der  bei  der 
Herstellung  des  betreffenden  Gegenstandes  angewendeten  Technik  an. 

Im  folgenden  habe  ich  mir  zur  Aufgabe  gemacht,  von  diesem  an 
zweiter  Stelle  angeführten  Gesichtspunkte  aus  die  Ergebnisse  meiner 
Untersuchungen  kurz  zu  skizzieren,  die  ich  an  der  Hand  der  in  unserem 
Berliner  Museum  befindlichen  südamerikanischen  Geflechte  auszuführen 
Gelegenheit  hatte.  Nur  ein  Eindringen  in  die  bei  den  Geflechten  an- 
gewendete Technik  überhaupt  kann  ein  Eindringen  in  das  Wesen  der 
Geflechtmuster  erwirken. 

Mein  Endziel  ist  das,  zu  zeigen,  in  wie  weit  diese  Technik  von  selbst 
auf  Muster  hingeführt  hat,  dass  schon  aus  der  Technik  von  selbst 
Muster  entstehen,  die  den  menschlichen  Geist  geradezu  herausfordern 
zur  weiteren  Vervollkommnung  durch  blosse  Variation  und  Kom- 
bination. 

Wie  bei  allen  menschlichen  Gebrauchsgegenständen,  so  hängt  auch 
bei  den  Geflechten  die  Form  und  die  Herstellungsweise  vor  allem  von 
zwei  Faktoren  ab,  einmal  von  dem  Gebrauchszweck  des  betreffenden 
Gegenstandes  und  sodann  von  dem  zur  Verfügung  stehenden  .Material. 

Was  den  Gebrauchszweck  anlangt,  so  haben  wir  hiernach  im  grossen 
und  ganzen  drei  Hauptgruppen  von  Geflechten  zu  unterscheiden,  einmal 
Matten,  sodann  Feuerfächer  und  drittens  als  wichtigstes  die  Körbe.  Da- 
neben tritt  das  Geflecht  auf  bei  Fischreusen,  Pfeilköchern,  Mandiokapressen, 
Tanzmasken,  Tanzanzügen  und  Kopfbedeckungen,  sowie  als  Umhüllung 
der  Stiele  verschiedener  Gebrauchsgegenstände  zum  Schmucke  resp.  zum 
Zwecke  der  besseren  Handhabe. 

Da  bei  den  zuletzt  genannten  Arten  der  Geflechte  die  Herstellungsart 
und  infolgedessen  auch  die  Musterung  des  Geflechtes  grösseren  Willkürlich- 
keiten ausgesetzt  ist,  so  wollen  wir  im  folgenden  als  Grundlage  für  die 
Ableitung  der  Haupttypen  der  südamerikanischen  Ornamentik  aus  der 
Geflechtstechnik  nur  die  drei  zuerst  genannten  Hauptarten,  die  Matte,  den 
Feuerfächer  und   den  Korb   heranziehen. 

Was    die  Einteilung    der   hiernach    für    uns    in  Betracht    kommenden 

32  * 


—     492     - 

Geflechte  nach  der  Herstellungsweise  und  damit  nach  dem  eigentlichen 
Wesen  des  Geflechts  anlangt,  so  möchte  ich  mich  hier  gern  der  von 
Mason  aufgestellten  Einteilung1)  anschliessen,  die  sich  in  so  ausgezeichneter 
Weise  bei  der  wissenschaftlichen  Behandlung  der  Flechttechnik  nord- 
amerikanischer Geflechte  bewährt  hat. 

Aber  besondere,  im  zur  Verfügung  stehenden  Materiale  beruhende 
Umstände  haben  es  bewirkt,  dass  gerade  das,  was  für  Südamerika  einen 
Haupttyp us  repräsentiert,  und  gerade  für  die  Entstehung  der  in  Südamerika 
vorherrschenden  Ornamente  hauptsächlich  in  Betracht  kommt,  in  Nord- 
amerika als  Geflechtstypus  so  gut  wie  gar  nicht  vertreten  ist  und  dass 
umgekehrt  aus  der  zweiten  der  beiden  grossen  Hauptabteilungen,  in  die 
Mason  die  nordamerikanischen  Geflechte  einteilt,  der  „coiled  basketry"2), 
in  Südamerika  nur  im  äussersten  Süden  bei  den  Feuerländern  ein  Typus 
vertreten  ist,  der  für  die  Technik  südamerikanischer  Geflechte  nur  als 
Besonderheit  in  Betracht  kommen  kann.  Die  eine  Hauptart,  die  wir  als 
solche  für  Südamerika  noch  im  folgenden  kennen  lernen  werden,  findet  in 
der  Masonschen  Einteilung  überhaupt  kein  Unterkommen. 

Ich  halte  es  danach  für  praktischer,  bei  einer  Spezialbetrachtung 
südamerikanischer  Geflechte  von  der  Masonschen  Einteilung  Abstand  zu 
nehmen  und  ein  selbständiges  Einteilungsprinzip,  wie  es  sich  aus  der 
Betrachtungsweise  südamerikanischer  Geflechte  von  selbst  ergibt,  den 
folgenden  Ausführungen  zugrunde  zu  legen.  Und  zwar  werden  wir  in 
folgendem  an  der  Hand  der  mehr  oder  weniger  universal  in  Südamerika 
vertretenen  Geflechtstypen  drei  Hauptarten  unterscheiden,  an  die  sich  die 
nur  mehr  oder  weniger  lokal  vertretenen  abweichenden  Typen  als  besondere 
Arten  anschliessen. 

Bei  der  ersten  Hauptart  kommt  das  Geflecht  dadurch  zustande, 
dass  zwei  senkrecht  zu  einander  stehende  Gruppen  von  Geflechtsstreifen 
derartig  miteinander  verflochten  werden,  dass  die  Streifen  der  einen  Gruppe 
jedesmal  eine  gewisse  Anzahl  von  Streifen  der  anderen  Gruppe  über- 
springen, bezw.  von  ihnen  übersprungen  werden  und  zwar  so,  dass  immer 
die  in  gleicher  Richtung  verlaufenden  Geflechtsmaschen  stufenförmig  neben- 
einander, bezw.  übereinander  liegen. 

Die  Zahl  der  jeweilig  übersprungenen  Geflechtsstreifen  kann  drei  und 
zwei  sein,  bei  einigen  sehr  primitiven  Körben  auch  eins.  Im  letzteren 
Falle  besteht  allerdings  insofern  ein  Unterschied,  als  hier  die  durch  die 
Reihen  der  in  gleicher  Richtung  verlaufenden  Geflechtsmaschen  gebildete 
Streifung  im  Muster,  die  gerade  typisch  für  diese  Geflechtsart  ist,  nicht  in 
die  Erscheinung  tritt;  aber  diese  nur  ausnahmsweise  vorkommenden  Körbe 
schliessen  sieh  doch  ihrem  ganzen  Wesen  und  der  ganzen  Herstelluugs- 
weise nach  den  Geflechten,  bei  denen  zwei,  bezw.  drei  Streifen  über- 
spniii^r-n  werden,  an,  so  dass  es  unpraktisch  wäre,  sie  wegen  dieses  einen 
mehr  in  der  Erscheinung:  als  in  ihrem  Wesen  liegenden  Unterschiedes  bei 


1)  Otis   Tul'ton    Mason:     Aborigina]  American  basketry:    studies  in  a  textile  art 
withont  rnachinery.     Sinithsonian  Institution.     No.  128.     Washington  1904.     S.  222  ff. 

2)  Vergl.  Mason  a.a.O.  S.244ff. 


—    493     — 

der  Einteilung   für  sich  zu  stellen,    wie    es    nach  Masone  Einteilung    der 
Fall  sein  würde. 

Ein  durchgreifender  und  wie  wir  noeh  hernach  sehen  werden  für  die 
ganze  Technik  dieser  Plechtari  grundlegender  Unterschied  innerhalb  dieser 
ersten  Hauptart  ist  dadurch  -«'-«dien,  dass  die  beiden  Gruppen  der  senk- 
recht zueinander  stellenden  Geflechtsstreifen  einmal  wie  in  Fig.  1  von  ein 
und  derselben  Kasis  ihren  Ausgang  nehmen  können  und  das  andere  Mal 
wie  in  Fig.  2  von  -zwei  getrennten  Ausgangspunkten  aufeinander  zulaufen 
können.  Sehen  hier  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  im  ersteren  Falle 
durch  einfaches  Verflechten  einer  gewissen  Anzahl  v<m  Geflechtssteeifen  in 
<U'\-  hier  vorausgesetzten  Weise  zunächst  ein  Geflechtsdreieck  entsteht,  im 


Fiff.  1. 


Fi".  4. 


Fig.  2. 


Fiff.  3. 


Fussmatte  der  Karaya.     Im  Berl.  Ufas. 
YB.  W07.    V10  nat,  Gr. 

zweiten  Falle  dagegen  ein  Geflechtsviereck,  ein  Unterschied,  der  natürlich 
für  die  im  weiteren  Verlauf  zu  behandelnde  Entstehung  der  Ornamentik 
von  grösster  Bedeutung  ist. 

Bei  der  zweiten  Hauptart  südamerikanischer  Geflechte  handelt  es  sich 
um  die  Verknüpfung  einer  Anzahl  von  in  parall.de  Lage  zueinander 
gebrachten  Binsen,  Blattrippen,  Gras-  und  Palmfaser-Büscheln  oder  Baum- 
wollachnüren  durch   Herumschlingen  eines  doppelten   Fadens  (Fig.  3). 

Diese  Art  der  Flechterei,  die  in  Nordamerika  ebenso  universal  ver- 
breitet ist  wie  in  Südamerika,  bildet  auch  in  der  l&asonschen  Einteilung 
eine  Gruppe  für  sich,  das  „Twinedwork".1) 


1)  .Mas du  a.  a.  0.  S.  231  ff. 


—     494    — 

Auch  bei  dieser  Art  Flechterei  werden  von  den  Südamerikanern 
durch  besondere  Manipulationen  Muster  hervorgerufen,  z.  B.  bei  den 
Taschen  und  Moskitowedeln  der  Tsamakoko,  sowie  einer  Fussmatte  der 
Karayä  (Fig.  4)  dadurch,  dass  jeder  der  parallelen  Faserbüschel  sich 
wieder  aus  zwei  Büscheln  von  verschiedener  Farbe  zusammensetzt  und 
nun  dadurch,  dass  man  bald  die  eine,  bald  die  andere  Farbe  an  die  Ober- 
seite bringt,  Variationen  in  der  Färbung  des  Geflechts  erzeugt  werden. 
Aber  die  hierdurch  entstehenden  Muster  werden  rein  willkürlich  hervor- 
gerufen, sind  also  als  solche  nicht  Geflechtmuster  im  eigentlichen  Sinne, 
d.  h.  solche  Muster,  die  mehr  oder  weniger  unwillkürlich  aus  der  Technik 
des  Flechtens  von  selbst  entstehen,  wie  es  bei  den  Geflechten  unserer 
ersten  Geflechtsart  der  Fall  ist. 


Fii>r.  5. 


Fig.  6. 


Korb  der  Bakairi.    Im  Berl.  Mus.  Vß.  2411. 
y4  nat.  Gr. 


Ebensowenig  ist  die  letzte  Hauptgruppe  danach  angetan,  Geflecht- 
muster  hervorzubringen.  Zu  derselben  zählen  wir  diejenigen  Geflechte, 
wo  zwei  Gruppen  von  Geflechtsstreifen,  die  in  verschiedener  Richtung 
übereinander  gelegt  sind,  von  einer  dritten,  wieder  in  anderer  Richtung 
verlaufenden  Streifengruppe  durchflochten  werden  (Fig.  5  und  G). 

Die  wenigen,  von  diesen  drei  Hauptarten  abweichenden  Geflechts- 
arten kann  ich  hier  nur  kurz  berühren.  Abgesehen  von  der  ganz  aus 
der  Reihe  südamerikanischer  Geflechte,  wenigstens  der  der  noch  lebenden 
Stämme,  fallenden  Flechtart  der  Feuerländer,  die  ihresgleichen  in  Nord- 
amerika wiederfindet,  kommen  einige  Besonderheiten  in  den  Guyanas  und 
den  angrenzenden  Gebieten  vor.  So  gibt  die  Fig.  7  eine  dort  verbreitete 
Geflechtsart  wieder,  in  der  vor  allem  die  langen  Mandiokapressen,  jedoch 
auch  Körbe  angefertigt  sind.  Ebenso  weisen  die  im  übrigen  ihrem  Wesen 
nach  unserer  ersten  Hauptgruppe  nahestehenden  Guyanakörbe  mit  ihrer 
so  reichhaltigen  Musterung  eine  Besonderheit  im  Ausgangspunkte  des  Ge- 
flechts und  damit  auch  im  ganzen  Geflechte  des  Korbbodens  auf.  Aus 
dem  Schinguquellgebiet  konnte  ich  von  den  Bakairi    einen  wenigstens    in 


—    495    — 

Bezug  auf  die  Flechtweise  ganz  ähnlichen  Korb  mitbringen  und  werde  bei 
anderer  Gelegenheit  demnächst  auf  diese  Besonderheit  ausführlicher  zu- 
rückkommen. Aber  schon  an  dieser  Stelle  möchte  ich  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  die  rein  auf  der  Technik  beruhende  besondere  Musterung 
in  der  Mitte  dieses  Korbbodens  von  den  Bakairi  in  ganz  ähnlicher  Weise 
rein  ornamental  auf  ihren  geflochtenen  Kopfreifen  verwandt  worden  ist, 
wie  es  auf  den  Guyanakörben  neben  seiner  rein  technischen  Entstehung 
in  der  Mitte  des  Bodens  an  der  Korbseite  in  rein  ornamentaler  Eigenschaft 
wiederkehrt  und  auf  einem  Korbe  den  Kopf  einer  menschlichen  Figur 
herstellen  muss. 

Wie  schon  im  Vorigen  gesagt,  kommt  bei  der  hier  in  Frage  stehenden 
Behandlung  der  Entstehung-  von  Südamerikanischen  Geflechtmustern  aus 
der  Technik  des  Flechtens  nur  die  von  uns  als  erste  Hauptart  aufgestellte 
Gruppe  von  Geflechten  in  Betracht. 

Da,  wie  wir  noch  im  weiteren  nachzuweisen  suchen  werden,  diese  Art 
von  Geflechten  ihren  Ausgangspunkt  offenbar  von  dem  als  Ganzen  ver- 
arbeiteten Palmblatte  herleitet  und  im  engsten  Zusammenhange  mit  dem 
letzteren  steht,  so  ist  es  bei  der  Behandlung  dieser  Art  von  Flechtung 
und  der  durch  dieselben  erwirkten  Geflechtmuster  der  grösste  Fehler,  die 
einzelnen  Teile  des  betreffenden  geflochtenen  Gegenstandes  oder  einzelne 
Teile  der  Musterung  aus  ihrem  Zusammenhange  herauszureissen.  Bin 
Loslösen  einzelner,  uns  am  meisten  in  die  Augen  fallender  Figuren  aus 
dem  Geflechtmuster,  wird  niemals  zu  einem  Kesultate  führen  bei  der  Er- 
forschung des  Wesens  und  des  ersten  Entstehens  dieser  bestimmten 
Figuren. 

Wenn  wir  bei  den  hier  in  Frage  stehenden  Geflechten  eine  in  senk- 
rechter Richtung  verlaufende  Streifimg  mit  einer  in  wagerechter  Richtung 
verlaufenden  abwechseln  sehen,  wenn  das  Geflecht  mit  einer  Reihe  von 
Gruppen  konzentrischer  Quadrate  versehen  ist,  deren  Mitte  ein  Kreuz,  ein 
Punkt  oder  ein  ausgefülltes  Viereck  ausmacht  (vgl.  Fig.  40  und  26),  wenn 
endlich  ein  Mäander  an  der  Korbseite  entlang  läuft,  so  scheint  bei  der  ersten 
Betrachtung  diese  Musterung  durch  ein  kompliziertes  Verändern  der  Zahl 
der  übersprungenen  Geflechtsstreifen  hervorgerufen  zu  sein.  An  den  Ecken 
der  Rauten  oder  der  Mäander  (vgl.  Fig.  35  und  36)  sehen  wir  z.  B.  die  regel- 
mässige Zahl  3  der  übersprungenen  Streifen  mit  den  Zahlen  1  resp.  5 
abwechseln.  Nur  durch  ein  für  die  geistige  Entwicklung  der  in  Frage 
stehenden  Naturvölker  viel  zu  kompliziertes  Zählsystem  wäre  so  die  Ent- 
stehung der  genannten  Muster  in  ihrer  genau  fixierten  geometrischen  An- 
ordnung möglich. 

Aber  eine  lletrachtungsweise  dieser  Geflecht>iiguren  im  Zusammen- 
hange mit  den  ganzen  Geflechten,  mit  Rücksichtnahme  darauf,  dass  bei 
einem  bestimmten  Anfange  der  Flechtung  mit  dem  weiteren  Verlauf  der 
Geflechtsstreifen  als  etwas  gegebenem  zu  rechnen  ist,  wird  es  leicht  klar 
machen,  dass  diese  Figuren  nicht  durch  Abzählen  der  Geflechtsmaschen 
nach  einer  bestimmten  Vorlage  gebildet  werden,  sondern  aus  der  Anlage 
des  Geflechts  von  selbst  entstehen    und  dass  diese  Figuren  sich  in  Wirk- 


—     496     — 

liclikeit  aus  ganz  anderen  Bestandteilen  zusammensetzen,  als  es  bei  erster 
Betrachtung  den  Anschein  hat  (vgl.  Fig.  35  und  36). 

Die  Gebundenheit  des  Verlaufs  der  einzelnen  Geflechtsstreifen  ist  in 
Wirk  liclikeit  dadurch  gegeben,  dass  zunächst  bei  den  unentwickelteren 
Formen  dieser  Geflechtsart  diese  Streifen  von  vornherein  nicht  unabhängig 
voneinander  sind,  sondern  gebildet  werden  durch  die  einzelnen  Blattfiedern 
eines  gefiederten,  resp.  eines  Fächerpalmblattes. 

Dass  Mason,  der  gerade  jetzt  eine  neue  umfassende  Bearbeitung- 
amerikanischer  Geflechte  herausgegeben  hat,  diesen  engen  Zusammenhang 
der  in  Frage  stehenden  Geflechtsart  mit  dem  Palmblatte  als  Ganzem  un- 
berücksichtigt gelassen  hat,  erklärt  sich  daraus,  dass  ihm  aus  Südamerika, 
dem  eigentlichen  Herd  dieser  Geflechtsart,  nur  wenig  Material  zur  Ver- 
fügung o-estanden  hat  und  das  wenige  zum  Teil  schon  entwickeltere 
Formen  repräsentiert. 

Auch  da,  wo  nicht  mehr,  wie  bei  den  ursprünglichen  Formen  die 
Geflechtsstreifen  aus  den  noch  mit  der  Blattrippe  in  Verbindung  stehenden 
Blattfiedern  gebildet  werden,  sind  es  doch  zunächst  noch  die  losgelösten 
Blattfiedern,  resp.  Blattstreifen  und  erst  bei  weiterer  Entwicklung  Kohr- 
streifen,  aus  denen  die  hier  in  Frage  stehende  Geflechtsart  hergestellt 
wird1). 

Dafür,  dass  wir  bei  dieser  Geflechtsart,  was  das  Material  betrifft,  vom 
Palmblatte  als  Ganzem  auszugehen  haben,  dessen  einzelne  Fiedern  zu- 
nächst noch  an  der  Blattrippe  oder  dem  Blattstiele  festsitzen,  sprechen 
verschiedene  Gründe. 

1.  Der  Grund,  dass  das  Palmblatt  als  solches  auch  in  unbearbeitetem 
Zustande  dieselben  Funktionen  zu  erfüllen  hat,  wie  das  aus  ihm  her- 
gestellte Geflecht.  Zum  Beispiel  bei  den  in  ihren  sumpfigen  Verstecken 
am  Paraguayfluss  wohnenden  Guato-Indianera,  deren  Verhältnisse  ich  aus 
eigener  Erfahrung  kennen  lernte,  findet  das  grosse  gefiederte  Blatt  der 
Akuripalme  auch  in  unbearbeitetem  Zustande  einmal  bei  der  Herstellung 
des  Nachtlagers,  ferner  beim  Anfachen  des  Feuers  und  drittens  als  Unter- 
lage oder  Umhüllung  für  verschiedene  Gebrauchsgegenstände  Verwendung. 
In  einer  diesen  seinen  Bestimmungen  entsprechenden  Weise  wird  es  drei- 
fach verarbeitet,  einmal  zur  Schlafmatte,  zweitens  zum  Feuerfächer  und 
drittens  zum    Kerbe.     (Fig.  8  und  9). 

2.  Der  Grand,  dass  tatsächlich  überall  da,  wo  es  in  Südamerika  Palm- 
blätter gibt,  diese  als  Ganzes  zu  verschiedenen  Gebrauchsgegenständen 
von  den  Eingeborenen  verflochten  werden  und  zwar  immer  in  der  hier  in 
Präge  stehenden  Geflechtsart. 

3.  Auch  da.  wo  die  Blattfiedern  nicht  mehr  an  der  Blattrippe  oder 
am  Blattstiel  festsitzen,  sondern  schon  von  vornherein  als  lose  Streifen 
miteinander  verflochten  sind,  ist  dennoch  bei  der  ganzen  Anlage  der  Ge- 
flechte iiurli  dieselbe  Anordnung  beibehalten,  wie  sie  durch  den  Zu- 
sammenhang d<  r  Fiedern  mit  der  Blattrippe  resp.  dem  Blattstiele  bedingt 
wäre.     So  in   Pig.  10,  wo  die   Blattfiedern  iiach  derselben  Art,   wie  sie  in 


lj   Vgl.   Mas  on   a.  a.  <>.,  S.  224. 


-     497     — 


Fig»  11  von  der  Rippe  ausgehen,    von    einem  den  oberen   Rand  bildenden 
Zopfgeflechte  ihren  Ausgang  nehmen. 


Fig,  8. 


Fig.  lo. 


Korb  der  Bororo.     Im  Berl.  Mus.  VB.  Ho*. 
V8  nat.  Gr. 


Korb  der  Guatu.     Im  Berl.  Mus    VB.  idtö. 
1/s  nat.  Gr. 


Ei*.  9. 


Feuerfächer  der  Guatö.     Im  Berl.  Mus.  VB.  5014.     '     nat.  Gr. 

4.  Ein  weiterer  wichtiger  Beleg  für  diese  Tatsache  ist  in  dein  Fehlen 
dieser  Geflechtsart  als  Geflechtstypus  in  allen  Teilen  von  Nordamerika  mit 
Ausnahme  des  äussersten  Südens  —  wo  es  eben  noch  Palmen  gibt  —  zu 
suchen.  Wo  doch  sonst  gerade  dieser  Teil  der  Erde  eine  so  übergrosse 
Mannigfaltigkeit  in  verschiedenen  Geflechtsarten   aufzuweisen  hat. 


—     498     - 

5.  Ein  letzter  Grund  endlich  ist  im  Wesen  der  Geflechtsart  selbst  zu 
suchen,  die  sich  mit  ihren  ihr  anhaftenden  Eigentümlichkeiten  und  Vor- 
teilen eben  von  selbst  ergibt,  wenn  wir,  wie  wir  am  besten  bei  Fig.  12 
sehen,  die  Fiedern  eines  Palmblattes  von  der  Blattrippe  aus  in  gleich- 
massigem  Verlaufe,  drei  auf,  drei  unter,  resp.  zwei  auf,  zwei  unter  mitein- 
ander verflechten. 

Fig.  11. 


Korb  der  Bororo.    Im  Berl.  Mus.  VB.  2026.     x/g  nat.  Gr. 
Fig.  12. 


Schlafmatte  der  Guato.    Im  Berl.  Mus.  VB.  4891.     l/18  nat.  Gr. 

Nehmen  wir  hiernach  als  Tatsache  an,  <lass  die  hier  in  Frage 
stehende  Geflechtsart  sich  aus  einer  Verflechtung  des  Palmblattes  als 
Ganzem  entwickelt  hat,  so  ergibt  sich  wiederum  eine  durchgreifende  Zwei- 
teilung, je  nachdem  wir  unseren  Ausgang  vom  gefiederten  Palmblatte,  wie 
z.  I).  dem  Blatte  der  AJniripalme,  oder  vom  Fächerblatte,  wie  z.  B.  dem 
Blatte  der  Buritipalme  nehmen;  eine  Zweiteilung,    die  sich  sowohl  in  der 


—    499    — 

ganzen  Anlage  des  Geflechts,  wie  auch  in  dem  Wesen  der  Musterung  des 
Geflechts  geltend  macht  (Fig.  8  und  14). 

Wenden  wir  uns  nun  zunächst  der  Musterung  der  aus  dem  gefiederten 
Palmblatte  hergestellten  Geflechte  zu,  so  sehen  wir  zum  Beispiel  an  den 
Fig.  8  und  12,  dass  diese  Musterung  in  einer  Streifung  besteht,  die  durch 
die  Reihen  der  in  gleicher  Richtung  verlaufenden  Geflechtsmaschen  her- 
vorgerufen wird,  also  nicht  in  der  Richtung  der  einzelnen  Geflechtsstreifen 
verläuft,  sondern  in  einem  Winkel  von  45°  zu  derselben,  in  den  an- 
geführten Beispielen  also,  wo  die  Geflechtsstreifen  diagonal  verlaufen,  in 
horizontaler  oder  vertikaler  Richtung. 

Bei  den  meisten  der  hierher  gehörigen  Geflechte  läuft  diese  Streifung 
zunächst  parallel  mit  der  Blattrippe,  von  der  die  Geflechtsstreifen  aus- 
gehen, notgedrungen,  denn  bei  gleichmässigem  Übereinanderflechten  der 
nacheinander  von  der  Blattrippe  ausgehenden  Fiedern  kommt  eben  eine 
derartige  Streifung  des  Musters  zustande.  Bei  dem  Korbe  mit  der  Rippe 
an  der  Seite  in  Fig.  8  läuft  das  Geflecht  ohne  Veränderung  in  derselben 
Weise  weiter,  bis  es  in  dein  die  freien  Fiederenden  vereinigenden  Zopfe 
seinen  Abschluss  findet.  Anders  beim  Feuerfächer  in  Fig.  9  und  noch 
klarer  bei  der  grossen  Schlafmatte  in  Fig.  12.  Hier  tritt,  nachdem  das 
Muster  einige  Reihen  lang  in  der  der  Rippe  parallelen  Lage  verlaufen  ist, 
ein  Übergang  aus  dieser  Richtung  in  die  zu  ihr  senkrechte  Richtung  ein. 
Vermittelt  wird  dieser  Übergang  durch  eintl  Unregelmässigkeit  im  Geflecht, 
bei  welcher  als  Zahlen  der  jeweilig  übersprungenen  Geflechtsstreifen  die 
Zahlen  1,  2  und  5  neben  der  regelmässigen  3  auftreten.  Aber  schon  hier 
ist  leicht  zu  ersehen,  dsss  dieser  Übergang  im  Muster  nicht  durch  Ab- 
zählen und  Verändern  der  einzelnen  Maschen  willkürlich  hervorgerufen 
ist,  sondern  einen  rein  praktischen  Grund  hat.  Wie  man  bei  Beginn  der 
Matte  gleichmässig  an  der  Rippe  entlang  die  Streifen  3  auf,  3  nieder  mit- 
einander verflocht,  so  lässt  man  im  weiteren  Verlaufe,  um  rechts  und  links 
einen  geraden  Geflechtsrand  zu  bekommen,  das  Geflecht  vom  Seitenrande 
aus  gleichmässig  fortgehen.  Dadurch,  dass  wir,  wie  vorher  von  der  Rippe 
aus,  so  jetzt  vom  Rande  aus  3  auf,  3  nieder  weiterflechten,  entsteht  der 
Wechsel  der  wagerechten  Streifung  des  Musters  in  die  hierzu  senkrechte 
Streifung,  entsteht  an  der  Übergangsstelle  das  Auftreten  der  Zahlen  1 
und  5  als  Zahlen  der  übersprungenen  Geflechtsstreifen. 

Aus  demselben  Grunde  und  auf  dieselbe  Weise  geht  das  Geflecht- 
muster vor  dem  unteren  'Rande  wieder  in  die  wagerechf  verlaufende 
Richtung  des  die  Matte  unten  abschliessenden  Zopfgeflechtes  über. 

Der  durch  diesen  rein  praktischen  Gesichtspunkt  gegebene  Übergang 
der  wagerechten  Streifung  in  die  hierzu  senkrecht  stehende  Richtung  und 
umgekehrt  wird  hernach,  wo  er  einmal  vorhanden  ist  und  wo  die  dadurch 
entstandene  Musterung  dem  Verfertiger  zum  Bewusstsein  gekommen  ist, 
auch  da  angewendet,  wo  er  nicht  technisches  Erfordernis  ist  und  bekommt 
somit  in  diesen    Fällen   rein   ornamentalen   Charakter. 

Ich  gehe  in  folgendem  zunächst  auf  diejenigen  Geflechte  über,  welche 
aus  den  Blättern  der  Fächerpalme  hergestellf  sind  oder  sich  ihrem  ganzen 
Wesen    nach    diesen    anschliessen,    um    dann    nachher    wieder    auf  einige 


—     500     — 

Besonderheiten  der  aus  den  gefiederten  Palmblätteru  gebildeten  Geflechte 
zurückzukommen. 

In  Fig.  13  und  14    haben    wir    zwei  Körbe    der  Bakairi,    die    aus  je 
zwei  Buritiblättern    als  Ganzem    °-eflochten    sind   und  von  denen  der  eine 


Fi«?.  13. 


Fi£.  14. 


Korb  der  Nahukua.  Im  Berl.  Mus.  Vß.  4392. 

7,.  nat.  Gr. 

die  durch  die  Reihen  der  in  gleicher 
Richtung  verlaufenden  Geflechts- 
maschen gebildete  Streifung  in  verti- 
koler und  der  andere  dieselbe  in 
horizontaler  Richtung  aufweist. 

Während  bei  den  im  vorigen  be- 
handelten, aus  dem  gefiederten  Palm- 
blatte abgeleiteten  Geflechten  beide 
Gruppen  von  Geflechtsstreifen  von 
der  einen  Blattrippe  als  gemeinsamer 
Basis  ausgingen,  gehen  bei  dieser 
aus  den  Blättern  der  Fächerpalme 
hergestellten  Geflechten  die  beiden 
Gruppen  der  Geflechtsstreifen  von  je 
einem  gemeinsamen  Blattstiele  aus. 
Auf  eben  dieselbe  Weise  ist  aus  zwei 
solchen  Buritipalnablättern  dadurch, 
dnss  die  Streifen  dos  einen  Blattes 
drei  auf,  drei  nieder  mit  den  Streifen 
des  anderen   Blattes   verflochten   sind. 


Korb  der  Bakairi.    Im  Berl.  Mus.  VB. 
Vb  nat.  Gr. 

Fig.  15. 


2407. 


Korbschale  der  Nahukua.     Im  Berl» 
Vli.   Il:;7.     7.  nat.  Gr 


Mus. 


die   flache   Korbseliule   in    Kit;'.   15  gebildet. 


—     501     — 

Das  Wesentlichste  zum  Verständnis  der  Entstehung  dieser  Art 
Geflechte  und  damit  zum  Verständnis  der  sich  bei  ihnen  findenden 
(iehVchtmuster  ist  der  Punkt,  dass  bei  der  Verflechtung  der  beiden  von 
zwei  verschiedenen  Punkten  ausgehenden  Gruppen  von  Geflechtsstreifen 
schon  in  der  ersten  Anlage  ein  Viereck  entsteht,  und  dass  hier  bei  diesem 
Viereck  die  Reihen  der  in  gleicher  Richtung  verlaufenden  Geflechts- 
maschen, also  die  Streifung  des  Musters  [rieht  mir  einem  der  Ränder  des 
Geflechts  parallel  laufen  wie  bei  den  vorigen  Geflechten,  sondern  in  der 
Richtung  der  einen  oder  der  anderen  Diagonale.  Wie  im  Vorigen  bei 
den  vom  gefiederten  Palmblatte  abgeleiteten  Geflechten,  ><»  besteht  auch 
hier  der  einzige  Wechsel  im  Geflecht  und  in  der  Musterung  in  'lern  Über- 
gang   der    in    der    einen    Richtung    verlaufenden    Streifung   in    die   hierzu 


Fi»-.  Hi 


Piff.  17. 


Sieb  aus  Brit.  Guyana.     Im  Beil.  Mus. 
VA.  228.     ' .,,  nah  Gr. 


Korbschale  der  Tucano.     Im  Berl.  Mus. 
VA,  2890.     V„  nat.  Gr. 


senkrecht  stehende  Richtung,  also  in  dem  Übergang  der  in  der  Richtung 
der  einen  Diagonale  verlaufenden  Streifung  in  die  in  der  Richtung  der 
anderen  Diagonale  verlaufende  Streifung. 

Da  nun  der  weitere  Hergang  des  ursprünglichen  durch  Verflechtung 
einer  gewissen  Anzahl  von  Geflechtsstreifen  gebildeten  Vierecks  nur  der 
sein  kann,  dass  man  durch  Verflechtung  neuer  Geflechtstreifen  mir  den 
frei  auslaufenden  Streifenenden  immer  neue  solcher  Vierecke  an  das 
ursprüngliche  heran  flicht,  so  ergibt  sich  von  selbst,  dass  auch  die 
Musterung  dieser  Art  von  Geflechten  nur  in  einer  Kombination  solcher 
Vierecke  bestehen  kann,  von  denen  die  einen  die  Streifung  in  der  Richtung 
der  einen  Diagonale,  die  anderen  eine  solche  in  der  Richtung  der  anderen 
Diagonale  aufweisen. 

Da  hiernach  bei  den  im  folgenden  abzuleitenden  Geflechtmustern  das 
in  diagonaler  Richtung  gestreifte  Viereck  die  einzige  Einheil  des  Geflechts- 


—     502     — 

ganzen  ausmacht,  so  wollen  wir  es  im  folgenden  kurz  als  das  „Geflechts- 
viereck" bezeichnen. 

Am  besten  sehen  wir  an  dem  in  Fig.  16  widergegebenen  Siebe,  wie 
sich  die  ganze  Musterung  nur  aus  einer  Kombination  von  12  solcher  in 
diagonaler  Richtung  gestreifter  Geflechtsvierecke  zusammensetzt.  Es 
wechselt  sowohl  von  unten  nach  oben,  wie  von  links  nach  rechts  gezählt, 
immer  ein  in  der  einen  Richtung  gestreiftes  Yiereck  mit  einem  in  der 
anderen  Richtung  gestreiften  ab. 

Während  der  flache  Korb  in  Fig.  17  nur  aus  einem  einzigen 
Geflechtsviereck  besteht  und  infolgedessen  nur  einfache  diagonale  Streifung 
im  Muster  aufweist,  bestehen  die  Körbe  in  Fig.  18  und  19  aus  je  vier 
solchen  Geflechtsvierecken,  die  beim  Flechten  offenbar  nacheinander 
entstanden  sind.  Nur  durch  die  verschiedene  Lage  der  Vierecke  zu 
einander  entstehen  die  beiden  ganz  verschiedenen  Muster,    welche    wir  in 


Fiff.  18. 


Fi  sr.  19. 


Korbschale  der  Tukano.     Im  Berl.  Mus. 
YB.  4054  c.     Vn  nat.  Gr. 


Korbschale  aus  Surinam.    Im  Berl.  Mus. 
YA.  11198.     Ve  nat.  Gr. 


dem  in  Fig.  16  gegebenen  Siebe  miteinander  kombiniert  finden,  und  die 
einen  Hauptfaktor  in  der  ganzen  Ornamentik  Südamerikas  ausmachen. 
Während  die  Streifen  der  Geflechtsvierecke  in  dem  viereckigen  Korbe 
Fig.  19  eine  Gruppe  mehrerer  konzentrisch  umeinander  herumlaufender 
Quadrate  bilden,  in  deren  Mitte  sich  ein  kleines  Kreuz  befindet,  besteht 
die  Musterung  in  Fig.  18  aus  vier  Gruppen  ineinander  liegender  rechter 
Winkel,  deren  Spitzen  einander  zugekehrt  sind. 

Das  Muster  der  flachen  Korbschale  der  Bakairi  in  Fig.  20  besteht  nur 
in  einer  Wiederholung  der  in  Fig.  19  gegebenen  Musterung,  nur  dass  die 
einzelnen  Geflechtsvierecke  aus  viel  weniger  Gefiechtsstreifen  bestehen, 
als  es  dort  der  Fall  ist. 

Ganz  dieselbe  Kombination  haben  wir  bei  den  Korbböden  in  Fig.  21 
und  22,  sowie  an  den  Seitenwänden  der  in  Fig.  23-25  wiedergegebenen 
Körbe.    Bei  dem  Korb«  in    Fig.  25  Beben  wir  neben  den  schon  erwähnten 


—    503    — 

Mustern  als  neue  Erscheinungsform  der  Kombination  der  Geflechtsvierecke 
die  in  Zickzacklinien  bestehende  Musterung-  hervortreten,  welche  der 
Musterung  der  in  einer  Reihe  liegenden  Geflechtsvierecke  in  Fig.  16 
entspricht. 

Besonders  wichtig  für  die  Ornamentik    ist    der  Mittelpunkt    der  nach 
dem  vorigen    aus    der  Kombination    der  beiden    verschiedenen  Arten    von 


Fig.  20. 


Fig.  21. 


Korbschale  der  Bakairi.     Im  Berl.  Mus. 
YB.  4320.     7,  nat.  Gr. 

Fi?.  22. 


Korb  der  Ipurina,  von  unten  ges. 
Im  Berl.  Mus.  YB.  3798  d.    1/5  nat.  Gr. 


Geflechtsvierecken  entstandenen  kon- 
zentrischen Quadrate.  Nach  mathe- 
matischer Notwendigkeit  kann  dieser 
Mittelpunkt  bei  dem  am  häufigsten 
vorkommenden  dreimaschigen  Ge- 
flecht dreierlei  verschiedener  Art  sein, 
je  nach  der  Zahl  der  Geflechtsstreifen, 
aus  denen  das  Geflechtsviereck  ge- 
bildet ist  (vgl.  Fig.  26).  Alle  drei 
Arten  sehen  wir  auf  dvn  im  vorigen 
besprochenen  Geflechten  mit  «lein  in 
Frage  stehenden  Muster  bunt  durch- 
einander (vgl.  Fig.  40).  Bas  eine  Mal 
bildet  den  .Mittelpunkt  des  innersten 
der  Quadrate  ein  einzelner  Punkt,  das 
andere  Mal  ein  Kreuz  und  das  dritte 
Mal  endlich  ein  kleines,  ausgefülltes 
Viereck.  Wie  im  vorigen,  so  entstehen 
auch  die  hier  auftretenden  Zahlen  1  und  .">  als  Zahlen  der  von  den  Geflechts- 
streifen der  einen  Gruppe  übersprungenen  Streifen  der  anderen  Gruppe 
nicht  willkürlich  durch  Abzählen  der  Maschen,  sondern  unwillkürlich  durch 
die  Art  und  Weise,  wie  hier  die  Ecken  der  jeweiligen  Geflechtsvierecke 
zusammenstosseu. 


Korb  der  Ipurina,  von  unten  ges. 
Im  Berl.  Mus.  YB.  3898e.     »/8  nat.  Gr 


—     504 


Dafür,  dass  das  wichtigste  der  hier  in  Frage  stehenden  Geflechtmuster, 
das  in  einer  ganz  bestimmten  symmetrischen  Anordnung  von  Gruppen 
konzentrischer  Quadrate  besteht,  rein  aus  der  Geflechtstechnik  als  solches 
entstanden  ist  und  erst  später,  nachdem  es  als  reines  Geflechtsmuster  in 
die  Erscheinung  getreten  war,  seinen  ornamentalen  Charakter  angenommen 


Fisr.  23. 


Fisr.  25. 


Korb  aus  dem  Schingii-Quellgebiet. 
Im  Berl.  Mus.  YB.  4(147.     77  uat.  Gr. 


Korb  der  Kaingua.     Im  Berl.  Mus. 
VC.  3574.     V3  uat.  Gr. 


Fig.  24. 


Korb  aus  Brit.  Guyana.     Im  Berl.  Mus.  VA.  100.     1/ll  nat.  Gr. 

hat,  geben  den  besten  Beweis  die  weit  über  Südamerika  verbreiteten 
Feuerfächer  von  diesem  Geflechtstypus  (vgl.  Fig.  29 — 32). 

In  Fig.  27  und  28  haben  wir  die  genaue  Entstehung  des  in  Fig.  29 
gegebenen  Feuerfächers  wiedergegeben  durch  ein  genau  mit  dem  Original 
übereinstimmendes  Schema  von  dem  Verlaufe  der  Geflechtsstreifen  in  den 
verschiedenen  Entwicklungsstadien  des  Gegenstandes. 

Zunächst  in  Fig.  27  haben  wir  das  durch  Kreuzung  zweier  Gruppen 
von  Geflechtsstreifen    nach    dem  Prinzip  drei  auf,  drei  nieder  mit  mathe- 


—     506     — 

matischer  Notwendigkeit  entstellende  ( lettechtsviereck.  Das  Muster  dieses 
auf  der  Spitze  stellenden  Vierecks  besteht  in  einer  hier  in  senkrechter 
Richtung  verlaufenden  Streifung. 

In  der  weiteren  Figur  sehen  wir  sich  den  Fächer  vervollständigen. 
Es  treten  zunächst,  wie  die  linke  Hälfte  zeigt,  durch  Umbiegen  und 
Zurückflechten  der  unten  frei  austretenden  Fiederenden  zwei  Geflechts- 
dreiecke  zu  dein  ursprünglichen  (Jeflechtsviereck  hinzu,  das  im  Einklang 
mit  dem  früher  bei  der  Musterung  der  Guatömatte  (vgl.  Fig.  Fi)  erwähnten, 


Fi*.  26. 


Fig.  28. 


dadurch,  dass  das  Geflecht  vom  Rande  aus  gleichmässig  geflochten  ist, 
als  Musterung  eine  parallel  mit  dem  unteren  Rande,  also  in  wagerechter 
Richtung  verlaufende  Streifung  aufweist. 

Auf  dieselbe  Weise  treten  dann,  wie  die  rechte  Seite  des  Schemas 
zeigt,  durch  abermaliges  Zurückflechten  der  freien  Streifen  die  seitlichen 
in  senkrechter  und  die  oberen  wieder  in  wagerechter  Richtung  verlaufenden 
Geflechtsdreiecke  hinzu,  um  den  Feuerfächer  in  seiner  Form  und  mit 
seinem  aus  zwei  nebeneinander  liegenden  Gruppen  konzentrischer  Quadrate 
bestehenden   .Muster  zu  vollenden. 

Ganz  auf  derselben  Grundlage  beruht  die  Musterung  in  Fig.  31  und  ;>•_'. 
Der  dreieckige  Feuerfächer  der  Bakairi  in  Fig.  31  entspricht  genau  dem 
vorigen  in  dein  auf  der  linken  Seite  A^v  Fig.  28  zum  Ausdruck  gebrachten 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jädtr.  1904.    Heft  :'.  u.  i.  33 


—     50(J     — 

Entwicklungsstadium.  Anstatt  dass  wie  vorher  noch  die  weiteren  Drei- 
ecke zur  Vervollständigung  herangeflochten  wären,  ist  hier  eine  vorzeitige 
Befestigung  der  freien  Fiederenden  an  den  seitlichen  Rändern  eingetreten. 
Die  Musterung  entspricht  somit  —  die  willkürlich  eingefügten  schwarzen 
Streifen  müssen  natürlich  ausser  Betracht  gelassen  werden  —  genau  der- 
jenigen des  vorigen  Fächers  in  dem  angegebenen  Entwicklungsstadium. 
Da  bei  Fig.  3'i  die  Streifung  des  ursprünglichen,  auch  hier  in  der 
Mitte    liegenden    (Jeflechtsviereckes    nicht    wie    im    vorigen    in  vertikaler, 

Fi«?.  29. 


Feuerfächer  der  Bakairi.     Im  Beil.  Mus   XB.  2437  a.     7g  nat-  Gr. 

Fi£.  30. 


Feuerfächer  der  Bakairi.     Tm  Beil    Mus.  YI>.  2437b.     l/e  nat-  Gr.    ' 

sondern  in  horizontaler  Richtung  verläuft,  so  tritt  bei  dem  Hinzutreten 
der  beiden  unteren  ebenfalls  wie  im  vorigen  horizontal  gestreiften  (<e- 
flechtsdreiecke  kein  Wechsel  im  .Muster  ein,  während  die  vom  seitlichen 
Blande  ausgehenden  beiden  Geflechtsdreiecke  durch  ihre  vertikale  Streifung 

wie   vorher   einen    solchen    Wechsel    hervorrufen. 

Nachdem  wir  im  Vorigen  zur  Durchführung  gebracht  haben,  dass  die 
ganze  Anlage  der  in  Präge  stehenden  Geflechte  und  damit  auch  ihre 
hiermit    im    engsten  Zusammenhang    stehende  Musterung    eine   ganz    ver- 


—     507     — 

schiedene  ist,   je    nachdem    die  beiden  Gruppen    der  Geflechtstreifen    von 
ein  und  derselben   Basis  ausgeben,    wie    es  beim  verflochtenen  '_:«'fiederten 

Fi*.  31. 


Fi« 


Feuerfächer  der  Bakaiii.     Im  Beil.  Mus.  YB.  2439.     l/6  nat.  Gr. 

Palmblatte  der  Fall  ist,  oder  die  von  einem  getrennten  Ausgangspunkte 
ausgehenden  Streifen  der  einen  Gruppe  durch  die  Streifen  der  ihrerseits 
von  einem  andern  Ausgangspunkt 
auslaufenden  zweiten  Gruppe 
durchflochten  werden,  wie  es 
z.  B.  bei  den  aus  zwei  Fächer- 
palmblättern hergestellten  Ge- 
flechten der  Fall  ist,  bleiben 
jetzt  noch  die  Fälle  zu  be- 
sprechen, in  denen  sieh  Ober- 
gänge von  der  einen  Art  in  die 
andere  rinden,  die  durch  ganz  be- 
sondere Momente  hervorgerufen 
werden. 

Bei  der  viereckigen  Indien 
Korbform  haben  wir  Fälle  kennen 
gelernt,  bei  denen  die  Geflecht- 
streifen von  der  den  oberen  Rand 
des  Korbes  bildenden  Blattrippe, 
oder  in  einer  diesem  ent- 
sprechenden Weise  ihren  Aus- 
gang nahmen.  Die  Befestigung 
lag  dann  im  Boden  des  Korbes  und 
die  Musterung  war  eine  parallel 
zu  der  Blattrippe  oder  senkrecht 


Feuerfächer  der  Ipurinä.     Im  Berl.  Mus. 
Vis.  3802c.    '/'    nat.  Gr. 


zu  dieser  Richtung  verlaufende  Streifung.  Andererseits  haben  wir(Fig.21 
ähnliche   Körbe  kennen  gelernt,    bei  denen  zunächst  nach  Art  der  flachen 


508 


Fi- 


Korbschalen  (wie  Fig.  15 — 20)  'ein  viereckiger  Boden  geflochten  wird,  und 
bei  denen  dann  noch  im  Gegensatz  zum  vorherigen  die  Befestigung  der  frei 
auslaufenden  Streifenenden  sich  notwendig  am  oberen  Rande  befinden  muss. 
Einfach  liegt  die  Sache  dann,  wenn,  wie  in  Fig.  "23  —  25,  die  vier  Seitenwände 
des  Korbes  dadurch  gebildet  werden,  dass  die  frei  nach  allen  vier  Richtungen 
auslaufenden  Enden  der  das  Geflecht  des  Bodens  bildenden  Streifen  ein- 
fach nach  oben  umgebogen  werden  und  dann  durch  einen  in  einer  Spiral- 
linie in  horizontaler  Richtung  fortlaufenden  Geflechtsstreifen  durchflochten 
werden.  Die  Geflechtsstreifen  der  Seitenwände  verlaufen  demnach  vertikal 
und  horizontal,  die  durch  die  Reihen  der  in  gleicher  Richtung  verlaufenden 
Geflechtsmasohen  gebildete  Streif ung  des  Musters  also  in  der  Richtung  der 
beiden  Diagonalen.     Die  Musterung  der  Seitenwände  entspricht  hier  genau 

derjenigen  des  Bodens  uud  beruht  in  einer 
Weiterbildung  der  letzteren  durch  Anfügen 
weiterer  in  diagonaler  Richtung  gestreifter 
Geflechtsvierecke. 

Nicht  so  einfach  liegt  es  bei  den  Körben 
in  Fig.  21,  22  und  33,  bei  denen  die  Ge- 
flechtsstreifen der  Seitenwände  in  diagonaler 
Richtung  laufen,  also  die  Streif  ung  des 
Musters  in  vertikaler  resp.  horizontaler 
Richtung  verläuft.  Hier  kann  die  Ent- 
wicklung des  Geflechts  nur  so  vor  sich 
gehen,  dass  zunächst  eine  viereckige  Fläche 
in  der  gewöhnlichen  Art  durch  Aneinander- 
fügen der  Geflechtsvierecke  hergestellt 
wird,  die  doppelt  so  gross  ist  als  der 
Boden  des  anzufertigenden  Korbes.  Da- 
durch, dass  dann  die  vier  Ecken  dieser 
Fläche  als  Teile  der  Seiten  hochgebogen  werden,  entstellt  als  Boden  ein 
Viereck  mit  horizontaler  und  vertikaler  Streifung  im  Muster.  Durch  Ver- 
flechtung der  freien  Enden  der  als  Teile  der  Seitenwände  nach  oben 
gebogenen  vier  Dreiecke  werden  dann  die  ihrerseits  wieder  die  Form  von 
Dreiecken  zeigenden  Lücken  der  Seitenwände  ausgefüllt.  Ist  dies 
geschehen,  so  hat  sich  auf  einmal  die  Art  der  Weiterflechtung  geändert, 
denn  im  Gegensatz  zu  den  vorherigen  Entwicklungsstadien  dieser  Korh- 
art gehen  jetzt  die  Geflechtstreifen  von  einer  gemeinsamen  Basis  aus, 
genau  so  wie  die  von  der  Blattrippe  des  gefiederten  Palmblattes  ausgehenden 
Fiedern.  Und  im  Einklang  damit  sehen  wir  dann  auch  bei  dem  weiteren 
Verlauf  des  Korbes  dieselbe  Musterung  wie  bei  den  aus  dem  gefiederten 
l'almhlatte  hergestellten  Geflechten  auftreten.  So  geht  in  dem  in  Fiu'.  33 
gegebenen  Sorbe  die  in  vertikaler  Richtung  verlaufende  Streifung  des 
Musters  vor  dem  Abschluss  am  oberen  Rande  in  die  in  horizontaler 
Richtung  verlaufende  Streifung  aber,  genau  so.  wie  es  bei  den  aus  dem 
gefiederten  Palmblatte  hergestellten  Körben  häufig  vor  dem  Abschluss  am 
unteren   Rande  der  Fall  ist. 

Ebenso    haben    wir    umgekehrt    bei    den    Karayä  (vgl.  Fig.  3-1)  Fälle, 


Korb  vom  Ronuro.     Im  Berl.  .Mus. 
VB.  4665.     7,  nat    Gr. 


—    r>o(.>    — 

in    denen  Körbe,    <lie    von   der   am    oberen   Rande  befindlichen  Blattrippe 

aus  geflochten  sind,  doch  in  der  Musterung  sich  der  anderen  Art  von 
Geflechtes  anschliessen.  Dies  kann  in  einer  demVorigen  entsprechenden 
Weis«-  mir  dadurch  bewirkt  Bein,  dass  die  von  der  Rippe  ausgehenden 
Blattfiedem  zunächst  gruppenweise  zu  einzelnen  Dreiecken  verflochten 
sind,  was  ja  nach  oben  gesagtem  die  einzige  Einteilung  der  von  der 
Rippe  ausgehenden  Fiedern  sein  kann.  Die  von  zwei  solchen  benach- 
barten Dreiecken  ausgehenden  Streifenenden  sind  dann  ihrerseits  ihrer 
Lage    nach,     da    ja    jede    der    beiden    (Jruppen    der  Streifenenden   ihren 

Fig.  34. 


Korb  der  Karavä.     Im  Beil.  Mus.  YB.  3885.     '/ä  uat-  *'r- 
Fi?.  35.  Fisr.  36. 


besonderen  Ausgangspunkt  hat,  geeignet,  die  in  diagonaler  Richtung 
gestreiften  Geflechtsvierecke  wie  im  vorigen  zu  erzeugen,  durch  deren 
Kombination  in  Fig.  .*>4  mäanderartige  Muster  entstehen,  wie  sie  sich 
ähnlich  auf  flachen  Körben  im  Rio  Negro-Gebiete  vorfinden. 

Dass  auch  der  .Mäander  wie  er  in  Südamerika  vorkommt,  durch  nichts 
anderes  als  durch  die  besondere  Konstellation  derselben  Geflechtsvierecke 
hervorgeht,  durch  welche  die  übrigen  oben  erklärten  .Muster  entstehen,  lässt 
sich  leicht  aus  dem  Schema  in  Fig.  Ai)  und  36  ersehen.  Liegen,  wie  in  Fig.  :!5. 
die  Reihen  der  miteinander  abwechselnden  beiden  verschiedenen  Geflechts- 
nerecke so  übereinander,  dass  immer  ein  Geflechtsviereck  der  einen  Art 
genau  unter  einem  der  anderen  Art  liegt,  so  entstehen  die  um  einander 
herumliegenden  Quadrate  oder  die  im  vorigen  erwähnten  Gruppen 
ineinander  liegende!  rechter  Winkel.  Die  Fig.  36  zeigt  nun.  wie  die 
genannten   Figuren    schon    allein    dadurch    zu    der   Bildung    des  Mäanders 


—     510 


führen,  dass  die  untere  Reihe  gegen  die  obere  um  etwas  verschoben  ist. 
Also  schon  durch  eine  gewollte  oder  nicht  gewollte  Unregelmässigkeit  im 
Geflechte  musste  dem  Verfertiger  unmittelbar  die  Hakenfigur  des  Mäanders 
als  Muster  in  die  Augen  fallen.  Überall  da,  wo  die  übereinander  liegenden 
Geflechtsvierecke  von  ungleicher  Grösse  sind,  muss  sich  dieselbe  Wirkung 
für  die  Musterung  herausstellen,  wie  bei  der  Verschiebung  der  unteren 
Reihe  unseres  Schemas  gegen  die  obere.  (Vgl.  die  offenbar  unwillkürlich 
entstandene  Mäanderbildung  in  Fig.  37.) 

Pia:.  .">7. 


Tanzärmel  der  Aneto.     Im  Berl.  Mus.  VB.  5276.     '/.,  Bat-  Gr. 
Fig.  38. 

y^/yyyryyyyyyyyyy/y  Eie.  39: 


Wir  müssen  hiernach  also  unbedingt  auch  den  Mäander  ohne  Rück- 
sicht auf  alle  äbrigen  mehr  oder  weniger  weit  hergesuchten  Erklärungs- 
versuche, wenigstens  in  bezug  auf  Südamerika,  den  Geflechtmustern  im 
engeren  Sinne  zuzählen  und  auch  in  ihm  nur  das  Produkt  einer  gewissen 
Konstellation  einer  Anzahl  von  in  diagonaler  Richtung  gestreiften  Ge- 
flechtsi  ierecken  erblicken. 

Passen  wir  zum  Schluss  kurz  zusammen,  so  halten  wir  im  vorher- 
gehenden das  Entstehen  einer  grosseren  Anzahl  von  Ornamenten,  dielilier 
Südamerika  weil  verbreitet  sind,  aus  der  Technik  des  Piechtens  verfolgen 


—     511     — 

können.  Fs  war  einmal  die  abwechselnde  Streifung  in  horizontaler  und 
vertikaler  Richtung  (vgl.  Fig.  38)  typisch  für  die  aus  dem  gefiederten 
Palmblatt  entstandenen  Geflechte  and  andererseits  die  Gruppen  konzen- 
trischer Quadrate  mit  «lein  Punkt,  dem  Kreuz  oder  dem  ausgefüllten  Vier- 
eck in  der  Mitte  (vgl.  Fig.  35,  39,  40  und  26),  die  Gruppen  ineinander 
liegender  rechter  Winkel,  die  mit  den  Spitzen  einander  zugekehrt  sind 
(vgl.  Fig.  35,  linke  Seite),  sowie  endlich  der  Mäander  (Fig  36  und  37). 

Wichtig  ist  diese  Herleitung  der  erwähnten  Ornamente  aus  der 
Technik  des  Flechtens  für  die  Ethnologie  in  mehrfacher  Beziehung. 
Einmal  für  die  wissenschaftliche  Behandlung  des  Wesens  der  Ornamentik 

Fijr.    In 


Tanzürmel  der  Auetö.     Im  Berl    Mus.  VB.  5277.     '/:>  ,Klt-  tir 


Ai'v  südamerikanischen  Indianer,  in  Besonderheit  auch  für  die  Erklärung 
der  Symmetrie  und  der  ganzen  geometrischen  Anordnung  bei  den  nach  dem 
vorigen  als  Geflechtsmuster  bestimmten  Ornamenten,  die  sieh  aber  aus 
der  bestimmten  Anlage  des  Geflechts  als  notwendige  Folge  von  selbst 
ergeben. 

Weiter  ist  die  Beachtung  des  innigen  Zusammenhanges  der  Geflechts- 
muster  mit  der  Technik  des  Geflechts  wichtig  für  die  Erforschung  dieser 
Technik  seihst,  da  wir  nun  umgekehrt  aus  der  schon  hei  oberflächlicher 
Betrachtung  in  die  Augen  fallenden  Musterung  gewisse  Schlüsse  auf  die 
Art  und  Weise,  wie  der  Gegenstand  geflochten  ist  und  auf  den  Ausgangs- 
punkt des  Geflechts  machen  können.  Wichtig  endlich  ist  die  Herleitung 
der  erwähnten  Ornamente  aus  der  Technik  des  Flechtens  für  die  Beant- 
wortung  der  Frage  nach  «lern  Grunde  des  Auftretens  der  gleichen  Ornamente 
an  so  verschiedenen  Teilen  des  südamerikanischen  Kontinente-,  ja  ge- 
wisser /.(»neu  der  ganzen  Erdoberfläche.  Nach  obigem  wäre  überall  da. 
WO  Palmen   wachsen,   und  wo   die  .Menschen   die   Blätter   derselben 


—     512     — 

zu  ihren  Gebrauchsgegenständen  verflechten,  ein  selbständiger 
Ausgangspunkt  für  das  Entstehen  der  genannten  Geflechts- 
inuster  und  der  von  ihr  abgeleiteten  Ornamentik  überhaupt 
gegeben. 

Hr.  K.  von  den  Steinen:  Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  wieder 
einmal  auf  die  ausserordentlich  grosse  Rolle  hinweisen,  die  das  Studium 
der  Geflechte  bei  unseren  ethnologischen  Kollegen  in  Nordamerika  spielt, 
indem  man  einerseits  die  Technik  bei  den  verschiedenartigen  Stämmen 
auf  das  Sorgfältigste  studiert  und  andererseits  dem  Symbolismus  nachgeht, 
d.  h.  der  Deutung  des  den  einzelnen  Mustern  bei  den  verschiedenen 
Stämmen  untergelegten  Bildsinnes;  denn  fast  überall  bedeuten  diese 
Muster  ganz  bestimmte  Dinge.  Das  Buch  des  Altmeisters  der  Korb- 
wissenschaft, Mason,  das  kürzlich  herausgekommen  ist,  zirkuliert  gerade 
bei  Ihnen;  Sie  sehen  aus  der  Dicke  des  Bandes,  wieviel  man  drüben  über 
die  Technik  des  Korbflechtens  zu  sagen  hat.  Mason  hat  übrigens  —  und 
das  möchte  ich  dem  Herrn  Vortragenden  gegenüber  bemerken  —  in 
diesem  Buch  mehrfach  die  Palmgeflechte  der  südamerikanischen  Körbe 
zitiert;  allerdings  geht  er  nirgends  —  und  das  ist  eine  sehr  interessante 
Feststellung  des  Vortragenden  —  auf  die  Urgeschichte  des  Korbes  oder 
seine  Entstehung  aus  dem  natürlichen  Blatt  ein,  insofern  als  das  Palm- 
blatt,  das  gefiederte  oder  gefächerte,  jedenfalls  das  aus  Streifen  bestehende 
Palmblatt  durch  die  Kunst  des  Flechtens  sozusagen  wieder  in  die  proto- 
typische feste  Blattfläche  verwandelt  wird.  Ich  habe  mich  in  der  letzten 
Zeit  mehr  mit  der  weiteren  Entwicklungsgeschichte  und  der  Symbolik  der 
Ornamente  beschäftigt,  deren  natürliche  Entstehung  Hr.  Schmidt  aus- 
einandergesetzt hat.  Ich  werde  demnächst  in  einer  Veröffentlichung 
darüber  darlegen,  dass  in  weit  erheblicherem  Masse,  als  man  geglaubt  hat, 
der  geometrische  Stil  in  Amerika  auf  Textilmuster  zurückgeht,  dass  also 
diese  natürlichen  Elemente  von  Schmidt  die  Entwicklung  der  primitiven 
Kunst  in  Schnitzerei,  in  Malerei  und  Tätowierung  usw.  in  erheblichem 
Grade  bedingen,  vor  allem  für  Südamerika  und  zwar  dort  in  fast  kontinuier- 
licher Weise  über  den  ganzen   Kontinent  hinüber. 


—      ;>13 


Sitzung  vom  18.  Juni  1904. 

Vorsitzender:    Er.  Lissauer,  später  Mr.  Waldeyer. 

(1)  Von  unseren  neu  erwählten  korrespondierenden  Mitgliedern,  den 
Herren  Professoren  Capitan  und  Manouvrier  in  Paris  sind  folgende 
Dankschreiben  eingetroffen : 

Monsieur  le  President. 
J'ai  riionneur  de  vous    accuser    reception   de   la  lettre  pur  laquelle 
vous  m'annoncez  que  la  Societe  d'anthropologie   de  Berlin    nra    nomine 
menibre  correspondant. 

Je  vous  en  adresse  mes  plus  vifs  remerciements  et  vous  prie  de 
vouloir  bien  les  transmettre  ä  la  Societe. 

Veuillez  agreer,  monsieur  le  president,  l'assurance  de  nies  tres  hauta 
sentiments  de  Sympathie  confraternelle. 

Dr.  Capitan, 
.")   Kue  des  Ursulines,  Paris. 

Monsieur  et  tres  honore  President. 

(Test  avec  beaueoup  de  plaisir  que  j'ai  recu  l'avis  de  mon  election 
comme  membre  correspondant  de  la  Societe  d' Anthropologie  de  Berlin. 
et  je  remercie  cordialement  la  Societe  du  grand  honneur  quelle  a  bien 
voulu  me  faire.  J'admire  sincerement  son  activite  scientifique  et  la  haute 
valeur  de  ses  publications  qui  occupent  une  place  si  importante  dans  la 
litterature  anthropologique. 

Je  me  plais  a  considerer  riionneur  attribue  au  secretaire  general 
de  la  Societe  d'Anthropologie  de  Paris  comme  im  nouveau  signe  des 
relations  amicales  qui  existent  entre  nos  deux  anciennes  societes  et 
qu'il  nie  sera  toujours  agreable  de  contribuer  ä  entretenir  dans  la 
mesure  modeste  de  nies  nioyens. 

Agreez,  .Monsieur  et  tres  honore  President,  l'expression  de  mes 
sentiments  respectueux  et  devoues  avec  nies  vifs  remerciements  per- 
sonn eis. 

Dr.  Manouvrier. 

(■_')  Hr.  Professor  Dr.  Paul  AschersoL  hat  am  4.  d.  M.  seineu 
70.  Geburtstag  gefeiert.  Wir  sprechen  dem  hochverdienten  Forscher, 
unserem  langjährigen  Bütgliede,  unsere  herzlichen  Glückwünsche  aus. 

Hr.  Professor  Dr.  Försteniann  beging  am  11.  d.  JA.  sein  sechzigjährigea 
Doktorjubiläum  in  körperlicher  und  geistiger  Frische.     ^  ir  wünschen  dem 


—    544    — 

greisen  Gelehrten  und  geschätzten  Mitarbeiter  au  unserer  Zeitschrift  für 
Ethnologie,  es  möchte  ihm  beschieden  sein,  noch  lange  seine  amerikanistischen 
Studien  mit  gleichem  Erfolge  wie  bisher  fortzusetzen.  — 

(3)  Der  Vorsitzende  begrüsste  mit  warmen  Worten  Hrn.  Schweinfurth, 
der  frisch  gestärkt  aus  Ägypten  zurückgekehrt,  und  Hrn.  Boas,  der  bereits 
zum  Besuch  des  Amerikanistenkongresses  hier  eingetroffen  ist.  — 

(4)  Die  Tagesordnung  für  die  vom  4. — 6.  August  in  Greifswald 
tagende  35.  allgemeine  Versammlung  der  Deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  ist  erschienen.  Leider  wird  durch  Erkrankung  des  örtlichen 
Geschäftsleiters  eine  Änderung  derselben  notwendig  werden.  Auch  das 
Programm  für  den  vom  18.  — 23.  August  in  Stuttgart  stattfindenden  14.  Inter- 
nationalen Amerikanistenkougress  ist  erschienen  und  wird  herumgereicht. 
Der  Vorsitzende  fordert  die  Mitglieder  zu  einer  zahlreichen  Teilnahme  an 
beiden   Versammlungen  auf.  — 

(5)  Am  11.  (1.  M.  unternahm  die  Gesellschaft  eine  Exkursion  nach 
Fürstenberg  i.  Mecklenb.,  um  die  Gedenktafel  für  Schliemann  feier- 
lichst zu  enthüllen  und  an  die  Stadtvertretung  zu  übergeben.  Von  der 
Gesellschaft  nahmen  etwa  '20  Mitglieder  daran  teil.  Von  den  Eingeladenen 
waren  erschienen  der  Bürgermeister  Hr.  Prick,  mehrere  Senatoren  und 
Stadtverordnete,  ausserdem  viele  Bürger  des  Ortes;  ferner  als  Vertreter 
des  Vereins  für  mecklenburgische  Geschichte  und  Altertumskunde  zu 
Schwerin,  der  Vorsitzende  Hr.  Geh.  Archivrat  Dr.  Grotefend  und  Hr. 
Geh.  Regierungsrat  Dr.  Schröder  daselbst.  Der  Vertreter  des  Gross- 
herzoglichen Haupt-Archivs  zu  Neustrelitz,  Hr.  Dr.  v.  Buchwald,  war 
durch  seine  Vertretung  auf  dein  gleichzeitig  tagenden  Fischereiverein  ver- 
hindert  worden,  am  11.  einzutreffen.  Von  Frau  Schliemann  war  auf 
die  Einladung  der  folgende  Brief  vom  31.  Mai  aus  Athen  eingetroffen: 

Tief  gerührt  erhielt  ich  Ihren  Brief  vom  13.  Mai  und  danke  Ihnen 
auf's  wärmste,  an  mich  und  meine  Kinder  gedacht  zu  haben.  Leider  ist 
es  uns  anmöglich,  jetzt  nach  Deutschland  zu  kommen,  wir  werden  aber 
an  jenein  Tage  im  Geiste  bei  Ihnen  sein.  Mein  unvergesslicher  Mann 
hatte  seinen  Stolz  und  seine  Freude  daran,  .Mitglied  Ihrer  Gesellschaft 
zu  sein  und  ist  es  mir  doppelt  wert,  dass  gerade  diese  es  ist,  welche 
daran  gedacht  hat,  ein  Zeichen  der  Erinnerung  dort  anzubringen,  wo 
der  später  so  begeisterte  Gelehrte  so  lange  Jahre  seiner  bescheidenen 
.lugend  zugebracht.  Indem  ich  Ihnen  meinen  wärmsten  Dank  aus- 
spreche, bitte  ich  Sie,  in  meinein  Namen  der  Anthropologischen  Ge- 
sellschaft meine  tiefe   Rührung  auszusprechen.     Mit  bestem  Grusa 

llu-e  ergebene 

Sophie  Schliemann. 
I  nmittelbar  nach  Ankunft  des  Berliner  Zuges  begaben  sieh  die  Teil- 
nehmer unserer  Gesellschaft  zu  dem  Schliemannhause,  welches  von  seinem 
jetzigen  Besitzer,  Hrn.  Ahlgrimm  Pinna  Th.  Hückstedt,  mit  Laub- 
kränzen geschmückt  war.  Eine  zahlreiche  Menge  war  bereits  in  und  vor 
dem  Baase  erschienen,  als  Hr.  Professor  Lissauer  die  folgende  Ansprache 
an  die  Versammlung  richtete: 


Gestatten  Sic  mir  einige  Worte  der  Erinnerung  ans  dem  Leben 
Heinrich  Scjiliemanns,  um  zu  begründen,  weshalb  wir  gerade  dieses 
Haus  für  die  heutige  Ehrung  etwähH  haben  und  weshalb  gerade  unsere 
Anthropologische  Gesellschaft  sich  dazu  fftr  verpflichtet  hielt. 

Sie  wissen  es  ja  alle,  dass  Heinrich  Schliemann  vor  etwa  68  Jahren 
als  14jäjrriger  armer  Knabe  in  dieses  Haus  einzog,   um  hier  das  Geschäft 
zu  erlernen;    hier    hat   er    etwa  f>72  Jahn-  lang  Hering,   Butter,  Schnaps, 
Milch,  Salz,  Kaffee,  Zucker,  Ol  und  Licht  verkauft:  hier  hat  erden  Laden 
gefegt  und  Kartoffeln    für  die  Brennerei  gemahlen.     Sic    werden    bei  dem 
Rundgange  durch  das   Hans   noch  den   Ladentisch    sehen,    an    dem   er  ge- 
standen, «las  Zimmer  und  das  Bett  sehen,  welches  er  spät  des  abends  um 
11   Ihr  aufsuchte    und    schon    morgens    um    5  Uhr   verlassen     musste;    Sic 
werden  den  Keller  sehen,    aus  welchem    er    die    schweren    Pässer  herauf- 
rollen musste  — ,  alles  dies  ist  noch  so  erhalten,  wie  er  es  bei  seinen  Lehr- 
herren   zuerst    bei    lim.   Holtz  und  später    bei    Hrn.  Th.   Hückstädt  ge- 
wöhnt war.     Das  ist  ja  eine  an  und  für  sich  ganz  nützliche  und  amüsante 
Beschäftigung   für  einen  gewöhnlichen  Lehrjungen.         aber  sehr  öde  und 
traurig    für    einen    phantasievollen    Knaben,    wie    Heinrich  Schliemann. 
dessen  Seele  noch  ganz  erfüllt  war  von  den  sagenhaften  Gestalten,  welche 
sein  Vaterhaus    in    Ankershagen    umschwebten.     Da    hatte    er  immer  nur 
daran  gedacht,  wie  er  die  „goldene  Wiege"  ans  dem    nahen  Hünengrabe, 
oder  die    „silberne  Schale"    aus    dem    nahen  Teich    oder    gar  die  reichen 
Schätze    ausgraben   könnte,    welche    der    Raubritter    Henning    Bradenkiel 
dort  kurz  vor  seinem  schrecklichen  Ende  versteckt  haben  sollte;  besonders 
aber  beschäftigte   ihn  ein  Bild  aus  einem  Schulbuch,  welches  das  brennende 
Trpja  und  Aeneas  darstellte,    wie   er  den   greisen  Vater  auf  dem  Rücken 
und  den  Sohn  Ascanius    an    der  Hand    aus    den  Flammen    rettete.  —  Mir 
solchen  Bildern    in    der  Seele  so    prosaische  Geschäfte,    wie  die  oben  ge- 
nannten, verrichten,  musste  wahrlich  eine   grosse  Pein   sein.  —  Da  wurde 
mit  einem  Male  sein    trauriger  Sinn    von    der    öden  Wirklichkeit  in  eine 
höhere  Welt  wieder  abgelenkt.     Als  er  eines  Abends  hier  träumerisch  am 
Ladentisch  stand,  vernahm  er  plötzlich  den  melodischen  Tonfall  von  ^  eisen. 
zwar    in    einer    ihm    unverständlichen    Sprache,    aber    von    so    mächtiger 
Wirkung,  dass  er  gespannt  zuhörte.     Ein  Müllerbursche,  ein  kurz  vor  dem 
Abiturientenexamen  entgleister  Gymnasiast,    der  von  seinen  Studien  nicht 
nur  einen   tiefen  Durst,    sondern   auch  die  Erinnerung  an  den   Homer  ge- 
rettet   hatte,     deklamierte    in    branntweinseliger     Stimmung     laut     gegen 
100  Hexameter   aus    dem    griechischen  Dichter    und    wiederholte   sie    drei 
Mal  gegen  drei  Glas  Schnaps,    welche  Schliemann    aus    eigener  Tasche 
bezahlte.     Das    war    also    die  Sprache  Homers,    der    den   Fall    Trojas   be- 
sungen hatte.     Seine  gegenwärtige  unglückliche    Lage  kam    ihm   voll  zum 
Bewusstsein,   er  fing  bitter  an  zu  weinen,  dass  er  nicht  griechisch  verstand 
und  er  flehte  zu  Gott,  dass  es  ihm  doch  noch  vergönnt  sein   möge,    diese 
Sprache  zu   lernen   und   den   Homer  selbst  lesen   zu    können.   —   Und   diese 
Erschütterung  seines  Gemüts    wurde    entscheidend  für  sein  ganze-  Lehen 
und  Wirken,  denn   Homer  wurde  nun  der   Leitstern  seines  Lehens!  — 

Sie   wissen,   dass   er   in   diesem   Hause    sich    beim    Heben     eines    Passes 


—     516     — 

einen  Schaden  in  der  Brust  zuzog,  dass  er  dadurch  gezwungen  wurde, 
dieses  Geschäft  zu  verlassen,  dass  er  dann  durch  ein  abenteuerliches  Leben, 
durch  Entbehrungen  und  Kummer  sich  immer  wieder  durchrang  und 
schliesslich  durch  seine  hohe  Begabung,  sein  unvergleichliches  Sprach- 
talent und  allerdings  auch  durch  ein  märchenhaftes  Glück  zu  einem  an- 
sehnlichen Reichtum  gelangte.  Niemals  aber  hat  ihn  die  Erinnerung  an 
den  Klans  der  hier  zuerst  gehörten  homerischen  Yerse  verlassen.  In  der 
Zeit  tiefster  Not  gab  sie  seiner  Seele  Mut  und  Hoffnung  aufbessere  Tage; 
in  der  Zeit  des  grössten  materiellen  Wohlstandes  erhob  sie  ihn  in  die 
Welt  seiner  Jugendideale,  in  welcher  Homer  thronte.  Sobald  seine  Ver- 
hältnisse es  gestatteten,  lernte  er  griechisch  und  las  bald  so  emsig  den 
Homer,  dass  er  alle  seine  Gesänge  auswendig  wusste  und  alles,  was  über 
ihn  geschrieben,  genau  kannte,  wie  die  gelehrtesten  Philologen  und 
Archäologen.  Wie  nun  die  Begeisterung  für  den  Dichter  immer  wuchs 
und  ihn  zu  den  berühmten  Ausgrabungen  führte,  welche  der  Wissenschaft 
eine  ganz  neue  Kulturepoche  erschlossen  und  die  ganze  gebildete  Welt  in 
Erstaunen  setzten,  darf  ich  hier  nur  berühren;  es  genüge  zu  wiederholen, 
dass  die  Erinnerung  an  den  Klang  der  homerischen  Yerse,  welche  er  in 
diesem  Hause  vernommen,  sich  wie  ein  roter  Faden  durch  sein  ganzes 
Leben  hindurchzieht  und  dies  ist  der  Grund,  weshalb  wir  seiner  an  dieser 
Stätte  besonders  gedenken. 

Allein  sein  Enthusiasmus  für  den  Homer  und  seine  Sagen  trug  ihm 
bei  den  zünftigen  Gelehrten  in  Deutschland  nur  Spott  und  Verachtung 
ein.  Er  wendete  sich  daher  nach  England,  wo  er  in  dem  damaligen 
Minister  Lord  Gladstone,  einem  der  besten  Kenner  Homers,  einen  gleich- 
gesinnten  Freund  und  Verehrer  fand,  und  flüchtete  seine  unschätzbaren 
Sammlungen  nach  London.  —  Da  trat  Rudolf  Virchow,  der  Begründer 
und  unvergessliche  Leiter  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  in 
sein  Leben  ein.  Virchow  erkannte  alsbald  die  Bedeutung  des  Mannes 
und  die  Klippen,  an  welchen  sein  nur  von  Enthusiasmus  geleitetes  Streben 
scheitern  musste.  Mit  geschickter  und  starker  Hand  lenkte  er  Schlie- 
mann  nach  und  nach  in  das  ruhige  und  sichere  Fahrwasser  exakter 
Forschung  und  gewann  so  den  Mann  und  seine  Sammlungen  der  Wissen- 
schaft und  dem  Vaterlande  wieder.  So  wurde  Schliemann  einer  der 
unseren,  Ehrenbürger  der  Stadt  Berlin  und  Ehrenmitglied  der  Anthro- 
pologischen Gesellschaft.  Daher  fühlen  wir  uns  verpflichtet,  seinem  An- 
denken diese  Granittafel  zu  widmen  als  ein  Zeichen  der  Dankbarkeit 
unserer  Generation  und  als  eine  Mahnung,  ihm  nachzueifern  für  die 
kommenden  Geschlechter. 

Und  nun  bitte  ich  Sie,  Hr.  Ahlgrimm,  die  Tafel  von  der  Hülle  zu 
befreien  und  übergebe  dieselbe  hiermit  im  Namen  der  Anthropologischen 
Gesellschaft  dem  Hrn.  Bürgermeister  als  Vertreter  der  Stadt  zur  Obhut 
für  alle  Zukunft!  — 

Nach  dieser  Feier  machte  die  Gesellschaft  einen  erfrischenden  Spazier- 
gang um  den  Röblinsee  zum  Seeschlösscheu  hin,  der  überall  einen  schönen 
Blick  auf  See  and  Stn.lt  darbot.  Ein  geineinsames  Abendessen  schloss 
die  schöne  Peier. 


—     öl  7     — 

Des  andern  Tages  waren  noch  etwa  10  Mitglieder  unserer  Gesellschaft 
mit  dem  Frühzage  eingetroffen.  Ein  Dampfer  brachte  alle  Teilnehmer 
auf  den  schönen  Stolper  See  nach  Himmelpfort,  den  Ruinen  eines  alten 
Cisterzienserklosters,  wo  IJr.  Oesten  einige  Gruben  hatte  herstellen  lassen. 
um  zu  konstatieren,  ob  unter  der  mittelalterlichen  Kulturschicht  auch  eine 
vorgeschichtliche  nachweisbar  sei.  Das  Resultat  war  zwar  ein  negatives, 
aber  immerhin  wichtig  für  etwa  weitere  Untersuchungen  der  Rethra- 
konimission.  Nach  Besichtigung  der  einfachen  Kirche  und  der  Ruinen 
fuhr  die  Gesellschaft  auf  dem  Dampfer  zurück  durch  einen  Kanal,  der  den 
Röblin-  und  Stolper  See  verbindet,  und  legte  in  der  Nähe  drs  Srhiitzenhau>e> 
an,  wo  schon  frühere  Grabungen  einen  vorgeschichtlichen  Begräbnisplatz  kon- 
statiert hatten,  der  leider  zum  grössten  Teil  zerstört  worden  war.  Doch 
gelang  es  noch  leicht,  an  mehreren  Stellen  intakte  Urnengräber  aufzudecken. 
Es  waren  nur  Einzelgräber.  Die  Urnen  standen  frei  im  Erdreich  und 
waren  samt  den  Beigefässen  oben  mit  Kopfsteinen  zugedeckt,  welche  die 
schlecht  gebrannten  Gefässe  meist  zerdrückt  hatten.  Doch  gelang  es 
Hrn.  Busse,  aus  einer  Grube  ein  schön  geformtes  Beigefäss  ziemlich 
vollständig  herauszuheben.  Von  den  übrigen  sind  nur  Scherben,  zum  teil 
durch  seichte  konzentrische  Bogenlinien  verziert  erhalten.  Beigaben  sind 
nicht  gefunden  worden.  Nach  Beschaffenheit  der  ganzen  Keramik  gehören 
diese  Gräber  dem  Ende  der  Bronzezeit  an. 

Mittlerweile  war  der  späte  Nachmittag  und  die  Zeit  des  gemeinsamen 
Mittagsmahles  herangerückt,  nach  welchem  die  Gesellschaft  wieder  zum 
Bahnhof  sich  begeben  musste,  um  mit  dem  Abendzuge  in  Berlin  ein- 
zutreffen.    Der  ganze  Ausflug  war  von  schönstem  ^Vetter  begünstigt.  — 

(6)    Hr.  S  c  h  wein  fürt  h  legte  eine 

ägyptische  Knallpeitsche  „Fergüle" 

vor  und  knüpfte  daran  folgende  Mitteilung. 

In  Oberägypten,  wo  die  alles  beleckende  Kultur  noch  nicht  den  wirt- 
schaftlichen Umschwung  aller  Dinge  gezeitigt  hat,  der  heute  in  den  nörd- 
lichen Strichen  von  Ägypten  den  Besucher  in  so  hohem  Grade  überrascht, 
haben  sieh  viele  primitive  Gebräuche  und  Einrichtungen  erhalten,  die  für 
den  Ethnographen  eine  reiche  Fundgrube  darbieten.  Ober  das  eigen- 
tümliche aus  ungebrannter  Tonerde  geformte  Hausgerät,  mit  seiner  auch 
sprachgeschichtlich  interessanten  Namengebung,  will  ich  seinerzeit  der 
Gesellschaft  ausführlicher  berichten,  wenn  die  zur  Beschreibung  nut- 
wendigen Zeichnungen  fertiggestellt  sein  werden.  Ich  lege  Ihnen  heute 
vorläufig  die  Photographie  einer  mit  solchem  merkwürdigen  Tonmobiliar 
ausgestatteten  Grabwohnung,  d.  h.  einer  in  alten  Grabstätten  bequem  an- 
gelegten Wohnung  heutiger  Fellahen,  vor.  Das  Gerät  aus  ungebranntem 
Ton  besteht  hauptsächlich  aus  becherförmig  gestalteten  Schlafbänken, 
dann  aus  Speicher-  und  Vorratsschränken,  Truhen  aller  Art.  aus  Tauben- 
und  Hähnerhäusem,  aus  Ofen.  Mühlen  u.  dgl.     • 

Ein  Gegenstand,  den  ich  heute  gleich  in  Substanz  vorzulegen  die 
Ehre  habe,  mit  der  Bestimmung  fär  da-  Völkermuseum,  ist  die  „Fergille". 


—     518     — 

eine  grosse  Peitsche  zum  Knallen,  über  deren  Verwendungsweise  die  bei- 
gegebene Abbildung  Auskunft  gibt. 

Diese  3  m  lange  Knallpeitsche  findet  in  der  Umgegend  von  Theben 
während  der  Sommermonate,  zur  Zeit,  wenn  auf  den  der  Reife  nahen 
Durra-Feldern  die  Spatzenplage  eine  besonders  grosse  ist,  Verwendung, 
zum  Verscheuchen  der  in  heuschreckenähnlichen  Schwärmen  das  Land 
heimsuchenden  Vögel.  Diese  Peitsche  ist  aus  dicken  Bündeln  einer  harten 
Grasart,  der  Eragrostis  cynosuroides  —  auch  ihrerseits  einer  Landplage 
als  Unkraut  —  zusammengedreht  und  läuft  in  einen  Strick  von  braunem 
Dattelbast  aus.  Nur  mit  knapper  Not  umspannt  die  kleine  Hand  des 
Ägypters  den  Griff  dieser  gewaltigen  Peitsche. 


Beim  hin-  und  herschwingen  derselben  wird  ein  Knall  hervorgebracht 
wie  von  einer  stark  geladenen  Flinte.  Ich  bedauere,  hier  das  Experiment 
nicht  vormachen  lassen  zu  können.  Die  Wirkung  ist  eine  geradezu  ver- 
blüff ende. 

I  in  die  Kornmassen  der  weit  über  mannshohen  Durra  (Sorghum) 
von  erhöhtem  Standpunkte  aus  beherrschen  zu  können,  sind  auf  den 
Feldern  (die  auf  den  vorliegenden  Photographien  im  abgeerntetem  Zu- 
Btande  erscheinen)  zahlreiche  Säulen  aus  Tonerde  errichtet,  die  gewöhnlich 
i'Va  l»is  .">  in  Höhe  erreichen  und  vermittels  an  der  Seite  angebrachter 
Stufen  leicht  erklommen  werden  können. 

Die  heutigen  Thebaner  nennen  diese  Tonsäulen  „natura",  von  „ntr", 
„natar",  /.eistreuen,  werfen,  denn  dieselben  dienen  zugleich  auch  zur  er- 
folgreichen Handhabung  der  Schleuder,  vermittels  welcher  die  die  Durra- 


—     519    — 

Felder  bewachendes  Knaben  einen  Hagel  von  Steinen  über  die  gefrässigen 
Vogel  zu  entladen  pflegen. 

Hr.  Grosse  macht  hierzu  die  folgende  Bemerkung: 

In  der  Mark  Brandenburg,  aber  auch  sonst  in  Deutschland.  Schweiz. 
Tirol,  Russland  u.  a.  gibt  es  eine  Keilte  ähnlicher  Peitschen  von  sehr 
primitiver  bis  zu  recht  eleganter  Form.  Fs  gehören  dahin  die  sogenannte 
Fuhrmannspeitsche,  die  Schlittenpeitsche,  die  Alpengeissel.  Das  populärste 
Gerät  dieser  Art  aber  ist  in  der  Mark  dasjenige,  welches  als  .. Flechtet ■■-. 
platt  „Flajter"  bezeichnet,  jenseits  der  Oder  auch  Flechtpeitsche  ge- 
nannt wird. 

Der  Zweck  der  eigenartigen  Konstruktion  ist.  einen  intensiven  Knall 
zu  erzeugen  und  damit  eine  Art  Fernsprache  zu  führen.  Fuhrleute,  wenn 
sie  die  Leinen  aus  der  Hand  gelegt  haben  und  in  gemächlicher  Unter- 
haltung hinter  ihrer  Lastwagenreihe  einherschreiten,  nötigen  von  dorr  aus 
die  Pferde  zu  grösserer  Energie  und  melden  dem  nahenden  Gasthause  ihr 
Kommen  an.  Hirten  geben  so  nach  Übereinkommen  über  weite  Strecken 
hin  einander  Nachricht  und  veranstalten  mit  ihren  Flechtern  auf  freier 
Dorfstrasse  ein  Konzert-  oder  Wettknallen,  das  wohl  ein  Rest  aus  jener 
Zeit  ist,  als  noch  der  Genieindehirt  die  Gemeindeherde  dort  sammelte 
und  entliess. 

Der  typische  Flechter  ist  aus  dünnen  oder  ausgespaltenen  Weiden- 
ruten spiralförmig  gedreht.  Die  Schnur  jedoch  ist  im  Unterschiede  von 
der  Fergille-lVitsche  nicht  unmittelbar  in  der  Fortsetzung  de-  Stiles  an- 
gedreht, sondern  angeknüpft.  Sie  wird  aus  Hanfsträhnen  hergestellt.  Ut 
eben  daumenstark,  von  dort  aber  bei  ca.  3  m  Länge  spitz  zugedreht  und 
am  Ende  mit  einem  Knaller,  „Schmitz'*,  versehen. 

In  kurzen  Bögen  über  Kopf  geschwungen,  gibt  der  Flechter  in 
schneller  Folge  kurze,  hochgestimmte  Knalle;  in  weiten  Bögen  —  auch 
mit  beiden  Händen  —  erst  nach  rechts,  dann  links  und  endlich,  wenn 
das  Gefühl  den  rechtem  Moment  für  gekommen  erachtet,  kräftig  nach 
rechts  unten  geschwungen,  einen  sehr  lauten  tiefgestimmten  Knall. 

Die  Führung  des  Flechters  erfordert  grosse  Geschicklichkeit,  würde 
aber  durch  eine  exponierte  Stellung,  wie  sie  der  Fergille-Führer  bei 
Theben  einnimmt,  ganz  bedeutend  erleichtert.  Zu  ebener  Erde  nötigt  die 
Führung  des  (Tlechtera  zu  ganz  umfassenden,  den  Schwingungen  desselben 
angepassten  Beugungen  und  Windungen  des  Körpers. 

(7)    Hr.   Stornier  spricht,  über 

Steinskulpturen  von  der  Insel  Java.') 

Ich  habe  die  Absicht,  Ihnen  heute  und  in  künftigen  Sitzungen  einen 
Teil  der  Neuerwerbungen  der  Indischen  Sammlungen  des  Kgl.  Museums 
für  Völkerkunde  vorzuführen,  in  erster  Linie  die  Erwerbungen  ans  dem 
Indischen  Archipel.  Auch  auf  diesem  Gebiet  ist  es  uns  im  letzten  Jahr 
gelungen,  einige  Erwerbungen  zu  machen,  auf  die  wir  mit  Freude  hin- 
weisen  können.      Vor  allem   ist.    was  niemand   mehr  erwarten    konnte,    der 


;  rwerbungen  des  Kel.  Museums  für  Völkerkunde. 


—     520     — 

Schatz  unserer  javanischen  Steinskulpturen  um  mehrere  Nummern  ver- 
größert worden,  und  diese  sind  es,  die  ich  Ihnen  heute  mit  einigen  er- 
läuternden Worten  vorführen  möchte.  Es  kann  natürlich  bei  dieser  kurzen 
Vorführung  vor  der  Tagesordnung  nicht  meine  Absicht  sein,  archäologisch 
auf  die  Objekte  näher  einzugehen.  Ich  beschränke  mich  demgemäss  auf 
eine  kurze  Erklärung  des  Vorgestellten. 

Wie  Ihnen  bekannt  sein  wird,  ist  die  Ausfuhr  vou  Steinskulpturen 
nicht  nur  in  Indien  sondern  auch  in  Indonesien  strengstens  untersagt. 
Um  so  mehr  müssen  wir  uns  freuen,  dass  es  uns  möglich  war,  einige 
Skulpturen,  die  bereits  in  Europa  in  Privathänden  waren,  zu  erwerben. 

Fig.  1. 


Zunächst  möchte  ich  Ihre  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Steinblock 
(Fig.  1),  mit  der  in  starkem  Relief  ausgeführten  Figur  eines  Affen,  hin- 
lenken. Der  frühere  Besitzer  v.  Win  ekel  hat  darüber  in  der  Zeitschrift 
für  Muscologie  1883,  Nr.  13,  einen  kurzen  Bericht  veröffentlicht  unter  dem 
Titel:  Ein  javanesischer  Hanuman.  Nach  seiner  Meinung  stellt  die  Figur 
den  aus  dem  vorderindischen  Epos  Rämayana  bekannten  Minister  des 
Affenkönigs  Sugriva  namens  Hanuman  vor.  Darüber  unten  noch  einige 
Worte.  Diesem  Bericht  ist  eine  Abbildung  des  Reliefs  beigefügt.  Danach 
schaut  der  Affe  nach  oben.  Das  ist  aber  sicher  unrichtig,  da  er  dann  nur 
auf  deD  Schwanz  gestützt  in  der  Luft  schweben  würde.  Dreht  man  das 
Relief  dagegen  auf  die  Längsseite,  wie  es  hier  steht,  so  sehen  wir  sofort, 
dass  der  Affe  auf  ganz  natürliche  Weise  auf  den  Knien  ruht.  Was  die 
Herkunft  des  Reliefs  anbetrifft,  so  teilt  v.  Winckel  darüber  folgendes 
mit:    „Es    war    im    Besitze    eines    Mestizen    in   Salatiga1),    der  es  auf  der 


i    Salatiga    liegl    im  Süden    der  Residentschaf):  Semarang   in    Mittel-Java   nördlich 
von  Prambanan. 


—     521     — 


Jagd  gefunden,  und  zwar  mit  der  behaltenen  Seite  nach  unten,  was  die 
treffliche  Konservierung  erklärt.  Es  ist  einen  halben  Meter  lang  und 
breit,  einen  viertel  Meter  dick,  aus  Trachyt."  Diese  Angabe  wird  be- 
stätigt durch  Verbeek,  Oudheden  van  .Java1)  unter  Nr.  lö<;  Salatiga: 
„en  in  het  bezit  van  den  deurwäarder  Coenraad,  een  steen  met  basrelief, 
waarop  een  aap  is  afgebeeld,  hoüdende  in  zijo  voorste  pooten  een  tak 
met  bloeiuen.  de  staart  versierd  met  2  bellen.  Dit  basrelief  is  Bedert 
uitgevoerd  aaar  Europa."  Ob  noch  weitere  Teile  dieses  Reliefs  gefunden 
sind,   ist   mir   nicht   bekannt. 

Zur  Erklärung  der  Darstellung 
bemerke  ich  nun  folgendes:  Ilanuinän 
ist  nach  dem  vorderindischen  Epos 
Rämäyana,  das  sieh  auch  in  Hinter- 
indien und  Indonesien  überall  aus- 
gebreitet hat,  der  Minister  des  Affen- 
königs Sugriva  Als  der  Held  des 
Epos  Räma  auf  der  Suche  nach  der 
ihm  geraubten  Gattin  Sita  in  das 
südliche  Indien  kommt,  verbindet  er 
sich  mit  dem  Affenkönig  und  Hanu- 
inan  zieht  mit  den  Affen  aus,  um  Sita 
zu  suchen,  der  er  dann  eine  Bot- 
schaft Hamas  überbringt.  Ilanuman  ist 
also  eine  der  Hauptfiguren  des  Epos. 
Bei  unserem  Relief  aber  handelt  es 
sich  um  eine  grössere  Darstellung, 
von  der  wir  nur  den  Anfang  mit 
einer  Nebenfigur  besitzen,  während 
die  Hauptpersonen  in  der  Mitte  sassen. 
Danach  ist  die  Erklärung:  Yerbeeks, 
der  sich  nur  ganz  allgemein  aus-  W 
drückt,    die    richtige,    d.  b.   die  Dar-  ^*~~     - -^ 

Stellung  zeigt  einen  Affen  in  kniender 

Stellung,  der  einen  mit  Blättern  und  Früchten  bedeckten  Ast  hält.  Be- 
kleidet ist  er  nur  mit  einem  Gürtel  und  mit  einer  Art  Binde  um  die 
Brust.  Dazu  kommt  ein  Halsschmuck  und  zwei  Schellen  am  Schwanz. 
Auf  dem  Rücken  und  an  den  Beinen  sowie  am  Schwanz  befindet  sich 
stark  hervortretender  verzierender  Schmuck  in  Blätterform.  Der  Schmuck. 
die  (Hocken,  ferner  die  Nägel  an  Händen  und  Füssen,  die  Schwanzspitze, 
Ohren.  Augen  und  .Maul  sind  rot  gefärbt,  ebenso  der  Baumast  mit  Blättern 
und  Früchten.  Auch  die  dekorative  Einfassung  des  Reliefs  trägt  diese 
Farbe,  die  kräftig  aufliegt.  Ich  glaube,  dass  dieselbe  ursprünglich  ist.  da 
wir  von  vielen  bemalten  Statuen  auf  Java  wissen.  Das  rot  ausgeführte 
Muster  des  herumlaufenden  Ornamentes  finden  wie  vielfach,  so  auch  z.  B. 


1)  Verhandelingen   van  het  Bätaviaaach  Genotschap   van  Künsten   en  Wetenschapeo, 
Decl  XL  VI.     1891. 


Zoitselirilt  für  Ethnologie.    Jahrg.  1901    Heft  :!  u.  4. 


.".! 


—     5-22     — 

in  Prambanan  wieder.  Die  Haare  am  Bauch,  an  den  Beinen,  in  den 
Achselhöhlen  und  am  Schwanz  sind  durch  schwarze  Farbe  markiert.  Ebenso 
die  Augenbrauen,  die  aber  auch  schon  in  Relief  hervortreten.  Am  Hinter- 
teil ist  deutlich  das  Gesäss  mit  seinen  Gesässschwielen  ausgedrückt.  Wert- 
voll würde  es  natürlich  sein,  wenn  wir  genau  feststellen  könnten,  zu 
welcher  grösseren  Darstellung  das  Relief  gehört  hat. 

Bei  der  zweiten  Skulptur  (Fig.  2),    die    ich    Ihnen    hier  vorführe,   ist 
die  Provenienz    noch    unklarer.     Es    ist    nur    bekannt,    dass    es    aus  Java 

Fiff.  3. 


M-. 


kommt.  Es  stellt  einen  sog.  Räkschasa  oder  Dämonen  vor.  Die  kurze 
untersetzte  Gestalt  ist  kauernd  dargestellt,  das  Dämonenhafte  durch  die 
Bauer  und  den  wilden  Gesichtsausdruck  angezeigt.  Diese  Figuren  werden 
als  Tempelwächter  bezeichnet,  da  sie  an  den  Türen  der  Tempel  stehen, 
um  jeden,  der  sich  am  Tempel  vergreifen  würde,  zu  strafen. 

Dargestellt  ist  dieser  Räkschasa  oder  böse  Geist  von  gedrungenem 
Körper,  mit  stark  hervortretenden  Augen.  Die  obere  Zahnreihe  ist  sicht- 
bar mit  zwei  hervorstehenden  Eckzähnen.  Andere  Darstellungen  zeigen 
beide  Reihen  Zähne  mit  vier  Bauern.  Bari  ist  bei  dieser  Figur  nicht 
vorhanden.  Das  Haupthaar  \iegi  wellig  auf  dein  Kücken,  die  Nase  ist 
breit  und  dick.  Das  rechte  Bein  ist  unter  den  Körper  geschlagen,  das 
linke  ruht  auf  dem  mächtigen  Fuss  in  Kniebeuge.  Die  Bekleidung  ist 
-cli wer  zu  erkennen.  An  Schmuck  finden  wir  lang  herabhängenden  Ohr- 
schmuck,  wie  Hals  und   Kopfschmuck.     Die  kurzen   kräftigen  Arme  tragen 


—     &23     — 

Oberarmringe,    von    beiden    Händen    wird    eine    Keule,    das    gewöhnliche 
Attribut  der  Tempelwächter,  getragen. 

Zum  Schluss  führe  ich  Ihnen  noch  drei  Regen traufen  oder  Ausgüsse 
vor  (Fig.  3 — 5).  Derartige  Traufen  finden  sich  an  den  meisten  javanischen 
Monumenten.  Leider  ist  auch  bei  diesen  die  Provenienz  nicht  durchaus 
sicher.  Nach  den  vorhandenen  Angaben  stammen  sie  von  der  \\  .-r-"it. 
des  Ardjunagebirges  in  Ost-Java.  Danach  könnten  sie  von  dem  Tjandi 
Ardjuna,  einem  ziemlich  gut  erhaltenen  Tempel  (wie  Verbeek  bemerkt). 
sein.  Dieser  liegt  auf  dem  Ardjunagebirge  in  der  Residentschaft  Pasu 
Ruan.     Die  Darstellung  ist  folgende:  Eine  reich  mit  Ohrschmnck,  Diadem 


Fig.   1. 


Fig.  .">. 


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und  Armringen  versehene  Figur  hält  ein  Becken,  aus  dem  sich  seitwärts 
vorn  das  Wasser  ergiesst.  Zur  besseren  Stütze  befinde!  sich  hinter  jeder 
Figur  ein  dekorativ  behauener  Hintergrund.  Das  Wasser  fliesst  durch 
diesen  und  die  Figur  hindurch.  Auf  dem  Krug  befindet  sich  bei  zweien 
ein  massiver  Knopf.  Die  Figur  des  Haltenden  lehnt  sich  auf  den  Krug, 
indem  sie  mit  beides  Händen  denselben  festhält.  Bei  einem  Vergleich 
i\i'r  drei  Stücke  fällt  der  ausserordentliche  unterschied  der  Gesichter  auf. 
Gerade  diese  drei  letzten  Stücke,  ein  viertes  befindet  sich  noch  in  den 
Sammlungen,  sind  als  eine  besonder  gute  Erwerbung  zu  betrachten,  da 
sie  uns  mit  einen  Teil  des  in  Java  üblichen  Tempelbaues,  wie  wir  ihn 
auch  z.  1>.  bei  dem  monumentalen  Bau  des  Bäxä-Budur  finden,  bekannt 
macht. 

34  * 


—     .V24     — 

(8)    Hr.  Krause:    In  der  vorigen  Sitzung  legte    Hr.  v.  Ohlapowski 

einen 

Knochen  aus  der  öborniker  Kiesgrube 

vor  und  deutete  ihn  als  ein  prähistorisches  Gerät.  Das  mag  es  gewesen 
sein.  Ich  sagte  aber  schon  in  der  vorigen  Sitzung,  dass  ich  die  daran 
sichtbaren  Marken  für  Nage-  und  Bissmarken  von  Mäusen  und  ähnlichen 
Nagetieren  hielte.  Der  Knochen  ist  sehr  abgerollt  —  er  ist  ja  in  der 
Schwemmschicht  gefunden  — ;  daher  sind  die  Bisse  nicht  so  deutlich  zu 
sehen.  An  einigen  hohlen  Stellen  erkennt  man  aber  deutlich  dieselbe 
Parallelstreifung,  wie  man  sie  an  rezenten  Knochen,  z.  B.  den  hier  vor- 
gelegten Rehknochen,  die  von  Mäusen  benagt  sind,  wahrnehmen  kann. 
Ein  anderes  altes  Stück,  aus  einer  Elchhornschaufel  hergestellt,  befindet 
sich  in  unserer  Sammlung.  Es  ist  eine  Keule,  die  neben  Bearbeitungs- 
auch  Nagespuren  zeigt.  Ich  gebe  einen  Gipsabguss  davon  herum,  auf  dem 
Sie  die  Nagemarken  an  den  kantigen  Stellen  deutlich  unterscheiden  können. 
Durch  dieses  Stück  bin  ich  auf  die  Nagespuren  von  Neuem  aufmerksam 
geworden,  wegen    ihres  von   den   Arbeitsspuren   verschiedenen  Aussehens. 

Ich  zeigte  sie  Hrn.  Professor  Dr.  Eckstein,  dem  Zoologen  der  Forst- 
akademie in  Eberswalde,  der  sie  sofort  für  Nagespuren  erklärte.  In  dem 
Museum  der  Forstakademie  zu  Eberswalde  sind  eine  ganze  Menge  solcher 
Nagespuren  an  Hörnern  und  an  Knochen  ausgestellt. 

Hr.  Professor  Eckstein  hatte  die  grosse  Liebenswürdigkeit,  mir  den 
vorgelegten  Rehknochen  zu  Vergleichen  als  Geschenk  zu  übersenden. 

Hr.  Strauch:  Meine  Herren,  was  Hr.  Krause  soeben  vortrug  und 
vorlegte,  hat  mich  in  ganz  besonderem  Masse  interessiert. 

Eigentlich  hat  er  mir  etwas  vorweggenommen,  über  das  ich  Ihnen  in 
der  nächsten  Zeit  berichten  wollte.  Er  konnte  dies  natürlich  nicht 
wissen. 

Durch  die  Vorlage  des  Hrn.  v.  Chlapowski  in  der  vorigen  Sitzung 
und  Hrn.  Krauses  Deutung  jener  eigenartigen  Marken  an  dem  Knochen- 
stück fühlte  ich  mich  veranlasst,  Experimente  in  dieser  Richtung  an- 
zustellen. 

Ich  halte  es  für  wichtig,  sowohl  für  den  Prähistoriker,  den  Anthro- 
pologen als  auch  für  den  Gerichtsarzt,  genauere  Kenntnis  darüber  zu  be- 
sitzen, wie  an  einem  Knochen  Nageverletzungen  von  Tieren  sich  von 
menschlicher  Bearbeitung,  oder  auch  von  Verletzungen  anderer  Art,  sei 
es  vitalen  oder  postmortalen,  unterscheiden. 

Augenblicklich  befinde  ich  mich  noch  mitten  in  diesen  Experimenten, 
die  ich  sofort  nach  der  Vorlage  in  der  vorigen  Sitzung  begonnen  habe. 

Sowohl  in  meinem  Institut,  in  meiner  Wohnung,  als  auch,  durch  das 
liebenswürdige  Kiitgegenkomnien  der  Direktion,  im  Zoologischen  Garten, 
habe  ich  den  verschiedensten  Nagern  allerlei  .Material  zum  Benagen  vor- 
■_o  l.-i.  x.wohl  weiches,  wie  hartes,  Früchte,  Holz,  Geweihstangen,  frische 
and  alte  Knochen. 

Ich  will  dabei  einmal  charakteristische,  sichere  Nagespuren  in  mannig- 
faltigem    .Material     von    verschiedenen    Tieren    erhalten,    dann    aber    auch 


—     525     — 

sehen,    welche    Tiere    es    vornehmlich    sind,    die    Knochen    zu    benagen 

pflegen. 

Diese  Experimente  schienen  einfacher,  als  Bie  es  in  der  Tai  Bind; 
man  muss  die  Tiere  unter  ganz  bestimmte,  passende  äussere  Verhältnisse 
bringen,  die  einerseits  den  Tieren  eine  gewisse  Frische  und  Wohlbefinden 
verleihen,  die  sie  aber  andererseits  auch  zwingen,  zu  nagen. 

Eine  lebend  gefangene  wilde  Ratte  stirbt  in  einem  gewöhnlichen 
Versuchskäfig  bald  an  Aufregung  und  Kälte;  man  muss  sie  in  eine  blech- 
beschlagene, tiefe,  dunkle  Kiste  setzen,  in  die  man  ihr  Heu  und  anderes 
Material  hineingibt,  um  sich  zu  verkriechen  und  warm  zu  halten. 

(ültt  man  dein  Tier  ausser  trockenen  Knochen  keine  andere  Nahrung, 
so  wird  es  bald,  wie  ich  merkte,  vor  Hunger  so  matt,  dass  es  nicht 
ordentlich  und  kräftig  nagt.  Legte  ich  ihm  einen  mehr  oder  weniger 
frischen  Röhrenknochen  hinein,  so  nagte  es  nicht  da,  wo  ich  es  haben 
wollte  und  wo  man  die  Spuren  am  besten  sehen  kann,  an  der  Diaphyse, 
sondern  es  begann  an  den  weichen  Epiphysen  und  höhlte,  indem  es  das 
fetthaltige  Mark  herausfrass,  die  beiden  Enden  des  Knochens  aus. 

Ich  könnte  noch  mehr  von  diesen  meinen  im  Gang  befindlichen 
Experimenten  berichten,  von  den  Erfolgen,  ebenso  wTie  von  den  zahlreichen 
Enttäuschungen  und  Misserfolgen. 

Jedoch  die  Untersuchungen  sind  erst  begonnen  und  kann  ich  vor 
Abschluss  derselben  nichts  Bestimmtes  sagen. 

In  einem  Punkte  aber,  meine  Herren,  kann  ich  mich  mit  Hrn.  Krause 
nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen,  nicht  einverstanden  erklären,  nämlich 
in   bezug  auf  die  Tierspezies,  die  Knochen  benagen. 

Hr.  Krause  sprach  in  erster  Reihe  von  Mäusen  und  stützte  sich 
dabei  hauptsächlich  auf  die  Versicherungen  von  Hrn.  Eckstein  in 
Fberswalde. 

Nach  allem,  was  ich  meinerseits  über  diesen  Punkt  ermitteln  konnte 
—  mir  selbst  fehlt  bisher  jede  eigene  Erfahrung  — ,  sind  es  in  unseren 
Breiten  in  erster  Reihe  die  Ratten,  die  Knochen  benagen. 

Von  allen  Leporiden  aber,  Hasen,  Kaninchen  usw.,  vom  Ziesel,  vom 
Hamster  und  allen  anderen  unserer  Mäuse  ist  ein  solches  Benagen  von 
Knochen  durchaus  unbekannt,  jedenfalls  nirgends  einwandsfroi  beobachtet 
und  beschrieben. 

Sogleich  nach  der  Vorlage  des  Hrn.  v.  Ühlapowski  ging  ich  nach 
dem  Zoologischen   Museum,  um  daselbst  Nagespuren  zu  studiereu. 

Ausser  Holzstücken  mit  Nagemarken  von  Bibern  fand  ich  dort  nur 
einige  wenige  Knochen  und  ein  Stückchen  Rehgeweih  mit  der  Bezeichnung: 
„von   Eichhörnchen   benagt". 

Gerade  diese  Notiz  hat  mich  in  hohem  Grade  in  Erstaunen  gesetzt 
und  meinen  Zweifel  angeregt,  denn  es  schien  mir  rollständig  anwahr- 
scheinlich, das-  unser  Eichhörnchen,  das  doch  im  Walde  soviel  schönes 
und  besseres  Nahrungs-  und  Nagematerial  findet,  gerade  an  Knochen  oder 
Geweihstangen  herangehen  sollte. 

Die  Objekte  waren  aber  absolut  sicher  und  einwandsfrei  von  einem 
Förster  als  „von  Eichhörnchen  benagt"  bestimmt  und  überwiesen  worden. 


—     526     — 

Hr.  Dr.  Heinroth  im  Zoologischen  Garten,  dem  ich  von  diesen  mir 
aufgestiegenen  Zweifeln  über  das  Eichhörnchen  berichtete,  versicherte  mir 
aber,  dass,  wie  das  Eichhörnchen  ein  arger  Nesträuber  wäre,  junge  Yögel 
und  Eier  frässe,  es  auch  von  ihm  in  Zoologen-  und  Jägerkreisen  bekannt 
sei,  dass  es  mit  Vorliebe  an  Geweihstangen  nage. 

Nach  Dr.  Heinroths  Meinung  kommen  in  unseren  Breiten  für  Be- 
nagung von  Knochen  eigentlich  nur  die  Ratten  und  das  Eichhörnchen  in 
Betracht. 

Aber,  meine  Herreu,  soweit  ich  bisher  gesehen  habe,  exakte  Unter- 
suchungen über  all  diese  verschiedenen  Punkte  (welche  Tiere  nagen,  was 
sie  nagen  und  vor  allem,  wie  sie  nagen)  fehlen  zurzeit  noch. 

Ich  bin,  wie  gesagt,  jetzt  mit  solchen  Versuchen  beschäftigt  und  werde 
mir  erlauben,  wenn  sie  abgeschlossen  sind,  Ihnen  über  die  Resultate  in 
eingehender  Weise  zu  berichten. 

Hr.  Krause:  Hr.  Strauch  redet  von  Tieren  in  Gefangenschaft. 
Dieser  Rehknochen  hat  im  Walde  gelegen  und  da  gibt  es  keine  Ratten. 
Professor  Eckstein,  der  Zoologe  ist.  hat  mir  gesagt,  es  wären  Mäuse 
gewesen,  und  Hr.  v.  Schierstädt  sagt  mir  eben,  es  können  nur  Mäuse 
gewesen  sein;  in  grossen  Kiefernwaldungen  kommen  keine  Eichhörnchen 
vor,  ebensowenig  wie  Ratten,  wohl  aber  mehrere  Arten  grosser  Mäuse 
(wie  Brandmäuse  usw.).  Man  muss  nur  nicht  an  Hausmäuse  denken, 
obgleich  ja  auch  diese,  um  ihre  fortdauernd  wachsenden  Zähne  abzuschleifen, 
alles  mögliche  benagen. 

Hr.  v.  Luschan:  Ich  möchte  darauf  hinweisen,  dass  auch  eine 
afrikanische  Schilfratte  ungeheuren  Schaden  an  Elfenbein  anrichtet.  Es 
gibt  schenkeldicke   Elephantenzähne,  die  zur  Hälfte  abgenagt  sind. 

('.>)    Hr.  Seier  hall   den   zweiten  Vortrag  über  seine 
Studien  in  den  Ruinen  von  Yucatan. 
Derselbe  wird  zusammen  mit  dem  ersten  Vortrage  später  erscheinen.  — 


I.    Literarische  Besprechungen. 


Schumann,  Bugo,    I > I « *  Steinzeitgräber    der  Uckermark.     Mit  4»>  Tafeln. 

43  Textabbildungen    und    einer    Übersichtskarte.     Prenzlau:     A.    Mieck 
1H04.     4°. 

Die  grossen  Grabbauten  der  Uckermark  waren  schon  seit  dem  18.  Jahrhundert  bekannt, 
aber  noch  niemals  von  sachverständiger  Hand  untersucht  und  beschrieben  worden.  Es  ist 
daher  ein  grosses  Verdienst  des  Verf.,  dieses  für  die  Kenntnis  der  norddeutschen  Steinzeit 
höchst  wichtige  Gebiet  so  sorgfältig  bearbeitet  zu  haben,  wie  es  in  dem  vorliegenden 
Buch  geschehen  ist.  Im  Verein  mit  dem  Verleger,  dem  Hrn.  Stadtrat  Mieck,  hat 
Hr.  Schumann  alle  bisher  bekannten  neolithischen  Gräber  der  Uckermark  teils  selbst 
untersucht,  teils  aus  der  Literatur  und  dem  Inhalt  der  Museen  zusammengestellt  und  so 
ein  vollständiges  Bild  dieser  Kulturperiode  in  jenem  nordwestlichen  Winkel  der  Provinz 
Brandenburg  geschaffen. 

Von  den  grossen  Megalithgräbern  sind  noch  sechs  erhalten  und  weiden  hoffentlich 
durch  die  Fürsorge  des  Uckermärkischen  .Museums-  und  Geschichtsvereins  auch  ferner 
der  Zerstörung  entgehen.  An  allen  fehlt  die  Platte  an  der  Schmalseite,  welche  wahr- 
scheinlich durch  Rollsteine  ersetzt  war;  der  Inhalt  der  Grabkammern  war  natürlich  längst 
ausgeraubt.  Von  den  grossen  Steinkisten  konnten  sechs,  von  den  kleinen  Plattenkisten 
noch  sieben  untersucht  weiden. 

Sehr  wichtig  ist  die  wissenschaftliche  Feststellung  der  Flachgräber  nach  ihren  ver- 
schiedenen Arten  und  darunter  besonders  die  Gräber  mit  Leichenbrand,  deren  Vorkommen 
in  der  Steinzeit  bekanntlich  lange  Zeit  bezweifelt  wurde. 

WO  die  Leichen  bestattet  waren,  lagen  sie  in  hockender  Stellung,  wahrscheinlich 
waren  sie  mit  zusammengeschnürten  Schenkeln  beigesetzt  worden.  Einmal  zeigten  die 
Knochen  Rotfärbung  durch  Rötel. 

Die  Ansicht  des  Verl',  dass  sämtliche  Beerdigungsarten  der  neolithischen  Zeil  auf  der 
animistischen  Vorstellung  des  Vampyrismus  beruhen  und  darauf  berechnet  sind,  die  Wieder- 
kehr des  Toten  zu  verhindern,  hat  viel  Bestechendes. 

Sehr  eingehend  wird  die  Keramik  besprochen.  Die  Bedeutung  der  Kugelamphoren, 
der  Zapfenbecher,  der  verschiedenen  Ornamente  wird  auf  Grund  eigener  Studien  des  Verf. 
und  umfassender  literarischer  Kenntnisse  ausführlich  behandelt,  desgleichen  die  inter- 
essanten Beigaben,  von  denen  wir  besonders  auf  die  relativ  häufigen  Amazonenäxte,  die 
schönen  Lanzenspitzen  und  deren  chronologische  Verhältnisse  hier  die  Aufmerksamkeit 
lenken  möchten. 

Für  die  Aufstellung  einer  Chronologie  der  verschiedenen  Gräberarten  nach  den  ein- 
zelnen Abschnitten  der  jüngeren  Steinzeit  ist  das  Material,  so  sorgfältig  es  gesammeil  ist. 
doch  nicht  ausreichend;  immerhin  ist  der  Versuch  des  Verf.,  die  Kunde  der  Uckermark 
zu  denen  der  anderen  neolithischen  Provinzen  Deutschlands  in  Beziehung  zu  bringen, 
beachtenswert. 

Dagegen  hätten  wir  das  Kapitel  über  die  iwei  Gruppen  der  neolithischen  Bevölkerung 
lieber  (fanz  vermisst    Solche  ethnischen  Spekulationen  gehören   nicht    in   ein  Buch,   das 


—     528     — 

sonst    ganz    auf   naturwissenschaftlichem    Boden    steht   und    so    reichen,    positiven   Inhalt 
bietet. 

Der  Verleger  hat  das  Werk  mit  grosser  Liebe  und  mit  einem  gewissen  Luxus  aus- 
gestattet, wofür  wir  ihm  besonders  dankbar  sein  müssen.  Wir  wünschen  nur,  dass  der 
Absatz  des  vortrefflicheu  Buches  dadurch  nicht  beeinträchtigt  werden  möchte. 

Lissauer. 


Montelius,  Oskar.  Die  ältesten  Kulturperioden  im  Orient  und  in  Europa. 
I.  Die  Methode.  Stockholm  1903.  4°.  Selbstverlag  des  Verfassers. 
In  Kommission  bei  A.  Asher  &  Co.,  Berlin. 

Der  Verf.  erläutert  hier  in  lichtvoller  Sprache  die  bekannten  Grundsätze,  welche  er 
bei  seinen  vielen  archäologischen  Arbeiten  mit  so  grossem  Erfolge  beobachtet.  Es  werden 
zuerst  die  Begriffe  der  relativen  und  absoluten  Chronologie  wissenschaftlich  definiert,  die 
Bedingungen  für  deren  richtige  Bestimmung  festgestellt,  die  Quelle  der  Irrtümer  nach- 
gewiesen und  zuletzt  die  Typologie  als  Methode  der  prähistorischen  Archäologie  durch 
eine  grosse  Zahl  von  Beispielen  aus  der  Reihe  der  Metalläxte,  der  Dolche  und  Schwerter, 
der  Fibeln,  der  Bronze-  und  Tongefässe,  der  Lotus-  und  Palmetten-Ornamente  begründet. 
Eine  ausserordentlich  grosse  Zahl  prachtvoller  Abbildungen,  welche  allein  einen  wertvollen 
vorgeschichtlichen  Atlas  darstellen,  dient  zur  Erklärung  des  etwas  knapp  gehaltenen 
Textes.  Wir  wünschen  nur,  dass  der  „Methode"  recht  bald  die  nach  derselben  gewonnenen 
wissenschaftlichen  Resultate  folgen  möchten!  Lissauer. 


Schellhas,  P.,  Die  Götterg-estalten  der  Mayahandschriften.  Zweite  um- 
gearbeitete Auflage.  Berlin,  Asher  &  Co.  1904.  40  S.  8°.  Mit  1  Figuren- 
tafel und  65  Abbildungen  im  Text. 

Die  Mayafurschung  ist  als  wichtiger  Teil  der  amerikanistischen  Wissenschaft  erst  in 
der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  gegründet  worden;  als  ihre  eigentlichen  Gründer 
betrachte  ich  zwei  Franzosen,  Brasseur  de  Bourbourg  und  Leon  de  Rosny.  Doch 
erst  um  das  Jahr  1880  hat  dies«'  Forschung  eigentliches  Leben  gewonnen,  und  zwar 
zugleich  in  Amerika,  Frankreich,  England  und  Deutschland  Und  zu  den  ersten  Deutschen, 
die  sich  mit  ihr  beschäftigten,  gehört  Paul  Schellhas.  Er  hat  bis  heute  sein  warmes 
Interesse  an  dem  Gegenstande  mit  Erfolg  betätigt.  Zuerst  in  einer  Reihe  von  Abhand- 
lungen, die  ihre  Stelle  gefunden  haben  in  den  Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft 
für  Anthropologie,  der  Zeitschrift  für  Ethnologie,  dem  internationalen  Archiv  für  Ethno- 
graphie, dem  Archiv  für  Religionswissenschaft  und  für  ein  grösseres  Publikum  in  der 
Gartenlaube  Ausserdem  verfasste  er  als  selbständige  Schriften  „Die  Mayahandschrift  der 
Kgl.  Bibliothek  zu  Dresden  (Berlin  1SSG)"  und  „Die  Göttergestalten  der  Mayahandschriften 
(Dresden  1892)".  Und  diese  letztere  Schrift  hat  nun  infolge  des  unaufhaltsamen  Fort- 
schreitens  der  Wissenschaft  eine  zweite  Ausgabe  erfahren. 

In  dieser  tritt  von  neuem  die  besonnene  Methode  des  Verfassei's  vorteilhaft  hervor. 
Er  betrachtet  die  ihm  vorliegenden  Dinge  gänzlich  wje  ejn  Naturforscher  und  lässt  sich 
auf  das  Gebiet  der  Hypothesen  und  Spekulationen  nicht  verlocken.  Ferner  beschränkt  er 
sich  möglichst  streng  auf  den  Gegenstand  tälbst  und  vermeidet  sogar  fast  ganz  den  Aus- 
blick auf  das  naheliegende,  aber  leicht  verführende  aztekische  Gebiet,  völlig  aber  das 
Herbeiziehen  von  Altertümern  anderer  Völker,  die  von  andern  Schriftstellern  oft  in  der 
fabelhaftesten   Weise  mit  den   Mayas  in  Verbindung  gesetzt  sind. 

Da  die  drei  bekannten  Mayahandschriften  in  bezug  auf  die  Göttergestalten  nahezu 
Übereinstimmen  und  auch  die  übrigen  Denkmäler  kaum  etwas  hinzufügen,  so  kann  man 
als  sicher  annehmen,  dass  Schellhas  so  gut  wie  die  ganze  Götterwelt  der  Mayas  erfasst 
hat.     Sie  besteht  aus  kaum  zwanzig  Personen,    die    sich    zugleich   als  Tagegötter  passend 


—     529     — 

auf  die  zwanzig  Tage  de*  Dioal  verteilen.  Von  den  aztekischen  Beherrschern  dreizehn- 
tägiger Wochen  oder  zwanzigtägiger  Uiual  und  anderseits  einzelner  Tages-  und  Nacht- 
stunden bietet  die  Mayaliteratur  bis  jetzt  nichts  und  es  erscheint  die  Religion  der  Maya> 
als  eine  Vereinfachung,  also  als  ein  Fortschritt  gegen  die  aztekische.  Praktisch  ist  die 
von  dein  Verfasser  eingeführte  feste  Bezeichnung  der  einzelnen  Götter  mit  Buchstaben, 
wie  sie  auch  bald  darauf  von  andern  Forschern  anerkannt  worden  ist:  Namen  für  sie  ein- 
zuführen, wäre  auf  dem  jetzigen  Standpunkt  unsicher  gewesen  und  hätte  zu  fielleichl 
resiiltatlosem  Streite  der  Ansichten  geführt. 

Vergleichen  wir  beide  Ausgaljen  mit  einander,  so  sehen  wir,  dass  die  inzwischen 
verlaufenen  zwölf  Jahre,  dem  Fortschritte  der  Wissenschaft  entsprechend,  dem  Verfasser 
reiche  Früchte  getragen  haben.  Wir  können  die  neue  Ausgabe  als  eine  völlig  umgearbeitete 
bezeichnen,  soweit  die  vielfach  schon  feststehenden  Ergebnisse  der  ersten  eine  solche  Um- 
arbeitung überhaupt  möglich  machten.  Denn  bei  den  häufigsten  Göttern,  wie  A  bis  F, 
auch  K  und  N  war  kaum  mehr  viel  zu  ändern.  Bei  G  legt  seine  Seltenheit  der  Forschung 
Hindernisse  in  den  Weg,  bei  H  die  Verschiedenheit  seiner  bildlichen  Darstellung,  bei  I 
und  0  ist  leider  das  scharfe  Ziehen  der  Grenze  zwischen  beiden  schwierig,  bei  L  und  M 
bestehen  noch  verschiedene  Fragen  über  ihre  eigentliche  Bedeutung. 

Überall  finden  wir  in  dem  neuen  Buche  entschiedenen  Fortschritt  bei  den  einzelnen 
Gestalten.  Sogar  eine  neue  Gottheit  führt  Schellhas  in  dieser  zweiten  Auflage  neu  ein, 
die  er  wegen  der  an  den  Fingerspitzen  sich  zeigenden  Anschwellung  als  Froschgott  be- 
zeichnet, dessen  eigentliche  Funktion  aber  vorläufig  noch  als  unbekannt  anzusehen  ist. 

Neu  hinzu  fügt  der  Verfasser  die  zum  Teil  sicheren,  zum  Teil  noch  ungewissen  Be- 
ziehungen der  einzelnen  Götter  zu  den  einzelnen  der  zwanzig  Tage. 

Wir  schliessen  mit  dem  Wunsche,  dass  dem  Verfasser  noch  beschieden  sein  möge, 
weitere  reiche  Früchte  auf  diesem  Felde  zu  ernten,  womöglich  unterstützt  durch  das  Auf- 
finden neuer  Denkmäler,  die  den  noch  immer  ziemlich  mangelhaften  Stoff  für  die  Maya- 
forschung  weiter  wachsen  lassen  würden.  Eine  vierte  Handschrift  müsste  uns  in  jedem 
Falle  in  der  Mythologie  schon  bedeutend  weiter  bringen,  mehr  als  es  historische  Inschriften 
vermögen.  E.  Förstern ann. 


Frobenius,  Leo,  Geographische  Kulturkunde.  Eine  Darstellung-  der 
Beziehungen  zwischen  der  Erde  und  der  Kultur  nach  älteren  und  neueren 
Reiseberichten  zur  Belebung  des  geographischen  Unterrichts.  Leipzig, 
F.  Brandstetter  1904.    8°. 

In   einem    recht    ansehnlichen  Werke   hat   es   der  Verfasser   unternommen,   uns  die 

Kultur  unserer  Erde,  die  sich  hier  oder  dort,  mehr  oder  minder  verbreitet  hat.  im  geo- 
graphischen Sinne  zu  beleuchten.  Frobenius  will  mit  dieser  interessanten  Arbeit  gewiaser- 
massen  den  Unterricht  beleben,  ihn  in  neue  Bahnen  lenken,  die  von  dem  Althergebrachten 
abweichen.  Er  will  uns  Land  und  Leute  in  ihrer  kulturellen  Kraft  oder  Schwäche  dar- 
stellen. Andererseits  aber  glaube  ich,  dass  dieses  Werk  von  Frobenius  auch  bei  Fachleuten 
genügende  Würdigung  linden  wird.  Es  weht  uns  aus  dem  Buche  ein  ursprünglicher  Geist  ent- 
gegen, welcher  in  dem  eingehenden  Studium  des  behandelten  Stoffes  den  günstigsten  Nähr- 
boden gefunden  hat.  Welches  Wissen  aber  diesem  Studium  zu  Grunde  lieLrt.  wird  der 
leicht  ermessen  können,  der  sieb  mit  dem  anregenden  Werk  beschäftigt.  Die  geschickt 
ausgewählten  Quellen  sind  eigentlich  nur  Bausteine,  die  das  Fundament  des  Inhalts  bilden, 
dem  Ganzen  aber  zugleich  zur  Vervollständigung  dienen. 

Ich  möchte  nun  noch  über  den  Inhalt  einige  Worte  hinzufügen.  Das  Werk  behandeU 
vier  Hauptteile  Afrika.  Ozeanien,  Amerika  und  Asien  mit  seinen  Bewohnern.  Diese  Haupt- 
abschnitte gliedern  sich  nun  wiederum  in  eine  Anzahl  I  oterabteilungen.  Zu  diesen  zählen 
im  ersten  Hauptteil  die  J'estsässigen"  Ackerbauer  Westafrikas,  die  „treibenden-  Hack- 
bauern und  die  festsassigen  „Viehsportler-,  weiter  die  fosts&saigen  Haekbauern  mit  den 
treibenden  Nomaden  Nordafrikas.  Im  zweiten  Eiauptteil  begegnen  uns  die  Abschnitte: 
die  seefahrenden    [nselvölker  Polv-  und  Mikroi  lie   treibenden  Jagei  Neuhollands 


—     530     — 

und  die  Mischvölker  Indonesiens.  Die  Unterstufen  Amerikas  beschäftigen  sich  mit  den. 
"iartriibauern  Südamerikas  unter  dem  Einfluss  der  Wasser-  und  Waldjäger,  den  Feld- 
bauern Nordamerikas  unter  dem  Einlluss  der  Steppenjäger,  den  Kulturvölkern  Amerikas, 
den  Nordpolarvölkern  an  der  Grenze  Asiens.  Endlich  bei  Asien  werden  die  treibenden 
Polarnomaden,  die  treibenden  Nomaden  der  Steppen,  die  Kulturvölker  der  Niederung  und 
Inseln  Ostasiens,  die  Mischvölker  Hinterindions,  die  „Aroiden"  Vorderindiens,  die  „Semitiden" 
Arabiens  an  der  Grenze  Afrikas  behandelt.  Alfred  Maass. 


Etawitz,  D.  Bernhard,  Privatdozent  an  der  Universität  Berlin,  Urgeschichte, 
Geschichte  und  Politik,  populär-naturwissenschaftliche  Betrachtungen. 
Berlin.  Verlag  von  Leonhard  Simion  Xchf.,  1!)03. 

Das  :!t>2  Seiten  starke  Werk  scheint  der  Kategorie  jener  Arbeiten  anzugehören,  die 
durch  die  Preisausschreibung  für  Schriften,  -welche  die  Bedeutung  der  Descendenztheorie 
für  das  staatliche  Leben  darzulegen  haben,  angeregt  wurden.  Der  Verfasser  legt  auf 
'21  Seiten  seiuen  Standpunkt  zur  Descendenztheorie  dar,  der  auf  S.  21  am  schärfsten  dahin 
formuliert  wird:  Die  Vererbung  ist  ein  Produkt  des  Milieu.  Im  folgenden  ist  nun  davon 
nicht  mehr  die  Rede.  Die  Entwickelung  des  Menschen  von  der  Urgeschichte  durch  die 
Zeiträume  der  Geschichte  spielt  sich  für  den  Verfasser  in  einem  Antagonismus  zwischen 
Persönlichkeit  und  Gemeinschaft  (oder  wie  er  sie  nennt  „Coenonie"!  ab,  darauf  beruhen 
nach  ihm  die  Schicksale  der  Staaten,  die  Freuden  und  Leiden  der  Völker.  Diesen  Dar- 
legungen sind  SS  Seiten  gewidmet.  In  den  folgenden  21 G  Seiten  wird  nun  eine  Kritik 
der  gegenwärtigen  politischen  Zustände  Deutschlands  gegeben  und  in  einem  Kapitel  „Die 
politischen  Lehren  der  Naturwissenschaft"  behandelt:  die  Aufgabe  des  Staates,  Regierung 
und  Verwaltung,  Recht  und  Gerechtigkeit,  Schule  und  Unterricht,  soziale  Reform.  Hiernach 
kommt  Rawitz  zu  dem  Ergebnis,  dass  es  darauf  ankomme,  die  Harmonie  zwischen 
„Coenonismus"  und  „Personalismus"  herbeizuführen,  das  sei  die  politische  Lehre  der 
Naturwissenschaft.  Im  Literaturverzeichnis  werden  dann  noch  96  verschiedene  Bücher 
aufgeführt.  R.  Thurnwald. 


Wilutzki,  Paul,  Vorgeschichte  des  Rechts  (Prähistorisches  Recht).  Zweiter 
Teil:  Eltern  und  Kinder.  Künstliche  Verwandtschaft  und  Blutsbruder- 
schaft. Kominunismus  und  Hausgenossenschaften.  Die  Anfänge  des 
Vermögensrechts.  192  Seiten.  Dritter  'Peil:  Stammesverfassung  and 
Anfange  des  Staatsrechts.  Blutrache.  Anfänge  des  Strafrechts  und  des 
Prozesses.  Berührung  der  Völker  und  Sklaverei.  212  Seiten.  Berlin 
Verlag  vn   Eduard  Trewendt,  1903. 

.Mit  dem  jetzt  vorliegenden  zweiten  und  dritten  Teile  der  Vorgeschichte  des  Rechts 
hat  Verfasser  sein  Werk  vollendet,  das  in  universaler  Darstellung  die  ersten  Keime  der 
als  einheitliches  Ganze  gedachten  Entwickelung  der  Rechtsideen  innerhalb  der  Menschheit 
zum  I  Gegenstände  bat. 

Wie  schon  rein  ausserlich,  so  Bind  auch  inhaltlich  diese  beiden  Teile  des  Werkes  in  mehr- 
facher Beziehung  verschieden  von  dem  schon  an  anderer  Stelle  dieser  Zeitschrift  (35.  Jahrg. 
s.  L54J  von  mir  besprochenen  ersten  Teile.  Inhaltlich  verschieden,  freilich  nicht  in  dem 
Sinne,  dass  die  Einheitlichkeit  des  (Janzen  nicht  bewahrt  wäre.  Von  Anfang  bis  zum  Schluss 
zieht  sieh  ala  gegebene  Voran  etzung  das  He  gel  sehe  Entwickelungsgesetz  durch  die  Dar- 
rtellung  hindurch,  alles  gebrachte  Material  wie  ein  festes  Band  zu  einem  einheitlichen 
Qanzen  umschlingend.  In  klarer  übersichtlicher  Weise  ist  das  Hauptmaterial,  welches 
über  die  ooeh  unentwickelten  Rechtsverhältnisse  vergangener  Zeiten  oder  fremder  Völker 
bekannt  ist,  nach  dem  durch  diesen  Gesichtspunkt  vorgeschriebenen  Schema  geordnet. 
Aber  wahrend  im  erstes  Teile  in  7  Einzelkapiteln  iauf-_'f>l  Seit en)  nur  die  Eheverfassungen 


—    531     — 

zur  Darstellung  gelangen,  wird  in  den  beiden  folgenden  Teilen  auf  zusammen -In)  Seiten) 
der  Stoff  aller  übrigen  Rechtsgebiete  erledigt  und  zwar  in  6  Abschnitten  Bucb  II— VII 
von  denen  an  sich  ein  jedes  Anspruch  auf  eine  ebenso  ausführliche  Behandlung,  wie  die  des 
ersti-n  Teiles  hätte.  Zum  grossen  Teil  ist  dieser  Kaumunterschied  schon  dadurch  bedingt, 
dass  Verfasser  im  Teil  II  und  III  viel  weniger  vollständig  die  Angaben  über  die  ausser- 
europäischen  Rechtsverhältnisse  heranzieht,  als  er  es  im  ersten  Teile  getan  hat.  wie  denn 
überhaupt  bei  diesen  beiden  letzten  Teilen  die  Darstellung  der  Entwickelung  des  Rechts 
speziell  bei  indogermanischen  Völkern  mehr  in  den  Vordergrund  tritt  und  die  Er- 
scheinungsformen des  Rechts  der  übrigen  Völker  nur  gewissermassen  vergleichsweise  da 
herangezogen  werden,  wo  sie  gewissen  Entwickelungsphasen  der  Rechtsinstitute  der  indo- 
germanischen Völker  entsprechen. 

Bei  der  vom  Verfasser  angewandten  Methode  kann  es  für  den  Inhalt  seiner  Dar- 
stellung nur  von  Vorteil  sein,  dass  der  Schwerpunkt  mehr  auf  das  schon  rechtshistorisch 
verarbeitete  und  damit  dem  juristischen  Forscher  zugänglichere  Material  fällt,  als  auf 
rein  ethnologische  Quellen.  Natürlich  aber  handelt  es  sich  infolgedessen  um  ein  Werk, 
bei  dem  die  ethnologisch-juristischen  Ergebnisse  hinter  den  rein  juristischen  zurücktreten. 

Max  Schmidt. 


Krauss,  Friedrich  S.,  Die  Anmut  des  Frauenleibes.  Mit  nahe  an  300  Ab- 
bildungen nach  Originalphotographien.  XVI  und  304  Seiten.  4U.  Leipzig, 
A.  Schumanns  Verlag,  1904. 

Der  unermüdlich  11  eissige  Verfasser  hat  seinem  Werke  „Streifzüge  im  Reiche 
der  Frauenschönheit"  (besprochen  in  dieser  Zeitschrift,  Jahrg.  35.  1903.  S.  674)  nach 
kurzer  Frist  ein  neues  umfangreiches  Buch  folgen  lassen,  das  sich  ebenso,  wie  das  vorige, 
an  den  weiten  Kreis  des  gebildeten  Publikums  wendet. 

In  der  Form  und  Ausstattung  uud  in  der  äusseren  Erscheinung  stimmen  die  beiden 
Werke  miteinander  überein.  Auch  das  vorliegende  bringt  in  autotypischer  Ausführung 
eine  grosse  Anzahl  von  weiblichen  Porträts,  teils  Brustbilder,  teils  ganze  Figuren,  und 
unter  letzteren  viele  ohne  verhüllende  Bekleidung.  Da  meist  genau  die  Nationalität  and 
das  Lebensalter  des  dargestellten  Originales  angeführt  wird,  so  ist  hier  für  die  Anthro- 
pologen ein  erwünschtes  Material  zusammengebracht. 

Über  den  Inhalt  sei  erwähnt,  dass  er  nach  den  einzelnen  Körperteilen  geordnet  ist: 
Oberhaut,  Auge,  Haupthaar,  Kopf  und  Stirne,  Wangen  und  Kinn,  Ohren  und  Nase,  Mund. 
Lippen  und  Zähne  usw.  Bei  jedem  dieser  Gebilde  wird  festzustellen  und  zu  erörtern 
versucht,  warum  und  unter  welchen  Umständen  sie  anmutig  erscheinen.  Hierbei  wurden 
auch  die  darauf  bezüglichen  Aussprüche  der  Dichter  verschiedener  Länder  und  Zeiten 
berücksichtigt  und  man  muss  dem  Verfasser  für  seine  grosse  Belesenheit  volle  An- 
erkennung zollen.  Dem  sehr  naheliegenden  Vorwurf,  dass  ein  genauer  Hinweis  auf  die 
Figuren  vielfach  vermisst  wird,  begegnet  der  Verfasser  selbst,  denn  er  erklärt  die  Bilder 
nur  als  eine  Zutat,  als  einen  freien  Kommentar  zu  seinen  Worten.  Aber  diese  Bilder 
bieten  gerade  eine  reiche  Fundgrube  für  den  Anthropologen.  Max  Bartels. 


Schurtz,  Heinrich,  Völkerkunde.  Leipzig  and  Wien.  Franz  Deuticke. 
1903.  8°.  (Die  Erdkunde.  Eine  Darstellung  ihrer  Wissensgebiete,  ihrer 
Bilfswissenschaften  und  der  Methode  ihres  Unterrichtes.  Herausgegeben 
von  Maximilian   Klar.    Bd.  XVI.) 

Mit  Wehmut  begrüssen  wir  dieses  letzte  Werk  von  Heinrich  Schurtz.  das  er  noch 
gerade  bis  auf  unwesentliche  Einzelheiten  vor  seinem  jähen  Ende  vollenden  konnte.  Er 
hat  uns  in  ihm  gleichsam  noch  einmal  ein  Abbild  Beiner  ganzen  Persönlichkeit  hinter- 
lassen.    Penn  eine  Fülle  von  Einzelheiten  darin  beruht  auf  seinen  eigenen  Untersuchungen, 


—     532     — 

und  das  ganze  zeugt  ebenso  in  formaler  Hinsicht,  als  eine  populäre  Darstellung  innerhalb 
eines  grösseren  Gesamtrahmeus,  von  seinem  rastlosen  Bestreben,  seiner  Wissenschaft  durch 
geeignete  Zusammenfassungen  zu  der  ihr  gebührenden  Beachtung  und  Würdigung  beim 
grossen  Publikum  zu  verhelfen,  wie  es  inhaltlich  von  jener  entwickelungsgeschichtlichen 
grosszügigen  Auffassung  beherrscht  ist,  die  in  den  tieferen  Kulturstufen  vor  allem  den 
Vorläufer  unserer  eigenen  Zustände  erblickt  und  es  stets  auf  die  Gesamtgeschichte  der 
Menschheit  abgesehen  hat. 

Den  Hauptbestandteil  des  Buches  macht  die  „vergleichende  Völkerkunde"  aus;  sie 
ist  im  grossen  ganzen  eine  Art  Auszug  aus  Schurtz'  „Urgeschichte  der  Kultur",  weswegen 
ein  weiteres  Eingehen  auf  sie  hier  erübrigt.  Es  folgt  ihr  ein  kurzer  Überblick  über  die 
einzelnen  Völkergruppen,  und  voran  geht  ein  anthropologischer  Abschnitt,  der  bei  der 
Einteilung  der  Rassen  in  der  Hauptsache  Deniker  und  Keane  folgt. 

H.  Vierkandt,  Gr.-Lichterfelde. 


IV.   Eingänge  für  die  Bibliothek.1» 


1.  Petrie,  W.  M..  Flinders,  Abydos  Part.  I.    1902.    London:  B.  Quaritch,  Asher  et  Co.. 

Trübner  1902.    4°.     Gesch.  d.  Verf. 

2.  Pantiuchow,  J.  J.   [Russisch|  Kurenevka.     Medizinisch-anthrop.  Abhandlung.     Kiew 

1904.    8°.     Gesch.  d.  Verf. 
:\.    Giuffrida-Ruggeri,    V.,    Una    spiegazione    del  Gergo    dei    criniinali   al  lume  dell' 
etnografia  comparata.     Roma:  Fr.  Bocca  1904.    8°.    (Aus:  Archivio  di  Psichiatria, 
Medicina  legale.)     Gesch.  d.  Verf. 

4.  Derselbe,  Alcune  omissioni  e  inesattezze  nel  recente  „Trattato"  del  Prof.  Le  Double. 

Jena:  G.  Fischer  1904.    8°.     (Aus:   Anatomischer  Anzeiger.)    Gesch.  d.  Verf. 

5.  Sheppard,    Thomas,    Quarterl.v    Record    of   Additions.     No.  VII.      Hüll:    A.  Brown 

et  Sons  1903.   8U.     (Aus:  Hüll  Museum  Publications  No.  17.)     Gesch.  d.  Verf. 

6.  Hoernes,  Moritz,  Der  diluviale  Mensch  in  Europa.     Braunschweig:  F.  Vieweg  &  Sohn 

1903.  8°.    Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Li  s  sau  er. 

7.  Quensel,  Heinrich,  Geht  es  aufwärts?    Eine  idealphilos.  Hypothese  zur  Entwicklung 

der  menschlichen  Psyche  .  .  .  Cöln:  J.  G.  Schmitz  1904.     8°.     Vom  Verleger. 
S.    Poeck,  Wilhelm,    Islandzauber.     Erzählung.     Hamburg:    A.  Janssen  1904    8°.     Vom 

Verleger. 
9.    Chantre,   Ernst,    et  Savoye,    Claudius,    Repertoire    et   carte   paleoethnologique   du 

Departement   de    Saöne-et-Loire.     Paris  1902.     8°.     (Aus:    Comptes   rendus    de 

l'Assoc.  FranQ.  pour  F  Avancement  des  Sciences.)     Gesch.  d.  Verf. 

10.  Chantre,  Ernst,    et   Bourdaret,   Emil,   Les    Coreens.     Esquisse   Anthropologique. 

Paris  1902.     8°.     (Aus:    Compt.  rend.   de  l'Assoc.  Franc,  pour  l'Avancement  des 
Sciences.)     Gesch.  d.  Verf. 

11.  Louw,  P.  J.  F.,    De  Java-Oorlog   van   1S25— 30.     :'».  Deel.     Batavia:    Landsdrukkerij 

1904.  4°.     Gesch.  d.  Bataviaasch  Genootschap. 

12.  Vaschide,   N.,    et  Buschan,   G.,   Index   Philosophique.    I.    1902.     Paris:    C.  Naud 

1903.     8°.     Gesch.  d.  Hrn.  Buschan. 

13.  Ke witsch,  Georg,   Zweifel  an  der  astronomischen  und  geometrischen  Grundlage  des 

60-Systems.     Strassburg  1904.   8°.    (Aus:  Zeitschr.  für  Assyriologie,  Bd.  XVIII.) 
Gesch  d.  Verf. 

14.  Kewitsch,    Georg,    Die  astronomische  Era  und  das  Jahrhundert  19.     Freiburg  i.  Br. 

Selbstverl.     1901.    8°.    Gesch.  d.  Verf. 

15.  Karutz,    Richard,    Von  Lübeck    nach  Kokand.      Ein   Reisebericht.     Lübeck:    Lübcke 

&  Nöhring  1904.    8".    (Aus:  Mitt.  Geogr.  Ges.  und  Naturhistor.  Mus.  Lübeck; 

16.  Karutz.  Richard,    Die  afrikanischen  Hörnermaskon.     Lübeck  1901.     8°.     (Aus:    Mitt 

Geogr.  Ges.  Lübeck  1901. 

17.  Karutz.  Richard,  Die  afrikanischen  Bogen,  Pfeile  und  K'.cher  im  Lübecker  Museum 

für  Völkerkunde.     Lübeck  1900,    8°).     vAus:    I)as  Museum  zu  Lübeck; 


1)  Die  Titel  der  eingesandten  Bücher  und  Sonder-Abdrücke  werden  regelmässig  hier 
veröffentlicht,  Besprechungen  der  geeigneten  Schriften  vorbehalten.  Rücksendung  un- 
verlangter Schriften  findet  nicht  statt. 


—     534     — 

18.    Karutz.  Richard,  Eine  Sammlung  peruanischer  Altertümer.    Lübeck  19<H).   8°.    (Aus: 

Das  Museum  zu  Lübeck.) 
L9.    Karutz,  Richard,    Aus    dem    Lande   der  Basken.     Ein  Vortrag    aus    dem  Jahre  1897. 

Lübeck  1900.    8°.     (Aus:    Mitt.    Geogr.   Ges.  und  Naturhistor.  Mus.  zu  Lübeck.) 

20.  Karutz.  Richard,  Ein  Beitrag  zur  Anthropologie  des  Ohres.     Braunschweig  1900.    4°. 

(Aus:   Archiv  für  Anthropologie  XXVI.) 

21.  Karutz.  Richard,  Drei  Knochengeräte  von  den  Anachoreten.  —  Zur  Ethnographie  der 

Matty-Insel.  —  Weitere  Bemerkungen  zur  Ethnographie  der  Matty-Insel.  Leiden 
1899/1900    4°.     (Aus:  International.  Archiv  für  Ethnographie,  Bd.  XII  u.  XIII.) 

22.  Karutz,  Richard,  Das  Ohr  im  Volksglauben.  —  Ohrdurchbohrung  und  Ohrschmuck.  — 

Der  Stand  der  Bogen-  und  Pfeilforschung.  —  Ursprung  und  Formen  der  Wiege.  — 
Zur  westafrikanischen  Maskenkunde.  —  Ein  „Pangkoh"  der  Dajaken.  —  Eine 
Holzfigur  der  Sakalaven.  Braunschweig  1896- 1901.  4°.  (Aus:  Globus,  70.  -  80. Bd.) 

23.  Karutz,  Richard,    Volkstümliches  aus  den  baskischen  Provinzen.  —  Ein  zusammen- 

gesetzter Bogen  der  Baschkiren.  Berlin  1899/1900.  8°.  (Aus:  Verhandl.  der 
anthropol.  Gesellschaft.) 

24.  Karutz,  Richard,  Populär  medical  superstitions  concerning  the  diseases  ofthe  ear,  nose, 

and  throat.     Transl.  by  J.  A.  Spalding  1897.    8°.    (Aus:  Arch.  of  Otology  XXVI.) 
Nr.  15—24  Gesch.  d.  Verf. 

25.  Report  of  the  Cambridge  anthropological  expedition  to  Torres  straits.    Vol.  V.    Socio- 

logy,  Magic  and  Religion.  Cambridge:  University  Press  1904.  4°.  Gesch.  d. 
Cambridge  University. 

26.  Bürgt,  J.  M.  M.  van  der,  Dictionnaire  francais-Kirundi.    Bois-Le-Duc:  Soc.  l'Illustration 

Cathol.  1904.    8°.    Vom  Verleger. 

27.  Bericht  über  die  Gemeindeverwaltung  der  Stadt  Berlin  1895^—1900.    I.  Teil.    Berlin: 

Carl  Heymann  1904.    4".     Vom  Magistrat  Berlin. 

28.  Iwanowski,    A.    A.    [Russisch],    Über   den    anthropolog.    Bestand    der   Bevölkerung 

Russlands.  (Aus:  Arbeiten  der  Anthrop.  Abteil.  Tom  XXII  der  Kaiserl.  Ge- 
sellschaft für  Anthrop.  u.  Ethnogr.  a.  d.  Univ.  Moskau.)  Moskau  1904.  4°. 
Gesch.  d.  Verf. 

29.  Wilser,  Ludwig,  Die  Germanen.     Beiträge  zur  Völkerkunde.     Eisenach  und  Leipzig: 

Thüring.  Verl.     o.  J.    8°.     Vom  Verleger. 

30.  Mason,   Otis  Tufton,    Aboriginal  american  basketry:    studies  in  a  textile  art  without 

machinery.  Washington:  Government  Printing  off.  1904.  8°.  (Aus:  Report  of 
the  Unit.  Stat.  Nat.  Mus.  1902.)     Vom  Smithsonian  Institution. 

31.  Geographen  -  Kalender.      Herausgeg.    von    Hermann    Haack.      IL  Jahrg.    1904/1905 

Gotha:  Justus  Perthes  1904.   8°.     Vom  Verleger. 

32.  Miske,  v.,    Die    ununterbrochene    Besiedelung  Velem  St.  Veits.     Braunschweig  1904. 

4°.    (Aus:  Archiv  für  Anthrop.    N.  F.  II.)     Gesch.  d.  Verf. 

33.  Miske,  v,  Gepunzte  Bronzemesser  aus  Velem-St.  Veit.    Wien  1904.    1".     (Aus:  Mitteil. 

der  Anthrop.  Ges.  Wien  XXXVI.)    Gesch.  d.  Verf. 

34.  Schirmeisen,  Karl,  Die  Entstehungszeit  der  germanischen  Göttergestalten.    Brunn: 

Carl  Winiker  1904.     8".     Vom  Verleger. 
:;.").    Lasch,    Richard,     Die    Landwirtschaft    der    Naturvölker.      Berlin    1904.      8°.      (Aus: 

Zeitschr.  für  Sozialwissenschaft,  VII.  Bd.)     Gesch.  d.  Verf. 
"heppard,  Thomas,  Quarterly  Record  of  Additions,  No.  VIII.     Hüll  Museum  Publi- 

cations.     No.  19.     IIull   L904     8°.     Vom   Museum. 
37.    Chamberlain,  Alezander  F.,  The  contributions  ofthe  american  Indian  to  civilization. 

o.O.   19Q3.     8°.     (Aus:  Proceed.  ofthe  American  Antiquar  Soc.)    Gesch.  d.  Verf. 
1   liainbcrlain,  Alexander  F.,  Primitiv«:  woman  as  poet.     New  York  1903.    8".     (Aus: 

Journal  of  American  Kolk-Lore  XVI.)     Gesch.  d.  Verf. 
39.    Werner,  Eigenartige  Entwicklang  der  Zwischenkieferbeine  .beim  Pferde.    Berlin  1904. 

I  ■'.      Ans:  Berl.  Tierarzt  I.  Wochenschrift.)    Gesch.  d.  Verf. 
10.    Friedman  n,  Hermann,  Die  Konvergenz  der  Organismen.    Berlin:  Gebr.  Paetel  1904. 

Vom  Verleger. 
'\\.    Schötensack,    Otto,    Über  die  Kunst  der  Thaynger  Höhlenbewohner.    Zürich  1904. 

4".     (Aus:   Nüesch,  das  Kesslcrloch.)     Gesch.  d.  Verf. 


—     535     — 

12.  Reinach,  Salomon,  Antiquites  nationales.  Description  raisonnee  du  UEusee  de  Saint- 
Germain-en  Laye  I   u.   II.     Paris:   Firmin-Didot  et  Cie.    o.  J. 

43.  Reinach,  Salomon,  Guide  illustre  du  Musee  National  de  Saint-Germain.  Pari>: 
Motteroz.   o.  J.    8°. 

■14.  Reinach,  Salomon,  Antiijuites  nationales.  Catalogue  du  Musee  de  Saint-Germain-en 
Laye.     Paris:  Motteroz.    o.  F.     8°. 

Nr.  42—44  Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Lissauer. 

45.  Dagh-Register  gehonden  int  Casteel  Batavia.  Uitg.  van  .1.  de  Hullu.  s-Gravenhage: 
M.  Nijhoff  1903.    8°.    Gesch.  d.  Verf. 

16.  I  hlingensperg  auf  Berg,  Max  v.,  Der  Knochenliügel  am  Langacker.  Wien  L904. 
<1".     (Aus:  Mitteil,  der  Anthrop.  Ges.  in  Wien  XXXI V.)     Gesch.  d.  Verf. 

IT.  Matiegka,  H.,  Über  die  Bedeutung  des  Hirngewichts  beim  Menschen.  Wiesbaden 
L904.  8°.  (Aus:  Anatom.  Hefte,  l':'>.  Bd.  —  fJber  die  Beziehungen  des  Hirn- 
gewichts zum  Berufe.  Leipzig  1904.  8°.  (Aus:  Politisch-anthropol.  Revue  III.' 
Gesch.  d.  Verf. 

48.  Giuffrida-Ruggeri,  V.,    II   profilo    della    pianta    del    piede   nei  degenerati  e  nelle 

razze  inferiori.     Torino  1904.    S".    (Aus:  Arch.  di  Psicliiatria  XXV.) 

49.  Giuffrida-Ruggeri,  V.,    Ossements  du  neolithique  recent  trouves  ä  Verone.     Paris 

1904.    8°.    (Aus:  L'anthropologie  XV.)    Gesch.  d.  Verf. 

50.  Schumann,    Hugo,    Die  Steinzeitgräber  der  Uckermark.     Prenzlau:    A.  Mieck   1904. 

4°.     Gesch.  d.  Verf. 

51.  Schumann,  Hugo   und  A.  Mi  eck,    Das  Gräberfeld  bei  Oderberg-Bralitz.     Prenzlau: 

A.  Mieck  1901.    8".     Gesch.  d.  Verf. 

52.  Niederle,  Lubor,   Slovanske  staiiitnosti.     Dill.  Sv.  IL    v.  Praze:    Bur»ik  et  Kohout 

1904.     8°.     Vom  Verleger. 

53.  Rutot,  A.,    I   Communications.     Bruxelles:  Hayez  19(i;'» ,<M..    8°.    (Aus:  Bull,  de  la  Soc. 

d' Anthropologie  de  Bruxelles.)     Gesch.  d.  Verf. 

54.  Rutot,  A.,    Le  Prehistorique    dans    PEurope  centrale  .  .  .  Industries    de   la  Pierre   a 

Pexclushm  du  neolithique   en   1903.     Namur  1904,    8°.     (Aus:    Compte  rendu  'In 
Congres  d'Archeol.  et  Hist..  Dinant  1903.)    Gesch.  d.  Verf. 

55.  Bai),  Hans,   Die    Colostrunibilduug   als    physiologisches   Analogon    zu   Entzündungs- 

vorgängen.    Berlin:  A.  Hirschwald  1904.     8°.     Gesch.  d.  Verf. 
50.    Hirn,  Yrjii,  Der  Ursprung  der  Kunst.     Aus  dem  Englischen  übersetzt  von  M.Barth, 
durchgesehen  und  durch  Vorwort  eingeleitet  von  Paul  Barth.      Leipzig:    J.  A. 
Barth  1! ml.    8°.     Vom  Verleger. 

57.  Jeremias,    Alfred,     Das    alte    Testament    im    Lichte    des    alten    Orient-.      Leipzig: 

.1.  0.  Hinrieh  1904.     8°.     Gesch.  v.  Hrn.  Baron  v.  Landau 

58.  Karutz,  Weitere  afrikanische  Hörnermasken.    Leiden  1903.    4°.     (Au>:  Entern.  Archiv 

f.  Ethnographie,  Bd.  XVI.)     Gesch.  d.  Verf. 

59.  Ambro setti,    Juan    B.,    Cabeza    Humana   .  .  .   do    los  iudios  Jiwaros,    del   Ecuador. 

Buenos  Aires  1903.    8°.    (Aus:  Anales  del  Musen  Naciona]  de  Buenos  Aires  I\. 
Gesch.  d.  Verf. 

60.  Grünwedel,  Albert.  Mythologie  des  Buddhismus  in  Tibet  und  der  Mongolei.    Leipzig: 

F.  A.  Brockhaus  L900.     I".    Angekauft. 

61.  Soler,   Ed.,    Archäologische   Untersuchungen    in    Co>tariea.     Braunschweig   L904.     3 

(Aus:  Globu8j  Bd.  85.)     Vom  Verleger. 

62.  Hrdlißka,    Ales,    Notes    on    the    Indians    of   Sonera.     Meli«    .     Lancaster  1904.     8 

(Aus:    American   Anthropologist,  Vol.  (1.) 
ti.">.    Ilrdlicka,  Ales,  Anomalous  articulation  and  fusion    of    the    atlas    with    the  occipital 

Cone.     Washington  1904.    8°.     Aus:     Bledica)    Vnnals  III. ^    Gesch.  d.  Verf. 
04.   Helm.  Nieter,  Kulturpflanzen  und  Hausticrc  in  ihrem  Übergang  aus  Asien.    Herausg. 

von  0.  Schrader    und    A.  Engler.     T.  Aufl.     Berlin:    Gebr.  Borntracger  1902. 

I".     Angekauft. 

65.  Hohn,  Victor,    Das  Salz.     •_'.  Aufl.  mit  Nachwort   von    0.  Schrader.     Berlin:    Gebr. 

Borntraeger  1901.     8°.     Angekauft. 

66.  Kraemer.    Hans.    Weltall    und    Menschheit.     Bd.   III    u.    IV.      Berlin      Bong   &    I 

o.  J.     I '.    Vom  Verleger. 


—     536     — 

CT.    Risley,  II.  H.,  und  E.  A.  Gait,    India  Part.  I  u.  II.     Calcutta:    Gov.  Pr.  1903.     4*. 

(Aus:    Census  of  India  1901.     Vol.  I  u.  IA.)    Vom  India  Office  Calcutta. 
G8.    Risley,  H.  H.,  India  Ethnographie  appendices.     Calcutta:  Gov.  Pr.  19()3.     4°.     (Aus: 

Census  of  India  1901.    Vol.  I.)     Vom  India  Office  Calcutta. 
G9.    Chamberlain,  Alexander  F.,  Primitive  taste-words.    o.  0.  190.'»    8U.     (Aus:    Americ. 

Journ.  of  psychology.  vol.  XIV.)     Gesch.  d.  Verf. 
TU.    Bibliotheca   geographica,    Bd.  VII— IX.     Jahrg.    1898-1900.     Berliu:    W.   H.    Kühl 

1901/03.    8°.     Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Lissauer. 

71.  Capitan,   Breuil   et    Charbonneau-Lassay,   Les   rochers   graves    de   Vendee.     Paris: 

F.  Alcan  1904.    8IJ.     (Aus:    Revue  de  PEcole  d'Anthropologie  de  Paris.)    Gesch. 
d.  Verf. 

72.  Capitan,  Les  origines  de  Part  en  Gaule.     Paris  1902.    8°.     (Aus:  Comptes  rendus  de 

l'Assoc.  Franr.  p.  PAvanc.  des  Sciences.)     Gesch.  d.  Verf. 

73.  Capitan,   Etüde    des  silex  recueillis    par   M.  Amelineau.     Dans    les  tombeaux  ar- 

chaiques  d'Abydos  (Egypte).    Paris:  F.  Alcan  1904.     8°.     (Aus:  Revue  de  PEcole- 
d'Anthropologie.)     Gesch.  d.  Verf. 

74.  Wimmer,    Ludv.  F.  A.,  De  Danske  Runemindesmaerker,  Bd.  IV.  1,  Runeligstene  og 

Mindesmaerker    knyttede   til   kirker.     K«benhavn:    Gyldendal    1903—1904.     2°. 

K.  Nordiske  Oldskrift-Selskab. 
7ö.    Peyrony,    Les   Eyzies    et   les    environs.     Aux   Eyzies.     Levallois- Perret    190:;.     Sn. 

Gesch.  d.  Verf. 
70.    Berichte  über  die  Tätigkeit  der  Provinzialkommission   für   die  Denkmalpflege  in  der 

Rheinprovinz    und    der   Provinzialmuseen    zu  Bonn  und  Trier,   Bd.  VIII.     1903. 

Düsseldorf:  L.  Schwann  1904.     Gesch.  d.  Hrn.  Lehner-Bonn. 

77.  Doudou,  Ernest,    et  Capitan,    Note    sur   des  graines  de  vegetaux  trouvees  dans  la 

breche  prehistorique  de  la  seconde    grotte  d'Engis    (Belgique).     Paris:    F.  Alcan 
1904.    8°.     (Aus:  Revue  de  PEcole  d'Anthropologie)     Gesch.  d.  Verf. 

78.  Chantre,  Ernest,  Les  Bicharieh  et  les  Ababdeh.    Lyon  1900.    4".     (Aus:   Acad.  des 

Sciences,  Belles-Lettres  et  Arts  de  Lyon.)     Gesch.  d.  Verf. 
7(.t.    Stolyhwo,    K.    [Polnisch],    Schädel  ...  aus    der   grossen    Höhle    an    der   Korytaner 
Schlucht.     Krakau    o.  J.     8".      (Aus:    Materyal.    Komisyi    antropolog.-archeolog. 
T.  VII.)     Gesch    d.  Verf. 

80.  Hadaczek,  Karol   [Polnisch],   Der  Goldschatz    von   Michalkow.     Lemberg:    Museum 

Dzieduszycky  1904.    4°.     Gesch.  d.  Verf. 

81.  Salin,  Bernhard,    Die  altgennanische  Tierornamentik.     Aus  dem  Schwedischen  über- 

setzt von  J.  Mestorf.     Berliu:  A.  Asher  &  Co.  1904.     4U.     Vom  Verleger. 

82.  Fritsch,    Gustav,   Ägyptische  Volkstypen  der  Jetztzeit.     Wiesbaden:    C.  W.  Kreidel 

1904.     qu.  4°.     Gesch.  d.  Verf. 

83.  Fritsch,    Gustav,    Ist    die    Darstellung   des    Nackten    anstössig?     Berlin    1901.    8". 

(Aus:    „Photographische  Correspondenz")     Gesch.  d.  Verf. 

84.  Fritsch,  Gustav,    Über   die  Verhältnisse    des  menschlichen  Körpers  nach  Rasse  und 

Geschlecht.     Leipzig:  B.  G.  Teubner  1902.    8°.    (Aus:  Natur  und  Schule,  Bd.  I.) 
Gesch.  d.  Verf 

85.  Fritsch,   Gustav,    Die  Urheimat   der   Indogenuanen.     Eisenach   und   Leipzig:    Thü- 

ringische   Verlagsanstalt    1904.     8".     (Aus:    „Politisch-Anthropologische  Revue", 
Jahrg.  III.)     Gesch.  d.  Verf. 

86.  Fritsch,  Gustav,    Der  Wert  des  Burenelements    für    die  Kolonisation  von  Südafrika. 

Eisenach  und  Leipzig:  Thüringische  Verlagsanstalt  1902.     8".     (Aus:  „Politisch- 
Anthropologische  Revue",  Jahrg.  I.)     Gesch.  d.  Verf. 

87.  Fritsch,  Gustav,    Bekleidung   und  Sittlichkeit.  —  Reformtracht  oder  Normaltracht? 

Eisenach  und  Leipzig:    Thüringische  Verlagsanstalt   o.  J.     8U.     (Aus:    „Politisch- 
Anthropologische  Revue",  Jahrg.  I  u.  IL)     Gesch.  d.  Verf. 

(Abgeschlossen  den  18.  Juni  1904.) 


I.   Abhandlungen  und  Vorträge. 


1.  Erster  Bericht  über  die  Tätigkeit  der  von  der  Deutschen 

anthropologischen   Gesellschaft  gewählten  Kommission  für 

prähistorische  Typenkarten. 

Erstattet  auf  der  :->.r>.  allgemeinen  Versammlung  in  Greifswald 
am  4.  August   1904. 

Von 

A.  Lissauer- Berlin. 
(Hierzu  .'>  Kartenbeilagen.) 

Die  Organisation,  welche  die  Gesellschaft  in  der  Generalversammlung 
zu  Worms  für  die  Herstellung  prähistorischer  Typenkarten  beschlossen, 
hat  sich  im  ersten  Arbeitsjahre  vortrefflich  bewährt.  Nicht  nur  haben 
fast  alle  von  der  Gesellschaft  erwählten  Mitglieder  der  Kommission1)  an 
der  Sammelforschung  selbst  teilgenommen  oder  für  sich  Vertreter  gestellt, 
Mindern  auch  eine  ganze  Reihe  anderer  geschätzter  Prähistoriker  des  In- 
und  Auslandes  war  'bemüht,  unsere  Arbeiten  zu  fördern,  —  das  beste 
Zeichen  dafür,  dass  dieselben  einem  allgemeinen  Bedürfnis  der  Zeit  ent- 
sprechen. Zur  Vervollständigung  der  Liste  unserer  Kommissiousmitglieder 
seien  hier  die  neuen  Mitarbeiter  genannt: 

Für  Hrn.  Back  trat  Hr.  B.  Müll  er- Darmstadt  ein,  für  Hrn.  Henning- 
Strassburg  Hr.  Naue  jun. -München,  für  Hrn.  Koeppe-Münsrer  Hr.Worm- 
stall- Coesfeld,  für  Hrn.  Lemcke  Hr.  Stubenrauch- Stettin  und  für 
Hrn.  Voss  Hr.  Brunner  -  Berlin.  Neu  hinzugetreten  sind:  Fräulein 
Schlemm-Berlin  und  die  Herren  Auerbach-Gera,  Bau  mann- Mannheim, 
Birkner-München,  Edelmann-  Sigmaringen.  Gundermann -Tübingen, 
Hausmann-  Dorpat,  Hildebrand  -  Speyer,  Kossinn a-  Berlin,  Leiner- 
Konstanz,  Märton-Budapest,  M. e h lis- Neustadt a.d.H.,  flaue  sen.-München, 
Pic-Prag,  Pollinger-Landshut,  Schweizer-Freiburg  LB.,  Steinmetz- 
Regensburg,    Welcker-Frankfurl  n.M.  und  Zechlin-Salzwedel. 

Im  ganzen  sind  von  58  Mitarbeitern  Beiträge  eingesandt  worden.  Es 
ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  allen  diesen  Eerren  und  Damen  im 
Namen    der    Zentralkommission    den    wärmsten   Dank    auszusprechen    und 


l    Korrespondenzblatt  der  Deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  1903,  S.  L25. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Heft  5.  ,;;, 


—    :m    — 

damit  die  Bitte  zu  verbinden,  unseren  Arbeiten  auch  in  den  folgenden 
Jahren  ihre  Unterstützung  zu  schenken. 

Die  Aufgabe,  welche  die  Zentralkommission  sich  im  abgelaufenen 
Arbeitsjahre  gestellt  hatte,  war  die  Herstellung  dreier  Karten,  auf  denen 
die  Verbreitung  der  verschiedenen  Typen  der  Flach-  und  Randäxte,  der 
Ruder-  und  Scheibennadeln  und  der  Radnadeln  in  Deutschland  dargestellt 
werden  sollte. *) 

Die  Nachbarländer  wurden  hierbei  im  Text  und  in  der  Legende  zu 
den  Karten  soweit  berücksichtigt,  als  uns  die  dortigen  Verhältnisse  be- 
kannt waren,  dagegen  für  die  Karte  selbst  natürlich  nur  soweit,  als  der 
Rahmen  derselben  es  zuliess. 


I.    Die  Typenkarte  der  Flach-  und  Randäxte. 

(Hierzu  Kartenbeilage  I.) 
Wie  notwendig  die  Einführung  einer  einheitlichen  Terminologie  für 
die  deutsche  Prähistorie  ist,  lehrt  am  besten  das  Kapitel  der  Äxte. 
Während  die  Franzosen  das  Wort  hache,  die  Italiener  ascia,  die  Eng- 
länder das  Wort  celt  allgemein  gebrauchen,  herrscht  bei  den  deutschen 
Prähistorikern  eine  grosse  Verschiedenheit  in  der  Bezeichnung  der  Metall- 
äxte. Einige  bevorzugen  das  Wort  Beil  (Osborne,  Hörn  es),  andere  be- 
dienen sich  mit  Vorliebe  des  Wortes  Celt  oder  Kelt  oder  Paalstab  und 
zwar  in  ganz  verschiedenem  Sinne,  so  dass  durch  diese  Bezeichnung  die 
grösste  Verwirrung;  entstehen  muss.  Eine  kleine  Auslese  aus  vielen  Bei- 
spielen  mag  dies  bezeugen. 
Unter  Celt  versteht: 

Osborne  alle  Äxte  ausser  denen  mit  transversalem  Schaftloch; 
Heierli  (Kelt)  alle  Äxte  ausser  den  Lappenäxten;  Linden- 
schmit,  Marchesetti,  Hörnes  und  Sophus  Müller  nur  die 
Tüllenäxte;  M.  Much  (Kelte  mit  Schaftgraten)  nur  die  Randäxte; 
Hampel  nur  die  Tüllenäxte;  Szombathy  (Flachäxte  mit  Schaft- 
graten) nur  die  Randäxte. 
Unter  Paalstab  verstehen: 

Marchesetti,     M.    Much     und    Sophus     Müller    die    Randäxte; 

Hampel  die  Rand-    und   Lappenäxte;    Evans    die    Lappen-    und 

Absatzäxte;  Hörnes  die  Lappenäxte;    andere  nur  die  Absatzäxte. 

Wir  schlagen  daher  vor,    das    bekanntlich    aus    einem   Schreibefehler 

hervorgegangene  Wort  Celt  (Kelt),  ebenso  wie  das  ursprünglich  isländische 

Wort    Paalstab    aus    der    deutschen    Prähistorie    ganz    zu    verbannen    und 

empfehlen    'las  Wort    Axt    dafür    als    allgemeine  Bezeichnung,    nicht  nur 

weil  die   Franzosen    und   Italiener    ein    ähnliches  Wort  dafür    gebrauchen, 

sondern    auch    weil   Montelius   in   seiner  deutschen  Abhandlung,    Chrono- 

logie    der    ältesten    Bronzezeit    in    Norddeutschland    etc.,    S.  20,    Anm.  6, 

dasselbe    bereits    eingeführt   hat. 


1)  In    dem    folgenden    Berichte    sind    stets  Funde  aus  Bronze    gemeint,  wenn  nichts 
anderes  angegeben  ist. 


—     539     — 

Indem  wir  nun  die  folgenden  Zusammensetzungen  des  Wortes  Axt 
für  die  fünf  Hauptformen  empfehlen,  fügen  wir  die  bisher  gebrauchten 
Synonyme  gleich  hinzu: 

1.  Flachaxt  =  Flaehcelt  (Osborne);  Haches  plates;  flatcelts. 
,  _'.  Randaxt  =  Kragencelt  (Osborne);  Leistenkelt  (Heierli);  Beil 
mit  Kandleisten  (Hörn es);  Kelt  mit  Schaftgraten  (Much);  Flach- 
;i\t  mit  Schaftgraten  (Szombathy);  Flachaxt  (Jentsoh);  Paal- 
stab  (Marchesetti  und  Mucli);  Haches  ä  bords  droits:  Planged 
celts. 
.*!.  Absatzaxt  =  Leistenkelt  (Osborne);  Absatzkelt  (Heierli):  Al>- 
satzbeil  (Hörnes);  Axt  mit  Steg  (Voss);  Axt  mit  Käst  (Mon- 
telius);  Nutencelt  (Olshansen);  Paalstab  (verschiedene  Autoren); 
Haches  a  talon;  Celts  with  stop-ridge. 

4.  Lappenaxt  =  Lappencelt  (Osborne);  Lappenbeil  (Heierli);  Beil 
mit  Schaftlappen  (Hörnes);  Paalstab  (Evans.  Hörnes);  Haches 
;i   ailerons;  winged  celts. 

5.  Tüllenaxt  =  Hohlcelt  (Osborne);  Hohlbeil  (Hörnes);  Kelt 
(Hörnes);  Celt  (Lindenschmit  und  .Marchesetti);  Haches  ä 
donilles;  stocketed  celts;  ascia  ä  cartoccio. 

6.  Lochaxt  =  Axt  (Osborne):  Streithammer  (Hampel). 
Soviel  zur  Terminologie.  — 

Verzeichnis  der  in  diesem  Bericht  oft  vorkommenden  Abkürzungen. 

A.  h.  V.  =  Altertümer  unserer  heidnischen  Vorzeit.  AI.  =  Altertumskunde.  Alb.  =  Album. 
Ar.  -  Archiv.     At.  =  Atlas. 

Bl.  =  Blätter.  Br.  =  Bronze.  In-.  =  breit.  B.  V.  =  Verhandlungen  der  Berliner  Anthro- 
pologischen Gesellschaft. 

C.  =  Correspondenzblatt. 

Dep.  =  Depotfund. 

v.  Estorif  =  Heidnische  Altertümer  der  Gegend  von  Ülzen-Hannover.      Ex.  =  Exemplare. 

Fr.  =  Fragmente. 

G.  =  Gesellschaft.    Ge.  =  Geschichte.     Gr.  =  Grab.     Gr.  Br.  =  Grösste  Breite. 

H.  Gr.  =  Hügelgrali.     Hst.  =  Historischer. 

K.  =  Katalog.     K.  Gr.  =  Kegelgrab.      K.  M.  f.  V.  =  König!.  Museum  für  Völkerkunde. 

1.  =  lang. 

M.  =  Museum.  Meckl.  J.  =  Mecklenburgische  Jahrbücher.  Meckl.  Schw.  =  Mecklenburg- 
Schwerin.  Meckl.  Str.  =  Mecklenburg-Strelitz.  Mitt.  =  Mitteilungen.  Montelius 
=  Chronologie  der  ältesten  Bronzezeit  in  Norddeutschland  und  Skandinavien, 
Braunschweig  1!»00.  Montelius,  Italie  =  La  civilisation  primitive  en  Italie  .  .  . 
Stockholm  1S'.»5.  Moor  =  Moorfund.  Müller-Eeimers  Vor-  und  frühgeschicht- 
liche Altertümer  der  Provinz  Hannover,  Hannover  L893. 

Nachrichten  =  —  über  deutsche  Altertumsfunde. 

Osborne  =  ..  .  Das  Beil  und  seine  typischen  Formen,  Dresden   1887. 

Pam.  =  Pamatky.  Pf.  =  Pfahlbau.  Ph.  Alb.  =  Photographisches  Album  <ler  prähistorischen 
Ausstellung  in  Berlin.  Binder  =  Bericht  über  die  heidnischen  Altertümer  der 
ehemals  kurhessischen  Provinzen,  Cassel  1878.  Pos.  Alb.  =  Album  der  Denk- 
mäler des  Grossherzogtums  Posen  von  Erepcki  und  Köhler,  Posen  1890. 
Pr.  =  Prähistorisch. 

liicblv        Die  Bronzi'/.eit  in  Böhmen,  Wien   1S94. 

S.  =  Sammlung.     Sehr.  =  Schriften.     Sk.       Skelett. 

Tf.  =  Tafel. 

V.  =  Verhandlungen.    Ver.  =  Verein. 

35 


—     540     — 

Westdeutsche  =    —  Zeitschrift    für  Geschichte  und  Kunst.     Wiener  Mitt.  =  Mitteilungen 

der  Wiener  Anthropologischen  Gesellschaft. 
Z.  =  Zeitschrift.     Z.  f.  E.  =   Zeitschrift   für   Ethnologie.     Z.  f.  Hessische  G.    =    ...  und 

Landeskunde  in  Kassel. 

A.  Die  Flachäxte  aus  Bronze. 

Wenn  wir  nun  zur  Verbreitung  der  Flachäxte  aus  Bronze  in  Deutsch- 
land übergehen,  so  sind  durch  unsere  Sammelforschung  im  ganzen 
70  Fundorte  mit  81  Exemplaren  zur  Kenntnis  gekommen.  Die  ersten 
Metalläxte  sind  ja  sicher  aus  Kupfer  gegossen  worden  und  zwar  nach  den 
Yorbildern  der  einfachsten  keilförmigen  Steinäxte,  weil  sowohl  die  Her- 
stellung der  Form  als  des  Gusses  nach  diesen  am  leichtesten  war.  Als 
man  die  Bronze  kennen  lernte,  ahmte  man  zuerst  die  Form  der  keil- 
förmigen Kupferäxte  mit  gestreckten  Seiten  ebenfalls  nach  (Fig.  1).  Allein 
es  scheint,  dass  man  bald  auch  zu  den  Äxten  mit  geschweifter  Form 
überging  (Fig.  2);  denn  die  chemische  Analyse  hat  ergeben,  dass  beide 
Formen  aus  zinnarmer  Bronze  gegossen  worden  und  zwar  in  demselben 
Fimdo-ebiet.  Es  sind  also  wahrscheinlich  schon  in  jener  frühen  zinn- 
armen  Bronzezeit  sowohl  gestreckt  keilförmige,  wie  geschweifte  .Flachäxte 
verfertigt  worden. 


Fig.  3 


Fig.5 


Die  Feststellung  des  Fundgebietes  der  Flachäxte  ist  deshalb  von 
Interesse,  weil  wir  dadurch  erfahren,  wo  in  Deutschland  die  Bronze  über- 
haupt  zuerst  angewendet  worden.  Überblicken  wir  nun  das  deutsche 
Fundgebiet,  so  finden  wir  Flachäxte  das  ganze  Rheintal  hinab  von  Elsass 
und  Baden  (Württemberg)  au  bis  zur  Rheinprovinz  und  Hessen-Nassau 
hin:  ferner  in  Thüringen,  in  der  Provinz  Sachsen,  in  Hannover  bis  nach 
Schleswig-Holstein  hin;  ferner  in  Schlesien,  Posen,  Brandenburg  und 
Pommern;  nur  aus  Bayern,  Westfalen,  dem  Königreich  Sachsen,  und  aus 
West-  und  Ostpreussen  sind  keine  Funde  angegeben.  Es  ist  daher  von 
_, t - , .  —  .iii  Interesse,  durch  weitere  Untersuchungen  dieses  Verhältnis  genau 
festzustellen. 

ausserhalb  Deutschlands  kennen  wir  die  Flachäxte  schon  aus  den 
Terramaren  Ober-Italiens,  aus  der  Schweiz,  aus  Ungarn  und  Böhmen,  und 
im  Norden  aus  Skandinavien,  England  und  Irland,  wo  sie  ganz  besonders 
belieb!  gewesen  sein   müssen,    da    sie    dort    oft  auf  dem   Klingenblatt  und 


—     541     — 

auf  den  Seiten  schön  ornamentiert  wurden  (Fig.  3).  Dass  Flachäxte  aus 
Bronze  auch  in  Ilissarlik  and  auf  Cypern  gefunden  worden,  darf  ich  hier 
nur  flüchtig  erwähnen. 

Was  nun  die  Beschaffenheit  der  Kahn  Im 'trifft,  s<»  [et  dieselbe  fast 
stets  -viade  allgeschnitten  (Fig.  1),  selten  oben  gerundet  (Fig.  2);  eine 
Flach axt  aus  Nord-Dithmarsehen  zeigt  schon  einen  Ausschnitt  des  oberen 
Randes1)  (Fig.  4),  während  die  trojanischen  ein  Loch  im  oberen  Bahnteil 
besitzen  (siehe  S.  542   Fig.  10g). 

Die  Sehneide  ist  in  der  Regel  nur  flach  bogenförmig  und  schmal 
(Fig.  1  und  2),  selten  breiter;  selten  ist  sie  fast  gradlinig  und  noch 
seltener,  an  einem  Exemplar  aus  .Mainz  und  dem  obigen  Exemplar  aus 
Nord-Dithmarschen  (Fig  4),  ist  der  ganze  Schneidenteil  stark  geschweift 
mit  bogenförmigem   oberen  Rande. 

Von  besonderem  Interesse  ist  eine  Flachaxt  aus  der  Pfalz  im  Museum 
zu  Mainz,  welche  jene  kurze  und  breite  (lestalt  mit  fast  parallelen  graden 
Seiren  hat,  wie  wir  sie  von  den  ungarischen  Flachäxten  her  kennen  (Fig.  5). 
Andere;  Varianten  treten  bei  den  Flachäxten  nicht  auf. 

Soviel  geht  aus  den  bisherigen  Feststellungen  hervor,  dass  die  Bronze 
in  Deutschland  an  vielen  Stellen  ziemlich  gleichzeitig  in  Gebrauch  kam. 
Verfolgen  wir  nun  die  Verbreituno;  der  Flachäxte  auf  unserer  Karte 
genauer,  so  erscheint  es  wahrscheinlich,  dass  die  Bronze  in  die  Rheinebene 
von  Italien  und  der  Schweiz,  nach  Ostdeutschland  aber  von  Ungarn  über 
Böhmen  importiert  und  von  beiden  Seiten  dann  mehr  oder  weniger  schnell 
bis  zum  Norden  verbreitet  worden  ist. 

Die  meisten  Funde  sind  Einzelfunde.  .Jedoch  stammen  mehrere  Äxte 
aus  Depotfunden  her,  zwei  ans  Gräbern,  zwei  aus  dem  Rhein,  zwei  aus 
Mooren,  eine  aus  einem  Wohnplatz  —  abgesehen  von  den  Terramaren 
Italiens  und  der  zweiten  Stadt  Trojas. 

Was  nun  die  relative  Zeitstellung  der  Flachäxte  aus  Bronze  betrifft, 
so  haben  wir  schon  oben  erwähnt,  dass  sie  wohl  die  unmittelbaren  Nach- 
folger der  Kupferäxte  sind,  also  in  die  frühe  Bronzezeit  gehören.  Man 
könnte  diesen  A.bschnitt  daher  die  Zeit  der  Flachäxte  aus  Bronze  nennen. 
Jedoch  kommen  einzelne  Exemplare  noch  in  der  folgenden,  der  Periode 
der  Randäxte  vor.  so  in  den  Depotfunden  von  Glogau,  Stachel.  Pile,  aller- 
dings stets  nur  vereinzelt,  während  die  Randäxte  jedesmal  in  weit  grösserer 
Zahl   vertreten  sind,  wie  die  Legende  S.  550 — 553  zeigt. 

B.   Die  Randäxte. 

Wenn  die  Verbindung  der  Flachaxt  mit  dem  Stiel  noch  so  fest  her- 
gestellt war.  sie  musste  beim  Gebrauch  doch  oft  gelockert  werden,  so 
dass  die  Wirkung  des  Hiebes  alsbald  sehr  beeinträchtigt  wurde.  Fs  war 
daher  ein  grosser  technischer  Fortschritt,  als  es  gelang,  durch  Um- 
gestaltung der  Flachaxt  diese  leichte  Verschiebbarkeit  der  Schaffung  zu 
verhindern,  um  das  Ausweichen  nach  der  Seite  anmöglich  zu  machen, 
erhöhte    man    die  Ränder  der  Flüche    auf   beiden    Seiten,    anfangs    kaum 

1    Auf  die  Bedeutung  dieses  Ausschnittes  kommen  wir  S.  .Ml  genauer  zurück. 


—     542     — 

merklich,  später  immer  höher  und  kräftiger,  so  dass  aus  der  Flachaxt 
eine  Axt  mit  erhöhten  Kanten  oder  Rändern  oder  kurz  ausgedrückt  eine 
Randaxt  wurde. 

Diese  Erfindung  ist  aber  sicher  schon  in  der  jüngeren  Steinzeit  vor- 
bereitet worden.  Im  Pfahlbau  von  Robenhausen  wurde  eine  Steinaxt  mit 
Stiel  gefunden,  welche  mit  den  Flächen  zwischen  zwei  Lappen  oder 
Wangen  des  knieförmigen  Stieles  eingesetzt  und  mit  Bastschnüren  fest- 
gebunden war  (Fig.  6).  Diese  Verschnür ung  war  zur  Zeit,  als  die 
Metalläxte  bekannt  wurden,  wohl  die  beliebteste;  denn  die  verschiedenen 
Typen  der  Randäxte  sind  im  wesentlichen  nur  ebensoviele  Versuche,  diese 
Art  der  Schaffung  zu  vervollkommnen.  Das  Museum  in  Oldenburg  besitzt 
ein  interessantes  Exemplar  von  Altmoyte,  welches  auf  einer  Seite  noch 
ganz  flach  ist,  auf  der  andern  Seite  aber  niedrige  Randleisten  zeigt,  also 
einen  Übergang  von  den  Flach-  zu  den  Randäxten  darstellt.  Auf  der 
flachen    Seite    sind    nun    deutlich    einige     Umdrucke    der    einstigen  Ver- 


No.S 


schnürung  zu  sehen  (Fig.  7,  a  u.  b).  Das  Kabinetsmuseum  in  Darmstadt 
besitzt  ferner  eine  Randaxt  aus  Bayerseich,  bei  welcher  die  eine  Wange 
der  Schaffung  noch  ziemlich  erhalten  ist,  so  dass  man  seine  ganze  Ursprung* 
liehe  Ausdehnung  erkennen  kann  (Fig.  8). 

Allein  je  weniger  die  Schäftungswangen  nach  der  Seite  hin  aus- 
weichen konnten,  desto  mehr  musste  die  Axtklinge  bei  jedem  Hiebe  nach 
oben  in  das  Schaftknie  des  Stieles  und  die  Versclmürung  desto  mehr 
nach  der  Schneide  zu  hingedrängt  werden.  Um  nun  die  Verschiebung 
nach  unten  einzuschränken,  verjüngte  man  die  anfangs  gerade  und  ge- 
streckte Seitenfläche  kurz  vor  «lein  Ende  der  Schaftwange  mehr  oder 
weniger,  damit  die  Verschnürung  an  der  folgenden  Erweiterung  einen  Halt 
erfuhr  (Fig.  8)  oder  man  knickte  die  Seiten  -;uiy.  ein  (Fig.  17  S.  547);  zuletzt 
machte  man  das  Küngenblatt  selbst  an  der  Stelle,  wo  die  Schäftungs- 
Lappen  endeten,  dicker,  so  dass  eine  Art  Steg  entstand  (Fig.  9),  welcher 
weiter  zur  Bildung  eines  Absatzes  oder  einer  Käst  führte.  Doch  haben 
wir  diese  A.bsatzäxte  aichi  in  das  Arbeitsprogramm  dieses  Jahres  auf- 
genommen. 


—    543    — 


l'in  ferner  die  Verschiebung  nach  oben  zn  verhüten,  bildete  man  die 
ursprünglich  gerade  Bahn  in  verschiedener  Weise  um  (Fig.  10,  a  —  f). 
.Man  machte  sie  entweder  rund  oder  winklig  oder  buchtete  sie  mehr  oder 

weniger    aus,    u ine    Spaltung-    des  Stielknies    möglichst    zu    verhüten. 

Alle  diese  Umbildungen  der  Flachaxt  dienten  ursprünglich  nur  dazu,  die 
Drehung  oder  sonstige  Verschiebbarkeit  der  Axt  zu  verhindern;  denn 
nur  bei  einer  ganz  festen  Verbindung  zwischen  Stiel  und  Axtklinge  wurde 
die  volle  Schwungkraft  des  Hiebes  ausgenutzt. 

Mehrere  Äxte  zeigen  an  den  Seitenflächen  Einkerbungen,  welche  ur- 
sprünglich sicher  zum  Zwecke  der  festen  Umschnürung  erzeugt,  später 
alier  als  Motiv  zur  Ornamentierung  verwertet 
worden  sind;  die  schönen  Kabelornamente  an  den 
dänischen,  englischen  und  irischen  Äxten  dürften 
sich  weiterhin  aus  diesen  Motiven  entwickelt  haben. 
Bald  inusste  man  aber  die  Erfahrung  machen, 
dass  die  Wirkung  des  Hiebes  sich  auch  mit  der 
Grösse  der  Schneide  vergrössert  (Montelius) 
und  so  gestaltete  man  den  anfangs  fast  geraden 
Schneideiiteil  immer  mehr  Ix  »gen  förmig,  zuerst 
Ihn di  und  schmal,  dann  immer  breiter  und  tiefer, 
oft  bis  zu  ganz  sonderbaren  Formen  (Fig.  11, 
A— H). 

Wo  diese  verschiedenen  Versuche  gemacht 
wurden,  die  Randaxt  technisch  zu  vervollkommnen 
und  in  welcher  Reihenfolge,  das  ist  heute  nicht 
mehr  sicher  zu  ermitteln.  Nur  bei  einigen  Formen 
können  wir  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlich- 
keit feststellen,  wo  sie  erfunden  sind,  während 
wir  für  die  Reihenfolge  derselben  ein  Fortschreiten 

von    den    einfachen  Formen    zu  vollkommeneren  im   allgemeinen   als  zu-, 
treffend  annehmen  können. 

Wenn  wir  nun  die  Zahl  aller  verschiedenen  Umwandlungen  der 
Axtklinge,  der  Bahn  und  der  Schneide  miteinander  kombinieren,  so  er- 
halten wir  daraus  allein  schon  über  200  mögliche  Formen;  da  sich  aber 
als  Resultat  der  diesjährigen  Sammelforschung  ergab,  dass  viele  all- 
mähliche l  bergänge  von  der  einen  Form  zur  andern  existieren,  welche 
die  oben  berechnete  Zahl  bedeutend  vergrössern,  so  stellte  sich  die  Not- 
wendigkeit heraus,  aus  den  eingegangenen  Meldungen  von  mehr  als 
l.">00  liandäxten  hestimmte  Gruppen  auszusondern,  welche  sich  durch  die 
wiederholte  Kombination  derselben  Merkmale  als  typische  kennzeichnen 
und  deren  häufiges  Vorkommen  i'1  bestimmten  Gebieten  beweist,  dass  sie 
dort  besonders  beliebt  und  gebräuchlich  waren. 

Nach  .lieser  Einleitung  werden  Sie  die  folgenden  Typen  der  Randäxte 
und  deren  Varianten,  soweit  sie  in  Deutschland  vorkommen,  mit  mir 
schnell  übersehen. 


—     544 


I.  Der  „armorikanische"  Typus  (Fig.  12). 

Der  einfachste  Typus  der  Randaxt  hat  eine  massive  Form  mit  fast 
gerade  gestreckten  Seiten,  einer  geraden  Bahn  und  einer  fast  geraden  oder 
nur  flach  bogenförmigen  Schneide.  Derselbe  kommt  in  Italien  bereits  aus 
Kupfer  vor;  aus  Bronze  kennt  man  ihn  besonders  aus  Sardinien  und 
Frankreich,  wo  er  von  der  alten  Landschaft  Armorika  als  Type  armoricain 
bezeichnet  wird.  Wir  behalten  daher  diesen  Namen  für  den  obigen  Typus 
zweckmässig  bei.  Seltener  ist  er  in  der  Schweiz,  wird  in  Deutschland 
immer  häufiger  schon  im  Rheintal  und  erreicht  im  Norden,  besonders  in 
Brandenburg,  eine  grosse  Verbreitung.  Mehr  als  ein  Viertel  aller  ge- 
meldeten deutschen  Exemplare  (12  von  40)  sind  in  diesem  Teile  Nord- 
deutschlands gefunden  worden. 

Doch  treten  häufig  Variauten  dieses  Typus  auf,  besonders  diejenigen, 

welche    an   der  Bahn,    mehr    oder    weniger    entwickelt,   jenen    rundlichen 

Ausschnitt    zeigen   (Fig.   10,   d— f),    der,    wie   Rudolf  Virchow 

7'9"-         zuerst  gelehrt,  in  Italien  so  allgemein  gebräuchlich  war  und  den 

wir  fortan  den  italischen  nennen  wollen. 

Die  Schneide  zeigt  zwar  zuweilen  einen  etwas  tieferen 
Bogen,  wird  aber  selten  sehr  tief  und  breit.  Wahrscheinlich 
ist  dieser  Typus  von  Sardinien  her  über  Frankreich  und  die 
Schweiz  in  das  Rheintal  eingedrungen  und  hat  sich  von  dort 
weiter  nach  Süd-  und  Norddeutschland  hin  verbreitet. 

Was  die  relative  Chronologie  betrifft,  so  ist  in  Westpreussen 
mit  einer  Axt  dieses  Typus  ein  Steinhammer,  in  Bayern  ein  Feuer- 
sreinmesser zusammen  gefunden  worden;  ferner  an  verschiedenen 
Orten  Randäxte  anderer  Typen,  trianguläre  Dolche,  Schwerter, 
Lauzenspitzen ,  Halsringe,  Radnadeln,  Scheibennadeln,  Nadeln  mit  ge- 
schwollenem Hals,  Armringe  mit  flachen  Endspiralen,  Golddrahtspiralen 
und  andere  Schmucksachen  der  älteren  Bronzezeit  in  Deutsehlaud,  so  dass 
wir  annehmen  müssen,  dieser  Axttypus  hat  sich  von  der  frühen  bis  in  die 
alte  Bronzezeit  hinein  lange  im  Gebrauch  erhalten.  Einen  Überblick  über 
die  Funde  des  reinen  Typus  ergibt   die  Legende  S.  553— 556. 

2.  Der  „norddeutsche"  Typus  (Fig.  13). 

\)<-v  /.weite  Typus  der  Randäxte  ist  ebenso  kräftig  wie  der  erste. 
Die  Bahn  ist  ebenso  geradlinig  wie  dort;  allein  die  Seiten  sind  von  oben 
bis  unten  erst  sanft,  dann  unten,  wo  die  Schaftwangen  aufhören,  stärker 
geschweift;  die  Schneide  ist  flach  bogenförmig  gekrümmt,  bald  schmäler 
(Fig.  IIB),  bald  breiter  (Fig.  HC).  Auch  dieser  Axttypus  tritt  in  Italien 
bereits  aus  Kupfer  auf,  nimmt  aber  dort  in  <\cv  Bronzezeit  bereits  den 
italischen  Bahnausschnitt  an,  während  in  Prankreich  meist  die  typische 
Form  der  Bahn  beibehalten  wird.  In  Norddeutschland  ist  diese  A\i  ausser- 
ordentlich verbreitet,  wie  ein  Blick  auf  unsere  Karte  lehrt,  so  besonders 
in  Brandenburg,  Pommern,  West-  und  Ostpreussen,  desgleichen  in  der 
Provinz  Sachsen,  Mecklenburg,  Hannover,  Westfalen,  Oldenburg  und 
Schleswig-Holstein.  —  Ich  möchte  daher  diesen  Typus,  um  ihn  kurz  zu 
bezeichnen,    den  „norddeutschen"    nennen.     Jedoch   ist  er  auch  in  Skandi- 


—     54.")     — 


iiiivit'ii,  in  Süddeutschland,  in  Böhmen  und  Mähren  häufig  gefunden  worden, 
—  allein  nirgend  so  häufig  wie  in   Norddeutschland. 

Diese  Axt  variiert  alter  ausserordentlich,   so  dase  die  typische  Gestalt 

nur  in  etwa  einem  Drittel  aller  Funde  auftritt,  während  zwei  Drittel  ver- 
schiedene Kombinationen  in  der  Form  der  Bahn  and  Schneide  aufweisen. 
Oft  ist  die  Bahn  abgerundet,  noch  öfter  zeigt  Bie  den  italischen  Au  — 
schnitt,  besonders  in  Süddeutschland,  in  seltenen  Fällen  ist  sie  winklig. 
Ebenso  sehr  ändert  der  Schneidenteil  ab.  Am  häufigsten  ist  er  bogen- 
förmig und  hoch  (Fig.  HD),  selten  ganz  gerade,  noch  seltener  sehr  ver- 
breitert. Diese  Form  scheint  so  recht  \'üv  alle  möglichen  Versuche  zu 
grösserer   Vervollkommnung  der  Axt  benutzt  worden  zu  sein. 

In  Skandinavien  und  Grossbritannien  wurde  sie  häufig  schön  verziert, 
nicht  nur  auf  dem  Klingenblatt  durch  gravierte  Parallellinien,  sondern 
auch  auf  den  Seitenflächen  durch  Facetten  oder  durch  das  sog.  Kabel- 
ornament, eine  Sitte,  welche  auch  an  einigen  Äxten  dieses  Typus  in 
Deutschland  (Graes  in  Westfalen  und  Westerode  in  Hannover)  beobachtet 
worden  ist,  wenn  auch  nur  in  sehr  einfacher  Weise.  Solche  Exemplare 
dienten  natürlich   nur  zur  Parade  als  Zierwaffe. 

Fast  ein  Drittel  dieser  Äxte  zeigt  noch  auf  dem 
Klingenblatt  eine  ganz  Hache,  breite  Rinne,  welche 
zwischen  den  Randleisten  bis  nahe  zum  Beginn  des 
Schneidenteils  verläuft,  offenbar  um  den  Schäftungs- 
wangen  ein  festes  Lager  zu  bereiten  (Fig.  13).  Diese 
Variante  fehlt  aber  bisher  in  Süddeutschland.  wie  es 
scheint,  gänzlich. 

Die  Chronologie  dieses  Typus  ist  aus  den  be- 
gleitenden Funden  leicht  zu  bestimmen,  sie  fällt  mit 
der  des  arnioricanischeii  Typus  ganz  zusammen,  wie 
dies  aus  der  Legende  S.  äö(i — öfil    hervorgeht. 

3.  Der  ,,süddeutsche"  Typus  (Fig.  14). 

\)rv  dritte  Typus  der  Randäxte  ist  von  schlanker  Gestalt,  zeigt  schon 
in  der  .Mitte  eine  deutliche  Verjüngung  der  Axtklinge,  an  der  Bahn  den 
italischen  Ausschnitt  und  an  der  schmalen  Schneide  einen  kleinen  flachen 
liegen.  Auch  dieser  Typus  tritt  schon  früh  im  Süden  auf,  so  im  Pfahlbau 
von  Polada  tuu  Gardasee  zusammen  mit  Lanzen  und  Pfeilspitzen  aus 
Silex  und  triangulären  Dolchen  aus  Bronze,  desgleichen  in  der  Auvergne 
und  im  Dep.  des  Iseie  in  Frankreich,  ist  aber  in  Deutschland  in  seiner 
ganzen  Reinheit  selten,  am  häufigsten  noch  in  Süddeutschland,  weshalb 
wir  ihn.  um  ihn  von  den  andern  Formen  zu  unterscheiden,  den  süd- 
deutschen nennen  wollen,  wenngleich  er  in  Norddeutschland  nicht  ganz 
fehlt.  Dagegen  werden  die  zahlreichen  Varianten  dieser  Form  häufiger 
gefunden.  Vor  allem  ist  die  Axt  mit  vergrössertem  liegen  der  Schneide 
häufiger,  selten  mit  ganz  grader  Schneide;  ferner  ist  die  Bahn  oft  grade, 
selten  abgerundet. 

Die  begleitenden  Funde  ergeben  im  ganzen  dieselbe  relative  Zeit- 
bestimmung wie   liei   den   beiden   ersten  Typen:   doch   treten   hier  schon   zu- 


—     546     — 

weilen  jüngere  Formen,  Lappenäxte,  zweischneidige  Rasiermesser  u.  a.  m. 
auf,  welche  beweisen,  dass  dieser  Typus  sich  länger  im  Gebrauch  ge- 
halten hat.     Vgl.  hierzu  die  Legende  S.  561 — 562. 

4.  Der  „sächsische"  Typus  (Fig.  15). 

Eine  stärkere  Verjüngung  in  der  Mitte  gegenüber  der  Schneide  zeigt 
schon  ilef  vierte  Typus  der  Randäxte,  den  ich  den  „sächsischen"  nennen 
möchte,  da  er  in  der  Provinz  und  im  Königreich  Sachsen,  in  Thüringen 
und  Anhalt  nicht  nur  nach  der  Zahl  der  Fundorte  (fast  die  Hälfte), 
sondern  auch  nach  der  Zahl  der  Äxte  am  häufigsten  auftritt,  Die  grossen 
Massenrunde  von  Bonnewitz.  Schkopau,  Carsdorf  enthalten  mehr  als 
400  Exemplare  davon,  —  im  Königreich  Sachsen  ist  er  nach  den  bis- 
herigen   Krniittelungen  fast  alleinherrschend. 

Das  Klingenblatt  ist  in  der  Mitte  stark  eingezogen,  die  Bahn  ist  ab- 
gerundet (Fig.  15a)  oder  winklig  (Fig.  15b),  die  Schneide  ist  breit  und 
flach  bogenförmig.  Wenn  man  alle  Randäxte  mit  runder  Bahn  zu- 
sammenstellt, so  kommt  die  Hälfte  auf  diesen  Typus;  die  winklige  Bahn- 
form, welche  ja  überhaupt  selten  ist,  gehört  fast  ausschliesslich  (vier 
Fünfte]  aller  Fälle)  demselben  an.  Ausser  in  den  oben  genannten  Ländern 
kommt  dieser  Typus  rein  noch  öfter  in  Brandenburg,  Schlesien,  Böhmen 
und  Mähren  vor,  fehlt  aber  auch  in  Süddeutschland  nicht  ganz,  obwohl 
hier,  wie  in  Italien,  Prankreich  und  der  Schweiz  die  italische  Balmform 
und  die  tiefere  Bogenform  des  Schneidenteils  mit  dieser  Form  der  Axt- 
klinge verbunden  ist  (Fig.  16).  Jedoch  kommen  auch  viele  andere  Kom- 
binationen von  Bahn  und  Schneide  vor,  welche  hier  aufzuzählen  unmöglich 
ist,  —  nur  das  wollen  wir  konstatieren,  dass  die  Schneide  bei  diesem 
Typus  niemals  gradlinig  zu  sein  scheint. 

Von  besonderem  Interesse  ist  es,  dass  bei  einer  Axt  in  Unter-Theinenau 
ein  verbogener  Ring  gefunden  worden,  der  wahrscheinlich  bei  der  Schaffung 
verwendet  worden  ist. 

Nach  seiner  Verbreitung  zu  urteilen,  ist  dieser  Typus,  d.  h.  diese 
Kombination  der  oben  geschilderten  Eigentümlichkeiten  auch  hier  zu 
Lande  ausgebildet  worden,  in  den  südeuropäischen  Ländern  kennt  man 
ihn  rein  nicht.  Das  reichste  Fundgebiet  liegt  im  Umkreise  der  alten 
Saline  Halle,  wo  diese  Form  der  Axt  sehr  beliebt  gewesen  ist  Der  Zeit 
nach  gehören  diese  Äxte  in  denselben  Abschnitt  der  älteren  Bronzezeit, 
wie  die  des  „süddeutschen"  Typus;  auch  mit  ihnen  ist  eine  Lappenaxt 
und  ein  zweischneidiges  Rasiermesser  gefunden  worden.  Die  übrigen 
zusammen  mit  ihnen  aufgenommenen  Gegenstände  sind    aus  der  Legende 

S.   563  —  566    ZU    ersehen. 

5.  Der  Typus  der  „geknickten"  Randäxte  (Fig.  17). 

Im  (Ins  Serabrutschen  *\cv  Verschnürung  mich  sicherer  zu  verhindern, 
bal  man  in  einzelnen  Gegenden  Deutschlands  die  Seitenflächen  der  Axt 
mich  aussen  eingeknickt.  Dieser  Typus  ist  hauptsächlich  aus  Deutschland 
bekannt  und  zwar  besonders  aus  Hannover  und  Oldenburg,  von  wo  fast 
die   Hüllte  aller  Äxte    herstammt.     Sie    sind    durch    die  Einknickung    der 


-      547     — 

Seitenflächen  sehr  gut  charakterisiert,1«  eshalbKo  sei nna  sie  auch  „geknickte0 
Äxte  genannt  hat    Montelius  nennt  zwei  geknickte  Äxte  von  Orebäcken 

in  Schonen  (Chronologie  S.  56  Fig.  164  u.  165),  Äxte  vom  „böhmischen" 
Typus,  obwohl  mir  aus  Böhmen  weder  aus  der  Literatur  noch  durch 
schriftliche  Mitteilung  des  Hrn.  Pia  ein  solches  Exemplar  bekannt  ge- 
worden ist.  Mit  grösserem  Recht  würde  man  die  Form  als  „hannoversche" 
bezeichnen;  da  aber  schon  die  obige  Benennung  von  Kussinna  existiert, 
so  halte   ich   diese   beibehalten. 

Die  Bahn  zeigt  häufig  den  italischen  Ausschnitt,  die  Schneide  ist  ge- 
wöhnlich schmal  und  flach  bogenförmig;  selten  ist  die  Bahn  gerade  oder 
rund   und  die  Schneide  tief  bogenförmig  oder  ganz  gerade. 

Die  Knickung  der  Seiten  befindet  sich  gewöhnlich  in  der  .Mitte  der 
Axtklinge;  in  einzelnen  Fällen  liegt  sie  aber  auch  unterhalb  der  Mitte 
(Fig.  18),  selten  oberhalb  derselben  nahe  der  Bahn.  Zuweilen  sind  die 
Bandleisten  nur  im  oberen  Teil  (Fig.  19),  zuweilen  nur  im  unteren  Teil 
(Fig.  20)  vorhanden;  endlich  kommen  auch  vereinzelte  Exemplare  vor.  bei 


Fol5 


holt 


Fg.18 


Fiq.i9 


F.g.20 


denen  die  Knickungsstolle  nicht  winklig,  sondern  abgerundet  ist.  Ge- 
wöhnlich sind  die  Seiten  oberhalb  und  unterhalb  der  geknickten  Stelle 
geschweift,  selten  gestreckt  (Fig.  20). 

Ähnlich  in  der  Form  sind  auch  viele  Meissel,  welche  häutig  an  der 
Kahn  ebenso  geschärft  sind,  wie  an  der  Schneide,  also  zu  den  Doppel- 
meissein gehören.  Dieselben  sind  jedoch  in  die  diesjährigen^  Arbeiten 
nicht  aufgenommen. 

Auch  die  geknickten  Äxte  gehören  in  den  ersten  Abschnitt  der  älteren 
Bronzezeit,  wie  die   Legende  S.  566  —  568  lehrt. 

6.  Der  Typus  der  .Janggestielten-  Randäxte  (Fig.  21). 

Eine  ganz  besondere  Form  zeigt  der  sechste  Typus  der  Etandäxte. 
Derselbe  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Axtklinge  lang  und  schmal 
und  der  Schneidenteil  halb  eiförmig  ausgezogen  ist,  so  dass  das  KJingen- 
blatt  wie  ein  Stiel  erscheint  und  die  Bezeichnung  Langgestielt  für  diese 
ixte  passend  erscheint.  Heierli  hat  sie  Löffelkelte  genannt.  — -  diese 
Bezeichnung  scheint  mir  aber  nicht  glücklich,  da  von  einer  Löffeiförmigen 


—     548     — 

Vertiefung  des  Schneidenteils  nichts  bekannt  ist.  Auch  die  gewöhnliche 
Bezeichnung  „Spateiförmige"  Äxte,  von  der  Zungenspatel  der  Ärzte  her 
entlehnt,  ist  nicht  zweckmässig,  weil  manche  dieser  Äxte  gar  keinen 
spateiförmigen  Scheidenteil  besitzen  und  doch  diesem  Typus  angehören, 
auch  mir  den  typischen  Exemplaren  zusammen  gefunden  wurden,  wie  in 
K  lüden. 

Die  Bahn  zeigt  in  den  meisten  Fällen  den  italischen  Ausschnitt,  öfter 
ivt  sie  aber  gerade,  selten  rund  oder  winklig.  Der  Übergang  vom  Klingen- 
blatt zum  Schneidenteil  ist  gewöhnlich  spitzeckig  (Fig.  11  (x),  doch  fehlen  die 
Spitzecken  oft  ganz  (G1)  (Fig.  22)  und  in  seltenen  Fällen  wird  dieser 
Teil  lanzettförmig  (G2)  (Fig.  23). 

Dieser  Typus  ist  besonders  häufig  in  der  Schweiz  und  in  Ungarn, 
kommt  aber  auch  in  Deutschland  nicht  selten  vor,  wohin  er  wohl  von  jenen 
Ländern  eingeführt  sein  dürfte,  wie  die  Art  seiner  Verbreitung  es  wahr- 
scheinlich macht.     Wir    können    ihn    sowohl    die  Rheinebene    hinab    und 


Fiq.X3 


F«  2* 


F,g2S 


FgX6 


weiter  bis  mich  der  Provinz  Sachsen  und  bis  Schleswig-Holstein  hin  ver- 
folgen, wie  anderseits  durch  Böhmen  nach  Schlesien  und  Westpreussen 
hin.  Im  (Tanzen  gehört  diese  Axt  zu  den  nicht  häufigen  Funden;  in 
vielen  Teilen  Deutschlands .  fast  in  ganz  Bayern,  Hessen -Darmstadt, 
Thüringen,  Braunschweig,  Oldenburg,  Mecklenburg-Schwerin,  Ostpreussen 
ist  dieser  Typus  bisher  überhaupt  nicht  nachgewiesen. 

Pur  die  Chronologie  dieser  Äxte  ist  der  Fund  von  Trassein,  Kr. 
Saarburg  im  .Museum  zu  Trier  besonders  wichtig.  Hier  wurden  mit  einer 
langgestielten  Axt  Var.  a  :  B.,  welche  22,5  cfn  lang  und  3,7  cm  breit  und 
mit  punktierten  Linien  parallel  den  llandlcisten  verziert  ist,  zusammen 
fünf  Randäxte  des  „norddeutschen"  Typus,  ein  Kurzschwert,  eine  goldene 
Nadel  mit  Spiralen  am  Kopfende,  ein  goldener  tordierter  King  und  vier 
goldene  Lockenhalter  gefunden.  (Hettner,  Korrespondenzbl.  der  Westd. 
Zeit.  XXI  [1902]  S.  139.)  Es  stimmt  dieses  Inventur  vollständig  zu  dem 
ersten  Abschnitt  der  älteren  Bronzezeit,  wie  auch  die  übrigen  begleitenden 
Kunde  in  der  Legende  S.  568—571    lehren. 


—    549     — 

7.  Der  ..ostbaltische"  Typus  (Fig.  24). 

Ein  sehr  beschränktes  Fundgebiel  hal  die  Randaxt  des  siebenten 
Typus,  welche  wir  mit  Tischler  die  ostbaltische  Form  aennen  «rollen. 
Sie    ist    bisher    nämlich    fast    ausschliesslich    in    der  Provinz  Ostpreussen 

gefunden  worden  und  dadurch  charakterisiert,  dass  der  Schneideteil  die 
Form  eines  Spatens  hat,  während  die  eigentliche  Axtklinge  kurz  und 
schmal  ist.  Tischler  beschreibt  sie  folgendermassen :  ..An  den  schmalen 
von  ziemlich  hohen  Rändern  eingefassten  Schaft  schliesst  sich  das  voll- 
ständig halbkreisförmige  Blatt,  dass  oben  ohne  Seitenränder  im  rechten 
Winkel  vom  Schaft  heraustritt  und  unten  in  einer  halbkreisförmigen 
Schneide  endet.  Die  Gelte  der  Phahlbauten  mit  halbkreisförmiger 
Schneide  sind  verschieden,  indem  die  Ränder  sich  bis  zur  Schneide  er- 
strecken". (Schriften  der  Ph.-ök.  (J.  in  Königsberg  1888  [S.  7].  Nur 
wenige  Exemplare  kennt  man  noch  aus  Curland,  Westpreussen  und  dem 
polnischen  ( irenzgebiet. 

Tischler  zählte  schon  zehn  Exemplare  auf;  heute  kann  ich  schon 
von  sechszehn  berichten  nach  den  Aufzeichnungen  der  Herren  Kossinna 
nnd  Bezzenberger.  Sie  haben  alle  in  Grossen  die  Spatenfonn:  doch 
tritt  der  obere  Rand  des  Schneidenteils  nicht  immer  rechtwinklig  heraus. 
wie  Tischler  meint,  sondern  ist  oft  konkav  gebogen  (Fig.  25).  Dies  lie- 
beweisen die  Exemplare  von  Altona  in  Curland  und  von  Dresden,  welche 
Tischler  selbst  noch  diesem  Typus  zugezählt  hat,  wie  die  Legende 
S.  .">71  -  572  lehrt. 

Bisher  ist  keine  Axt  dieser  Form  mit  anderen  Gegenständen  zusammen 
gefunden  worden,  sie  scheinen  sämtlich  Einzelfunde  zu  sein,  bieten  daher 
keinen  Anhalt  für  ihre  Zeitbestimmung.  Sie  stehen  selbst  wie  Fremd- 
linge hier  im  Norden  da,  denn  ihren  nächsten  Verwandten  begegnen  wir 
erst  in  der  Schweiz,  Südfrankreich  und  Italien,  von  wo  aber  kein  zwischen- 
liegeuder  Fund  ein  Verbindungsglied  darstellt.  Wir  können  daher  weder 
die  Provenienz  noch  die  Chronologie  näher  präzisieren.  Eine  merk- 
würdige Variante  besitzt  das  K.  M.  f.  V.  zu  Berlin  von  Hegermühle  in 
Brandenburg,  an  welcher  die  Schneide  nicht  halbkreisförmig,  sondern 
geradlinig  verläuft  (Fig.  26). 


Von  den  zahlreichen  Zwischenformen  dieser  Randäxte,  welche  ich 
feststellen  konnte,  genüge  es  zu  wissen,  dass  fast  alle  «lenkbaren  Über- 
gänge vorkommen,  die  weder  in  tue  Karte  noch  in  die  Legende  ein- 
getragen werden  können.  Von  den  mir  angegebenen  728  Fundorten  von 
Randäxten  gehörten  die  Exemplare  von  t52  Fundorten  diesen  atypischen 
Zwischenformen  an. 


-     5.30 


Legende  zu  der  Typenkarte  der  Flach-  und  Randäxte. 

Die  Lfd.  Nr.  entspricht  der  Nr.  auf  der  Karte.  —  Die  Bezeichnung  der  Varianten 
ist  für  die  Form  der  Bahn  aus  der  Fig.  10  a— g  (S.  542)  und  für  die  Form  der  Schneide  aus 
Fig.  11 A— H  (S.543)  leicht  zu  verstehen,  während  geringe  Abweichungen  von  den  abgebildeten 
Formen  durch  Hinzufügung  einer  Eins  zu  dem  Buchstaben  (z.  B.  a1)  oder  auch  durch 
Hinweis  auf  die  nächste  Form  (z.  B.  A — B)  ausgedrückt  werden. 

A.   Die  Flachäxte  aus  Bronze,  -f- 

(Die  Form  ist  keilförmig,  wenn  nichts  anderes  angegeben  ist.) 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

1 

Castione,1) 

Parma 

a :  B  (vielleicht 

Terramare 

Montelius,  Italic 

Pr.  Parma,  Italien 

Kupfer).     Ge- 
schweifte Form 

Text  S.  102  Tf.  14 
Fig.  2 

2 

Montale,2) 

Modena 

a :  C  a :  D.  Ge- 

Terramare 

Ebendort  S.  123 

Modena,  Italien 

schweifte  Form 

Tf.  19  Fig.  2 

Sitten, 

Berlin,  K.  M. 

a  :  B.    Ziemlich 

— 

Brunner-Berlin 

•' 

Wallis,  Schweiz 

f.V.  IV k  677 

kupferfarbig. 
Geschweift.Form 

-1 

€oneise, 

Ebeudort 

a:A-B.     Ge- 

— 

Derselbe 

K.  Waadt,  Schweiz 

IVk-JSl 

schweifte  Form 

f                  i  * 

5 

üttenheim  |  '& 

6 

CO 
CG 

CS  ' 

Benfeld    |  £t 

,  Mülhausen 

a:B 

— 

Naue  juu. -München 

7 

f. 

Lützel.       s 
Kant.  Pfirt 

I 

Derselbe 

8 

Strassburg 

Strassburg  u. 

2  Ex.     a  :  B 

_ 

Freiburg  i.  B. 

9 

Rohrhof 

Mannheim, 

a  :  B.    li*  cm  1. 

, 

Baumann-Mann- 

bei Schwetzingen, 

S.  des  Alt.  V. 

u.  G  cm  breit  an 

heim 

Baden 

der  Schneide, 
2,6  rin  breit  au 
der  Bahn.    Ge- 
schweifte Form 

10 

IVIichelhacli, 

Neuenstein, 

a:B 

Gef.  im 

Schliz-Heilbronn 

O.-A.  Hall, 

Schloss  S. 

Schlossberg 

Württemberg 

bei  d.  Ruine 
Gabelstein 

11 

Diirkheim,  Pfalz 

Dürkheim 

a:  B 

Im  Bruch  gef. 

Mehlis-Neustadt 

iL' 

Pfalz 

Mainz 

a:C  mit  fast  ge- 
raden parallelen 
Seiten.     Un- 
garische Form 

Lindenschmit,  A.  h. 

V.   I  1, 3,  1 
L,  Lindenschmit- 

Mainz 

13 

Marien  born 

b.  .Mainz, Rheinhess. 

Wiesbaden 

a:  B 

— 

Lindenschmit,  A.  h. 
V.    I  1,3,1 

l  1 

Hombach 

Mainz 

a:  B.     9,9  cm  1. 

— 

Westd.  Z.  XX  (1901) 

bei  Mainz 

Zinnat  in 

S.  353  Tf.  12  Nr.  5 

15 

Schierstein, 

Wiesbaden 

a :  B.    Ge- 

Aus dem 

Ritterling- Wies- 

Nasf -ii 

Nr.  14379 

schweifte  Form 

Rhein 

baden 

Bi  gleitende  Funde.  1)  Castione:  Randäxte,  Lappenäxte,  Dolche,  Gussform  zu 
Schwertern;  Sicheln;  Kämme  von  Knochen;  Tongefässe  mit  Buckeln.  —  2)  Montale:  Lanzen- 
spitze  ans  Siles  und  Bronze;  Sichel:  Dolchklingen;  Nadeln;  schön  verzierter  Kamm;  Ge- 
rät.- von  Born  und  Knochen. 


—    55 1 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

.Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

L6 

Messen,1) 

Giessen 

a:B 

H.  Gr.  mit 

Mitt.  d.  Hess.  Gesch. - 

Hessen-Nassau 

10  Sk. 

Vereins   X.  Ergz.- 

Heft.  Fundbericht 
1899—1901  8.  31 

Kramer-Giessen 

IT 

Rotheiidittmold, 

Niederhessen 

Kassel 

a:B 

— 

PinderS.2fiTf.III  36 

IS 

Neuwied, 

Wiesbaden 

a:  B 

Aus  dem 

Ritterling- Wies- 

Rheinprovinz 

J.  L511 

Rhein 

baden 

19 

Ltacharaeh, 

Bonn 

b  :  B.     15  Mi  1. 

Aus  der  S. 

Lehner-Bonn 

Kr.  St.  Goar, 

J.-Nr.   L3  111 

Geschweift 

Seyler 

Rheinprovinz 

in  Bingen 

20 

Düsseldorf, 

Berlin,  K.  M. 

a  :  B.    13  cm  1. 

— 

Osborne,    Das    Beil 

Rheinprovinz 

f.  V.  II  9501 

Gr.  Br.  8,5  cm 

Geschweift 

Tf.  VIII 11 
Brunner-Berlin 

21 

Ingersleben 

b.  Erfurt,  Sachsen- 
Gotha 

Erfurt 

a:B 

(Kupfer?) 

~ 

Zschiesche-Erfurt 

29 

Erfurt, 
Prov.  Sachsen 

Erfurt 

a:B 

— 

Derselbe 

23 

Egeln, 

Kr.   Wanzleben, 
Prov.  Sachsen 

Wernigerode 

a :  B  (vielleicht 
Kupfer!) 

— 

Höfer-  Wernigerode 

21 

Xeuhaldeuslebeu, 

Braun- 

b:B 



Fuhse-Braun- 

Prov.  Sachsen 

schweig, 

Privat-S. 

Geschweift 

schweig 

25 

Meyenburg, 

Schwerin 

?:B 



Meckl.  Jahrb.  Bd.  12 

Brandenburg 

Geschweift 

S.  137 
Beltz-Schwerin 

26 

Freyenstein, 
Kr.  Ostpriegnitz, 

üraudenburg 

Berlin,  K.  M. 
f.  V.  If6715 

b:B 

Bruuner-Berlin 

27 

Wust,2) 

Berlin, 

?:B 

Dep. 

Schlemm-Berlin 

Kr.  Zauche, 

Mark.   Prov.- 

Mit  kaum  ange- 

Brandenburg 

M.  Nr.  L2079 

deuteten    Rand- 
leisten 

28 

Nattwerder, 

Kr.  O-t  Havelland, 
Brandenburg 

Ebendort, 
II  16999 

a:B 

— 

Dieselbe 

29 

Qlogau,  i 

Breslau 

b  :  B.     Ge- 

Dep. 

Schlesiens    Vorzeit, 

Schlesien 

schweifte  Form 

VI  2HT  Fig.  10 
r-Breslan 

30 

Stachel1) 

Prag 

c  :  I).     Ge- 

Dep. 

Richlv.  Die  Bronze- 

bei Saaz,  Böhmen 

schweifte  Form 

zeit   S.  137  Tf.  37 

Fig.  6 

31 

Sarka-Vokovic 

Prag 

a.B 



Piö-Prag 

bei  Prag,  Böhmen 

32 

Zümka,  Böhmen 

Dresden, 
S.  Osborne 

a*:B 

— 

Osborne.    Das    Beil 
Tf.  VIII  6 

33 

Ungarn 

Budapest 

6  Ex. 
a  oder  a1 :  B 

— 

Bfarton-Budapesi 

:;i 

Rndki,*) 

Posen, 

2  Ex.     a  :  B 

Dep. 

Posener  Album 

Kr.Samter.  l'r  Posen 

Poln.  M. 

Tf.  25  Fig.  3,  1 

Begleitende  Kunde.  I)  Giessen:  Im  Hügel  enthalten:  Petechaftnadeln;  Rad- 
nadeln: Dolchklinge;  Spiralannringe;  Spiralrollen:  Zierscheibe;  Halsringe  u.  a.  —  2)  Wust: 
1  Lappenaxt.  —  3)  Glogau:  !)  Randäxte,  5  Halsringe  mit  Endösen,  2  Manschetten  und 
27  Oberarmringe.  —  T)  Stachel:  2  Rand&xte,  l  Baisringe  mit  Endösen.  5)  Rndki: 
Flachspiralen,  Spiralzylinder,  Ohrring. 


—      ->.>■_ 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

35 

Skarbienice1) 

Posen, 

a:  C.     Ge- 

Gr. Steinkiste 

Pos  euer  Album 

b.Znin,  Prov. Posen 

Poln.  M. 

schweifte  Form 

Tf.  17   Fig.  9 

36 

Eggesin, 

Kr.  Ueckermünde, 
Pommern 

Stettin 
IIa  2.  17 

a:B 

Stubenrauch-Stettin 

37 

Hagenow, 

Meckl.-Schwerin 

Hamburg 

b:A.    12  cm  L, 
2,5  cm  br.  an  der 
Bahn,  3,8  cm  br. 
an  der  Schneide, 
mit  Spuren   von 

Hammerschläg. 
Schneide  stumpf 

Moorfund 

Hagen-Hamburg 

38 

(Im)  Lüue- 

burg  (sehen), 

Hannover 

Hannover, 
Nr.  7627 

a:B 

Reimers-Hanuover 

39 

Salzhausen, 

Kr.  Winsen,  Hannov. 

Hannover, 
Nr.  4609 

a:B 

— 

Derselbe 

40 

Danuenberg, 

Kr.  Lüneburg, 
Hannover 

Lüneburg, 
Nr.  1050 

a:B? 

Derselbe 

41 

Meilendorf, 

Kr.  Burgdorf, 
Hannover 

Hannover. 
Nr.  4600 

a:B 

" 

Derselbe 

42 

Oberode. 

Hannover, 

a:B 

— 

Derselbe 

Kr.  Münden, 

Nr.  5925 

Tewes,  Unsere  Vor- 

Hannover 

zeit.  Uannov.1898 
S.  32 

43 

Kollheini 

bei  Bremerhaven, 
Bremen 

Hamburg 

b?:C 

12,5  cm  1.     Ge- 
schweifte Form 

— 

Hagen-Hamburg 

44 

Halchter, 

Brauu- 

2 Ex.  a:?u.a:B? 

An  d.  weissen 

Fuhse-Braun- 

Kr.  Wolfenbütte], 

schweig, 

1  Ex    von  ge- 

Schanze in  d. 

schweig 

Braunschweig 

Herzogl.  M. 
Nr.  1682/83 

schweifter  Form 

Schanzen- 
breite und  im 
Stöckenbusch 

45 

Pestrnp 

bei  Wildeshausen, 
Oldenburg 

Hamburg 

a:D 

11,5  cm  1. 

Hagen-Hamburg 

!•; 

Kieholm, 

Kiel, 

a:B   mit 

— 

Krölmke,  Untersuch. 

Kspl.  Gelting, 

K.  S.  11  L68 

fast  parallelen 
Seiten 

vorgsch.  Bronzen 

Scblesw.  -Holstein 

Schl.-Hlst.2.Aufl. 

Hamburg  1 900  S.  8 

Nr.  2 

Mestorf-Kiel 

IT 

Nord-Dlth- 

Kopenhagen 

e:  K 

— 

Osborne,    Das   Beil 

marseben.  Holstein 

Geschweift 

Tf.  IX 1 

l.s 

Husuiii, 

Kiel, 

a  :  B.     Ge- 

Im Mühlen- 

Mitt. d.  Antlnop.  V. 

Schlcsw. -Holstein 

K.  S.  11  L68 

schweifte  Form 

teich,  auf  ein. 
Wohnplatz 

in  Schlesw. -Holst. 
Heft  XV  B.  20 
Mestorf-Kiel 

r.i 

Gildendorf,3) 

Privatbesitz 

a:?    Ge- 

Im  Süder- 

Diescllx' 

Kspl.  Meldorf, 

schweifte  Form 

moor 

Scbiesw.-Holstein 

50 

Dänemark 

Kopenbagen 

a  :  H   u.   a  :  C 

Zinnann. 
Teils  keilförmig, 
teils  geschweift 

Sophus  Müller,  Ord- 
ning  11  Fig.  125 
und  Fig.  L26 

Begleitende    Funde.     1)  Skarbienice:    1  Randaxt;  2  Schinalmeissel;   1  Stäbchen 
mit  Km  <  Imithm.  !    Gudendorf:   Pr.  von   Bronze. 


553    — 


Lfd. 

Nr. 

F  ii  ml  ort. 
Genauere  Angaben 

Museuni 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur   l'und- 
geschichte 

Nachweis 

51 

Schonen, 

Schweden 

Stockholm 

a  :  B  u.  a  :  C 

Sehr  zinnarm. 

Geschweift 

— 

Montelius,  S.  21 
Fig.  ."»1  u.  52 

52 

Tile,1) 

Schonen 

Stockholm 

b:C.  Mit  Kabel- 
Ornament,  auf  den 

Seitenflächen. 
Englisch  -irische 
Form. Geschweift 

Dep. 

lorl  S.  55 

53 

Yorkshire, 

England 

London, 
Brit.  AI. 

a :  B.     Schön 
verziert.     Ge- 
schweifte Form 

Kemble,   Horae    fe- 
rales  Tf.  IV  4 

54 

Bandon, 

Grafschaft  Cork 
Irland 

Privatbesitz 

3  Ex.     b  :  B 
22,1  rni  1.,   reich 
verziert  auf  dem 
Blatt  u.  d.  Seiten 
der  Klinge.    Ge- 
schweifte Form 

Ebendort  Tf.  IV  :! 

.Vi 

Cork, 

Munster,  Irland 

Berlin,  K.  M. 
f.  V.   Vdlo 

?:C.     Ge- 
schweifte Form 

— 

Brunner-Berlin 

56 

Tara, 

Grafschaft  Meath, 

Irland 

London, 
Brit.  M. 

a :  B,  fast  gerade 

gestreckt, 

12  cm  1. 

Kemble,    Horae  fe- 
rales  Tf.  IV  7 

."iT 

Irland 

Nash  Mills, 
S.  Evans 

a:B 

— 

Evans,   Bronze*  Im- 

plements  S.  •;.'; 

58 

Hissarlik 

Berlin, 
K.  M.  f.  V. 

a :  B,  b  :  B,  g :  B 

Zinnarm 

2.  Stadt 
Troja 

Osborne,    Das    Beil 
Tf.VIIIFig.8u.10 

Montelius  S.  11 
Fig. 12 

59 

Cypern 

Stockholm 

g:B 

Ebendort  S.  11 
Fig.  11 

B.   Die  Randäxte. 
I.   Der  „armoricanische"  Typus 


Lfd. 
Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

1 

Teti, 

Sardinien 

— 

a :  A 

— 

Biaterianx  pour 
l'hist.  de  rhomme 
[884  p.208FigJL26 

Schlemm-Brrlin 

•> 

Ilbano, 

Sardinien 

Coli.  Gouin 
Sardinien 

a :  A 

Gr. 

Pinza  in  Monnmenti 
antichi      V6L    XI 
1901  p.267Kg.l  U 

Selil.'inm-Berlin 

3 

Albasanta, 

Sardinien 

Ebendort 

a  :  A 

Gr. 

Ebendort  \>.  268 

Fig.  1  12 
Schlemm-Berlin 

1 

Bfedocj 

Frankreich 

St.  Germain 
en  Laye 
Nr.  L7470 

a  :  A 
Type  armoricain 

Mortui«'.  M 
preh.Tt66Fig.672 

."» 

LnzaroheSt 

Dep.  Seine  et  Oise 
Frankreich 

Berlin,  K.  M. 

f.  \ .  V,i  8 1 1 

a?  :  B    IT,.")  cm  1. 
Mit  Rinnenbildg. 

Brunner-Berlin 

Begleitend.'    Funde.       1)    Pilo:     11    ßandäzte;    Fr.    von    Dolchen:    ."»    Halsriuge; 
1   Armring:    1   Noppenring  u.  a.  m. 

Zeitschrift  fOr  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Heft  &  :;i; 


554 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angab' n 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

6 

Estavayer, 

Zürich, 

a  :  A1 

Pfahlbau 

Gross,  Les  Protohel- 

Schweiz 

S.  Gross 

vetes  1883   S.  12 
Tf.  XIII 10 

T 

Hageiiau 

Mülhausen 

8 

Offweiler, 
Kr.  Hagenau 
Merzweiler, 

Oberbronn 
S.  Rauch 

Kr.  Hagenau 

a:B 

— 

Naue  jun.-München 

.         in 

Mommenbeim, 

Kr.  Strassburg 

Mülhausen 

11 

Anenheim, 

Kr.  Strassburg 

12 

Rohracker, 

O.-A.  Canstatt 
Württemberg 

Stuttgart, 
Staats  S. 

;i:A'? 

" 

Sixt-Stuttgart 

13 

Waldsee, 

Donaukreis 
Württemberg 

Ebendort 

a:B 

Derselbe 

U 

Degerndorf 

Nürnberg, 

a.B 

H.  Gr.  Sk. 

ScheidemandeLÜber 

bei  Parsberg, 

S.  Scheide- 

Hügelgräberfelder 

Mittelt'ranken 

maudel 

bei  Parsberg  I. 
S.  10  T1.V9 

15 

Laubenheiin, 

Mainz 

a:  A 

Aus  dem 

Westd.  Z.  XVIII 

Hessen-Darmstadt 

Rhein 

Tf.VFig.  17 

16 

Rettbergan 

Mainz 

2  Exempl. 

Aus  dem 

Westd.  Z.  XVII 

bei  Biebricli, 

a  :  A    und 

Rhein 

S.374Tf.V  Fig.  3 

Hessen-Darmstadt 

d.-B1 

und  XIX    S.    396 
Tf.  16  Fig.  8 

IT 

Trier, 

Rheinprovinz 

Stettin 
Nr.  3696 

aJ:B 

— 

Stubenrauch-  Stettin 

18 

Bingerbrfick, 

Bonn 

a:A 

Aus  dem 

Lehner-Bonn 

Kr.  Kreuznach, 

J.-Nr.  15061 

15  cm  1. 

Rhein 

Rheinprovinz 

19 

Heil,  Kr.  Hamm, 
Westfalen 

Dortmund 

a:  A1 

Im  Moor 
-2,~>  m  tief 

Baum-Dortmund 

20 

Udestedt, 

Kr.  Weimar, 
Sachsen -Weimar 

Anderbeck, 

Pr.  Sachsen, 

S.  Rimpau 

a :  A 

Höfer  -Wernigerode 

21 

(iosek, 

Halle 

a:B 

H.  Gr. 

Förtsch,  Jahresschr. 

Kr.  Querfurt, 

Am  Silber- 

f. d.Vorg.  d.sächs.- 

Prov.  Sachsen 

graben 

thüring.  Länder  I. 

s  <;i 
Kloptleisch,   C.    der 

Dtsch.  A.  G.  L882 

S.  177 
Förtsch-Halle 

J'J 

HobMa.lt. 

Kr    Sangerhansen 

Prov.  Sachsen 

Erfurl 

a:B 

Zschiesche-Erfurt 

23 

\  Hierin  iinde, *) 

Prenzlan 

a  :  A1  9,  [cm  1. 

1  lep.  I  in  tief 

Schumann  in  Nach- 

Brandenburg 

im  Kies 

richten  1901  8.30 

Begleitende  Funde.  1)  Anger  munde:  Drei  Scheibennadeln;  eine  schön  mit 
Spiralen  verzierte  Gürtelplatte;  eine  Halsborgc;  zwei  Handbergen;  drei  Armspiralen; 
eine  Hirten  itabnadel  u.  a. 


—       ÖDÖ 


Variante. 

Zur  Fund- 

Lfd. 

Fun  d  0  it. 

Nr. 

1  lenauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschi'-htf 

Nachweis 

24 

Hoppeurade 

Berlin 

a  :  A   12  cm  1. 



KembleHoraeferales 

bei  Oranienburg, 

K.  M.  r.  \. 

Tl.  IV  Fig.  11 

Brandenburg 

Brunner-Berlin 

2.'» 

Neustadt  a.d.D., 

Neu-Ruppin 

a  :  A   16  cm  1. 

— 

Begemann,  Gymna- 

Brandenburg 

Zietensches 

M.   Nr.  1  1  1 

2—  l,J  cm  br. 

sial-Prograiimi 
von  Neu  -  Ruppin 
1891/92  S.  12 

26 

Treptow, 
Kr.  Teltow, 
Brandenburg 

Berlin 
K.  M.  f.  V. 

I  f  258 

arA1 

Bi  niiner-Berlin 

27 

Wustrau, 

Ebendort 

a :  A  MitRinnen- 

— 

Derselbe 

Kr.  Runpin, 

I  f  3150 

bildung 

Brandenburg 

28 

Wildberg, 

Ebendort 

a:  B  MitRinnen- 

— 

Derselbe 

Kr.  Rappin, 

11    Hol 

bildung 

Brandenburg 

29 

Liniini. 

Ebendort 

a:  A1  Mit  Rinnen- 

— 

Derselbe 

Kr.  Ostbavelland, 

I  f  289 

bildung 

Brandenburg 

30 

Fohrde. 

Ebendort. 

2  Ex.  a :  A1  und 

— 

Derselbe  4702  5-'! 

Kr.  Westhavelland 

If  1752/3 

?  :  B 

Brandenburg 

31 

Königsberg 

in  der  Neumark, 
Brandenburg 

Ebendort 
II  9892 

a:B 

Derselbe 

32 

Glasovr, 

Kr.  Sohlin, 
Brandenburg 

Berlin,  Mark. 

Provinz  -M. 

Nr.  11546 

a  :  A 

Torfmoor 

Schlemm-Berlin 

öö 

Langen, *) 

Ebendort 

a:  A 

Dep. 

Dieselbe 

Kr.  Ruppin 

19773 

2'  tief  im 

Brandenburg 

Torf 

34 

Liepiritz-See, 

Kr.Nieder-Barnim, 
Brandenburg 

Ebendort 
II  L8354 

a :  A 

Dieselbe 

35 

üsluchow,'2) 

Prag 

a :  A  Mittelrippe 

Hock  er- Gr. 

Pic,  Starozitnosti- 

Böhmen 

längs   des 

Klingenblattes 

zeme  Ceske  I.  1. 
S.  116 

3G 

Doluja  Palenica, 

Sarajewo 

a:  A 

Im  Acker 

Mitteil,  aus  Bosnien 

Bosnien 

roh  gearbeitet 

and    Eerzeg.    VI 
(1899  S.524Fig.22 

.">7 

Klecko  am  See, 

Posen 

a  :  A1 

Dep. 

Pos.  Alb.  S.  HITf.  19 

Kr.  Gnesen, 

Poln.  M. 

Fig.  8 

Pr.  Posen 

:'„s 

Bromberg, 

Pr.  Posen 

Stettin 
Nr.  Hill 

a:A 

— 

Stubenrauch- Stettin 

39 

Passenheim, 

Königsberg 
i.  Pr. 

a:B 

— 

Bezzenberger- 

Kr.  Orteisburg, 

Königsberg 

Ostpreussen 

Prussia-M. 

lu 

Podejuch, 

Stettin 

a:  A1 

Beim  Abtrag. 

PL  All..  III.  TL  11 

Kr.  Greifenhagen, 

Kat.-Nr.1469 

des  Bahnhof- 

Stubenrauch- Stettin 

Pommern 

terrains 

41 

Kloekowj 

Berlin 

a  i  :  B 

— 

Brunner-Berlin 

Kr.  Beigard, 

K     M.  f  V. 

1.2,8  cm  1. 

Pommern 

Ic  705 

Begleitende    Funde,      r    Langen;    Zwei   Rand&xte.    —   ■_'    Osluohow:    Eine  tri- 
angulär.' Dolchklinge  mit  fünf  Nieten;    ein  Doppelknopf;    Noppenringe;   zwei  Tongel 


—     556 


Lfd. 
Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

42 

Mühlenkamp, 

Kr.  Bublitz, 
Pommern 

Stettin 
1245 

a:B 

— 

Stettiner  Monats- 
blätter 1896  S.  63.  2 
Stuben  rauch-  Stettin 

43 

Snccow, 

Kr.  Saatzig, 
Pommern 

Stettin 
L998 

a :  A 

Auf  dem 
Acker 

Derselbe 

44 

Vorder-Wendorf 

bei  Wismar, 
Meckl.-Schw. 

Schwerin 

ax:A 
10  cm  1. 

Beltz-Schwerin 

45 

Dannenberg, 

Kr.  Lüneburg, 
Hannover 

Lüneburg 
1048 

a:B 

Reimers-Hannover 

4<j 

Sonnen  borstel, 

Kr.  Nienburg, 
Hannover 

Hannover 
5616 

a:B 

Derselbe 

47 

Scharmbeck. 

Kr.  Osterholz, 
Hannover 

Berlin 

K.  M.  f.  V. 

11  284 

arA1 

Mit  Andeutung 

einer  Rast 

Brunuer-Berlin 

48 

Lüchow, 

Hannover 

Ebendort 
11  23 

a1 :  A1  lö  cm  1. 

dünn, 
meisselförmig 

Derselbe 

2.   Der  „norddeutsche"  Typus  «» 


L0 


Caterano, 

im  Tal  des  Anio, 
Italien 

Pouilly  s.  Saone, 
Cöte  d'Or, 
Frankreicli 

Agen, 

Dep.  Lot  et  Garonne, 
Frankreich 

Lessard, 

Dep.  Cotes  du  Nord, 
Frankreich 
Fasanenan 
bei  Bibrich, 

Hessen-Darmstadt 

Kelsterbach, 

Hessen-Darmstadt 


Main/. 


Rettbergau 

bei  Bicbrich, 
i         a-Darmatadl 
Frankfurt  a.  M. 


II'     en-Nassau 


Rom 

K.-Nr. 

53741/2 

Berlin 

K.  M.  f.  V. 

Va  839 


Mainz 


Ebendort 


Ebendort 


Ebendort 


Frankfurt 
a.  Main 

Stadt.  Hist.M. 
Nr.  37  \ß  ii- 

.".IST 

Berlin 
K.M.  f.  V. 


2  Ex.  a :  B 


a:B 


a.B 


a:C 


a:  C  L6  cm  I. 


a:C 


a1 :  C  in  der 
obern Hälfte  sind 
d.  Seiten  schwach 

nach  aussen 

gewölbt 

a':B   13,4  cm  I. 


2  Ex.~a:C 
L2,0  ii.  L2,8  cm  I. 


a:B 


Dep. 


Aus  dem 
Rhein 

Im  Main 
nahe  der 
Sclnveden- 
schanze  gef. 
Aus  dem 
Rhein 


Ebenso 


Ein  Ex.  in 
einer  Kies- 
grube in 
Westend  gef. 


Colini   im   Bull.   d. 
Paletnologia  IX 
(1903)  S.  214 

Brunner-Berlin 


Materiaux  pour 
l'hist.  de  l'homme 
IV  (1868),    S.  24 
Fig.  16 

Mortillet,  Musee 
preh.Tf.66Fig.663 

Westd.Z.XXI(1902) 

S.  427  Tf.  VII 

Fig.  IS 

Westd.  Z.  XXII 
(1903)  S.  122 
Tf.  IV  Fig.  7 

Ebendort  Fig.  8 


Westd.  Z.  XIII S.  293 
Tf.  IV  Fig.  7 

Welcker  -  Frankfurt 
a.  M. 


üsborne.    Das  Beil, 
Tf.  IX  (i 


—     557 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

11 

Schwarz, 

Kr.  Alsfeld,  He 

Giessen 

a:B 

H.  Gr.  Sk. 

Mitt.  des  Geschichts- 
vereins  in  Giessen, 
X.  Ergänzungs- 
heft. Fundbericht 
S.  63 

12 

Laufen 

a.  d.  Salzach, 

Oberbayern 

München 
Staats-S. 

a:C 

~ 

Birkner-München 

i:'. 

Plavnic1) 

Prag 

a:C  L7,8  cm  1. 

Dep. 

Richly,    Bronzezeit, 

b. Hudweis,  Böhmen 

6,8  cm  breit  an 
der  Schneide 

S.122;Tf.2S,Fig.7 

1 1 

Sobenitz') 

Ebendort 

a:C 

Dep 

Ebendort  S.  135, 

bei  Leitmeritz, 

in  einem 

Tf.  35,   Fig.  1-:., 

Böhmen 

Tongefäss 

u.  Tf.  86,  Fig.  10 

i:> 

ßollwitz, 

S.  Stimming 

a:B 

Moorfund 

Voss  und  Stimming, 

Kr.  Brandenburg 

in  Branden- 

Vorg. AI.  au-  der 

a.  d-  H. 

burg 

Maik  Brandenb. 
L887  I,  Tf.  Vi! 

IG 

Kyritz, 

Prov.  Brandenburg 

Schwerin 

a:C  11  cm  1. 

— 

Beltz-Schwerin 

17 

Königsberg 
i.  d.  Neumark, 

Brandenburg 

Berlin 

K.  M.  f.  V. 

II 9893 

a :  C  Bahn  befeilt 

— 

Brunner-Berlin 

IS 

Lunow, 
Kr.  Angermünde, 

Brandenburg 

Ebendort 
II 11040 

a:C 

Derselbe 

l'.i 

Prenzlau 

Berlin 

a:  B  mit  Steg- 

Coquische 

Schlemm-Berlin 

(aus  dem  Kreise), 

Märkisches 

und 

S. 

Brandenburg 

Pr.-M. 
II 18246 

Rinnenbildung 

20 

Febrbellin, 

Neu-Ruppin 

a1 :  B  9,M  cm  1. 

— 

Begemann.  Die  vorg. 

Brandenburg 

Zietensches 

M.  Nr.: (TS 

2,0  —  4,3  cm  Kr. 

Alt.  des  Zieten- 
schen  M.  I   S.  10 

21 

Melle  iiau3) 

(Arnimshain), 
Uckermark, 
Brandenburg 

Prenzlau 

a:C 

Dep.  Moorf. 

Schumann,     Nachr. 
1901,  S.  79 

22 

Potzlow, 

Kr.  Templin. 
Brandenburg 

Berlin 

K.  M.  f.  V. 

II  2332 

a?:B 

~ 

Brunner-Berlin 

•);; 

Mohriu, 

Ebendort 

a  :  B  Andeutung 

— 

Derselbe 

Kr.  Königsberg 

i.  d.  N., 
Brandenburg 

II  9891 

einer  Rast 

24 

Scliönfeld, 

Ebendort 

a  :  B  roher  Guss, 

_ 

Derselbe 

Er.  Arnswalde, 

IL  f.  3119 

kupferfarbig 

Brandenburg 

25 

Grausee. 
Kr.  Ruppin, 

Brandenburg 

Ebendort 

I  f.  2!  IT 

a  :  C  11  cm  1. 

Derselbe 

26 

Alt-Mellentin, 

Berlin 

a:Bj 

Im  Acker 

Schlemm-Berlin 

Kr.  Soldin, 

Märkisches 

gef. 

Brandenbarg 

Pr.-M.  L1547 

Begleitend''  Funde.  L)  Planne :  Drei  Rand&xte,  zwei  cyprische  Nadeln u. a. m.  — 
2)  Sobenltz:  Viele  Rand&xte  der  Varianten  b:C  und  f:C  desselben  Typus:  massive  offene 
Halsringe.  —  3)  Mellenau:  2  Absatz&xte;  3  Scheibennadeln;  r>  Armspiralen;  2  Brillen- 
spiralen:  I  Halsbergen;  4 Halsringe;  1  Halsring  mit  Endösen;  1  Spule:  1  Sichel:  Reste 
von  :'.  Goldspiralen,  von  l  Tongefäss  u.  a.  m. 


558    — 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Anganen 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

27 

Kl.-Dübzow, 

Stettin 

a:C 

Unter  einem 

Phot,  Alb.  III  Tf.  11 

Kr.  Stolp,  Pommern 

K.  Nr.  1096 

Stubben 

Stubenrauch-Stettin 

28 

Bliesen, 

Danzig 

a  :  B  12,5  cm  1. 



Lissauer,  AI.  d. 

Kr.  Graudenz, 

7  cm  br.  an  der 

Bronzezeit,  S.  11, 

Westpreussen 

Schneide 

Tf.  III  6 

Conwentz-Danzig 

29 

Mariensee, 

Ebeudort 

a :  C  15,3  cm  1. 

_ 

Ebendort  Fig.  8 

Kr.  Carthaus, 

0,5  cm  br.  an 

Conwentz-Danzig 

Westpreussen 

der  Schneide 

30 

Greulsberg, 

Kr.  Pr.  Holland, 
Ostpreussen 

Ebendort 

a^B 

Derselbe 

31 

Lötzen,  Ostpr. 

Königsberg 
Prussia-M. 

a:C 

— 

Bezzenberger- 
Königsberg 

32 

Rauschen, 

Kr.  Fischhausen, 
Ostpreussen 

Ebendort 

a:C 

~ 

Derselbe 

Ol 

.  1. 1 

Gerinau, 

Kr.  Fischhausen, 

Ostpreussen 

Ebendort 

a:C 

Derselbe 

34 

Tilsit,  Ostpr. 

Königsberg 
Prussia-M. 

a:B 

— 

Bezzenberger- 
Königsberg 

35 

Altpreussen  und 
Masuren 

Ebendort 

2  Ex. 

a  :  B  u.  a :  C 

— 

Derselbe 

36 

Carlswalde 

in  Litauen,  Ostpr. 

Ebendort 

a:C 

— 

Derselbe 

:i< 

Bromberg, 

Prov.  Posen 

Stettin 

a:C 

— 

Stubenrauch-Stettin 

38 

Posen 

Berlin 

K.M.f.V. 
Id  10'.  ii' 

a  :  B  15,1  cm  1. 

— 

Brunner-Berlin 

39 

Schulpforta, 

Halle 

a:B  11  cm  1. 



Förtsch 

Kr.  Naumburg, 

Prov.  Sachsen 

40 

Reideborg,1) 

Berlin 

a :  B  ziemlich 

Dep. 

Brunner-Berlin 

Saalkreis, 

K.M.f.V. 

schmal  mit 

Prov.  Sachsen 

11  4152 

Quergrat 

11 

Kläden,2) 

Salzwedel 

3  Ex.  a:C 

Dcp. 

7.  Jahrosb.  des  Alt- 

Kr. Stendal, 

13,3 — 17  cm  1,  u. 

märkisch.  V.  Neu- 

Prov.  Sachsen 

4,7—5,9  cm  br. 

an  der  Schneide. 

Zwei   davon  mit 

Andeutung  einer 

Rast 

haldensleben  1844 

S.  11  Abb.  2 
Zecblin-Salzwedel 
Höi'er- Wernigerode 

42 

(Quedlinburg, 

Prov.  Sachsen 

Quedlinburg 

■1  Ex. 
a  :  B  u.  a :  C 

2  Einzel  f. 

Höfer-Wernigerode 

1.'. 

Crumpa, 
Kr.  Querfnrfc, 
Prov.  Sachsen 

Berlin 

K.  M.  f.  V. 

rg  L307 

a:C 

— 

1  Iranner-Berlin 

II 

Osterfeld, 

Ebendort 

a :  B  Andeutung 



Derselbe 

Kr.  Weissenfe]  . 

Ig  2238 

einer  Rast 

Prov.  Sachsen 

Begleitende  Funde.     I)  Reidcburg:  '_'  Salsringe   mii  Endösen;    1  Armspirale.  — 
2)  Kläden:    '.»  Bandäxte;    l  Speerspitze. 


559 


Lfd. 

Nr. 

Fundort. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

N'aehv,  eis 

1.". 

Wieserode, 

Mansfelder 

Gebirgs-Kr.. 

Prov.  Sachsen 

Berlin 

K.    \l.  f.  V. 

Ig  327 

a:B  kupferfarbig 

— 

Brunner-Berlin 

w 

Sachsenburg,1) 

Kr.  Eckartsberga, 
Prov.  Sachsen 

Berlin, 
K  M. f  V. 
Ig  3370b 

a:B 

H.  Gr. 

1  »■  reelbe 

IT 

Osterburg, 
Prov.  Sachsen 

Berlin 

Mark.  M. 

11  9693 

a:C 

In  der 

Hellried 

Schlemm-Berlin 

48 

1!» 

Wetzlar, 

Rheinprovinz 
Sassenburg, 
Kr.  Warendorf, 

Westfalen 

Bonn  1928 

Münster 
S.  d.  Y.  f. 

G.  u.  A. 
K.  Nr.  7/8 

a  :  B  1 1,8  cm   1. 

2  Ex.  a :  C 

10  u.  12  cm  1. 
Ein  Ex.  an  der 

Sehneide  defekt 

Jn  der  Ilaide 

Lehner-]  tonn 
Wonnstall -Coesfeld 

;.o 

Riosenbeok, 
Kr.  Tecklenburg, 

Westfalen 

Ebenderi 

Nr.  11 

a  :  B  s  cm  1. 

— 

Derselbe 

:.i 

Alstiitte, 
Kr.  Ahaus,  Westf. 

Ahaus 
S.  d.  A.  V. 

a:B  12  cm  1. 

Andeutung  einer 

Rast 

Im  Sande 
gef. 

Derselbe 

52 

Borken,-) 
Kr.  Borken,  Westf. 

Haus  Offer 

Ldkr. 

Münster 

a  :  B  S  cm  1. 

— 

Wormstall -Coesfeld 

.")." ! 

Alten-Bork, 

Kr.  Lüdinghausen, 
Westfalen 

Dortmund, 

a:C 

Zwischen 
2  H.-Gr., 
1,24  in  tief 
im  Sande 

Daum-Dortmund 

:>i 

Thedingen, 

Kloster,  Kr.  Leer, 
Hannover 

Emden 

a:B 

Moorf. 
8'  tief 

Reimers-Hannover 

55 

Lüuebnrg, 

Umgegend,Hannov. 

Hannover 
7628,   1620 

2  Ex. 
a  :  B  und  a : C 

— 

Derselbe 

56 

Wendisch-  ßvern, 

Kr.  Lüneburg, 
Hannover 

Ebendbrt 
L3844 

a :  C 

Derselbe 

.")7 

Holthusen, 

Kr.  Ülzen,  Hannov. 

Ebendort 
13  838 

a:C 

— 

Derselbe 

58 

Bargfeld, 
Kr.  Ülzen,  Hannov. 

Ebendort 
1612 

a:B 

— 

Derselbe 

.">!> 

Wölpe, 

Kr.  Nienburg, 
Hannover 

Ebendort 
5613 

a  :C 

1  h  rselbe 

(Kl 

Bttckeburg, 

Schaumburg-Lippe 

Ebendort 

IIS 

a:B 

— 

Derselbe 

iil 

Scbeessel 

bei  Rotenburg 

Hannover 

1  Limburg 

a^B 

Hagen-Hamburg 

62 

Pestrup 

bei  Wildeshausen, 

Oldenburg 

Ebendort 

a :  B  8,7  cm  1. 
sehr  kräftiges  Ex. 

Derselbe 

63 

Bechterfeld, 

Ann  Vechta, 
Oldenburg 

Oldenburg 

a:B   schlanke 
Kenn.  1 1,87  cm  1. 

Martin 

Begleitende  Funde     1)  Sachsenburg:    l   Kurzschwert-;   Flintgeräte    1  Badnadel). 
—  2)  Borken:    1   Ex.  desselben  Typus  mit  der  Variante  a  :  F. 


—     560 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

(14 

Linswege 

bei  Westerstede 
Oldenburg 

Oldenburg 

a :  B  10,8  cm  1. 
schlank 

Martin 

65 

Wildesbausen,1) 

Ebendort 

2  Ex. 

Dep.  auf 

Derselbe 

Oldenburg 

Gesamtfund 
Nr.  36 

a  :  B  und  a : C 

Stegemanns 

Kamp  im 

Dünensaude 

15'  tief  gef. 

66 

Osterlindern, 

Amt  Cloppenburg, 
Oldenburg 

Ebendort 

a  :  C  7,63  cm  1. 

Derselbe 

67 

Eitzum  am  Elm, 

Gandersheim 

a:B 

Fuhse- 

Kr.  Wolfenbüttel, 

Priv.  S. 

Braunschweig 

Braunschweig 

Ribbentrop 

68 

Linden, 

Berlin 

a :  B  Andeutung 

— 

Brunner-Berlin 

Braunschweig 

K.  M.  f.  V. 
II  927 

einer  Rast 

69 

Wendhoff2) 

bei  Roebel, 
Meckl.- Schwerin 

Schwerin 

a  :  C  mit  Steg 

Dep. 

Friderico- 

Francisceum  S.  65 
Beltz-Schwerin 

70 

Vielist3) 

bei  Waren, 
Meckl.-Scbwerin 

Schwerin 

a:C  10  cm  1. 

Dep.  1  m  tief 
im  Moor 

Beltz-Schwerin. 

71 

Kargow 

bei  Waren, 
Meckl.-Schwerin 

Privatbesitz 

a :  C  15  cm  1. 

— 

Derselbe 

72 

Waren, 

Güstrow 

a:  C 

Einzelfund 

Derselbe.     Vergl. 

Meckl.-Schwerin 

Meckl.  Jahrb.  67, 
S.  1(17 

73 

Marnitz 

Schwerin 

a :  C  12  cm  1. 

Angeblich 

Friderico-Francis- 

bei  Parchim, 

Gr. 

ceum  S.  71 

Meckl.-Schwerin 

Beltz-Schwerin 

71 

Kalsow 

bei  Wismar, 
Meckl.-Schwerin 

Ebendort 

a :  C  14,5  cm  1. 

Im  Torf 

Derselbe 

75 

Wietow 

bei  Wismar, 
Meckl.-Schwerin 

Ebendort 

a :  C  13  cm  1. 

— 

Derselbe 

76 

Heinrichsliagen4) 

Neustrelitz 

a:B  11,3  cm  1. 

Dep. 

Olshausen,  B.  V. 

bei  Woldegk, 

1. 1  cm  br.  an 

188C  S.  433. 

Meckl.-Strelitz 

der  Schneide 

77 

Oldersbeck, ) 

Kr.  Husum, 
Si-hlesw.-Holst. 

Berlin 
K.  M.  f.  V. 
Im  L151 

a^B 

Hrunner-Berlin 

7s 

Hockern», 
Kr.  Apenrade, 

Schlesw.-Holst. 

Ebendort 

Im  819 

a  :  C  mit  Rast 

— 

Derselbe 

7'.» 

Terkelsbiill, 

Ksp.  Tinglaff, 

Schlesw.-Hol  t. 

Kiel  2433 

a:B 

Mestorf-Kiel 
Kröbnke,  Untersuch. 

vorg.  Br.  IL  Aufl. 

S.  10  Fig.  6 

Begleitende  Funde.  I)  Wilileshauseii:  2  geknickte  Randäxte;  1  Lanzenspitze; 
1  Badnadel;  I  massiver  Bing;  I  Nadelschaft.  —  2)  Wendhoff:  Glatte  Halsringe.  - 
3)  Vielisl .:  Glatte  Binge  mit  Endösen  oder  spilz  zugehend.  —  I)  Ileinrichshageii:  1  Rand- 
axt  desselben  Typus  mit  Variante  b:C;  '!  offene  glatte  Halsringe;  1  Doppelmeissel: 
I  goldene  Bpiralfingerringe  and  I  Punzenstift.  —  5)  Oldersbeck:  1  Randaxt  desselben 
I  j  pus  mit  der  Variante  d  :  C. 


561 


Lfd. 
Nr. 

Fun  dort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

80 

Bichel, 

Kspl.  Bosau,  ' 

Schlesw.  -Holst. 

Kiel  6019 

a:B 

— 

Meetorf-Kiel 
Kröhnke,  ebendort 
Nr.  17 

sl 

Neustadt  i.  H., 
Schlesw.-Holst. 

Ehcndort 
6173 

a  :  C 

— 

1  dieselbe 

Kröhnke,  Nr.  L9 

82 

Lübeck 

Ebendort 
7940 

a:C 

— 

Dieselbe 
Kröhnke,  Nr.  25 

89 

Torslanda,1) 

Kspl.  Tierp, 
Uppland.  Schweden 

Stockholm 

a:C 

Dep.in  einer 
Kiesgrube 

Montelius,    Chrono- 
logie S.  58 

sl 

Schonen, 

Schweden 

Berlin 

K.M. f.  V. 

II  4104 

a:C 

" 

Brunner-Berlin 

85 

Norwegen 

Christiania 

a :  B 

— 

Rygh,    Norske  Obl- 
sager  1885  Fig.  95 

86 

Trier 

Trier  G.  78 

a-b :  C 

1870  am 

Ausfluss  des 

Altbaches  in 

die  Mosel 

gel'.,  im 

Stadtgebiet 

des  römisch. 

Trier 

Hettner,  Illustr. 

Führer  p.  116  Nr.9 
Graeven-Trier 

87 

Kenn,2) 
Kr.  Tier 

Trier 
P.  M.  L530 

a:B 

— 

Graeven-Trier 

88 

Fussgönheim. 
Pfalz,  B.-A.  Speyer 

Speyer 

2  Ex.  a  :  C 

Hildebrand-Speyer 

3.   Der  „süddeutsche"  Typus 


«irgenti.  Sizilien 

Palermo, 
Geolog.  M. 

d 

B1 

Polada,3) 

Am  Garda-See, 

bei  Desenzano, 

Prov.  Brescia 

Desenzano, 
S.  Rombotti 

3 
f 

Ex. 
B 

Anvergne, 

Frankreich 

<  lambridge 

Haas. 
Peabody  M. 

d 

:B 

Vienne, 
Dep.  [sere, 
Frankreich 

St.  Gennain 

en  Laye 

' 

B 

Karsai, 

Lothringen, 
Frankreich 

Verdau 

d 

:B 

Pfahlbau 


Schoetensack  in  Z.  f. 
E.1897S.24Fig.27 

Montelius.   Italie 
S.ölTf.  1  Fi-  L5 


Mortillet  ]£us<  • 
preh.Tf.66Fig.659 

Ebendort  Fig.  665 


F.     Barthelemy     in 

Bfemoires    de    la 

d'archeoL 

lorraine  .">iiie  serie 
XVII  L889  S.262 

K.  un.  -Metz 


Begleit  en  de  Funde,  l)  Torsliinda:  Kino  schöne  ornamentierte  Lansenspitxe ; 
eine  Lochaxt.  Ende  der  I.Periode.  —  2)  Kenn:  Zusammen  mit  einer  Lappenaxt.  — 
3)  Polada:    Lanzen    und    Pfeilspitzen    aus    Silex;    triangulärer   Dolch;    Gerate    aus   Holz. 

Stein  und   Ton. 


—     562 


Lfd. 
Nr. 


in 


II 


12 


l:i 


Fundort. 
Genauere  Angaben 


Museum 


L5 


IT 
is 
L9 


Weizen1) 

Lei  Stühlingen, 

Baden 

Essingen,-) 

O.-A.  Aalen, 
Württemberg 

Miesbach) 

Ober-Bayern 

Steiuheini, 

Hessen-Darmstadt 


ßayerseich 3) 

im  Kranichsteiner 

Park, 
Hessen-Darmstadt 

Dornheini) 

Kr.  Gross-Gerau, 
Hessen-Dannstadt 

Frankfurt  a.  M. 


Stallberg4) 

bei  Eossberg, 
Hessen-Nassau 

Gerbstadt, 

Mansfelder  Seekr. 
Prov.  Sachsen 

Leubingen,5) 

Kr.  Eckartsberge 
Prov.  Sachseu 


LHtgenhof) 

bei  Grevesmühlen, 
Meckl.-Schwerin 


Riil/heiin,  Pfalz, 
B.-A.  Germersheim 

Wertheim) 

Ebendort 
< .  i in priu, 

Liechtenstein 


Kavlsrulie 
K.  N. 

IGT  — 471 
Stuttgart, 

Staats-S. 


Miesbacli, 
S.  des  Alt.  V. 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
geschichte 


Nachweis 


Darmstadt, 
Kabinets-M. 


Darm  stadt 


Frankfurt 
Nr.  T0O0 


Cassel 
Halle 
Halle 

Schwerin 

Speyer 
Speyer 
Bregenz 


d:B 
f:B 

d:B 
d:B 

d:B 

d:B 


d:B-C 
Die  Ecken  der 
Schneide   ab- 
gerundet 

d  :  B  IT  cm,  1. 


d:B  Rand- 
leiste nur  in 
der  Mitte 


d:  B 


f  ?  :  B  12,5  cm  1. 

unten  etwas  mehr 

verbreitert 

als  der  Typus 

e:B 
e:C-D 
f:C-l) 


H.  Gr. 


H.  Gr. 


Im  Stein- 
bruch 


H.  Gr. 


Aus  dem 
Main 

gebaggert 


H.  Gr. 
Mit  Holzbau 


Moorf. 


H.  Gr. 


Photogr.  Alb.  VII 
Tf.  13 

Fuudberichte  aus 
Schwaben    (1898) 
II  S.  4 

Sixt-Stuttgart 

Naue  sen .-München 


Dielte nbach,  Zur  Ur- 
geschichte der 
Wettprau,   Darm- 
stadt 1840.  S.  293 
Tf.  I  Fig.  14 

Koller  im  Arch.  f. 
Hessische  G  u.  A. 
III,  S.263Tf.IX 

Fig. 14 
Müller-Darmstadt 

Müller-Darmstadt 


Welcker- 

Frankfurt  a.  M. 


Pinder,  Bericht .  . . 
18T8S.21Tf.T-S 


Förtsch-Halle 


Mitt.des  sächs. -thür. 

Y.  XIV  (1878) 

S.  556 
Förtsch-Halle 

Meckl.Jahrb.IVS.38 

Bcltz-Schwerin 


Hildebrand-Speyer 

Derselbe 

Much,  Atlas   Tf.  23 
Fig.  8 


Begleitende    Funde,     l)  Weizen:    I   Schwert;   1  Dolchklinge;    1  Nadel   mit  ge- 
chwollenem    Hals.      -    2)  Essingen:    1   Dolch;    I    geschwollene  Nadel;    4  Armringe  und 
2  Goldringe.       3)  Bayerseich:  2  Armringe;  i  Absatzaxt;  !  grosser  Dolch  und  2  Petschaft- 
nadeln.    In  andern  Gräbern  desselben  Friedhofs  befanden  sich  noch  3  Bz.  von  2  Varianten 
pus:    I.  a:B  18  cm  I.  und  5  cm  gr.  Br.    mit  Resten   des   Holzschaftes    zu- 
sammen mit   einer  ge  chwollenen  dnrchlochten  Nadel;    2.   a:B  zusammen  niit  Tonschale, 
und  Dolch;    ■'•.  d:G  mit  Beaten  des  Efolzschaites.  —   1    Staüberg:    1  Lanzenspitze. 
—  ."»)  Lenblngen:   I  Randaxt  b:  F  desselben  Typus;  Dolche:  Steinwerkzeuge.  —  6)  Liitgen- 
hof:  1  Halsring  und   I  Dolch  ältester  Form. 


563    — 


4.    Der  „sächsische"  Typus 


[id. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Museum 

Genauere  An- 

Nachweis 

Nr. 

Genauere  Angaben 

gaben 

geschichte 

1 

Pähl, 

Weilheim, 

c:B-C 

Bioorf  und 

Naue   jen.-München 

Ober-Bayern 

S.  des  M.Ver. 

8'  tief 

•> 

Holirdorf 

bei  Messkirch, 
Baden 

Konstanz 

b:C 

Leiner-Konstanz 

0 

Erplingen,1) 

Stuttgart, 

2  Ex. 

H.  Gr. 

.Sixt -Stuttgart 

O.-A.  Reutlingen, 

Staats-S.  und 

b:0 

Württemberg 

Urachsche  S. 

1 

Thiergarte», 

Stuttgart, 

b:C 

— 

Präh.Bl.  L889,  S.  1  '• 

Hohenzollcrsches 

Privat-S. 

Tf.  IV  3 

Douauthal 

."> 

Kassel, 

Hessen-Nassau 

Berlin,  K.  M. 
f.  V.  II  10845 

b  :  C 

— 

Brunner-Berlin 

6 

Schlau,2) 

Prag 

3  Ex.     b  :  C 

In  Herd- 

l'ir. <  lechy  prSdh.  I 

Böhmen 

mit  beginnender 
Stegbildung 

gruben  und 
Hockergr. 

S.  189  Tf.  V  T 

i 

Oberklee3) 

Wien  und 

12  Ex. 

Dep. 

Richly,  Bronzezeit 

(Sobechleby), 

Prag 

c  :  C  c:Fu.c:F 

.">( )  cm  tief 

S.  133  Tf.34 

Bölimen 

14,4  - 14,9  cm  1. 

in  einer 
Schüssel 

8 

Maskovic,4) 

Böhmen 

Prag 

b:C 

Dep. 

EbendortS.104Tf.19 
Fig.  8 

Ü 

Plavnic,5) 

Ohrad  bei 

:;  Ex. 

Dep. 

EbendortS.122Tf.28 

Böhmen 

Frauenberg 
in  Böhmen 

b:Cf:Du.f:E 
13,1—18,7  cm  1. 

4,5-6,1  cm  br. 
an  der  Schneide 

mit  Andeutung 
einer  Rast 

20  cm  tief 

Fig.  1.4.6 

10 

Sarka-Vokovk- 

bei  Prag, 
Bölimen 

Prag 

2  Ex. 

a  :  C   u.  c  :  C 

Einzelfunde 

Piö-Prag 

11 

Unter-Themeuau) 

Wien 

3  Ex. 

Dep. 

Szombathv  in  Wien. 

bei  Eundenburg 

2=c:C    l=a:C 

Mitt.  XIII     1883 

Mähren 

Zinnarm 
L0.8     12,2  cm   1. 
Die  grösste   Axt 

ist  an  der 

Schneide  (>.<>  an, 

in  der  Mitte 

1,3  cm  breit 

S.  77 

12 

Miersdorf, 

Berlin, 

3  Ex.     b  :  C 

Dep. 

Brunner-Berlin 

Sachscn-KoburLr 

K.  M.  f.  V. 
II  9503  5 

eine  mit  schwach 
Rastbildung 

i:i 

Mittelbausen7) 

Erfurt, 

3  Ex 

Dep. 

Zschiesehe-Erfurt 

bei  Erfurt, 

s. 

b:C 

in  einem 

Sachsen -Weimar 

Zschiesche 

b  :  P  u.  c  :  1  ' 

Tongefäss 

Begleitende  Kunde.  1)  Erpflngen:  Nadeln:  L  Anhanger;  1  Zängchen;  1  Finger- 
ring; Nieten;  Haken;  1  Bernsteinperle:  l  Feuersteinpfeilspitze.  _  Schlau:  In  den 
Herdgruben:  l  DnStic-Nadel;  Gerate  \on  Stein  und  Knochen.  In  den  Gräbern:  Hing.': 
Ohrringe  aus  goldenem  Doppeldraht;  Steinaxt.  3]  Oberklee:  21  Halsringe  mit  Endösen; 
L  Armspirale  mit  7  Windungen u.  a.  m.  I  Kaskoviv:  Brüchen;  Schwertklinge;  Scheiben- 
nadel;  Armringe;  Tüllenaxte  u.  a.  m.  —  5)  Plavnic :  l  Randaxt;  l  Meissel;  2  cyprische 
Nadeln  u.a.m.  t'O  Unter-Theinenau:  1  lingförmig  zusammengekrümmter  Stab,  22  cm  1. 
und  6    8mm  dick,  der  wahrscheinlich  zur   Bei  Schaftes  diente.         7    Mittel- 

liaiisen: l  massiver  Halsring  und  l  Armring. 


564 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

Nachweis 

Nr. 

Genauere  Angaben 

geschichte 

14 

Wanden1) 

Dresden 

2  Ex. 

Dep. 

Sitzungsb.  d.  Isis 

bei  Lommatzsch, 

b  :  B  u.  c  :  C 

30  cm  tief 

1884  S.  75 

Kgr.  Sachsen 

Zinnarm 

in  einem 
Tougefäss 

Montelius,    Chrono- 
logie S.  40  Nr.  16 
Der  Fundort  liegt 
auf  der  Flur  Wau- 
den  (Jessen) 

Deichmüller- 
Dresden 

L5 

Carsdorf2) 

Dresden   und 

o3  Ex. 

Dep. 

Deichmüller- 

bei  Pegau. 

Pegau 

a :  C  u.  b  :  C 

in  einem 

Dresden 

Kgr.  Sachsen 

davon  25  Ex.  mit 
flacher  Rast 

Tongefäss 

• 

16 

Oetzsch, 

Dresden 

b:C 

Bei  der 

Derselbe 

Bez.  Leipzig, 

mit  flacher  Rast 

Feld- 

Kgr. Sachsen 

bestellung 

IT 

Beimewitz, 

•200  Ex.   in 

297  Ex. 

Dep. 

B.  V.  1879  S.  414 

Kr.  Halle  a.  d.  S., 

Berlin  K.M.  f. 

a:B     b:C    und 

im  Jahre 

Brunner-Berlin 

Prov.  Sachsen 

Y.,  .">5  Ex.  in 

c:D 

1879 

Förtsch-Halle 

Hannover,  14 

Im  Durchschnitt: 

ausgepflügt 

Fuhse-Braunschwg. 

Ex.  in   Dres- 

17 cm  1.,  an 

Höfer  -  Wernigerode 

den,  2  Ex.  in 

der  Schneide 

Braun  seh wg  , 

7  cm  breit  und 

2  Ex. 

350  g  schwer 

Anderbeck 

S.  Rimpeln 

17 

Gröbcrs 

Dresden, 

b:C 

— 

Osborne,    Das    Beil 

bei  Halle  a.  d.  S. 

S.  Osborne 

Tf.  IX  9 

19 

Hansneindorf) 

Kr.  Aschersleben, 
Prov.  Sachsen 

Quedlinburg 

2  Ex. 

b:C 

Höfer  -Wernigerode 

20 

Dederstedt, 

Eisleben 

11  Ex. 

Li  einem 

Jahresschr.  f.d.  Vorg. 

Mansfelder  Seekr. 

b:C 

Topf  mit 

d.  sächs.- thüring. 

Prov.  Sachsen 

Asche  und 
Knochen 

Länder  I  S.  141  u. 
Tf.  XVII 

21 

Bemistedt, 

ebendort 

Berlin,  K.  M. 
f.V.  Ig  3392 

b:C 

— 

Brunner-Berlin 

•)•) 

Halle  a.  d.  S., 

Prov.  Sachsen 

Stettin 
5010 

b:C 

— 

Stubenrauch  -Stettin 

23 

Oster  fei  d, 

Kr.  Weissenfels, 
Prov.  Sachsen 

Halle 

c:C 
12  cm  1. 

Förtsch-Halle 

24 

Sehkopau, 

(i  Ex.  in 

li»!  Ex.     b:B 

Dep. 

Derselbe 

Kr.   Merseburg, 

Halle, 

c  :  C   und   c  :  D 

1821 

Höfer  -Wernigerode 

Prov.  Sachsen 

7  Ex.  in 

8-16,6  cm  1. 

gefunden 

Deichmüller- 

Wernigerode, 

Zum  Teil  von 

Dresden 

2  Ex.  in 

rohem  Guss  und 

Prcusker,  Blicke  in 

Dresden 

noch  nicht 
gedengelt 

und 
geglättet 

die  vaterl.  Vorzeit 
II     184:;    S.   151 
Tf.  I  Fig.  5:; 

IL    Jahresber.    des 
Thüring.-Sächs.V. 
Naumburg  1822 
S.  11   Tf.  I  a  u.  b 

Montelius,    Chrono- 
logie 8.  43 

Begleitende  Funde.  I«  Wanden:  I  trianguläre  Dolchklinge;  19  Halsringe  mit  Endöse; 
8  offene,  glatte  oder  quergestrichelte  Arm-  oder  Fussringe;  4  tonmierte  desgl.;  S  schmale 
Armspiraleu  (eine  voll  tändig  mit  11  Windungen);  viele  Ringe  und  Bernsteinstücke.  — 
:.'  Carsdorf:  f.  Hai  ringe  mit  Emiöse:  I  offener  Halsring  mit  schwach  verjüngten  Enden; 
3  offene  dicke  Arm-  oder  Fussringe. 


—     565     — 


Lfd. 
Nr. 


•_'<  i 


Fundort. 

Genauere  Angaben 


Museum 


31 


36 


38 


Crumpa, 

Kr.  Querfurt, 

Brov.  Sachsen 

Kalbe  a.  d.  S., 

B  -B.  Magdeburg, 

Prov.  Sachsen 

Insel, 

Kr.  Stendal, 

Prov.  Sachsen 

Meli  riii  gen, 

Kr.  Bernburg, 

Anhalt 


Giersleben, 

Kr.  Bernburg, 
Anhalt 

Ilbersdorf, 

Kr.  Köthen, 

Anhalt 

(Jollbogen,1) 
Kr.  Zerbst,  Anlialt 

Lindau, 

Kr.  Zerbst,  Anhalt 

Sadersdorf,2) 

Kr.  Guben, 

Brandenburg 


Tankow, 

Kr.  Friedeberg, 
Brandenbu 
Lippeluie,3) 

Kr.  Soldin, 
Brandenburg 

Lautren,4) 
Kr.  Buppin, 

Brandenburg 

Granowo,5) 

Kr.  Buk,  Posen 

Weisdorf,6) 
Kr.  Ohlau, 
Schlesien 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
geschichte 


Nachweis 


Berlin, 

K.   M.  f.  V. 

Ig  1308 

Ebendorl 

II     ll.'.la 

Berlin, 
Mark. 
Pr.-M. 

1  Ex.  in 

Bernburg, 

2  Ex.  in 
Aschersleben 

Privat-S., 
1  Ex.  in 

Berlin.  K.  M. 

f.  \  .    II  b  31 

Kühnau 

Nr.  Ulla 


Ilbersdorf,  S. 

des  Herrn 

Eckstein 

Kühnau 

Nr.  1  !  I 

Ebendort 
Nr.  117 
Guben 


Berlin, 

K.  M.  t.  V. 

If  37:io 

Ebendort 
E.  f.  II  48.  Od 

Berlin, 

Miirk    M. 

L9722 

Posen, 
Polniseb  M. 

Breslau 


b:C  mit 
schwacher 
Rastbildung 

b  oder  c : C 


b:C 


5  Ex. 

B   und  b 


8  Ex. 
a:B    b:B    d:I 
und  5  Ex.  =  b  :  C 

11,(')— 17,3  cm   1 
c:C 


b:C 
9,8  cm  1. 


b:C 

6  Ex. 
c:C 


b:C 


b  :  C 


2  Ex. 
b:0 

c:C 
L69  (/  Gewicht 

7  Ex.     b  :  C  und 
c  :  C     Zinnann 

r_'.7  vin  l. 

oben    2.<»r»(| 
mitten  L,8   „    br. 
unten  5,6   -  I 


Dcp. 
in  einem 
Tonerefäss 


üep.  L831 
in  einem 

Tongefäss 
gefunden 

Einzelfund 


Dep. 
in  einem 
Tongefäss 


Dep. 

< )..'!  m  tief  in 
einem  Topf 
zwischen 
Baum- 
wurzeln 


Dep. 
im  Moor 

Im  Torf 

gefunden 

Dep. 

Dep. 

in   einem 
Tongefäss 


Brunner-B  rlin 


Derselbe 


Schlemm-Berliu 


Seelmann-Alten 


Derselbe 


Derselbe 


Derselbe 


Derselbe 

Jentseh-Guben, 
Nachrichten  L893 
S.  59—63 


Brunner-Berlin 


Derselbe 


Schlemm-Berlin 


Pos.  Alb.  Tf.  X  14 

SchlesiensYorzeitVl 
S.3U6,  VII  S.357 

u.  .".1  I 

-Breslau 


Begleitende  Funde.  1)  Gollbogeu:  1  SchvertgriiY;  _1  Sichel  u.a.  2  saders- 
dorf: 2  ineinandergedrehte  Armspiralen,  in  welche  die  6  ixte  eingeiogen  waren,  ab- 
wechselnd mit  der  Schneide  uach  oben  und  unten  gerichtet;  I  kleinerer  und  2  grössere 
dicke  Ringe.  3)  Lippehue:  3  ovale,  offene  Hing-,  massiv  und  an  de,,  Enden  verjüngt. 
—  4)  Langen:  1  Bandaxt.  —  5  «Uauowo:  6  trianguläre  Dolche:  1  Sehwcrt>tab:  5  Bais- 
ringe mit  Endöse:  9  teilweise  ganz  geschlossene  dicke  Armring.  -  6  Weisdorf:  17  offene 
Riuge,  teils  mit  Bndöse,  teils  mit  glatt  abgeschnittenen  Enden. 


5(56 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

39 

Glogan,1) 

Breslau 

10  Ex. 

Dep. 

Schlesiens  VorzeitVI 

Schlesien 

b  :  B   und  b : C 

in  einem 
Tongefäss 

S.29G,  VHS.  354 
Montelius,    Chrono- 
logie S.  37 
Se^er-Breslau 

in 

Karschau,2) 

Ebendort 

b  :  C     22,5  cm   1. 

Dep. 

Schlesiens  VorzeitVI 

Kr.  Nimptsch, 

oben     2  cm  |  , 
unten  10   „  J  Dr- 

S.  172  Tf.  7 

Schlesien 

Seger-Breslau 

41 

Zedlitz  bei  Breslau 

Ebendort 

b:C 



Derselbe 

42 

Wirwitz,3) 

Ebendort 

4  Ex. 

Dep. 

SchlesiensVorzeitVi 

Kr.  Breslau 

b:C 

S. 307  VII  S.  358 
Seger-Breslau 

43 

Rügen,  Pommern 

Berlin, 

K.  M.  f.  V. 

Ic  1583 

2347/8 

3  Ex.     1  ?  :  C 

und  2  b  :  C 

12,25-14,3  cm  1. 

Andeutung  einer 
Rast 

Brunner-Berlin 

44 

Leisterförde 

Privat-S.  in 

b:C 

Moorfund 

Beltz-Schwerin 

bei  Boizenburg, 

Mecklenburg 

Mit  Stegbildung 

Meckl.-Schwerin 

15 

Köhleu,  Kr.  Lehe, 
Hannover 

Hannover 
5539 

c:C 

— 

Reimers-Hannover 

IC 

Reher, 

Kiel 

b:C-D 

H.  Gr. 

Kröhnke,  Unter- 

Ksp. Schenefeld, 

G125 

Mit  Linien- 

Sk.  in  einer 

suchungen  II.  Aufl. 

Schleswig-Holstein 

gruppen  an  den 

Stein- 

S. 22  Nr.  36 

Seiten  verziert 

packung 

Mestorf-Kiel 

5.   Der  Typus  der  „geknickten"  Randäxte   * 


Mainz. 


Laugenlonsheim 

Kr.  Kreuznach 
Rheinprovinz 


Mainz  3  Ex.  2  =  f:C 

l  =  a?:C.    1  Ex. 

besitzt  einen  Steg 
mit  einer  Borte, 
die  mit  einem 
Fischgräten- 
muster und 
schraffierten 
Dreiecken  ver- 
ziert ist.  Bei  dem 
2.  Ex    fehlt  die 
Randleiste  in  der 
oberen  Hälfte  u. 
beim  dritten  liegt 
die   Einknickung 

unterhalb  der 

Mitte.      11,1  bis 

\ '■'</>  cm  lang 

Bonn  1931      d  :  B   II  Cm  laue 


2  Ex.  aus  dem 

Rhein 
1  Ex.  in  der 
Umgebung 

derStadtgef 


Sk.  Gr.  auf 
der  Sohle 
eines  Grab- 
hügels mit 

Nach- 
liestattungen 
aus  der  Hall- 
statt- und  rö- 
mischen Zeit 


Westd.Z.XIVS.387 
Tf.  14  Fig.  12; 
XIX  S.  396  Tf. 
XVI  Fig.  9  und 
XXI  (1902)  S.  427 
Tf.  7  Fig  21 


Lehner  Bonn 


Begleitende  Funde.  1)  Wlogan:  32  teils  dicke,  massive,  fast  geschlossene  Ringe, 
teils  dünnere  mit  Endöse;  2  manschettenartige  Armbänder.  —  2)  Karsehau:  Triangulärer 
Dolch;  flacher  Hammer.  —  3)  Wirnil  z.  8  Osenringe. 


—     51 17 


,fd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

•' 

Thicrschneck '  i 
bei  Camburg 

Sachsen- Weimar 

Jena 

d:C  13,4  cm  1. 
3,0  cm  an  der 

Knickiingstelln 

and  1. 1  cm  an  der 

Schneide  br. 

H.  Gr. 

Kloptleisch  in 
Correspondenzbl. 

d.  Deutschen  an- 
throp.     G.      1*71 
S.  78 

■1 

Hobenhausen, 
Lippe-Detmold 

Detmold 

a  :  B  10,3  cm  1. 

Martin-Oldenburg 

5 

Nordhansen, 

Prov.  Sachsen 

Nordhausen 

Nr.  1  1 1 

Kossinna-Beilin 

6 

Thale,2) 

Kr.  Aschersleben, 
Prov.  Sachsen 

Berlin 
K.M. f.  \. 
II  10  64] 

a:B 

Dep. 

Brunner-Berlin 

7 

Soden 

bei  Allendorf, 
Hannover 

Göttingen 
Stadt.  M. 

Kossinna-Berlin 

8 

Aligser  Heide,3) 

Kr.  Burgdorf, 

Hannover 

Hannover 
5222 

a:D 

H.  Gr. 

aufderHeide 

Lindenschmit,  A.  h. 

V.  I.  1.  3.  20 
Reimers-Hannover 

«.) 

(nxhafen, 

Oldenburg 

Cuxhafen, 
S.  Reinecke 

Kossinna-Berlin 

Ki 

Garistorf,4) 

Amt  Winsen  a.  L. 

Hannover 

Hamburg 

a:A— B 

1 1 .."»  cm  1.     Der 

Rand  ist  oben 

teilweise  gekerbt 

und  mit  kleinen 

Halbmonden 

verziert 

Dep. 

Hagen-Hamburg 

11 

Lüneburg, 

Umgebung 

Hannover 
13803 

a:  ß 

Reimers-Hannover 

1-J 

> 
o 

§ 

Daunen  berg, 
Kr.  Lüneburg 

Lüneburg 
L051/2 

2  Ex.  c  :  B  und 

a :  ?  Andeutung 
einer  Rast 

Derselbe 

13 

K 

Bokeloh,5) 

Kr.  Neustadt 

Hannover 
IG  159 

a:B 

In  einer  Kies- 
grube •">//(  tief 

Derselbe 

11 

bc 

Amt 
Veciita 

Oldenburg; 
Nr.  8 

a:B  11,6  cm  1. 

2,12  cm  breit  an 
der  Schneide, 
meisselartig 

Kossinna-Berlin 

Martin-Oldenburg 

15 

3 
,0 

Rethwisch6) 

b.  Goldenste  dt 

Ebendort 
Nr.  160 

H.  Gr. 

Kossinna-Berlin 

16 

•X3 

o 

Wildes- 
hansen 7) 

Ebendort 

Gesamtfund 

Nr.  36 

2  Ex.  a  :  B 
11,37  u.  14,67  cm 

lang 

Dep.  1875 
auf  Stege- 
mannsKamp 
15'  tief  im 
Dünensande 

Derselbe 
Martin-Oldenburg 

Begleitende  Funde.  1)  Thierschueek:  Eine  schön  verzierte  Dolchklinge  mit 
erhabener  Mittelrippe  und  verbreitertem  Griffansatz;  drei  „Säbelnadeln"  mit  Kopföse: 
•.'Armringe:  Knochenpfriemen;  Steingeräte;  Tongefässe.  —  2)  Thale:  1  Randaxt:  1  Dolch: 
1  Lanzenspitze:  Armbergen;  Armspiralen;  runde  Zierknöpfe;  kegelförmige  tutuli.  — 
3)  Aligser  Heide:  1  Feuersteinpfeilspitze.  —  4)  Garistorf:  Eine  schön  ornamentierte 
trianguläre  Dolchklinge;  1  Rasiermesser:  eine  verzierte  Pinzette;  eine  oben  schön  ver- 
zierte Nadel  mit  doppelkegelförmigem  Kopf  und  1  Nadel  mit  kreuzförmigem  Kopf  und 
umgebogenem  Hals.  —  5)  Bokelob:  1  Dolchklinge.  —  6j  Kethwisch:  1  Wetzstein  au> 
Kieselschicfer:  1  Pfeilspitzen  aus  Feuerstein.  —  7)  Wildeshausen:  1  Radnadel;  2  Rand- 
äxte: 1   Lanzenspitze:  1  Armring  und  1  Nadelschaft. 


—    568    — 


Lfd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

17 

iE 

3 

Grapper- 
hanser 

Mark 
Amt  Yechta 

Oldenburg 

a  :  B  12,00  cm  1. 

Die  Seiten 

ausserhalb  der 

Knickung 

gestreckt 

H.  Gr. 

Kossinna-Berlin 
Martin-Oldenburg 

18 

O 

Thienfelde, 

Amt 
Delmenhorst 

Ebendort 

a  :  B  11,62  cm  1. 

Seiten  stark 
geschweift 

Dieselben 

1!) 

Xeu-Böddeken,1) 

Kr.  Büreu 
Westfalen 

H.  Gr. 

Kossinna-Berlin 

20 

Wüstenfelde,2) 

bei  Neu-Kalen 
Meckl. -Schwerin 

Schwerin 

b:B 

mit  Stegbildung 
1  _'..")  cm  lang 

Dep. 

Beltz-Schwerin 

21 

Oldersbeck, 

Kspl.  Mildstedt 
Schlesw.-Holstein 

Kiel  11086 

a:B 

Einzelf. 

Mestorf-Kiel 

22 

Vildbjerg, 

Jütland, 
Dänemai'k 

Kopenhagen 

a:B 

Osborne,    Das   Beil 
Tf.  IX  12 

23 

C 

►rebäcken,3) 

Schonen, 
Schweden 

Stockholm 

2  Ex.  e  :  E  und 

e:G  Andeutuug 

einer  Rast. 

Unterhalb  der 

Einknickungsind 

die  Leisten  zu 

kleinen  Lappen 

entwickelt. 

Montelius,    Chrono- 
logie S.  56 

6.   Der  Typus  der  „langgestielten"  Randäxte  I 


1 

Chainoson,4) 
Wallis,  Schweiz 

Zürich 

d :  G 1  ohne 
Spitzecken 

Gr. 

Hecerli  &  Oechsli, 
Urgeschichte  des 
Wallis  S.  10G  (10) 
u.  121  (28)  Tf.  I  8 

-> 

Pont  de  la  Morgre 

bei  Sitten,  Schweiz 

Genf 

d :  G  >  mit  An- 
deutung einer 
Rast,  ohne 
Spitzecken 

Ebendort  S.  110  (14) 
S.  121  (28)  Tf.  I  9 

•  > 

i  -  :» 

Liddes,  Wallis 

Conthey  und 
Savlese,  Wallis 

Bern 

d :  G1  ohne 
Spitzecken 

Ebendort  S.10G  (10), 
110  (14)  u.  124  (28) 
Ebendort 

c 

Bevaix,  Kanton 

Neuenburg, 

Schweiz 

Biel 

Plahlb. 

Ebendort 

7 

Genf 

Zürich 

■1  Ex.  a?:G2 
28,5cm  1.-7  ro.>]>. 
25  mm  br.  an  der 

Schneide,  Ge- 
wicht 17.")  resp. 
I.Vi  g. 

Schneidenteil 

lanzettförmig 

Im 

Rhonebett 
gefunden 

Ebendort 

Anzeiger  f.  schwei- 
zerische Altert. 
VII  (1894)  S.  359 
Tf.  XXV 

Begleitende  Funde.  1)  Neu-Böddekcn:  1  Kurzschwert;  1  Petschaftnadel.  — 
2)  Wüstenfelde:  •'!  andere  Eandäite.  —  •'!)  Orebäcken:  I  Meissel.  —  1)  Chainoson: 
1   trianguläre  Dolchklinge  mit  2  Nictlöchern  und   1  Scheibennadel. 


—    569 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichti 

Nachweis 

8 

Döle, 

Schw.  Jura, 
Frankreich 

a  :  I'1 

Chantre  i  Mat>riaux 
pour   l'h.    de  l'h. 
1878  S.  213   Fig. 
113 

9 

Käme1) 

f:G 

Gr. 

Fonrnier,    ebendort 

a.  d.  Durance 

S.  155  Fig.  91 

Dep.  Haute*  Alpes, 

Frankreich 

10 

Türkheini, 

Kr.  Colmar,  Elsass 

Colmar 

a  :  G l  ohne 
Spitzecken 

Naue  jun. -München 

11 

Hagnau 

am  Bodensee, 
Baden 

Konstanz 

a  :  G  neben  den 

Randleisten 

noch  eine  zweite 

Leiste 

Li'iner-Konstanz 

12 

Hietsehenhausen, 

Kaisers- 

In der  Nähe 

Mehlis-Neustadt 

Pfalz 

lautern 

Privat  S. 

F.  Schneider 

eines 
Bruches 

13 

Michelfeld,2) 

Heilbronn 

drG1 

H.  Gr.  an 

Schliz-Heilbronn 

0.  A.  Hall, 

Ohne  Spitz- 

der Strasse 

^'iirtemberg 

ecken 

nach 
Gnadenthal 

14 

Mägerkingen,3) 

0.  A.  Reutlingen 
Württemberg 

Stuttgart 
Staats-S. 

2  Ex.  d:G? 

H.  Gr. 

Sixt-Stuttgart 

15 

Haid, 

Ebendurt 

Ebcndort 

d:G? 

H.  Gr. 

Derselbe 

16 

Kehren,4) 
0.  A.  Tübingen 

Ebendort 

2  Ex.     c  :  ? 

H.  Gr 

Derselbe 

17 

Grossenlüder,5) 

Kr.  Fulda, 
Hesseu-Nassau 

Kassel 

Kossinna-Berlin 

18 

Eining, 

Kegensburg 

'{ :  G  Der  obere 

Steinmetz  -  l^gens- 

Oberpfalz,  Bayern 

Teil  ist 
abgebrochen 

burg 

19 

Slan, 

Slan 

b?:G  Oberhalb 

Pic,       Starozitnosti 

Böhmen 

der  Schneide  ist 
das  Blatt  mit 
(i  konzentr. 
Halbkreisen  ver- 
ziert.  Längs  des 
Klingenblattes 
verläuft  eine 
Mittelrippe 

zemeCeskelS.ll-i 
Fig.  22. 

20 

Putsch,6) 

Breslau 

1  Ex.  3     a:G 

Dep. 

Rfertins    in    Schle- 

Kr. Leobscbütz, 

1  =  e :  G  Der 

siens  Vorzeit   VI 

Schlesien 

Schueidcnteil 

durch  Parallel- 

linien  schön 

vorziert 

S.  321 

Montelius,    Chrono- 
logie S.  39  Fig.  92 

S(  !g<  r-Breslau 

21 

Glogau. 

Schlesien 

Dresden 

a:B 

I  leichmüller- 
Dresden 

Begleitende  Funde.  1)  Käme:  1  Dolchklinge  mit  •'.  Nietlöchern;  1  schön  ver- 
ziertos Stirnband  und  1  durchlochtcr  Bärenzahn.  —  S  Michelfeld:  1  Spiralarmband.  — 
»)  Mägerkiiigen:  2 Armringe ;  2 Nadeln.  —  1  Kehren:  l  Schwort:  1  Lanzenspitze;  1  mit 
Gold  verzierte  Nadel;  2 goldene  Fingerringe.  —  I  Grossenlüder:  l  geknickte  Randaxt. 
—  6)  Putsch:  10>  Randäxte:  IT  Halsringe  mit  Endösen  nnd  7  Armspiralen. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahr-.  1904.   Beft  5.  '■'<'< 


570 


Fundort. 
Genauere  Angaben 


Museum 


Variante 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
geschichte 


Nachweis 


Schönau, 

Kr.  Glogau, 
Schlesien 


Skarlnniec,1) 

bei  Znin,  Posen 

Carthaus, 

Westpr. 


Sobbowitz, 

Kr.  Danziger  Höhe 
Westpr. 

Butzow, 

Kr.  Anklam 
Pommern 


Qnasteuberg 

bei  Stargard, 
Mecklenb.-Strelitz 

Ferdinandshof, 

Kr.  Uckermünde, 
Brandenburg 


Berlin 

K.  M.  f.  V. 

Ie  119 


Posen 
Poln.  M. 

Danzig 


Ebendort 


Stettin  4111 


Neubranden- 
burg 
Nr.  15S5 

Berlin 
K.  M.  f.  V. 

1c  1722 


Bahn  beschädigt, 

Schneide  fehlt. 

Stil  1!»  cm  1. 

2,4  cm  br. 

d:G 

a  :  G *  32  ein  1. 
4  cm  br.   an  der 

Schneide 
Ohne  Spitzecken 

aiG1 
ohne  Spitzecken 

f:G 


a:G 


2  Ex. 
a.-G1  24,8  cm  1. 
a  :  C  17,2  cm  1. 


Gr.  (?) 


Bohlen, 

Dresden 

f:D 

Auf  dem 

Sitzuugsb.     d.    Isis 

Kgr.  Sachsen 

Felde  gef. 

1899  S.  22 

üeichmüller  -  Dres- 
den 

Olbersdorf2) 

Görlitz 

f:E 

Dep.  beim 

Preusker,  Blicke  in 

bei  Zittau, 

Aufnehmen 

die  vaterl.  Vorzeit 

Kgr.  Sachsen 

einer 
Schanze  auf 
den  Kaiser- 

I   (1841)     S.    139 
Tf.  I  Fig.  47 
Deichmüller- 

feldern  am 
Kalteustein 

Dresden 

Klädeii,3) 

Berlin 

4  Ex.  d  :  B 

Dep. 

7.    Jahresbuch    des 

Kr.  Stendal, 

K.M. i.V. 

a :  G1  und  d  :  G1 

Altmärk.  V.  S.  11 

Prov.  Sachsen 

Ig  945/6 

21,5—33,7  cm  1. 

Fig.  4 — 7 

Salzwedel 

2,1—8,3  cm  br. 

Montelius,   Chrono- 

S. d.Altmärk. 

an  der  Schneide 

logie    S.  44   Fig. 

V. 

120—121 
Zechlin-Salzwedel 
Höfer- Wernigerode 

Leubingen, 

Halle 

a:G 

H.  Gr. 

Mitt.  der  Sächsisch- 

Kr.  Eckartsberga, 

20,5  cm  1. 

mit  Holzhau 

thüring.    V.   XIV 

Prov.  Sachsen 

S.  556 
Fort  seh- II  alle 

Moriirkau, 

Kühnau 

i:(i 

Seelmann-Alten 

Kr.  Dessau, 

K.Nr.  158  e 

21  cm  1. 

II' tz.  Anhalt 

In  einer 
Mergelgrube 
mit  mehre- 
ren Äxten  in 
einem  Kreise 
liegend  gef. 


Brunner-Berlin 


Posener  Alb.  Tf. 
XVII  10 

Lissa.uer ,  Alt.  d. 
Bronzezeit  S.  20 
Tf.  XI  IG 

Conwentz-Danzig 

Ebendort  S.  20 


Stubenrauch-Stettin 


Eissauer 


Brunner-Berlin 


Begleitende  Funde.  1)  Skarbinlec:  I  Flachaxt;  2  Schmalmeissel  und  1  Stäbchen 
mit  Einschnitten.  —  2)  Olbersdorf:  49  Äxte.  -  3)  KlSdcn:  9  Randäxte;  1  Meissel; 
I   Speer  pitze  und  1   Nadel. 


—     57] 


Lfd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

34 

Leiberg, 
Kr.  Büren, 
Westfalen 

Münster 

K.  Nr.  70 

? :  G  beschädigt 
18  cm  1. 

Gr. 

Z.  d.  V.  f.  G.  und 
Alt.  Westfalens  X 
S.  218 

Wormstall-Coesfeld 

35 

Mar  [aspring, 

Landkr.  Göttingen, 
Hannover 

Hannover 
5923 

a:C 

In  einer 
zertrümmer- 
ten Urne  (!) 

Lindenschmit ,       A. 

h.  V.  I  1.  3.  1" 
Müller-Reimers,  Alt. 

Tf.  VT  54 
Reimers-Hannover 

36 

Harsefeld, 

Kr.  Stade, 
Hannover 

Ebendort 
5442 

a:G 

Derselbe 

37 

Hüllen 

bei  Eckernförde, 

Schleswig-Holstein 

Kiel 
6125 

a:D 

Montelius,  Chrono- 
logie S.  21  Fig.  5(3 

Kröhnke  ,  Unter- 
suchungen S.  22 
Nr.  37 

38 

Skegrie, ') 

Schonen, 
Schweden 

Stockholm 

d:  G1 

Dep.  unter 
einem 

grossen  Stein 

Montelius,  Ebendort 
S.  5G  Fig.  163 

39 

Zala-Szeut-Gröth, 

Koni.  Zala, 
Ungarn 

Budapest 

a:E 

Arch.  Ertesit.    1904 
S.  178  S.  177  Fig.  3 

Marton-Budapest 

In 

Ungarn, 

In  verschiedenen 
Fundorten 

Budapest 

6  Ex. 

Märton-Budapest 

41 

Trassein,2) 

Kr.  Saarburg, 
Rheinprov. 

Trier 

a?:B 

etwas  bestossen 
22,5  cm  1. 
•  !,7   cm   br. 
Verziert  mit 
punktierten  Li- 
nien parallel 
den  Randleisten 

Depot  (?) 

Hettner  im  Korre- 
spondenzblatt der 
Westd.  Z.  XXI 
(1902)  S.  139. 

Graeven-Trier 

7.   Der  „ostbaltische"  Typus  A 


Altona 

in  Curland 


Gegend  von 
Heydekrug  (?) 

Ostpreussen 

IMllkoppen, 

Kur.  Nehrung, 
Ostpreussen 


Riga 


Dresden 
angeblich 
aus  Hallo 

Königsberg 
l'rovinzial-M. 


2  Ex.  a  :  H 


a  :  H  mit  bogen- 
förmigem oberen 
Rande  des 
Schneideuteiis 

a:H 


Tischler  in   Schrift. 

der  Phys.  ökon.  G. 

1888  [S.  7] 
Katalog  der  Rigaer 

Ausstellung    1896 

Tf.  III  Fig.  3 
Hausmaun-Dorpat 

Tischler  ebendort 
Osborne,    Das    Beil 

Tf.  X  Fig.  3 
Kossinua-Berlin 

Tischler  ebendort 
Bezzenberger- 

Könij,rsberg 


Bogleitende  Funde.  1)  Skegrie:  l  geknickte  Axt  und  2  Lanzenspitzen.  — 
2)  Trassem:  5  Randaxte  von  norddeutschem  Typus  d:C,  d:D  und  d:G;  1  Kurzschwert; 
1  goldene  Nadel  mit  Spiralen  am  oberen  Endo:  1  goldener  tordierter  Ring;  l  goldene 
Lockenhalter. 


—     572 


Lfd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

4 

ScllillilHMl. 

Kr.  Tilsit, 
Ostpreussen 

Königsberg 
Prussia-M. 

a:H 

Tischler  ebendort 
Bezzeuberger- 
Königsberg 

5 

Zeidischken, 
Kr.  Ragnit, 
Ostpreussen 

Königsberg 
Prussia-M. 

a:H 

Dieselben 

G 

Kapnrnsclie, 

Heide, 
Ostpreussen 

Ebendort 

a:H 

Bezzenberger- 
Königsberg 

i 

Duiikersliöfen. 

Kr.  Königsberg, 
Ostpreussen 

Desgl. 

■'>  Ex.  a :  H. 

Teilweise  defekt 

Derselbe 

8 

Gegend  von 
Insterburg(J) 

Ostpreussen 

Insterburg 
S.  d.  Alt.  V. 

a:H 

Tischler  1.  c. 

9 

Warnakallen, 

Kr.  Pillkallen 

Berlin 
K.  M.  f.  V. 

a:H 

Tischler  1.  c. 
Brunner-Berlin 
Voss,  Merkbuch  Tf. 
III  G 

10 

Spiegels, 

Kr.  Kastenburg 
Ostpreussen 

Königsberg 
Prussia-M. 

a:H 

Bezzenberger- 
Königsberg 
Tischler  1.  c. 

11 

Dcmbowitz, 

Kr.  Neidenburg 
Ostpreussen 

Königsberg 
Prussia-M. 

a:H 

Bezzenberger- 
Königsberg 

12 

Willenberg, 

Kr.  Orteisburg 
Ostpreussen 

Ebendort 

a:H 

Derselbe 

13 

Dohlen, 
Kr.  Osterode 
Ostpreussen 

a:H 

Derselbe 

11 

Montowo, 

Kr.  Lübau, 

Westpreussen 

Posen 
Poln.  M. 

Kossinna-Berlin 

15 

Provinz  Preussen 

Berlin 
K.  M.  f.  Y. 

a:H 

Tischler,  1.  c. 
Brunner-Berlin 

i«; 

Luszezcwo 

am  Goplo-See, 
Kr.  Slupca, 
Polen 

Posen 
Poln.  M. 

a:H 

14,5  cw   1. 
275  y  schwer 

Dicht  am 
Ufer  des 
Sees  in 
einem  Torf- 
lager gef. 

Posen  er  Arch.  Mitt. 
IS.57Tf.2lFig.5 
Kossinna-Berlin 

—    573 


II.    Die  Typenkarte  der  Ruder-  und  Scheibennadeln. 

(Hierzu  Kartenbeilage  II.) 
A.    Die  Rudernadeln. 

Ilrierli    erklärte    richtig,    dass    der  Ausgangspunkt   dieser  Nadeln  in 

den  früh  verbreiteten  Rollennadeln  zu  suchen  ist.  bei  denen  die  Rolle 
offenbar  zum  Durchziehen  eines  Fadens  für  die  Befestigung  der  Grewand- 
falte  diente.  Denn  vor  Erfindung  der  Fibeln  vertraten  bekanntlich  die 
grossen  Nadeln  deren  eigentliche  Aufgabe,  die  Kleider  zusammenzuhalten, 
indem  ein  Faden  oder  eine  Schnur  quer  über  die  Grewandfalte  von  einem 
lande  der  Nadel  bis  zum  anderen  gespannt  und  dann  festgeknüpft  wind.-. 
Dieser  Faden  wurde  bei  der  Fibel  später  durch  einen  festen  Bügel  ersetzt, 
ich  möchte  ihn  daher  kurz  als  Bügelfaden  bezeichnen.  Dm  aber  die  leichte 
Verschiebbarkeit  der  einfachen  Rollennadeln  einzuschränken,  schlug  man 
den  oberen  Teil  des  Schaftes  dicht  unter  der  Rolle  breit  und  platt,  wo- 
durch derselbe  zu  einem  besonderen  Glied  der  Nadel  erhoben  wurde.    Die 


Egxr 


fyi8 


Fig.W  Fig39 

**-j        


F.a3f 


Nadel  bestand  nun  aus  Rolle,  Kopfplatte1)  und  Schaft  (Fig.  27).  Die 
Kopfplatte  wurde  bald  mehr  oval,  bald  mehr  rhomboidal  gebildet,  —  so 
Lange  sie  aber  klein  blieb,  machte  die  Nadel  immer  den  Eindruck  einer 
Bollennadel.  Wir  nennen  daher  diese  Nadeln  noch  zweckmässig  Rollen- 
nadeln mit  Kopf  platte  (Fig.  28). 

Allmählich  wurde  die  Platte  immer  mehr  dekorativ  entwickelt  und 
die  ganze  Nadel  zu  einem  Schmuckstück  umgestaltet.  Man  machte  die 
Platte  entweder  lang  und  schmal,  wie  ein  gewähnliches  Ruderblatt  (Fig.  29 
oder  man  machte  sie  spatenförmig  mit  glatter,  spiegelnder  Fläche,  so  dass 
Virchow  diese  kenn  Spiegelnadeln  nennen  konnte  (Fi-.  30),  oder  man 
liess  sie  oval,  machte  sie  aber  grösser  und  breiter  und  verzierte  sie  reich 
mit    gravierten    Linienbändern    und    schraffierten    Dreiecken  (Fig.  31).      Efi 

1)   Streng   genommen  sollte  dieser  Teil  eigentlich  als  Ealsplatte  bezeichnet  werden; 

da  derselbe  sieh  aber  bald  zum  eigentlichen  Kopf  der  Nadel  entwickelt,  so  ziehen  wir  es 
vor,  ihn  gleich  von  Anfang  an  als  Kopfplatte  einzuführen. 


—     574     — 

ist  nicht  zu  verkennen,  dass  alle  diese  Nadeln  eine  Ähnlichkeit  mit  kleinen 
Rudern  haben,  daher  ist  der  von  Bayern  eingeführte  Name  „Rudernadeln* 
für  dieselben  auch  ganz  zweckmässig.  —  Die  Einrollung  am  oberen  Ende, 
gleichsam    das  Zeichen  ihrer  Abstammung  von  der  einfachen  Rollennadel, 
durfte    an  keiner  dieser  Nadeln  fehlen,    da  sie  zum  praktischen  Gebrauch 
durchaus  notwendig  war;   sie  wurde  nur  mit  der  Verbreiterung  der  Platte 
ebenfalls    breiter.     Wo    die  Entwicklung  dieser  Rudernadeln  aus  den  ein- 
fachen   Rollennadeln    zuerst    stattgefunden    hat,    ist    aus    dem    bisher  vor- 
liegenden   Material    nicht    mit    Sicherheit    zu    ermitteln.     Wir    finden    die 
ersten  Stufen  dieser  Entwicklung  schon  im  Pfahlbau  des  Varesesees,  ferner 
in  Wallis,  in  Württemberg,  in  Hessen-Darmstadt,  in  Ungarn,  Mähren  und 
Böhmen,    weiter    nördlich    allerdings    nicht;    die  langen   schmalen   kennen 
wir  nur  aus  dem  Kaukasus    und    (wie  es  scheint)   auch    aus  Ungarn;    die 
schön  ornamentierten  grossen  ovalen  ferner  nur    aus   dem  Wallis  und  aus 
Hessen-Darmstadt;  dagegen  kommen  die  spatenförmigen  grossen  (die  Spiegel- 
nadeln)  ausschliesslich  im  Kaukasus,  auch  die  mittelgrossen  nur  in  Böhmen 
und  Ostpreussen  vor,  während  die  ganz  kleinen,  wie  Anhänger  aussehende, 
nur  in   Hessen-Darmstadt  gefunden  worden    sind.     Dazu    kommt  die  ver- 
schiedene Zeitstellung  der  einzelnen  Funde.     Während  die  walliser,  böh- 
mischen und    hessischen  Funde   der    älteren  Bronzezeit,    der    Periode  der 
Randäxte  (Montelius  I — II),  die  ungarische  Nadel  von  Tökes  der  Periode 
der  Tüllenäxte  (Montelius  II— III)  angehören,  müssen  wir  die  Nadel  von 
Fritzen    wegen  des  begleitenden  Bügelringes    in    die   jüngere  Bronzezeit 
und  die  kaukasischen  bekanntlich  in  die  Hallstattzeit  setzen.     Es  ist  daher 
ein  typologischer  Zusammenhang  dieser  Gruppen  zueinander  ausgeschlossen. 
Wahrscheinlich  hat  sich  die  Entwicklung  dieser  Formen  aus  der  allgemein 
verbreiteten    und    langlebigen  Rollennadel   an    verschiedenen    Punkten  zu 
verschiedenen  Zeiten  selbständig  vollzogen,  so  in  der  Schweiz,  in  Ungarn, 
Böhmen    und    im    Kaukasus,    —    ein  Fall    von    reiner  Konvergenz  in  der 
Prähistorie.     Der    reiche    und    einheitliche  Depotfund   von  Dexheim   weist 
allerdings    auf    eine  Verbindung    mit    dem  Wallis    hin,    da  nur  an  diesen 
beiden  Punkten    die    grossen,    schön    ornamentierten    ovalen    Rudernadeln 
auftreten;  dagegen  spricht  einstweilen  das  vollständige  Fehlen  der  spaten- 
förmigen Nadeln    in    der  Schweiz.     Weitere  Funde    können   diese  Fragen 
erst  zur  Entscheidung  bringen.     Vgl.  hierzu  die  Legendi1  S.  578 — 580. 

B.    Die  Scheibennadeln. 

Die  Versuche,  die  Rollennadeln  immer  weiter  zu  Schmucknadeln  um- 
zugestalten, waren  mit  den  Rudernadeln  noch  nicht  erschöpft.  Man  gab 
der  Platte  eine  runde  (Fig.  32),  seltener  elliptische  Scheibenform  (Fig. 33) 
und  perzierte  sie  immer  mehr  entweder  mit  getriebenen  grösseren  oder 
kleineren  Buckeln  (Var.  b,  Fig.  34)  oder  mit  gravierten  Parallellinien 
in  Gestall  eines  Kreuzes  (Var.  e)  oder  in  Form  von  Kreisen,  Spiralen 
Var.  c)  oder  Zickzackbändern  (Var.  d,  Fig.  35—37)  oder  endlich  man 
kombinierte  mehrere  dieser  Ornamente  —  selten  Hess  man  sie  ganz  glatt 
(Var.  ;i.    Fig.  38),  häufig  erstreckt  sich  das  Ornament  noch  auf  den  oberen 


—    r>7.r)    — 

Teil  des  Nadelschaftes,     [mmer   aber    wurde    der   obere   Rand  eingerollt, 

offenbar  weil  dieser  Nadelteil  für  die  Punktion  unentbehrlich  war.  Wo 
die  Einrollung  zu  fehlen  scheint,  ist  sie  sicher  abgebrochen.  Zuweilen 
half  man  sich  dann  durch  Einschlagen  von  Löchern  am  oberen  Rande 
oder  in  der  Mitte  der  Scheibe,  wie  in  Schabernack,  Wellendorf  und  Voss- 
w  inkel. 

Diese  Scheihcnnadeln  haben  nun  eine  weit  grössere  Verbreitung,  als 
die  Rudernadeln.  Während  wir  von  diesen  nur  wenige  Exemplare  über- 
haupt kennen,  welche  weithin  zerstreut  von  Norditalien  und  dem  Kaukasus 
bis  nach  Hessen-Darmstadt  und  Ostpreussen  gefunden  worden  sind,  kennen 
wir  von  jenen  allein  in  Deutschland  29  Exemplare  (24  runde  und 
5  elliptische),  welche  fast  sämtlich  aus  Norddeutschland  herstammen,  davon 


Fio.n 


Fiq.31      V 


W\ 


FaM 


Fq3? 


1*2  aus  Hannover.  Wir  nennen  diese  Form  daher  kurzweg  den  „nord- 
deutschen" Typus  der  Scheibennadeln.  Nur  zwei  runde  Exemplare  stammen 
aus  Württemberg.  Eine  runde  Nadel  B  4641  im  Museum  zu  Kopenhagen  stammt 
aus  einer  Privatsammlung  ohne  Angabe  des  Fundortes,  wahrscheinlich  aus 
Norddeutschland,  wie  ich  auf  Grund  unseres  vorliegenden  Materials  vermute, 
und  nicht  aus  Jütland,  wie  dort  angegeben  ist.')  Die  Scheibe  selbst  ist 
rund,  zeigt  aber  eine  Gruppe  elliptischer  gravierter  Linien,  welche  von 
einem  Kranz  von  kleinen  Buckeln  umgeben  ist:  die  oben«  Umrollung  fehlt 
—  dafür  ist  die  .Mitte  der  Scheibe  durchlocht.  —  Die  Schweiz  besitzt! 
sowohl  runde,  wie  elliptische  Scheibennadeln,  ebenso  l  ngarn,  dagegen 
Böhmen  nur  drei  runde  Exemplare. 

Die    Form     und     Ornamente     der    Schweizer    Nadeln    sind    den    nord- 
deutschen, böhmischen    und    ungarischen    so    ähnlich,    dass    wir   eine    Be- 


1     Diese    Notiz   verdankt«    ich    der    freundlichen    Mitteilung   des    Hrn.    Sarauw    in 
Koj  eahagen. 


576     — 


ziehung  dieser  Gruppen  zu  einander  für  wahrscheinlich  halten  müssen, 
wenn  auch  die  weite  Entfernung  von  Wallis  bis  nach  Norddeutschland 
einerseits  und  bis  nach  Böhmen  und  Ungarn  andererseits  bisher  nur  durch 
eine  Fundstätte  in  Württemberg  überbrückt  werden  kann.  Wir  müssen 
auch  hier  weitere  Aufschlüsse  von  der  Zukunft  erwarten. 

Was  nun  die  Chronologie  betrifft,  so  lehren  die  Fundberichte,  dass 
die  runden  und  elliptischen  Scheibennadeln  in  Lehmke,  Mellenau  und 
Angermünde  mit  Randäxten,  in  l'nter-Rissdorf  sogar  mit  Halsringen  aus 
Kupfer  und  Schleifennadeln  aus  sehr  zinnarmer  Bronze  zusammen  ge- 
funden worden  sind;  es  kann  also  kein  Zweifel  darüber  obwalten,  dass 
sie  bereits  zu  Beginn  der  Bronzezeit  hier  in  Gebrauch  waren.  Die  mecklen- 
burgischen Exemplare  scheinen  indess  nach  Beltz  schon  einem  jüngeren 
Abschnitt  anzugehören,  und  in  dem  Giesserfunde  von  ^Iaskovice  ist  eine 
grob  gearbeitete  runde  Scheibennadel  mit  Fragmenten  von  Tüllenäxten 
zusammen  gefunden  worden.  Demnach  steht  es  fest,  dass  dieses  Schmuck- 
gerät in  Deutschland  und  Böhmen  bis  tief  in  die  ältere  Bronzezeit  hinein 
(Montelius  I  —  II)  beliebt  war,  wenn  auch  nicht  in  dem  Masse,  wie  die 
zum  Teil  gleichzeitigen  Radnadeln.  Vgl.  hierzu  die  Legende  S.  580 — 58-1. 
Reinecke  hat  die  Chronologie  der  Scheibennadeln  (Wiener  Mitt.  1902 
S.  113)  hauptsächlich  nach  der  Art  der  Ornamentierung  bestimmt,  indem 
er  die  gravierten  im  allgemeinen  für  die  ältesten,  die  gebuckelten  für  die 
jüngeren  und  die  mit  Spiralen  verzierten  für  die  jüngsten  erklärt.  Unsere 
Bestimmung  nach  den  begleitenden  Funden  führt  nicht  ganz  zu  demselben 
Resultat.  An  einigen  Nadeln  kommen  sowohl  gravierte  wie  gebuckelte 
Ornamente  vor  (Dröne),  während  andere  Nadeln  mit  nur  gebuckelten  Ver- 
zierungen zusammen  mit  Randäxren  gefunden  worden,  wie  schon  oben 
angeführt.  Dagegen  sind  freilich  die  mit  entschieden  jüngeren  Beigaben 
zusammen  gefundenen  Nadeln  sämtlich  gebuckelt. 

Merkwürdig  ist  es,  dass  in  keinem  Funde  eine  Scheibennadel  mit 
einer  Radnadel  zusammen  auftreten,  obwohl  sie  in  Hannover  demselben 
Gebiet  und  derselben  Zeit  angehörten. 

Die  einzige  Beziehung,  wrelche  zwischen  beiden 
Schmuckstücken  nachweisbar  ist,  zeigt  eine  Nadel 
von  Niedergörne  im  Museum  zu  Halle.  —  Wir  wissen, 
dass  in  Nordwestdeutschland  die  Radnadeln  mit  drei 
Ösen  und  einem  verbreiterten,  mit  drei  Ringen  ver- 
zierten Rande  sehr  beliebt  waren,  während  die 
Scheibennadeln  >tet>  eine  Einrollung  des  oberen 
Randes  aufweisen.  Die  Nadel  von  Niedergörne  (Fig. .')'.') 
hat  nun  eine  volle  gebuckelte  Scheibe,  aber  statt  der 
oberen  Einrollung  drei  Ösen  und  eine  gleiche  Rand- 
\\ie    die    entsprechenden     Radnadeln  offenbar    ein    Versuch, 


Fiij.39 


fläch 


beide   Formen  zu  kombinieren,    dm-  aber  keine    weitere  Nachahmung  ge- 
funden hat. 

I'.i-t  die  Hälfte  dieser  Nadeln  stammt  ans  Gräbern,  hei  vielen  sind 
ausdrücklich  Hügelgräber  angegeben;  die  anderen  Kxemplare  sind  einzeln 
in   .Meeren,  auf  dem   Acker  oder  in  grösseren   Depots  gefunden  worden. 


—     .)<  < 


C.    Der  ostbaltische  Typus  der  Scheibennadeln  mit  plattem 
bandförmigem  Spiralkopf  (Fig.  40  . 

In  jeder  Beziehung  abweichend  verhalten  sich  die  Scheibennadeln 
mit  bandförmigem  Spiralkopf.  Hervorgegangen  aus  den  Nadeln  mit 
drahtförmigem  Spiralkopf,  indem  die  äusseren  zwei  bis  drei  Windungen 
des  Drahtes  bandartig  platf  geschlagen  wurden,  kommen  sie  fast  aus- 
schliesslich im  ostbaltischen  Küstengebiete  vor,  in  Kurland,  Ost-  und 
Westpreussen  und  Pommern;  selbst  «las  eine  Exemplar  ans  Sammenthin 
im  Kreise  Arnswalde,  Prov.  Brandenburg,  liegt  noch  so  nahe  der  pommer- 
schen  Grenze,  dass  es  kaum  eine  Ausnahme  von  dem  obigen  Satze  hildct. 
Diese  Nadel  gehört  eigentlich  nicht  mehr  zu  den  Scheibennadeln  im  engeren 
Sinne,  da  sie  niemals  die  Einrollung  des  oberen 
Randes  besitzt;  nur  die  Scheibenform  des  Kopfes 
und  die  anmittelbare  Fortsetzung  in  den  geraden 
Nadelschaft  bietet  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  jenen 
dar.  Wir  kennen  von  dieser  nordostdeutschen  Form 
bisher  etwa  20  Exemplare,  von  denen  acht  aus  ( )st- 
preussen,  zwei  aus  Westpreussen,  acht  aus  Pommern 
und  je  eine  aus  Kurland  und  Brandenburg  her- 
stammen. Die  Fundorte  sind,  soweit  dia  Fund- 
geschichte bekannt  ist,  teils  Hügelgräber,  teils  Moore 

und  liegen  häufig  nahe  der  Küste  Der  obere  Teil  des  Xadelschaftes  ist 
oft  tordiert  und  die  Spiralscheibe  selbst  durch  ein  anhängendes  Kettchen 
verziert. 

Auch  die  Zeitstellung  dieser  Scheibennadeln  ist  völlig  verschieden  von 
den  bisherigen  Formen.  In  Rantau  wurden  mit  ihnen  zusammen  ein 
Axthammer  und  Osennadeln  mit  seitlicher  Öse  gefunden,  wonach  sm  in 
den  letzten  Abschnitt  der  älteren  Bronzezeit  gehören;  doch  berichtete 
Bezzenberger,  dass  in  dem  Depotfund  von  Tilsit  schon  jüngere  Bronzen 
und  in  dem  von  Kerwienen  sogar  schon  Beigaben  der  Latenezeit  auftreten. 
F.s  müsste  diese  Nadelform  hiernach  in  Ostpreussen  sich  durch  viele  Jahr- 
hunderte erhalten  halten;  jedenfalls  weist  das  Anhängen  von  Kettchen  und 
das  totulusartige  Hervortreten  des  mittleren  Drahtendes  der  Scheibe  bei 
den  Nadeln  von  Stanaitschen  und  Kerwienen  auf  eine  in  der  Hallstattzeit 
sehr  beliebte  Sitte  hin.     Vgl.  hierzu  die  Legende  S.  584  —  ">s">. 


—  571 


Legende  zur  Typenkarte  der   Ruder-  und  Scheibennadeln. 

Die  Bezeichnung  der  Varianten  ist  aus  den  Figuren  34 — 38  und  deren  Erklärung  auf  S.  575 

leicht  zu  verstehen. 


A.    Die  Rudernadeln. 
Die  Rollennadeln  mit  Kopfplatte  • 


Lfd. 

Nr. 


Fundort. 
Genauere  Angaben 


Museum 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
geschichte 


Nachweis 


Bodio 

am  Lago  di  Varese, 
Italien 

Couthey,1) 

Wallis,  Schweiz 


Renzenbübl, 

Thun,  Schweiz 

Pfeffingen,2) 

O.-A.  Balingen, 
Württemberg 


üexhcini,3) 

Kr.  Oppenheim, 
Rheinhessen 


N'ontonic,4) 

Kr.  Schmichow, 
Böhmen 


Krendorf 

bei  Saaz,  Böhmen 


Mailand, 
S.  Ponti 


Zürich 


Sigmaringen, 
S.  Edelmann 


Mainz 


Prag 


Prag 


Mehrere  Ex.  a 

Fastrhomboidale 

Kopfplatte 

2  Ex.  a  mit 

rhomboidaler 

Kopi'platte. 

Gr.  Länge  der 

Platte  etwa  5,25, 

gr.  Breite  etwa 

1,(*)4  cm 

a.     Fast 

rhomboidale 

Kopfplatte 

2  Ex.  b  mit 

Mittelrippe  auf 

der  Rückseite, 

10  u.  9  cm  breit. 

Unten  ist  die 
Nadel  geschlän- 
gelt: oben  fehlt 
die  Rolle 

a.    Eine  Anzahl 
Ex.    Kopfplatte 
breit  eiförmig 
6,.'!—  7,2  cm  lang 

a  mit  eiförmiger 
Kopfplatte,  die 

:!.">  in  in  lang  und 
20  mm  breit  ist. 
Schaft  90  mm  1. 

1)  mit 
rhomboidaler 

Kopfplatte 


Pfahlb. 


Gr. 


Steinh.  Gr. 


Dop. 
an  der 

Strasse 
Pfeffingen, 
Burgfelde 


üep. 


Sk.  Gr. 
Hocker 


H.  Gr. 


MonteliusItalieTf.3 
Fig.  23  Text  S.  48 

Mortillet,  Musee  pr. 
Tf.  71  Fig.  728 

Heierli  und  Oechsli, 
Urgeschichte  des 
Wallis,  S.  107  (11) 
und  116(20)  Tf. III 
1  u.  2 


Mortillet,  Musee  pr. 
Tf.  71  Fig.  729 

Edelmann  in  Pr.  Bl. 

XI  S.  17  Tf.  III,  2 
Correspbl.  d.  dtsch. 

anthrop.  Ges.  1890 

S.ölffi 


Westd.  Z.  XX  (1901) 
S.352Tf.  13  Nr.  5 
bis  7 

Pamatky  XVIII 

S.  22 
Pic-Prag 


Richly,  Bronzezeit 
S.  196  Tf.  5(i 
Fig.  26 


Begleitende  Funde.  1)  Couthey:  1  Scheibennadel;  1  Hängeschmuck  und  I  Diademe. 
—  2)  Pfeffingen:  Aus  einem  Massenfunde  in  der  Staatssammlung  zu  Stuttgart,  der  noch 
viele  Sicheln,  gerippte  Armringe,  Messer-  und  Schwertklingen  u.v.a.  im  ganzen  L05  Stück 
enthielt.  —  3)  Dexheim:  3  grosse  ovale  und  :i  kleine  spatenförmige  Rudernadeln;  3  Hals- 
ringe mit  Endösen:  viele  Täfelchen  aus  dünnem  Blech  mit  aufgerollten  kürzeren  Seiten; 
kleine  Drahtspiralen  u.  a.  m.  —  4)  Noutonic:  ■">  goldene  Noppeniinge;  2  Schläfennadeln; 
1  Halsschmuck  von  Brrnsteinpcrlen;  2  manschettenförmige Armbänder,  65 mm  im  Durchmesser 
und  80  //"//   lang. 


—     579 


Lfd. 
Nr. 


P  u  n  il  o  r  t. 
Genauere  Angaben 


li» 


11 


Gaya,1) 

Mähren 


Tökes,-) 

Kom.  Bercg, 

Ungarn 

Gata, 

Koni.  Moson 
(Wieselburg) 

Versecz, 

Kom.  Temes 


Bntta, 
Kom.  Fejer 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
geschichte 


Brunn 
Bndapesl 
Budapest 

Budapest 
Budapest 


a.     Kopfplatte 
abgestumpft  ei- 
förmig, Schaft 
säbelförmig 

a.  Kopfplatte 
breit  eiförmig 
mit  Mittelrippe 

a.     Kopfplatte 

breit  eiförmig 

11  cm  lang 

2  Ex.  a  mit 

rhomboidaler 
Kopfplatte 

2  Ex. 

defekt 


Sk.  Gr. 


Dep. 
Giesserf. 


Gr. 


Gr. 


Nachweis 


Dep. 


Berliner  Vr-rh.   1890 
S.  173  Fig.  •-' 


Arch.  Ertesitö  (1893) 
XIII S.  261  Fig.  9 

llampel,  A  Bronzkor 
III  Tf.  199  Fig.  8 

Arch  Ertesitö  XIX 
(1899)  8.55Fig.ll 

Reinecke  in  Wiener 
Mitt.  1902  S.  113 

Arch.  Közlemenyek 
20  8.42  Tf.  Ver- 
secz I  Fig.  21  u.  22 

Marton-Budapest 

Arch.  Ertesitö  S.  425 

Fig.  II,  1.  2 
Marton-Budapest 


2.    Die  Rudernadeln  mit  langer,  schmaler  Kopfplatte.  + 


1 

•  > 

Koban,3) 

Kaukasus 

Bntta, 

Kom.  Fejer, 
Ungarn 

Pilin, 

Kom.  Nögrad 

Berlin, 
K.  M.  f.  V. 

Budapest 

a.    Gesamtlänge 

bis  .jO,ö  cm,  davon 

4  cm  auf  den 

Nadelschaft. 

Die  Platte  selbst 

ist  •">  cm  breit 

a.     Kopf- 
platte kürzer 
■wie  in  Koban 

Sk.  Gr. 

R.  Virchow.     Das 
Gräberfeld  von 
Koban  S.  32  Tf.  IV 
14  u.  Taf.  X,  11 

Arch.  Ertesitö  L902 
S.424  Fig.  II,  4 
Märton-Budapest 

1 

— 

Endrefalva, 

, ) 

6 

Kom.  Ni'igrat 
Vlsk, 

Kom.   Märmaros 

Valkö, 

Kom.   Pesl 

Budapest 

Märton-Budapest 

3.    Du 

!  Rudernadeln 

mit  spatenförmige 

r  Kopfplatte. 

w 

1 

Kobau,4) 

Kaukasus 

Berlin, 
K.  M.  f.  V. 

a 

Sk.  Gr. 

l;    Virchow,  Koban 
S.  .-.2  Tf.  V  2,  VI 
1  u.  2 

•> 

Andrasfalva.  ) 
Kom.  Liptan, 

Ungarn 
Alt-Bydzow, 
Böhmen 

Berlin, 

K.  M.  f.  V. 

II  10409 

Prag 

b 

2  Ex.  a. 
8  u.  16,7  cm  lang 

Dep. 
Dep. 

<  rötze-Berlin 

Pamatkv  XVI  93 
bis  96  Tf.  VII 

Reinecke  i.  d.  Wien. 
Mitt.  L902  S.  115 

Begleitende  Funde.  1  Gaya:  2  Rollennadeln;  1  Scbleifenring  mit  einer  End- 
schleife  aus  Doppeldraht.  —  2)  Tökes:  1  Axthammer;  I  Spiralnadel;  1  Tüllenaxt.  — 
3)  Koban:  Koban-Fibeln  u.a.  m.  —  4)  Koban:  Koban-Fibel,  Rudernadeln  u.  a.  m.  — 
5)  Andrasfalva:  3  Nadeln:  2  Hämmer:  l  Sichel.  —  6  Alt-Bydzow:  1  Randaxt;  Draht- 
ringe: Gehänge;   1   grosse  Zierscheibe  u.  a.  m. 


580     — 


Lfd. 
Nr. 


Fundort. 
Genauere  Angaben 


Museuni 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
geschichte 


Nachweis 


Fritzen,1) 

Forstbezirk 
Dammwalde, 
Ostpreussen 

Griesheim, 

Prov.  Starkenburg, 
Hessen-Darmstadt 


Dexlieim,2) 

Kr.  Oppenheim, 
Rheinhessen 


Königsberg 

i.  Pr., 
Prussia-M. 


Mainz 


Mainz 


etwa  21  cm  lang 


a  sehr  klein, 

als  Anhänger 

benutzt 

Viele  Ex.  a 
6,2—  7,2  cm  lang 


H.  Gr. 


Dep- 


Dep 


Heydeck  in  Sitzber. 
der  Prussia  1883 
bis  1886  S.  5  Tf.  I 

Bezzenberger- 
Königsberg 

Schumacher  im  Oor- 
respbl.  d.  deutsch, 
antbr.  Ges.  1903, 
S.  98  Nr.  43 

Westd.  Zeit.  (1901) 
XXS.352Tf.XIH 
Fig.  8—K) 


4.    Die  Rudernadeln  mit  grosser,  ovaler  Kopfplatte.    ▲ 


Conthey,3) 

Wallis,  Schweiz 


Dexlieim,*) 

Kr.  Oppenheim, 
Rheinhessen 


Zürich 


Mainz 


d.  Gr.  Länge  der 

Kopt'platte  etwa 

LO  '-in,  gr.  Breite 

etwa  5,75  cm 

3  Ex.  d  32,3  bis 
39,5  cm  lang, 
davon  kommen 
auf  die  Kopf- 
platte etwa  10cm 


Gr. 


Dep. 


Heierli  und  Oechsli, 
Urgeschichte  des 
Wallis  S.  107  (11) 
u.  116  (20)  Tf.II 
Fig.  7-12 

Westd.  Z.  XX  (1901) 
S.  352  Tf.  XIII 
Fig.  3  und  XXII 
(1903)  S.  421  Tf.  IV 
Fig.  9  u.  10 


B.    Die  Scheibennadeln. 
I.   Der  „norddeutsche14  Typus  mit  runder  Kopfplatte 


Tfcl 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

Nachweis 

Nr. 

Genauere  Angaben 

geschichte 

1 

Dröne5) 

Zürich 

1)  und  e 

Gr. 

Heierli  und  Oechsli, 

bei  Saviese, 

Gebuckdt  u.  mit 

Urgeschichte   des 

Wallis,  Schweiz 

graviertem 

Kreuz  verziert. 

Dm.  der  Scheibe 

etwa  7.2  cm 

Wallis  S.  110(14) 
u  .116  (20)  Tf.II  1 

2 

Conthey,0) 

Zürich 

b  und  d,  32  cm  1. 

Gr. 

Ebendort  S.  107  (11) 

Wallis 

Dm.  der  Scheibe 
etwa   L0,5  cm 

u.  116(20)  Tf.III3 

Umleitende  Funde  1)  Fritzen:  I  Bügelring  mit  <>sen:  Armring  mit  „keleh- 
förmigi'ii  Endplatten";  1  Bollennade]  und  1  viereckige  Beinsteinperle.  —  2)  Dexheim: 
Viele  Rollcnnadeln  mit  Kopfplatte  und  3  ßudernadeln  mit  grosser  ovaler  Platte.  — 
3)  Conthey:  I  Spiralarinringe;  1  sichelförmiges  Gehänge;  durchlochte  Muscheln.  — 
•1)  Dexheim:  '■'<  Halsringe  mit  Endösen:  viele  Rollcnnadeln  mit  Kopfplatte:  mehrere 
spatenförmigo  li'udernadeln:  viele  Täfelchen  aus  dünnem  Blech  mit  aufgerollter  kürzerer 
Seite;  kleine  Drahtspiralen  u.  a.  —  5)  Dröne:  Spiralröhrchen;  Ringe  und  Gehänge.  — 
*'>)  Conthey:  2  kleine  Bollennadeln  mit  rhomboidaler  Kopfplatte;  I  reich  verzierte  „Diademe"; 
ll.ingeschmuck:    I  Spiralringe  u.a.  Ringe. 


58 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauer'-  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

0 

Einaiedel 

Stuttgart, 

2  Ex.    d 

H.  Gr. 

Sixt-Stuttgart 

bei  Tübingen, 

Staats-S. 

Mit    -'trirlM-nrn 

Württemberg 

konzriitrisclit-ji 

Kreisen, 

deren  äusserster 

durch  Strich- 
grupp.verziertist 

1 

Velvar,  Böhmen 

Prag 

a 

— 

Pic-Prag 

5 

Kaniyk,1) 

Prag 

d,  mit  konzentr. 

Doppelgrab, 

Fidemann  i.Pamatky 

B.-A.  Smichow, 

Kreisen  orna- 

Hocker 

XVIII     (189? 

Böhmen 

mentiert,    gegen 
L9cml.     Dm.  d. 
Scheibe  etwaöcm 

S.  557—558  Nr.  1 

Reinecke,Wien.Mitt. 

(1902  Bd.32B.113 

Pic-Prag 

6 

Maskovice2) 

Prag 

b.     Nur  die 

Dep. 

Richly,  Die  Bronze- 

bei Leitmeritz, 

Scheibe  erhalten, 

Giesserf. 

zeit    in    Böhmen 

Böhmen 

grob     gearbeitet 
in.  gross.  Buckeln 

S.    106     Tf.   XX 
Fig.  26 

i 

Dunakeszi, 

Budapest, 

b 

Angeblich 

Märton-Budapest 

Korn.  Pest,  Ungarn 

Nr.  '.M/1889  1 

Urnen- 
gräberfeld 

8 

Esztergom, 

Budapest, 

a 

Dep.  von 

Derselbe 

Kom.  Esztergom, 

Nr.  GG/1892  2 

Ispitaberg 

Ungarn 

9 

Gäta,3) 

Budapest 

3  Ex.     e 

Gr.  (5) 

A.Söter  in  Arch.  Er- 

Kom.  Moson, 

19  cm  1. 

tesitö  1898  S.  1  17 

Ungarn 

bisl.V2Tf.1 11—13 

10 

Auleben-Soolberg, 

Kr.  Sangerhausen, 
Prov.  Sachsen 

Nordhausen 

e.    Um  d.  Kreuz- 
ornament läuft 
ein  Krauz  von 
nach  aussen  ge- 
richt.  Dreiecken 

Kossinna-Berlin 

11 

Unter-Rissdorf,  ') 

Eisleben 

e.     Die  Scheibe 

Dep. 

Grössler  in  Jahres- 

Mansfelder  See- 

u. d.  Kreuz  sind 

schr.  d.  Vorgesch. 

kreis,  Pr.  Sachsen 

d.  Querstriche 

verziert.     Der 

Nadelschaft  ist 

a.  d.  Spitze  recht- 

winkl.  umgebog. 

d.  sächs.-thüring. 
Länder  I  S.  197  i, 
Tf.  XXI 

Kossinna-Berlin 
Höfer  -  Wernigerode 

12 

Niedergörne, 

Halle 

b.    Die  volle 

Stein- Gr. 

Schultheiss,  Alt.  von 

Kr.  Osterburg. 

Scheibe  hat  in 

Wolmirstedt 

Prov.  Sachsen 

der  Mitte    einen 
Buckel,  am  ober. 
Rande  3  Ösen  wie 
die  Radnadeln 
u.  ist  4,5  cm  br.  u. 
ö  cm  hoch.    Der 
Nadelschaft  fehlt 

Tf.  1X3 
Kossinna-Berlin 

F  <rtseh-Halle 

13 

Rathenow. 

Berlin, 

b 

Moorf. 

Götze-Berlin 

Prov.  Brandenburg 

K.  ML  f.  V. 
I  f8232 

nicht  ganz  rund 

Begleitende  Funde.  1)  Kamyk:  In  anderen  Gräbern  desselben  Feldes  lagen 
viele  Nadeln:  Gefässc  vom  Unetictypus:  Bernsteinstücke  u.  a.  m.  —  2)  Maskovice: 
Bruchstücke  von  Rand-,  Lappen-  und  Tüllenäxten,  Ringen,  Schwertern,  Sicheln  u.  a.  — 
!  (.ata:  1  Halsband  (?)  aus  kleinen  Spiralröhrchen  und  9  knöcherne  kleine  Röhrchen.  — 
4)  Unter-Rissdorf:  Aus  Kupfer:  ;'>  massive  Baisringe  mit  aufgerollten  Enden;  t  massiver 
Armring.    Aus  zinnarmer  Br.:  2  Scheifennadeln. 


582     — 


Lfd. 

Fundort 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

14 

Lemmersdorf,1) 

Berlin, 

•2  Ex.  b,  mit20cw 

Dep.  im 

Virchow,  D.  Gräber- 

Kr. Prenzlau, 

K.  M.  f.  V. 

langem,  unten 

Modderbruch 

feld  v.Koban  S.  34 

Prov.  Brandenburg 

II  5682-  5688 

umgebogenem 
Schaft.    Dm.  der 
Scheibe  9  cm.  — 

Die  Einrollun{j 
am  oberen  Ende 
ist  16  nun  breit 

.")'  tief 

Fig.l.j:B.V.(1898) 
Bd.  :;0  S.  221 » 
Götze-Berlin 

15 

Meilen  au,2) 

Prenzlau 

b 

Moorf.  in 

Schwartz    in    B.  V. 

Feldmark  Arnims- 

20 cm  1. 

einem  Ton- 

1S88  S.  506 

hain,  Kr.  Templin, 

gef. 

Schumann    in  Mitt. 

Brandenburg 

aus  d.  Prenzlauer 
Mus.  I  1901   S.  1 

16 

Schabernack 

Berlin, 

b.  Schaft  16 cm  1. 

Flaches  Gr. 

Yirchow,  Gräberfeld 

bei  Meyenburg, 

K.  M.  f.  V. 

Dm.  der  defekten 

von  Koban    S.  34 

Kr.  Ostpriegnitz, 

If  479 

Scheibe  10  cm. 

Fig.  14  B.V.  1874 

Brandenburg 

Am  ober.  Rande 
fehlt  d.  Einrollg., 
dafür  sind  5  Loch, 
von  fast  2  »an 
Dm.   angebracht 

S.  163 
Götze-Berlin 

17 

Clempenovr,3) 

Stettin, 

b.    26,55  cm  1. 

Dep.  im  Torf 

Schumann  in  Nach- 

Kr. Demmin, 

J.-Nr.  3972 

Dm.  der  Scheibe 

richten  1897  VIII 

Pommern 

9  cm 

S.  7  ff. 
Stubenrauch-Stettiu 

18 

Vosswinkel 

Neustrelitz 

e.     Die    Scheibe 

Auf  dem 

v.    Buchwald  -Neu- 

bei Alt-Strelitz, 

ist  mit  einem  gra- 

Ackerg. 

strelitz 

Meckl.-Strelitz 

vierten  Kreuz, 
ausserdem  am 
Rande  u.  an  den 
Schenkeln  des 
Kreuzes  m.  Quer- 
strichen verziert; 
sie    zeigt    ferner 
nahe  d.  Mitte  im 
unteren  Schenkel 
d.  Kreuz,  ein  ein- 
geschlagen. Loch 

19 

Heinrichswalde4) 

Stralsund 

b 

Dep.  im 

Virchow    in    B.    V. 

bei  Friedland, 

Torfmoor 

1886  S.  Gl:'. 

Meckl.-Strelitz 

Kühne  in  Balt.  Stud. 
1883  S.  313 

20 

Zierzow6) 

bei  Grabow, 
Meckl. -Schwerin 

Schwerin 

b 

Gr. 

Beltz-Schwerin 

21 

LÜ8SOW6) 

Ebendort 

b 

Gr. 

Mecklenbg.     Jahrb. 

liei  Güstrow, 

28  cm  1. 

1844  S.332 

Meckl. -Schwerin 

Lisch,  Friderico- 

Francisceum  S.66 
Beltz-Schwerin 

Begleitende  Funde.  1)  Lemmersdorf:  2  Lanzenspitzen;  2  gerippte  diademartige 
Colliers;  I  Spiralzylinder  mit  kleinen  Endspiralen.  --  2)  Mellennu:  •">  kleine  Goldspiralen 
mit  7— '.i  Windungen,  1  Flach-  und  1  Randaxt;  1  Randmeissel;  1  sichelförmiges  Messer; 
4  gerippte  diademartige  Colliers;  1  Brillenspirale;  I  tutuli;  Armringe;  Gürtel;  Hänge- 
üerplatte  u.  a.  —  3)  Clcmpenow:  1  gerippte  Halsberge;  2  band-  und  2  drahtförmige 
Annspiralen;  1  offener  Armring.  —  4)  Heinrichs  waldc:  I  diademartiger  Halsschmuck:  2  tutuli; 
1  Lanzenspitze  und  viele  Armspiralen.  —  5)  Zlerzow;  Halsringe;  Handringe;  Ilalskragen 
(Montelius  III).  —  6)  Lüssow:  Funde  aus  mehreren  Gräbern  gemischt  (Montelius  II  und  III). 


—     583 


Lfd. 
Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museuni 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

22 

Sparow1) 

bei  Malchow, 

Meckl. -Schwerin 

Schwerin 

b 

— 

Beltz-Schwerin 

23 

Edendorf, 

Kr.  Uelzen,  Hannov. 

Hannover, 
Nr.  5019 

b 

— 

Reimers-Hannover 

24 

Lüneburg: 

(Umgegend), 
Hannover 

Hannover, 
Nr.  1  1  1 22, 

12041 
und  12050 

3  Ex. 
b,  c,  d 

Reimers-Hanuover 

25 

Kl.-Sommerbcek, 

Kr.  Bleckede, 
Hannover 

Ebendort 
Nr.  51  »2 1 

d 

Lindenschmit,  A.  u. 

h.  V.  II  3,  1,  1 
Reimers-Hannover 

26 

Uelzen,'-) 

Hannover 

? 

d.     Dm.  der 

Scheibe  !),-!  cm 

H.  Gr. 

v.  Estorff,  H  AI.  .  .  . 
Hannover  184<> 
S.  82  Tf.  VIII  2 

27 

Kl.-Süstedt,3) 

Kr.  Uelzen, 
Hannover 

V 

c.     Dm.  der 

Scheibe  etwa 
10  cm 

H.  Gr. 

Ebendort  Tf.  VIII  3 
und  Tf.  XI  4 

28 

Wellendorf,4) 

Kr.  Uelzen, 
Hannover 

%j 

1).     Mit  5  runden 
Löchern  um  ein 
mittleres  Loch  u. 
2  Kreisen  kleiner 
Buckel  am  Rande 

H.  Gr. 

Ebendort    S.  82    Tf. 
VIII4u.Tf.Xlu.") 

29 

Lehmke,0) 

Kr.  Uelzen, 
Hannover 

p 

b,   fast  2!)  cm  1. 
Dm.  der  Scheibe 
18,2  cm.     Die 
Buckel  sind 
sämtl.  durch  f ein- 
gravierte Striche 
eingefasst 

Gr.  1,5'  tief 

im  Acker 
innerhalb  ein. 
durch   aufge- 
richtete Feld- 
steine gebild. 
Vierecks 

Ebendort  S.  70 
Tf.V25.Tf.VniO 

u.  24,   Tf.  VIII  1 
Lindenschmit,  A.  h. 

V.  II  3,  1.  2 
Reimers-  Hannover 

2.   Der  „norddeutsche 


Ki 


Ayent,  i 

Wallis. 
Schweiz 


Kl.  Siistcdt, 
Kr.  Ölzen, 

Hannover 

Marssei, 

.  Blumenthal, 

Hannover 


Seharnebeck, 

Landkr.  Lüneburg 

Hannover 


Sitten 
(Sion) 


Hannover 
Nr.  177.") 

Ebendort 
Nr.  5409 


Ebendort 

Nr.  0020 


Typus  mit  elliptischer  Kopfplatte 
Gr. 


e  mit  Kreuz- 
ornament in 

der  Mitte 


H.  Gr. 


H.  Gr. 


Heierli  und  Oechsli, 
Wallis  S.lllu.  116 

Anz.  f.  Schweiz.  AI. 
[V1883Ti32Fig.3 

v.  Estorff,  H.  AI... 
S.  82  Tf.  XI 13 

Lindenschmit.  A.  h. 

V.  11  :;.  1    ! 
Müller-Reimers. 

Altert.  Tf. .  XI  82 
Reimers-Hannover 

Reimers-Hannover 


Begleitende  Kunde.    1)  Sparow:  Gemischte  Kunde  im  Charaktervoll  Montelius IEL 

—  2)  Uelzen-.  1  Zierplatte  mit  mittlerem  starken  Dorn,  mit  <'>  konzentrischen  Kreisen  um 
denselben  verziert  und  mit  breiter  Einrollung  am  oberen  Rande.  —  3  Kl.-Süstedt:  Ein 
schön  geschweiftes  geripptes  Gürtelband  mit  kleinen  Endstollen,  L7 cm  1.  und  3,8cm hoch. 

—  4)  Wellendorf:  '  Fr.  von  Armspiralzylindern  von  6,5  cm  im  Dm,  an  dessen  einem 
Ende  noch  eine  Öse  erhalten  ist,  der  Querschnitt  des  3  nm  dicken  Drahtes  ist  plankonvex; 
ferner  Fr.  einer  hannoverschen  Fibula.  —  5  Lehmke:  l  etwa  15,5  cm  langes  Feuer- 
steinmesser; 1  Dolchklinge  mit  2  Nieten  am  verbreiterton  (iritl'ansatz,  etwa  15,5  cm  L; 
eine  Randaxt  etwa  I8cwi  1.,  in  der  Mitte  nach  aussen  geknickt.  —  6)  Ayent:  Spiralringe. 


584 


Lfd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

5 

G 

Angerniünde,1) 

Uckermark 
Brandenburg 

Simoutornva, 

Com.  Tolna 
Ungarn 

Prenzlau 

Budapest 

2  Ex.  b 

30,4  cm  1. 

Durchm.  der 

Scheibe  12  cm 

b 

Dep. 

Angeblich 
Urnengrab 

Schumann  ,     Nach- 
richten 1901  S.  29 

Märton-Budapest 

c. 

Die  ostbaltischen  Scheibennadeln  mit  bandförmigem  Spiralkopf.  * 

Lfd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

1 

Ziepelhof 

bei  Doblen 
in  Kurland 

Nürnberg, 
Germ.  Nat- 
Mus    V.  1085 

a.    Der  obere 

Teil  der  Nadel 

ist  tondiert 

— 

Hausmann-Dorpat 

2 

Sohlaszeu,2) 
Kr.  Memel, 
Ostpreussen 

Königsberg 

i.  Pr. 
Prussia-M. 

a 

H.  Gr. 

Sitzungsb.  d.  Prussia 
1878/9  S.  27 

Katalog  des  Prussia- 
M.  1  S  27  Nr.  141 
Abb.  12 

Bezzen  berger- 
Königsberg 

3 

Tilsit,3) 

Ostpreussen 

Königsberg 
Prussia-M. 

2  Ex. 
a 

Dep. 

Sitzungsb.  d.  Prussia 

1903  4 
Bezzenberger- 

Königsberg 

4 

Rantau,4) 

Kr.  Fischhausen, 
Ostpreussen. 

Königsberg 

Provinzial- 

M. 

Nach  Jentzsch 

3  Ex.  i.d.  Gräbern 

0.  E.  und  M. 

Nach  Bezzen- 

berger  nur 

2  Ex. 

H.  Gr. 

Tischler,  Seh.  d. 

Phys.-ökon.  G. 

1887  S.  [11] 
Jentsch  ebd.  1892 

S   [31]  ff.  Tf.  IV  10 
Bezz^nberger- 

Königsberg 

.") 

Germau, 

Kr.  Fischhausen, 
Ostpreussen 

Königsberg 
Prussia-M. 

a 

H.  Gr. 

Katalog  desPrussia- 
M.  I  S.  28  No.  147 
Kossinna-Berlin 

6 

Kerwieneu,5) 

Kr.  Heilsberg, 
Ostpreussen 

Königsberg 

Provinzial- 

M. 

a.  Dm.  d.  Spiral- 
scheibe 8,2  cm 
m. anhängendem 
Kettchen 

Torffund 

Bezzenberger- 
Köuigsberg 

Begleitende  Funde.  1)  Angeriiiiinde:  1  Knopf  mit  unterer  Öse;  1  diademartiges 
Collier;  2  Handbergen;  1  Fingerberge;  3  Armspiralen;  1  Randaxt;  1  Hirtenstabnadel;  1  mit 
Spiralen  verzierte  Gürtelplatte.  —  2)  Schlaszen:  1  kleiner  Tutulus  mit  Öse  uuter  der  Basis 
und  etwas  Bronzegeröll.  —  3)  Tilsit:  Halsringe,  Armspiralen  und  2  Spiralnadelköpfe  aus 
dünnem  runden  Bronzedraht  (jüngere  Bronzezeit).  —  1)  Kant  au:  1  kurzes  Schwert  mit 
4  Nieten  am  verbreiterten  Griffansatz;  1  Axthammer:  1  Ösennadel  mit  rechtwinkelig  ge- 
bogenem Halse,  seitlicher  ringförmiger  Öse  und  kegelförmigem  Kopf;  1  kleine  Nadel  mit 
scheibenförmigem  Kopf  und  stumpfwinklig  gebogenem  Hals;  2  geschwollene  Nadeln  mit 
14  bezw.  '!:;  tiefen  Kerben  am  Halse;  1  Armbänder  mit  abwechselnd  schraffierten 
Quadraten:  mehrere  gerippte  und  glatte  Armringe;  Doppelknöpfe;  Perlen  aus  Bernstein 
und  Glas  (?),  Tongcfässe  und  Feuerstein.  —  ■>)  Kerwieneu:  1  Armspirale  der  Tenezeit; 
2  Halsringe:  viele  Glasperlen,  ausser  einer  alle  kobaltblau,  teils  einfarbig,  teils  mit  Ein- 
lagen von  weissem  Glas. 


—      ÖS.")      — 


Fundort. 
Genauere  Angaben 


M  ll-rllll! 


\  ariante. 

Genauere  An- 
gaben 


Staniiaitschen, 
Gr.  Gambinnen, 

Ostpreussen 


Willenberg, 

Kr.  Stnhm, 
Westpreussen 

Garthans, 

Westpreussen 


Treten, 
Kr.  Rummelsburg, 

Pommern 

Sammenthin, 

Kr.  Arnswalde, 

Brandenburg 


Woitzel,1) 

Kr.  Regenwalde, 
Pommern 


Ca  in  min. 

Pommern 


TllUl'OW, 

Kr.  Grimmen, 

Pommern 


Neddesitz.-) 

Kr.  Jasmund. 
Rügen 

Pommern 


Königsberg     d.   Aus  der  Mitte 
Prussia-M.      des  Spiralkopfe 
ist  das  Ende  des 
Drahtes  tutulus- 

artig  heraus- 
gezogen; an  der 
Spiralehängt  der 
AT)t';mLr  eines 
Kettchens 

Königsberg  a 

Provinzial-        Nur  die  Kopf- 
M.  scheibe  erhalten 


Danzig 
V.  S.  2708 


Beriin 
K.  M.  f.  V. 


Berlin 

K.  M.  f.  V. 

If.  3120 


Stettin 
J.-N.  1559  61 


Greifswald 


Stralsund 


Stettin 


Der  Schaft  im 

oberen  Teile 

tordiert 

a 


d.     Oberer  Teil 

des  Schaftes 

tordiert:  nur 

l'/a  Windungen 

breit  und  platt 


a.  17,3  cm  lang. 
Dm.  der  Scheibe 
8,3  cm.  Oberer 
Teil  des  Schaftes 
tordiert 

2  Ex.   a. 
Oberer  Teil  des 
Schaftes  tordiert 


Zur  Fund- 
geschichte 


Sk.  Gr. 


Moorfund 


H.  Gr. 


Nachweis 


Katalog  desPrussia- 
M.  I  S.  26  Nr.  I  !<i 

Bezzenberger- 
Königsberg 


Kossinna-Berlin 


Amtl.  Verwaltungsb. 
d.  Westpr.  Prov.- 
M.  f.  1892  S.  18 

Conwentz-Danzig 

Krause  in  Nachr. 

L893  S.  88 
Kossinna-Berlin 

Krause  in  Nachr. 

1893  S.  86  Fig.  1 
Voss.  Merkbuch  Tl.  V 

Fig.  20 
Götze-Berlin 

Monatsbl.  d.  Ges.  f. 
Pomm.  G.  u.  A. 
L898  IX  S.  143,  1 

Stubenrauch-Stettin 


Schumann.  Baltische 
Studien  L896 
S.  148  Tf.  It  2 

Schlemm-Berlin 

Pyl,  Die  Samm- 
lungen in  Greifs- 
wald] L869  S.  29 

Kossinna-Berlin 

Kossinna-Berlin 


Stubenranch-Stettin 


Begleitende  Funde.  1)  Woitzel: 
bergen;  4  kleine  Schmuckspiralen.  —  2) 
schmück. 


2  Annspiralen ;    2  offene  Armbänder;  2  Hand- 
Neddesitz:    l   gerippter,   diademartiger   Hals* 


ntt  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    lieft  5. 


- 


586 


III.  Die  Typenkarte  der  Radnadeln.1) 

(Hierzu  Karteubeilage  III.) 

Wie  bei  den  Ruder-  und  Scheibennadeln  die  Kopfplatte  und  die 
obere  Rolle,  so  sicherten  bei  den  Radnadeln  die  Radscheibe  und  der 
obere  Ring  den  festeren  Schluss  der  Gewandfalte  und  verhinderten  das 
leichte  Ausschlüpfen  des  Nadelschaftes.  Anfangs  erfüllte  offenbar  die 
Radscheibe  allein  beide  Aufgaben,  indem  sie  durch  die  grössere  Breite 
dem  Nadelschaft  eine  festere  Lage  gab  und  zugleich  durch  ihre  Lücken 
die  .Möglichkeit  darbot,  den  notwendigen  Bügelfaden  hindurchzuziehen. 
Allmählich  aber  übertrug  man  die  letztere  Funktion  einer  besonderen 
Ringöse  und  benutzte  das  ursprünglich  einfache  Radkreuz  zur  dekorativen 
Ausgestaltung  der  Nadel  als  Schmuckgerät. 

Aber  auch  die  Öse  selbst  wurde  später  Gegenstand  der  Dekoration, 
indem  man  sich  nicht  mit  einer  begnügte,  sondern  sie  auf  zwei,  drei  und 
vier  vermehrte  und  sie  zuletzt  kronenartig  gestaltete. 

Wir  müssen  demnach  die  Radnadeln  in  solche  ohne  Öse  und  solche 
mit  1—4  Ösen  unterscheiden,  wenn  wir  ihre  verschiedenen  Typen  näher 
kennen  lernen  wollen. 

I.  Die  Radnadeln  ohne  Öse  (Fig.  41). 

Wir  kennen  bisher  23  Fundstätten  mit  31  Exemplaren,  von  denen  die 
meisten  einen  einfachen  äusseren  Ring  und  ein  einfaches  Radkreuz  in  der 
Kopfscheibe    besitzen.      Von    ihnen    zeigen    13    die    Gestalt    von    Fig.  42, 


fi9.V 


Var  (t 


Fi'ß 


F)g  H 


/f-7« 


Variante  a,  4  ein  Kreuz  um  einen  kleinen  inneren  Ring  (Fig.  43, 
Variante  b)  und  3  ausser  dem  durch  den  inneren  Ring  gehenden  Kreuz 
noch  vier  halbe  Speichen  (Fig.  44,  Variante  c);  von  zweien  ist  die  Gestalt 
des  Kieles  nicht  näher  angegeben.  Die  übrigen  '.)  Nadeln  weisen  teils  in 
der  Gestalt  des  Kreuzes,  teils  (\i's  Ringes  wesentliche  Abweichungen  auf, 
welche   wir  alsbald    kenneu   lernen   werden. 


1  Wegen  der  Terminologie  verweisen  wir  auf  unscrn  Vortrag  auf  der  General- 
versammlung in  Worms  im  Correspomlenzblafl  der  Deutschen  anthropolog.  Gesellschaft 
L903,  8.   19. 


—     5H7     — 

Von   jenen    20  Exemplaren    stammen    5   aus    dein   Gebiet   der  Alpes 

(sämtlich  mit  kleiner  Kadscheibe),  davon  2  aus  den  Pfahlbauten  Toni  Lac 
du  Bourget  und  von  Auvernier,  1  aus  Baden,  7  aus  Hessen-Darmstadt  und 
Nassau;  2  aus  der  Rheinprovinz,  1  aus  der  Oberpfalz,  2  aus  dem  west- 
lichen Böhmen  und  je   1  aus  der  Provinz  Sachsen  und  aus  Oldenburg. 

In  Hannover  linden  wir  das  Radkreuz  noch  weiter  entwickelt  zur 
Variante  d  mit  acht  halben  Speichen  (Fig.  45)  und  der  Variante  e  mit 
vier  Winkelstücken  zwischen  den   Kalken  des  Kreuzes  (Fig.  46). 

Von  Savoyen  aus  können  wir  diesen  Typus  ohne  Öse  verfolgen  bis 
in  die  Gegend  von  Toulouse,  wo  sich  noch  eine  Reihe  von  bizarren  Spiel- 
arten  in  der  Ausbildung  der  Radspeichen   entwickelt  (Variante  a8,  e'  und 


FioH6 


Vare 


FiW 


F,g.¥t 


Var.e'1 


F.«  19 


Kg  50 


h\  Fig.  47—41));  andererseits  tritt  in  Sachsen  eine  besondere  Ausbildung 
des  äusseren  Ringes  auf.  Der  einfache,  äussere  Ring  wird  nämlich  ver- 
breitert und  durch  drei  getriebene  Kreise  verziert  (Fig.  45),  eine  Form, 
-welche  später  in  Norddeutschland  vorherrschend  wird,  wie  wir  bei  den 
Nadeln  mit  drei  Ösen  sehen  werden. 

Eine  Nadel  von  Weiherried  zeigt  statt  des  Kreuzes  zwei  peripherische 
Bogenstücke,  Variaute  f  (Fig.  50). 

Von  den  31  Exemplaren  stammen  12  aus  Hügelgräbern,  2  aus  Pfahl- 
bauten, 1  aus  einem  Depotfund;  von  den  übrigen  waren  die  Fundverhält- 
nisse  nicht  zu  ermitteln. 

Was  die  Chronologie  betrifft,  so  gehören  die  Pfahlbauten  am  Lac  du 
Bourget  und  von  Auvernier  wesentlich  zu  den  älteren  Bronzestationen, 
haben  aber  auch  jüngere  Bronzen  geliefert;  der  Fund  von  Sachsenhausen 
stammt  aus  einer  (iruppe  von  Hügelgräbern,  aus  welchen  Steininstrumente, 
ein  Kupferdolch  und  ein  Schwert  gehoben  wurden;  der  Depotfund  von 
Wildeshausen  enthielt  noch  vier  Randäxte,  eine  Lanzenspitze  und  einen 
massiven  King.  Daraus  folgt  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit,  dass  dieser 
Typus  noch  dem  ersten  Abschnitt  der  älteren  Bronzezeit  angehört.  Vgl. 
hierzu  die  Leerende  S.  593 — 594. 


2.    Der  „oberrheinische-  Typus  der  Radnadeln  mit  einer  Öse. 

Die  Verbindung  der  Nadel  mit  einer  Ose  i>r  höchstwahrscheinlich  zuerst 
in  Deutschland  und  zwar  im  oberen  Rheintal  erfolgt.    Kommen  Radnadeln 

■ohne  Ose  auch   noch   in    den    ausserde utschen  Alpenländern    und    in  Süd- 
frankreich vor,    sii    treten   Radnadeln    mit    einer  Öse.    abgesehen   von   ein- 


—     588     — 

zclnm  versprengten  Stücken,  fast  nur  in  Deutschland  auf  mrd  zwar  haupt- 
sächlich' längs  der  oberrheinischen  Tiefebene  und  ihrer  nördlichen  Fort- 
setzung bis  zum  Vogelsberg  hin.  Von  den  191)  mir  gemeldeten  Exemplaren 
stammen  103,  also  mehr  als  die  Hälfte,  aus  diesem  schmalen  Fundgebiet 
und  innerhalb  desselben  wiederum  76  allein  aus  dem  heutigen  Hessen- 
Darmstadt,  Hessen-Nassau  und  Homburg.  Hier  iiuiss  diese  Nadel  ganz 
besonders  beliebt  gewesen  sein.  Von  hier  aus  verbreitete  sie  sich  östlich 
nach  Württemberg  und  dem  nördlichen  Bayern  hin  (wo  Neukehlheim  der 
südlichste  bayerische  Fundort  ist),  nach  Norden  durch  die  hessische  Senke 
nach  der  Fulda  und  weiter  bis  Eisenach  nach  Thüringen  und  der  Provinz 
Sachsen,  von  dort  nach  Hannover,  Mecklenburg,  Holstein,  wo  Yaale  deu 
nördlichsten  Fundort  in  Deutschland  bezeichnet. 

Einzelne  Stücke  sind  im  Norden  bis  nach  Jütland1),  im  Osten  bis  nach 
Böhmen  in  die  Gegend  von  Pilsen,  nach  Schlesien  und  nach  der  Provinz 
Posen  hin  versprengt  worden,  von  denen  eines  angeblich  aus  einem  Grrabe 
herstammen  soll.  —  Ein  in  Budapest  befindliches  Exemplar  ist  ohne  An- 
gabe der  Provenienz  von  einem  Händler  erstanden  und  stammt  wahr- 
scheinlich nicht  aus  Ungarn. 

Sehen  wir  von  den  letzteren  sechs  Stücken  ab,  so  ist  das  Fundgebiet 
dieser  Badnadeln  ungefähr  durch  eine  Linie  begrenzt,  welche  von  Strass- 


F,ü5I 


F<,52 


Var.c' 


Fuj  53 


EgSH 


FgSS 


Var.63  fortf 


bürg  im  Elsass  über  Hechingen  mich  Regensburg  im  Süden,  von  dort  über 
Ambergj  Koburg,  Weissenfeis  nach  Güstrow  im  Osten,  von  dort  nach  Yaale 
in  Holstein  im  Norden  and  weiter  ober  Bremen,  Meppen,  Bonn  und 
Koblenz  im  Westen  nach  Strassburg  zurück  verläuft. 

ausser  auf  diesem  oben  angegebenen  Gebiet  sind  diese  Nadeln  über- 
haupl  nicht  bekannl  geworden;  wir  werden  sie  daher  mit  Recht  als  west- 
deutsche bezeichnen,  und  da  sie  am  liüuliusten  im  oberen  Rheintal  auf- 
treten, diesen  Typus  den  oberrheinischen   nennen. 

Was  nun  die  üestali  der  Radscheibe  betrifft,  so  zeigen  zwar  noch 
Ts  Stück  das  einfache  Kreuz  Ai-v  Variante  a  (Fig.  42),  jedoch  die  meisten 
Bchon  die  Variante  c  (Fig.  11),  nämlich  90  Stück.  Es  treten  ferner  schon 
eine  Reihe  von  Spielarten  auf,  welche  beweisen,  dass  das  Kreuz  jetzt  als 
dekoratives    Element    freier    ausgebildel    wird.     So  ändert  die  Variante  <• 


i     Die  genaueren  Angaben  aber  die  Provenienz  der  Radnadeln,   welche  im  Museum 
zu  Kopenhagen  Biel  befinden,  verdanke  ich  der  Güte  des  Hrn    Sarauw  daselbst. 


—    589     — 

im  einen)  Exemplar  dahin  ab,  dass  die  zwei  Querspeichen  nur  halb  Bind, 
während  die  zwei  Längsspei  chen  ganz  durch  das  Rad  gehen  <■'  (Fig.  51); 
die  Variante  b  mit  vier  Speichen  enthält  sechs  Speieben  1>1  (an  zwei 
Exemplaren)  (Fig.  52)  oder  es  gehen  die  vier  Speichen  durch  den  inneren 
Ring  ba  (Fig.  53)  (an  vier  Exemplaren),  oder  es  lieg!  der  innere  Ritig  ganz 
im  Bereich  der  oberen  Speiche  b8  (Fig.  54)  (an  einem  Stück;,  oder  endlieh 
es  \\ir«l  zwischen  äusseren  und  inneren  Ring  noch  ein  dritter  mittlerer 
eingeschoben  b4  (Fig.  55)  an  einem   Exemplar. 

Die  Variante  d  (Fig.  45)  ist  achtmal,  e  Fig.  16)  fünfmal  vertreten. 
Von  den  108  Fundstätten  sind  lii  ausdrücklich  als  Hügelgräber  bezeichne! 
worden;  zwei  sind  als  Depotfunde,  einer  als  Rheinfund  und  eineT  als 
Moorfund  gemeldet;  zehnmal  sind  PlaehgräbeT  und  einmal  ein  Drnengrab 
angegeben  worden;  bei  47  Fundstätten  fehlt  die  Angabe  der  näheren 
Umstände. 

Diese  Nadeln  gehören  ebenfalls  noch  <\i'v  älteren  Bronzezeit  an  und 
/war  der  Blüte  derselben  (Periode  II,  Montelius),  wie  die  begleitenden 
Funde  lehren.  In  Weischau  bei  Koburg  wurden  zwei  Randäxte  in  dem- 
selben Grabe  mit  den  Radnadeln  dieses  Typus  gefunden,  in  Greishecke 
bei  Wiesbaden  stdion  eine  schön  ausgebildete  Absatzaxt;  auch  beweisen 
andere  Funde,  wie  trianguläre  Dolche.  Schwerter,  goldene  Schleifrnringe. 
Armspiralen,  schön  verzierte  Armbänder,  kegelförmige  tutuli.  gerippte 
Colliers.  Nadeln  mit  geschwollenem  Hals,  Bernsteinperlen  und  blaue  Glas- 
perlen (Hochstedt),  dass  die  Bevölkerung  dieser  Gegenden  und  Zeiten 
sehr  reich  mit  Waffen  und  Schmucksachen  versehen  war.  wie  ans  der 
Legende   S.  51)5  —  b03  zu  erstdien   ist. 

Diese  Radnadeln  sind  ein  echt  heimisches  Erzeugnis  und  bezeugen, 
wie  hoch    die  Bronzetechnik    bereits   in  deren  Fundgebiet  entwickelt  war. 

3.   Der  ..mitteldeutsche"  Typus  der  Radnadeln  mit  zwei  und  vier  Ösen. 

Allmählich  wurden  nicht  nur  die  Arme  des  Radkreuzes  nach  der 
Phantasie  des  Künstlers  mannigfach  ausgestaltet,  sondern  auch  die  <  •>>■ 
selbst  wird  als  ein  dekoratives  Element  der  Schmucknadel  behandelt  Die 
Zahl  der  Ösen  wird  auf  zwei,  drei  und  vier  erhöht,  dabei  erhalten  die 
letzteren  oft  die  Gestalt  einer  Krone. 

Nadeln    mit    zwei    Ösen    sind    im    ganzen    selten:    wir  r,j6 

kennen  nur  zehn  aus  acht  Fundorten,  von  denen  zwei 
in  Baden,  zwei  in  Hessen-Nassau  und  je  einer  in  Unter- 
und  Oberfranken,  Hannover  und  Mecklenburg-Schwerin 
Hegt.  Ihr«'  Radscheibe  zeigt  wiederholt  sechs  oder  acht 
Speichen  um  den  inneren  Ring,  Yar.  b1  (Fig.  52),  oder 
d'J  (Fig.  56),  während  die  einfachen  Yar.  a,  o  und  ba(Fig.  42, 
44  u.  53)  nur  je  einmal  vertreten  sind. 

Dagegen  erreichen  die  Radnadeln  mit  vier  oft  kronenartig  gestalteten 
Ösen  schon  die  Zahl  17.  Sie  stammen  aus  L5  Fundorten,  von  denen  fünf 
in  Hessen-Darmstadt,  drei  in   Hessen-Nassau,  zwei  in  der  Pfalz,  zwei  in  der 


—     590     — 

Rheinprovinz  und  je  einer  in  Unter-,  Mittel-  und  Oberfranken  liegen.  Wie 
aus  diesen  Zahlen  hervorgeht,  stammen  die  meisten  dieser  Radnadelformen 
ebenfalls  aus  Westdeutschland  und  besonders  aus  Mitteldeutschland,  wo  sie 
sicher  auch  selbständig  ausgebildet  wurden:  wir  nennen  sie  daher  kurz 
die  mitteldeutsche  Form.  Bei  drei  Nadeln  war  die  Variante  nicht  an- 
gegeben. Neun  von  diesen  am  reichsten  ausgestatteten  Radnadeln'  haben 
in  der  Radscheibe  noch  peripherische  winkel-  oder  bogenförmige  Einsätze 
zwischen  den  Balken  des  Kreuzes,  Yar.  e  und  e1  (Fig.  46  u.  57).  Eine 
Nadel  (Oö'stein)  zeigt  ausser  dem  Radkreuz  im  inneren  Ring  eine  grosse 
Zahl  Strahlen  nebeneinander,  welche  aber  nur  zwischen  dem  äusseren  und 
inueren  Ring  verlaufen,  Yar.  g  (Fig.  58);  eine  andere  Radnadel  (Darm- 
stadt), die  statt  der  vier  Ösen  vier  pfeilspitzenartige  Aufsätze  besitzt,  zeigt 
wiederum  die  Balken  des  Kreuzes  selbst  zwischen  dem  äusseren  und  inneren 
Ring  verkürzt,  während  die  zwischenliegenden  acht  Seitenspeichen  schräg 
bis  zur  Mitte  verlaufen,  Yar.  h  (Fig.  59).  Im  Historischen  Museum  der 
Universität  Lund  liegt  eine  Radnadel  (Nr.  13  227)  mit  vier  kronenartig 
gestalteten  Ösen,  deren  Radscheibe  durch  einen  queren  und  drei  vertikale 
Stäbe  verziert  ist.     Dieselbe  stammt  aus  Bayern   ohne  nähere  Angabe  des 


Fg.  St 


Fig5S 


Fif59 


Fundortes.  —  Eine  Radscheibe  mit  nur  vier  Speichen  kommt  bei  diesem 
Typus  überhaupt  nicht  vor.  Es  ist,  als  ob  die  heimischen  Bronzekünstler 
sich  hier  die  Aufgabe  gestellt  hätten,  immer  neue  Formen  zu  erfinden, 
um  die  ursprünglich  einfache  Radnadel  in  ein  möglichst  reich  verziertes 
Schmuckgerät  umzuwandeln.  Denn  diese  Formen  kommen  nirgends  anders 
vor  als  in  dem  kleinen  oben  bezeichneten  Gebiet. 

Schon  nach  den  vielen  Spielarten  müsste  mau  typologisch  diese  Formen 
für  jünger  erklären,  als  die  einfachen  mit  einer  Öse,  obwohl  diese  wieder- 
holt mit  ihnen  zusammen  gefunden  sind.  Jedoch  weist  der  Depotfund  von 
Wiek  in  Mecklenburg,  welcher  ausser  der  zweiösigen  Radnadel  auch  drei 
Absatzäxte  und  einen  Axthammer  enthielt,  und  der  Grabfund  von  Altdorf 
in  Mittelfranken,  welcher  ein  Messer  mit  durchbrochener  Griffzunge  und 
Endring  enthielt,  bestimmt  auf  einen  späteren  Abschnitt  der  älteren 
Bronzezeit  Montelius  11:111   hin. 

Auch  diese  Nadeln  stammen  meistens  uns  Hügelgräbern,  eine  aus 
einem  Depotfund  und  eine  aus  dem  Rhein.  Vgl.  die  Leuenden  S.  fi<>4 — 605. 


—     59]     — 

4.    Der  ^hannoversche"  Typus  der  Radnadeln  mit  drei  Ösen. 

Ganz  anders  verhalten  sich  die  Radnadeln  mit  drei  Ösen.  Von  den 
35  Exemplaren,  welche  wir  kennen,  entstammen  31  uns  dem  nördlich  von 
Hessen  gelegenen  Teile  Westdeutschlands,  und  von  diesen  entfallen  20 
allein  auf  Hannover.  Auch  diese  Nadeln  stammen  fasl  sämtlich  aus  dem 
westlichen  Deutschland;  da  die  meisten  aber  in  Hannover  gefunden  worden, 
so  nennen  wir  sie  kurzweg  die  hannoversche  Form.  Von  den  33  Fund- 
orten liegen  je  zwei  in  Hessen-Darmstadt  und  Hessen-Nassau,  je  einer  in 
Baden  und  der  Rheinprovinz,  die  übrigen  27  liegen  dagegen  sämtlich 
nördlich  davon:  in  Thüringen  (1),  Provinz  Sachsen  (2),  Hannover  (17), 
Mecklenburg-Schwerin  (2),   Holstein   und  Lauenburg  (3),  Jütland  (l). 

Die  Radscheibe  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  der  äussere  Rand 
verbreitert  und  durch  drei  getriebene  Ringe  verziert  ist  und  dass  das 
Radkreuz    meistens  (27  mal)    nur  vier  Speichen  enthält,     .ledoch  kommen 


fis60 


Fig.61 


auch  einzelne  Exemplare  mir  sechs,  Var.  b1  (Fig.  52),  mit  sieben.  Var.  d1 
(Fig.  (50)  und  mit  acht,  Var.  c  und  d  (Fig.  44  u.  45),  ein  Exemplar  sogar 
mit  12  Speichen,  Var.  ha  (Fig.  61)  und  eins  mit  peripherischen  Einsatz- 
stücken vor,  Var.  e  (Fig.  46),  die  letzteren  beiden  nur  im  südlichen  Teil 
des  Fundgebietes.  In  Strüth  bei  St.  Goarshausen  bildet  die  Kreuzungs- 
stelle der  einfachen  Speichen  ein  breiteres  Feld,  Var.  a1  (Fig.  62).  In 
Hannover  waren  nur  die  einfachen  Varianten  a  und  b  (Fig.  42  u.  43) 
beliebt,  während  wir  im  Rheingebiet  die  reichste  Ausstattung  der  Rad- 
nadeln  vorfinden. 

Soweit  die  Begleitfunde  ein  Urteil  gestatten,  gehört  auch  dieser  Typus 
in  die  Blüte  der  älteren  Bronzezeit,  wenn  auch  das  gebuckelte  Collier  von 
Westerweihe  und  die  dünnen  Armsniralen  von  Behringen  bereits  auf  das 
Ende  derselben  hinweisen. 

Wo  überhaupt  die  Fundgeschichte  bekannt  ist.  sind  fast  >tets  Bügel- 
gräber als  Fundstätte  angegeben,  einmal  (Grossschwabhausen)  ist  auch 
eine  Gussform  für  diese  Nadeln  gefunden  worden.  Vergl.  hierzu  die 
Legende  S.  605  —  607. 


—     592     — 

Wiederholt  ist  die  Meinung  ausgesprochen  worden,  dass  die  Rad- 
nadeln sich  aus  den  Scheibennadeln  entwickelt  hätten.  Nach  dem  mir 
vorliegenden  Material  ist  diese  Ansicht  nicht  haltbar.  Das  reichste  Fund- 
gebiet der  einfachen  Radnadeln  ist  die  Rheinebene,  das  der  Scheiben- 
nadeln ist  Hannover;  die  hannoversche  Form  der  Radnadel  mit  drei  Ösen 
ist  aber  nur  eine  Entwicklung  der  oberrheinischen  Form  mit  einer  Öse. 
Der  freilich  unscheinbare  Teil  der  Kopfscheibe,  welcher  zum  Durchziehen 
des  Bügelfadens  diente,  unterscheidet  stets  die  Scheibennadeln  von  den 
Radnadeln  —  dort  die  unigebogene  Rolle,  hier  die  angegossene  Öse. 
Das  einzige  Beispiel  einer  Beziehung  beider  Nadelgruppen  zueinander 
bietet  die  bei  den  Scheibennadeln  besprochene  Nadel  von  Niedergörne, 
welche  aber  nur  einige  Merkmale  der  Radnadeln  angenommen  hat,  ohne 
den  Charakter  der  Scheibennadel  einzubüssen. 

Die  kaukasischen  sogenannten  Radnadeln,  mit  durchbrochener  Scheibe 
und  blitzartig  geformten  Speichen,  welche  Virchow  und  neuerdings 
Wilke- Grimma  bewogen  haben,  eine  Beziehung  zwischen  den  beiden 
Gruppen  zu  vermuten,  können  schon  ihres  jüngeren  Alters  wegen  gar 
nicht  hierbei  in  Betracht  gezogen  werden;  ausserdem  haben  die  kauka- 
sischen Nadeln  unter  der  Platte  eine  Halsöse,  gehören  also  in  eine  ganz 
andere  Klasse  der  Schmucknadeln,  wie  die  Radnadeln. 


Lange  nachdem  die  Bronzezeit  vergessen  war,  in  der  römischen 
Kaiserzeit,  tritt  merkwürdigerweise  in  Kurland  und  Livland  bis  nach 
Ostpreussen  hinein  der  Gebrauch  von  Radnadeln  wieder  auf,  welche  zwar 
eine  Ähnlichkeit  mit  gewissen  Radnadeln  der  Bronzezeit  nicht  verkennen 
lassen,1)  jedoch  selbstverständlich  unter  ganz  andern  Verhältnissen  sich 
entwickelt  haben,  wie  jene.  Diese  liegen  indessen  ausserhalb  der  Grenzen 
unserer  diesjährigen  Aufgaben  und  repräsentieren  offenbar  eine  Art  zeit- 
licher Konvergenz,  da  ein  so  langes  Fortleben  derselben  Form  durch 
die  Bronze-,  in  die  Hallstatt-  und  La  Tene-Zeit  hinein  höchst  unwahr- 
scheinlich ist. 


\j  Vgl.  Katalog    der    Ausstellung    zum    X.  archäologischen   Kongress    in   Riga  18%. 
Tf.  13  Fig  :;-5  u.  T£  26  Fig.  1.' 


593     — 


Legende  zur  Typenkarte  der  Radnadeln. 

Die  Bezeichnung  der  Varianten  ist  ans  den  Figuren  U — 62  and  deren  Erklärung  auf  - 

bis  591   leicht  zu  verstehen. 

I.    Die  Radnadeln  ohne  Öse.  • 


Lfd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

1 

Grcsine 

am  Lac  duBourget. 
Savojen 

Lyon 

b 

Pf. 

f.'hantrc.  Age  du 
Bronze,  Tf.  60 
Fig.  16 

2 

Monlsalvi, 

Dcp.  du  Tarn, 
Frankreich 

Albi,  Dep. 
du  Tarn 

3  Ex. 

e,  e-  und  h1 

<  lartailhac  in  Mater, 
pour  L'histoire  de 
l'homme  1879 

pag.  488,  Fig.  1  s<  i 
bis  182 

i  > 

Lavene, 

Dep.  du  Tarn, 
Frankreich 

S.  Cassan 
in  Lavene 

2  Ex.  a2  und  d 

Ebendort,  pag.    1 '.»■_'. 
Fig.  192     193 

1 

Anvernier 

am  Neuenburger 
See,  Schweiz 

Zürich 

b 

Pf. 

Gross,    Les    Proto- 

helvetes.    Tf.   21, 

Fig.  32 
Heierli,  Lrgeschich. 

der  Schweiz,  S.259 

Fig.  248 

.") 

Bregenz, 

Vorarlberg 

Konstanz 

a 

Am  Ufer  gef. 

Fundberichte  aus 
Schwaben  1 898  VJ 
S.  1  1 

Leiner-Konstanz 

6 

Stadlerhof 

bei  Kaltem,  Tirol 

S.  Thun, 

Nonsberg, 

Tirol 

a,  die  Speichen 
der  Radscheibe 
sind  nach  aussen 
llügelartig  ver- 
breitert 

Gr. 

Much,  Prähistorisch. 
Atlas,  Tf.  67  Fig.  7 

7 

Weiherried) 

Arntsb.  Konstanz, 
Baden 

Konstanz 

2  Ex.  a  und  f 
etwa  22  cm  1., 
Dm.  der  Rad- 
scheibe etwa 
3,2  cm 

Beierli,    IX.  Pfahl- 
baubericht  1888, 
Tf.lü  Fig. 20 n. 21 
8.  38 

Leiner-Konstanz 

s 

Unter-Öwisheim,1) 

Amt  Bruchsal, 
Baden 

Bruchsal 

a,  nur  einFragui. 

der  Radscheibe 

erhalten 

H.  Gr. 

Wagner-Karlsrohe 

9 

Geishecke 

bei  Wiesbaden 

2  Ex.  a 

II.  Gr. 

Dorow,  Opferstätten 

und  Gr.  H.,    S.  B 
Tf.  II  Fig.  3 

10 

Eichenen, 

Kr.  Fulda, 
Hessen-Nassau 

" 

c 

II.  Gr. 

'/..  d.  V.  1".  hessische 
G.  1  1837   S.  171 
Kossinna-Berlin 

11 

Niederrode,8) 

Kr.  Fulda 

Fulda 

c 

II.   Cr. 

Ebendort,  Fig.  2.   1. 

'.i.  10 
Kossinna-Berlio 

L2 

Labersrieht,8) 

Oberpfalz,  Bayern 

Nürnberg, 
Naturh.  M. 

a 

11.  (ir.  III  in 

einer  Gruppe 

von  11  H. 

r  ätschr.  z.  lOOjähr. 
Stiftungsfest    der 
Xaturh.G.i.  Nürn- 
berg 1901,  S.  225 
Df.Vl   Fig.  III  24 

v.  Forster-Nürnberg 

Begleitende  Funde.  1  Unter •Öwisheim:  In  andern  11.  Gr.  derselben  Gruppe: 
Buokelurnen;  Armring  mit  Spiralen.  -  2  Niederode:  Brillenspirale  und  zwei  Armbänder. 
-  3)  Labersrieht:  Ein  massiver  \rmring,  dessen  Gussiapfen  die  roh.'  Form  einer  ein- 
fachen Spirale  bat:  Fr.  eines  Messers  und  Tongef 


—     5!»4 


Lfd 

Nr. 


Fundort. 
Genauere  Angaben 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
geschichte 


Nachweis 


13 


:i 


L5 


lii 


ls 


1!» 


20 


21 


23 


Dejsina1) 

bei  Pilsen,  Böhmen 

Saclis«Milmrg2) 

a.  d.  Unstrut, 
Kr.  Eckartsberga, 
Provinz  Sachsen 


Einistorf, 

Kr.  Bleckede. 
Hannover 


Bleckede,3) 

Hannover 


Behringen,4) 

Kr.  Soltau,  Hannov. 

Wildeshausen,0) 

Oldenburg: 


Tunis 

bei  Speier,  Pfalz 


Worms, 

Rheinhessen 


Mainz 


Rheinprovinz 

Lautenbacli, 

Kr.  Ottweiler, 
Rheinprovinz 


Prag 
Halle 


Berlin, 
K.  M.  f.  V. 

II  9588 


Hannover, 

Nr.  5024 


Berlin, 
K.  M.  f.  V. 

II  282 
Oldenburg, 
Gesamtfund 

Nr.  36 


Speier 


Worms 


Mainz 


Bonn 
J.-Nr.  279 

Trier, 
r.  IC.  6482 


2  Ex. 


b,  mit  3  Kreisen 

auf  dem  ver- 
breiterten Bande 
verziert,  24  cm  1. 


a,  zerbrochen 


2  Ex.  a, 
je  180  nun  1. 
Dm.  der  Rad- 
scheibe =  30  nun 

2  Ex.  a,  eins 
stark  beschädigt 


a,  14,4  cm  1. 

Die  Radscheibe 

mit  Strichen 

ornamentiert 


H.  Gr. 


H.  Gr.     In 

einem  der 
7  Hügel  am 
Südabhange 
d.  Hainleite 


H.  Gr. 


H.  Gr. 


Dep.  1875  auf 
Stegemanns 

Kamp, 

15  Fuss  tief 

im  Dünen- 

sande  sref. 


Sk.  Gr.  an 
d.  Westend- 
schule 


Am  Haupt- 
weg in  der 
Neustadt  gef, 


Pamatky  XII,  S.  347 
Tf.  XV  16 

Pic-Prag 

Jahresb.  d.  Thür.- 
sächs.  V.  1821 
S.  10 

Zschiesche  in  Vorg. 
Alt.  d. P.Sachs  XI 
1892  S.  29  Fig.  80 

Förtsch-Halle 

Höfer-  Wernigerode 

Henne  —  am  Rhyn, 
Kulturg.   d.  deut- 
schen Volkes  P, 
Tf.  II  13.  — 

Kossinna-Berlin 

Götze-Berlin 

Katalog  derBerliner 
Ausst.  1880  S.169 
Nr.  233 

Reimers-Hannover 

Götze-Berlin 


Martin-Oldenburg 


Hildebrand-Speyer 


Westd.Z.1902S.  115 
Corresp.  d.  deutsch. 

G.  f.  A.,   Bd.  34, 

S.  197 
Kohl 
Westd.Z.  XXII 1903 

Tf.  V  Fig.  3 


Lehner-Bonn 

Korrespondenzbl.  d. 
Westd.  Z.  I  S.  135 

Hcttner,    Illustriert. 
Führer  S.  116 
Nr.  12,  13,  14 

Graeven-Trier 


Begleitende  Funde.  1)  Dejsina:  Eine  Doppclspiral-Fibel;  Armbänder  längs-  und 
quergerippt  u.a.m.  —  2)  Sachseiiburg:  I  Kupferdolch;  1  Steinmeissel:  Pfeilspitzen  aus 
Feuerstein:  Tonröhrchen.  In  den  andern  Hügeln:  ein  Schwert  und  mehrere  Steinwerk- 
zeuge. —  .'!)  Bleckede:  Radnadel  mit  drei  Ösen.  —  4)  Behringen:  Fr.  einer  Spirale.  — 
5)  Wildcsliauseii:  4  Randäxte;  l  zerbrochene  Lanzenspitze;  1  massiver  mit  Strichgruppen 
verzierter  Armring  und  ein  verbogener  Nadelschaft. 


595 


2.    Der  „oberrheinische-  Typus  der  Radnadeln  mit  einer 

Ose.  + 

Lfd. 
Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

1 

Stettfeld1) 
b.  Bruchsal,  Baden 

Karlsruhe 
( '  .'«7<>7 

e 

Wagner-Karlsruli' 

•> 

lluttenlieini. 

Amt   Bruchsal 

Ebendort 

C7-_'ii.", 

a     1  7..">  iiii  1. 

Derselbe 

Hügelgräber  und 
Urnenfriedhöfe  in 
Baden  1885  S.33ff. 

3 

Baden 

Ebendort 

P  77:: 

S.  >l.  Alt.-V. 

in  Mannheim 

— 

— 

Derselbe 

t 

Wallstadt2) 

h.  Mannheim,  Baden 

2  Ex.     a 

Urnen-Gr.  (?) 

Wagner,  H.  Gr.  und 

Umenfriedhöfe  in 
Baden  1885  S.  38 

Anm. 

."> 

Laden bürg, 

Baden 

Darmstaät 

■2  Ex.     c 

— 

Schumacher-Mainz 
Müller-Darmstadt 

6 

Freudenhcim 
li.  Mannheim,  Baden 

s.  <i.  Ait.-y. 

in   Mannheim 

2  Ex.     a 

1)  =    22,5  cm  1. 
Badscheibe  oval, 

!,."•  cm  1.  und 
4,2  cm  breit. 

2)  =    20,8  cm  1. 
Radscheibe  rund. 

Dm.  3,8  cm 

Gr. 

Mannheimer  Ge- 
schichtsbl.  1903 
S.  1  .">■-' 

Baumann-Mann- 
heim 

7 

Köddingen,3) 
Oberförsterei  Wind- 
hausen bei  Ullrich- 
stein,Hess  -Darm st. 

Darmstadt 

c 

H.  Gr. 

Quartalbl.  d.hi^t.V. 

für  d.  Gr.  Hessen. 

N.  F.   I     S.    130 

Tf.  13  Fig.  6 
Müller-Darmstadt 

8 

Rom  r  od. 
Oberförsterei 
Windhansen, 

Hessen-  Darmstadt 

Ebendort 

•_'  Ex.     c  und  e 

H.  Gr. 

Müller-Darmstadt 

9 

Anneröder  Heide 

zwischen  Giessen 

und  Grünberg, 

Hessen-Darmstadt 

? 

a 

Gr. 

Dietzenbach.  ZurUr- 
sesch.  d.Wetterau 
Darmstadt  L843 
S.  299  Tf.  I  20 

lo 

Baierseioli. l) 

Hessen-Darmstadt 

Darmstadt 

c 

Gr.  H.  III 

Kofier  im  Arch.  für 
Hess.  G.  und  Alt. 
L902.<    III   S.2G0 
Tf.  IX  6—9 

Müller- Darmstadt 

11 

Hahn, 

Hessen- Darmstadt 

Mainz 

a 

Westd.ZeitXX  190] 

S.  :;:»•_'     Tf.  XIII 
Fig.  19 

l-_' 

Cambach, 

Hessen- Darmstadt 

Wiesbaden 

Xv.  i:;-_m 

a 

— 

Ritterling-Wieg- 
baden 

13 

Kelsterbach, 
Hessen-Üarmstadt 

Darmstadt 

a 

— 

Müller-Darmstadt 

11 

Eichelsdorf, 

Hessen-Darmstadt 

Darmstadt 

MEx.    11  Ei      a 
.".  Ex.  =  c 

H.  Gr. 

Derselbe 

15 

Storndorf, 

Hessen-Darmstadi 

Darmstadt 

sehr    beschädigt 

Müller-Darmstadt 

Begleitende  Funde.  1)  Stettfeld:  1  Radnadel  mit  2  Ösen;  •"•  offene  einfache  Arm- 
bänder und  1  kleiner  Bing.  —  2)  Wallstadt:  Aus  den  Gräbern  von  hier:  Drahtspirale, 
Nadel  mit  kegelförmigem  Kopf  u.a.m.  Gemischter  Kund.  —  3)  Köddingen:  1  Ann- 
spiral«': 1  Nadel  mit  Doppelspiralkopf  und  1  Stück  Feuerstein.  —  1  Baierseich:  1  Rad- 
nadel mit  3  Ösen:    2  Armspiralen  von  je    12  Windungen. 


596    — 


Lfd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

IG 

Maar, 

Hessen-Darmstadt 

Darmstadt 

c 

— 

Derselbe 

17 

Hasseurod, 

Hessen-Darmstadt 

Darmstadt 

b- 

— 

Derselbe 

18 

Langgöus, 

Hessen-Darmstadt 

Darmstadt 

Wiesbaden 
J.  G971) 

2  Ex.     c 
sehr  defekt 

Derselbe 
Ritterling-Wies- 
baden 

19 

Mörfelden, 

Prov.  Starkenburg, 
Hessen-Darmstadt 

Darmstadt 

a 

Schumacher-Mainz 

20 

Giessen,1) 
Hessen-Darmstadt 

Giessen 

4  Ex. 

2  Ex.  =  a  u.  c 

in  Gr.  V 

•2  Ex.  =  ein  Gr.  IX 

H.  Gr.  auf 
dem  Trieb 
Sk   V  u.  IX 

Mitt.  d.  Oberhess.  G. 
V.  X  1901.  Fund- 
her. S.  35,  42-  15 
Tf.  VI  Fig.  1  u.  2 

Kramer-Giessen 

21 

Otterbach, 

Kr.  Alsfeld, 
Hessen-Darmstadt 

Giessen 

c1.     Die  Quer- 
spei eh.  (1.  Rades 
geh.  nicht  durch 
d.inn.Riug  durch 

Sk.  Gr.  mit 
Steinsetzung 

Derselbe 

22 

Schwanheim2) 

bei  Frankfurt  a.  M. 

Wiesbaden 
J.  13349/50 

n.  1-".  .">.").">  56 

1  Ex. 

3  a  u.  1  c. 

In  2  Sk.  Gr. 

je  2  Ex. 

H.  Gr.  mit 
2Sk.  l/nhoch 
u.l6mimDm. 

Annalcn  des  V.  für 
Nassauische  Alt. 
XVIII  S.  200 

Ritterling 

23 

Geishecke3) 

bei  Wiesbaden 

Bonn 
J.-Nr.  18!)  l/i' 

2  Ex.     a  u.  c 

H.  Gr. 

Dorow,  Opferstätten 
u.  Gr.  H.  I   S.  26 
Tf.  X  1  u.  2 

Lclmer-Bonn 

24 

Wiesbaden 

1 .  AYiesbadeu 

.1.  6973  und 

6977 

2.  Berlin 
K.  M.  f.  V. 

II  10  984 

2  Ex.     a 

d 

In  d.  kleinen 

Schwalbach. 

Str. 

Ritterling-Wies- 
baden 

Götze-Berlin 

25 

Saal bürg 
b  Homburg  v.  d.H. 

Saalburg 

a 

— 

Jacobi,  Die  Saalburg 
S.  502  Tf.  18  Fig.  1 

26 

Frankfurt  a.  M. 

• 

Frankfurt 
a.  M  ,    Stadt. 

Hist.  M. 

Nr.  :J7Ih, 
L1949U.5196 

3  Ex.    2  a  u.  1  c 
teilweise  zerbr. 

1  Ex.  c  bei 

Anlage  des 

Zoologisch. 

Gartens 

Welcker  -  Frankfurt 
a.  M. 

27 

Birstein 

bei  Rückingen 

a.  d.  Kinzig 

Hanau 

c 

~ 

Z.d.V.f.h.  G.  u.Ldk. 
Suppl.  4     Hanau 
IST:1..   Tf.  I  5  u.  7 

28 

Langendlebach 

bei  Hanau 

Hanau 

W.  --'IM» 

c 
22  an  1. 

Aus  d.  S.des 

Fürsten  von 

Isenburg 

Quilling-Hanau 

Begleitende  Funde.  1)  Giessen:  Sk  V  I  Halsring  mit  Hingebogener  Öse  und 
2  Spiralarmrioge.  Sk.  IX  =  Brustschmuck  aus  8  Zierscheiben,  mehrere  Bernsteinperlen  und 
Spiralröhrchen.  -  2)  Schwanheim:  1.  Sk.  Gr.  =  2  Armspiralen;  1  Armring  mit  2  End- 
spiralen  and  I  1  kegelförmige  tutuli  mit  Löchern  zum  Anheften.  2.  Sk.  Gr.  =  1  Mittel- 
stück ans  Bern  tein,  5  cm  lang,  welches  in  der  Länge  einmal,  in  der  Quere  sechsmal  durch- 
bohrt ist:  2  Armspiralen ;  kegelförmige  tutuli,  einige  mit  Dorn  ausser  den  Löchern  zum 
Anheften.  Der  Hügel  enthielt  ausserdem  noch  2  massive  Eussringe,  Scherben  von  Ton- 
il und  Kohle.  —  .'!)  Geishecke:  I  Nadel  mit  geschwollenem  und  durchbohrtem 
Hals:  I  Absatzaxt  mit  2  Rinnen  auf  dem  Klingenblatt;  I  Armspirale  und  eine  schön  ver- 
zierte Scheibe  mit   <  >se. 


597     — 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

!    Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

•_".  • 

Setra,1 

Kassel 

_'  Ex.    c 

11.  Gr. 

Finder,   Bericht  üb. 

Kr.  Eschwege, 

je  22  cm  1. 

die  ness.  Alt    der 

Niederhessen 

ehemals    kurb 
1'r.iv.,  Ka      I  L878 
8.20Tf.III26-31 

:•»(» 

Grossenliider, 

Kassel 

2  Ex.     c 

H.  Gr. 

Lissauer-Berlin 

Hessen-Nassau 

Nr.  523    528 

in  2  <ir. 

.".1 

IMuiikeiiuu,3) 

Hessen-Nassau 

Kassel 

2  Ex.     a  und  c 

H  Gr. 

I  derselbe 

32 

Oberbimbach,4. 
1 1   jsen-Nassau 

Kassel 

b      1  »er  mittlere 
Eing  liegt  ganz 
im    Bereich   der 
oberen  Speiche 
oberhalb  d.  Kreu- 
zungspunktes 

H.  Gr. 

Derselbe 

S  >; ! 

HochBtadt,8) 

Hanau 

I  Gr.  3  Ex.  =  c 

H.Gr.  lNadel 

Quilling-Hanau 

bei  Hanau 

I  Gr.  218  u. 

232 
II  Gr.  230 

II  Gr.  2  Ex.  =  a 

des  LGr  an- 
gebl.zwisch. 

verbrannten 
Knochen 

und  Asche 

::i 

Osterholz,6) 

Württemberg 

Stuttgart 
Staats-S. 

c 

H.  Gr. 

Sixt-Stuttgart 

.'  ;."i 

Beimersfrtten, 

Oberamt  Ulm, 
Württemberg 

Ulm 

d 

H.Gr. 

Fundber.  a.  Schwab. 
11  1894  S.  20 

Sixt-Stuttgart 

36 

Essingen,7) 

Stuttgart 

c 

H.  Gr. 

Ebendort  S. :!— 4 

Oberaint  Aalen, 

Staats-S. 

14  cm  1. 

Sixt-Stuttgart 

Württemberg 

•  >< 

Münsingen,8) 

Württemberg 

Stuttgart 
Staats  S. 

c 

H.  Gr. 

Derselbe 

38 

HilMstetten,  •') 
Württemberg 

Stuttgart 
Staats-S. 

c 

H.Gr. 

Derselbe 

39 

Ehuingen,10) 

O.-A    Böthlingen, 
Württemberg 

Stuttgart 

Staats-S. 

4  Ex.     c 

IL  Gr. 

Derselbe 

K) 

Pfronstetten, 

Stuttgart 

c 

Gr. 

Katalog  d.K.Kabin., 

O.-A.  Münsingen, 

K.  Kabinet 

Bronzen  Nr.  17  1 

Württemberg 

Sixt-Stuttgart 

41 

Haiti. 

O.-A.   Reutlingen, 
Württemberg 

V 

v 

H.Gr. 

Hedinger,  Neuekelt. 

Ausgrabungen  auf 
der  schwäbischen 
Alb  S.  10  Tf.  III 
Sixt-Stuttgart 

Begleitende  Funde.  1)  Xetra:  1  Collier,  5c»n  hoch  und  IScm  weit;  1  Armband 
mit  Endstollen,  3,5  cm  hoch  und  Bern  br.;  7  Zierscheiben  mit  konzentrischen  Hingen  auf  der 
vorderen  Flache,  durch  welche  die  Gusshaht  verläuft,  mit  einem  ösenartigen  Fortsatz  am 
oberen  Rande;  l  Lanzenspitze,  t'4c/n  1:  6  Tüllen  je  5  ex«  1.  u.a.m.  -  "_'  Grossenlüder: 
1  Gr.  =  2  Armbänder  und  1  Nadel  mit  Doppelspiralkopf.  2  Hr.  -  Drahtringe  und  1  Nadel 
mit  geschwollenem  Hals.  —  3)  Blankenau:  Fr.  von  Rh  4)  Oberbimbach:  l  Rad- 

nadel  mit  I  Ösen  und  3  Armringe.  —  5)  Hoehstadt:  1  Gr.  2  Armbänder  mit  starker  Längs- 
rief elung;  Perlen  aus  Bernstein  und  blauem  Glasüuss;  Spiralröhrchen  und  Reste  vonTon- 
gefässen.  II  Gr.  i  Schwert  in  ledergefütterter  Holzscheide;  1  Absatzaxt.  —  6  Osterholz: 
l  Hals-,  3  Arm-  und  3  Pussringe;  L  Dolch  und  mehrere  Fibeln  (!)  —  1  Essingen:  Collier  mit 
10 Perlen  und  3  durchlochten  Plättchen  aus  Bernstein.  -  8  Hünsingen:  l  Axt;  4  Armringe 
und  2  Nadeln.  —  9  Huldstetteu :  2  Fingerringe;  1  Armring  u.  Fr.  von  Bronze  u.  Bernstein. 
—  10)  Ehnlngen:  7  Armringe:  1  Dolch;  2  Nadeln:  viele  Spiralen  und  Bernsteinperlen. 


—     598     — 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

42 

Heilhronn,1) 

Heilbronn 

2  Ex.     c 

H.  Gr.  im 

Schliz.O.Heftd.hist. 

Württemberg 

Schweins- 

berger  Wald 
m.Steiusatza. 
gross.  Block. 

V.  Heilbronn  1900 
Schliz-Heilbronn 

43 

Hohebach2) 

S.  auf  Schloss 

c 

Aus  einem 

0.  Keller,  Vicus 

a.  d.  Jaxt. 

Neuenstein 

In  Stücke  zer- 

Brandhügel 

Aurelii  S.  54 

Württemberg 

schlagen 

i.  Teufelswald 

Schliz-Heilbronn 

44 

Kirch berg 

S.  auf  Schloss 

c 

— 

Ebemlort 

a.  d.  Jaxt,  Württemb. 

Neuenstein 

Schliz-Heilbronn 

45 

Steinkircheu 

bei  Kocherstetten, 
Württemberg 

Heilbronn 

2  Ex.     2  c  u.  1  d 
Roh.,  nicht  nach- 
gearbeitet.  Guss 

Dep. 

Derselbe 

46 

Hammer3) 

Nürnberg, 

b2 

Tiefgruhe  im 

Naue.    Prähist.    Bl. 

bei  Nürnberg 

S.  d.  Natur- 

flachen  Felde 

XII    S.  49  ff.    Tf. 

wissensch.  V. 

0,4—0,6  im 
tief  in  einer 
Brandschicht 

VIII  1 
v.  Förster-Nürnberg 

47 

Pappeiiheim4) 

Berlin, 

2  Ex.     c 

H.  Gr. 

M.  Redenbachei-,  Ab- 

b.Weissenburg  a  S., 

K.  M.  f.  V. 

handl.  üb.  d.  Grab- 

Mittelfranken 

hügel  am  Rötner- 
wall S.  22-24  u. 
T.  II  F.  14-16  in 
„Beitr.  z.  Anthr.  u. 
Urg.  Bayerns " 1 903 
Götze-Berlin 

48 

Geisslohe5) 

y 

c 

H.  Gr.  Sk. 

Roth  in  Prähist,  Bl. 

b.Weissenburga.  S., 

23,6  cm  1. 

H.  =  0.55  in  h. 

1S92  S.  19  Tf.  III 

Mittelfranken 

Dm.  der  Rad- 
scheibe =  6  cm 

u.  47  Schritt 
i.Umf.  Oben 
eine  Nach- 
bestattg.  aus 
d.Tene-Zeit, 
darunter  in 
der  Mitte  die 
Hauptbestatt. 
des  Sk.  von 
N.  nach  S. 

49 

Amberg, 

Oberpfalz,  Bayern 

? 

2  Ex.     a  u.  c 

H.  Gr. 

D.  Popp,  Abh.  über 
einige  alte  Gr.  H. 
b.  Amberg,  Ingol- 
stadt 1S21  S.  28  bis 
30Tf.IIIFig.7u.9 

50 

Nenhof,0) 

2  Ex.  in 

4  Ex.     a 

H.  Gr.     Sk. 

Naue  sen.-München 

Oberpfalz,  Bayern 

München, 

Staats-S. 

2  Ex.  in 

Regensburg 

Birkner-München 
Steinmetz-Regens- 
burg 

51 

Parsberg, 7) 

München, 

2  Ex.     a 

H.Gr.m.  Teil- 

Naue sen.-München 

Oberpfalz,  Bayern 

Staats-S. 

verbrennung 

Begleitende  Funde.  1)  Heilbronu:  1  Bernsteinhalsband;  1  Spiralarmband; 
1  offenes  Armband  und  1  Fussspange  mit  Endspiralen.  --  2)  Hohebach:  1  geschwollene 
Nadel;  2  offene  Armspangen  von   halbkreisförmigem  Ausschnitt.  —  3)  Hammer:  1  Dolch- 

i  mit  durchbrochenem  Griff.  —  1)  Pappenheim:  Nadeln  mit  geschwollenem  Hals 
ond  Nadeln  mit  Spiralgehangen  am  oberen  Ende.  —  5)  Gcisslolie:  1  offener  Armring 
leicht  gerippt;  1  offener  Armring,  in  der  Bütte  tordiert;  Scherben  von  2  schwarzen  Ton- 
gefS     en.  6)  Neuhof:    I    offene,    spitz    zulaufende    Armringe   (.'!  verziert);  2  offene  ver- 

zierte Armbänder  mit  Endstollen.  —  7)  Parsberg:  Halsschmuck  aus  Spiralröhrchen  und 
B  Spiralscheiben;  l  Dolch  mit  Bfittelrippe  und  -1  starken  Griffnägeln;  '■'>  geschwollene 
Nadeln;  •">  grosse  hohle  Knöpfe;  2  futuli  und  2  offene  gerippte  Armbänder. 


—     599     — 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

52 

Unterbuchfeld 

Nürnberg, 

c 

H.  Gr. 

II.  Scheidemandel, 

bei  Parsberg 

S.  Scheide- 
mandel 

1  ber  H.Gr.-Funde 
b.  Parsberg.    111 
Nürnberg  1902 
8.  19  Tf.  I  2 

.">.' '. 

Hat/enhof ') 

bei  Parsberg 

Berlin, 

K.  M.  f.  V. 

II  c  10GT 

■1  Ex.    c 

II.  Gr.    Sk. 

'Jütze-Berlin 

r.i 

Laber  srioht,2) 

Nürnberg, 

2  Ex.     a 

H.  Gr.'  VIII 

Festschr.  z.  lOOjähr. 

Oberpfalz 

Naturh.  M. 

Die  Nadeln  lagen 

aus  einer 

Stiftgsfest  d.  nat.- 

an  den  Schlüssel- 

Gruppe 

hist.  G.  Nürnberg 

beinen 

von  11  H. 

1901    8.  229    Tf. 
VII  Fig.  32 
v.  Förster-Nürnberg 

55 

Götzöd, 

B.-A.  Amberg, 
Oberpfalz 

München, 
Staats-S. 

a 

H.  Gr. 

Birkner-München 

56 

Brunn3) 

Regensburg 

3  Ex.     a 

H.  Gr. 

Steinmetz,    Prähist, 

b.  Laaber,  Oberpfalz 

linGr.H.V 

2  in  Gr.  IL 

XXIII 

Forschn.i.d.Umg. 
v.  Laaber  im  55.  B. 

d.  Verh.  d.  hist.  V. 
von   Oberpfalz   u. 
Regensburg.  S.-A. 
S.  16  Tf.  IV  4 

07 

Kegendorf 

(Kerm),  Oberpfalz 

Regensburg 

a 

— 

Steinmetz-Regens- 
burg 

58 

Lippertshofen, 

Oberpfalz 

Regensburg- 

2  Ex.     c 

Derselbe 

59 

Allers  bürg,4) 

Berlin, 

4  Ex. 

H.  Gr.     Sk. 

Götze-Berlin 

Oberpfalz 

K.  M.  f.  V. 

11  c  3030/33 

a-b 

2  a  und  2  c 
Aus  2  Gräbern 

60 

N'enkehlheini,5) 

Landshut, 

2  Ex.     a 

H.Gr. 

Birkner-München 

Niederbayern 

S.  d.  hist.  V. 

Polliuger- Landshut 

61 

Würzburg 

Würzburg 

d 

Phot-Alb.d.  Berliner 

Ausstellung    1>V" 
VIII  Tf.  1  - 

62 

Sulzbach -Langen- 
buchenberg,1 

B.-A.  Obernburg, 
Unterfranken 

München, 
Staats-S. 

2  Ex.     c 

Birkner-München 

63 

Birkenfeld,7) 

B.-A.  Marktheiden- 
feld, Unterfranken 

München, 
Staats-S. 

2  Ex.     c 

H.  Gr. 

1  lereelbe 

64 

Heekeuhof. 
B.-A.  Ebermann- 
stadt, Oberfranken 

München, 
Staats-S. 

2  Ex.    c 

H.  (ir. 

Derselbe 

Begleitende  Funde.  1)  Hatzenhof:  I  Nadeln;  2  Armspiralen;  viele  tutuli  usw. 
(1  Tierkopffibel  und  andere  Fibeln  von  einer  Nachbestattung.;  —  2)  Labersricht:  I  Bchön 
verzierte  breite  Armbänder.  —  3)  Brunn:  l  durchbrochene,  radförmige  Zierscheibe,  die 
von  I  grossen  Buckeln  unigehen  war.  —  I  Ulersburg:  Offene  Armringe.  —  5]  Neu- 
kclillicim:  1  Dolch  mit  2  Nieten:  Armringe;  Tongefässscherben  mit  schrafiierten  Drei- 
ecken verziert.  6  Salibach-Langenbnchenberg:  2  Armspiralen;  I  Bernsteinhalskette 
(27  runde  flache,  •"•  viereckige  dache,  1  vierseitige  prismatische  und  1  dreieckige  flache 
Perle,  durch  kleine  Spiralröhrchen  verbunden):  l  kleines  Armband  mit  dreieckigem  Quer- 
schnitt. -  T  Birkenfeld:  Mit  Uallstattbestattung  !  8  Ueckenhof:  1  ovaler  vier- 
kantiger  Armring;    l  nvaler  Ring  rai<  Endspiralen  und  1  Bernsteinprisma  mit  <>  Löchern. 


600 


Lfd 

Nr 


65 

66 

CT 
- 


69 


Tu 


Fu  ad  ort. 

Genauere  Angaben 


Museum 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
geschichte 


Weisehan,1)        Koburg.  S.  d. 
auf  d.  Sonnenfelder      anthrop.  V. 
Plateau  b.  Koburg 


Ober- Weissbach- 

grund,'-';  Ebendort 

Mährenhausen3) 

bei  Koburg 

Meiningen,4) 

Umgegend  (Themar, 
Kaltestaude, 

Uollmar,   Dörren- 

solz,  Ober-Katz, 

Einschiebt  und 

Hommerst) 

Lenirsfeld 

bei  Salzungen 

Osterkuppe6) 

bei  Schwarza, 
Kr.  Schleasingen 


Schwarza,6) 

Kr.  Schleusingen 


Botensehirm- 

bacli,7)  Kr.Querfurt, 
Prov.  Sachsen 

Goseck,8) 
Kr.  Querfurt, 

Prov.  Sachsen 


Koburg,  S.  d. 
anthrop  V. 

Koburg,  S.  d. 
antbrop.  V. 

'-Meiningen, 
Altertums- 
forsch -V. 


Meiningen 


2  Ex.     c 

2  Ex.     a 
2  Ex.    c 

e   und   d 


H.  Gr. 

II.  Gr. 
H.  Gr. 
H.  Gr. 


■_'  Ex.  in  4  Ex.    c 

Hohenleuben,    Die  2   in    Halle 

2  Ex.  in  Halle  ,  sind  23  cm  ].,  das 

Rad  ist  elliptisch 

8  rni  1.  u.  5  cm  br. 


Meiningen 


Eisleben 


Halle 


2  Ex.  aus  2  Gr. 
c 


In  einem 
Steinhauf  am 
Bayer  (Berg) 

H.  Gr. 
Die  2  Ex. 
in  Halle  sind 
L895  von  J. 
Schmidt  a.d 
„Hünenkopf* 
ausgegraben 

Sk  Gr. 


Sk.  Gr. 


b.    Der  Nadel  Sk.  Gr. 

schaft  fehlt.   Die  i     In  einer 

Radscheibe  hat    flachen  Grube 
ein.  Dm.  v.  5,5  c»//  in.  Holzresten 


Nachweis 


Lissauer-Bei'lin 


Derselbe 


Derselbe 


Arch.  d.  Heuueberg. 
Altertumsf.-  V.  in 
Meiningen  1839 
Tf.  I  4  ti.  .k  ls  12 
S.27u.  1S45S.132 

Phot.  Alb.  d.  Berliner 
Ausst.1880YIT.19 

Phot.  Alb.  VI  Tf.  18 


Variscia  I  S.  32 

Tf.  IV  Fig.  1  u.  2 
Kossinna-Berlin 

Förtsch-Halle 


Variscia  I  Greiz  1892 
S.  152  Tf.  II  7-9 
u  Tf.  IV  Fig.  lu. 2 

Kossinna-Berlin 

Höfer -Wernigerode 

Auerbach-Gera 

Jahresschr.  f.  d.  Vorg. 
d.  sächö.-thüring. 
Länder.  Hallel902 
S.  207  Tf.  XXII 

Ebendort  S.  73 

Tf.  VIII 
Förtsch-Halle 


Begleitende  Funde.  1)  Weisebau:  1  Armring  mit  ilachen  Endspiralen;  2  Arm- 
spiralen;  1  geschwollene  Nadel,  undurchlocht :  2  kleine,  offene  Armringe:  1  trianguläre 
Dolchklinge;  1  Knopfsichel:  2  Randäxte;  1  diademartiges  geripptes  Collier;  14  kleine  kegel- 
förmige tutnli,  an  beiden  Seiten  durchlocht,  und  1  Gussklumpen.  —  2)  Ober-Weissbach- 
grund:  1  Ringe  ans  plattem  Draht:  2  Armspiralcn;  2  Spiralen:  2  Fingerringe  feiner  mit 
Endspiralen);  1  Lanzenspitze;  5  tutuli  von  stahlblauer  Farbe,  wie  in  Nr.  ('>.">:  1  Halskette  von 
8  Bernsteinperlen;  1  Halskette  von  durchlochten  Vogelknochen  und  Zähnen  vom  Eber,  Bär, 
zwischen  denen  an  •'>  Stellen  je  1  Paar  Spirallocken  herabhängen.  —  3)  Mähreiibausen: 
1  Armring  mit  Endspiralen;  2  Armspiralen;  6  Scheiben  mit  oberer  Öse  und  konzentrischen 
Ringen  auf  der  vorder  d  Fläche,  durch  welche  die  Gussnaht  verläuft  (vgl.  Nr.  29):  1  Finger- 
ring;  l  kegelförmiger  tutulus  und  1  Spirallocke.-  Li  Heiningen :  Nadeln  mit  geschwollenem 
Hals;  Nadeln  mii  Doppelspiralen;  Rand-  und  Absatzäxte;  Dolchklingen;  Pfeilspitzen; 
Sil  er;  Armspiralen;  Brillenspiralen;  Armring«'  mit  Endspiralen;  diademartige  Colliers; 
Bernsteinperlen  und  Gusskuchen  von  mehr  &h2kg  Gewicht.  —  5)  Osterknppe:  Armringe 
und  Drahtfragmentc.  6)  Schwarza:  Bernsteinperlen.  —  7)  Rotenschirmbach:  2  Arm- 
ringe.       8)  Goseck  :  2  Zierknöpfe. 


60] 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

j    Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

71 

»Vlbsleben,1) 

Mansfelder 

Gebirgskreis, 

Prov.  Saclisen 

? 

c 

C.  D.  P.  Lohmann, 

Beitr.  zur  Unters. 
d. Altert  a.einig.b. 
Welbsleb.  vorgef, 
heidn.  Cberbleibs. 
Halle  1789    8.  80 
Tf.  II  Fig.  17-49 
Kossinna-Berlin 

75 

Rosenberg  a.  Elbe, 

Neuhaldcns- 

c.     Das  Rad- 

Favreau- 

Kr.  Kalb.-. 

leben,  S.  des 

kreuz   ist    durch 

Neuhaldensleben 

Prov.  Sachsen 

Gymnasiums 

Striche  verziert 

7G 

Borstel, 

Berlin, 

b  mit  breitem, 



Götze-Berlin 

Kr.  Stendal, 

K.  M.  f.  V. 

durch  3  Kreise 

Prov.  Sachsen 

I  1  i  -285  a 

verziertemKande 

77 

Catlenburg, 

Hannover 

'_'  Ex.  b  und  e 

H.  Gr. 

Müller-Reimers, 

Kr.  Northeim, 

Nr.  5926/7 

Altert.  S.  59  und 

Hannover 

Fig.  80 
Lindenschmit,  A.  u. 

h.V.1.4.  4.  Fig.  4 
Reimers-Hanuover 

78 

Dinklar,-) 

Kr.  Marienburg, 
Ebendort 

Hildesheim 

2  Ex.  c  und  d 

H.  Gr. 

Führer  durch  das 
M.  in  Hildesheim 
Abt.il  S.21Tf.II 
Fig.  9  u.   10 

Reimers-Hannover 

7!» 

Meppen,3) 

Hannover 

Hannover 
Nr.  6006 

• 

H.  Gr. 

Derselbe 

80 

Oldendorf,4) 

Lüneburg 

2  Ex.  a 

Kossinna-Berlin 

Landkr.  Lüneburg, 

Nr.  1008/9 

Reimers-Hannover 

Ebendort 

81 

Edendorf, 

Kr.  Ülzen, 
Ebendort 

Hannover 
Nr.  51  »27 

c 

— 

Reimers-Hannover 

82 

Negenborn.-) 

Hannover 

d 

Angeblich  in 

Müller-Reimers, 

Kr.  Burggraf, 

Nr.  12049 

ein.  Ton- 

Altertümer  S.  67 

Ebendort 

gefäss 

Reimers-Hannover 

83 

Sülze, 

Braun- 

3 Ex.  2  a  u.   1  c 

H.  Gr. 

Fuhse- 

Hannover 

schweig  Nr. 
477/8  u.  503 

Braunschweig 

84 

Schmale  n  beck,6) 

Bremen 

a  2(),:'>  cm  1. 

Gr. 

Buchenau  im  Arch. 

Kr.  Lilienthal, 

Dm.  der  Rad- 

des naturw.  V.  zu 

Ebendort 

scheibe  =  4.">  an 
An  der  Öse    be- 
findet sich  noch 
ein  kleiner  Ring 

Bremen  IX    1S87 

S.416ff. 
Kossinna-Berlin 
Martin-Oldenburg 

85 

Sternberg, 

Meckl.-Schwerin 

Schwerin 

b  21  cm  1. 

Tief  im 
Torf  gel 

Beltz-Schwerin 

86 

Tressow 
bei  Malchin, 

"Ebendort 

Ebendort 

b  20  cm  1. 

Moorf. 

1 

Derselbe 

Begleitende  Funde.  1)  Welbsleben:  1  Nadel,  «lere,,  Kopf  an  der  Spitze  durch 
1  Ring  und  deren  Hals  durch  .">  schmälere  Ringe  verzier!  ist.  —  2)  Dinklar:  1  Schwert; 
1  diademartiges  Collier;  durchlochte  kegelförmige  tutuli  u.  a.  —  •"•  Meppen:  1  Pinzette.  — 
H  Oldendorf:  1  Diadem  mit  10  Rippen:  1  grosse  Lanzenspitze;  l  goldene  Fingerringe 
aus  Doppeldraht  und  Reste  l  Armspirale  aus  dünnem,  schmalem  Draht.  —  5  Negenborn: 
Knochen,  Drahtspiralen  und  Buckel.  —  6)  Schmalenbeck:  2  ArmspiralcylLader  von 
8  resp.  C>  Umgängen  und  4,7  resp.  2,7  cm  Weite:  1  kegelförmiger  tutulus;  2  zusammen- 
gerollte Blechstreifen  und  51  durchbohrte  Bernsteinperlen. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Hefl  5.  ao 


—     602     — 


Lfd. 

Fundort.     - 

i 

Variante. 

Zur  Fund- 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

Nachweis ' 

Nr. 

Genauere  Angaben 

geschichte 

I 

87 

Vaale, l) 

Kspl.  Wacken 
Schleswig-Holstein 

Kiel  K.  S. 
Nr.  6239 

b1 

H.  Gr. 

Mestorf-Kiel 

88 

Massel, 

Kr.  Trebnitz, 
Schlesien 

? 

c 

Wagner,  Handbuch 
der  vorzüglichsten 
.  .  .  Altert,  aus 
heidnischer  Zeit. 
Weimar  1842  Fig. 
768 

89 

Mogilno,2) 

Bromberg 

b '  mit  3  Ringen 

Sk.  Gr. 

Kossinna    in  Z.  f.  E. 

Prov.  Posen 

Nr.  771 

auf  dem  ver- 

0,5 m  unter 

1902  S.  207 

breiterten  Rande 

der  Oherfl. 

Schmidt- Bromberg 

90 

Posen, 

Posen 

a 

— 

Koehler,  Album  der 

Provinz 

Poln.  M. 

. . .  prähist.  Denk- 
mäler .  .  .  Posen 
1900  Heft  II  S.  46 
Tf.  61   Fig.  31 

91 

Lhotka3) 

Prag 

a  defekt 

Dep. 

Richly,  Bronzezeit  in 

bei  Pilsen 

Brucherz 

Böhmen.       Wien 

Böhmen 

1894  S.  94  Tf.  16 
bis  18 
Pic-Prag 

92 

Dacbstübel- 

Hagenaii 

b2 

H.  Gr.  IV 

Naue  jun.-München 

Birkbach. 

S.  Nessel 

Fundstelle 

Naue,  A.  W.       Die 

Kr.  Hagenau, 

III 

Denkmäler  d.  vor- 

Elsass 

römischen  Metall- 
zeit im  Elsass  S.50 

93 

Königshrück,4) 

Ebendort 

4  Ex    c  aus 

H.  Gr.  Sk. 

Ebendort  S.  103  u. 

Kr.  Hagenau, 

3  Gräbern 

1)  aus  H.  Gr. 

108 

Elsass 

1  =  15  cm  1. 

2  u.  3  =  21  cm  1. 

4  =  22  cm 

IV 

Fundstelle 

IV 
2  u.  3)  aus  H. 
Gr.  V  Fund- 
stelle I 

Naue  jun.-München 

4)  aus  H.  Gr. 

XI 
Fundstelle  I 

94 

Strassburg 

Donau- 

c 

Aus  dem 

Ebendort  S.  241  (86) 

i.  Elsass 

eschingen 

23,5  cm  1. 

Rheinkanal 

Naue  jun.-München 

Berlin  K.  M. 

a 

Götze-Berlin 

f.V.IKKÜI 

95 

Aschbach,6) 

Speier 

2  Ex.  c 

H.  Gr. 

Barster,    Die    Aus- 

B. A.  Kusel, 

21  cm  1. 

1,7?«  hoch  u. 

grabungen  d.  bist. 

Pfalz 

Dm.  d.  Scheibe 
6,3  cm 

22  m  i.  Dm. 

V.  d.  Pfalz,  Speyer 
L886  S.öTf.  VI  6 

Hildebrand-Speyer 

Begleitende  Funde.  1)  Vaale:  1  Armringe  und  Fr.  eines  tutulus.  —  2)  Mogilno: 
1  Nadel  mit  sphäroidem,  schön  verziertem  Kopf;  2  Armspinilcglinder  aus  5  —  6  ii\m  breitem 
Draht  und  Spiralröhrchen.  —  3)  Lhotka:  Sicheln  mit  durchlochtem  Griff;  Nadeln  mit 
doppeltkegelförmigem  Kopf;  kegelförmige  tutuli;  Randäxte;  Schwertklingen  mit  flacher 
Mittelrippe;  Lanzenspitzen;  Armringe:  Armbänder  und  2  goldene  Schleifenringe  aus  Doppel- 
draht. —  I)  Köiiigsbrück:  ad  1:  2  offene  Armbänder;  ein  Drahtring  mit  6  Spiralwindungen; 
1  Beinring  mit  Endspiralscheiben.   ad2u.  3:  2  hohe  Spiralarmbänder;  1  L8  cm.  langer  Dolch; 

1  Beiming  mit  Endspiralschciben  und  1  Tasse,  ad  1:  2  hohe  Spiralarmbänder;  1  Beinring 
mit  Endspiralscheiben.  —  5)  Aschbach:  1  Armband  aus  20  '/'/"  breitem  Blech  mit  Endspiralen: 

2  offene  Ilalsringe  von  L40mm  Dm.  aus  I  mm  starken  Draht  mit,  imitierter  wechselnder 
Torsion;  9  Armringe  von  60  -80  mm  Dm.,  bis  auf  einen  sämtlich  mit  parallelen  Linien 
verziert;  ein  geschlossener  glatter  Halsring  von  li;i  mm  Dm.;  2  geschlossene  glatte  Fuss- 
ringe  von  LlO/nwi  Dm.  mit  Sparen  der  Abnutzung;  Scherben  von   I  Tongefässcn. 


(508 


Lfd. 

Fundort. 

Variante. 

Zur  Fund- 

Nr. 

Genauere  Angaben 

Museum 

Genauere  An- 
gaben 

geschichte 

Nachweis 

96 

Rheiiihcssen, 

Mainz 

S.  d.  Alt.  V. 

2  Ex.  a  u.  c. 

— 

97 

Flonhelm, 

ebi'iidort 

» 

2  Ex.  a 

— 

Schumacher- 

98 

Gonsenheiiii, 
ebendort 

" 

2  Ex.  a 

— 

Mainz 

99 

Hcideslieiiu, 

ebendort 

r> 

e 

— 

ICK) 

Mainz, 

Mainz 

6  Ex.   1  a  1  b2 

3  aus  dem 

Lindenschmit,  A.  d. 

S.  d.  Alt.  V. 

1  c 

Rhein  und 
3  aus  der 
Umgegend 

V.  h.  I  1.  4.  Fig.  1, 

Westd.  Z.' 1898  8.374 

Tf.  V  13  und  1899 
S.  Uli  Tf.  VI  9 

101 

Dienheim, 

Wiesbaden 

a 

Im  Lauben- 

Ritterling- 

Rheinhessen 

J.  1281 

heimer 
Walde 

Wiesbaden 

102 

Odernheim, 

Ebendort 

Wiesbaden 
J.  N.  6970 

c 

Gr. 

Derselbe 

103 

Leiselheiin, 

Worms 

2  Ex.  a 

Sk.  Gr.  von 

Westd.  Z.  1883. 

Ebendort 

W.  nach  0. 

gerichtet 

Museographie  für 
l.ssi'  S.  216  Tf.  X 
Köhl-Worms 

104 

Bingen, 

Worms 

2  Ex.  a. 

Im  Rhein 

Westd.  Z.  1897. 

Ebendort 

teilweise 
beschädigt 

gef. 

Museographie  für 
1896  S.  331) 
Köhl-Worms 

105 

Ibersheini, 

Worms 

2  Ex.  a 

Sk.  Gr. 

Ebendort  1903. 

Ebendort 

zum  Teil 

v.W.  nach  0. 

Museographie  für 

beschädigt 

gerichtet 

1902  S.  415 
Köhl-Worms 

106 

Winuingen 

Wiesbaden 

3  Ex.  a,  b4  u,  c 

— 

Ritterling- 

a    d.  Mosel, 

J.  14  388/9  a 

(mit  2  inneren 

Wiesbaden 

Rheinprovinz 

und  b 

konzentrischen 
Ringen) 

107 

Trechtings- 

Bonn 

a 

Aus  der  S. 

Berichte    über    die 

liaiisin. 

J.Nr.  15045 

Seyler  in 

Tätigkeit  der  Pro- 

Kr.  St.  Goar, 

Bingen 

vinzialkommission 

Rheinprovinz 

in  der  Rheinprov. 
...  VIII    Düssel- 
dorf   1904    S.  57 
Fig.  28  Nr.  5 
Lehner-Bonn 

108 

Rheinprovinz 

Bonn  J.  Nr. 
27'. i  u.  2816 

2  Ex.  a  u.  c 

— 

Lehner-Bonn 

109 

Tyregod, 

Kopenhagen 
B  6546 

d 



Saranw- 

Amt  Vejle, 

Kopenhagen 

Jütland 

110 

Sjörslev, 

Kspl.  Sjörlev 
Ljsgaard  Harde 
Amt  Viborg, 
Jütland 

Kopenhagen 

National  M. 

B.  1765 

c 

Derselbe 

111 

Speyer 

Speyer 

a  .V)  mm  1. 

Dm.  der  Scheibe 

35  mm 

Eildebrand-Speyer 

112 

(irossniedeslieim 

bei  Frankenthal, 

IM'alz 

Speyer 

a  190  mm  1. 

Dm.  der  Scheibe 

43   mm 

Derselbe 

39 


—     604     — 


3a.    Der  „mitteldeutsche"  Typus  der  Radnadeln  mit  zwei  Ösen. 


Fundort. 
Genauere  Angaben 


Museum 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
gescbichte 


Nachweis 


Stettfeld,1) 

Amt  Bruchsal, 
Baden 

Hockenheim, 

Amt  Schwetzingen, 
Baden 

Nassau, 

Unterbimbacb, 

Kr.  Fulda, 
Hessen-Nassau 


Waizenbach2) 

in  Unterfranken, 
Bayern 


Morschrciitta,3) 

t      Oberfranken 

Brackel, 

Kr.Winsen  a.d.Luhe, 
Hannover 

Wieb,4) 

Mecklenb.  -Schwerin 


Karlsruhe 
C.  3766 

Mannheim 
S.  d.  Alt.-V. 

Wiesbaden 
J.  6971 

Fulda 


Würzburg 
S.  d.  hist.  V. 


Berlin 

K.  M.  f.  V. 

II c  2189 

Hannover 
Nr.  51 122 

Schwerin 


b1  mit  6  Speichen 
am  inneren  Ring 

2  Ex.  d* 


d  etwas  defekt 

Radscheibe  mit 

3  Ringen  auf  dem 

verbreiterten 

Rande 


2  Ex.  d2 


21,5  cm  lang 


Gr. 


H.  Gr. 

angeblich 
in  einem 
Tongefäss 


H.  Gr.  Sk. 


,  Steinkiste" 


Dep. 


Wagner- Karlsruhe 


Westd.  Z.  XV  S.  350 
Baumann- 
Mannheim 

Ritterling- 
Wiesbaden 

Z.  d.  V.  f.  hess.  G.  u. 

L.I  1837  S.  169 ff. 

Tf.  Fig.  1.  5.  6. 
Kossinna-Berlin 

Arch.  d.  hist.  V.  f.  d. 

Untermainkreis 

III  1  Würzburg 

1835  S.  154 
Photogr.  Album  der 

Aussteller,  v.  1880 

Tf.  18  Fig.  1 

Götze-Berlin 


Müller-Reimers, 

Altert.  Tf.  XI  86 
Reimers-Hannover 

Mecklenb.  Jahrb. 

XII  S.  415 
Kossinna-Berlin 
Beltz-Schwerin 


3b.    Der     mitteldeutsche"  Typus  der  Radnadeln  mit  vier  Ösen. 


Altdorf,) 

Mitttdfranken, 
Bayern 

Würzburg, 

Unterfranken 

Kotliniiinnsthal,') 

Oberfranken 


Berlin 

K.  M.  f.  V. 

II c  2222 

Würzburg 
S.  d.  hist.  V. 

Bamberg 
? 


Gr. 


H.  Gr. 


Naue,  Präh.Bl.  1893 

S.  66  Tf.  VIII 
Götze-Berlin 

Photogr.  Alb.  VIII 
Tf.  IS  Fig.  2 

Hermaun,  Die  heid- 
nischen Gr.  H. 
Oberfrankens 
Bamberg  1842 
S.  31  Tf.VI  74 

Schlemm-Berliu 


Begleitende  Funde.  1)  Stettfeld:  Eine  Radnadel  mit  einer  Öse;  Armbänder  und 
ein  Ring.  —  2)  Waizenbach:  Eine  Nadel  mit  plattem  Kopf  und  Fr.  einer  Kette.  — 
:;  Morsrlireulli:  Eine  zerbrochene  runde,  getriebene  Schale;  2  einfache  geschlossene  Arm- 
ringe; 1  grosse  und  1  kleine  Bernsteinperle;  2  Brillcnspiralen  und  Fr.  davon,  schmale 
Zylinderspirale.  —  I)  Wiek:  4  sehr  wenig  gebogene,  dreirippige  Sicheln  mit  hohem 
Enddorn;    '■<  Absatzäxte;    1  Axthammer   und    1  sehr  lange  Lanzenspitze  (Montelius  II).  — 

5)  Lltdorf:    Ein    Messer    mit    durchbrochener  Griffzunge    und   Endring,    21,4  cm  lang.  — 

6)  Bothmannsthal:  Eine  Nadel,  Ohrringe,  Perlen  aus  Bernstein  und  Glas. 


605    — 


Fundort. 
Genauere  Angaben 


ßildsteinskopf,1) 

Oberförsterei 

Windhausen, 

Hessen-Darmstadt 

Oariustadt 


Lauterbach 

im  Vogelsberg, 

Hessen-  Darmstadt 

Unterbimbaeh, 

Kr.  Fulda, 
Hessen-Nassau 


Oberbimbach,-) 

Hessen-Nassau 

Wachenheim, 

Pfalz 


Herrnslieim 

bei  Worms, 
Rheinhessen 
Ottstein3) 
bei  Worms. 
Rheinhessen 
Mainz 

Niederwetz,4) 

Kr.  Wetzlar, 
Rheinprovinz 


Museum 


Variante. 

Genauere  An- 
gaben 


Zur  Fund- 
1   geschichte 


Darmstadt 


Darmstadt 


Lauterbach 


Kassel 
Dürkheim 


Mainz 
S.  d.  Alt. 

Worms 


Mainz 
5.  d.  Alt.  -\ 
Braunfels 


e 
defekt 


h  mit  „pfeil- 
spitzenartigen 
Köpfen" 


e  13  cm  lang 
Von  den  <  >sen 

sind  nur  die 

unteren  End- 
stücke erhalten 
e1 
zerbrochen 

e  20  cm  lang 
Dm.  der  Rad- 
scheibe 4,3  cm 
Die  Ösen  sind 

kronenartig 


g  20  cm  lang 
Dm.  der  Rad- 
scheibe G  cm 
? 

3  Ex.  e  (?) 


H.  Gr. 


Stein  Gr. 


H.  Gr. 

Auf  der  Burg 

zu 

Wachenheim 

gefunden 


Gr. 


2  Sk.  Gr. 


Nachweis 


Müller-Darmstadt 


Lindenschmit,     Alt. 

u.  h.  V.  II    ;.   I 

Fig.  1 
Kossinna-Berlin 


Pinder,  Bericht  über 
d.  h.  Alt.  Kassel 
1878  S.  18  Tf.  I  13 


Lissauer 
Mehlis-Dürkheim 

Schumacher-Mainz 


Westd.  Z.  II  1883 
S.  217  Tf,  X  2 

Koehl- Worms 
Schumacher-Mainz 

Schaum,  Die  fiirstl. 

Altertumssammlg. 

zu  Braunfels  1819 

Tf.  1-4 
Kossinna-Berlin 


4.    Der  „hannoversche"  Typus  der  Radnadeln  mit  drei  Ösen. 


Freinsheim, 

Pfalz 

Baierseich,6) 

Hessen  Darmstadt 


Ockstadt, 
Oberhessen 


Erbach 


Darmstadt 


Darmstadt 


H.  Gr.  III 
im  Kranich- 
steiner Park 

Gr. 


Schumacher-Mainz 

Arch.  f.  hess.  G.  u. 
Alt.  N.  F.  III 1902 
S.  260  T.  IX  0-9 

Mülk'r-Darmstadt 
Müller-Darmstadt 


Begleitende  Funde.  1)  Bildsteinskopf:  1  Nadel  mit  Doppelspiralkopf:  1  Nadel 
mit  glockenförmigem  Petschaftkopf;  3  Armringe:  1  „Diadem"  mit  Doppelspiralen.  — 
2)  Oberbimbach:  1  Radnadel  mit  einer  Öse  und  3  Armringe.  —  3)  Oft'stein:  2 Arm- 
spiralen  von    je   25  Windungen  und   18  bezw.  13cm  Länge.    —     H  Niederwetz:    »irab  1: 

1  zerbrochene    Doppelspirale    und    2  Armspiralen.      Grab  ~:    i'   Armspiralen:    1    Tutulus; 

2  hohle  spitze  Knöpfe:  1  Kugelkopfnadel:  1  Doppelbrillenspirale:  1  Oherarmspiralzylinder: 
4  Doppelspiralen:  1  Nadel  mit  Schraubenhals:  2  Bernsteinknöpfe  u.  a.  mehr. —  5)  Baiers- 
eich:    1    Radnadel  mit  1   Öse:  -2  Armspiralen   mit  je   L2  Windungen. 


—     606     — 


Lfd. 
Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

4 

Frankfurt  a.  M.           Mainz 

S.  d.  A.  V. 

a 

— 

Schumacher-Mainz 

5 

Strüth,1)             Wiesbaden 
Kr.  St.  Goars-        J.-N.  11  638 

a1     Die 

H.  Gr. 

Annalen  d.  Ver.  f. 

Kreuzungsstelle 

Nassauische  Alt. 

li  m  nfiPfi 

bildet  ein 

XV  S.  386 

1  1  ■  1   11  >'      1  1  , 

Rheinprovinz 

breiteres  Feld 

Ritterling  -Wiesbad. 

(3 

Urmitz,                   Bonn 

h2    Die  Rad- 

— 

Berichte  ü.  d.  Tätig- 

Kr. Koblenz, 

J.-N.  15  584 

scheibe  hat 

keit  d.Prov.-Kom. 

Rheinprovinz 

12  Speichen,    in 

4  Partien  zu  je  3 

zusammen- 

gefasst 

d.  Rheinprov.VIII 
Düsseldorf  1904 
S.  57  Fig.  28  Nr.  1 
Lehner-Bonn 

7 

Grossschwab- 

Flurstedt 

c 

— 

Verworn,  Z.  f.  thür. 

liauseu, 

S.  d.  Pfarrers 

Gussform  in 

G.  u.Alt.  XII  S.658 

Thüringen 

Alberti 

grauschwarzem 

bis  662  Tf.  I  u.  II 

Schiefer 

Kossinna-B  erlin 
Auerbach-Gera 

8 

Leitzkau, 

Kr.  Jerichow  I, 
Prov.  Sachsen 

Burg 

b 

Steinkiste 

Nachrichten  1895 
S.  78  Fig.  8 

9 

Neukaldensleben, 

Prov.  Sachsen 

Braunschw. 
Stadt.  M. 

b 

H.  Gr. 

Fuhse- 

Braunschweig 

10 

Alt-Medingen, 

Kr.  Uelzen, 
Hannover 

Hamburg 

a 
19,3  cm  lang 

Hagen-Hamburg 
Kossinna-Berlin 

11 

Behringen,2) 

Berlin 

a 

H.  Gr.  Sk. 

Nachrichten  1890 

S.  2 
Götze-Berlin 

Kr.  Soltau, 
Hannover 

K.  M.  f.  V. 

11  104  a 

defekt 

12 

Toppenstedt, 

Kr.  Winsen  a.  d.  L., 
Hannover 

Hannover 

Nr.  5023  und 

50-29 

2  Ex. 

a?  u.  b. 

Reimers-Hannover 

10 

Lüneburg, 

Reg.-Bez.,  Hannovei 

Hannover 
7646  u.  12018 

2  Ex. 
a  u.  b. 

Derselbe 

1  1 

Blcckede,3) 

Hannover 

Hannover 
5025 

b 

H.  Gr. 

Derselbe 

15 

Garlstorf, 

Hannover 

a 

— 

Müller-Reimers, 

Kr.  Winsen  a.  d.  L., 

5031 

Altert.  Tf.  XI  8^ 

Hannover 

Reimers-Hannover 

16 

Embsen, 

Ldkr.  Lüneburg, 
Hannover 

Hannover 
11  972 

a 

Derselbe 

17 

Rohlingen, 

Ldkr.  Lüneburg, 
Hannover 

Hannover 
5032 

b 

Reimers-Hannover 

18 
L9 

Sollau, 
Hannover 

llambostcl, 

Hannover 
11875 

Hannover 

b 

Derselbe 

Kr.  Soltan,  Hannov 

12  040 

a 

H.  Gr. 

Derselbe 

Begleitende  Funde.  1)  Strütli:  Armspiralen;  Armbänder  mit  Endspiralen.  — 
2)  Behringen:  Geripptes  Collier;  mehrere  Fr.  von  dünnen  Armspiralen;  5  kegelförmige 
Tutuli;  einige  röhrenartige  Beschläge  auf  Leder.  —  3)  Bleckede:  Eine  Radnadel 
ohne  <  i  ie. 


—    <;07    — 


Lfd. 

Nr. 

Fundort. 
Genauere  Angaben 

Museum 

Variante. 

Genauere  An- 
gaben 

Zur  Fund- 
geschichte 

Nachweis 

20 

Weaterweihe,1) 
Kr.  Ülzen, 
Hannover 

V 

a     Schaft 

abgebrochen 

Dm.  der  Rad- 

scheibe  •">  cm 

H.  Gr. 

v.Estorff,Heidn.Alt. 

S.  82  Tf.  VIII  *; 

Tf.  XI  7 
Reimers-Hannover 

•_M 

Hitzacker, 

Kr.  Dannenberg, 
Hannover 

Lüneburg 
Nr.  1080 

» 

Derselbe 

■>■> 

Linden, 

Kr.  Ülzen, 
Hannover 

? 

a  Schaft  abgebr. 
Dm.  der  Bad- 
scheibe fast  5  cm 

H.  Gr. 

v.  Estorff,  Heidn.Alt. 

S.  82  Tf.  VIII  5 
Reimers-Hannover 

23 

Bohlsen, 

Kr.  Ülzen, 
Hannover 

? 

b  Schaft  abgebr. 
Dm.  der  Rad- 
scheibe 5,5  cm 

11.  Gr. 

v.  Estorff,  Heidn.Alt. 

S.  82  Tf.  VIII  7 
Reimers-Hannover 

21 

Fallingbostel, 

Hannover 

Hannover 
Nr.  5030 

a 

II.  Gr. 

Derselbe 

•_'."» 

Meilendorf, 

Kr.  Burgdorf,  Hann. 

Hannover 
Nr.  5026 

a 

— 

Derselbe 

20 

Willerding,9) 

Ldkr.  Lüneburg, 
Hannover 

Breslau 

b  31,3  cm  lang 
Dm.  der  Rad- 
scheibe 6,3  cm 

H. 

in  einem 
Steinsatz 

Seger-Breslau 

27 

Schmalförden, 

Kr.  Sulingen, 
Hannover 

Berlin 

K.  M.  f.V. 

11  616 

b1 
defekt 

H.  Gr. 

Götze-Berlin 

28 

Eidenburg 

bei  Waren, 
Mecklenb. -Schwerin 

Schwerin 

b 
16  cm  lang 

In  ein.  Kanal 

beim  Baggern 

gefunden 

Mecklenb.  Jahrb. 
1864  S.  154 

B'ltz-Schwerin 

29 

Woüdow  ) 

bei  Gnoien, 

Mecklenb. -Schwerin 

Stettin 

A.  d.  Samml. 

Maass  in 

Kenzlin 

a 

Balt.  Studien  Bd.  28 

S.  576 
Kossinna-Berlin 

Stubenrauch-Stettin 

30 

Tonndorf4) 

bei  Wandsbeck, 

Kr.  Stormarn. 

Schleswig-Holstein 

Hamburg 

d1  mit  2  Ringen 
auf  d.  verbreiter- 
ten Rande  und 
7  Speichen  um  d. 
inneren  Ring 

Sk.  Gr.  mit 
Steinsetzung 

Hamb.  Jahrb.  I  77 
SpliethS.  :;7  Nr.  153 

Fig.  72 
Mestorf-Kiel 
Hagen-Hamburg 

31 

Witzhate,5) 

Lauenburg 

Privat-S. 

a  ?  Fr. 

H.  Gr.  Sk. 

Mestorf-Ki'd 

32 

Hademarschen,0) 

Holstein 

Privat-S. 

V 

Sk.  Gr. 

Dieselbe 

33 

Börkop. 

Ksp.  Gauersland, 
Amt  Vejle 

Kopenhagen 

Natiomil-M. 

B  2."»:i 

d 

H.  Gr.  Um  die 
Nadel  herum 
fanden  sich 
Ornenscherb. 

und  Asche 

Sarauw- 
Kopenhagen 

Begleitende  Funde.  1)  Westerweihe:  Ein  Collier  mit  abgebrochenen  Enden,  in 
der  Mitte  6,5  im  hoch,  reich  verziert  mit  getriebenen  Buckeln,  einem  Zickzackbogen  und 
10  schachbrettartig  gemusterten  Rippen;  :'.  massive  glatte  Ringe.  -  2  Willerding:  Ein 
Collier;  ein  Armring  mit  knopfförmigen  Enden.  -  '■'>  WOBdOW:  2  Sicheln.  —  4)  Tonn- 
dorf: Fr.  einer  kleinen  Spirale  und  Halsschmuck.  —  ■">)  Witzliavo:  .".  Armringe  und  ein 
kleiner  Ring.  —  6)  Hademarschen:  Ein  Dolch  und  ein  grosser  Tutulus. 


608     — 


2.   Troja  -  Mykene  -  Ungarn. *) 

Archäologische  Parallelen. 

Von 

Hubert  Schmidt. 

In  einem  Vortrage,  den  ich  im  Februar  des  Jahres  1!>03  in  der  Berliner 
archäologischen  Gesellschaft  über  Troja  und  Mykene  hielt,  konnte  ich  eine 
Reihe  von  Beziehungen  zusammenstellen,  die  zwischen  diesen  beiden 
hervorragenden  Fundstellen  des  Mittelmeergebietes  einerseits  und  Ungarn 
andererseits  bestanden  haben  müssen.  Das  darauf  bezügliche  Material  hat 
sich  inzwischen  vermehren  lassen  und  soll  im  folgenden  in  einer  aus- 
führlicheren Darstellung  behandelt  werden. 

Körperschmuck. 
Bei  der  Beschreibung  der  trojanischen  Schatzfunde  in  seinem  Werke 
„Bios"  (1881  S.545)  wurde  Schliemann  auf  Analogien  aus  dem  III.  Schacht- 
grabe von  Mykene  aufmerksam.  Seine  Vergleiche  bezogen  sich  sowohl 
auf  die  Formen  einzelner  Schmuckgegenstände,  als  auf  Verzierungen  an 
solchen.  Die  ersteren  sind  kleine  goldene  Schieber  aus  Draht  mit  spiralig 
aufgerollten  Enden  (Heinrich  Schliemanns  Sammlung  trojanischer  Alter- 
tümer. Berlin  1902.  Kat.  Nr.  59882)  und  6042)8),  wozu  Schliemann 
a.  a.  O.  ähnliche  Gegenstände  aus  dem  III.  mykenischen  Schachtgrabe  in 
seinem  Werke  „Mykenä"  S.  226  Nr.  297,  299  zitiert.  Die  Verzierungen 
bestehen  in  Doppelspiralen  aus  Golddraht,  die  sich  auf  einer  goldenen 
Prunknadel  von  Troja  (Kat.  Nr.  6133)1)  und  einem  goldenen  Armbande 
ebendaher  (Kat.  Nr.  6003)6)  aufgelötet  finden;  nach  Schliemann  (Bios 
S.  545)  sollen  sie  mit  den  ebenfalls  im  EH.  Schachtgrabe  von  Mykene  ge- 
fundenen („Mykenä"  S.  226  Nr.  295,  296)  übereinstimmen. 

Diese  Vergleiche  mit  mykenischen  Formen  haben  ein  begreifliches 
Misstrauen  gegen  das  Alter  der  trojanischen  Schatzfunde  hervorgerufen 
und  den  Ausdruck  desselben  auch  in  der  Literatur  zur  Folge  gehabt.  So 
konnte  Chr.  Blinkenberg  bei  seinen  Untersuchungen  zur  vormykenischen 
Kultur  (Mein,  des  antiquaires  du  Nord  1896  S.  1  ff.)  einen  Zweifel  an  dem 
liehen  Alter,    das  Schliemann   den  Schmucksachen   von  Troja  zuschrieb, 


L)  Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  20.  Februar  L904.  Die  während  der  Korrektur 
hinzugefügten   Bemerkungen  sind  in  ecki,^  Klammern  [— ]  eingeschlossen. 

2)  Abg.  Schi.  Ilios  S.  546  Nr.  836,  838,  853;  A.  Götze  bei  Dörpfeld,  Troja  u.  Ilion 
1902.    8.361   Fig.  303d. 

o)  Abg.  Schi.  Ilios  S.  559  Nr.  909;  A.  Göl  ze  a.a.O.   Dieser  Schieber  ist  miniaturartig. 

4)  Abg.  Schi.  Hin-  S.  .",11   Nr.  834;  A.  Götze  a.a.O.  8.34]    Beilage  4:}  Nr.  II. 

5)  Abg.  Schi.  Ilios  S.  551   Nr.  873;  A.  Götze  a.a.O.  Beilage  43  Nr.  IV. 


—    609    — 

nicht  unterdrücken.  Noch  entschiedener  nimmt  Matthäus  Much  eine 
gegnerische  Stellung  ein.  In  seinem  Buche  „Die  Heimat  der  Indo- 
germanen  •  (1902  S.  96ff.,  2.  Aufl.  L904  8.  1  I5ff.)  versucht  er  die  trojanischen 
Schatzfunde  chronologisch  in  die  VI.  Ansiedelung  von  Troja  herunter- 
zurücken,  weil  sie,  wie  er  sagt,  „eine  so  tiefgreifende  Verwandtschaft  mit 
den  Schatzfunden  der  Königsburg  von  Mykenä  und  ihrer  Gräber"  auf- 
weisen. Er  denkt  sogar  an  einen  direkten  Import  derselben  "-leichzeiti"- 
mittlen  sicher  eingeführten  „mykenischen"  Nasen  (vgl.  Schli  eman  n- 
Sammlung  Kat.  Nr.  3368ff.,  3386«F.). 

Die  einzige  Schwierigkeit,  die  Fundumstände,  beseitigt  er  damit,  dass 
er  sagt,  die  Gold-  und  Silbersachen  müssten  als  Schätze  so  tief  wie  möglich 
in   die   Erde  versenkt  worden   sein. 

Diese  Schlussfolgerungen  sind  gewiss  irrtümlich.  Auf  Grund  der 
Nachprüfung,  die  A.  Götze  gelegentlich  der  Neuordnung  der  Schatzfunde 
aus  Troja  vorgenommen  hat  (vgl.  Dörpfeld,  Troja  und  llion  S.  325ff.), 
dürfen  die  Fundumstände  und  die  darauf  gestützten  Datierungen  als 
durchaus  gesichert  bezeichnet  werden.  Soweit  es  sich  um  das  Vorkommen 
von  Gold-  und  Silberschmuck  handelt,  haben  wir  sieben  sichere  Funde 
aus  der  II.  Ansiedelung  (A,  G,  I,  K,  L,  X,  Q).  Wenn  die  Hauptmasse  der 
übrigen  (B,  C,  D,  E,  F,  M,  0,  R,  S)  in  die  IL— III.  Ansiedelung  gesetzt 
werden  kann,  so  bedeutet  das  nicht  eine  jüngere  Bntwickelung,  die  durch 
sie  gegeben  wäre;  vielmehr  gleichen  sich  die  Typen  der  beiden  Fund- 
gruppen so  sehr,  dass  der  Unterschied  der  Fundumstände  nicht  mehr  in 
Betracht  kommt. 

Was  diese  Fundumstände  betrifft,  so  hält  sich  Much  leider  im 
wesentlichen  an  den  sogen.  „Schatz  des  Priamus",  der  als  Schatzfund  A 
eingeführt  ist.  Ohne  mich  auf  Wiederholungen  einzulassen,  möchte  ich 
den  Ausstellungen  Muchs  gegenüber  nur  auf  zwei  andere  Funde  ver- 
weisen: Fund  I  lag  auf  der  Böschung  der  Burgmauer  der  ."!.  Bauperiode 
der  IL  Ansiedelung  zerstreut  und  Fund  Q  wurde  unmittelbar  vor  einem 
der  Hauptgebäude  derselben  Periode  innerhalb  der  Burgmauer  aufgelesen 
(vgl.  Götze  a.  a.  O.  S.  336 f.,  341).  Freilich  beruft  sich  Much  mit  Recht 
auf  die  goldenen  Zierscheiben,  „die  in  der  Regel  in  Mykenä  reicher  und 
mannigfaltiger  dekoriert  sind,  unter  denen  sich  aber  auch  Stücke  finden, 
die  den  troischen  zum  Verwechseln  ähnlich  sind-.  Gemeint  i>t  der  Fund  11. 
Aber  gerade  bei  ihm  sind  die  Schliemaunschen  Angaben  so  bedenklich, 
dass  wir  mit  Götze  (S.  335)  mit  riecht  ältere  und  jüngere  Kunde  unter- 
scheiden dürfen;  denn  es  handelt  sich  hier  um  mehrere  Fundstellen  und 
demgemäs8  offenbar  um  verschiedene,  von  einander  unabhängige  Funde. 
Die  von  Much  zitierten  Stücke  (Schliemann  llios  Nr.  903,  904)  fehlen 
in  der  Sammlung,  haben  aber  ein  Gegenstück  in  Kat.  Nr.  6030  (Hb)  und 
treten  als  jüngere  Erzeugnisse  den  älteren  Kat.  Nr.  6016  6029  (Ha) 
gegenüber. 

Zu  den  Fandumständen  treten  ferner  auch  Begleiterscheinungen, 
die  berücksichtig!  werden  müssen,  unter  den  Schatzfanden  sind  Gegen- 
stände, die  kein  Prähistoriker  und  Archäologe  „höchstens  der  Mykenä- 
kultur"  zuweisen  wird.     Die  sogen,  cyprischen  Dolche  mit  Griffangel  sind 


—     610     — 

mit  7  Exemplaren  unter  ihnen  vertreten:  in  den  Schatzfunden  A  (Kat. 
Nr.  5842— 5847)  und  K  (Kat.  Nr.  6050).  Nach  Ohnefalsch-Richter1) 
gehört  dieser  Typus  in  die  „protokykladische  Periode  HI"  der  cyprischen 
Kultur,  also  weit  vor  die  Blütezeit  der  mykenischen  Kultur  (vgl.  darüber 
unten  mehr).  Nicht  minder  sind  für  die  Datierung  der  Schatzfunde  auch 
die  Tongefässe  in  Betracht  zu  ziehen,  in  denen  Schliemann  die  Schätze 
vorgefunden  hat.  Über  sie  werden  wir  freilich  bei  den  Funden  D,  E 
und  F  im  Ungewissen  gelassen.  Zwei  andere  genügen  aber,  um  jeden 
Zweifel  zu  beseitigen.  Nach  Schliemann  wurde  Schatz  C  in  einer  Ge- 
sichtsvase (Bios  S.  385  Fig.  23*2)  gefunden.  In  der  Schliemann-Sammlung 
ist  sie  allerdings  nicht  vorhanden,  die  Abbildung  gestattet  aber  dem  Be- 
arbeiter der  troischen  Keramik  mit  Sicherheit  folgendes  zu  sagen:  die 
Technik  (Handarbeit)  und  die  noch  naturalistische  Formengebung  sprechen 
für  die  vormykenische  Entwicklung  der  troischen  Töpferei.  Man  vergleiche 
selbst    aus    der    dritten    Periode    der    vormykenischen    Technik    die    ent- 


Fior.  1. 


Fier. 


wickelten  Formen  der  Gesichtsvase  (Kat.  Nr.  1830ff.  und  bei  Dörpfeld, 
Troja  und  Ilion  S.  257  f.)  und  man  wird  kein  Bedenken  tragen,  die  frag- 
liche Gesichtsvase  für  bedeutend  älter  zu  halten.  Ebenfalls  aus  technischen 
Gründen  gehört  zu  den  älteren  Gruppen  der  vormykenischen  Keramik  die 
Deckelbüchse  (Kat.  Nr.  824,  825),  in  der  die  Fayence-  und  Goldperlen 
des  Fundes  M  enthalten  waren  (vgl.  Götze  a.  a.  O.  S.  340). 

In  beiden  Gefässen  also  finden  wir  Schmucksachen,  die  mit  dem 
sonstigen  Inventar  der  Scliatzfunde  zusammengehen. 

Wir  müssen  die  Goldsachen  aller  trojanischen  Schatzfunde  nach  Form 
und  Technik  zusammenfassen;  dann  läset  sich  die  Trennung  des  Fundes  H 
rechtfertigen  und  die  vermeintliche,  „tiefgreifende  Verwandtschaft"  der 
trojanischen  und  mykenischen  Funde  fällt  in   nichts  zusammen. 

Das  wird  auch  augenscheinlich  werden,  wenn  wir  einmal  die  fraglichen 
Parallelen  mit  einander  vergleichen. 

Der  trojanische  Schieber  (Fig.  1)  besteht  aus  2  Golddrähten,  die 
in  der  Mitte  breit  gehämmert  und  so  beiderseits  mit  2  Lappen  versehen 
sind;  diese  Lappen  sind  röhrenförmig  zusammengebogen  und  gegenständig 
ineinander  geschoben  und  so  wahrscheinlich  noch  zusammengelötet;  die 
freien  4  Enden  des  Drahtes  werden   spiralartig    zusammengerollt,    so  dass 


I)  Zeitschr.  f.  Et.hnol.  L809,  Verhandl.  8.320. 


—    «II    — 

auf  «Ion  beiden  Seiten  des  röhren  artigen  Mittelgliedes  je  ein  Paar  Spiralen 

zusammengestellt  ist. 

Ganz    anders    die    mykenischen   Schmuckstücke.     Wir   können  drei 

verschiedene  Typen  oder  Variationen  unterscheiden.  Gemeinsam  ist  ihnen 
die  Bildung  des  Mittelgliedes:  Em  Gegensatze  zur  trojanischen  Art  besteh! 
hier  das  Mittelglied  aus  einer  einzelnen  Röhre,  die  aus  Goldblech  ge- 
hämmert und  vermutlich  in  der  Längsrichtung  verlötet  ist.1)  Verschieden 
dagegen  ist  die  Spiralbildung.  Am  nächsten  der  trojanischen  Arr  kommt 
sie  bei  der  Variation  a  (Fig.  2):  für  jedes  Paar  von  Spiralen  wird  ein 
(Jolddraht  verwendet;  dieser  ist  in  der  Mitte  breitgeschlagen  und  durch- 
locht;  mit  diesem  Loch  wird  der  Draht  an  jedem  Ende  auf  die  Röhre 
aufgestülpt  und  verlötet;  die  Drahtenden  werden  nach  der  Innenseite 
spiralig  zusammengerollt  und  ebenfalls  an  der  Röhre  angelötet.  Im  Gegen- 
satze zu  den  trojanischen  Typen  sind  also  hier  die  auf  einer  Längsseite 
der  mittleren  Röhre  befindlichen  Spiralen  nicht  demselben,  sondern  ver- 
schiedenen Drähten   an<>ehöriu. 


I'iir. 


Fig.    I. 


Letzteres  ist  wiederum  anders  bei  der  Variation  b  (Fig.  3):  hier  ist 
"beiderseits  an  der  mittleren  Röhre  in  ihrer  Längsrichtung  ein  Golddraht 
aufgelötet,  während  die  vier  freien  Enden  nach  innen  spiralig  eingeroll- 
sind, so  dass  also  hier,  der  trojanischen  Art  entsprechend,  jedes  Paar  der 
Spiralen  demselben  Draht  angehört.  Entwickelter  ist  die  Spiralbildung 
bei  der  Variation  c  (Fig.  4):  hier  befinden  sich  zu  beiden  Seiten  der 
Mittelröhre  je  3  Spiralwindungen,  die  aus  einem  und  demselben  Drahte 
bestehen;  in  der  mittleren  Windung  läuft  also  der  Draht  doppelt,  d.  h.  er 
ist  eine  fortlaufende  Spirale.  Sie  entsteht  dadurch,  dass  ein  Golddraht 
in  der  Mitte  umgebogen  und  mit  den  beiden  Hälften  zusammengelegt 
wird;  an  der  ümbiegung  wird  nun  dieser  doppelte  Draht  in  7s  Länge 
spiralig  zusammengerollt,  dann  werden  die  beiden  freien  Teile  aufeinander 
genommen  und  jedes  Ende  für  sich  nach  rechts  bezw.  links  spiralig  ein- 
gerollt: die  so  entstandene  fortlaufende  Spirale  wird  an  drei  Stellen  mit 
der  Röhre  verlötet. 

Von  der  Variation  a    befinden   sich  in    \then  3  grössere  (Nr.  56)  und 


1)  Letztere  Einzelheit  konnte  ich  durch  Autopsie  nicht  feststellen,  da  mir  bei  meiner 
letzten  Anwesenheit  in  Athen  (1902)  die  Poltschränke  der  Schliemann-Samrolung  nicht 
geöffnet  werden  konnten.  Doch  verdanke  ich  einer  freundlichen  Mitteilung  von  Tsuntas 
die  Bestätigung,  dass  die  mittleren  Röhrchen  der  Ijftngsrichtnng  nach  lusammen- 
gelötet  sind. 


—    612     — 

3  kleinere  (Nr.  57)  Exemplare;  die  Variation  b  ist  in  2  Exemplaren  (Nr.  58), 
die  Variation  c  in  3  Exemplaren  (Nr.  59)  vertreten.  Die  oben  eingefügten 
Abbildungen  sind  nach  Schliemanns  Mykenä  hergestellt. 

Von  einer  tiefgreifenden  Verwandtschaft  der  trojanischen  und  der 
mykenischen  Goldfunde  kann  also  wenigstens  bei  den  Schiebern  nicht  die 
Rede  sein.  Die  Technik  der  mykenischen  Exemplare  ist  gewiss  als  kom- 
plizierter zu  betrachten;  und  was  die  Form,  also  den  Stil  anlangt,  so 
deutet  die  vielseitige  und  reichere  Verwendung  der  Spiraldrähte,  im  be- 
sonderen die  fortlaufende  Spirale,  auf  eine  jüngere  Entwicklung.  Wir 
haben  uns  also  die  technischen  und  formellen  Unterschiede  der  beiden 
Fundgruppen  aus  dem  Altersunterschiede  zu  erklären. 

Was  zweitens  die  erwähnten  Verzierungen  in  Form  von  Doppelspiralen 
aus  Golddraht  anlangt,  so  fällt  der  von  Schliemann  angestellte  Vergleich 
von  trojanischen  und  mykenischen  Formen  ganz  weg.    Denn  die  von  ihm  er- 
wähnten Parallelen  aus  dem  III.  mykenischen  Schachtgrabe 
Fi- 5-  („Mykenä"    S.  226    Nr.  295,  296)    sind    nicht    dekoratives 

Beiwerk,  wie  die  aufgelöteten  Doppelspiralen,  sondern 
einzelne  Schmuckgegenstände,  über  deren  Bedeutung 
weiter  unten  gehandelt  werden  soll.  Man  vergleiche  Fig.  5, 
Teilzeichnuno-  vom  Armband,  mit  den  unten  folgenden 
Figuren  7  und  8. 

Allerdings  hat  sich  die  Doppelspirale  als  dekoratives  Motiv  bis  in 
die  spätere  niykenische  Epoche  erhalten.  Wir  finden  es  auf  goldenen 
Schmuckblechen  in  den  Gräbern  von  Enkomi  auf  Cypern  (Murray, 
Smith,  Walters,  Excavations  in  Cyprus  1900,  pl.  VI  523,  525;  XI  191, 
195;  XII  375,  462).  Doch  bestehen  die  Spiralen  hier  nicht  aus  besonderen, 
aufgelöteten  Golddrähten,  wie  in  Troja,  sondern  sind  eingepresst  oder  ge- 
stempelt. Also  wiederum  stossen  wir  bei  allen  formellen  Berührungen  in 
technischer  Hinsicht  auf  einen  Unterschied  zwischen  mykenischen  und 
trojanischen  Goldschmiedearbeiten. 

Um  den  Grad  solcher  Verschiedenheiten  richtig  zu  beurteilen,  werden 
wir  uns  eine  Vorstellung  von  dem  Zeitunterschiede  der  mykenischen 
Schachtgräber  und  der  IL  Ansiedelung  von  Troja  machen  müssen. 

Die  Schachtgräber  von  Mykene  gehören  in  das  Ende  der  frühniykenischcn 
Epoche.  Für  ihr  höheres  Alter  spricht  das  Vorwiegen  der  darin  gefundenen 
Vasen  und  Yasenscherben  mit  Mattmalerei. 

Einen  terminus  post  quem  ergeben  die  Vasenscherben  in  der  Art  der 
Kamaresware  oder  mit  Firnismalerei  des  sogen.  1.  Stils,  für  die  man 
nach  den  Funden  von  Kahun  jetzt  das  XIX.  Jahrhundert  v.  Chr.  an- 
setzen darf. ') 


1)  Unter  den  bei  Furtwängler-Löschcke,    Mykonische  Tongel'ässc,   aufgezählten 
56  Nummern  vcrtcili-n  sicli  die  verschiedenen  Vasrn^attiiii^rn    i'olgendermassen:    Firnis- 
malerei,  3.  Stil:  Tf.  III.  8-12;  IV,  14:  V,  29;  VII,   12;  XI,  55,  56.  -  2.  Stil:  Tf.  II. 
-   1.  Stil:    Tf.  VI,    30-35;    VII,     II  im    ganzen    18  Stück.     Das    übrige    gehört    der 

Mattmalerei  an,    also  38  Stück.     Fragmente    des   1.  Stils    fehlen    innerhalb    der  Gräber 
selbst;  die  des  ">.  Stils  haben  einen  etwas  älteren  Charakter  als  die  in  dein  Schutte  ober- 


—    613    — 

Einen  zweiten  Vergleich  mit  ägyptischen  Funden  ermöglichen  die 
eingelegten  Dolche  aus  den  mykenischen  Schachtgräbern;  ihre  ägyptischen 
Analogiestücke  Btammen  aus  dein  Grabe  der  Aahotep,  das  nach  U.  Schäfer 
dem  X\'l.  Jahrhundert  v.  Chr.  zuzuweisen  ist.  Wir  werden  also  für  die 
Schachtgräber  das  XVIII. — XVI.  Jahrhundert  v.  Chr.  als  Spielraum  an- 
nehmen  können.1) 

Mit  den  trojanischen  Schatzfunden  aber  kommen  wir  Bicher  in  die 
vormykenische  Entwicklung,  «I.  h.  mindestens  in  den  Anfang  des  2.  Jahr- 
tausends v.  Chr.  Bestimmte  Parallelen  fehlen  noch  für  eine  genauere 
Datierung  der  II.  Ansiedelung  von  Troja.  Ihre  Entwicklung  läuft  aber 
der  ägäischen  Inselkultur  parallel,  wie  Marmoridole,  Bronzedolche,  Ton- 
gefässe  u.  a.   beweisen. 

In  derselben  Weise  also,  wie  diese  sich  von  der  mykenischen  Kultur 
unterscheidet,  haben  wir  uns  den  chronologischen  Abstand  der  goldenen 
Schieber  aus  Troja  von  den  mykenischen  zu  denken.  Wenn  wir  dafür 
einen  Zeitraum  von  ca.  300 — 400  Jahren  einsetzen,  werden  wir  wohl  an- 
nähernd richtig  die  Kluft  begrenzen,  die  die  beiden  Fundgruppen  Klein- 
asiens und  Griechenlands  trennt. 

Diese  formellen  und  zeitlichen  Unterschiede  zwischen  trojanischem 
und  mykenischem  ßoldschmuck  festzustellen,  ist  deswegen  von  Wichtigkeit 
und  ein  dringendes  Bedürfnis,  weil  Much  a.  a.  0.  S.  117f.  die  idolförmigen 
Anhängsel  aus  Goldblech,  die  bei  dem  Stirn-  und  Ohrschmuck  der 
trojanischen  Frauen  .Mode  sind,  sogar  mit  den  Klapperblechen  der  Hall- 
stattkultur vergleicht  und  schliesslich  „aus  inneren  und  äusseren  Gründen" 
annimmt,  dass  „auch  der  berühmte  Goldschmuck  von  Troja  durch  seine 
Anhängsel  in  die  Zeit  verwiesen  werde,  der  diese  angehören." 

Ich  glaube  also,  dass  Much  mit  seinem  Zweifel  zu  weit  gegangen 
ist.  Ist  wirklich  der  Vergleich  mit  Formen  der  Hallstattkultur  berechtigt, 
dann  haben  wir  eben  nach  „inneren"  Gründen  zu  forschen,  um  die 
„Ähnlichkeit"  des  Jüngeren  mit  dem  Älteren  zu  erklären.  Vielleicht  be- 
ruht sie  dann  auf  dem  „prähistorischen"  Geschmack,  über  den  die  Träger 


halb  der  Gräber  gefundenen  Scherben  desselben  Stils,  an  die  sich  auch  die  des  1.  Stils 
angliedern;  vgl.  Furtwüngler-Löschke,  Myken.  Vasen  S.  51. 

Die  schwarz-weiss-rote  Gattung  aus  der  Höhle  bei  Kamares  auf  Kreta  s.  bei 
J.  L.  Myres,  Proceedings  of  Soc.  of  Antiquaries.  2.  Ser.  XV,  351,  pl.  1—4.  Mariani, 
Aut.  Monum.  dei  Lincei  VI  Tf.  9—11,  p.  ;!:S:l.  Dieselbe  Gattung  in  Kabun  aus  der 
XII.  Dynastie  bei  Fliuders  Petrie,  Journal  of  Hell.  Stud.  1890  pl.  XIV,  5-10:  Kahun, 
Gurob  and  Hawara  pl.  27  j  Illahun,  Kahun  and  Gurob  pl.  I.  In  Knossos  auf  Kreta  findet 
sie  sich  unterhalb  der  mykenischen  Palastschicht:  im  Hügel  von  Kephala  unmittelbar  über 
der  neolitliiscben  Schiebt.  Diese  kretischen  Fände  ausführlich  behandelt  von  Hogarth 
uud  Welch,  Jourii.  of  IL 11.  Stud.  XXI.     1901  S.  78ff.,  vgl.  unten  mehr. 

Zur  Chronologie  der  XII.  Dynastie  L.  Burchardt,  Zeitschr.  f.  äg.  Sprache 
1899  S.89ff.,  wonach  das  7.  Jahr  der  Regierung  dos  Königs  Dsertesen  III  in  die  Jahre 
1876— IST:)  v.  Chr.  fallen  muss. 

1)  Furtwängler  und  Löschcke  (Myken.  Tongef.  S.  XIII)  nahmen  für  die  Schacht- 
gräber das  XV.  .-der  XIV.  Jahrhundert  an.  Furtwängler  Antike  Gemmen  III  S.  26) 
setzt  sie  gleichzeitig  mit  dem  Knde  der  Ägyptischen  Byksosseit  und  dem  Anfange  des 
neuen  Reiches,  die  Blütezeit  der  mykenischen  Kunst  und  Kultur  in  die  XVIII.  Dynastie 
(ca.   L600— 1  WO  v.  Chr.  Geh.  . 


—     614 


zweier  zeitlich  weit  auseinander  liegenden  Kulturen  sich  zu  erheben  nicht 
imstande  waren  —  im  Gegensatz  zu  den  Trägern  der  eigentlich  mykenischen 
Kultur,  die  uns  immer  deutlicher  als  die  geistig  verwandten  Vorgänger 
der  Griechen  erscheinen  müssen. 

Wie  erklärt  sich  nun  aber  ihre  Verbindung,  der  offenbare  typologische 
Zusammenhang  der  älteren  uud  jüngeren  Formen? 

Die  Möglichkeit,  eine  direkte  Verbindungslinie  zwischen  Troja  und 
Mykene  zu  ziehen,  ist  ausgeschlossen.  Nichts  deutet  darauf  hin,  dass  in 
Troja  oder  sonst  ihm  nahe  stehenden  Gebieten  Kleinasiens  eine  weitere  Ent- 
wicklung der  trojanischen  Goldschmuckformen  stattgefunden  hätte.  In 
anderen  Gebieten  ist  sie  also  vorauszusetzen,  vielleicht  auf  dem  griechischen 
Festlande  oder  den  ägäischen  Inseln,  vielleicht  aber  auch  in  nördlichen 
Kulturkreisen.  Mit  Vermutungen  käme  man  weiter,  wenn  die  Quelle,  aus 
der  die  trojanischen  Goldschmuckformen  abzuleiten  sind,  bekannt  wäre. 

Mit  dem  ausgebildeten  Geschmack  und  dem  erhöhten  technischen 
Können  der  mykenischen  Blütezeit  ist  die  ganze  Entwicklung  der  älteren 
Goldarbeiten  jedenfalls  in  keinem  Einklänge.  Vielmehr  stehen  die  be- 
handelten Schieber  aus  den  mykenischen  Schachtgräbern  in  einem  offen- 
kundigen Gegensatze  zu  der  grossen  Masse  des  übrigen  Goldschmucks 
gleicher  Herkunft  und  zeigen  in  Technik  und  Form  einen  altertümlichen 
Charakter. 

Dieser  Gegensatz  wird  deutlicher  durch  einen  Vergleich  der  troja- 
nischen Goldschmiedekunst  mit  der  mykenischen.  Die  trojanische  ver- 
arbeitet den  einfachen  Golddraht  zu  Einzelformen  und  verwendet  ihn 
neben  den  Goldkügelchen  ebenso,  wie  diese  zur  Reliefverzierung  durch 
Auflöten  auf  die  Goldplatte.  Die  mykenische  Technik  beruht  auf  dem 
Vorwiegen  der  Press-  und  Treibearbeit,  wodurch  eine  reichere  und  freiere 
Dekoration  der  Goldplatte  oder  des  dünneren  Goldblechs  ermöglicht  wird. 
Die  Treibetechnik  beschränkt  sich  in  Troja,  soweit  es  sich  um  die  Zier- 
kunst handelt,  auf  die  Buckelmanier  und  kommt 
in  ganz  untergeordnetem  Masse,  ohne  einen  auf- 
fallenden Effekt  zu  erzielen,  zur  Anwendung. 

Um  so  mehr  muss  es  auffallen,  dass  das- 
selbe 3.  Schachtgrab  von  Mykene  noch  andere, 
goldene  Schmuck  formen  von  einfacherem,  dem 
trojanischen  sich  annäherndem  Geschmacke  auf- 
weist. Es  sind  2  Typen  hier  zu  behandeln: 
Armspiralen  und  Ilängespiralen. 

1.  Armspirale  aus  Golddraht  (Fig.  6,  nach 
einer    flüchtigen     Skizze).       Das     besterhaltene 
Exemplar  ist  Nr.  65  in  der  Schliemann-Sammlung 
zu  Athen.     Seine   Herstellung    ist  sehr   einfach. 
Ein  Golddraht  ist  umgebogen  und  doppelt  etwa 
in  einer  Windung  spiralartig  gewunden;  dann  läuft 
nur  der  untere  Draht  in  gleicher  Weise  weiter,  der  obere  wird  abgehoben  und 
in   der   Weise  abwechselnd  rückwärts    und    vorwärts    geführt,    dass  8  fort- 
laufende Spiralen  den  Lauf  des  unteren  Drahtes  begleiten;  bei  der  letzten 


Fig.  G. 


—     615    — 

Spirale  wird  das  Ende  des  oberen  Drahtes  mit  dem  freien  Ende  des 
unteren  zusammengelötet,  ebenso  wie  jede  Spirale  für  sich  durch  Lötung 
mit  dem  unteren  Draht  vereinigt  ist.  Bruchstücke  von  ähnlichen  Schmuck- 
stücken liegen  unter  Nr.  68,  64,  66  in  demselben  Pultschrank  aus;  bei 
Nr.  63  und  64  ist  auf  den  Spiralen  noch  ein  besonderer  Draht  mit  spiralig 
aufgerollten  Enden  aufgelötet. 

Die  Technik  dieser  Annspiralen  geht  vortrefflich  zusammen  mit  der 
Technik  der  oben  behandelten  Schieber  desselben  (Jrabes,  im  besonderen 
entsprechen  die  acht  fortlaufenden  Spiralen  des  Armschmuckes  der 
Variation  c  der  Schieber  mit  den  drei,  beiderseits  aufgesetzten  Draht- 
spiralen. 

Bei  Schliemann,  Mykenä  (S.  226  Nr.  300),  ist  nur  ein  Bruchstück 
abgebildet. 

2.  Hängespiralen  aus  Gold  sind  in  2  Typen  bei  Schliemann. 
Mykenä  S.  226  Nr.  295,  296  abgebildet1)  (vgl.  Schliemann-Sainmlung  Athen 


Fi-.  7. 


Fi-.  8. 


Nr.  53  und  54).  Beide  sind  in  2  Exemplaren  vorhanden.  Es  sind  die- 
selben, die  Schliemann  irrtümlich  mit  den  oben  erwähnten,  ornamentalen 
Doppelspiralen  zusammengestellt  hatte.  Fig.  7  und  8,  nach  Schliemann. 
Diese  Hängespiralen  haben  etwa  die  Grundform  eines  breiten  Ovals, 
das  oben  mit  einer  ösenartigen  Ausbiegung  versehen  ist,  und  dessen  freie 
Enden  nach  innen  spiralartig  eingerollt  sind.  Die  eine  Nr.  54  besteht 
aus  einem  vierkantigen,  im  Querschnitt  rhombenförmigen,  dicken  Gold- 
draht; die  Endspiralen  sind  unten  nebeneinander  gestellt;  das  Ganze  scheint 
durch  Zufall  oder  absichtlich  etwas  auseinander  gezogen  zu  sein.  Beim 
anderen  Typus  (Nr.  53)   ist    der    Draht    dreikantig,    im    Querschnitt    etwa 


1)  Auch  bei  K.  Hadaczek,  Der  Ohrschmuck  der  Griechen  und  Etrusker  (Abhandl. 
d.  arch.  epigr.  Sem.  d.  Univ.  Wien  1903)  S.  7  Fig.  8  abgebildet.  Die  beiden  anderen, 
nach  Schliemann  (Mykenä)  erwähnten  „Ohrgehänge"  haben  mit  unseren  Hängespiralen 
nichts  zu  tun.  Wenn  H.  S.  13  Anin.  1  in  den  mykenischen  Typen  die  Vorstufen  für  seine 
„melischen"  Anhängsel  (Fig.  IG— 18)  sieht,  so  kanu  ich  nicht  beistimmen.  Wenn  er  sie 
aber  als  Verwandte  der  nach  aussen  gerollten  Doppelspirale,  die  als  ornamentales  Motiv 
schon  in  Troja  vorkommt,  betrachtet,  so  ist  das  gewiss  unrichtig.  Denn  in  der  Windung 
der  Spiralen  nach  aussen  oder  innen  ist  ein  Unterschied  gegeben,  der  beide  Formen 
generell  trennt  und  nicht  verwandtschaftlich  verbindet.  Den  Fehler  machte  schon 
Schliemann. 


—     616    — 

giebeldachförmig,  unten  flach  und  breit 1),  während  oben  ein  Mittelgrat 
läuft;  die  freien  Enden  sind  um  eine  halbe  Windung  weiter  nach  oben 
geführt,  so  dass  die  Endspiralen  oben  nebeneinander  zu  stehen  kommen 
und  zwar  so,  dass  die  vom  linken  Draht  die  rechte,  die  vom  rechten 
Draht  die  linke  Seite  einnimmt;  der  ganze  untere  Bogen  verbreitert 
sich  und  bietet  Baum  für  eine  Verzierung;  diese  besteht  aus  Halb- 
kreisen, die  zu  beiden  Seiten  des  Mittelgrats  mit  nach  aussen  geöffnetem 
Bogen  nebeneinander  gereiht  sind,  vermutlich  mit  Hilfe  eines  Zirkels  ge- 
zogen, da  überall  der  Zentralpunkt  sichtbar  ist  und  die  Wirkung  der 
Dekoration  erhöht. 

In  Athen  befinden  sich  unter  Nr.  55  noch  zwei  weitere  Exemplare 
aus  demselben  Schachtgrabe;  sie  bringen  jedoch  nichts  Neues;  sie  sind 
nicht  verziert  und  ihre  Endspiralen  sind  nicht  so  weit  nach  oben  geführt, 
wie  bei  den  vorigen.  Möglicherweise  haben  wir  uns  auch  bei  Nr.  54  die 
Endspiralen  gegenständig  weiter  oben  zu  denken. 

Wo  sind  nun  diese  Schmuckformen  unterzubringen,  wenn  sie  aus 
dem  Bahmen  der  mykenischen  Entwicklung  herausfallen? 

Die  Armspiralen  lassen  sich  an  die  allgemein-europäischen  Spiralen 
aus  Gold  und  Bronze  angliedern.  Das  Prinzip  der  Drahtrückbiegung 
haben  sie  mit  den  Spiralen  mit  Bückbiegung  und  den  sogen.  Noppen- 
ringen gemeinsam,  die  nach  dem  Vorgange  von  0.  Tischler  durch  01s- 
hausen  (Zeitschr.  f.  Ethnol.  1886,  XVIII.  Verhdl.  S.  471  ff.)  eine  überaus 
gründliche  und  exakte  Untersuchung  erfahren  haben.  Allerdings  hat  bei 
den  mykenischen  Typen  die  Bückbiegung  des  Drahtes  eine  besondere 
Bedeutung,  insofern  sie  zur  eigenartigen  Anordnung  von  fortlaufenden 
Spiralen  führt.  Bei  den  nordischen  Typen  kommen  diese  nicht  vor.  Ob 
wir  es  hier  mit  einer  mykenischen  Eigentümlichkeit  zu  tun  haben,  lässt 
sich  noch  nicht  sagen. 

Bestimmter  kann  der  Zusammenhang  mit  dem  Norden  bei  den  Hänge- 
spiralen erwiesen  werden.  Sie  gehören  zu  analogen  Formenreihen,  die 
für  das  ungarische  Fundgebiet  charakteristisch  sind.  Hier  haben  diese 
Formen  ihre  Entwicklung  erlebt,  hier  werden  wir  also  auch  ihren  Ursprung 
zu  suchen  haben.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  auf  grund  des  häufigen 
Vorkommens  dieser  Hängeschmucksachen  Siebenbürgen  als  ihr  Fabri- 
kationszentrum zu  betrachten.  Soweit  sie  mir  in  Ungarn  bekannt  ge- 
worden sind,  ist  das  Material,  aus  dem  sie  verfertigt  worden  sind,  durch- 
weg Gold,  und  gerade  Siebenbürgen  ist  reich  an  Goldfunden  aus  älterer 
Zeit  und  gewiss  eine  der  bedeutendsten  Bezugsquellen  für  dieses  Edel- 
metall gewesen.  Über  das  sonstige  Vorkommen  der  Hängespiralen  weiter 
unten. 


1)  Einer  freundlichen  Mitteilung  vom  Tsuntaa  verdanke  ich  die  Angabe:  „Der 
Durchschnitt  der  Hängespiralen  Nr.  53  ist  ungefähr  dreieckig;  von  den  2  Schenkeln  des 
Dreiecks  Lai  der  äussere  mehr  konvex,  der  innere  konkav.  Die  Basis,  d.h.  die  Unterseite 
des  Drahtet  isl  nicht  ganz  gerade,  sondern  bildet  einen  kaum  merklichen  Rücken 
in  der  liitte;  dadurch  nähert  sich  dies  Spiralenpaar  dem  unter  .">  I  und  55,  deren  Durch- 
schnitt rhomboidal  ist."  Vor  dem  geschlossenen  Pultschrank  war  es  mir  nicht  möglich,. 
die   1,'nter.vite  des  Drahtes  zu  untersuchen. 


—     617     — 

Zwei  Grundformen  lassen  sich  im  allgemeine!]  unterscheiden:  eine 
breit-ovale  (A)  und  eine  Länglich-ovale  (B).  Jede  von  ihnen  tritt  in  mehr- 
fache!] Variationen  auf.  Das  Gemeinsame  und  zugleich  Wesentliche  besteht 
Ihm  diesen  Typenreihen  in  einer  mehr  oder  weniger  starken  Ver- 
breiterung oder  Verdickung  der  unteren  Enden;  durch  diese  Eigen- 
schaft ist  ihre  Bedeutung  als  Hängezierrat  gesichert.1)  Der  Gold draht  hat 
entweder  einen  runden  oder  einen  dreikantigen  Querschnitt;  einzelne 
Typen  haben  eine  blattförmige  Verbreiterung  des  Drahtes.  Vermutlich 
hängen  diese  Verschiedenheiten  von  der  Technik  ab;  denn  man  kann  ge- 
gossene, bezw.  gewalzte  und  gehämmerte  Stücke  unterscheiden.  Die 
Hammertechnik  führt  weiter  zu  den  Sondertypen  mit  hohler  Innen- 
seite. 

Zur  Grundform   A  gehören  folgende   Variationen: 
a)  Der  nach  unten  hin  verdickte  Draht  wird  in  der  Mitte  nach  oben 
geführt;  die  Enden  verjüngen  sich  wieder  und  werden  in  kleinen 
Spiralen  nach  innen  zusammengerollt;    der  Querschnitt   ist  rund.') 
Fig.  9  (oberes  Exemplar),  nach  Photographie. 


Fisr.  9. 


Fiff.  in. 


Pur.  11 


b)  Der  Draht  ist  unten  am  stärksten  angeschwollen,  in  der  Mitte  nur 
ganz  wenig  gehoben  und  endigt  in  einer  hakenförmigen  Spitze; 
der  Querschnitt  ist  dreieckig,  die  Innenseite  ein  wenig  vertieft, 
so  dass  die  inneren  Ränder  sich  scharf  abheben,  während  die 
Aussenseiten  etwas  konvex  sind.  Als  Beispiele  dienen  die  beiden 
angehängten  Exemplare  von  der  vorigen  Abbildung,  Fig.  '•>. 

c)  Neben    diesen    Typen    mit    weiter    Öffnung    kommen    gedrungene 


1)  Diese  charakteristischen  Eigenschaften  sind  bereits  von  Olshausen,  der  sie  bei 
den  Spiral-  und  Noppenringen  a.  a.  0.  kurz  behandelt,  richtig  erkannt  und  hervorgehoben 
worden. 

2)  Fig.  9.  Die  drei  ineinander  gefügten  Exemplare  befinden  sieh  im  Universitats- 
Museum  von  Kolozsvär  (Klausenburg)  und  stammen  aus  Yärtalva.  Variation  a  ist  wahr- 
scheinlich gegossen  und  gewalzt,  während  die  beiden  anhängenden  Exemplare  der 
Variation  b  gehämmert  sind.  Abg.  Hampel,  A  Bronzkor  Emlekei  Magyarhonbaii  I 
Tf.  47,  7:  ähnlich  mit  Verzierungen  ebenda  III  S.  228  Fiur.  32.  Unsere  Textabbildung  ist 
nach  einer  Photographie  angefertigt  Die  kettenartige  Verbindung  mehrerer  Exemplare 
ist  wahrscheinlich  sekundär. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahn,'.  190-1.    Heft  5.  40 


—    618     — 

Formen    mit    sehr    enger  Öffnung    und    auffallend    starkem,    drei- 
kantigem Draht  vor.1)    Fig.  10,  nach  Photographie. 

d)  Em«  besondere  Abart  bilden  die  weit  auseinander  gezogenen,  etwa 
mondsichelformigen  Typen  mit  rundem  oder  kantigem  Querschnitt; 
die  weit  auseinander  stehenden  Enden  verjüngen  sich  plötzlich 
sehr  stark  und  werden  hakenartig  nach  oben  gebogen.")  Fig.  11, 
nach  Photographie. 

Die  Grundform  B  ist  in  folgenden   Variationen  vertreten: 

a)  Die  einfachste  Form  besteht  in  einem  offenen,  länglich-ovalen 
Ringe,  dessen  stark  verdickte  Enden  übereinander  greifen  und 
hakenartig  nach  oben  genommen  sind.3)  Fig.  12,  nach  einer 
photographisehen  Aufnahme  des  Hrn.  Professor  Cserni  in  Karls- 
burg. 

ß)  Der  zweiten  Abart  liegt  dieselbe  Form  zugrunde,  jedoch  wird  das 
eine  Ende  zurückgebogen  und  nach  der  entgegengesetzten  Seite 
geführt;  so  bekommen  die  beiden  Seiten  ein  ungleiches  Aussehen; 


Für    !-_>. 


Fig.  13  a. 


Fiar.  13  b. 


dasselbe  Prinzip  der  Rückbiegung  ist  den  Noppenringen  eigen- 
tümlich. (Hängespirale  mit  einfacher  Rückbiegung.4)  Fig.  13  a,  b, 
nach  Photographie. 


1)  Fig.  10.  Das  abgebildete  Exemplar  befindet  sieb  im  National-Museum  zu  Buda- 
pest. Im  Universitäts-Museum  zu  Kolozsvär  (Klausenburg)  habe  ich  mir  von  derselben 
Form  notiert:  luv.  Nr.  1*71  7238,  70CrJ  (aus  Väsavolt)  und  7237  mit  mehr  auseinander 
gezogenen  Enden,  1S70  (aus  Belsö,  Kom.  Szolnok)  wahrscheinlich  gegossen.  Auch  im 
Museum  zu  Versecz  ist  diese  Variation  in  4  Exemplaren  vertreten.  Bemerkenswert  sind 
in  Budapest  einige  ornamentierte:  eingeschlagene,  kleine  Kreise  in  Beihen  (vgl.  Hampel 
a.a.O.  III  8.228  Fig.  32);  einige  von  ihnen  sind  so  gegliedert,  dass  sie  unten  im  ver- 
dickten Teile  in  zwei  Gliedern  verlaufen;  doch  sind  diese  nicht  zusammengelötet,  sondern 
bestehen  aus  einem  einzigen,  massiven  Stück  Gold. 

2  Das  abgebildete  Exemplar  im  Universitäts-Museum  zu  Kolozsvar  Klausenburg). 
Derselbe  Typus  ist  dort  mehrfach  vertreten.  Vgl.  Hampel  a.  a.  0.  I  Tf.  48,  4;  III  S.  254 
Fig.  :J4  (verziert). 

3)  Nach  freundlicher  Angabe  des  Hrn.  Cserni  aus  dem  l  nterweissenburger  Komitate; 
im  Karlsburger  Museum.  Ein  ähnliches  in  Klausenburg  Nr  1910.  Der  Querschnitt  ist 
rund,  also  wahrscheinlich  gegossen  und  gewalzt.  In  Budapest  ein  Exemplar  aus  Szihalom, 
eine  ganze  Kette  solcher  Typen  bei  Fr.  Pulszky,  Magyarorszäg  Archaeologiaja  Tf.  73. 
Im  naturhistorischen  Iloi'museum  in  Wien  notierte  ich  mir  5  Exemplare  desselben  Typus 
mit  der  Provenienzangabe  „Siebenbürgen". 

I)  Die  beiden  abgebildeten  Pendants  im  National-Museum  zu  Budapest:  im  ganzen 
zählte  ich  dort  5  Exemplare,  teils  mit  rundem,  teils  mit  kantigem  Querschnitt.  Ebenso 
5  Exemplare  notierte  ich  im  naturhistorischen  Hofmuseum  zu  Wien  „aus  Siebenbürgen": 
bei  einem  derselben  ist  das  zurückgebogene  Ende  Bpiralig  zusammengerollt.  Ein  Exemplar 
besitzt  das  städtische  Museum  zu  Oedenburg.    Vgl.    auch  Hampel  a.  a.  0.    I   Tf.  18,  5. 


<;ü)    — 


y)  Eine  dritte  Variation  entsteh!  dadurch,  dass  beide  Enden  zurück- 
gebogen worden  und  so  die  Symmetrie  wieder  hergestellt  ist 
(Hängespirale  mit  doppelter  Rückbiegung).  Aus  Ungarn  ist  mir 
allerdings  diese  Variation  nicht  bekannt;  i « - 1 1  komme  weiter  unten 
darauf  zurück.     Vgl.  Fig.  20. 

d  Ktwas  abweichend  von  dein  bisher  heult  lichteten  Bildungsprinzip 
ist  eine  vierte  Variation.  Wie  bei  den  Spiralringen  wird  der 
Draht  in  der  Mitte  umgebogen  und  läuft  doppelt  in  1 '/2  Windungen 
von  innen  nach  aussen;  der  verhältnismässig  dünne  Draht  er- 
weitert sich  in  den  unteren  Teilen  der  Windungen  blattartig 
und  hat  hier  eine  Mittelrippe.  Die  Enden  werden  auf  einer  und 
derselben  Seite  nach  oben  geführt,  bandartig  breit  gehämmert 
und  in  Spiralen  nach  aussen  eingerollt.1)  Fig.  14a.  b,  nach  Photo- 
graphie. 

e)  Während  bei  <3  I  parallele  Bänder  im  unteren  Teile  nebeneinander 
laufen,  dagegen  nur  2  Windungen  im  oberen  Teile  dem  Zwecke 
des  Aufhängens  dienen,  findet  sich  eine  fünfte  Variation  mit  drei 
unteren,  verdickten  und  zwei  oberen,  dünneren  Windungen.2) 
Fig.  15,  nach  Photographie. 

Fig.  1  La.  Fig.  16. 


Fig.  IIb. 


Schon  oben  ist  erwähnt,  dass  die  Hammertechnik  zu  Sondertypen 
mit   hohler   1  n  neu  seite  C.  führt. 

Sie  schliesseu  sich  an  die  Variationen  b  und  c  an:  die  Abbildung 
zeigt  eine  ganze  Reihe  von  sechs  ineinandergeketteten  Exemplaren;  das 
unterste  ist  verhältnismässig  gross  und  verziert  mit  Punktreihen  und 
kleinen  nebeneinander  gesetzten  Halbkreisen.8)  Fig.  16,  nach  Photo- 
graphie. 

1  Die  abgebildeten  Pendants  im  National-Museum  zu  Budapest  Ebendaist  dieselbe 
Variation  in  grossen  reich  verzierten  Exemplaren  aus  Szarvaszö",  Kom.  Blarmaros  ver- 
treten: die  Beitlicheu  Spiralbäoder  sind  mit  doppelten  Dreieckreihen  verziert:  an  den 
hängenden  Spitzen  sitzen  je  zwei  eingeschlagene  Tunkt.'  untereinander. 

2)  Diese  Variation  ist  in  einem,  bisher  als  Unikum  anzusehendem  Exemplar  im 
üniversitäts  Museum  zu  Kolozsvar  (Klausenburg)  vertreten:    luv.  Nr.  7239. 

::  Die  abgebildeten  Exemplare  im  Museum  zu  Budapest;  vgl.  auch  Hampel  a.a.O. 
1  Tf.   is.   1-6;  III  S.  ■_'.-) I  Rg.  34. 

10* 


—     620     — 

Das  charakteristische  Merkmal  dieser  Typenreiherj,  die  Verdickung 
der  unteren  Enden,  finden  wir  bei  einem  noch  einfacheren  Typus  vor: 
einer  Spirale  mit  etwa  V/2  Windungen.  Diese  kommt  in  Troja  vor  und 
zwar  gehört  sie  zum  Schatzfund  F,  den  mau  mit  A.  Götze  (bei  Dörp- 
feld,  Troja  und  Ilion  S.  333 f.)  der  IL  oder  III.  Ansiedelung  zuzuweisen 
hat.  Schliemann  (Ilios  S.  555)  kannte  2  Paar  aus  diesem  Funde;  nur 
eins  ist  in  der  Berliner  Schliemann-Sammlung  unter  Kat.  Nr.  6014,  6015. *) 
Fig.  17  nach  der  Abbildung  im  Kataloge.  Ein  genau  entsprechendes 
Exemplar  ist  mir  aus  Ungarn  nicht  bekannt;  [ein  ganz  ähnliches  dagegen 
wird  in  Anm.  5  erwähnt]. 

Heibig  (Homer.  Epos2  S.  244  Fig.  82)  hatte  diese  Spiralen  nach  dem 
Vorgänge  von  Schliemann  als  Lockenhalter  erklärt.  Studniczka  (Jahrb. 
d.  kais.  deutsch,  arch.  Inst.  1896,  XI  S.  285)  trat  für  ihre  Verwendung 
als  Ohrgehänge  ein.  Ihr  Zusammenhang  mit  den  mykenischen  und 
ungarischen  Hängespiralen2)  entscheidet  gegen  die  Deutung  als  Locken- 
halter;   eine    derartige  Verwendung    ist    bei    der    einseitigen    Verdickung, 

Fig.  17.  Fig.  18.  Fig.  19.  Fig.  20. 


wodurch  der  Schwerpunkt  nach  unten  verlegt  wird,  ausgeschlossen.  Zu 
gunsten  der  Deutung  als  Ohrgehänge  wird  weiter  unten  noch  mehr  vor- 
gebracht werden  können. 

Es  ist  nun  überaus  wichtig,  dass  wir  das  Verbreitungsgebiet  unserer 
Schmucktypen  weiter  nach  Osten  erweitern  können.  Als  zweites  Fabrikations- 
zentrum  ist  für  sie  der  Kaukasus  in  Anspruch  zu  nehmen.  Allerdings 
häufen  sich  hier  die  Typen  nicht  in  derselben  Reichhaltigkeit  und  Mannig- 
faltigkeit, wie  in  Siebenbürgen.  Sie  beschränken  sich  auf  die  länglich- 
ovale  Grundform  der  Spirale  und  unterscheiden  sich  von  den  ungarischen 
erstens  in  bezug  auf  das  Material,  insofern  nur  selten  Gold,  in  der  Regel 
Bronze  verwendet  ist,  zweitens  in  bezug  auf  die  Form,  insofern  die  Ver- 
stärkungen der  unteren  Teile  mehr  in  einer  bandartigen  Verbreiterung, 
ul-  in  einer  Verdickung  bestehen. 

Neben  den  einfachen  Typen  ohne  Rückbiegung3)   und    mit    einfacher 


1  Abg.  im  Kataloge  auf  Beilage  1:  l><d  A.  « ;  <>  t  z  e  auf  Beilage  43  Nr.  Va;  bei 
Schliemann,  llios  8.554  Nr.878,  880.  K.  Hadaczek  a.a.O.  ist  der  Zusammenhang 
der  mykenischen  mit  den  tiojanischen  Typen  entgangen.  Die  letzteren  erwähnte  er  S.  5 
im  Zusammenhange  mit  gewundenen  Golddrähten,  die  mit  unseren  Hängespiralen  nichts 
gemeinsam  haben  vgl.  Kat.  Nr.  6143,  HIN).  Nur  das  Stück  bei  Schliemann  Nr.  845 
gehört  hierher. 

2  Mit  'Ich  angarischen  Typenreihen  sind  die  trojanischen  Exemplare  schon  von 
Olshansen  a.a.O.  S.  472  richtig  zusammengestellt   worden. 

■  '■  ohne  Iiückbiegung:  aus  Bronze  von  Kambulta,  am  Uruch  bei  Donifarss  ahg. 
Kawka     V7I1     IT.  89    Nr.    10—13,    15;    von    Kasbek    ahg.    Radde,    d.    Sammlungen    des 


—    621     — 

Rückbiegnng1),  die  den  ungarischen  Variationen  a  und  ß  entsprachen, 
findet  sich  hier  die  in  Ungarn  noch  fehlende  dritte  Variation  y  mit  doppelter 
Rückbiegnng  und  spiraliger  Bildung  der  Drahtenden.9)     Fig.  18 — 20. 

Audi  die  Bedeutung;  dieser  Schmuckstücke  ist  durch  die  kaukasischen 
Gräberfunde  gesichert;  sie  sind  bei  den  Skeletten  an  der  Stelle  der  Ohr- 
muscheln gefunden  worden.3)  Daher  hat  sie  B.  Chantre  a.  a.  0.  als 
pendants    d'oreilles    bezeichnet.     Virchow    (Das    Gräberfeld    von     Kobän 


kaukasischen  Museums  V  Tf.  IV  p.  L6;  von  Tschmi  abg.  Kawkas  Tf.  56  Nr.  14;  von 
Ober-Kobän  abg.  E.  Chantre,  Rechercb.es  anthropol.  dans  le  Caucase  II  Atlas  pl.  l'.i  - 
nr.  2;  —  aus  Gold:  von  Kambulta  ab»-.  Kawkas  a.  a.  0.  Tf.  S!)  nr.  14,  16. 

1)  Mit  einfacher  Rückbiegung:  aus  Bronze  von  Ober-Kobän  abg.  E.  Chantre 
a.  a.  <>.  nr.  1;  —  aus  Gold  abg.  Kawkas  VIII  Tf.  124,  5:  von  Kasbek  abg.  Radde  a.  a.  0. 
Tf.  III,  IV  p.  15,  16. 

2)  Mit  doppelter  Rückbiegung:  aus  Bronze  von  Ober-Kobän  abg.  E.  Chantre 
a  a.  0.  pl.  17,  3-6;  R.  Virchow,  Das  Gräberfeld  von  Kobän  Tf.  VII,  12;  XU,  1,  2; 
IX,  1,  2;  XI,  1;  von  Kambulta  abg.  Kawkas  VIII  Tf.  89  nr.  17—19,  21;  von  Phaska 
ebenda  Tf.  118  nr.  11. 

[Während  der  Korrektur  der  Druckbogen,  die  Herr  Brunner  freundlichst  übernommen 
hat,  bin  ich  in  der  glücklichen  Lage,  nach  Besichtigung  des  historischen  Museums 
zu  Moskau  und  des  kaukasischen  Museums  zu  Tiflis  über  das  Auftreten  der  Hänu'e- 
spiralen  im  Kaukasus  noch  folgendes  nachzutragen. 

Der  einfache  Typus  (A)  der  breitovalen  Spirale  aus  Gold,  zwar  nicht  ganz  "-enau 
dem  trojanischen  Typus  entsprechend,  aber  ihm  sehr  ähnlich,  ist  in  einem  Exemplar  aus 
Phaskau  in  Moskau  vertreten.  Damit  scheint  der  Weg  angedeutet  zu  sein,  den  diese 
Typen  von  Ungarn  nach  Troja  gegangen  sind,  obgleich  wir  genau  entsprechende  Exemplare 
in  Ungarn  noch  nicht  aufzuweisen  haben. 

Bemerkenswert  ist  ferner,  dass  auch  im  Kaukasus,  nach  einigen  in  Moskau  auf- 
bewahrten Fragmenten  zu  folgern,  die  Typen  aus  Gold  mit  mittlerer  Längsrippe  auf  der 
blattartigen  Verbreiterung  (B  b)  vorkommen. 

Die  bronzenen  Fabrikate  wiegen  aber  den  goldenen  gegenüber  bei  weitem  vor. 
In  Moskau  habe  ich  folgende  feststellen  können:  a)  breitovale,  fast  kreisförmige,  massive 
also  entsprechend  dem  oben  genannten  goldenen  Exemplare,  sehr  zahlreich;  b)  längliche, 
massiv  und  dick:  c)  längliche,  blattartig  dünn  mit  hohler  Innenseite:  d)  diese  letzteren 
haben  häufig  die  einfache  Rückbiegung;  e)  diese  Form  d  kommt  auch  mit  mittlerer 
Längsrippe  auf  den  blattartigen  Erweiterungen  vor,  also  wie  die  goldenen,  aber  ohne 
Spiralenden:  f)  mit  doppelter  Rückbildung  und  Endspiralen. 

Zu  den  in  Tiflis  aufbewahrten  Exemplaren  wäre  folgendes  zu  bemerkeu:  Die 
goldenen  sind  in  den  Gräbern  von  Kasbek  (Stepan-Zminda)  gefunden,  die  Farbe  des  Goldes 
ist  teils  sattgell),  teils  heller,  dem  des  Elektron  entsprechend.  Nr.  :;i  I  (Katalog  von  Radde) 
gehört  zum  einfachen,  länglichen  Typus  mit  verdickten  Enden.  Zahlreicher  sind  die 
Exemplare  mit  einfacher  Rückbiegung  (Nr.  312,  313,  315—320  :  bei  allen  diesen  Typen 
sind  nicht  nur  die  Enden  verbreitert,  sondern  auch  das  mittlere  Glied,  aber  letzteres"  nur 
;uil'  einer  Seite  SO  dass  also  die  drei  breiten  Flächen  Dach  einer  Seite  gerichtet  Bind" 
diese  Verbreitungen  sind  auf  der  Innenseite  ein  wenig  konkav.  Nr.  31]  von  derselben 
Form  hängt  an  einem  offenen  goldenen  Binge. 

Wichtig  ist  es,  dass  auch  in  Transkaukasien  die  goldenen  Hängespiralen  vor- 
kommen. Nr.  2540,  25 II  (Mus,  Tiflis)  sind  in  Kolchis  bei  Parzchanakanewi  gefunden:  sie  haben 
doppelte  Umbiegung  und  aufgerichtete  Spiralenden,  entsprechen  also  den  entwickelten, 
nordkaukasischen  Bronzetypen,  haben  aber  blattartig  dünn  ^hämmerte  Verbreiterun »en. 
Unter  den  wenigen  in  Tiflis  aufbewahrten  Kobänfonden  sind  auch  diese  Bronzeexemplare 
vertretend 

3)  Siehe  die  Abbildungen  der  Skelette  mit  eingezeichneten  Beigaben  bei  E.  Chantre 

a.  a.  0.   im   Text   p.  ■_'•">.  27,  31. 


—     622     — 

S.  44)  fasst  sie  als  „Schläfenringe",  ähnlich  den  freilich  viel  späteren 
slavischen  auf  und  denkt  sich  ihre  Befestigung  entweder  an  der  Kopf- 
bedeckung- oder,  was  noch  mehr  der  Analogie  der  slavischen  Schläfenringe 
entsprechen  würde,  an  einem  um  den  Kopf  gelegten  Bande  oder  Leder- 
riemen.  Als  Ohrgehänge  würden  sie  nicht  unmittelbar  im  Ohrläppchen 
hängend  zu  denken  sein,  sondern  müssten  an  einem  um  die  Ohrmuschel 
gelegten  Faden  oder  Bändchen  befestigt  gewesen  sein  |oder  an  einem 
goldenen  Hinge,  wie  das  erwähnte  Exemplar  in  TillisJ. 

Dass  unsere  Schmucktypen  im  Kaukasus  fabriziert,  nicht  etwa  von 
Ungarn  dahin  importiert  sind,  geht  einmal  ans  der  für  den  Kaukasus 
charakteristischen  Beschränkung  auf  eine  Form,  den  länglich-ovalen  Typus 
hervor;  ferner  spricht  dafür  die  vorwiegende  Verwendung  von  Bronze,  die, 
soweit  mir  bekannt  ist,  in  Ungarn  bei  den  gleichen  Typen  ausgeschlossen 
ist;  schliesslich  haben  die  kaukasischen  Exemplare  in  der  Drahtformung 
und  in  anderen,  formellen  Einzelheiten  soviel  Eigenart,  dass  man  sie  von 
den  ungarischen  wohl  zu   unterscheiden  hat. 

Umgekehrt  ergibt  sich  aus  den  vielen  Variationen,  die  den  ungarischen 
Funden  eigentümlich  sind,  im  Kaukasus  aber  fehlen,  das  Ursprungsgebiet; 
in  Siebenbürgen,  wo  die  Natur  das  Material  spendete,  müssen  diese  Typen 
auch  erfunden  worden  sein. 

Dagegen  scheinen  sie  im    Kaukasus    von    längerer  Dauer    gewesen   zu 
sein  und  sogar  sich  noch  weiter  entwickelt  zu  haben:   die  bronzenen  An-, 
bänger  mit  doppelter  Rückbiegung  und  Endspiralscheiben  aus  den  Gräbern 
von   Koban  reichen  sogar  in  den   Beginn   der  Eisenzeit. 

Ein  anderes  Bild  gewinnen  wir  aus  der  westlichen  Verbreitung 
unserer  Schmucktypen.  Auch  in  Mähren  und  Böhmen  haben  sie  sich 
gefunden,  und  zwar  sind  wir  hier  ebenfalls  in  der  glücklichen  Lage,  mit 
fest  datierbarem  Gräberinventar  zu  rechnen.  Es  sind  die  Gräber  der 
frühesten  Bronzezeit  mit  „liegenden  Hockern"  vom  Unetitzer  Typus. 
Die  Grabbeigaben  bestellen  also  nicht  nur  aus  der  für  diese  Epoche 
charakteristischen  Keramik,  sondern  es  sind  zu  nennen:  trianguläre  Bronze- 
dolchklingen. Schleifen-  und  Noppenringe  aus  (Johl  und  sogen.  Säbel- 
nadeln aus  Gold;  die  goldenen  Hängespiralen  kommen  in  den  einfachen 
Grundformen  A  und  B  und  in  der  Variation  ß,  also  mit  einfacher  Rück- 
biegung vor.1)  Da  ich  das  böhmische  und  mährische  Material  nur  nach 
Abbildungen  kenne,  beschränke  ich  mich  auf  diese  Angaben. 


1)  Mähren:  Grabfund  von  Eisgrub,  10  km  östl.  von  Nikolsburg,  veröffentlicht  von 
A.  Mukowsky.  Mitteil,  antbrop.  Ges.  Wien.  L896  S.  87  Fig.  1—7:  vgl.  Öervinka, 
Morava  za  praveku  L902  S  L69  Fig.  76.  Fund  von  Dobroökovice:  zwei  ineinander- 
hängende  breit-ovale  Ringe  mit  einfacher  Umbiegung,  erwähnt  Mitteil,  anthrop.  Ges.  Wien 
L899  S  331,  aD£-  öervinka  a.a.O.  S.  141  Fig.  58.  Die  Angabe:  „Dieselbe  Ringform 
wurde  in  neuester  Zeil  auch  in  Böhmen  und  /.war  in  Bronze)  auf  dem  Finger  eines 
bronzezeitlichen  Skelettes  gefunden"  kann  sich  nicht  auf  die  üängespiralen,  sondern  auf 
die  Fingerringe  mit  ümbiegungen  —  ein  .Merkmal,  das  beiden  gemeinsam  ist  und  offenbar 
die  Verwechselung  veranlasst  hat  —  beziehen,  wie  Bie  /..  B.  bei  Pia,  Cechy  predhistoricke 
I    li    \lll.  5,  9,  1":  XIV.  7,  10,  11:  XV.   I,  8  für  diese  Gräbergruppen  belegt  sind. 

Böhmen:  länglich-ovaler  Typus  in  der  einfachsten  Form  in  Gräbern  des  Uneticer 
Typuj  bei  Pia  a.  a.  0.   I  S.  167  Fig.  55,  10;  Tf.  XI,  5,  »J.     DieserTypus  liegt  aus  Gräbern 


—    (i-j:J)     — 

Oh  wir  aus  diesen  Parallelfunden  auch  auf  ein  drittes  Fabrikations- 
gebiet für  unsere  Schmucktypen  schliessen  dürfen  oder  ob  Dicht  vielmehr 
die  hier  auftauchenden  Exemplare  dem  Import  aus  Dngam  zu  verdanken 
sind,  läset  sich  ohne  Autopsie  nicht  entscheiden.  Nach  den  Abbildungen 
gleichen  sie  ganz  und  i;ar  den  ungarischen:  auch  die  Typenbildung  weist 
keine  Eigentümlichkeiten  auf,  so  dass  ich  eher  [mport  als  einheimische 
Fabrikation  anzunehmen  geneigt  bin.  Diese  Präge  ist  aber  nebensächlich. 
Eine  hervorragende  Bedeutung  gewinnen  unsere  Bängespiralen  Bchon  durch 
ihr  Vorkommen  in  böhmischen  und  mährischen  Hockergräbern.  Damit 
greifen  sie  in  die  frühbronzezeitliche  Entwicklung  von  Zentraleuropa  ein 
und  werden  selbst  nach  oben  chronologisch  bestimmt.  Nehmen  wir  dazu 
die  kaukasischen  Funde,  so  haben  wir  im  Gräberfelde  von  Koban  für 
die  entwickelten  Bronzetypen  mit  doppelter  Küekbiegung  (Variation  y)  als 
untersten  Terminus  den  Beginn  der  Eisenzeit. 

Daraus  ergibt  sich,  dass  unsere  Hän»espiralen  in  ihren  Grundformen 
und  Variationen  von  der  frühen  Bronzezeit  bis  in  den  Beginn  der  Eisen- 
zeit im  Gebrauche  waren.  Diese  zentraleuropäische  Entwicklung  erhält 
nun  durch  die  Funde  von  Troja  und  Mykene  ihre  chronologische  Be- 
leuchtung. Wir  können  somit  vier  chronologische  Fixpunkte  auf- 
stellen, die  für  weite  Gebiete  Zentraleuropas  und  der  Mittelmeerkulturen 
gleichmässig  Geltung  haben  müssen.  Vorausgesetzt  ist  dabei  natürlich 
eine  gesetzmässige,  mit  der  Zeit  allmählich  fortgeschrittene  Entwicklung 
der  Typen,  wie  sie  uns  nunmehr  aus  Troja.  Mykene.  Ungarn,  Mähren. 
Böhmen  und  dein   Kaukasus  vorliegen. 

AU  Ausgangstypus  ist  die  trojanische  Form  (Fig.  17)  zu  betrachten: 
ein  einfacher,  an  den  Enden  verdickter,  offener  King,  dessen  Enden,  wie 
bei  der  Spirale,  übereinander  greifen;  sie  wird  für  die  Entwicklung  der 
spezifisch  ungarischen  Typen  vorausgesetzt.  Wie  weit  die  Weiterbildung 
dieser  einfachen  Spirale  vorwärts  schreitet,  zeigen  die  mykenischen 
Exemplare  (Fig.  8):  die  Spirale  ist  durch  die  obere  Ansbiegung  deutlich 
als  Hängeschmuck  gekennzeichnet;  die  Verdickungen  sind  zu  breiten 
Bändern  umgeformt,  deren  vordere  Seite  durch  eine  Bogenverzierung  aus- 
gezeichnet ist;  die  Drahtenden  sind  hoch  nach  oben  geführt  und  erhalten 
als  Spiralscheiben  eine  besondere  ornamentale  Bedeutung;  für  diese  Formen- 
eigentümlichkeit der  breit-ovalen  Form  liegt  bei  dem  Ausgangstypus  nicht 
einmal  ein  Ansatz  vor. 

Was  man  zwischen  diesen  beiden  Formen  als  den  entgegengesetzten 
Polen  entwicklungsgeschichtlicli  voraussetzen  muss,  finden  wir  in  den 
ungarischen  Typen  ausgeprägt. 

Hier  kommen  zu  den  Grundformen  ooeh  die  Variationen  mit  einfacher 
Rückbiegung  und  die  Sondertypen  mit  hohler  Innenseite.  Chronologisch 
fixiert  werden    die  Typen    mit    Rückbiegung    durch    die    böhmischen   und 


mit  Hegenden  Hockern  von  Qnetic  auch  bei  Itichly,  D.  Bronzezeit  inBöhmen  It.  XI  I\. 
29  vor.  Zu  den  Finger-  und  Armringen  mit  ümbieguog  vgL  Pic*  a.a.O.  Tf.  XI.  3,  LO. 
XII,  l:  XIII.  '.'.  in.  in  denselben  Kreis  gehören  auch  'ii>'  einfachen  armspiralen  ans 
doppell  gelegtem  Golddraht,  wie  z.  B,  die  l><i  Negranitz  a.  E.  gefundenen;  vgl.  Weinzierl, 
Jahresher.  d.  Museumsgesellschaft  Teplitz  für  w^1-  S.  25  tV.  Tf.  I,  l. 


-     624     — 

mährischen  Funde  als  zur  ältesten  Bronzezeit  gehörig.  Die  am  meisten 
entwickelten  Formen  mit  doppelter  Rückbiegung  und  zwei  Endspiral- 
scheiben hat  das  Gräberfeld  von  Koban  im  Kaukasus  geliefert  (Fig.  20), 
wo  wir  überhaupt  einen  Xebenzweig  für  die  ungarische  Formenreihe  ge- 
funden haben.     Vgl.  Fig.  14  a,  b. 

Suchen  wir  nun  nach    dieser  Entwicklungsreihe    die  Fundgruppen  zu 
ordnen,  so  muss  die  frühmykenische  Kultur,  in  deren  Ausgang  die  Schacht- 
gräber   von  Mykene    zu    setzen    sind    (vgl.   oben  S.  612 f.),    zwischen    die 
kaukasische    Kobankultur    und    die    vormykenische    Kultur    von    Troja  II 
fallen;    diese    letztere    lässt    sich    ihrerseits    mit    der    frühbronzezeitlichen 
Kultur  Zentraleuropas  in  Parallele  setzen,  so  dass  auf  einander  folgen: 
x  (?) :  ungarische  früheste  Bronzezeit. 
I.  Troja:    3.  Periode  der  IL  Ansiedlung. 
II.  Unetitzer  Kultur  in  Böhmen. 

III.  Mykenische  Sehachtgräber:  Ende  der  frühmykenischen  Epoche. 

IV.  Gräberfeld  von  Koban:    Beginn  der  Eisenzeit. 

Bei  dieser  Aufeinanderfolge  ist  aber  zu  beachten,  dass  zwischen  III 
und  IY  der  relativ  grösste  Abstand  angenommen  werden  muss;  denn 
zwischen  beide  Epochen  fällt  die  ganze  Blütezeit  der  mykenischen  Kultur, 
der  die  Periode  des  Eisens  erst  folgt.  Dagegen  kann  der  Abstand  von 
I  und  II  und  x  nur  verhältnismässig  gering  sein;  auch  II  und  III  können 
nicht  so  weit  auseinander  liegen  wie  III  und  IV. 

Für  die  vormykenischen  Perioden  weisen  unsere  Hängespiralen  also 
auf  nord-südliche  Kulturströmungen,  die  bis  in  die  Zeit  der  frühmykenischen 
Schachtgräber  fortgedauert  halten.  Das  bestätigen  die  goldenen  Arm- 
spiralen aus  dem  3.  Schachtgrabe  von  Mykene;  denn  ihre  eigenartig  fort- 
gebildeten Formen  setzen  die  einfachen  Armspiralen  aus  doppelt  gelegtem 
(rolddraht  voraus,  wie  wir  sie  für  den  Unetitzer  Kulturkreis  charakteristisch 
gefunden  halten. 

Diese  Armspiralen  sind  nebst  den  analog  geformten  Fingerspiralen 
nach  Ursprung  und  Entwicklung  —  das  Merkmal  der  Rückbiegung  ist 
allen  gemeinsam  —  die  nächsten  Verwandten  der  Hängespiralen:  alle  diese 
Schmuckformen  gehören  demselben  der  Kultur  von  Troja  II  parallel 
stehenden  Kultur-  und  Kunstzentrum  au,  das  wir  in  Siebenbürgen  zu 
suchen  haben. 

Hier  sind  also  die  Mittelmeergebiete  die  vom  Norden  empfangenden 
gewesen:  alter  diese  Beziehungen  führten  zur  gegenseitigen  Wechsel- 
wirkung, die  sich  im  (ieben  und  Nehmen  äusserte.  Dem  Süden  verdankt 
umgekehrt  Zentraleuropa  einige  Bronzetypen,  unter  denen  die  sogen. 
Schleifennadel  und  der  Dolch  mit  Grriffangel  hervorragen. 

Die  Schleifennadel  reiht  sich  unter  den  Grabbeigaben  des  Aunetitzer 
Kultuikieises  direkt  den  goldenen  Hängespiralen  und  Spiral-  oder  Noppen- 
ringen  an  und  ist  mich  für  Niederösterreich  bezeugt.1) 


I  Orber  ihr  Vorkommen  in  Böhmen  and  Niederösterreich  (Roggendorf)  vgl.  Much, 
Die  Kupferzeit  in  Garopa,  2.  Aufl.  S.  373  Fig.  112a,  b;  er  setzt  sie  in  die  Mitte  des 
2.  Jahrtausends  v.  Chr.  —  In  Bockergräbern  der  frühesten  Bronzezeit  hei  Pie,  Cechy 
predhistoricke  I  Tf.  XVII.   II:  XXI,  1  u.a.m. 


—     1)25     — 

Im  ägäischen  Kulturkreise  ist  sie  aus  Oypero  und  Troja  bekannt  ge- 
worden. Nach  Ohnefal  sch-Richter  erscheint  sie  von  der  viertes 
cyprischen  Periode  an,  die  zugleich  die  bemalten  Tongefässe  in  Cypern 
gebracht  hat.1)  In  Troja  kann  man  mit  Ä..  Götze  eine  einfache  und  ent- 
wickelte Schleifennadel  unterscheiden2),  nnd  es  kann  keiD  Zweifel  mehr 
Bein,  dass  auch  der  entwickelte  Typus  „noch  in  den  Rahmen  von  Periode 
II— V«   von   Troja  fällt. 

Die  Parallelen  aus  dem  Aunetitzer  Kulrurkreise  weisen  ihn  BOgar  in 
den  Pormenvorrat  der  dritten  Periode  der  II.  Ansiedlnng,  zu  dem  auch 
die  Qäogespiralen  gehören. 

Die  cyprischen  Dolche  mit  Griffangel  scheinen  nach  Ohnefalsch- 
Richter  noch  etwas  älter  zu  sein,  da  er  sie  der  dritten  „protokykladischen" 
Periode  zuweisen  will.3)  Für  unsere  Frage  hat  das  keine  Bedeutung, 
denn  in  Troja  finden  wir  die  Dolche  gleicher  Form  in  zwei,  sicher  der 
zweiten  Ansiedlnng  angehörigen  „ Schatzfunden "  A  und  K4)  (Kat.  Xr.  5842 
bis  5847,  6050). 

Im  mitteleuropäischen  Fundgebiete  lassen  sich  für  die  Dolche  zwar 
keine  sicher  datierbaren  Kultur-  hezw.  Gräbergruppen  anführen.  Aber 
wenn  wir  sie  neben  der  Schweiz,  wo  sie  durch  zwei  Exemplare  vertreten 
sind6),  in  Ungarn  in  fünf  Exemplaren  wiederfinden,  die  man  wegen  ihres 
.Materials  der  Kupferzeit  zurechnet0),  so  fallen  sie  in  dieselbe  Kategorie 
von  Denkmälern,  die  für  Mitteleuropa,  im  besonderen  für  Ungarn,  die 
südlichen   Kultureinflüsse  beweisen. 

Nun  sind  das  keineswegs  Neuigkeiten.  Schon  Montelius  (Chronologie 
der  ältesten  Bronzezeit  S.  99f.)  stellt  alle  Denkmäler  zusammen,  die  für 
einen  Verkehr  zwischen  den  Donauländern  und  dem  östlichen  Mittelmeer- 
gebiete sprechen,  darunter  auch  die  cyprischen  Kupferdolche  mit  Griff- 
angel, Schleifennadeln  und  „goldene  Spiralfingerringe  mit  eigentümlichen 
Anschwellungen"  nach  Schliemann,  llios  Fig.  878,  880  (letztere  sind 
also  unsere  Hängespiralen).  Aber  diese  Beziehungen  denkt  sich  .Mon- 
te] in-  einseitig  als  Burnusse,  die  vom  östlichen  Mittelmeer  inkl.  Cypern 
ausgeübt  würden. 

Demgegenüber  glaube  ich  durch  die  Behandlungen  der  Typen  der 
Bange-  und  Armspiralen  gezeigt  zu  haben,  dass  eine  durchaus  selb- 
ständige and  eigenartige  Kultur  .Mitteleuropas  mit  der  südeuropäischen, 
anter  den  Einflüssen  des  Orients  sich  entwickelnden  Bogen,  „ägäischen0 
Kultur  in  eine  Wechselwirkung  tritt,  bei  der  sie  mindestens  ebensoviel 
gibl  als  empfangt. 

Wir  hallen  gesehen,  wie  durch  diese  Wechselbeziehungen  die  relative 


1)  Zeitschr.  f.  EthnoL  L899,  Verhandl.  S.  334:   „Zyprisch -kykla.lisi.-he  Kultur". 

2)  Heinr.  Schliemaniis  Sammlung  trojan.  Altertümer:    Nr.  6403,  6404.    A.  Götze 
bei  Dörpfeld,  Troja  und  [lion  S.  356f.  Fig.  294  d,  e. 

3)  a.a.O.  S.  320.    Vgl.  Naue,  die  vorröm.  Schwerter  S.2  Tf.  II.  I,   I. 

h  Dazu  kommen  noch  einige  unbestimmbare  Einzelfunde  Kat.  Nr.  6148— 6150. 
.".    Antiqua  1885   Tf.  23,  1":    24,5.    Undset,  Westdeutsehe  Zeitschr.  V    1886    - 
Heierli,  Orgesch.  der  Schweiz  S.267  Fig.  270. 

6    Pulszky,  Kupferzeit  in  Ungarn  S.  TT   Nr.  3,  6,  7. 


—     626     — 

Chronologie  der  verschiedenen  Kulturgruppen  beleuchtet  wird.  Ein 
absolutes  Datum  ist  nunmehr  durch  die  mykenischeii  Schachtgräber 
gegeben,  die  wir  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Forschungen  (vgl. 
oben  S.  613)  etwa  dem  XYIII. — XVI.  .Jahrhundert  zuzuweisen  haben.  Somit 
kommen  wir  für  die  3.  Periode  von  Troja  IL  für  die  Aunetitzer  Kultur 
und  für  die  ungarische  .älteste  Bronzezeit  zu  dem  ungefähren  Datum 
•2000  v.  Chr.  Geb.1) 

Wie  unmittelbar  auch  die  Beurteilung  der  nord europäischen  Ver- 
hältnisse durch  dieses  Resultat  beeinflusst  werden  muss,  beweisen  Gräber- 
funde der  ältesten  Bronzezeit,  welche  auch  für  die  nördlichen  Provinzen 
das  Zusammengehen  von  Schleifennadeln  oder  Säbelnadeln  mit  goldenen 
Xoppenringen  belegen,  so  das  Gräberfehl  vom  Röderberge  in  Giebichen- 
stein  bei  Halle  und  das  berühmte  Gral)  von  Leubingen,  lvr.  Eckartsberga.8) 

Jedenfalls  ergibt  sich  als  allgemeines  Resultat  ein  viel  engerer  Än- 
schluss  der  mitteleuropäischen  ältesten  Bronzezeitkultur  an  die  süd- 
europäische Entwicklung,  als  man  bisher  im  allgemeinen  annehmen  zu 
müssen  geglaubt  hat. 

Selbst  noch  die  frühmykenische  Kultur  ist  fähig,  einzelne  „nordisch^,, 
Elemente  in  sich  aufzunehmen.  In  der  Folge  freilich,  mit  der  Blüte  der 
mykenischen  Kultur  gewinnt  der  Süden  einen  gewaltigen  Vorsprung  vor 
dem  Norden  und  wird  von  da  an  in  den  Stand  gesetzt,  immer  mehr 
Kulturerrungenschaften  an  den  Norden  abzugeben,  ohne  dass  dieser  es  nur 
annähernd  wieder  auf  eine  Kulturhöhe  gebracht  hätte,  auf  der  er  mit  dem 
Süden  hätte  konkurrieren   können. 

Zur  Kultur  der  Thraker. 

Für  die  Mittelmeerkulturen  hat  die  bisherige  Untersuchung  die  sehr 
wichtige  Tatsache  ergeben,  dass  die  goldenen  Schmucksachen,  «leren  sich 
mvkenische  Fürsten  und,  wie  wir  wohl  schliessen  können,  auch  ihre 
Standesgenosseu  vom  griechischen  Pestlande  bedienten,  aus  zwei  ver- 
schiedenen Gruppen  zusammengesetzt  waren:  einerseits  Gegenstände  von 
altertümlichem,  der  trojanischen  Art  entsprechendem  Geschmack,  anderer- 
seits das  Neue,  Moderne,  im  eigentlichen  Sinne  ..Mvkenische",  dessen  Ur- 
sprung und  Entwicklung  im  wesentlichen  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
auf  der  Insel  Kreta  zu  suchen  ist.  Jene  repräsentieren  im  gewissen  Sinne 
die  barbarische  Kunst,  da  ihre  Formen  auf  einen  nördlichen  Kulturkreis 
zurückzuführen  sind:  das  wird  nicht  nur  für  die  Hängespiralen  Geltung 
haben,  sondern  auch  von  den  anderen  Schmucktypen,  die  an  die  goldenen 
Schieber  und  Armspiralen  sich  anschliessen,  vermutet  werden  können. 
Man  darf  hoffen,  dass  von  dieser  allgemeinen  Grundlage  uns  sich  die 
Präge    nach    der    Herkunft    und    dem    Ursprung    der    trojanischen    Gold- 

1  Much  sitzte  a.  a.  <).  für  * l i « -  Schleifennadeln  im  allgemeinen  <lie  .Mitte  des 
2.  Jahrtausende  v.  Chr.  Geb.  an.  Ihr  Vorkommen  in  igypten  bei  Flinders  Petrie  Naqada 
aml  Ballas  Tf.  LXV,  L9  mag  noch  unberücksichtigt  bleiben.  Ohnefalsch-Richter  setzt 
lür  seine  vierte  cyprische  Periode  «1  i  *  -  Zahlen  2500—1600  \.  Chr.  an. 

■'    Montelius,  Chronologie  der  ältesten  Bronzezeil  B.  62  Nr.  72,  Tl. 


—     627     — 

scbmied ekunst,  deren   Erzeugnisse   bisher   unvermittelt    in   der  Blittelmeer- 
kultur  standen,  wird  beantworten  Lassen. 

Zunächst  weisen  uns  die  Hängespiralen  von  Troja  und  Mykene  auf 
Siebenbürgen.  Je  enger  aber  ihr  (Jrsprungsgebiei  gefasst  werden  muss, 
um  so  mehr  gewinnen  sie  durch  Form,  Stil  und  Technik  ein  singuläree 
Gepräge,  am  so  eher  können  sie  als  nationale  Schmuckformen  angesehen 
werden. 

Welches  Volk,  dürfen  wir  also  für  die  Zeit  der  vormykenischen  Kultur 
im  heutigen  Siebenbürgen  vermuten? 

In  historischer  Zeit,  d.h.  zur  Zeit  der  Römer,  haben  hier  die  Daker 
gesessen,  der  mächtigste  Stamm  der  Thraker,  mit  dem  die  Römer  in  Be- 
rührung  kamen.  Die  Bekanntschaft  mit  ihnen  lässl  Bich  in  der  antiken 
Literatur  bis  ins  vierte  Jahrhundert  v.  Chr.  zurückverfolgen,  in  die  Zeil 
der  neuen  attischen  Komödie,  in  der  \äog  und  rhrjs  die  typischen  Vertreter 
der  Sklavenrollen  sind.  Die  .ältere  griechische  Überlieferung  des  fünften 
Jahrhunderts  v.Chr.  kennt  in  demselben  Gebiete  die  Agathyrsen,  die 
Öewohner  ..des  goldreichen  Landes,  das  der  Maris  'jetzt  Maros)  durch- 
fliesst"  (Herodot  IV.  49,  100).  Ehre  Sitten  schildert  Herodot  (IV,  104) 
den  thrakischen  völlig-  gleich,  so  dass  sie  als  die  epischen  Vorläufe]-  der 
Daker  gelten  können.  Jedenfalls  alter  haben  wir  in  ihnen  Thraker  zu 
sehen.  Angehörige  des  Volkes,  das  nach  Herodot  das  ^rösste  nächst  den 
Indern  war.  Weiter  lässt  sich  die  Stammesgeschichte  an  der  Hand  der 
literarischen  Zeugnisse  freilich  nicht  zurückverfolgen.  Denn  nur  im  all- 
gemeinen weist  der  Dichter  der  Ilias  (XIII.  -4  ff.)  auf  die  europäische 
Heimat  der  Thraker  und  die  angrenzenden  skythischen  Stämme,  indem 
er  Zeus  von  dem  asiatischen  Schlachtfelde  rückwärts  blicken  lässt  zu  den 
Thrakern.  Mysern,  Hippemolgen  und  Abiern.  Die  Beständigkeit  der  Be- 
siedelung  des  Berglandes  vorausgesetzt,  werden  also  die  Karpathen  als  das 
Stammland  der  Thraker  anzusehen  sein.1) 

Für  die  vorliegende  Untersuchung  handelt  es  sich  nur  um  die  Frage, 
ob  die  Thraker  schon  in  frühmykenischer  Zeit   in  Siebenbürgen    _■  - 
lialien.     Dürfen  wir  also  die  eben  behandelten  Schmucktypen  als  thrakisch 
bezeichnen? 

Wenn  sie  nicht  thrakisch  wären,  gäbe  es  nur  noch  eine  Möglichkeit: 
sie  müssteu  skythisch  sein  Diese  Annahme  würde  scheinbar  sogar  noch 
unterstützt  werden  durch  ihr  Vorkommen  im   Kaukasus 

Sie  i>t  aber  auszuschliessen.  Denn  man  hätte  wegen  der  Verbreitung 
unserer  Schmucktypen  schon  für  die  frühmykenische  Epoche  und  uoch 
weiter  zurückliegende  Perioden  eine  beträchtliche  Höhe  der  skythischen 
Kultur  vorauszusetzen.  Line  solche  aber  würde  nicht  nur  im  Widerspruch 
zum  Nomadenleben  der  Skythen  stehen,  an  dem  sie  je  früher,  desto  un- 
zertrennlicher   gehangen    haben.    Mindern    auch    der    Niederschlag    einer 


L)  Über   die    Stammesgeschichte    der  Thraker   vgl.  Tomaschek,    D.  alten  Thraker 
1  99f.;  derselbe  in  Pauly-Wissowa,  Realencyclopädie  I.  1  Sp.  T»; lt.:  Müllenhoff,  Deutsche 
Altertumskunde    III    l-'il  BF.,    149;     Kiepert,    Lehrbuch    der    alten    Geographii 
P.  Kretschmer,  Einleitg.  i.  d.  Gesch.  d.  griech.  Sprache  S.  1 T 1  ff. 


—     628     — 

skythischen  Kulturhölie  wäre  in  der  ältesten  literarischen  Überlieferung 
zu  erwarten.  Davon  ist  aber  in  den  homerischen  Gedichten  nichts  zu 
spüren.  Nur  eine  einzige  Andeutung,  die  die  Bekanntschaft  mit  der 
Skythenart  beweist,  finden  wir  in  den  schon  zitierten  Versen  XIII,  4  f: 

avrog  de  naliv  rgenev  öooe  <paeiv(b, 
voocpiv  sq?  mnoTiöhov  Qoi]xä)v  xadoQ(Ojnevog  aiav 
Mvaatv  r1  <\yyeiiäya>v  xa\  äyavö&v  'Ijijdj juolycoi' 
yXay.rocpa.yan>  .  .  . 

Damit  Hesse  sich  Hesiod  fr.  232  (Rzach)  bei  Strabo  VII  p.  300  zu- 
sammenstellen: 

AidioTTuq  ts  Aiyvq  ts  lös  Exv&ag  InnrjfioXyovg 

Erst  durch  Herodot  (IV,  8 — 10)  werden  wir  über  Sitten  und  Ge- 
wohnheiten der  Skythen  genauer  unterrichtet. 

In  ganz  anderem  Lichte  erscheinen  bei  Homer  dagegen  die  Thraker. 
Im  engereu  geographischen  Sinne  sind  hier  begreiflicher  Weise  gerade  die 
südlicheren,  am  Meere  gelegenen  Gebiete  Thrakiens  bekannt.1)  Was  wir 
aber  sonst  in  den  homerischen  Gedichten  über  die  Thraker  als  Nachbarn 
der  Myser  und  Skythen,  über  die  Fruchtbarkeit  ihres  Landes,  über  den 
thrakischen  Weinbau,  dessen  Ertrag  sogar  Handelszwecken  nutzbar  ge- 
macht worden  zu  sein  scheint,  über  thrakische  Sänger,  über  den 
kriegerischen  Charakter  des  Volkes,  das  in  der  Gefolgschaft  der  Troer  zu 
finden  ist,  erfahren,  spricht  für  eine  weiter  reichende  und  genauere  Be- 
kanntschaft der  Dichter  mit  der  Kultur  der  Thraker. 

Wenn  wir  vollends  lesen,  dass  die  Kampfesweise  der  Thraker  und 
ihre  Bewaffnung  der  der  Achäer  geglichen  habe,  dass  thrakische  Schwerter 
unter  den  homerischen  Helden  eine  gewisse  Berühmtheit  besessen  haben2), 
so  müssen  die  Dichter  unter  dem  Eindruck  einer  bemerkenswerten  Kultur- 
höhe der  Thraker  gestanden  haben;  die  thrakische  Schwertfabrikation 
muss  sogar  so  bedeutend  gewesen  sein,  dass  sie  Anregungen  zu  Handels- 
beziehungen mit  den  südlich  gelegenen  Gebieten  gegeben  hat.  Freilich 
brauchen  wir  nicht  mit  Heibig8)  zu  den  Phönikern  unsere  Zuflucht  zu 
nehmen,  um  die  Entwicklung  einer  thrakischen  Kultur  zu  erklären.  Denn 
phönikische  Erzeugnisse  müssen  den  homerischen  Dichtern  sehr  wohl  be- 
kannt gewesen  sein.  Gerade  weil  sie  die  thrakische  Eigenart  betonen, 
haben  wir  phönikischen  Einfluss  auszuschliessen. 

Diese  homerischen  Hinweise  auf  eine  thrakische  Kultur  lassen  eine 
ältere  Blütezeit  derselben  vermuten.  Den  literarischen  Zeugnissen  dürfen 
wir  die  oben  behandelten  Schmucktypen  als  monumentale  der  älteren  Zeit 
parallel  setzen.  Nur  unter  der  Voraussetzung  einer  älteren,  thrakischen 
Kultur  erklärt  sich  die  Verbreitung  dieser  Typen  in  so  früher  Zeit  von 
Siebenbürgen  nach  Kleinasien  und  dein  südlichen  Teile  der  Balkanhalbinsel. 
Langandauernde  Kulturbeziehungen  müssen  zwischen  dem  Donautieflande 
einerseits   und  dem   kleinasiatischen    und    griechischen  Festlande    anderer- 


llen  bei   Buchholz,  Homer-Realien  I,   1   S.  7'.)  IV. 

2)  Die  Stellen  gesammelt  von  Helbi^',  Homer.  Epos2  p.  8 ff. 

3)  a.a.O.  S.  ll  r. 


—    629    — 

seits  stattgefunden  halten.  Für  die  Beurteilung  der  südlichen  Kulturen 
ist  es  aber  besonders  wichtig  zu  betonen,  dass  diese  Kulturströme  in  nord- 
Büdlicher  Richtung  sich  bewegt  und  im  wesentlichen  die  früh-  und  vot- 
mykenischen  Epochen  ausgefüllt  haben. 

Man  muss  sich  hüten,  an  dieses  Ergebnis  Folgerungen  für  die  Ethno- 
logie zu  knüpfen.  Thrakische  Stämme  finden  wir  zwar  durch  den  Ares- 
kult in  Thessalien,  Böotien  und  Phokis  bezeugt.1)  Aber  hier  mir  Furt- 
wängler  (Antike  Gemmen  111,  3(i)  die  Thraker  als  Träger  der  mykenischen 
Kultur  zu  betrachten,  dürfte  wohl  zu  weit  gegangen  sein.  Denn  gerade 
das  Vorkommen  der  thrakischen  Schmuckformen  in  einem  Königsgrabe 
von  Mykenä  stellt  uns  ihren  Unterschied  von  der  „mykenischen"  Art  vor 
Augen.  Immerhin  werden  wir  uns  in  ethnologischer  und  sozialer  Hinsicht 
die  Kluft  zwischen  Thrakischem  und  Mykenischem  nicht  allzugross  zu 
denken  haben. 

Grössere  Bedeutung  hat  gewiss  die  Analogie  der  trojanischen  zu  den 
thrakischen  Schmucktypen.  Nach  den  Funden  von  Bos-öjük  in  Phrygien2) 
dürfen  wir  mit  Kretschmer3)  die  Troer  als  Verwandte  der  Phryger  zu 
den  kleinasiatischen  Abkömmlingen  der  thrakisch-phrygischen  Stämme 
rechnen.  Freilich  kann  das  Vorkommen  von  thrakischen  Zierformen  unter 
den  trojanischen  Schatzfunden  nicht  als  Beweis  für  den  thrakischen  Ur- 
sprung der  Troer4)  angeführt  werden.  Denn  die  betreffenden  Schmuck- 
stücke konnten  aus  ihrer  Heimat  auch  durch  Handel  und  Verkehr  nach 
Troja  gelangen,  zumal  da  es  sich  nur  um  einige  wenige  Exemplare  handelt 
Die  Beweismittel  für  den  thrakischen  Ursprung  der  Troer  müssen  über- 
haupt aus  den  weiter  zurückliegenden  Kulturepochen  hergeholt  werden. 
Wenn  es  freilich  sicher  wäre,  dass  die  trojanischen  Hängespiralen  ein- 
heimische Arbeiten  sind,  dann  würde  die  Gleichheit  oder  Ähnlichkeit  mit 
den  angarischen  Formen  sich  nur  erklären,  wenn  sie  von  Stammgenossen 
uiler  -verwandten  verfertigt  sind. 

Für  die  kaukasischen  Abkömmlinge  der  ungarischen  Schmucktypen 
i>i  mit  einem  grossen  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  einheimischer  Ur- 
sprung anzunehmen.  Deswegen  haben  sie  in  höherem  Masse  als  die 
troischen  und  mykenischen  Parallelfunde  ethnologische  Bedeutung,  zumal 
da  wir  nach  den  noch  jetzt  zu  beobachtenden  Analogiefällen  auf  dem 
Gebiete  der  Völkerkunde  allen  Grund  zur  Annahme  haben,  dass  gerade 
in  der  Tracht,  im  besonderen  im  Schmuck,  die  Eigenart  eines  Stammes 
oder  gar  Volkes  zum  Ausdruck  kommt.  Also  müssen  die  A'erfertiger  und 
Träger  der  kaukasischen  Schmuckformen  selbst  Abkömmlinge  oder  Ver- 
wandte der  Thraker  gewesen  sein,  und  die  Ausbreitung  des  thrakischen 
Stammes  über  die  Donau  hinaus  nach  Osten  bis  in  die  Alpenlandschaft 
des  Kaukasus  gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit. 


1)  Tümpel  in  Pauly-Wissowa,  Realencyelopädie  II  Sp.  644ff. 

2)  A.  Körte,  Athen.  Mitteil.  XXIV,  1899  S.  24. 

3)  Einleitung  i    d.  Gesch.  d.  griech.  Sprache  S.  17  1  ff, 

4)  Olshausen  fand  in  den  angeführtrn  Analogien  eine  Stütze  für  die  von  Schlie- 
mann  und  Sayce  vlroja  S. 295;  Vorrede  S.  XIV  f  |  erörterte  Ansicht,  dass  die  Trojaner 
tlirakischeu  Ursprungs  wann. 


—    6B0   — 

Die  östliche  Erweiterung  der  thrakisehen  Grenzen  ist  für  die 
Kimmerierfrage  von  Bedeutung.  Denn  je  mehr  wir  berechtigt  sind, 
unter  den  kaukasischen  Bergvölkern  Thraker  zu  suchen,  umso  sicherer 
wird  die  Zuweisung  der  Kimmerier  zu  den  Thrakern  sein.  Freilich  suchte 
.Mülleiihoff  die  Kimmerier  vom  kimmerischen  Bosporus  und  dessen  Um- 
gebung zu  eliminieren,  ihre  Vertreibung  aus  dem  Norden  des  Pontos  durch 
die  vorrückenden  Skythen  als  eine  Erfindung  der  kleinasiatischen  Griechen 
hinzustellen  und  „seit  unvordenklicher  Zeit"  dort  skolotische  Skythen 
hausen  zu  lassen.1!  Er  glaubt  sogar  beweisen  zu  können,  dass  die  Be- 
nennung des  kimmerischen  Bosporus  nicht  von  einem  geschichtlichen 
Volke  der  Kimmerier  als  seinen  ehemaligen  Anwohnern  hergenommen  ist. 

Für  diese  Frage  kommt  es  also  auf  die  Erklärung  der  homerischen 
Kimmerier  an,  die  in  der  Odyssee  XI,  14  ff.  genannt  werden  au  den 
Grenzen  der  Erde,  die  Odysseus  auf  der  Fahrt  zum  Hades  auf  die  Weisung 
der  Kirke  erreicht.  Diese  Beschreibung  des  Landes  der  Kimmerier  ver- 
weist Mülleiihoff2)  in  denselben  Kreis  mythischer  Geographie,  dem  das 
Kyklopenland,  Ogygia  und  Scheria  angehören. 

Wie  diese  Homerstelle  zu  beurteilen  ist,  hat  uns  Wilamowitz 
v.  Möllendorf  gelehrt3):  die  Kimmerier  sind  nicht,  wie  Müllenhoff 
meinte,  „ganz  zwecklos,  durch  Kirkes  Rede  X,  508  ff.  nicht  vorbereitet 
und  daher  auch  unerwartet",  sondern  sie  sind  demjenigen  zu  verdanken, 
der  die  Xekyia  mit  dem  Kirkeabenteuer  verbunden  hat,  also  dem  jonischen 
Redactor  der  Bücher  y.  /  u.  dessen  Tätigkeit  v.  Wilamowitz  a.  a.  O. 
S.  140  ff.  dem  8.  Jahrhundert  v.  Chr.  zuweist.  Ihre  wirklichen  Wohnsitze 
müssen  da  liegen,  wo  sie  nach  dem  Zusammenhange  der  Odyssee  an  dieser 
Stelle  gedacht  werden.  Die  Kimmerier  haben  eben  den  Zw^eck,  das  Lokal 
der  Begebenheiten  in  der  (  Myssee  fester  zu  umgrenzen  und  zu  bestimmen. 
Gerade  umgekehrt  lässi  sich  sagen:  Da  die  Kimmerier  nach  dem  Her- 
gange der  Begebenheiten  nicht  erwartet  werden,  gehören  sie  nicht  in  den 
mythischen  Zusammenhang.  Die  Sage  von  den  „Dunkelmännern"  er- 
klärt sich  eben  daraus,  dass  der  Name  Kijujueqioi  fremder  ungriechischer 
Herkunft  ist.  An  dem  Zusammenhange  der  Kimmerier  mit  dem  kimmerischen 
Bosporus  wird  also  nicht  zu  zweifeln  sein. 

Für  die  schwierigen  Prägen  der  Ethnographie  aber  kann  nur  die 
Archäologie  neues  Beweismaterial  liefern.  Dürfen  unsere  ungarischen 
Hängespiralen  als  thrakischer  Schmuck  weiter  gelten,  dann  spricht  ihre 
Verbreitung  nach  Osten  bis  unter  die  kaukasischen  Bergriesen  gegen  die 
Annahme  skythischer  Urbevölkerung  im  Norden  des  Pontos. 

Weiterer  Aufschluss  für  diese  Präge  ist  von  der  Buckelkeramik 
zu  erwarten.  Ihre  Bedeutung  für  die  Kimmerierfrage  ist  bereits  im  Zu- 
sammenhange mit  der  troischeu  Buckelkeramik4)  erörtert  worden.  Nun 
isl  es  sehr  bemerkenswert,    dass    von  den   Donau-  und   Balkanländern  aus 


1     MüllenhofT,  Deutsche  Altertumskunde  III   l'.ui. 

2)  a;  a.  0.  i  60 

3)  Wilamowitz  \.  Möllendorf:    Homerische  Untersuchungen   S.  165 
i    Bei  Dörpfeld,  Troja  und  üion  S.  .v.i I  ff. 


—     68 1      — 

die  Buckelkeramik  ihre  Ausläufer  aueh  nach  Osten  bis  in  den  Kaukasus 
entsendet.  Dasselbe  Gräberfeld  von  Koban,  «hin  wir  die  entwickelten 
bronzenen  Eängespiralen  zu  verdanken  haben,  hat  auch  einige  Buckel- 
becher ans  Ton  geliefert.1) 

Hängespiralen  und  Buckelkeramik  müssen  also  als  gleichwertige 
Merkmale  angesehen  and  auch  für  ethnographische  Bestimmungen  berück- 
sichtigt werden.  Sic  würden  an  Bedeutung  gewinnen,  wenn  Bich  auch  in 
Ungarn  ihr  Zusammengehen  nachweisen   liesse. 

Leider  stammen  aber  die  ungarischen  Bängespiralen  fast  durchgehende 
von  unbekannten  Fundstellen  oder  sind  ohne  Verbindung  mit  anderen 
Funden  verzeichnet  werden.  Unsicher  ist  auch  die  bei  Hampel  a.a.O. 
Tt'.  XLVIII.  6  abgebildete  Form.  Nach  einer  freundlichen  Mitteilung  des 
Hrn.  M.  Wosinsky  in  Szegzärd  stammt  sie  von  einem  mächtigen  Erd- 
uall  bei  Marc/,  im  Tolnaer  Komitat.  Dieser  Wall  war  zwar  voll  von 
Brandgräbern  mit  fein  inkrustierten  Gefässen  ans  der  Blüteperiode  der 
ungarischen  Bronzezeit8);  aber  ob  die  Hängespirale  mit  ihnen  in  Zu- 
sammenhang zu  bringen  ist,  steht  Dicht  fest.  Es  fehlt  also  noch  *\ff 
Kulturapparat,   in  den  Bich  in   Ingam  seihst  die   llängespiralon    einordnen 

hissen. 

Eine  Vorstellung  davon  würden  wir  uns  machen  können,  wenn  die 
keramischen  Erzeugnisse  der  ungarischen  Bronzezeit  nach  ihrer  Ent- 
wicklung uns  bekannt   wären. 

Der  Versuch  von  P.  Reinecke,  auf  Grund  der  an  Zahl  sehr  geringen 
Grabfunde  der  Bronzezeit  die  gleichzeitige  Keramik  zn  ordnen,  befriedigt 
nicht.8) 

Danach  hätten  wir  für  seine  I.  und  II.  Periode  nur  eine  wenig 
charakteristische,  ornamentlose  Keramik  zu  erwarten;  die  für  Ungarn  so 
ergiebige  Buckelkeramik  würde  erst  in  der  III.  und  IV .  Periode  zur  Blüte 
gekommen  sein. 

Dieses  späte  Auftreten  Arv  ungarischen  Buckelkeramik  hat  sehr  wenig 
Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Reinecke  weist  selbst  seiner  II.  Periode 
ein  Gefäss  zu,  das  eine  in  Form  und  Ornamentik  ausgeprägte  Eigenart 
zeigt:  es  ist  ein  doppelhenkliger  Krug  von  Rakos-Palota,  in  dein  ein 
Bronzeschatz  enthalten  war  (Hampel  1  Tf.  86,  1).  Am  Umbruch  hat  er 
vier  zipfelartige  Vorsprünge  oder  Buckel  und  setzt  bereits  eine  voll- 
entwickelte  Buckelkeramik  voraus.  Den  Beginn  dieser  Richtung  keramischer 
Pormengebung  hat  man  sich  viel  früher  zu  denken.  Dafür  spricht  auch 
die  eingetiefte  Spiralornamentik  auf  vierbuckligen  Gefässen,  die  in  dem 
Aufsatz  über  Tordos  zusammengestellt  sind4):  sie  lehnt  sich  direkt  an  die 
steinzeitliche  Spirale  in  Ungarn  an. 

I  Ä.bg  E.  Ghantre,  Etechercb.es  anthropologiquea  dans  le  Caucase  II  pl.  34,  5; 
36»>w,  2. 

l')  Per  Wall  abgebildet  bei  M.  Wosinsky,  roinaYarmcgye  [*örtenete  I  250;  die 
(Masse  Tf.  TT.  8,  9;  79,  5    12. 

3)  In  seinem  Aufsatz  über  die  angarische  Bronzezeit:  archäol.  Ertesitö  L899.  XIX. 
226  ff.  316ff.     Ein  Auszug  in  den  Mitteil.  d.  anthrop.  Ges.  Wien,    l\ S.  101  ff. 

4)  Zeitschr,  f.  Ethnol,  L903. 


—     632     — 

Jedenfalls  werden  wir  also  vermuten  oder  voraussetzen  können, 
dass  irgend  eine  der  älteren  Gruppen  der  Buckelkeramik  in  Ungarn 
mir  den  älteren  Typen  der  Hängespiralen  zusammengeht.  Analoge 
jüngere  Erscheinungen  im  Kaukasus  aber  würde  mau  sich  gut  aus  der 
weiteren  östlichen  Ausdehnung  der  thrakischen  Stämme  erklären  und  in 
einen  ursächlichen  Zusammenhang  bringen  mit  der  Wanderung  der 
Kimmerier  und  ihrem  Auftauchen  in  Kleinasien.  So  würde  sogar  ihr 
Übergang  über  den  Kaukasus  und  ihr  von  Osten  kommender  Ansturm 
au  verstehen  sein,  wie  ihn  Herodot  (I,  103;  IV,  1,  1 1  ff.)  im  Gegensatz 
zu  Strabo  (XIII,  586)  berichtet,  der  sie  zusammen  mit  den  Treren,  also 
von  Thrakien  aus,  in  der  Troas  erscheinen  lässt.1) 

Dieses  Vordrängen  wird  ein  allmähliches  und  langandauerndes  ge- 
wesen sein,  wie  man  sich  Völkerwanderungen  immer  zu  denken  hat.  Im 
östlichen  Kleinasien  müssen  die  Kimmerier  nach  der  literarischen  Über- 
lieferung bereits  in  der  Mitte  des  8.  Jahrhunderts  v.  Chr.  gewesen  sein. 
Das  Gräberfeld  von  Koban  gehört  in  den  Beginn  der  Eisenzeit,  also  ist 
rund  um  1000  v.  Chr.  anzusetzen.  Natürlich  soll  damit  noch  nicht  gesagt 
sein,  dass  diese  kaukasischen  Gräber  von  Kimmeriern  herrühren.  Das 
Beispiel  der  Treren  und  Kdoner  lehrt  ja,  dass  auch  andere  thrakische 
Stämme  sich  veranlasst  sahen,  auf  die  Wanderschaft  zu  gehen. 

Auch  die  Ereignisse  auf  europäischem  Gebiete,  die  'diese  thrakischen 
Wanderungen  veranlasst  haben,  können  keine  plötzlichen  gewesen  sein. 
Xach  der  Überlieferung  waren  es  die  Skythen,  die  die  Kimmerier  aus 
ihren  Wohnsitzen  verdrängten.  Man  könnte  also  erwarten,  dass  diese  Um- 
wälzungen, die  ohne  Zweifel  die  Kulturzustände  beeinflusst  haben,  auch 
in  der  monumentalen  Überlieferung  sich  wiederspiegeln.  Leider  ist  aber 
die  archäologische  Erforschung  Südrusslands  noch  nicht  von  so  sicheren 
Resultaten  begleitet  und  begünstigt,  dass  wir  mit  ihrer  Hilfe  diese  wichtigen 
ethnographischen  Probleme  lösen  könnten.  In  der  Regel  fassen  die 
nissischen  Archäologen  die  neolithische  Kulturepoche  Südrusslands  als 
.. kimmerische"  auf  und  lassen  ihr  die  „skythische"  folgen,  natürlich  unter 
Berücksichtigung  der  historischen  Zeugnisse.2)     Von  den   in   südrussischen 


1;  Uiese  beiden,  eigentlich  sich  abschliessenden  Überlieferungen  habe  ich  bereits 
bei  Dörpfeld,  Troja  und  Ilion  S.  396 ff.  in  Einklang  zu  bringen  gesucht,  ohne  auf  die 
kaukasischen  Funde  Rücksicht  zu  nehmen. 

Fligier  (Zur  prähistorischen  Ethnologie  der  Balkanhalbinsel.  Wien  1877  S.  10  ff.) 
kommt  auf  grund  von  Namensgleichnngen  zu  dem  Schluss,  dass  die  Kimmerier  mit  Recht 
im  heutigen  Südrussland  zu  lokalisieren  und  zu  den  thrakischen  Stämmen  zu  rechnen 
sind.  Er  nimmt  sogar  religiöse  (»emeinschaft  mit  den  kleinasiatischen  Überläufern  der 
Thraker  an;  ans  Ortsnamen  im  Kaukasus  will  er  schliessen,  dass  die  Kimmerier  bis  an 
den  Kauks  □  vorgedrungen  waren,  wahrscheinlich  sogar  auf  der  asiatischen  Seite  desselben 
•  ii  haben. 

Letztens  würde  gut  mit  der  von  mir  vertretenen  Ansicht  sich  vereinbaren  lassen, 
womit  freilich  nicht  entschieden  sein  soll,  dass  Fligier  in  allen  seinen  Schlussfolgerungen 
Recht  bat. 

'  l'li  beziehe  mich  auf  die  Arbeiten  und  Untersuchungen  von  Antonowitsch, 
Samokwasso,  Chainowsky,  Skadowski,  K  na u er  über  die  auf  dem  <S.  arch.  Kongresse 
zu  Moskau   L890  verhandelt  wurde;   vgl.  den  Bericht  von  Btieda,  Arch.  f.  Anthrop.  1892 


—    6:«    — 

Kurganen  aufgedeckten  neolithischen  Gräbern  pflegt  man  die  mir  „liegenden 
Hockern",  deren  Knochen  nieist  rot  ind'ärht  sind,  als  „kimmerische"  zu 
bezeichnen.  Ebensolche  sind  auch  in  den  Kurganen  der  Ukraine  gefunden 
worden  und  sind  überhaupt  für  «las  Gebiet  des  Dnjepr  und  Dnjestr 
charakteristisch.  Die  Keramik,  die  unter  den  Beigaben  nicht  fehlt,  hat 
nach  Form  und  Ornamentik  grosse  Ähnlichkeit  mit  der  Qordeuropäischen 
Keramik  der  Stein/.eii  und  reiht  sich  somit  den  „alteuropäischen"  Gefäss- 
gruppen  an.1) 

Zwei  Probleme  lässt  freilich  die  Curganforschung  noch  ungelöst:  in 
welchem  Zusammenhange  steht  zn  diesen  alteuropäischen  Gefässgruppen 
die  bemalte  Keramik  ans  dem  Ende  der  Steinzeit?  und  wie  gestaltet  sich 
bei  der  Kurgankultur  der  Übergang  zur  Bronzezeit?  Uie  skythischen 
Gräber  der  Kurgane  gehören  bereits  der  entwickelten  Eisenzeit  an.  Sehr 
auffallend  ist  es  für  die  Bronzezeit,  dass  die  für  den  Kaukasus  und  Ungarn 
so  charakteristischen  Hängespiralen  in  Südrussland,  d.  h.  an  der  nörd- 
lichen Küste  des  schwarzen  Meeres  zu  fehlen  scheinen;  wenigstens  sind 
mir  diese  Typen  in  der  mir  zugänglichen  Literatur  aus  dieser  Gegend 
noch  nicht  begegnet.  Bei  Bobrinski  a.  a.  0.  findet  sich  S.  97  ein  Ohr- 
schmuck abgebildet,  der  völlig  von  dem  Typus  der  Spiralen  abweicht  und 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  als  ..skythisch"  anzusprechen  ist.  Jedenfalls 
gehört  er  bereits  der  entwickelten  Eisenzeit  an,  in  der  griechische  Produkte 
der  zweiten  Hälfte  des  ersten  vorchristlichen  .Jahrhunderts  in  den  Kurgan- 
gräbern  erscheinen  und  lie<>t  weit  ab  von  der  bronzezeitlichen  Ent- 
wicklung.  I  Ich  muss  mir  vorbehalten,  auf  diese  Probleme  weiter  ein- 
zugehen. | 

Sollte  dieser  Manuel  der  Hängespiralen  in  Südrussland  etwa  aus  den 
Umwälzungen  zu  erklären  sein,  die  die  Bewegung  der  Skythen  und  ihre 
endgiltige  Einwanderung  in  der  bronzezeitlichen  Entwicklung  Südrusslands 
hervorgerufen  haken,  aus  denselben  Umwälzungen,  die  die  Bewegung  der 
K numerier  nach  Osten  und  Westen,  also  auch  ihr  Vordrängen  nach  dem 
Kaukasus  zur  Folge  hatten? 


S.  153 ff.  Am  ausführlichsten  behandelt  Graf  Bobrinski  (Die  Kurgane  von  Smela)  seine 
Ausgrabungen  (1887);  vgl.  den  Bericht  von  Stieda,  Sitzungsber.  der  Altertumsgesellsch. 
Prussia,  Jahrg.  II.  1887/88  S.67ff.  and  Arch.  f.  AnthropoL  XXIV  L897  S.  359£  Alle 
diese  Untersuchungen  beziehen  sich  auf  das  Gronvernemenl  Kiew. 

li  i  her  die  ältesten,  steinzeitliclien  Kurgane  in  Südrussland  und  über  den  Ursprung 
der  neolithischen  Kultur  am  Dnjepr  und  Dnjestr  orientiert  man  sich  am  besten  bei  Za- 
borowski.  Du  Dniestre  ä  la  Caspienne  (Bullet,  de  la  soc  d'anthropol.  de  Paris  L895 
S.  122ff.).  Abbildungen  ündet  man  in  der  Krakauer  Zeitschrift  Zbior  III  62  Tl.  IV: 
XII  58  Tf.  IX  XIII;  ferner  Collection  Khanenko,  Antiquites  de  la  region  du  Dnjepr 
I  pl.  .">.  Über  die  rotgef&rbten  Hockerskelette  in  Kurganen  Südrusalands  vgl.  auch  den 
Vortrag  von  Antonowitsch  auf  dem  IX.  russischen  Archäologen-Kongress  in  Wüna 
.Bericht  von  Stieda,  Arch.  f.  Anthropol.  XXIII  1895  S.  5171).  Der  Farbstoff  besteht 
aus  Eisenoxyd;  Bronzesachen  sind  äusserst  sehen  dabei  gefunden  worden.  Eisen  nie. 
Leider  wird  von  allen  Kurganforschern  die  Keramik  viel  zu  wenig  berücksichtigt;  gerade 
sie  könnte  uns  über  chronologische  and  ethnologische  Fragen  in  erster  Linie  aufklären. 
Weitere  Ausführungen  muss  ich  mir  vorbehalten. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904    Heft  5.  II 


—     634    — 

.1  u n  g ne oli this che  Parallel  e n . 

Die  südrussischen  Kurgangräber  haben  uns  bereits  einer  Kulturepoche 

nahe  gebracht,  deren  Beurteilung  von  den  erörterten  Beziehungen  zwischen 
Troja,  Mykene  und  Ungarn  abhängig  ist:  ich  meine  die  neolithische 
Kultur  der  Donau-  und  Balkanländer. 

Aus  der  chronologischen  Stellung,  welche  den  Hängespiralen  innerhalb 
der  mitteleuropäischen  Bronzezeit  angewiesen  werden  konnte,  ergibt  sich 
der  folgenschwere  Schluss,  das  alles,  was  in  den  Donau-  und  Balkan- 
ländern zur  neolithischen  Epoche  gehört,  älter  sein  niiiss  als  die  Kultur 
der  II.  Ansiedlnng  von  Troja.  älter  als  die  ihr  parallel  laufende  Insel- 
kultur.  noch  viel  älter  als  die  frühmykenische  Periode. 

Diese  chronologischen  Folgerungen  sind  von  entscheidender  und  grund- 
legender Bedeutung  für  alle  vergleichenden  Untersuchungen,  die  sich  auf 
die  Beziehungen  der  süd-  uud  nordeuropäischen  Kulturen  richten.  Denn 
in  allen  Fällen,  in  denen  man  für  neolithische  Erzeugnisse  der  Balkan- 
länder und  der  weiter  nordwärts  liegenden  Kulturgebiete,  nach  ihrer  Form 
oder  Dekoration  mykenische  Einflüsse  angenommen  hat,  ist  dieses  Ab- 
hängigkeitsverhältnis umzukehren.  Oder  besser  gesagt:  für  die  sogenannte 
ägäische  Kultur  ist  die  Frage  aufzuweisen,  welche  nordischen  Ein- 
flüsse auf  die  Bildung  und  Ausgestaltung  ihrer  Formen  massgebend  ge- 
wesen sind,  in  wie  weit  in  der  neolithischen  Kultur  der  Donau-  und 
Balkanländer  die  Vorbedingungen  und  Voraussetzungen  für  die  Ent- 
wicklung der  ägäischen  Kultur  gegeben  sind. 

In  der  frühesten  Bronzezeit  haben,  wie  oben  gezeigt  worden  ist,  be- 
achtenswerte Kulturströmungen  in  nord-südlicher  Richtung  mindestens 
von  einem  Zentrum  aus.  das  in  Siebenbürgen  zu  suchen  ist,  nach  den 
Mittelmeerländern,  im  besonderen  nach  den  Küsten  des  ägäischen  Meeres 
hin  stattgefunden. 

Es  liegt  nahe,  solche  Einflüsse  des  Nordens  auf  den  Süden  in  ältere 
Perioden  zurückzuverfolgen.  Je  älter  aber  die  Epoche  ist,  für  die  sie 
festgestellt  werden  können,  um  so  enger  berühren  sie  sich  mit  den 
Wanderungen  derjenigen  Stämme,  die  die  Küsten  und  Inseln  des  ägäischen 
Meere-  besiedelt  haben,  um  so  mehr  fallen  sie  mit  den  Quellen  und  Grund- 
Lagen  der  ägäischen   Kultur  selbst  zusammen. 

In  der  Bronzezeit  sind  die  nord-südlichen  Kulturströmungen  nur  das 
Gegenbild  zu  den  Einflüssen,  die  der  Norden  in  reichlichem  Masse  vom 
Süden  erfahren  hat.  Auch  für  die  älteren  Perioden  wäre  die  frage  be- 
rechtigt,  welche  Ursachen  und  welche  Rückwirkungen  die  Berührungen 
von  mitteleuropäischen  Stämmen  mit  den  Gestaden  des  Mittelmeeres 
gehabl   haben. 

Zur  Lösung  solcher  schwierigen  kulturgeschichtlichen  und  ethno- 
graphischen Probleme  hat  man  sehen  nach  verschiedener  Richtung  hin 
beigetragen. 

So  h;ii  Evana  Cretan  pictographs  and  pre-phoenician  Script  S.  li'Tff.)1) 
die  südeuropäische   Plastik    der    vormykenischen    Epoche    aus    einem    Zu- 

I    /um  Teil  in  Anlehnung  an  S.  Reinach,  ['Anthropologie  L894  p.  •_".>:;. 


—    635    — 

sammenhange  mir  der  aeolithischen  Plastik  Mittel-  un<l  z.T.  Nord- 
europa8  zu  erklären  gesucht.  Von  den  aeolithischen  Stationen  der  Balkan- 
11  ri< l  Donauländer  fallen  Botmii  (Bosnien),  Jablanica  (Serbien),1)  Tordos 
ii.  a.  in  Siebenbürgen8),  sowie  zahlreiche  Funde  im  Stromgebiete  des 
Dnjestr  und  Dnjepr8)  mit  der  gleichzeitig  auftauchenden  bemalten  Keramik 
ins  Gewicht. 

Unter  ihren  Erzeugnissen  erregen  die  der  figürlichen  Plastik,  be- 
sonders <li«'  von  Butmir  und  aus  thrakischen  Tumuli*),  geradezu  Erstaunen, 
und  man  kann  sich  nicht  wundern,  wenn  man  derartige  Leistungen  im 
Rahmen  einer  primitiven,  steinzeitlichen  Kultur  nur  aus  den  Einflüssen 
einer  „höher"  entwickelten,  südländischen  Kunststufe  erklären  konnte.  Diese 
Annahme  weiter  aufrecht  zu  erhalten,  machen  die  chronologischen  Schlüsse 
unmöglich,  die  sich  aus  den  erörterten  Beziehungen  zwischen  Troja. 
Mvkene  und  Ungarn  ergeben  haben. 

Berechtigte  Bedenken  hat  ferner  die  Spiralornamentik  erregt. 
Man  pflegte  in  der  Regel  ihren  Ursprung  aus  ihrem  verhältnismässig  Ge- 
ringfügigen Auftreten  im  mittleren  und  alten  Reiche  Ägyptens  oder  aus 
phönikischen  bezw.  mykenischen  Einflüssen  abzuleiten.5) 

Merkwürdiger  Weise  beharrt  Evans  a.  a.  0.  auf  diesem  Standpunkte. 

Zuerst  hat  Purtwängler  (Antike  Gemmen  III  26)  die  Unwahr- 
Bcheinlichkeit  betont,  dass  auf  der  Nachahmung  von  Spiralen  auf  kleinen 
ägyptischen  Skarabäen  die  Verbreitung  der  Spiralornamentik  aus  Ägypten 
nach  dem  Norden  beruhen  sollte,  wo  wir  sie  schon  in  der  jüngeren 
Steinzeit  eingetieft  und  aufgemalt  in  reicher  und  vollendeter  Stilentfaltung 
linden. 

Ausführlieh  hat  das  einschlägige  Material  in  jüngster  Zeit  M.  Much 
in  seinem  Buche  über  „die  Heimat  der  Indogermanen" *)  zusammengestellt. 
Das  chronologische  Verhältnis  der  jungneolithischen  Spiraldekoration 
Mitteleuropas  zur  mykenischen  hat  er  zwar  richtig  ins  Auge  gefasst,  indem 
er  auch  die  trojanischen  Schatzfunde  für  seine  Vergleiche  heranzog 
(S.  114  ff.)  aber  die  Bedeutung  derselben  für  die  Chronologie  der  euro- 
päischen Stein-  und   Bronzezeit  ist  von  ihm    nicht    nur    nicht    erschöpfend 

1)  M.   Yassits  im  Archiv  f.  Anthropologie  XXVII.     1902. 

■2  Zeitschr.  f.  Ethnol.  1'."':;  S.  138 ff.  Die  Funde  am  Altflusse  bei  Kronstadt  publ. 
von  .1.  Teutsch,  Mitteil.  d.  anthrop.  <:.  Wien  L900  u.  Mitteil    ,1.  prähist.  Kommiss.  1903. 

3    Vgl.  die  unten  genannte  Literatur. 

I'  Am  .steil  zu  übersehen  bei  M.  Hörnes.  Urgesch  .1.  bild.  Kunst  in  Europa 
Tf.  \  und  III.  Zu  den  letzteren  versäume  man  nicht  das  von  S.  Reinach  (Bev.  arch. 
L895,  1  i>.  379  Fig  3j  publizierte  Tonidol  zu  vergleichen,  da  es  eine  auffallende  Ähnlich- 
keit hat  mit  den  Steinfiguren  der  ägäischen  Kultur. 

5)  Von  der  wichtigeren  Literatur  zitiere  ich;  ündset,  Zeitschr.  f.  Ethnol.  -- 
S.  217.  M.  Wosinsky,  D.  prähist  Schanzwerk  von  Lengyel  III  IV.  fl".  Naue,  Bronze- 
zeit in  Oberbayern  S.  145 ff.  S.  Müller.  Ursprung  u.  erste  Entwicklung  d.  europäischen 
Bronzekultur  Anh.  f.  Anthrop.  XV  :;.".:i  .  0.  Montelius,  Arch.  f.  Anthrop.  \\I.  36. 
Chr.  Blinkenberg,  Mem.  de  la  so,-,  des  Ant.  du  Nord  S.  lüff.  M  Hörnes,  Urgesch. 
d.  bild.  Kunsl  s.  291  ff. 

iii  Von  diesem  ^ dl<e  ist  bereits  die  zweite  Auflage  1  ei  Costenoble  1904  erschienen: 
der  erweiterte  Abschnitt  übet  die  (reometrische   und   die   farbige  Dekoration    der  G 
und  die  Spirale  im  besonderen  S.  71ff.    Vgl.  meii  rwähnten  Vortrag  1903. 

n 


—    636    — 

ausgebeutet  worden,  sondern  erseheint  sogar  beträchtlich  abgeschwächt 
durch  seinen  Versuch,  die  trojanischen  Schatzfunde  „höchstens  der  Mykenä- 
kultur"  zuzuweisen  (S.  119).  Das  Misslingen  dieses  Versuches  glaube  ich 
durch  die  oben  durchgeführte  typologische  Behandlung  der  Hängespiralen 
erwiesen  zu  haben. 

Für  die  engeren  vormykenischen  Beziehungen  der  Balkan-  und 
Donauländer  zum  ägäischen  Kulturkreise  kommt  vor  allem  die  Gefäss- 
malerei  in  Betracht.  Sie  lässt  sich  nicht  abtrennen  von  der  Spiral- 
ornamentik  und  der  Tonplastik.  Auch  die  Kunst,  mit  mehrfarbigen 
Mustern  die  Gefässe  zu  bemalen,  die  in  der  älteren  ägäischen  Kultur  ihren 
Höhepunkt  und  ihre  Blüte  auf  den  sogen,  „mykenischen"  Vasen  erreicht, 
erscheint  im  Vergleiche  damit  als  ein  älteres  Kulturfaktum  in  den 
mitteleuropäischen  Fundgebieten.  Hier  sehen  wir  mit  der  jungneolithischen 
Tonplastik  auch  die  bemalte  Keramik  in  lokaler  Vereinigung  und  müssen, 
wie  bei  jener,  die  Frage  aufwerfen: 

Steht  die  Vasenmalerei  der  älteren,  ägäischen  Kultur  in 
einem  ursächlichem  Zusammenhange  mit  der  jungneolithischen 
bemalten  Keramik  des  unteren  Donaugebietes? 

Da  diese  Frage  auf  den  ersten  Blick  namentlich  in  den  Kreisen  der 
klassischen  Archäologie  gewiss  Befremden  erregen  wird,  von  den  Prä- 
historikern dagegen  in  der  Eegel  in  dem  Sinne  beantwortet  worden  ist, 
dass  die  mitteleuropäische  Grefässmalerei  unter  dem  Einflüsse  der  süd- 
europäischen stehen  müsste,  muss  ich  ausführlicher  auf  das  einschlägige 
Material  und  die  zugehörige  Literatur  eingehen. 

Die  Funde  gehören  meist  dem  jüngsten  Abschnitte  der  Steinzeit  an, 
in  dem  bereits  das  Kupfer,  wenn  auch  spärlich,  aufzutauchen  beginnt. 
Folgende  Fundstellen  oder  Fundgebiete  sind  zu  nennen: 

1.  Lengyel,  Kom.  Tolna  in  Ungarn,  auf  der  rechten  Donauseite, 
südlich  von  Budapest.1) 

Die  Bemalung  habe  ich  durch  Augenschein  festgestellt  auf  den  hohen, 
zylinderförmigen  Füssen  von  schalenartigen  Aufsätzen  („pilzförmige  Ge- 
fässe") und  auf  zahlreichen  Scherben.  Teils  sind  grössere  Teile  des  Ge- 
fässes  mit  roter  Farbe  überzogen,  also  nach  Art  der  „monochromen" 
Technik  behandelt,  teils  werden  auf  dem  schwarzgrauen  Tongrund  die 
Muster  in  roter  oder  gelber  Farbe  aufgemalt;  ausserdem  findet  sich 
Malerei  auf  gelbem  Tone  mit  gelbem,  stumpfem  Überzüge.  Zu  den  rot- 
oder  gelbüberzogenen  Gefässen  kommen  auch  grautonige  mit  schwarzem 
Überzuge.  Die  Muster  sind  sowohl  geradlinige,  wie  Spiralen  und 
zwar  ist  es  in  der  Regel  die  fortlaufende  Spirale,  der  sogen,  laufende 
Hund,  der  in  einer  oder  mehreren  Reihen  erscheint.  Diese  Spiralreihen 
können  mit  breiteren  oder  schmäleren  Parallelstreifen  vereinigt  sein;  in 
einem  Falle  habe  ich  derartige  seh  rüg  laufende  Bänder  konstatieren 
können. 


1)  M.  Wosinsky,  D.  prähistor.  Schanzwerk  von  Lengyel  I— III.  Budapest  1888  ff. 
Die  Fände  befinden  sich  jetzt  in  den  schönen  Räumen  des  Tolnaer  Komitats-Museums  in 
Bzegzard  unter  dei  Fürsorge  des  Pfarrers  M.  Wosinsky.  Vgl.  Bf.  Hörnes,  Urgesch.  d. 
bild.  Kun-t  s.  296f. 


—     637     — 

.Jedenfalls  ordnet  sich  die  Spirale  hier  in  ein  Dekorationssystem  ein; 
und  die  Farbenskala  des  Dekors  ist  abwechselungsreich:  zwei  Farben 
(rot  oder  gelb)  auf  zweierlei  Intergrimd  (gr;ui>r|i\v;irz  und  gelb).1)  Ton- 
liereitnng  und  Brand  sind  dagegen  noch  nicht  aber  das  gewöhnliche  Mass 
prähistorischer  Töpferei  hinausgekommen. 

Uie  Keramik  von  Lengyel  stammt  ans  Skelettgräbern  mit  „liegenden 
Hockern"  und  steinzeitlichem  Grabinventar,  gehört  also  noch  der  reinen 
Steinzeit  an. 

2.  Tordos  bei  Broos,  am  südlichen  Ufer  des  Maros,  Koni.  Bunyad 
(Siebenbürgen). ~) 

Die  bemalte  Keramik  ist  a.  a  0.  S.  450ff.  behandelt  worden.  Technisch 
ist  es.  wie  in  Lengyel,  .Mattmalerei  auf  monochromem  Grunde.  Die  .Mal- 
farben sind  rot,  violettrot  und  violettbraun;  die  Muster  gleichfalls  gerad- 
linige und  Spiralen.  Das  Dekorationssystem  lässt  sich  aber  bei  dem 
trümmerhaften  Zustande  der  Überreste  nicht  sicher  feststellen:  meist  scheint 
es  sich  um  grossere  Volutenanordnungen  zu  handeln.  Dass  jedoch  diesem 
Kreise  die  fortlaufende  Spirale  nicht  unbekannt  ist.  zeigen  die  Stücke 
mit  eingetieften  Ornamenten  (a.  a.  0.  S.  446). 

AYie  eng  noch  die  Malerei  mit  der  monochromen  Technik  zusammen- 
hängt, beweisen  Gefässe,  deren  aufgemalte  Ornamente  für  sich  durch 
Politur  glänzend  gemacht  sind.  Zum  Teil  geht  die  .Malerei  noch  neben 
der  Tiefornamentik  her:  aufgemalte  Farbstreifen  können  durch  eingetiefte 
Furchen  begrenzt  werden  oder  die  Zonen  mit  eingetieften  Ornamenten 
bleiben  tongrundig,  die  übrige  Fläche  wird  mit  rotem  Überzug  versehen 
und  geglättet. 

Beachtenswert  ist  eine  bemalte  Gefässgruppe,  die  sich  durch  scharf 
gebrannten  Ton  und  weissen  Überzug  auszeichnet,  technisch  also  schon 
eine  vollkommenere  Stufe  vertritt,  als  die  vorliegende  Keramik  von 
Lengyel. 

Die  Funde  von  Tordos  stammen  von  Ansiedelungsplätzen;  die  zu- 
gehörigen Gräber  fehlen  uns  noch. 

Noch  bedeutender  und,  wie  es  scheint,  wichtiger  sind  die  sieben- 
bürgischen  Funde  am  Altflusse  bei  Kronstadt,  deren  Aufdeckung 
wir  Julius  Teutsch  ebenda  zu  verdanken  halten:  von  diesen  kommen 
für  die  laufende  Untersuchung  in   Betracht,  die  vom 

3.  Priesterhügel  bei  Brenndorf,  Koni.  Kronstadt  und  von  Erösd 
am    rechten    Altufer.    Koni.    Earömszek.8) 

Die  verschiedenen  Gefässgruppen  sind  folgende:*) 


li  Ein  gul  erhaltenes  Exemplar  bei  Wosinsky  a.a.O.,  II  S.  L93f.  beschrieben. 

2)  Darüber  zuletzt:  Zeitschr.  f.  Ethnol.  1903  S.  I38ff. 

.">)  Gewonnen  im  Laufe  mehrerer  Jahre  und  veröffentlicht  ?on  Julius  Teutsch, 
Mitteil,  anthrop.  Gesellsch.  Wien  L900  S.  L93ff.  IfitteiL  d.  pr&hist.  Komm.  <L  k.  Akad.  d. 
Wiss.  Wien  L903.  Proben  dieser  Funde  sah  ich  im  Jahre  L902  im  Wiener  Hofmuseum; 
ebensolche  3ind  oenerdings  auch  nach  Berlin  ins  kgl.  Blas,  f.  Völkerk.  gekommen  und  die 
Grundlage  für  die  obigen  Ausführungen  gewesen:  vgl.  Zeitschr.  f.  Ethnol.  L904,  1451 

I  Die  hier  gegebene  Anordnung  und  Charakteristik  weicht  von  der  bei  Teutsch 
a.  a.  0.  S.  1 1 IV.  nichl  unwesentlich  ab.     [Die  Sammlung  Teutsch  sah  ich  erst  Juli  1904. 


—     638     — 

I.  monochrome,  ohne  Bemalung; 

a)  rohe,  unpolierte,  graue  oder  rötliehe  Ware    z.  T.  in  Tieftechnik 

verziert. 
I>)  fein-monochrome,  schwarz  oder  braun,  überzogen  und  gut  poliert, 
z.  T.   „gerippt",  d.  h.  mit  horizontalen,  flachen  Hohlkehlen  ver- 
schen.    Unter  den  gut  polierten  fallen  als  Sondergruppe  solche 
heraus,  deren  äusserer  Rand  und  innere  Seite  geschwärzt  sind, 
während  die  untere  Hälfte  der  Aussenseite  braun  oder  gelb  ist. 
In  diesen  beiden  Gruppen  ist  Tonbereitung  und  Brand  noch 
unvollkommen;  vgl.  die  Technik  der  Gruppen  IIa,  b. 
IL  die  bemalten  Gefässe. 

Um  gleich  die  Hauptsache  vorauszuschicken:  das  Wesentliche  ist 
technisch  die  Verbindung  der  Malerei  mit  der  monochromen 
Technik;  dieselben  Gefässe,  die  ohne  Ornamente  monochrom  in  aus- 
gezeichneter Technik  vorliegen,  werden  mit  Mustern  bemalt;  die  Malerei 
vertritt  also  hier  die  Tiefornamentik;  den  Malgrund  gibt  die  monochrome, 
überzogene,  gut  polierte  Oberfläche  ab  und  zwar  hat  diese  die  Grundtöne 
grau,  schwarz,  hellbraun.  Von  eigenartiger  Wirkung  sind  die  halb* 
geschwärzten  Gefässe,  die  eigentlich  „bichrom"  zu  bezeichnen  wären. 

Was  Tonbereitung  und  Brand  dieser  soeben  gekennzeichneten 
Gefässe  anlangt,  so  stimmen  sie  mit  der  Gruppe  I  b  überein.  Der  Ton 
ist  nicht  besonders  fein  geschlemmt,  grau  erdfarben,  im  Bruche  z.  T. 
etwas  gerötet,  aber  wenig  und  selten,  meist  dunkelgrau  oder  auch  kohlen- 
schwarz  und  an  den  Bruchrändern  vielfach  bräunlich.  Die  Oberfläche  ist 
mit  einem  farbigem  Überzuge  versehen  und  meist  sehr  gut  poliert,  schwarz 
oder  hellbraun;  auffallend  sind  die  schon  erwähnten  „bichromen"  mit  ge- 
schwärztem Räude.  Das  mag  der  Einfluss  des  Brandes  sein,  der  diese 
Schwärzung  hervorruft,  ist  aber   jedenfalls  absichtlich  und  künstlich. 

In  einem  Falle  lässt  sich  sogar  ein  Neben-  bezw.  Untereinander  von 
3  Tönen  feststellen:  oben  eine  schwarze  Zone,  darunter  eine  hellbraune 
gut  geglättete,  unter  dieser  schliesslich  eine  graugelbe,  nicht  geglättete. 
(Gruppe  II,  1.) 

\  on  dieser  Gruppe  zeichnet  sich  eine  andere  (II,  2)  durch  bessere 
Technik  aus  und  geht  mit  der  gleich  zu  nennenden  polychromen  Keramik 
zusammen;  ihr  Ton  ist  rötlich  braun,  gut  durchgebrannt  und  mit  einem 
eleganten  braunen,  gut  polierten  Überzuge  versehen.  Die  aufgemalten 
weisses  schmalen  Streifen  stimmen  mit  dev  vorigen  grautonigen  Gruppe 
völlig  überein. 

Auch  ist  bei  beiden  die  nicht  sichtbare  Innenseite  gleichartig  behandelt, 
graugelb,  roh,  mit  Spuren  von  Hissen,  die  der  Gegenstand  zurückgelassen 
hat.    womit   die    Fläche   bestrichen   wurden    ist. 

Was  die  Formengebung  anlangt,  so  sind  beiden  Gruppen  horizontale, 

flache  Bohlkehlen  charakteristisch;  dazu  treten  entweder  Tupfen  in 
>\<-v  Grösse  der  Pingerspitzen,  die  auf  die  hellen  Stege  zwischen  den 
Hohlkehlen  eingedrückt  werden,  oder  auch  scheibenförmige  und  ovale 
Buckel,  die  mitunter  von  halbrunden,  in  der  Mitte  sich  verbreiternden 
Wülsten  umgeben  sind. 


—    639    — 

Nach    der    Bemalung    kann    man    bei  Gruppe  II.   I   folgende  I  ater- 
gruppen   unterscheiden: 

a)  mit  weisser  oder  gelblicher  Farbe,  die  auf  die  polierte  Ober- 
fläche aufgetragen  wird,  dass  Weiss  vielfach  sehr  dünn,  z.  T. 
scheint  die  Farbmasse  abgesprungen  zu  sein,  bo  dass  nur  weise 
schimmernde  Linien  zurückgeblieben  Bind,  das  Gelb  etwas  dicker 
und  fester.  Die  einfachsten  Muster  bestehen  in  horizontalen, 
schmalen  Streifen,  die  auf  die  Stege  /wischen  die  Eohlkehlen 
gesetzt  werden;  auch  die  oben  genannten  'rupfen  werden  mit  weisser 
Farbe  aberzogen;  ferner  Zickzackmuster  und  dergl.  (vgl.  dazu  bei 
Teutsch  Fig.  79—84;  88—90;  unter  diesen  ist  auch  ein  Spiral- 
muster beachtenswert).  Die  Buckel.  Scheiben  und  Wülste  sind 
ebenfalls  von  weissen  Farbstreifen  umzogen.  (Nach  Teutsch 
Gruppe  II,  la  und  II,  2.) 

b)  mit  mattroter  Farbe;  doch  kann  ich  nicht  feststellen,  ob  diese 
hellrote  Farbe  allein  und  selbständig  sich  findet;  in  den  mir  vor- 
liegenden Fällen  wird  sie  auf  das  dünn  aufgetragene  Weiss  auf- 
gesetzt, das  dem  Rot  als  Untergrund  dient,  wahrscheinlich,  damit 
dieses  besser  haftet.  Die  roten  Streifen,  die  besonders  am  Rande 
beliebt  zu  sein  scheinen,  sind  auffallend  breit  gehalten. 

Ohne  Autopsie  kann  ich  nicht  sagen,  ob  die  von  Teutsch  mit  den 
Figuren  85  und  86  gegebenen  Stücke  (=  Gruppe  II,  1  b)  mit  den  eben 
beschriebenen  etwas  gemein  haben:  sie  sind  weiss  und  rot  bemalt,  also 
bichrome  Malerei. 

Was  unsere,  in  der  Brenntechnik  fortgeschrittenere  Gruppe  (II.  2) 
betrifft,  bo  wird  sie  ebenso  mit  einfachen  schmalen  Streifen  bemalt,  wie 
die  Gruppe  II,  1.  (iute  Proben  dieser  Art  liegen  von  Erösd  vor.  Wichtig 
ist  ein  Bruchstück,  auf  dem  das  Creme  grössere  Flächen  auf  der  polierten 
Oberfläche  zwischen  den  breiten  Hohlkehlen  einnimmt. 

Von  untergeordneter  Bedeutung  scheint  eine  dritte  Gruppe  zu  sein, 
für  die  charakteristisch  ist: 

«•)  Verbindung    von    Kitztechnik    (Tiefornamentik)    mit    roter 

Farbe  als  Grundton  (bei  Teutsch  Fig.  87). 
Ob  hier  monochrome  Technik  oder  Malerei    vorliegt,    kann    ich  nicht 
entscheiden. 

Dagegen  spielt  eine  überwiegende  Bolle  die  vierte  Gruppe,  die  wir 
mit  gewissem   VorbehaH  als 

d)  polychrome  Malerei  bezeichnen  wollen  (  Teutsch  Q,  3  . 
Die  Technik  weis!  hier  in  Tonbereitung  und  Brand  einen  entschiedenen 
Fortschritt  gegenüber  unserer  Gruppe  II.  1  auf  und  schliessl  sich  an  die 
der  Gruppe  II.  2  an.  Bei  dünnwandigen  Gelassen  ist  der  Ten  fein  ge- 
schlemmt, im  Bruch  durchweg  gebrannt,  und  /.war  entweder  gelb  oder  ins 
rötliche  übergehend  oder  durchweg  gleichmässig  Biegelrot  und  klingend 
aar!  gebrannt;  bei  dickwandigen  Gefassen  isl  der  Ton  /.war  etwa-  gröber, 
aber  auch  immer  gleichmässig  durchgehends  gebrannt.     In    keinem    Falle 


—     640     — 

ist  jedoch  die  Kenntnis  der  Töpferscheibe  bei   den   in  Berlin  befindlichen 
Stücken  beobachtet  worden. 

Die  gewöhnliche  Dekorationstechnik  besteht  im  Auftragen  von  3 
bis  4  Farben  und  nachheriger  Politur  der  ganzen  Oberfläche. 
Bei  flüchtigerer  oder  gröberer  Technik  mag  letztere  unterblieben  sein, 
aber  in  vielen  Fällen  zeigt  sich  ein  emailartiger  Glanz,  der  dem  mehr- 
farbigen Gefäss  gewiss  ein  prächtiges  Aussehen  verlieh. 

Nach  dem  Verfahren  beim  Auftragen  der  verschiedenen  Farben  lassen 
sich  folgende  Untergruppen  unterscheiden: 

a)  das  ganze  Gefäss  wird  nach  Art  der  „monochromen"  Technik 
farbig  überzogen,  gelb  oder  braun;  darauf  werden  die  weissen 
Muster  aufgemalt  und  als  dritte  Farbe  folgt  mattschwarz,  womit 
das  Weiss  eingefasst  wird.  Also  die  3  Farben  werden  aufein- 
ander gesetzt. 
ß)  der  Überzug  des  ganzen  Gefässes  unterbleibt.  Die  Farben,  weiss, 
braun  bezw.  gelb  oder  rotbraun,  werden  nebeneinander  auf  dem 
Tongrunde  aufgetragen;  als  dritte  folgt  mattschwarz,  das  neben 
das  Weiss,  aber  auf  die  dunklen  Töne,  braun  oder  rotbraun,  ge- 
setzt wird.  Also  die  3  Farben  werden  teils  nebeneinander, 
teils  aufeinander  gesetzt. 
y)  die  3  Farben,  weiss,  braun  bezw.  rotbraun  oder  gelb,  und  schwarz 
werden  gewissermassen  als  gleichberechtigt  und  gleichbedeutend 
nebeneinander  auf  den  Tongrund  gesetzt. 

d)  4  Farben  habe  ich  in  einem  Falle  konstatiert:  creme  und  rot- 
braun nebeneinander  in  breiten  Streifen  auf  dem  Tongrunde, 
schwarz  und  weisslich-grau  als  Deckfarben,  das  erstere  auf  dem 
Rotbraun,  das  letztere  auf  dem  Creme  in  schmalen  Streifen  als 
Randeinfassung. 

Diese  Gruppierung  a — «3  ist  überaus  wichtig  und,  wie  es  scheint,  allein 
massgebend  für  die  Beurteilung  der  ganzen  Polychromie.  Bevor  ich  aber 
auf  sie  näher  eingehe,  will  ich  noch  eine  fünfte  Hauptgruppe  der  be- 
malten Gefässe  hervorheben,  die  bei  Teutsch  keine  genügende  Be- 
achtung und  Würdigung  gefunden  hat;  sie  scheint  auf  Erösd  beschränkt 
zu  sein  und  ist  als 

e)  bichrome  Malerei  abzusondern,  wohl  zu  unterscheiden  von  den 
„bichromen"  Gefässen,  die  oben  im  Zusammenhange  mit  den 
„monochromen",  d.  h.  einfarbig  überzogenen  und  geglätteten,  aber 
ursprünglich  garnicht  bemalten  genannt  worden  sind. 

Tonbereitung  und  Brand  sind  auf  derselben  Stufe  wie  bei  der  Gruppe  d. 
Zwei   Unterabteilungen  möchte  ich  dabei  unterscheiden: 

aa)  Die  eine  entspricht  den  vorigen  polychromen  Gruppen,  unter- 
scheidet sich  nur  von  ihnen  durch  die  Beschränkung  auf  zwei 
Farben:  weiss  und  schwarz;  beide  werden  auf  den  nicht  über- 
zogenen und  nicht  polierten  Tongrund  aufgetragen,  weiss  in 
breiteren  und  schmäleren,  scheinbar  spiralig  verlaufenden 
Streifen,    schwarz    als    Randeinfassung.      Die    Technik    ist    im 


—     (541      — 

ganzen   sehr    flüohtig;    Politur    des    Ganzen    scheint    auch  Aus- 
nahme zu  sein, 
bb)  J)io  weisse  Farbe  dieni  zum  Überzüge  des  ganzen  Gefasses  und 
wird   Malgrund  für  Bchmale,  mattschwarze  Streifen  oder  Linien, 
welche  die  Zeichnung  oder  «las  .Muster  abgeben. 
Auch  hier  ist  der  Ton  scharf  und  hart  gebrannt;  doch  gibt  es  gröbere 
und  feinere   Arten. 

Diese  letztere  Gruppe  bb  finden  wir  hei  Teutscli  S.  26  Fig.  136—142. 

Trifft  die  obige  Charakteristik  der  polychromen  Maltechnik  in  den 
Gruppen  a—d  zu.  dann  ergibt  sich.  dass  Teutseh  die  ursprüngliche  Ab- 
sicht der  Yasendekorateure  missversteht  und  das.  was  „Gefässmalerei" 
eigentlich  bedeutet,  gänzlich  verkennt.  Nach  Teutscli  sind  die  Gefässe 
„in  der  Regel  mit  roten,  schwarzeingefassten  Bandornamenten 
verziert:  Zwischengrund  weiss  oder  orangerot".  (Siehe  Fig.  '.»1 
bis  '.'7.i  Was  hier  „Ornament"  genannt  wird,  ist  in  Wirklichkeit  Mal- 
grund, und.  was   „Zwischengrund"  heisst,    ist    eigentliches  Ornament. 

Wie  uns  die  Gruppe  IIa  beweist,  ist  das  Dekorationsmittel  die 
weisse  Farbe,  und  daran  haben  wir  festzuhalten,  wenn  wir  die  (iruppelld 
verstehen  wollen.  Der  Ausgangspunkt  für  die  Stilentwicklung  ist  die  ein- 
fache Linienornamentik,  sowohl  geradlinige  wie  spiralige  mit  weisser 
Farbe  auf  dunklem  Grunde,  wie  sie  in  der  Gruppe  IIa  zu  finden  ist. 
Gruppe  lld  bietet  schon  eine  degenerierte  Form  dieser  Spiralornamentik, 
einen  dekadenten  Dekorationsstil.  In  einzelnen  Fällen  lässt  sich  das 
augenscheinlich  beweisen. 

Der  Unterschied  von  Ornament  und  Malgrund  lässt  sich  erkennen  an 
dem  /wecke,  den  das  .Mattschwarz  erfüllt.  Abgesehen  von  der  vereinzelten 
Technik  bei  ••  wird  Schwarz  niemals  auf  Weiss,  sondern  neben  Weiss 
gesetzt,  dagegen  auf  Braun  oder  Rotbraun;  daraus  geht  hervor,  dass 
die  weissen  Streifen  einfasst;  Rotbraun  und  Braun  ist  dagegen  der  Über- 
zug <\'-r  Gefässfläche,  wie  die  Gruppe  lld,  a  beweist.  Auch  die  poly- 
chrome Gattung  ist  also  in  ihren  Ursprüngen  nur  die  Ver- 
bindung zweier  Malfarben  mit  der  monochromen  Technik:  in  der 
Folge  erspart  man  sich  einfach  das  f herziehen  des  ganzen  Gefasses  und 
setzt  das  weisse  Ornament  neben  den  dunklen  Malgrund:  dieser  aber 
verliert  immer  mehr  an  Bedeutung,  das  Weiss  nimmt  immer  grössere 
Teile  i\vv  Gefässob  er  fläche  für  sich  in  Anspruch  und  so  entsteht  beim 
Verfall  des  strengen  Stils  schliesslich  die  letzte  Gruppe  He,  bb,  wo  das 
Weiss    die    ganze  Oberfläche   überzieht    und    zum   Malgrund   wird. 

Also  liegen  in  den  oben  skizzierten  Gruppen  die  Vorgänge  vor  uns. 
die  sich  bei  der  allmählichen  Entwicklung  des  Mal>til>  hinter  einander 
abspielen.  Wie  eng  aber  die  polychrome  Gruppe  mit  der  einfarbig  be- 
malten sich  berührt,  geht  aus  der  Gruppe  II,  2  hervor,  die  in  Tonbereitung 
und  Brand  durchaus  mit  der  polychromen   und    bichromen  übereinstimmt 

Im  einzelnen  möchte  ich  noch  auf  folgende  Beispiele  eingehen,  bei 
denen  mir  Teutseh  eine  irrtümliche  Auffassung  des  vorliegenden  Dekors 
zu  dokumentieren  scheint: 


—     6-12     — 

Bei  den  „eckig  gewordenen"  Hakenspiralen  der  Fig.  103  lässt  sich 
Ornament  vom  Malgrund  gewiss  schwer  unterscheiden,  weil  die  Flächen- 
wirkung von  beiden  gleichartig  ist:  das  Ornament  wird  gebildet  von  den 
schwarzeingefassten,  weissen  Bändern;  der  übrigbleibende  Malgrund  zeigt 
das  Gegenbild  von  der  eigentlichen  Ornamentform.  Ganz  gewiss  haben 
wir  aber  bei  dem  Fragment  Fig.  105  zurücklaufende,  weisse  Band- 
spiralen,  nicht,  wie  Teutsch  will,  „ineinander  greifende  Bogenband- 
ornaniente";  letztere  Gestalt  hat  nur  der  Malgrund.  Hecht  lehrreich  ist 
Fig.  109,  ein  Randstück;  Teutsch  sagt:  „aussen  sind  wieder  aneinander 
gereihte  Rautenfiguren  mit  denselben  raumfüllenden  Dreiecken,  nur  er- 
scheinen hier  statt  der  Zentralkreise  „schnörkelartige  Spiralfrag- 
mente". Letztere  sind  aber  die  sichtbar  werdenden  Reste  vom  Mal- 
grund, deren  Form  durch  das  Nebeneinandersetzen  von  zwei  weissen 
Bandspiralen  entsteht;  in  der  Mitte,  wo  sie  am  nächsten  gegenüberstehen, 
werden  sie  eckig  gebrochen,  ein  Vorgang  also,  der  mit  der  Umbildung 
der  Spirale  in  die  Mäanderform  parallel  geht;  dadurch  entsteht  ein  winkel- 
förmiger Raum,  der  durch  ein  weisses  Winkelband  ausgefüllt  wird;  die 
schwarzen  Streifen  sind  nur  die  Einfassungen  der  weissen  Ornamentbänder. 
Audi  bei  dem  Bruchstück  eines  Napfes  (Fig.  102),  wo  nach  Teutsch 
„die  Zeichnung  durch  die  Deckfarbe  (creme)  auf  dem  rot  grundierten 
<ii't'ä>s<>  ausgespart  und  nachher  mit  schwarzen  Linien  eingefasst  wurde", 
sehe  ich  am  Rande  des  (lefässes  einen  Ausschnitt  aus  einer  degenerierten 
Spiralbanddekoration. 

Allerdings  liegt  das  Bestreben  vor,  möglichst  viel  von  der  (Jefäss- 
fläche  mit  der  weissen  Farbe,  die  poliert  gewiss  sehr  dekorativ  war,  zu 
überziehen,  und  es  mag  dabei  den  Yasenmalern  selbst  mitunter  das  Be- 
wusstseio  des  Unterschiedes  von  Ornament  und  Malgrund  abhanden  ge- 
kommen sein.  So  scheint  ein  Wechsel  in  der  Bedeutung  von  Ornament 
und  Malgrund  bei  dem  Napf  Fig.  104  wirklich    schon    vollzogen    zu  sein. 

Als  eine  kunstgeschichtlich  hoch  bedeutsame  Parallele  für  einen  der- 
artiger Vorgang  mag  der  Übergang  vom  schwarzfigurigen  zum  rotfigurigen 
Stil  in  der  attischen  Vasenmalerei  aus  dem  Ende  des  VI.  Jahrhunderts  v.  Chr. 
erwähnt  werden.  Doch  scheint  eine  ähnliche  Neubelebung  des  Dekorations- 
stils bei  unserer  neolithischen  Keramik  nicht  eingetreten  zu  sein.  Im 
Gegenteil  liegen  hier  bereits  die  Anzeichen  des  Stilverfalls  vor,  und  in 
der  Tat  können  wir  geschichtlich  eine  weitere  Entwicklung  der  poly- 
chromen Malerei  nicht  verfolgen.  Ob  die  Vasenmalerei  der  Hallstattzeit 
in  irgend  einem  Zusammenhange  mit  der  steinzeitlichen  steht,  wäre  ein 
sehr  interessiint.es  Problem   für  eine  Spezialuntersuchung. 

Dagegen  ist  es  beachtenswert,  dass  die  Umbildung  der  Spiralen  in 
Mäanderformen  auch  in  der  bemalten  Keramik  vor  sich  geht,  wie  die 
Figuren  L13  und  1*21  zeigen.  Die  neolithische  Vasenmalerei  scheint  also 
in  Siebenbürgen  der  Tieftechnils  parallel  zu  gehen.  Ich  finde  sogar  eine 
engere  Stilverwandtschaft  zwischen  beiden  Gefässgruppen,  wenn  ich  die 
zuletzt  genannte  Fig.  121  mit  den  eingetieften  Mustern  eines,  in  der  Zeit- 
Bchrifl  für  Ethnologie  \{.H)'/>  S.  4 r»  1  Fig.  32c  publizierten  Bruchstückes  aus 
K  lausenburg  vergleiche. 


—     643     — 

Wir  dürfen  also  nunmehr  auch  die  polychromen  Gefässgruppen  von 
Siebenbürgen  im  Zusammenhange  mit  der  Büdost-europäischen  sogen.  Band- 
keramik der  neolithischen  Xci t  betrachten. 

Der  Altlluss  tritt  nach  «lein  Durdigaii^  durch  «las  transsylvanische 
Gebirge  in  <lic  untere  Donauebene,  wo  er  sich  in  Rumänien  mit  der 
Donau  vereinigt,  and  bring!  uns  so  in  einen  unmittelbaren  Zusammenhang 
mit  dem  Gebiete  des  l'ruth,  Dnjepr  und  Dnjestr,  wo  andere,  wichtige 
Bpätneolithische    Stationen    mit    bemalter  »Keramik    entdeckt   werden  sind. 

Da  ich  dieses  Material  noch  nicht  nach  Autopsie  kenne,  will  ich  mich 
auf  eine  Angabe  der  Literarischen   Notizen   beschränken.1) 

4.  Rumänien.  Ansiedlungsplätze  von  Cucuteni  und  Radoseni  bei 
Jassy.9)  Die  Keramik  weist  eingeritzte  und  aufgemalte  Verzierungen  auf 
und  zwar  geradlinige  und  Spiralmuster;  vg-1.  a.  a.  (>.  S.  261    Fig.  8,  ■|. 

."».  Galizien.  Absiedlungen  und  Gräber  mit  Leichenbrand  bezw. 
„symbolischen"  Bestattungen   im  Kreise   llusiatyn.3) 

6.  Bukowina.     Funde  von  Schipenitz  im    I'ruthtale.4) 
Besonders  zahlreich  sind  die   Funde  in  dem  Nachbargebiete  von 

7.  Südrussland  im  Gebiete  des  Dnjepr  und  Dnjestr.  Hier  sind  wir 
auch  in  der  glücklichen  Lage,  gute  Abbildungen  von  vortrefflich  er- 
haltenen (iefässen  aus  der  Kollektion  Khauenko  zu  haben.5)  Jüngst  hat 
auch  E.  v.  Stern  Ausgrabungen  in  einer  neolithischen  Station  im  Distrikt 
von  Bieltzy  in  Bessarabien  vorgenommen  und  in  den  Trümmern  von 
Tonkonstruktionen  („dans  les  decombres  de  construetions  en  argile") 
massenhaft  bemalte  Keramik  der  gleichen  Art,  wie  die  in  Rede  stehende 
gefunden,  darunter  solche  aus  rotem  Ton  mit  schwarzer  Bemalung,  in 
zwei   Fällen  mit   Darstellungen  des  Menschen  und   Tieres.") 

Am   weitesten  nach   Westen  linde  ich  diese  neolithische   Keramik  in 


1  Inzwischen  habe  ich  fast  das  ganze,  einschlägige  Material  in  den  Originalen 
studieren  können,  muss  mir  aber  eine  ausführlichere  Behandlung  desselben  für  ein.'  andere 
Gelegenheit  aufsparen.] 

2)  Archiva  Societatri  stiintific  si  literare  dni  Jasi  1 257— 270.    fcL  Hörnes,  ürg 
d.  bild.  Kunst  S.  210  f.,  vgl.  Zeit*ehr.  f.  Kthnol.   L903  S.  166. 

3)  Kohn  und  Mehlis,  Materialien  I  237.  G.  Ossowski,  Sprawozdanie  z  wyciezki 
paleoetnol.  po  Galiciyi  1881  p.  35.  Weitere  Funde  aufgezählt  von  PaDiardi,  Mituil. 
d.  prahlst.  Kommiss.  Wien  1897  I,   I  S.  262f.  und  M.  Hörnes,  Urgesch.  S.214f. 

!  Romstorfer,  Mitteil,  d.  k.  k.  Zentralkommission  \I\  L893  S.  243,  256  Fig.  29 
bis3l.    Szombathy  im  Jahrb.  d.  Bukowinaer  Landesmuseums  1894  S.  "».     Vgl.  M.  H 

a    a.  <).   S.  2]  !. 

5  Coli.  Khauenko,  Antiquitös  de  la  region  du  Dnjepr  I  pl.  VII.  Von  der  übrigen 
Literatur  nenne  ich:    Vortrag    von  Antonowitsch   auf  dem  X.  arch.  Kongresa  zu  Riga 

Berichl    von    Stieda,   Arch.  f.  Anthrop.  XXV  L898   S  78).     Zusammenfassende   Berichte 
mit  Berücksichtigung  der  ostgalizischen  Funde   von    Zahorowski    i Bulla,  de  la  - 
d'anthropol.  de  Paris  L900  S    l.'-l  f.    und  von  Th.  Volkov  (Oongres  internal.  d'Anthropol. 
et  d'Archeologie  prehistorique  ä Paris  1900  S.  U)lft).    Volkov  nennt  Gcfasse  in  Scheiben- 
technik.   [Ich  habe  solche  nicht  feststellen  können. 

6  Vortrag  auf  dem  Archaol.-Kongrese  in  Kharkow  L903  Berichl  von  Th.  Volkov, 
['Anthropologie  1903  S.  1141).  Eine  Publikation  mit  zahlreichen  Abbildungen  bereitel 
E.V.  Stern  vor.     (Auf  die  Arbeiten  von  Chwoika  (Kiew)  komme  ich  später  zurück. 


—     644     — 

8.  Mähren  und  Niederösterreich.  Wohngruben  mit  zahlreichen 
Kulturresten,  untersucht  von  Palliardi.1) 

Alle  bisher  aufgezählten  Funde  gehören  den  Gebieten  nördlich  vom 
Balkan  an.  Es  ist  überaus  wichtig,  dass  dieselbe  jungneolithische  poly- 
chrome  Keramik  auch  südlich  vom  Balkan  gefunden  worden  ist. 

9.  Ost-Rumelien.  Tell-Racheff,  nordöstlich  der  Stadt  Jamboli. 
Hier  sind  im  Jahre  1900  von  G.  Seure  im  Auftrage  der  französischen 
Schule  zu  Athen  Ausorabun<>en  begonnen  und  im  Jahre  1901  vom  fran- 
zösischen  Konsul  in  Philippopel,  Degrand,  im  Auftrage  der  Pariser 
Akademie  fortgesetzt  worden.  Eine  Sammlung  von  Funden  ebendaher 
hat  Jeröme  zusammengebracht2);  er  glaubt  die  Überreste  einer  Töpfer- 
werkstatt gefunden  zu  haben. 

Die  von  ihm  beigebrachten  zahlreichen  Abbildungen  zeigen,  dass  der 
Stil  dieser  Gefässmalerei  sich  eng  an  die  Gruppe  vom  Altflusse  anschliesst. 
Die  weisse  Farbe  scheint  immer  mehr  zum  Untergründe  für  die  Malerei 
geworden  zu  sein.  Es  vereinigen  sich  hier  geradlinige  Horizontal-  und 
Vertikalmuster  mit  der  Spiralornamentik,  ebenso  die  Ritzteclmik  mit  der 
Malerei.  Oben  bei  der  Betrachtung  der  Siebenbürgener  Gruppe  hatte  ich 
von  Ausschnitten  aus  Spiralmustersystemen  gesprochen.  Derartige  Streifen 
zeigen  auch  die  ostrumelischen  Parallelen  in  den  Fig.  11  und  13.  Wieder 
Stil  degeneriert,  sieht  man  auf  den  immerhin  imposanten  Gefässen  Fig.  3, 
4  und  14:  die  hakenförmigen  Motive,  welche  in  Reihen  nebeneinander 
gesetzt  werden,  sind  ursprünglich  die  tongrundigen  Zwischenräume  von 
fortlaufenden  Spiralbändern;  das  Muster  am  Rande  bei  Fig.  3  erklärt  sich 
als  Rest  von  nebeneinander  gesetzten  S-förmigen  Spiralen.  Es  wäre  sehr 
wünschenswert,  dass  die  Technik  dieser  Gruppen  ausführlicher  und  zu- 
verlässiger mitgeteilt  würde. 

Ehe  ich  selbst  einen  Versuch  wage,  die  aufgezählte  polychrome 
Keramik  zu  beurteilen,  will  ich  die  Urteile  der  Herausgeber  oder  Be- 
arbeiter derselben    kurz  zusammenstellen. 

Wosinsky  (1888)  führte  die  Technik  der  Malerei,  sowie  die  Spiral- 
ornamentik der  Gefässe  von  Lengyel  auf  die  Einflüsse  der  mykenischen 
Kultur  zurück. 

Ossowsky  (1881)  sieht  mit  bezug  auf  die  östlichen  Gruppen  in  den 
Gefässformen,  der  Bemalung,  sowie  in  der  technischen  Behandlung  des 
Materials  die  Einflüsse  der  griechischen,  keramischen  Kunst. 

Palliardi  (1897)  reiht  im  mährischen  Fundgebiete  die  polychromen 
(n't'ässc  als  sechste  Gruppe  unter  die  gesamte  steinzeitliche  Keramik 
Mährens,  die  er  im  ganzen  als  „Bandkeramik"  bezeichnet,  und  meint, 
dass  sie  zusammen  mit  dem  Obsidian  aus  Ungarn  gekommen  sei.  Von 
dieser  westlichen  Gruppe  sondert  er  die  östliche  in  Galizien,  der  Buko- 
wina und  Rumänien  ab  und  «lenkt  an  einen  Zusammenhang  mit  myke- 
aischer  Mattmalerei. 


1)  Palliardi  in:  Mitteil.  d.  prähist.  Kommiss.  Wien  I,   I.     L897  S.  237  ff. 

2)  Jöröme,    l'epoque   nöolithique  dans  la  ralläe  du  Tonsus  (Tlirace)    (Rev.  archeol. 
1902,  2  8.  328  ff.  and  Cosmos  L901  Nr.  834,  835). 


—     (545     — 

Zaborowski  (1900)  kann  in  Anlehnung  an  .sein.-  russischen  Gewährs- 
männer die  südrussische  Gruppe  mit  der  einheimiachen  Industrie,  die  im 
wesentlichen  noch  neolithisch  ist,  nicht  in  Einklang  bringen,  vergleicht  sie 
gleichfalls  mit  der  mv kenischen  Keramik  und  führt  sie;  auf  fremden  Ur- 
sprung  zurück.  Wäre  diese  Keramik  einheimischen  Ursprungs  —  so 
argumentiert  man  —  dann  müsste  man  in  der  Bronzezeit  ihr  weiteres 
Fortleben  erwarten;  sie  reicht  aber  nicht  über  das  Ende  der  Steinzeit 
hinaus. 

Volkov  (1 1)00)  —  er  berichtet  über  den  Pariser  Kongress  be- 
obachtet zwar,  dass  der  „prämykenische"  Charakter  der  polychromen 
Keramik  umsoniehr  abnimmt,  je  weiter  man  nach  Westen  kommt,  kann 
sich  alier  alle  Erscheinungen  nur  aus  der  Einwanderung  eines  Volkes  er- 
klären, das  Technik  und  Stil  mitgebracht  hätte;  dabei  denkt  er  sich  die 
nach  dem  schwarzen  Meere  zu  abgehenden  Flüsse  als  die  Wege,  auf  denen 
die  Einwanderer  eingedrungen  seien. 

Teutsch  (1900  und  11)03)  sieht  in  den  von  ihm  veröffentlichten 
Gruppen  Siebenbürgens  „barbarische  Nachahmungen  der  mykenischen 
Malerei,  die  schon  in  der  jüngeren  Steinzeit  und  in  der  früheren  Metall- 
zeit —  etwa  in  der  letzten  Hälfte  des  '2.  Jahrtausends  v.  Chr.  —  ihre 
Ausstrahlungen  nach  Norden  und  Nordwesten  bis  nach  Mähren  und  Nieder- 
österreich hatten",  und  erklärt  das  „plötzliche"  Auftreten  dieser  Malerei 
aus  einer  Einwanderung  von  handeltreibenden  Gewerbsleuten,  die  in  diese 
Gegenden  über  den  Balkan  und  am  Altflusse  entlang  gekommen  sein 
sollen;  dieses  Vordringen  nach  Norden  und  den  Siebenbürgischen  Handel 
schreibt  er  dem  phrygischen  Stamme  zu. 

E.  v.  Stern  (1903)  weist  —  allerdings  hypothetisch  —  die  durch  die 
polychrome  Keramik  Südrusslands  vertretene  Kultur  griechischen  Stämmen 
der  neolithischen  Zeit  zu,  den  Trägern  der  mykenischen  Kultur,  die  sich 
auf  ihrer  Wanderung  von  Nord  nach  Süd  auf  der  Balkanhalbinsel,  den 
ägäischen  Inseln  und   in  Kleinasien  niedergelassen  hätten. 

Zwar  kenne  ich  nicht  alle  oben  aufgezählten  Gefässgruppen  aus  eigner 
Anschauung,  doch  glaube  ich  auf  Grund  der  von  mir  erworbenen  Autopsie  zu 
der  Reihe  der  bereits  geäusserten  Meinungen  meine  eigene  hinzufügen 
zu  dürfen  und  berufe  mich  auf  den  in  der  Berliner  Archäologischen  Ge- 
sellschaft im  1-Ybruar  1903  gehaltenen  Vortrag,  in  dem  ich  mich  dahin 
aussprach,  dass  in  der  steinzeitlichen  bemalten  Keramik  Mitteleuropas 
nicht  nur  ein  der  „mykenischen"  Entwicklung  vorausgehendes  Kultur- 
faktum ü-e^eben  sei,  sondern  auch  die  Voraussetzungen  für  die  Eint- 
wicklung  der  mykenischen  Vasenmalerei  selbst  gesucht  werden  müssten.1) 

Diese  Auffassung  ist  den  meisten  der  oben  aufgeführten  Ansichten 
entgegengesetzt.  Nur  B.  v.  Stern  kommt  ihr  im  gewissen  Sinne  nahe: 
ob  sie  sich  mit  der  seinigen  deckt,  weis  ich  nicht.  Ich  will  daher  ver- 
suchen, etwas  ausführlicher  auf  »las  aufgestellte   Problem  einzugehen. 

Es    kann    keinem    Zweifel    unterließen,     dass   wir     unter    den    oben   auf- 


]|  [Ich  freue  mich  auch  jetzt  noch  an  dieser  meiner  Auffassung  festhalten  zu  können.] 


—     (Uli     — 

gezählten  Gruppen  bemalter  Keramik  chronologische  und  generelle  Unter- 
schiede werden  zu  machen  haben. 

Die  massgebenden  Kriterien  werden  wir  der  Technik  der  Gefässe 
und  ihres  malerischen  Schmuckes  zu  entnehmen  haben.  Äussere  Umstände 
der  Auffindung  unterstützen  uns  nur  in  allzu  geringem  Masse. 

Nach  dem  übereinstimmenden  Urteile  aller  derjenigen  Augenzeugen, 
die  uns  für  die  Auffindung  Bürgschaft  leisten,  haben  wir  die  Mehrzahl  der 
Gefässgruppen  dem  Ende  der  Steinzeit  zuzuweisen,  einer  Epoche,  in  der 
bereits  das  Kupfer  in  spärlichen  Mengen  aufzutreten  beginnt.  Dafür 
spricht  auch  in  den  meisten  Fällen  der  Charakter  des  Ornamentstils  und 
die  Technik  der  Malerei,  die  beide  eine  lange  Übung  und  einen  reifen, 
vielleicht  überreifen  Geschmack  voraussetzen.  Das  betrifft  meines  Er- 
achtens  sowohl  die  östlichen  wie  die  westlichen  Gruppen.  Nur  in  Ungarn 
begegnen  wir  Erscheinungen,  die  eine  besondere  Beurteilung  verdienen. 
Im  allgemeinen  hebt  sich  sowohl  nach  den  Fundumständen  als  nach  der 
Maltechnik  und  dem  strengen  Stil  der  Spiralornamentik  die  Lengyeler 
Gruppe  als  ältere  von  den  übrigen  ab;  in  sich  ist  sie  durchaus  ge- 
schlossen und  gehört  gewiss  noch  der  reinen  Steinzeit  an. 

Eine  weiter  gehende  Scheidung  in  technisch  sehr  verschiedene  Gruppen 
hat  die  Keramik  vom  Altflusse  zugelassen,  die  wir  den  Entdeckungen 
von  Teutsch  zu  verdanken  haben. 

Hier  kann  auch  kein  Zweifel  übrig  bleiben  über  das  relative  Alter 
der  verschiedenen  Gruppen;  sie  folgen  etwa  in  der  Reihenfolge,  in  der 
sie  oben  aufgezählt  worden  sind.  Was  die  bemalten  Gefässe  betrifft,  so 
ist  der  technische  Grundgedanke,  wenn  ich  so  sagen  darf,  bei  allen 
Gruppen  die  Verwendung  der  weissen  Farbe  auf  der  mono- 
chromen, polierten  Gefässfläche,  eine  Technik,  die  mit  der  weissen 
Inkrustation  der  eingetieften  Ornamente  in  einem  frenetischen  Zusammen- 
hange  stehen  muss,  möglicherweise  als  eine  Verfeinerung  derselben  oder, 
als  ihr  Ersatz  zu  gelten  hat.  Somit  kann  nicht  gezweifelt  werden,  in 
welchen  Gruppen  wir  den  Ursprung  und  den  Ausgangspunkt  für  die  poly- 
chrome Keramik  zu  suchen  haben. 

Es  sind  die  Siebenbürgenschen  Gruppen  in  alt- monochromer 
Technik  mit  einfacher,  linienartiger  Weissmalerei,  die  oben 
S.  ß38ff.  unter  II  1.  II  2  und  IIa  charakterisiert  worden  sind.  Aus  diesen 
Gruppen  haben  sich  die  mit  polychromer  und  bichromer  Malerei  (II  d  und 
II  e)  entwickelt. 

Ich  denke,  an  diesem  Zusammenhange  wird  ein  Zweifel  schwerlich 
aufkommen  können. 

Nach  «Ich  Funden  aus  Siebenbürgen  ist  aber  die  polychrome  Malerei 
der  anderen  Fundgebiete  zu  beurteilen.  In  keinem  derselben  ist  meines 
Wissens  eine  Gruppe  aufgetaucht,  die  den  oben  genannten  Gruppen  II  1, 
[12  und  II"'  ähnlich  wäre  oder  annähernd  entspräche. 

abseits  von  dieser  Entwicklung  scheinen  die  Gruppen  von  Lengyel 
und  Tordos  zu  stehen.  Denn  sie  beruhen  liiclit  auf Weiasmalerei,  sondern 
verwenden  farbige  Muster  auf  monochromem  Malgrunde.  Man  wird  diese 
Maltechnik  vielleicht  passend  ;ils  Buntmalerei  bezeichnen  dürfen,  in  dem 


—     647     — 

Sinuc  dass  der  farbige  Tonüberzug  für  die  Ornamentik  der  Gefässe  Ver- 
wendung findet. 

Auf  diesem  Wege,  aber  wie  es  scheint,  durchaus  selbständig,  sehen 
wir  auch  in  der  Keramik  der  vormykenischen  Epochen  Trojas  und  der 
makedonischen  Tumuli  innerhalb  der  monochromen  Technik  eine  Vasen- 
malerei entstehen.1) 

Eine  ganz  andere  Bedeutung  hat  die  Weissmalerei,  die  an  Stelle 
der  Tieftechnik  mit  weisser  Inkrustation  aufkommt.  In  Siebenbürgen 
entwickelt  sich  daraus  ein  ganz  raffinierter  Vasenmalstil,  der  auf  poly- 
chromer  Technik  beruht.  Stilistisch  stehen  auf  gleicher  Stufe  die  poly- 
chromen Gefässe  ans  Idiinänieii.  (lali/.ieu.  Bukowina.  Siidrussland  und 
Ostrumelien.  Ob  sie  auch  technisch  ihnen  gleich  stehen,  kann  nur  die 
Autopsie  ergeben.  Daher  muss  i < - 1 1  mich  hier  darauf  beschränken,  die 
massgebenden  Gesichtspunkte  hervorzuheben,  und  weitere  Ausführungen 
für  spätere  Untersuchungen  mir  vorbehalten. 

Jedenfalls  scheint  mir  ein  Resultat  gesichert  zu  sein:  die  oben  durch- 
geführten stilistischen  und  technischen  Erörterungen  stehen  im  Einklänge 
mit  den  chronologischen  Erwägungen;  die  jungneolithische  Gefassmalerei 
Mitteleuropas  ist  eine  selbständige  Leistung  derjenigen  Völker,  die  im 
unteren  Donautale  und  in  den  angrenzenden  Gebieten  ihren  Wohnsitz 
gehabt  haben.  Alle  oben  angeführten  .Meinungen  über  südliche  Einflüsse, 
aus  denen  allein  diese  ( refässmalerei  sich  erklären  Hesse,  müssen  ihre 
Berechtigung  verlieren.  Diese  Schlussfolgerung  lässt  sich  noch  durch 
weitere   Vergleiche  stützen. 

Schon  in  der  ältesten  Bronzezeit  haben  sich,  wie  wir  sahen,  die 
goldenen  Sängespiralen  Siebenbürgens  in  südlicher  Richtung  nach  dem 
ägäischen  Kulturgebiete  verbreitet.  Auch  die  bemalte  Keramik  Sieben- 
bürgens,  die  einer  noch  älteren  Epoche  angehört,  gestattet  uns  unsere 
Blicke  südwärts  zu  richten. 

Die  Weissmalerei  in  «1er  ägäischen  Keramik.  Die  Weiss- 
malerei auf  poliertem  monochromen  Gefässgrunde  spielt  nämlich  in  der 
Ornamentik  der  ägäischen  Keramik  eine  nicht  unbedeutende  Rolle. 
Ihr  dortiges  Vorkommen  ist  zu  verfolgen,  wenn  wir  uns  über  das  kausale 
Verhältnis  derselben  zur  Keramik  Siebenbürgens  klar  werden  wellen. 

Schon  in  der  ältesten  Keramik  von  Troja  ist  diese  Maltechnik  be- 
kannt.9) Zwar  sind  es  nur  wenige  Beispiele,  an  denen  sie  sieh  feststellen 
lässt;  aber  ihr  nachweislich  hohes  Alter  erhöht  ihre  Bedeutung.  Das 
Randstück  einer  Schale  vom  Typus  a,  der  nur  für  die  älteste  Keramik 
charakteristisch  ist8),  zeigt  aufgemalte,  ineinander  geschachtelte  Winkel- 
muster; ein  Zickzackband,  dessen  vier  Linien  in  den  Ecken  sich  kreuzen, 
linden  wir  quer  aber  den  Bauch  einer  Kanne  gezogen.     Fig.  -l.4) 

i  Auf  diese  interessanten  Vorgänge  gehe  ich  hier  nicht  näher  ein.  Man  vergleiche 
die  Ausführungen  in  dem  Aufsätze  üher  'li<>  Keramik  der  makedonischen  Tumuli  in  der 
Zeitschrift  für  Ethnologie  1904.    [Erscheint  erst  s] 

:'    Bei  Dörpfeld,  Troja  nnd  flion  S.  252. 

.".    Heinrich  Schliemanns  Sammlung  trojanischer  Altertümer  K;it.  Nr.  154. 

I    Ebenda  Kat.  Nr.  229. 


—     648     — 

Das  letztere  Beispiel  ist  wichtig,  denn  es  führt  uns  zu  einer  Keramik, 
die  in  ihren  Formen  und  in  der  Technik  eine  Fortsetzung  der  ältesten 
trojanischen  bedeutet  und  die  Weissmalerei  besonders  reichlich  neben  der 
inkrustierten  Tieftechnik  verwendet:  ich  meine  die  Keramik  aus  der 
Xekropole  von  Jortan  bei  Smyrna.1)  Hier  finden  wir  auch  die  Erklärung 
für  die  Entstehung  des  Zickzackbandes  auf  der  eben  genannten  trojanischen 
Kanne:  es  ist  die  gleichmässige  "Verbindung  von  nebeneinander  ein- 
getieften oder  besonders  häufig  aufgemalten  Winkelbändern,  die  einzeln 
als  Hängeschmuckmotive  zu  gelten  haben,  Fig.  22  (vgl.  von  Jortan  a.  a.  0. 
Tf.  II,  2  mit  7  und  10). 2) 

Diese  Xekropole  ist  gewiss  eine  sehr  lange  Zeit  hindurch  in  Be- 
nutzung gewesen;  unter  den  dort  vorkommenden  Gefässen  finden  sich 
Formen,  die  genau  der  ältesten  Keramik  von  Troja  entsprechen,  dann  aber 
auch  technisch  und  formell  entwickeltere  Stufen  der  Keramik,  so  dass 
wir  annehmen  können,  dass  die  Xekropole  bis  in  die  frühe  Brouzezeit 
hinein  bestanden  hat;  ihre  Funde  Hessen  sich  für  unsere  Untersuchung 
noch  mehr  ausnützen,  wenn  sie  nach  Anlage,  Umfang  und  Inhalt  bereits 
ausführlich  publiziert  worden  wäre. 

Fig.  21.  Fig.  22. 


In  Troja  selbst  scheint  diese  Weissmalerei  in  der  Folgezeit  ver- 
schwunden zu  sein  oder  wenigstens  keine  wesentliche  Bedeutung  gehabt 
zu  halten.  Erst  gegen  die  Zeit  der  VI.  Änsiedlung  taucht  sie  wieder 
auf  und  zeigt  sich  auf  dem  Fragment  einer  schönen  gelbbraunen  Schüssel 
mit  Ausguss  und  grossem,  quer  über  die  Öffnung  gespanntem  Bügel- 
henkel.3) Aufgemalt  sind  mit  wreisser  Farbe  folgende  Muster:  am  ein- 
gekehlten  Rande  vertikale  Dreistrichgruppen,  auf  der  Lippe  abwechselnd 
Punktreihen  und  DreistrieliLiTuppen;  unterhalb  des  Randes  zwei  horizontale 
Punktreihen,  denen  sich  einzelne  Gruppen  von  in  einander  geschobenen 
Winkeln  anfügen;  auch  der  bandförmige  Bügelhenkel  und  die  Ausguss- 
rinne  sind  mit  parallelen  Strichgruppen  verziert.     Die  Art  der  Malerei  ist 


1)  Die  Funde  sind  zum  grossen  Teile  nach  dein  Louvre  gekommen.  Eine  vorläufige 
Veröffentlichung  von  M.  Collignon  in  den  Comptes  rendus  des  seances  de  l'Acad.  des 
Jnsrrijit.  <t  lielles-I^ftt res  l'.ml  p.  siui'l'  Tf.  I.  II.  Kleinere  Teile  dieser  sehr  zahlreichen 
Funde  befinden  -icli  in  Deutschland,  u.  a.  im  Berliner  Antiquarium. 

_'  i  her  diese  Fragen  vgl.  meine  Ausführungen  in  der  Zeitschr.  für  Ethnologie 
L903  S.  154. 

•  '.  Abg.  „Troja  L893"  8.97  Fig.  12.  Von  Brückner  wird  es  hier  (S.  %  und  101) 
als  ein  Beispiel  für  mykenische  Mattmalerei  angeführt.  Damit  hat  es  gewiss  nichts  zu 
tun.  Wie  ich  mich  Belbst  durch  Augenschein  überzeugt  habe,  ist  es  in  echter  troisch- 
monochromer  Technik  gemacht. 


—     649    — 

eine  durchaus  altertümliche,  der  alttroischen  Tiefoniamentik  entsprechend; 
es  kann  nur  auffallen,  dass  wir  sie  an  einem  so  entwickelten  Gefässtypus 
von  Troja  wiederfinden.  Denn  das  (Jefäss  gehört  in  den  Formenkreis  der 
VI.  Ansiedlung  von  Troja;  gleicher  Art  sind  die  Kessel  mit  Ausgüssen  und 
quergespannten  Bügelhenkeln,  die  mit  Ochsenköpfen  verziert  sind.1) 

Auch  in  Griechenland  lässt  sich  die  Weissmalerei  auf  monochromem 
Gefässgrunde  schon  für  eine  sehr  frühe  Zeit  belegen. 

Aus  der  untersten  Schicht  von  Tiryns,  wo  eine  der  alt-troischen 
ähnliche  Keramik  sich  gefunden  hat.  stammt  ein  askosartiges  (Jefäss  mit 
kurzem  Halse,  abgeschrägter  Mündung  und  oben  auf  dem  Bauche  sitzendem 
horizontalen  Bügelhenkel;  der  Ton  ist  bräunlich  mit  dunkelgraubraunem 
Überzüge;  auf  der  Schulter  in  Weiss  aufgemalt 
eine  einfache  Zickzacklinie,  Fig.  23.*)  Fi-  23- 

Dieselbe  Maltechnik  können  wir  in  vor- 
mvkenischer  Zeit  auf  den  griechischen  Inseln 
weiter  verfolgen:  auf  Amorgos  finden  wir  sie 
auf  einem  rotmonochromen  Gefässe  mit  vertikalen 
Bandornamenten. 3)  In  diesem  Zusammenhange 
erklärt  sich  auch  die  Technik  einer  im  Längs- 
schnitt ellipsenförmigen  Büchse  aus  dem  Depot- 
funde von  Hagios  Ünuphrios  auf  Kreta4);  hier 
sind  weisse  Horizontal-  und  Zickzacklinien  in 
bandartiger  Gruppierung  auf  den  Tongrund  gesetzt. 

Ferner  spielt  auch  in  der  vormykenischen  Keramik  von  Phylakopi 
auf  Melos  die  Weissmalerei  auf  poliertem  Grunde  eine  grosse  Rolle. 
Leider  sind  wir  aber  über  die  dort  gemachten,  sehr  wichtigen  Funde  noch 
zu  mangelhaft  unterrichtet;  das  sehr  umfangreiche  und  vielseitige  Auf- 
klärung über  die  ägäische  Kultur  versprechende  Fundmaterial  sieht  einer 
ausführlicheren   Publikation  entgegen.5) 

Auf  dieser,  in  der  ägäischen  Kultur  weit  ausgedehnten  Grundlage 
einer  bemalten,  monochromen  Keramik  fusst  schliesslich  die  sogenannte 
„mykenische"  Vasenmalerei.  Denn  der  „erste  mykenische  Firnis- 
stil" ist  nichts  anderes  als  Weissmalerei  auf  monochromem  Grunde.  Die 
Neuerung  beschränkte  sich  zunächst  auf  eine  technische  Erfindung,  durch 
die  die  Farben  im  Brande  glänzend  wurden;  so  wurde  zwar  die  Politur 
überflüssig-,  aber  der  Dekor  änderte  sich  noch  nicht.  Man  imitiert  die 
Art  der  monochromen  Gefässe,  überzieht  wie  früher  das  ganze  Gefäss 
mit  der  dunkelglänzenden  Farbe  und  setzt  darauf  die  weissen  Ornamente. 

Proben  dieser  Art  finden  sich  unter  den  Scherbenmassen  der  Schlie- 
mann-Samndung.     So    stammt    aus  Mykenä    selbst    das   Bruchstück  eines 


1)  Heinrich  Schliemanns  Sammlung:  trojanischer  Altertümer  Kat.  Nr.  3221  ff.    Vgl. 
bei  Dörpfeld,  Troja  und  Ilion  8.293  1  -'L-.  208  BeiL  I"  Nr.  IV.  V. 

2)  Schliemann,  Tiryns  8.75  Nr.  .">     In  Athen  Inv.  Nr.  1J18. 
3    Bei  Dümmler,  Athen.  Mitteil.  XI  S.  16  Heil.  II.  G& 

\    Evans,  Cretan  pie&ographs  8.  115  Fig.  107. 

5    Vorläufige  Beliebte  mehr  beschreibender  Art  im    Annnal  of  the  British  School  at 
Athens  L896/97,  L897/98.    [Die  Publikation  ist  bereits  erfolgt.] 

Zeitschrift  für  Ethnologie.   Jahr^.  1901.   Hefr  :..  }-j 


—     650     — 

auf  der  Scheibe  gedrehten  Gefässes  aus  rötlichem  Ton  mit  dickem  roten, 
firnisartigem  Überzuge  nach  Art  der  monochromen  Technik;  darauf 
sind  mattweisse  Horizontalstreifen  gemalt  (Schliemaun-Sammlung,  Inv. 
Nr.  10  604). 

Klarer  in  Technik  und  Dekor  sind  zwei  Scherben  aus  Orchomenos 
von  guter  Scheibenarbeit,  mit  dünnem  schwarzbraunen  Firnis  überzogen. 
Auf  der  einen  (Schl.-Sammlg.  Inv.  Nr.  10  966),  die  vom  Halse  und  der 
Schulter  einer  Kanne  herrührt,  findet  sich  am  Halse  ein  weisser  Horizontal- 
streifen und  unmittelbar  darunter  die  Spitze  eines  gegitterten  Dreiecks 
oder  Rhombus;  auf  der  anderen  (luv.  Nr.  10  D67)  sieht  man  nur  weisse 
Parallelstriche. 

Auf  derartiger,  anspruchsloser  Dekoration  beruht  in  Kreta  auch  die 
sogen.  Kamares  wäre,  die  dem  ersten  mykenischen  Firnisstil  entspricht, 
aber  doch  nur  eine  Vorstufe  der  eigentlichen  kretischen  Firnismalerei  ist.1) 
Nach  ihrem  Vorkommen  in  Knossos  auf  Kreta  ist  ihre  Stellung  in  der 
keramischen  Entwicklung  gesichert;  sie  findet  sich  unmittelbar  über  der 
neolithischen  Schicht  direkt  unter  dem  Palast  und  wird  von  Makenzie 
der  zweiten,  minoischen  Periode  zugewiesen,  die  eine  Vorstufe  der  eigent- 
lichen Palastzeit  von  Knossos  ist.  Ihre  chronologische  Stellung  ist  ge- 
geben durch  gleichartige  Funde  in  Ägypten  aus  der  Zeit  der  XII.  Dynastie, 
die  wir  jetzt  dem  ersten  Drittel  des  XIX.  Jahrhunderts  v.  Chr.  zuschreiben 
dürfen. 2) 

Dürfen  wir  nun  die  Weissmalerei  Siebenbürgens  mit  der  gleichartigen 
Technik  des  ägäischen  Kulturkreises  in  einen  ursächlichen  Zusammenhang 
bringen?  Und  wie  hätten  wir  uns  die  Vorgänge  zu  erklären,  auf  denen 
dieser  Zusammenhang  beruhen  soll? 

Für  einen  solchen  Zusammenhang  spricht  in  erster  Linie  ihr  gleich- 
massiges  Vorkommen  in  Kleinasien:  in  Trojas  unterster  Schicht  und  in 
der  eng  daran  sich  anschliessenden  Nekropole  von  Jortan  bei  Smyrna. 
Dann  erklärt  sich  auch  dieses  parallele  Auftreten  einer  uralten  Maltechnik 
auf  die  einfachste  Weise.  Die  ältesten  Bewohner  von  Troja  haben  sie 
aus  ihrer  Heimat,  dem  thrakischen  Stammlande,  mitgebracht  oder  wenigstens 
unmittelbar  den  dort  wohnenden  Stammverwandten  entlehnt  So  werden 
sich  auch  die  Parallelen  von  Jortan  auf  dieselben  ethnischen  Gleichheiten 
zurückführen  lassen. 

Was  nun  die  Inselkultur  anlangt,  so  ist  die  Weissmalerei  auf  mono- 
chromem Grunde  ein  Glied  in  der  Kette  von  Übereinstimmungen  derselben 
mit  der  troischen  Kultur  der  IL — V.  Ansiedlung.8) 

Doch  darf  man  nicht  vergessen,  dass  es  immer  nur  ein  beschränkter 
Kreis  von  Gleichheiten  ist,  die  beide  Kulturen  verbinden:  neben  den 
Steinidolen    an  Gefässformen    die    Schnabelkanne,    Tiervase,    Ringgefässe, 

1)  Vgl.  die  oben  S.  613  angeführte  Literatur.  Neuerdings  behandelt  D.  Makenzie 
(Journ.  of  Hellenic  Studiea  1903  S.  157—205)  die  kretische  Keramik  von  Knossos. 

2)  Auch  darüber  vgl.  die  oben  angeführte  Literatur. 

:'>)  Dümmler,  Athen.  Mitteil.  XI  2<K>  ff.  Chr.  Blinkenberg,  Antiquites  pre- 
mycenienncs  (Mem.  de  la  soc.  roy.  des  antiquaires  du  Nord  189G).  Tsountas,  'E<pr]fx. 
anyaiol.  1398  8.  L37  ff     viv.  3—12. 


—     651     — 

Zwillingsgefässe,  Schnuröseukrug,  Schnurösenflasche.  Spezifisch  troische 
Typen,  wie  das  dhra<;  äpupixwie?2ov  und  die  Deckelamphora,  fehlen  auf 
den  Inseln.  Die  Entwicklung  geht  an  den  verschiedenen  Zentren  ihre 
eignen  VYege,  und  es  hält  schwer,  ein  direktes  Abhängigkeitsverhältnis 
für  das  eine  oder  andere  anzunehmen. 

Xoch  ältere  Parallelen  zu  der  troischen  Kultur  entnehmen  wir  den 
kretischen  Funden,  zu  denen  wir  bereits  durch  die  Weissmalerei  in  Be- 
ziehung getreten  sind. 

Der  genannte  Fund  von  Hagios  Onuphrios  weist  noch  weitere 
Berührungen  mit  der  ältesten  troischen  Kultur  auf.  Ein  annähernd  kugel- 
förmiges Gefäss  mit  4  Schnurösen  und  flachem  Stülpdeckel  auf  niedrigem 
Rand  *)  passt  /.um  Formencharakter  der  ältesten  troischen  Keramik 
(Fig.  24);  in  Troja  gehört  hierher  ein  kugelförmiges  Gefäss  mit  vier 
röhrenförmigen  Schnurösen  und  Kingfuss2):  der  Stülpdeckel  des  kretischen 


Fiff.  24. 


Fig.  -25. 


Gefasses  hat  vier  durchbohrte  Zapfen  am  oberen  Rande,  entsprechend  den 
vier  Schnurösen  am  Bauche  des  Gefasses;  zu  dieser  einzigartigen  Form 
bietet  schlagende  Analoga  die  älteste  Keramik  von  Troja  in  den  mauer- 
kronenförmigen  Stülpdeckeln,  die  in  verschiedenen  Varianten  vorliegen.3) 
Derselbe  Depotfund  von  Hagios  Onuphrios  enthält  noch  ein  anderes, 
beachtenswertes  Gefäss,  das  zwar  nicht  in  der  Technik,  aber  in  seiner 
Form  und  Ornamentik  einen  sehr  altertümlichen  Charakter  bewahrt:  eine 
kugelbauohige  Schnabelkanne  mit  terrakottafarbener  Malerei  auf  hellgelbem 


li   kbg.  Moiiunicnti  aut.  d.  R.  Accad.  dci  I.incei  VI  tav.  \I1.  52J(Mariani  :   Evans. 
Oretan  Pictographa  S.  L12  Fig.  L00. 

2)  Bei  Dörpfeld,  Troja  und  Ilion  S.  248  Fig.  L09        Kat.  Nr.  163. 

Bei  Dörpfeld,   Troja   und   Ilion    S.  249    Fig.  L10,  111  =  Kat.  Nr.  188—195;     In 

Konstantinopel  notierte  ich  mir  eine  Hiichse  aus  Pitana  mit  analogem  Stülpdeckel. 

12« 


—     652     — 

Grunde;  die  Muster  bestehen  in  Gruppen  von  vertikalen  Parallelstrichen 
und  von  ineinander  geschobenen  Winkeln,  deren  Schenkel  am  Scheitel 
sich  regelrecht  kreuzen  (Fig.  25).  Dieselben  Ornamente  haben  wir  oben 
S.  648  in  Weissmalerei  auf  den  Kannen  aus  der  Xekropole  von  Jortan 
bei  Smyrna  beobachtet  und  darin  den  Schlüssel  für  die  Erklärung-  des 
weiss  aufgemalten  Zickzackbandes  auf  einem  Bruchstück  der  ältesten 
Keramik  von  Troja  gefunden. 

Damit  schliesst  sich  der  Kreis  unserer  Beobachtungen;  wir  sind  an 
demselben  Punkte  angelangt,  von  dem  wir  ausgingen. 

Die  älteste  ägäische  Kultur  ist  nicht  auf  die  Burgfeste  von  Troja  be- 
schränkt geblieben;  sie  hat  deutliche  Spuren  auch  auf  den  Inseln  des 
ägäischen  Meeres  bis  nach  Kreta  und  Cypern  hin  und  auf  dem  griechischen 
Festlande  hinterlassen. 

Die  WTeissmalerei  aber,  ein  ihr  eigentümliches,  an  verschiedenen 
Zentren  ihres  Gebietes  auftretendes  Merkmal,  verbindet  sie  mit  keramischen 
Erzeugnissen  der  jungneolithischen  Periode  Siebenbürgens,  eines  Kultur- 
zentrums, das  von  nachhaltigem  Einflüsse  auf  die  Industrie  der  Donau- 
und  Balkanländer  gewesen  sein  muss.  In  der  frühesten  Bronzezeit  sahen 
wir  von  hier  aus  Kulturströme  auch  südwärts  gehen  in  die  bedeutenden 
Zentren  der  vor-  und  frühmykenischen  Kultur,  nach  Troja  und  Mykenä. 
In  denselben  Zusammenhang  dürfen  wir  jetzt  auch  die  ältere  Weissmalerei 
auf  monochromem  Grunde  bringen;  ihr  Auftreten  in  der  ägäischen  Kultur 
muss  aus  Siebenbürgen  abgeleitet  werden. 

Da  sie  nun  schon  den  Trägern  der  ältesten  Kultur  von  Troja  be- 
kannt war,  diese  aber  aus  dem  europäischen  Gebiete  der  Thraker,  deren 
Urheimat  gerade  die  Karpathen  gewesen  ist,  nach  Kleinasien  gelangt  sind, 
so  dürfen  wir  überhaupt  die  Verbreitung  der  Weissmalerei  innerhalb  der 
ägäischen  Kultur  mit  den  ältesten  Wanderungen  thrakischer  Völkerschaften 
oder  ihrer  Verwandten  und  ihrer  Festsetzung  an  den  Küsten  des  ägäischen 
Meeres  verbinden. 

Wenn  wirklich  die  Kamaresware,  die  Vorstufe  der  eigentlichen  „my- 
kenischen"  Keramik,  mit  der  neolithischen,  weissbemalten  Keramik  zu- 
sammenhängt, so  hätten  wir  von  den  kretischen  Funden  eine  Bestätigung 
dieses  Zusammenhanges  zu  erwarten.  In  Knossos  ist  die  Kamaresware 
in  einer  Schicht  gefunden,  die  unmittelbar  über  der  neolithischen  liegt. 
In  der  letzteren  hat  sich  aber  bisher  Weissmalerei  noch  nicht  nachweisen 
lassen.  Doch  sind  die  Untersuchungen  der  neolithischen  Schicht  von 
Knossos  durchaus  unzulänglich,  und  die  bisherigen  Funde  ebenda  schliessen 
das  Auftauchen  der  Weissmalerei  keineswegs  aus,  zumal  wir  sie  an 
anderen  Fundstellen  von  Kreta  bereits  kennen  gelernt  haben  und  ebenda 
anch   Beziehungen  zur  ältesten  trojanischen   Kultur  nicht  fehlen. 

In  sei  ihm-  schon  oben  genannten  Bearbeitung  der  knossischen  Keramik 
konnte  Makenzie  für  die  neolithische  Periode  nur  die  Scherbenfunde 
ans  2  Versuchsgräben  verwerten,  die  im  Westhofe  und  im  3.  Magazin  des 
Palastes  von  Knossos  zur  Bestimmung  der  älteren  Schichten  gezogen 
worden  waren. 


—    653    — 

Sein  Versuch,  nach  den  schichtenweise  vorkommenden  Scherben  unter 
Berücksichtigung  ihres  Zahlenverhältnisses  ein  Bild  von  der  neolithischen 
Keramik  von  Kreta  zu  entwerfen,  scheint  mir  allerdings  verfehlt  zu  sein. 
Wichtig  sind  jedenfalls  2  Gefässgruppen:  1.  Gefässe  mit  weiss  ausgefüllten 
Tief  Ornamenten,  2.  Gefässe  mit  schwarzem  Firnisüberzuge  in  Nachahmung 
der  polierten,  monochromen  Keramik,  jene  noch  neolithisch  im  besten 
Sinne,  diese  aus  einer  jüngeren  Übergangsperiode.  In  der  Tat  fehlt  hier 
nur  noch  die  weissbemalte,  monochrome  Keramik,  um  alle  die  oben  auf- 
gestellten Sätze  über  die  Entstehung  der  ältesten  Firnismalerei,  wie  sie 
in  der  Kamaresware  vorliegt,  durch  die  Funde  bestätigt  zu  sehen. 

Unter  den  auf  Tafel  IV  bei  Makenzie  abgebildeten  Scherben  mit 
weissen  Einlagen  finden  sich  Motive,  die  für  sich  noch  weitere  Ver- 
mutungen über  einen  Zusammenhang  der  kretischen  mit  der  mittel- 
europäischen Dekorationsweise  zulassen;    es  ist   ein   mäanderartiges  Band- 


Fie.  26. 


Fi*.  27. 


muster  auf  Fig.  30,  das  die  Existenz  einer  Spiral-  und  Mäanderornainentik 
verrät,  wie  wir  sie  unter  den  siebenbürgischen  Funden  in  charakteristischer 
Weise  kennen  gelernt  haben. 

Wir  dürfen  also  von  der  weiteren  Aufdeckung  der  neolithischen 
Schicht  in  Knossos  noch  schwerwiegende  Aufklärung  über  die  Frage  er 
warten,  welche  Vorbedingungen  für  die  Entwicklung  der  rormykenischen 
und  invkeiiischen  Kultur  des  ägäischen  Kreises  bereits  in  der  jung- 
neolithischen  Kultur  Mitteleuropas  vorgebildet  waren.  Die  hier  bereits 
aufgedeckten  \ .  r l . i m  1  ii iii^slin ien  fähren  mehrfach  bis  nach  Ägypten,  wo 
wir  Keramik  mit  woissgefüllten  .Mustern  und  Weissmalerei  ebenfalls  be- 
obachten können.  Daher  möchte  Makenzie  die  ägäisehe  Bevölkerung 
und  die  „libysche-  Kasse  des  prähistorischen  Ägyptens  auf  denselben  Ur- 
sprung zurückfuhren  und  die  von  ihnen  geschaffenen  Kulturen  für  mehr 
oder  weniger  gleichzeitig  halten.     Dieser  Ansicht  beizutreten  bin  ich  nicht 


—    654    — 

abgeneigt,    erwarte  aber  von    weiteren    Funden    zwingende  Anhaltspunkte 
von  bestimmterem  Charakter,  als  bisher  vorliegen. 

Immerhin  dürfen  wir  nicht  unterlassen,  die  Fäden,  welche  Mittel- 
europa mit  der  ägäischen  Kultur  und  weiterhin  Ägypten  verbinden,  fest- 
zuhalten. Daher  muss  ich  zum  Schluss  noch  auf  einige  Kongruenzen  von 
G  ef  äs  s  formen  aufmerksam  machen,  die  sich  nur  aus  engeren  Beziehungen 
zwischen  den  genannten  Gebieten  erklären  lassen.  Ich  beschränke  mich 
zunächst  auf  2  Formen: 

1.  Flache  Teller  oder  Schalen  auf  hohen,  zylinderförmigen, 

mehrfach  durchlochten  Hohlfüssen. 
Die  abgebildeten  Exemplare,  Fig.  26  ff.,  stammen  nacheinander: 
Fig.  26  aus  Lengyel,  Korn.  Tolna  in  Ungarn,  nach  Wosinsky  a.  a.  O. 
I  Tf.  XIII,  73.  Dieses  Gefäss  ist  ein  regelmässig  als  Grabbeigabe  vor- 
kommender Typus  aus  den  oben  genannten  Hockergräbern  mit  bemalter 
Keramik  der  neolithischen  Zeit  und  findet  sich  selbst  in  vielen  Fällen 
mit  Spiralornamenten  bemalt. 


Fig-128. 


Fi«-.  29. 


Fisr.  30. 


Fig.  27  aus  Trojas  unterster  Schicht  nach  Schliemann,  Ilios 
S.  255  Nr.  50  (=  Kat.  Nr.  233). 

Fig.  28  aus  Knossos  nach  Journal  of  Hell.  Studies  11)01  S.  88  Fig.  15, 
zur  Kamaresware  gehörig,  die  wir  als  Vorstufe  der  mykenischen  Keramik 
anzusehen  und  eben  erst  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  mit  den  älteren 
neolithischen  Funden  Kretas  in  einen  Zusammenhang  gebracht  haben. 

Schon  Wosinsky  hat  in  seinem  Werke  über  das  Schanzwerk  von 
Lengyel  auf  Parallelformell  im  ägäischen  Kulturkreise  (die  anderen  kann 
ich  vorläufig  noch  nicht  gelten  lassen)  hingewiesen  und  glaubt  gerade 
diesen  Typus  ;ils  Opfergefäss  deuten  zu  müssen,  eine  Deutung,  die  jeden- 
falls das  beharrliche  Pesthalten  der  Form  erklären  würde.  Nach  und  mit 
ihm  hm  0,  .Montelius  (Chronologie  der  Bronzezeit  S.  102)  diese  „pilz- 
förmigen Etöhrengefässe'i  unter  den  Beweisen  für  einen  regen  Verkehr 
zwischen  den  Donauländern  und  dem  Mittelmeergebiete  genannt.  Beide 
fassen  aber  diese  Beziehungen  als  Einfluss  des  östlichen  Mittelmeeres  auf 
die  Donauländer  auf:  die  Chronologie  aber  zwingt  uns  gerade  dieses  Ver-c 
hältnia  umzukehren. 


—     655 


Einen  etwas  variierten  Typus  zeigt 

Fig.  29  ans  Vattina  bei  Werschetz  (Ungarn).  Hier  haben  sich  Gräber 
und  Wohnplätze  mit  Feuerstellen  in  2 — 3  Schichten  übereinander  ge- 
funden; unter  allerlei  Stein-  und  Knochengeräten  nur  sehr  wenig  Bronzen 
(nach  freundlicher  Angabe  des  Hrn.  Franz  Millecker  in  Werschetz 
kommen  13  Stücke  Bronze  auf  3000  andere  Objekte).  Das  abgebildete 
Gefäss  mit  den  kleinen  horizontal  durchbohrten  Ösen  gebort  zu  den  stein- 
zeitlichen Typen  Ungarns. 

Fs  ist  höchst  beachtenswert,  dass  ein  ganz  ähnliches  Gefäss  in 
Ägypten  unter  den  Kulturresten  aus  den  Hockergräbern  der  ältesten 
Dynastien  sich  rindet  (abg.  Morgan,  recherches  sur  les  origines  de  l'Egypte 
II  S.  123).  In  diesem  Zusammenhange  mag  auch  auf  das  Ringgefäss 
(ebenda  S.  129),  und  auf  Zwillings-  und  Drillingsgefässe  hingewiesen 
werden,  die  wir  in  ähnlichen  Formen  unter  der  troischen  Keramik 
haben. 


l'itx.  31. 


Fisr.  32. 


2.  Oben  sich  schliessende,  bauchige  (Jefässe,  nach  Art  der 
Kessel,  teils  kugelbauchig,  teils  mit  Umbruch  der  Wan- 
dung, ebenfalls  auf  hohen,  zylinderförmigen,  teilweise 
d  urchlochten  Hohlfüssen. 

Pig.  30  aus   Lengyel   nach  Wosinsky  a.  a.  0.  II  Tf.  43,  332. 

Pig.  .".1  aus  Szeged  in  Ungarn  (mir  der  Nummer  75/884).  Die  Schnur- 
ösen  unterhalb  des  Umbruchs  sind  zapfenförmig  nach  unten  gerichtet. 
Bei  einem  ganz  ähnlichen  Gefässe  aus  Szeged  (Nr.  78/884)  fand  ich  diese 
Zapfen  andurchbohrt,  also  dekorativ  geworden,  and  dieses  .Motiv  hat  sich 
bis  in  die  bronzezeitliche  Keramik  Ungarns  erhalten. 

Pig.  32  an-  Troja  in  Miniaturform,  aber  gewiss  einem  urns>en  <;.- 
Fässtypus  entsprechend  (Kat.  Nr.  163),  den  wir  An-  ältesten  Keramik  zu- 
rechnen dürfen.1) 

Fig.  33  aus  Phylakopi  auf  Bielos  nach  Bosanquet  (Annual  of  the 
British  School  at   Athens  III   L896/97  8.  52fP.  Pig.  I). 


l    Vgl.  bei  Dörpfeld,  Troja  and  Dion  S.  248f. 


—     656     — 

Fig.  34  aus  Pelos  auf  Melos  nach  Edgar  (ebenda  S.  35ff.  Fig.  15), 
letzteres  zu  dem  Grabinventar  der  Kistengräber,  wie  sie  auch  sonst  auf 
Inseln  vorkommen.  Diese  Keramik  von  Pelos  weist,  ebenso  wie  die 
von  Phylakopi,  zahlreiche,  höchst  auffallende  Parallelen  zur  troischen 
Keramik  auf. 

Die  Aufzählung  von  anderen  Analogien,  die  sogar  das  feiner  aus- 
gebildete Formengefühl  der  kretisch-mykenischen  Töpfer  betreffen,  unter- 
drücke ich  vorläufig. 

Jedenfalls  dürfen  wir  die  beiden  erwähnten  Gefässformen  zu  den  Be- 
weisen hinzufügen,  die  uns  gestatten,  die  ägäische  Kultur  mit  dem  mittel- 


Fie.  33. 


Fig.  34. 


europäischen  Hinterlande,  im  besonderen  mit  den  Donauländern,  zu  ver- 
binden. Mehrfach  führten  uns  diese  Verbindungslinien  bis  nach  Kreta 
und  Ägypten.  Wie  erklären  wir  uns  aber  diese  Beziehungen?  Als  Kultur- 
übertragung? 

Ich  glaube,  dass  uns  die  troischen  Parallelen  zur  Annahme  berechtigen, 
dass  die  aus  Mitteleuropa  auswandernden  Stämme  die  genannten  Gerät- 
und  Zierformen  in  das  ägäische  Kulturgebiet  mitgebracht  haben.  Welche 
Sprache  sie  gesprochen  haben,  wissen  wir  nicht.  Aber  wir  dürfen  an- 
nehmen, dass  im  engeren  Bereiche  der  ägäischen  Kultur,  in  dem  sich  die 
sogen,  mykenische  entwickelt  hat,  auch  thrakische  Stämme  an  dieser 
Entwicklung  einen  wesentlichen  Anteil  haben. 


II.    Verhandlungen. 


Sitzung  vom   1<>.  Juli  1!K)4. 
Vorsitzender:    Hr.  Waldeyer. 

(1)  Die  Gesellschaft  beklagt  den  Verlust  zweier  ihrer  ältesten  Mit- 
glieder, des  Professors  Giustiniano  Nicolucci  in  Neapel,  welcher  zu  den 
besten  Anthropologen  Italiens  gehörte  und  seit  1871  unser  korrespondierendes 
Mitglied  war,  und  des  Professors  Franz  Hilgendorf  in  Berlin,  der  für  die 
Verhandlungen  der  Gesellschaft  stets  reges  Interesse  bewiesen  und  Beiner 
Zeit  an  der  anthropologischen  Untersuchung  des  Haares  der  Japaner 
seihst  icgen  Anteil  genommen  hatte.  Wir  werden  beiden  Männern  ein 
treues  Andenken  bewahren.  — 

(2)  Als  neue  Mitglieder  werden  gemeldet: 

Hr.  Privatdozent  Dr.  U.  Stahr  und 
„     Professor  Dr.  Breysig  in  Schmargendorf. 

(.'))  Hr.  Professor  Waldeyer  ist  zum  Mitgliede  der  Akademie  der 
W  issenschaften  in  Paris  und  Hr.  Professor  Robert  Bloch  zum  Mitgliede 
der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin  erwählt.  Beiden  Herren  sprach 
Hr.  Lissauer  die  Glückwünsche  der  Gesellschaft  zu  dieser  wohlverdienten 
Auszeichnung  aus.  — 

(4)  Als  Delegierte  der  Gesellschaft  zum  Amerikanisten-Kongress  in 
Stuttgart  sind  die  Herren  Traeger  und  Ehrenreich  vom  Vorstande  ge- 
wählt  worden.  — 

(5)  Der  Hr.  Dnterriohtsminister  hat  der  Gesellschaft  für  das  Jahr  1904 
wiederum  einen  ZuBchuss  von   1500  Mk.  gewährt.     Der  Vorsitzende  spricht 

auch  an  dieser  Stelle  dem  Hrn.  Minister  den  Dank  der  Gesellschaft  aus 
und  zugleich  das  Bedauern,  dass  der  Vertrag  aber  das  Erscheinen  der 
„Nachrichten  für  deutsche  Altertumsfunde"  wegen  Mangels  der  erforder- 
lichen   Mittel   nicht   verlängert  werden   konnte.   — 


—     658     — 

(6)  Der  Vorstand  hat  beschlossen,  dem  Verband  deutscher  Vereine 
für  Volkskunde  als  Mitglied  beizutreten.  — 

(7)  Als  Gäste  werden  begrüsst  die  Herren  Stabsarzt  Dr.  Assmy- 
Oldenburg,  als  Vortragender  des  Abends,  Justizrat  Assmy-Potsdam  und 
Regierungsrat  Dr.  Lehmann-Berlin.  — 

(8)  Über  die  Reise  unseres  Mitgliedes,  Hrn.  Dr.  Kieszling,  der  im 
Auftrage  des  Kaiserl.  Deutschen  archäol.  Instituts  gegenwärtig  den  Pelo- 
ponnes  erforscht,  erfahren  wir  aus  Privatbriefen  an  Hrn.  Prof.  v.  Luschan 
Näheres: 

Hr.  Kieszling  hat  sich  unterwegs  in  Dalmatien  und  in  Bosnien  auf- 
gehalten  und  rühmt  besonders  die  Arbeiten  von  Prof.  Patsch  in  Mogorello. 
Das  dortige Castrum  entspricht  unseren  deutschenLimes-Anlagen,  ist  aber  viel 
besser  erhalten.  Direkt  an  der  Narenta  gelegen,  diente  es  mit  anderen  Au- 
lagen dazu,  die  wichtigste  Strasse  zwischen  der  dalmatinischen  Küste  und 
dem  bosnischen  Hinterland  zu  sichern.  Patsch  glaubt,  dass  es  Augusteischer 
Zeit  angehört.  Jedenfalls  verdienen  die  dortigen  Ausgrabungen  in  weiteren 
Kreisen  bekannt  zu  werden;  Dr.  Kieszling  möchte  alle  Herren,  die  aus 
mehr  oder  weniger  wissenschaftlichen  Gründen  nach  Bosnien  und  Dal- 
matien reisen,  zum  Besuche  von  Mogorello  auffordern. 

Von  grosser  Bedeutung  sind  ebenso  die  anscheinend  bis  in  mykenische 
Zeit  hinaufgehenden  Ausgrabungen  in  Nesaktium  mit  vielen,  teilweise 
noch  rätselhaften  Funden.  Auch  die  vom  bosnischen  Landesmuseum  ver- 
anstalteten Ausgrabungen  in  den  Pfahlbauten  von  Dubica  an  der 
Save  verdienen  besondere  Beachtung.  Dr.  Kieszling  rühmt  das  weit- 
gehende Entgegenkommen,  das  er  von  Seiten  des  Museums  in  Sarajevo 
erfahren. 

Im  Mai  ist  dann  Sparta  das  Hauptquartier  des  Reisenden  gewesen. 
Von  da  aus  hat  er  eine  der  unbekanntesten  peloponnesischen  Land- 
schaften, die  Tsakonia,  und  die  Halbinsel  Malea  erforscht.  Der 
.luni  war  der  Mani  (Maina)  gewidmet,  der  „entsetzlichen  Marmor- 
wüste" zwischen  dem  messenischen  und  dem  lakonischen  Golf,  von  der 
gewöhnliche  Reisende  eigentlich  nur  das  südlichste  Ende,  das  Cap  Matapau 
gesehen  haben,  und  auch  dieses  nur  aus  der  Ferne  vom  Deck  eines  Luxus- 
dampfers. Dr.  K.  klagt  sehr  über  die  Sonnenglut,  Wegelosigkeit  und 
Unkultur  dieser  Lanschaft,  boffl  aber  gleichwohl  noch  einmal  dahin  zurück- 
kehren zu  können,  um  sich  ausschliesslich  anthropologischen  Untersuchungen 
zu  widmen,  die  jetzt  hinter  seinen  geographisch-archäologischen  Aufgaben 
naturgemäss  zurückstehen  mussten.  Es  ist  klar,  dass  eine  genaue  anthro- 
pologisch-ethnographische Untersuchung  der  Mainoten,  die  sich 
selbst  mit  Stolz  -.^^  Nachkommen  der  alten  Spartaner  bezeichnen,  eine 
überaus  dankbare  und   Lohnende  Aufgabe  sein  würde. 

Dr.  K.  aal  dann  noch  in  Arkadien  und  in  Elis  gearbeitet  und  denkt 
nun  aach  Arkadien  zurückzukehren.  — 


—     659     — 

(!))  Von  Hrn.  E.  Förstemann  ist  die  folgende  Abhandlung  ein- 
gesandt worden: 

Liegen  die  Tonalamatl  der  Mayahandschrit'ten  in  bestimmten  Jahren? 

Den  Hauptinhalt  der  beiden  bedeutenderen  Mayahandschriften,  des 
Dresdensis  und  des  Madridensis,  bilden  unmittelbar  aneinander  gereihte 
Tonalamatl;  der  kleinere  Parisiensis  zeigt  sie  kaum  und  kann  hier  wegen 
seiner  fortgeschritteneren  Zerstörung  ausser  Acht  gelassen  werden.  Diese 
heiligen  Perioden  von  je  260  Tagen,  die  gewiss  hauptsächlich  zu  Prophe- 
zeiungen dienten,  werden  in  den  Handschriften  nach  ihrem  Anfangstage 
und  ihren  Hauptteileii,  Vierteln  von  65,  Fünfteln  von  52  oder  Zehnteln 
von  2(5  Tagen  angegeben  und  bei  dem  ersten  dieser  Hauptteile  wird  auch 
Beine  Zerlegung  in  kleinere  Abschnitte  bemerkt.  Zuweilen  werden  auch 
mehrere  Tonalamatl  zu  einem  Ganzen  zusammengefasst. 

Die  2G0  möglichen  Tage  werden  durch  ihre  Lage  in  den  dreizehn 
Wochentagen  and  in  den  zwanzig  Tagen  des  Uinal  (sogenannten  Monats) 
bezeichnet;  die  Handschriften  geben  die  erstere  durch  eine  rote  Zahl,  die 
/.weite  durch  die  Hieroglyphe  des  Tages  an;  ich  bezeichne  im  Folgenden 
die  erstere  durch  eiue  römische,  die  letztere  durch  eine  arabische  Zahl, 
indem  ich  den  Tag  kon  =  1  setze.  So  folgen  zum  Beispiel  im  Anfange 
des  Madridensis  die  Tonalamatl  unmittelbar  auf  einander,  welche  mit 
MIT,  1  12,  II  13  usw.  beginnen.  Im  Dresd.  XIII  IG,  XI  7,  III  7,  XIII  5  usw. 
Jeder  der  260  Tage  kommt  in  jedem  Jahre  mindestens  einmal  vor;  liegt 
er  in  einem  der  ersten  105  Tage  des  Jahres,  so  erscheint  er  nach 
260  Tagen  in  demselben  Jahre  noch  ein  zweites  Mal.  So  weisen  also  die 
Anfänge  der  Tonalamatl  zunächst  in  keiner  Weise  auf  bestimmte  Jahre, 
und  die  Alt.  wie  sie  auf  einander  in  den  Handschriften  folgen,  macht  zu- 
nächst den  Bindruck  vollkommener  Unordnung  und  "Willkür:  und  doch 
isl  daran  bei  dem  ausgebildeten  streng  mathematischen  Sinne  der  Mayas 
nur  schwer  zu  denken.  Denn  bei  einer  näheren  Betrachtung  des  Materials 
blickt  auch  eine  Absicht  deutlich  hervor.  Ausscheiden  von  diesem  Material 
niuss  ich  aber  die  wenigen  Fälle  des  Dresdensis  und  die  zahlreicheren 
des  Madridensis.  in  denen  die  ersten  Zahlen,  also  die  Wochentage  fehlen 
und  dadurch  die  Lage  der  Tonalamatl  unbestimmt  wird;  nach  dieser  Aus- 
scheidung bleiben  mir  im  Madr.  188,  im  Dresd.  im  ersten  Teile  (Seite  1 
bis  45)  60  einzelne  Tonalamatl  übrig;  <\^n  zweiten  Teil  des  Dresd.  muss 
ich  seines  ganz  anderen  Charakters  wegen  unberücksichtigt  lassen,  da  er 
fast  garnichl   einzelne  Tonalamatl  enthält. 

Schon  der  er^te  l'dick  auf  dieses  Material  zeiut.  da>s  an  einen  Zufall 
bei  der  Ansetzung  der  Tonalamatlanfänge  nicht  gedacht  werden  kann. 
Denn  von  den  60  Fällen  des  Dresd.  fallen  nicht  weniger  als  13  auf  den 
Tag  ahau  (17),  von  den  INS  Fällen  des  Madr.  nicht  weniger  als  44  auf 
denselben  Tag.  Jene  L3  Fälle  sind  auf  die  Wochentage  anscheinend  will- 
kürlich verteilt,  aber  bei  den  II  Fällen  des  Madr.  zeigt  sich  eine  ent- 
schiedene Bevorzugung  der  Tage  I  17  und  IV  17.  von  denen  jener  8,  dieser 
sogar  -1  Plätze  einnimmt,  dagegen  die  übrigen  11  Wochentage  zusammen 
nur  lö.     Die  Tage  117  und  IV  17  haben  aber  ihre  besondere  Wichtigkeit, 


—     660     — 

jener  als  Anfangspunkt  der  astronomischen  Zeitrechnung,  wenn  er  am 
18.  Tage  des  Uinal  kayab,  dem  Tage  des  Sommersolstitiums  im  Jahre 
III  kein  liegt,  dieser  als  Anfangspunkt  der  historischen  Chronologie,  wenn 
er  den  8.  Tag  des  Uinal  cumku  im  Jahre  IX  ix  einnimmt,  17  Tage  vor 
Schluss  des  Jahres;  vgl.  zum  Beispiel  Kommentar  zum  Dresd.  S.  50  und 
an  andern  Stellen.  Es  werden  also  die  Fälle  des  Madr.  zu  untersuchen 
sein,  ob  sie  auf  diese  Lage  in  den  Jahren  passen. 

Die  Stellen,  in  denen  der  Tag  I  17  die  Tonalamatl  im  Madridensis 
beginnt,  sind  folgende: 

1.  Bl.  17a  (=  Cort.  17).  5.  Bl.  91c  (=  Tro.  22*). 

2.  Bl.  21  d  (=  Cort.  21).  6.  Bl.  98d  (=  Tro.  15*). 

3.  Bl.  42b  (=  Tro.  15).  7.  Bl.  99 d  (=  Tro.  14*). 

4.  Bl.  49  c  (=  Tro.  8).  8.  Bl.  101a  (=  Tro.  11*). 

Wo  die  Zeit  des  Sommersolstitiums  gemeint  ist,  wird  namentlich 
dessen  Symbol,  die  Schildkröte,  zu  erwarten  sein.  Und  so  finden  wir  sie 
in  der  Tat  schon  in  der  ersten  dieser  Stellen,  in  den  andern  aber  fehlt 
sie.  Allenfalls  können  noch  auf  den  längsten  Tag  die  in  der  Hand  zweier 
Götter  gehaltenen  Kalenderräder  in  der  zweiten  Stelle  deuten.  In  der 
dritten  könnte  etwa  die  sonst  unerklärliche  links  stehende  Zahl  18  auf 
den  18.  Tag  des  Uinal  kayab  hinweisen.  In  der  fünften  weist  einiges  auf 
einen  besonders  gefeierten  Tag  (s.  Kommentar  S.  124),  doch  lässt  sich 
darüber  nichts  Näheres  bestimmen.  So  ist  also  das  Ergebnis  in  bezug 
auf  den  Tag  117  für  den  Madr.  sehr  dürftig;  es  würde  reichhaltiger  sein, 
wenn  die  Handschrift  mehr  auf  Astronomisches  einginge. 

Wir  haben  uns  nun  den  21  Fällen  für  den  Tag  IY  17  zuzuwenden, 
es  sind  folgende: 

1.  14a  (=  Cort.  14).  11.  63a  (Cort.  29). 

2.  15  a  (=  Cort.  15).  12.  63b  (Cort.  29). 

3.  16a  (=  Cort.  16).  13.  79c  (=  Tro.  34i:). 

4.  19  b  (=  Cort.  19).  14.  80b— 81b  (==  Tro.  33*  -32*). 

5.  23c  (=  Tro.  34).  15.  83b  (=  Tro.  30*). 

6.  38a  (=  Tro.  19).  16.  87  b— 88b  (=  Tro.  26*— 25*). 

7.  40a  (=  Tro.   17).  17.  93c  (=  Tro.  20*). 

8.  51c  (=  Tro.  6).  18.  lOOd  (=  Tro.   13*). 

9.  60b— 61b  (Cort.  26—27).  19.  102c   (=  Tro.  11*). 
10.  62b  (Cort.  28)  20.  102d  (=  Tro.  11*). 

21.    111c  (=  Tro.  2*). 

Diese  Stellen  sind  nun  darauf  durchzusehen,  ob  sich  in  ihnen  etwa 
eine  Hindeutung  auf  die  grösste  Hitze*  oder  auf  die  Nähe  des  Jahres- 
wechsels findet,  der  ja  so  manche  Tätigkeit  erforderte,  wie  das  Beschaffen 
neuer  Götterbilder  und  neuer  Denksäulen,  Trinkgelage,  neue  Festkleidung 
usw.  Ist  das  der  Fall,  so  wird  die  Lage  des  Tages  IV  17  am  8.  Tage 
de-  cumku  im  Jahre  9ias  wahrscheinlicher.  Und  in  der  Tat  findet  sich 
Hehreres  der  Art. 

In  den  Stellen  I  und  2  sehen  wir  wirklich  (lütter  ihre  Hände  vor 
den  neuen   Denksäulen  erheben.     Auch  könnte  dir  vierte  Hieroglyphe  der 


—     «61     — 

ersten  Stellt',  mit  einer  .r)  versehen  and  wahrscheinlich  «las  Jahreszeichen 
enthaltend,  auf  die  5  Dayeyabtage  des  Jahresschlusses  hinweisen;  in  der 
zweiten  Stelle  aber  ist  die  vorletzte  Hieroglyphe  der  Kopf  ohne  Unter- 
kiefer mit  einer  drei  vorher  ti in  1  bedeutet  vielleicht  drei  Pasttage  am 
Jahresschlüsse.  Die  dritte  Stelle  zeigt  zwei  Götter,  die  in  ihrer  Hand 
kan  und  imix,  Speise  und  Trank  halten  und  sich  dadurch,  wohl  für  das 
kommende  Jahr,  als  gütig  darbietende  erweisen.  Übrigens  sind  die  drei 
eisten  Stellen  drei  unmittelbar  auf  einander  folgende  mit  demselben  Tage 
beginnende  Tonalaiiiatl.  In  der  vierten  Stelle  linden  wir  deutlich  eine 
Darstellung  des  Jahreslaufes;  Näheres  im  Kommentar  S.  32—33  Auch 
die  Schildkröte  als  das  Zeichen  des  vor  zehn  Tagen  stattgefundenen 
Soinmersolstitiums  fehlt  hier  nicht.  Stelle  .">  ist  wieder  eine  Hindeutung 
auf  den  nahenden  Jahresschluss ;  es  wird  die  Farbe  für  das  Malen  der 
neuen  Götterbilder  bereitet.  Dagegen  die  mit  der  6.  Stelle  beginnenden, 
auf  die  Jagd  bezüglichen  Darstellungen  lassen  für  uns  noch  keinen  weiteren 
Bezug  auf  die  Jahreszeit  entdecken;  das  gilt  auch  von  den  Stellen  7  und  8. 
In  Stelle  9  trägt  eine  Gottheit  (E  oder  F)  den  Kopf  des  C  in  einem  Sacke 
fort,  was  doch  wohl  auf  die  Ersetzung  des  Gottes  des  scheidenden  Jahres 
durch  den  des  kommenden  deutet.  In  Stelle  10  scheinen  zwei  Götter  jeder 
ein  Bündel  Fäden  wie  zur  Herstellung  neuer  Kleider  für  das  neue  Jahr 
zu  halten  (vgl.  unten  Stelle  10  und  20),  in  11  finden  wir  vier  Götter 
trinkend;  vielleicht  deutet  das  nächste,  aber  mit  dem  Tage  XI  15  be- 
ginnende Tonalamatl  der  Handschrift  auf  das  neu  beginnende  Jahr  durch 
die  aus  dem  Grunde  aufsteigenden  Schlangen.  In  den  Stellen  12  und  13 
linde  ich  keim-  Beziehung  auf  die  Jahreszeit,  in  14  wird  entschieden  auf 
die  Hitze  hingewiesen  (Kommentar  S.  108),  in  15  auf  die  sommerlichen 
Überschwemmungen  (S.  109).  Stelle  16  scheint  eine  Art  Ballspiel  oder 
Ahnliches  als  sommerliche  Unterhaltung  darzustellen,  17  bietet  mir  nichts 
Passendes  dar.  Dagegen  sehen  wir  in  18  das  Hineinbringen  der  neuen 
Götterbilder  in  die  Häuser  zum  Jahreswechsel,  in  19  und  20  das  Weben 
oder  die  Bereitung  neuer  Kleider  (vgl.  Stelle  10),  dagegen  in  21  nichts 
auf  die   Jahreszeit   ( lohendes. 

Soviel  über  das  Hervorragen  des  Tages  ahau  (17)  über  die  andern 
üinaltage.  Das  führt  uns  auf  die  Frage,  welcher  der  dreizehn  Wochen- 
tage in  diesen  Tonalamatl  der  so  bevorzugte  ist.  dass  darin  eine  Ansieht 
angenommen  weiden  muss.  Und  das  ist  entschieden  der  Tau-  Xlll.  denn 
im  Dresd.  beginnt  er  die  Tonalamatl  in  11  von  den  60,  im  Madr.  in  27 
von  den  188  Fällen.  Auch  das  stimmt  zusammen,  dass  XIII  der  letzte 
Wochentag  war  wie  ahau  der  letzte  üinaltag  dort,  wo  man  nach  aztekischer 
Weise  die  zwanzig  Tage  mit  imi.r  begann,  und  während  Xlll  mit  den 
andern  Tauen  \on  1 — 20  nur  je  einmal  bis  dreimal  ein  'Tonalamatl  be- 
ginnt, sehen  wir  es  an  solcher  Stelle  im  Madr.  mit  17  vereint  viermal. 
im  Dresd.   wenigstens  dreimal. 

Nächst  Xlll  ist  der  Wochentag  I  jedenfalls  der  für  den  Beginn  der 
Tonalamatl  beliebteste.  Das  zeigt  sich  weniger  im  Dresd.  mit  8  unter 
'■(>  fallen,  deutlicher  im  .Madr.  mit  2  1  unter  ISN.  Im  Dresd.  übertrifft 
ihn  ausser   Xlll    nur  noch    III    in   l»   Fällen. 


—     662     — 

Hieran  schliesse  ich  eine  scheinbar  entgegengesetzte,  aber  zu  dem- 
selben Ziele  führende  Betrachtung.  Nicht  bloss  die  Beliebtheit,  sondern 
auch  das  Vermeiden  eines  Tages  lässt  auf  eine  Absicht  schliessen.  Und 
das  trifft  nicht  im  Madr.,  wohl  aber  im  Dresd.  für  die  Zahl  Neun  zu. 
Im  ersten  Teile  des  Dresd.  (Seite  1  —  45)  beginnt  unter  sechzig  Tonalamatl 
kein  einziges  mit  dem  Wochentage  IX  oder  dem  Uinaltage  eb  (9).  Wollte 
man  die  Erinnerung  an  die  neun  senores  de  la  noche  oder  lords  of  the 
cycle  vermeiden?  oder  vermied  man  den  Anklang  von  bolön  =  9  an  balam 
den  Jaguar?  oder  war  der  Tag  eb  als  Reiniguugstag  (aztekisch  malinalli) 
zu  vermeiden? 

Dagegen  im  letzten  Abschnitt  des  Dresd.,  wo  nach  dem  Kampf  der 
Gestirne  gegeneinander  (Blatt  60)  entschieden  vom  Weltuntergang  die 
Rede  ist,  wird  plötzlich  die  Neun  geradezu  vorgezogen.  Die  zehn  Zahlen 
in  den  fünf  Schlangen  sind  alle  annähernd  das  Neunfache  von  Zahlen, 
die  der  Gegenwart  ziemlich  nahe  liegen  und  sie  alle  schliessen  sich  deutlich 
an  109  (=  10  •  9  -4-  1  •  9)  ahaukatun  (zu  113  880  Tagen)  an,  wie  ich  in 
meinem  Kommentar  zum  Dresd.  Seite  147  und  172  auseinandergesetzt 
habe.  Und  diese  Schlangenzahlen  mit  Ausnahme  derer  in  der  ersten 
Schlange  gehen  alle  von  dem  Nullpunkte  IX,  1  aus.  Dazu  kommen  die 
Anfangstage  der  Reihen,  die  auf  jenen  Blättern  eingeschaltet  sind;  die 
eine,  mit  Abständen  von  54  (6  •  9)  Tagen,  beginnt  in  IX  11,  die  zweite, 
mit  65  Tagen,  in  IV  9. 

Kehren  wir  nun  wieder  zu  den  Tonalamatl  zurück,  so  können  wir 
der  in  der  Überschrift  angedeuteten  Frage  etwas  näher  treten,  wenn  wir 
für  einzelne  der  in  den  Handschriften  vorhandenen  Tonalamatl  unter- 
suchen, ob  sich  in  ihnen  nicht  Andeutungen  finden,  in  welches  Jahr  sie 
fallen.  Vollkommen  sicher  aber  wird  sich  die  Frage  wegen  der  vielen 
Hieroglyphen,  deren  Bedeutung  uns  noch  unbekannt  ist,  nicht  beantworten 
lassen.  Ich  kann  mich  hier  nur  auf  wenige  Fälle  des  Dresd.  be- 
schränken. 

1.  Dresd.  4b  — 5  b  finden  wir  ein  freilich  nicht  ganz  fehlerlos  ge- 
zeichnetes Tonalamatl,  von  ihm  aber  umgeben  ein  Bild  eines  Ungeheuers, 
das  an  die  sonst  in  der  mittelamerikanischen  Literatur  vorkommende 
doppelköpfige  Schlange  erinnert  und  in  dem  wir  die  immer  von  neuem 
sich  gebärende  Zeit  sehen.  Da  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  hier  ein 
Zeitübergang  dargestellt  werden  soll,  etwa  als  nächstliegender  der  von 
einem  Jahre  in  das  folgende.  Zwei  Reihen  Hieroglyphen  stehen  darüber; 
die  zweite  enthält  die  Zeichen  der  wichtigsten  Götter.  Als  viertes  dieser 
Zeichen,  das  auf  den  dreizehnten  Tag  des  Tonalamatl  zu  fallen  scheint, 
finden  wir  die  Hieroglyphe  des  von  Schell has  mit  N  bezeichneten  Gottes, 
der  den  fünf  Unglückstagen  am  Jahresschlüsse  vorsteht  und  dessen  Zeichen 
deshalb  mit  der  Zahl  5  versehen  ist.  Nun  aber  beginnt  das  Tonalamatl 
mit  dem  Tage  XII  11  (ix)  und  dreizehn  Tage  darauf  liegt  der  Tag  XII  4. 
Dieser  aber  fällt  nur  im  Jahre  XIII  kan  auf  den  .lahresschluss,  den  25.  Tag 
des  Uinal  cum/cu,  und  so  wird  die  Ansicht  ziemliche  Wahrscheinlichkeit 
haben,  dass  dies  Tonalamatl  in  diesem  Jahre  beginnt  und  in  das  folgende 
Jahr   I  limine  hinüberreicht. 


—     663     — 

2.  Ein  zweites  Beispiel  entnehme  ich  aus  Dresd.  12c.  Hier  beginnt 
das  Tonalamatl  mit  dem  Tage  XIII  <S;  es  zerfällt  in  vier  Viertel  von  je 
65  Tagen,  deren  erstes  in  26  +  26  -|-  13  Tage  zerlegt  ist.  Und  zum 
zweiten  dieser  'Feile  sehen  wir  jenen  Gott  N  wieder,  hier  vollständig 
als  kahlköpfiger  Alter  verzeichnet,  darüber  auch  seine  eben  erwähnte  mit 
der  Fünf  versehene  Hieroglyphe.  Da  denken  wir  wieder  an  den  Schluss- 
tag des  Jahres  25,  L8  und  suchen  nun  den  Anfang  des  Tonalamatl  26  Tage 
früher,  haben  also  als  dessen  Datum  XIII  8;  L9,  17.  Bestärkt  werden  wir 
darin  dadurch,  dass  hinter  der  Hieroglyphe  des  N  die  der  Fruchtgottheit  E 
folgt,  welche  öfters  gerade  mit  dem  Beginn  des  neuen  Jahres  verbunden 
ist.  Nun  aber  trifft  das  Datum  XIII  8;  1!>,  17  nur  im  Jahre  \ix  ein, 
ebenso  XIII  14;  25,  18.  Da  nun  ferner  in  18,  17  der  längste  Tag  liegt, 
so  handelt  dies  Tonalamatl  von  den  abnehmenden  Tagen  oder  der  schwächer 
werdenden  Sonne;  und  das  hier  von  blossen  Punkten  statt  sonst  von  einer 
Linie  umgebene  Sonnenzeichen  finden  wir  nicht  bloss  dreimal  mit  dem 
Zeichen  eimi  (Tod)  verbunden  unter  den  Hieroglyphen,  sondern  auch 
dreimal  in  der  Hand  der  drei  darunter  abgebildeten  Götter,  deren  letzter 
geradezu  der  Sonnengott  ist.  Und  die  letzte  Hieroglyphe  ist  das  Zeichen 
cauac,  was  wohl  nicht  Zufall  ist,  denn  hier  erfolgt  der  Übergang  vom 
Jahre  I  ix  in  das  Jahr  II  cauac  \  vor  dem  cauac  aber  sehen  wir.  hier  zum 
siebenten  Male,  wieder  das  Sonnenzeichen. 

Xun  erinnern  wir  uns,  dass  das  Jahr  I  ix  im  Aztekischen,  wo  es  als 
I  acatl  an  der  Spitze  der  grossen  52  jährigen  Perioden  steht  (obwohl  ic 
erst  der  auf  acatl  folgende  Tag  ist),  eine  besondere  Bedeutung  hat,  da  es 
gewöhnlich  einen  wichtigen  Anfangspunkt  bezeichnet.  Und  auch  diese 
feierliche  Bedeutung  scheint  im  Dresd.  hervorgehoben  zu  sein,  denn  als 
ersten  der  drei  abgebildeten  Götter  finden  wir  zwar  den  alten  Gott  D. 
über  seinem  Haupte  aber  den  Kopf  des  B,  des  wichtigsten  Gottes  im 
ganzen  Dresdensis,  also  die  Gestalten  der  beiden  mächtigsten  Götter 
vereint. 

3.  Weniger  sicher  bin  ich  in  einem  dritten  Falle,  zu  Dresd.  13  c — 14  c. 
Das  Tonalamatl  beginnt  mit  dem  Tage  II  12  und  ist  in  zehnmal  26  Tage 
zerlegt;  die  ersten  26  Tage  zerfallen  in  7  +  3  +  3  +  13;  das  Ganze  handelt 
entschieden  von  der  Begattung,  wie  die  vier  Bilder  deutlich  zeigen.  Und 
in  der  Tat  scheint  mir  das  Tonalamatl  der  Mayas  nicht  bloss  eine 
hieratische  Bedeutung  zu  haben,  sondern  auch  zugleich  als  Schwanger- 
schaftsperiode zu  gelten.  Von  der  zweiten,  vierten,  fünften  und  neunten 
Hieroglyphe  der  oberen  Zeile,  die  einander  vollkommen  gleich  sind,  ver- 
mute ich  geradezu,  dass  sie  den  geschlechtlichen  Umgang  bezeichnen. 
Meine  Annahme  ist  nun,  dass  das  Tonalamatl  mit  dem  Datum  II 12;  18.4 
beginnt,  dass  also  an  derselben  Stelle  im  17.  l'inal  mit  dem  feierlichen 
Tage  des  Sommersolstitiums  das  darauffolgende  anfängt.  Dann  muss  es 
im  Jahre  IV  cauac  liegen.  Hierzu  stimmt  es  mir,  dass  Bieben  Tage  nach 
dem  Anfange  das  Datuni  IX  19;  5,  5  läge,  und  dies  gerade  glaube  ich  in 
der  ersten  Hieroglyphe  au  sehen,  in  der  die  Zahl  Vier,  ein  manik  (fort- 
nehmende Hand)  und  das  Zeichen  des  fünften  l'inal  vereint  sind;  das 
könnte    den     fünften     Uinal    weniger     vier     Taue,     also     den    fünften     Tau 


—     664     — 

desselben  bedeuten.  Das  stimmt  auf  den  85.  Tag  des  Jahres,  die  nächsten 
(iruppen  auf  den  88.  und  91.  Und  gerade  an  der  letzteren  Stelle  sehen 
wir  das  übliche  sogenannte  "Windkreuz,  welches  mehrere  Bedeutungen  zu 
haben  scheint,  hier  vielleicht  durch  die  Vierteilung  der  Fläche  den  Ablauf 
eines  Vierteljahres  bezeichnet.  Die  zweiten  26  Tage  aber  würden  mit 
dem  Datum  II  18;  4,  6  beginnen,  vielleicht  weist  darauf  das  doppelt  vor- 
kommende Zeichen  imix  (18)  in  den  Hieroglyphen. 

4.  Die  vierte  Stelle  finden  wir  im  Dresd.  35b — 37  b.  Sie  enthält  ein 
in  5  •  52  Tage  geteiltes  Tonalamatl,  dessen  erste  52  Tage  in  sieben  Teile 
zerlegt  sind.  Ich  will  diese  hersetzen,  wie  sie  die  Handschrift  ergibt, 
die  Abstände  der  einzelnen  Zeitpunkte  aber  in  Parenthese  schliessen: 

114  (11)  XII  5  (6)  V  11  (9)  120  (4)  V4  (7)  XII  1 1  (!)) 
VIII  20  (6). 
Es  folgt  dann  als  Anfang  der  zweiten  52  Tage  I  6.  Ich  setze  dies 
Tonalamatl  in  das  Jahr  XIII  muluc.  Dieses  aber  ist  ein  ganz  hervor- 
ragendes als  Schluss  einer  grossen  52jährigen  Periode,  die  nach  aztekischer 
Weise  mit  I  ias  (s.  oben)  beginnt.  Und  dass  dieses  Jahr  auch  sonst  als 
ein  besonders  wichtiges  angesehen  wird,  zeigt  z.  B.  der  Dresd.  Blatt  58, 
der  gerade  am  Schlüsse  seiner  bedeutendsten  Reihe  mit  diesem  Jahre 
rechnet  (s.  Kommentar  zum  Dresd.  S.  134),  ebenso  der  Madr.  Blatt  73 
(=  Cort.  39),  worüber  ich  im  Kommentar  zum  Madr.  S.  96  gesprochen 
habe.  Liegt  aber  jenes  Tonalamatl  im  Jahre  XIII  muluc,  so  müssen  die 
oben  angegebenen  Abschnitte  auf  folgende  Daten  fallen: 

1)  I  14;  10,  1.  2)  XII  5;  1,  2.  3)  V  11;  7,  2.  4)  I  20;  16,  2. 
5)  V4:  20,  2.  6)  XII  11;  7,  3.  7)  VIII  20;  16,  3.  Dazu  käme 
8)  als  Beginn  der  neuen  52  Tage  16;  2,  4. 

Und  gerade  das  erste  wie  das  letzte  Datum  stimmen  gut  zu  dem,  was 
die  Handschrift  darbietet.  Denn  zu  dem  ersten  sehen  wir  eine  grosse 
Schlange,  aus  deren  Rachen  der  Gott  B  hervorragt;  das  aber  deutet  auf 
einen  grossen  Zeitabschnitt,  wie  wir  z.  B.  aus  den  fünf  Schlangen  am 
Ende  des  Dresd.  wissen,  hier  auf  die  Grenze  zwischen  zwei  Perioden  von 
je  18  980  (52-365)  Tagen.  Und  von  den  vier  darüber  stehenden  Hiero- 
glyphen mögen  die  zweite,  dritte  und  vierte  nach  gewöhnlicher  Weise 
schon  zur  zweiten  Unterabteilung  gehören,  die  erste  aber,  ein  niit  muluc 
(sechster  Tag)  verbundenes  caban  (Tag  14)  deutet  gerade  auf  den  14.  Uinal  - 
tag,  den  ich  hier  annehme,  im  raw/ttc-Jahre.  In  der  letzten  Hieroglyphen- 
grnppe  aber  auf  Blatt  37b  sehen  wir  ein  kin  (Tag)  verbunden  mit  dem 
-Zeichen  des  vierten  Uinal  zoz,  des  K'ledermausmonats;  es  ist  also,  wie  ich 
annehme,  ein  Tag  dieses  Uinal  verllossen  und  wirklich  das  Datum  2,  4 
erreicht.  Und  dass  hier  neue  52  Tage  beginnen,  darauf  scheint  auch  das 
Bild  darunter  zu  weisen,  in  dem  aus  einer  Schnecke,  dem  Sinnbilde  der 
Geburt,  eine  Kindergestalt  geboren  wird,  auf  die  vom  Gotte  B  eine 
Schlange,  'las  Symbol  der  Zeit,  heruntergereichl   wird-. 

Auch  der  weitere  Verlauf  der  52  läge,  obwohl  noch  Manches  un- 
verständlich ist,  passt  auf  das  Jahr  XIII  muluc.  Denn  muluc  gehört  dem 
Norden  au:  der  eigentliche  Nordgott  aber  ist  C  und  «lieser  ist  der  Herrscher 


—    665     — 

des  Tages  chuen,  welcher  im  Bereiche  der  muluc-Tage  liegt.  Die  Hiero- 
glyphe des  C  finden  wir  in  der  Tat  in  den  Gruppen  5  und  6,  Bedenken 
aber  macht  mir  die  in  eine  Hieroglyphe  der  '■'<■  and  7.  Gruppe  (wie  auch 
zuweilen  an  anderen  Stellen)  eingeschriebene  Zahl  8;  in  der  7.  Gruppe 
könnte  sie  auf  den  Tag  VIII,  in  der  3.  vielleicht  auf  den  Tag  chuen,  den 
Tag  des  C  hinweisen,  doch  liegt  mir  hier  eine  feste  Behauptung  fern. 
Ebenso  unsicher  bin  ich  in  bezug  auf  die  in  der  4.  und  6.  Gruppe  be- 
gegnende Zusammenstellung  kin-akbal;  in  der  vierten  liegt  allerdings  der 
Tag  akbal  (20)  vor,  doch  passt  das  nicht  auf  die  sechste,  wo  vielleicht 
mit  dem  akbal  der  Abschluss  des  zweiten  und  der  Beginn  des  dritten 
final  angedeutet  sein  könnte.  Und  so  ist  hier  noch  manches  Andere 
unsicher. 

5.  Unmittelbar  im  Anschluss  an  das  Vorige  steht  die  fünfte  Stelle, 
Dresd.  38b— 41b.  Und  gerade  auf  das  Jahr  I  ix,  das  dem  XIII  muluc 
unmittelbar  folgt,  passt  mir  diese  Stelle,  die  übrigens  ein  doppeltes 
Tonalamatl  enthält,  von  dem  die  Handschrift  die  ersten  104  Tage  genauer 
mitteilt  mit  den  Abständen  IG,  8,  11,  10,  1,  L2,  6,  12,  11,  11,  6.  Zu  den 
in  der  Handschrift  angegebenen  Tagen  füge  ich  gleich  hier  die  Lage  im 
Jahre  hinzu,  wie  ich  sie  annehme:  1)  \  1  l<i;  7,  14.  2)  IX  12;  3,  15. 
3)  IV  20;  11,  15.  4)  II  11;  2,  16.  5)  XII  1:  12,  16.  6)  XIII  2:  13,  16. 
7)  XII  11:  :»,  17.  8)  V20;  11,  17.  9)  IV  12;  3,  18.  10)  113;  14,  18. 
11)  XIII  14;  25,  18.  12)  VI  20;  6,  1.  Hiermit  ist  meine  Besprechung  im 
Kommentar  S.  87  —  89  zu  vergleichen,  wo  ich  aber  jede  Gruppe  mit  einer 
um  Eins  niedrigeren  Zahl  bezeichnet  habe,  da  ich  jetzt  den  eigentlichen 
Nullpunkt  mit  einer  Eins  versehe,  dort  aber  die  Eins  erst  für  den  Ablauf 
der  ersten  Periode  nach  dem  Nullpunkt  verwendet  habe.  Am  wichtigsten 
ist  mir  hier  die  elfte  Gruppe,  die  erste  von  Blatt  41,  wo  ich  den  letzten 
Tag  des  Jahres,  also  den  Übergang  von  I  ix  zu  II  cauac  annehme.  Das 
hierzu  gehörige  Bild  passt  vortrefflich,  wieder  eine  aus  der  Schnecke  ge- 
borene Gottheit.  Und  unter  den  vier  dazu  gehörigen  Hieroglyphen  ist  die 
dritte  wirklich  das  Zeichen  cauac,  auf  das  neue  Jahr  hinweisend,  die  erste 
aber  könnte  leicht  auf  den  Jahresschlussgott  X  gehen,  die  vierte  mit  dem 
Windkreuz  auf  das  Abschliessen  überhaupt.  Und  ferner  stimmt  hierzu  in 
der  letzten,  zwölften  Gruppe  der  Hinweis  auf  den  ersten  l'inal  pop  in  der 
ersten  Hieroglyphe,  die  das  gewöhnliche  Bild  einer  Matte  zeigt,  auch  die 
vierte  Hieroglyphe  mit  ihrem  kin-akbal  kann  auf  einen  Abschluss  deuten. 
Die  neunte  Gruppe  aber,  die  ich  auf  den  Tag  3  cumku  setze,  enthält  in 
der  dritten  Hieroglyphe  das  Zeichen  des  Schildkrötenmonats  kaijab  =  17 
mit  einer  Vier  verbunden,  und  das  weist  mir  auf  den  vierten  Tag.  wenn 
man  den  Schlusstag  des  kayab  als  den  ersten  ansieht:  und  auch  das  zu- 
gehörige Bild  hat  den  Schildkrötenkopf  und  zeig*  eine  nach  oben  und 
eine  nach  unten  geriohtetfl  Fackel,  das  Zunehmen  und  Abnehmen  der 
Tage  um  diese  Zeit  andeutend,  denn  das  Sommersolstitium  liegt  am 
Tage  18.  17.  Ferner  in  der  /weiten  Gruppe,  in  welcher  mit  dem  Taue 
3,15  der  L'inal  n^an  erreicht  wird,  erscheint  /.war  nicht  der  Vogel  inoan. 
wohl  alter  der  Geier  in  Bild  und  Hieroglyphe,  in  ersterem  schwarz,  wie 
es  dem  Totenvogel   moan  geziemt.     Das  Übrige  bleibt  noch  fraulich. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.   Jahr::.  1904.    Heft  ."•.  |;', 


—    666    — 

6.  Es  folgt  als  sechste  Stelle  das  wiederum  sich  unmittelbar  an- 
schliessende Tonalamatl  41b — 43b,  das  ich  in  dasselbe  Jahr  I  ix  setzen 
möchte  wie  das  vorige;  es  zerfällt  in  5  •  52  Tage,  deren  erste  52  die 
Abstände  12,  7,  6,  21,  6  haben.  Ich  setze  es  nur  78  ((>  •  13)  Tage  später 
als  das  vorige  und  nehme  folgende  Lage  im  Jahre  an: 

1)  VI  14;  5,  18.  2)V6;  17,  18.  3)  XII 13;  24,  18.  4)  IV  19;  5,1. 
5)  XIII  20;  6,  2.     6)  VI  6;  12,  2. 

Danach  geht  zwischen  der  dritten  und  vierten  Gruppe  wieder  ein 
Jahreswechsel  vor.  Und  auf  diesen  Jahreswechsel  bereitet  schon  das  erste 
Bild  und  die  dazu  gehörigen  Hieroglyphen  (also  die  zweite  Gruppe)  vor. 
indem  hier  aus  einem  Baume  ein  neues  Götterbild  herausgearbeitet  wird; 
die  erste  der  Hieroglyphen  aber  enthält  das  Jahreszeichen,  die  dritte  ist 
mit  dem  Zeichen  des  Südens  versehen,  und  die  kommenden  Cawac- Jahre 
gehören  auch  gerade  dem  Süden  an.  Die  dritte  Gruppe,  der  vorletzte 
Tag  des  Jahres,  ist  wegen  Zerstörung  mehrerer  Hieroglyphen  und  Un- 
klarheit des  Bildes  nicht  zu  verstehen,  ebenso  die  vierte  Die  fünfte 
trifft  auf  den  Tag  XIII  20,  den  letzten  Tag  eines  mit  I  1  beginnenden 
Tonalamatl  und  gerade  ein  kin-akbal  steht  hier  als  dritte  Hieroglyphe. 

Dass  es  sich  hier  wesentlich  um  den  Eintritt  der  Regenzeit  handelt, 
was  zu  der  Lage  im  Jahre  passt,  habe  ich  in  meinem  Kommentar  S.  90 
bis  91  auseinandergesetzt. 

7.  Die  siebente  Stelle  hebe  ich  aus  Dresd.  40c — 41c  heraus;  sie  steht 
unmittelbar  unter  der  vorigen.  Die  260  Tage  sind  hier  in  5  •  52  geteilt 
und  die  ersten  52  folgen  aufeinander  mit  den  Abständen  10,  10,  10,  10,  3,  9, 
also  mit  möglichst  gleichmässiger  Einteilung.  Den  Anfang  bildet  hier  der 
Tag  I  ahau  (17)  und  das  lässt  gleich  den  Gedanken  aufkommen,  dass  hier 
der  wichtigste  aller  möglichen  Tage  I  17  gemeint  ist,  der  im  Jahre  I  kan 
den  18.  Tag  des  katjab  (Uinal  17)  bildet,  hier  mit  dem  Sommersolstitium 
zusammenfällt  und  als  Anfang  der  astronomischen  Rechnung  betrachtet 
wird.  Dies  vorausgesetzt,  ergeben  sich  hier  für  die  52  Tage  folgende 
Daten : 

1)  117;  18,  17.  2)  XI  7;  8,  18.  3)  VIII  17;  18,18.  4)  V7;3,  1. 
5)1117;  13,  1.  (!)  V  20;  Hi.  1  und  als  Anfangspunkt  der  folgenden 
52  Tage  7)  I  9;  5,  2. 

Die  vierte  Gruppe  (ohne  den  Nullpunkt  die  dritte)  zeigt  durch  die 
hinzugefügten  Gestirnzeichen,  dass  hier  mit  einer  astronomischen  Grund- 
lage zu  rechnen  ist.  Ausserdem  passt  sie  auf  den  Übergang  aus  dem 
Jahre  III  kan  in  das  Jahr  IV  muluc,  und  der  Gott  l>,  mit  dem  Festmantel 
bekleidet  und  eine  Schlange  (das  neue  Jahr?)  haltend,  spricht  auch  dafür. 
In  der  vorhergehenden  Gruppe  erscheint  vor  der  letzten  Hieroglyphe  die 
Zahl  I;  sollte  das  auf  die  nahenden  Uayeyabtage  deuten,  deren  gewöhnlieh 
fünf  angenommen  weiden,  aber  in  dem  rituellen  364-Jahre  wohl  nur  vier 
anzunehmen  sind?  In  der  sechsten  Gruppe  deutet  mir  die  Matte  wie 
schon    oben    in    der    fünften    Stelle    (Dresd.  38b     IM»)    auf  den   nun   er- 


—    66  <     — 

reichten  Uinal  pop.  Merkwürdig  ist  mir  aucli  in  Gruppe  7  die  Zahl  9 
vor  der  zweiten  Hieroglyphe;  sie  könnte  damit  zusammenhängen,  dass  hier 
der  Tag  eb  (=  9)  erreicht  ist. 

<S.  Endlich  führe  ich  hier  als  achte  die  Stelle  von  Dresd.  42c—  I5c, 
den  Schiusa  der  ersten  Hälfte  des  Dresd..  afi,  über  den  ich  im  Kommentar 
s.  L03 — L05  näher  gesprochen  habe.  Dies  Tonalamatl,  aus  4  •  65  Tagen 
bestehend,  ist  nicht  bloss  in  dem  ersten  Viertel,  sondern  bis  ganz  zum 
Schlüsse  ins  Einzelne  geteilt,  und  zwar  jede  •  '>•">  Tage  in  17  -|  6-8.  Es 
beginnt  mit  dein  Tage  XI 11  20,  an  welchem  260  von  I  1  anfangende  Tage 
enden   würden.      Die  ersten  Ii.")  Tage  verlaufen   in  folgender  Weise: 

1)  XIII  20.     2)  IV  17.     3)  XII  ä.     4)   VII  L3.     5)  II  1.     6)    \  9. 
7)  V  17.     8)  XIII  :>. 

.Mit  XIII  .">  beginnen  also  die  zweiten  (i.">  Tage,  mit  XIII  1<)  die  dritten, 
mit  XIII  1.")  die  vierten  uud  wieder  mit  XIII  _'<>  das  folgende  Tonalamatl. 
Die  ersten  65  Tage  gehören,  wie  die  Handschrift  ergiebt,  dem  Süden, 
die  zweiten  dem  Osten,  die  dritten  dem  Norden,  die  vierten  dem  Westen 
an.  Dazu  stimmt  es,  wenn  ich  annehme,  dass  hier  vom  Übergang  des 
Jahres  IX  ix  in  das  Jahr  X  cauac  die  Rede  ist  und  dass  der  Beginn  des 
Tonalamatl  in  den  elften  Tag  des  kayub  (11,  17)  fällt,  dann  erreicht  die 
erste  Unterabteilung  nach  17  Tagen  gerade  den  Tag  IV  17;  8,  18,  der  die 
grösste  Hitze  anzeigt  und  im  Jahre  IX  ix  den  Ausgangspunkt  aller 
historischen  Zeitrechnung  bildet.  Die  fünfte  Gruppe  (abgesehen  vom 
Anfang  die  vierte)  erreicht  dann  den  Tag  II  1;  7,  1,  also  deu  ersten  Uinal 
des  Jahres  X  cauac.  Bis  ich  widerlegt  werde,  nehme  ich  also  das  Jahr 
IX  ix  als  den  Anfang  dieses  Tonalamatl  an,  doch  weiss  ich  diese  Ansieht 
wegen  des  Mangels  darauf  hinweisender  Hieroglyphen  nicht  zu  stärken. 
höchstens  dadurch,  dass  die  beiden  letzten  Stellen  auf  die  Jahre  III  kan 
und  IX  ix  passen,  die  schon  Dresd.  24  als  Ausgangspunkte  aller  Zeit- 
rechnung nebeneinander  stehen. 

Ausser  diesen  beiden  Jahren  in  der  7.  und  8.  Stelle  habe  ich  oben 
in  der  2.,  5.,  »i.  das  Jahr  I  ii;  in  der  4.  das  vorhergehende  Jahr  XIII  muhic, 
in  der  1.  XIII  kan  angenommen,  die  alle  zu  denken  geben;  nur  IV  cauac 
in  der  ziemlich  unsicheren  :>.  Stelle  fällt  als  mehr  zufällig  auf.  Es  scheinen 
also  gewöhnlich  wichtige  Jahre  gewählt  zu  sein,  die  den  Anfang  oder 
das   Ende  grösserer  Zeiträume  bilden. 

Mit  diesen  acht  Stellen  muss  ich  es  gegenwärtig  genug  sein  lassen: 
mehr  zu  untersuchen,  würde  den  Kaum  zu  sehr  ausdehnen.  Und  vollende 
an  die  188  Tonalamatl  des  Madridensis  darf  ich  umso  weniger  gehen,  als 
der  unordentliche  Zustand  dieser  Handschrift  sehr  ausgedehnte  Unter- 
suchungen verlangen  würde.  Möge  das  Thema  also  zur  Weiterförderung 
meinen  Mitforsehern  empfohlen  sein.  Gelänge  es  einst,  sämtliche  Tonalamatl 
in  bestimmten  Jahren  festzulegen  und  endlich  vielleicht  eine  bestimmte 
Reihenfolge  unter  ihnen  aufzuweisen,  so  wäre  damit  auch  die  teilweise 
noch  recht  zweifelhafte  Ordnung  festgestellt,  in  der  die  Handschriften  zu 
lesen  sind,  und  das  wäre  ein  sehr  wichtiger  Fortschritt. 

13* 


—     668     — 

(10)    Hr.  Finn  überreichte  die  folgenden  Mitteilungen  über 
neuere  Ausgrabungen  in  Skandinavien. 

1.    Fund  aus  dem  älteren  Steinalter  in  Dänemark. 

In  dem  etwas  nördlich  von  Nästved  auf  Seeland  belegenen  Torfmoor 
—  es  bedeckt  einen  Flächeninhalt  von  2000  Morgen  und  ist  somit  wohl 
das  grösste  auf  der  Insel  —  wurde  im  Juni  d.  J.  beim  Torfstechen  ein 
interessanter  Fund  gemacht,  nämlich  eine  ziemlich  gut  erhaltene  Land- 
gangsbrücke, die  auf  beiden  Seiten  mit  Steinsetzungen  umgeben  ist.  Das 
Vorkommen  von  zahlreichen  Feuersteinsplittern  und  Abfällen  aller  Art 
lässt  erkennen,  dass  dieselbe  aus  dem  älteren  Steinalter  herstammt.  Da 
die  Brücke  auf  dem  Sandboden  errichtet  worden  ist,  der  die  Unterlage 
für  das  Moor  bildet,  so  liegt  die  Annahme  ziemlich  nahe,  dass  das  Moor 
früher  ein  See  gewesen  ist  und  mit  dem  Meere  in  Verbindung  gestanden 
hat.  Auf  Veranstaltung  des  Nationalmuseunis  wird  die  Brücke  noch  im 
Juli  vollständig  ausses-raben  und  untersucht  werden. 


-o~ö" 


2.    Neue  Altertumsfunde  in  Westgotland. 

Im  vorigen  Jahre  erhielt  das  historische  Museum  in  Stockholm  zweimal 
verschiedene  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  interessante  Altertumsfunde 
zugesandt,  die  auf  den  Ländereien  der  Besitzung  Finnestorp,  Kirchspiel 
Larf,  Westgotland  (in  der  Nähe  des  Wetternsees)  gemacht  worden  waren. 
In  der  zweiten  Juniwoche  d.  J.  wurde  auf  Veranlassung  der  Antiquitäts- 
akademie eine  vorbereitende  Untersuchung  des  betreffenden  Geländes 
durch  die  Kandidaten  0.  Frödin  und  G.  Hallström  vorgenommen. 

Das  an  Altertümern  reiche  Gelände  besteht  aus  Anschwemmungen  an 
der  Mündung  des  Finnestorpsbaches  in  den  Fluss  Lidan  und  umfasst  ein 
Areal  von  etwa  300  qm.  Hiervon  sind  jetzt  etwa  75  qm  vollständig  unter- 
sucht worden.  Dabei  wurden  grosse  Mengen  von  altertümlichen  Sachen 
aus  Eisen  und  Bronze,  wie  Schwerter,  Speerspitzen,  Riemenschnallen, 
Spangen  usw.,  sowie  zwei  schöne  Beschläge  aus  vergoldetem  Silber  ge- 
funden; ausgebreitet  über  einen  grossen  Teil  des  untersuchten  Geländes 
kamen  ausserdem  eine  bedeutende  Menge  von  Pferdezähnen  vor. 

Aus  den  Untersuchungen  ging  deutlich  hervor,  dass  die  Funde  aus 
Begräbnissen  sich  nicht  herschreiben,  vielmehr  sind  sie  mit  den  bekannten 
Moorfunden  zu  vergleichen,  die  bei  mehreren  Gelegenheiten  in  Dänemark 
gemacht  worden  sind  und  wozu  man  bisher  in  Schweden  eigentlich  nichts 
entsprechendes  gefunden  hat.  Verschiedene  Umstände,  wie  die  zerstreute 
Lage  der  Sachen  sowie  deren  augenscheinlich  mit  Absicht  vernichteter 
Zustand  deuten  hier  aber  auch  an,  dass  religiöse  Motive  der  Niederlegung 
zu  Grunde  gelegen  haben  —  mit  anderen  Worten,  dass  hier  ein  Opfer- 
platz gewesen  ist.  Auf  diese  Weise  erhält  auch  die  grosse  Menge  der 
Pferdezähne  eine  recht  natürliche  Erklärung. 

I)i<'  Gegenstände  dürften  aus  der  Zeit  um  «las  Jahr  400  n.  Chr.  her- 
rttbren. 

Die  rntersiichungen  werden  wahrscheinlich  im  nächsten  Sommer  fort* 
gesetzl  werden. 


—     669     - 

:).    Ans   Urnen ^räbern   auf  Alsten  bei   Stockholm. 

Auf  «lein  Gelände  des  Gutes  Alsten,  Bromma-Kirchspiel,  in  der  Nähe 
von  Stockholm,  wurden  kürzlich  auf  Veranlassung  der  Antiquitätsakademie 
in  Stockholm  von  dem  Assistenten  Dr.  E.  Eck  hoff  Untersuchungen  auf 
einer  Stelle  vorgenommen,  auf  welcher  man  prähistorische  Begräbnisplätze 
vermutete.  Die  Untersuchungen  waren  auch  von  Erfolg  gekrönt,  indem 
sogleich  zwei  Begräbnisse  gefunden  wurden,  in  denen  sich  Urnen  mit  den 
Resten  von  verbrannten  Leichen  sowie  mehrere  Nietnägel  befanden,  die 
nach  allem  zu  urteilen,  von  Booten  herrührten.  In  einer  grossen  Urne 
wurde  das  seltene  Verhältnis  konstatiert,  dass  in  derselben  eine  kleinere 
Urne  eingesetzt  worden  war,  die  Asche  und  Nietnägel  enthielt.  Fernei 
wurde  ein  Ohrgehänge  aus  Bernstein  gefunden;  dasselbe  ist  viereckig, 
konisch,  hat  eine  Länge  von  "2  cm  und  sehr  schön  erhaltene  Ränder,  am 
schmälsten  Ende  ist  ein  Loch  gebohrt.  Der  Fund  dürfte  aus  dem  8.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  herrühren.  Dr.  Eckhoff  vermeint,  dass  noch  wenigstens 
zehn  andere  Begräbnisstellen  vorhanden  sind,  von  denen  vielleicht  mehrere 
aus  weit  älterer  Zeit  herstammen  möchten. 

4.   Neue  Funde  aus  dem  arktischen  Steinalter 
in  Schwedisch-Xorrland. 

Bei  der  Planierung  einer  alten  Wiese  bei  Lillsund  im  Kirchspiel 
Ober-Kalix  Norrlands  Län)  wurden  im  vorigen  Jahre  drei  interessante 
Funde  aus  dem  Steinalter  der  Lappen,  dem  sogen,  arktischen  Steinalter. 
gemacht,  bestehend  aus  einem  kleineren  Meissel  und  zwei  23  cm  langen 
Steinäxten  von  einer  in  der  Gegend  äusserst  ungewöhnlichen  Form.  Ferner 
winde  weiter  hinab  bei  dem  See  Lansjärv  bei  einem  uralten  lappischen 
Wohnplatze  dicht  oberhalb  des  Hofes  Karls  oder  Aminnet  ein  Hohlmeissel 
gefunden.  Diese  vier  Gegenstände  sind  von  dem  Jägermeister  Hugo 
Samcelius  in  der  Absicht  erworben  worden,  dieselben  dem  historischen 
Staatsinuseum  zu  übergeben,  das  von  ihm  schon  über  zwanzig  verschiedene 
von  diesen  seltenen  und  interessanten  Gegenständen  erhalten,  die  sich  so 
wesentlich  von  den  Steinaltersfunden  südlicherer  Gegenden   unterscheiden. 

In  der  Nähe  von  Bracke,  Kirchspiel  Torsby  (schwedische  Westküste), 
wurde  kürzlich  in  einem  Torfmoor  in  einer  Tiefe  von  i>  m  unter  der 
Oberfläche  ein  besonders  schön  gearbeiteter  Angelhaken  aus  Knochen  ge- 
funden. Der  i;ut  erhaltene  Angelhaken  hat  einen  Stiel  von  7..">  cm  Länge, 
•  He  mit  Widerhaken  versehene  Biesnina:  ist  L5  cm  und  der  Abstand  zwischen 
der  Spitze  und  dem  Stiel  beträgt  3  cm.  Der  Angelhaken  stammt  jedenfalls 
aus  dem  Steinalter. 

5    Das  Wikingerschiff  v  od   Tönsberg. 

Wie  mitgeteilt,  sind  an  dem  Steven  des  bei  Tönsberg  in  der  Aus- 
grabung befindlichen  neuen  Wikingerschiffea  reiche  Bildschnitze- 
reien gefunden  worden.  Wie  „Morgenbladet"  in  Christiania  mitgeteilt 
wird,  sind  diese  Bildschnitzereien  wie  bisher  am  Steven  auf  jeder  Seite 
auf  zwei  breiten  Brettern  gefunden  worden,  ebenso  wie  an  einem  Teil 
der  Reeling.     Alle  können  jetzt  begreifen,    heistil  ea  in  dem   Bericht,   von 


—     670     — 

welchem  Interesse  es  ist,  dass  diese  Schnitzereien  der  Nachwelt  in  ihrer 
ursprünglichen  Gestalt  erhalten  werden,  wenn  es  auf  irgend  eine  Weise 
möglich  ist.  Zeichnungen  und  Photographien,  die,  wie  wir  voraussetzen, 
angefertigt  werden,  sind  hier  nicht  genug;  können  die  Sachen  selbst  er- 
halten werden,  dann  ist  es  natürlicherweise  weit  vorzuziehen.  Aber  wir 
wissen  ja,  wie  es  mit  den  reichen  Schnitzereien  am  Gokstad schiffe  ge- 
gangen ist;  diese  waren  nicht  lange  der  Einwirkung  der  Luft  ausgesetzt, 
bevor  sie  ganz  unkenntlich  geworden  waren,  und  so  anziehend  schön 
dieselben  waren,  als  sie  an  das  Tageslicht  kamen,  ebenso  abschreckend 
hässlich  sind  sie  nun  geworden.  —  Seit  das  Gokstadschiff  gefunden  wurde, 
hat  jedenfalls  die  Technik  in  dieser  Hinsicht  Fortschritte  gemacht.  In 
der  altnordischen  Sammlung  in  Dänemark  wird  ja  z.  B.  ein  hölzerner  Axt- 
stiel aus  dem  Steinalter  aufbewahrt,  der  noch  ebenso  schön  aussieht,  wie 
wenn  er  gestern  gefunden  worden  wäre.  Man  sollte  doch  glauben,  dass 
es  möglich  sein  müsste,  die  reichen  Schnitzereien  an  diesem  neuen 
Wikingerschiff  zu  konservieren.  Man  darf  nicht  vergessen,  dass  man  hier 
einen  Nationalschatz  vor  sich  hat.  Nicht  nur  unsere  Zeit  und  wir  hier 
in  Norwegen,  sondern  alle  Zeiten  und  alle  zivilisierten  Nationen  werden 
bewundern,  was  hier  gefunden  worden  ist.  Hier  muss  gefordert  werden, 
dass  alles  so  gut  gemacht  wird,  wie  es  überhaupt  mit  den  Hilfsmitteln 
der  Gegenwart  zu  tun  möglich  ist. 

Wie  vom  Ausgrabungsplatze  mitgeteilt  wird,  wird  denn  auch  alles 
Holzwerk  sogleich  wieder  mit  Erde  bedeckt  und  feucht  gehalten;  um  das 
Schiff  im  heilen  Zustande  aus  dem  Kiesenhügel  herausschaffen  zu  können, 
müssen  nun  aber  noch  viele  Tausend  Kubikmeter  Erde  von  beiden  Seiten 
lies  Schiffes  entfernt  werden. 

(11)  Hr.  Professor  Gabriel  Gustafson,  Direktor  des  Museums  in 
Christiania,  berichtet  Näheres  an  Hrn.  Geh.  Rat  Voss  über 

das  Schiff  von  Torsberg. 

Es  wird  Ihnen  gewiss  von  Interesse  sein,  zu  erfahren,  dass  in  Norwegen 
wieder  ein  Begräbnis  in  einem  Schiffe  aus  der  Wikingerzeit  gefunden  ist. 
Es  wurde  im  vorigen  Herbst  in  einem  grossen  Hügel  etwa  5  km  von  der 
Stadt  Torsberg  entdeckt.  Im  vorigen  Monat  habe  ich  die  Ausgrabung  des 
Fundes  begonnen,  die  jedoch  grosse  Zeit  erfordert.  Weil  das  Schiff  sehr 
tief  steht,  waren  bedeutende  Grabungen  nötig,  um  das  im  Innern  des 
Schiffes  stehende  Wasser  ableiten  zu  können.  Tch  bin  nun  so  weit  ge- 
kommen. <l;i^s  die  Länge  des  Schiffes  sich  bestimmen  lässt,  und  ungefähr 
das  Niveau  der  Reling  ringsum  erreicht  ist.  Der  nördliche  Steven,  den 
ich  als  den  Hintersteven  ansehe,  ist  schon  blossgelegt,  und  dabei  bin  ich 
überrascht  worden,  erstens  dadurch,  dass  der  obere  Teil  etwas  hervor- 
gebeugt  ist,  und  zweitens  dadurch,  dass  der  Steven  reich  ornamentiert  ist 
durch  kräftige  Tierornamente  im  nordischen  Stil,  auf  beiden  Seiten  in 
Relief  eingeschnitten.  Auch  der  obere  Teil  der  Reling  auf  beiden  Seiten 
i>t  ähnlich  ornamentiert,  gleichwie  mehrere  Holzstücke,  die  ich  anderswo 
im  Hügel  ausgegraben  habe. 


—     671     — 

Das  Schiff  ist  von  Eichenholz,  klinkerweise  gebaut  und  von  ca.  20  vi 
Lange;  die  grösste  Breite  kann  ich  noch  nicht  genau  bestimmen,  in  jedem 
Falle  höchstens  5  m.  In  der  Mitte  ist  eine  Grabkammer  von  Holz  gebaut 
gewesen,  die  jedoch  schon  in  alter  Zeii  leider  ausgeraubt  und  teilweise 
zerstört  lind  noch  im  vorigen  Herbst  durch  die  Grabung  des  Besitzer- 
weiter  beschädigt  worden    ist. 

Da  ich  mitten  in  der  Arbeit  nur  wenig  Zeil  habe,  bitte  ich  Sie. 
Herr  Direktor,  mit  diesen  kurzen  Notizen  vorläufig  sich  zu  begnügen. 
Später  werde  ich  Ihnen  gern  ausführlichere  Aufklärungen  geben.  Sollte 
Ihnen  etwas  von  spezieller  Bedeutung  sein,  oder  haben  Sie  mir  gute  Rat- 
schläge zu  erteilen,  bitte   ich  Sie,   mir  zu  schreiben. 

Ich  wärt;  Ihnen  auch  sehr  dankbar  für  eine  Mitteilung  über  das  beste 
Mittel,  die  Holzsachen  zu  konservieren.  Die  Schiffsseiten  sind,  soweit  ich 
jetzt  sehen  kann,  aus  festem  Eichenholz  und  brauchen  kaum  andere  Be- 
handlung als  Eintränküng  mit  Teer  und  Leinöl  oder  einem  ähnlichen  Mittel. 
Die  Sachen  aus  weichem  Holz  dagegen  sind,  wenn  sie  etwas  grösser  sind,  sehr 
schwierig  zu  behandeln.  Wenn  ich  sie  mit  Alaun  einkoche,  muss  ich  sie 
später  fleissig  mit  Leinöl  eintränken  durch  eingebohrte  Löcher.  I  Ja- 
Holz  wird  jedoch  durch  den  Alaun  schwer  und  brüchig,  und  ich  möchte 
am  liebsten  ein  Tränkungs mittel  haben,  «las  leichter  in  das  Holz  eindringt 
und  die  Holzstücke  nicht  so  schwer  macht.  Yiele  von  den  Holzsachen 
trocknen  ohne  konservierende  Behandlung  im  Innern  ein  und  werden 
dann  sehr  rissig. 

Sie  kennen  gewiss,  Herr  Direktor,  die  neuesten  und  besten  Mittel, 
'las  alte  Holz  zu  bewahren,  und  wollen  sicherlich  mir  in  dieser  Sache 
einen  guten   Rat  geben. 

(12)    Hr.  Strauch   spricht  über 

eine   Methode   farbiger  Konservierung  frischer   Leichenteile   für   die 
Zwecke  der  somatischen  Anthropologie. 

Ich  erlaube  mir,  Ihnen  hier  Resultate  einer  Konservierungsmethode 
zu  zeigen,  von  der  ich  glaube,   dass  sie  für  Sie  ein   Interesse  haben  wird. 

Teile  menschlicher  Leichen,  einzelne  Organe  wie  Gehirn,  Leber, 
Lunge.  Herz.  Nieren,  die  verschiedenen  sogen,  „anatomischen  Präparate" 
werden  für  gewöhnlich,  um  sie  vor  Eintrocknung  und  Fäulnis  zu  schützen. 
in  bestimmten  Flüssigkeiten  konserviert,  wie  man  sagt  ..feucht  auf- 
gehoben". 

Solche  Flüssigkeiten  waren  von  Alters  her  Alkohollösungen,  Chloral- 
bydratlösungen  u.  a. 

Leider  verblassten  in  diesen  Medien  die  Leichenteile,  verloren  gänzlich 
ihre  Farbe  und  wurden  allmählich  gleichmässig  gelblich-grau. 

In  neuerer  Zeit  hat  man  deshalb  sein  Hauptaugenmerk  bei  der  Kon- 
servierung solcher  Präparate  darauf  gerichtet,  dass  die  natürliche  Farbe, 
die  die  Teile  bei  Entnahme  vom  Leichnam  darboten,  später  noch,  wo- 
möglich  i'üv  immer,  erhalten    bleibe. 


—     672     — 

Erinnert  sei  hierbei  an  diesbezügliche  Studien  und  Methoden  von 
Melnikow-Raswedenkow,  Jores,   Kaiserling,  Puppe,    Pick  u.  a.1) 

All'  diesen  gemeinsam  ist,  dass  das  Präparat  zunächst  in  eine  Formalin- 
lösung  kommt,  wodurch  der  Blutfarbstoff  (das  Hämoglobin)  in  seine  saure 
Modifikation  (saures  Hämatin)  umgewandelt  wird;  sodann  gelangt  das 
Präparat  noch  auf  kurze  Zeit  in  Alkohol  und  dann  in  besonders  starke 
alkalische  Lösungen  (Kai.  aceticum,  Kochsalz,  schwefelsaures  Natrium). 

Hierdurch  wird  die  anfangs  durch  das  Formalin  erzeugte  grau-bräun- 
liche Farbe  des  sauren  Hamanns  in  die  leuchtend  rote,  naturähnliche 
des  alkalischen  Hämatins  umgewandelt. 

Diese  Farbe  bleibt  dann  gut  erhalten  und  verleiht  den  Leichenteilen 
dauernd  das  Aussehen  von  ganz  frischen,  wie  Sie  das  an  zahlreichen 
Präparaten  der  Vir chow sehen  Sammlung  im  pathologischen  Museum 
sehen  und  bewundern  können.  — 

Nun  hat  der  Lehrer  der  gerichtlichen  Medizin  in  Edinburg,  Hr.  Harvey 
Littlejohn2),  versucht  und  sich  bemüht,  diese  Erhaltung  der  „natürlichen" 
(oder  wie  wir  eben  sahen,  richtiger  gesagt,  der  „naturähnlichen")  Farbe 
auch  zu  erzielen  bei  Aufbewahrung  von  Leichenteilen  im  sogenannten 
„trockenen"  Zustande  („in  a  dry  state"). 

Solche  „trockene"  Aufbewahrung  beruhte  darin,  dass  man  das  Präparat, 
nachdem  es  eine  Weile  in  Alkohol  gewesen  war,  in  ein  luftdicht  ver- 
schlossenes (flasgefäss  brachte,  dessen  Boden  mit  einer  alkoholgetränkten 
Schicht  Watte  bedeckt  ist. 

Littlejohn  verfuhr  nun,  um  auch  dabei  die  Farbe  gut  zu  erhalten, 
in  der  Weise,  dass  er  die  frisch  der  Leiche  entnommenen  Organe  zuerst 
mehr  oder  weniger  genau  den  erwähnten  Methoden  von  Kaiserling, 
Puppe  usw.  unterwarf  und  sie  sodann  in  das  luftdicht  geschlossene  Glas- 
gefäss  brachte,  dessen  Watteachicht  am  Boden  er  mit  einer  dünnen  Formalin- 
lösung  tränkte. 

Die  Hauptschwierigkeit,  die  dabei  zu  überwinden  war,  war  die,  dass 
sich  an  den  Wänden  des  <  ilasgefässes,  zumal  beim  Wechsel  der  Aussen- 
temperatur,  leicht  Kondenswasser  —  aus  der  wässrigen  Formali nlösung  — 
niederschlug  und  dadurch  die  Organe  nicht  ordentlich  sichtbar  wurden. 


1)  Melnikow-Raswedenkow,  Über  das  Aufbewahren  pathologisch-anatomischer 
Präparate.  Centralbl.  f.  Pathol.  u.  patholog.  Anatom.  Nr.  2,  S.  49,  L896.  —  L.  Jores,  Die 
KoiiM-rvierung  anatomischer  Präparate  in  Blutt'arbe  mittels  Formalin.  Centralbl.  f.  Pathol. 
u.  pathol.  Anatom.  Nr.  1,  S.  134,  1896.  —  C.  Kaiserling,  Über  die  Konservierung  von 
Sammlungspräparaten  mit  Erhaltung  der  natürlichen  Farben.  Verhdl.  d.  Berl.  Mediz.  Ges. 
a.  d.  Jahre  1896,  Berlin  1897.  —  C.  Kaiserling,  Weitere  Mitteilungen  über  die  Herstellung 
möglichst  naturgetreuer  Sarmiihuigspräparate.  Virchows  Archiv  Bd.  147,  S.  389,  1897.  — 
G.  Puppe,  Über  das  Prinzip  der  Konservierung  anatomischer  Präparate  in  den  ..natürlichen" 
Farben  mittels  Formaldehyd,  nebst  Bemerkungen  über  die  Verwertbarkeit  dieses  Mittels 
beim  forensischen  Blutnachweis.  Yierteljahrschr.  f.  gerichtl.  Mediz.  u.  öffentl.  Sanitätswesen. 
'■'>.  Folge,  XVII,  2,  L898.   —   C.  Kaiserling,  Dber  Konservierung  und  Aufstellung  patho- 

li-anatomischer  Präparate  für  Schau-  und  Lehrsammlnngen.  Verhandl.  d.  deutschen 
Gesellsch.  f.  Pathol.  Dd.  II,  8.203,  1900.  —  L.  Pick,  über  die  Methoden  anatomische 
Präparate  naturgetreu  zu  konservieren.    Berl.  Klin.  Wochenschr.  Nr.  II  u.  12,  1900. 

2)  Harvey  Littlejohn,  A  new  Method  of  mounting  Museum  speeimens.  The  Journal 
of  Pathology  and  Bacteriology.    Edinburgh  and  London  1902. 


—     673     — 

Kr  half  diesem  Übelstande  ;ih.  indem  er  die  Watteschicht  ausser  mit 
Formal  in  noch  mit  etwas  reinem  (Hycerin  tränkte,  das  ja  Wasser  beffieriff 
aufsaugt. 

N ; i < •  1 1  seiner  diesbezüglichen  Veröffentlichung  hielte;,  sich  die  Präparate 
in  diesem  trockenen  Zustande  wundervoll  und  halten  weder  in  ihrer  Farbe 
noch  sonstigen  charakteristischen  Eigenschaften  eine  merkliche  Einbusse 
innerhall)  von  fünf  Jahren  erlitten. 

Ich  halie  im  Institut  für  Staatsarzneikunde  hier  diese  Littlejohnsche 
trockene  Methode  mit  Erhaltung  der  natürlichen  Farbe  nachgeprüft  und 
kann  mir  sagen,  dass  unsere  Resultate  erheblich  gegen  die  der  feuchten 
Methode  zurückgeblieben  sind. 

Ich  könnte  Ihnen  Herzen.  Nieren,  Muskeln,  vor  allem  Gehirne  zeigen, 
feucht  und  trocken  konserviert,  und  Sie  würden  keinen  Augenblick  zögern. 

der    feuchten    Methode    den    Vorzug   ZU    gehen. 

Nur  für  Organe  des  Verdauungstraktus :  Speiseröhre.  Rachen,  Magen, 
Darm  in  den  Fällen  von  Vergiftung  mit  einer  ritzenden  Flüssigkeit  (z.  B. 
Karbolsäure),  bei  denen  sich  ein  fester,  trockener  Ätzschorf  gebilder 
hat,  ist  die  trockene  Methode  der  feuchten  in  der  Naturähnlichkeit  der 
Farbe  gleich  und  durch  die  grössere  Handlichkeit  und  Leichtigkeit  des 
1  hunonstrationsobjektes  vorzuziehen. 

Bei  diesen  nachprüfenden  Versuchen  hatte  ich  auch  einmal  Gelegenheit 
die  Präparate  eines  Falles  von  Mord  durch  Stich  in  den  Bauch  zu  kon- 
servieren. 

Der  Stich  drang  durch  die  äusseren  Bauchdecken,  die  Leber,  den 
Dann,  die  Bauchspeicheldrüse,  die  -rosse  Bauchschlagader  bis  in  die 
Wirbelsäule  hinein.  Alle  Organe  dieses  Stichkanals  wurden  dieser  trockenen 
Konservierungsmethode  unterworfen. 

Hierbei  zeigte  sich,  dass  bei  weitem  am  besten  und  schönsten  das 
Stück  <\>T  äusseren   Bauchhaut  erhalten  blieb. 

Die  Haut  sieht  jetzt  noch  aus  wie  eine  frische  Leichenhaut,  schön 
wachsgelb,  zart,  mir  dem  frischer  Haut  ähnlichen  Turgor. 

Auch  das  Fett  des  Unterhautgewebes  erscheint  durchaus  natürlich. 
die  Stichwunde  hat  vollkommen  ihre  natürliche   Farbe  und  Form   bewahrt 

\\  orin  dieses  günstige  Verhalten  gerade  der  äusseren  Haut  bei  trockener 
Aufbewahrung  beruht,   ist  zur  Zeit  noch   nicht  recht  klar. 

Es  hat  mich  aber  veranlasst,  in  der  Folge  grössere  Hautpartien  und 
vor  allem  ganze  Körperteile  samt  ihrer  äusseren  Hautdecke  der  Methode 
zu  unterwerfen. 

Die  Erfolge  sind  überraschend  gute  gewesen,  und  muss  ich  mich  nur 
wundern,    warum  Littlejohn    die  Anwendung   seiner  Methode   gerade  in 

dieser   Richtung  nicht  erwähnt   und   empfiehlt. 

In    seiner  Abhandlung   schlägt    er   zur  Konservierung   besonders  vor. 

die  verschiedenen  Affektionen  des  Uterus  und  der  Ovarien  bei  der  Men- 
struation, der  Schwangerschaft  und  der  Entbindung,  Erkrankung  der  Därme, 
Peritonitis,  Magenentzündung,  Austritt  von  Blut  in  verschiedene  Gewebe, 
extradurale  Blutungen  u.  a.  Gehirnerkrankungen. 

Ermutigt    durch    diese  Erfolge    der    Littlejohnschen   trockenen  und 


—     074     — 

zugleich  farbigen  Methode  der  Konservierung  gerade  der  äusseren  Haut 
und  des  Unterhautfettgewebes  unternahm  ich  es,  bei  einem  bisher  un- 
aufgeklärt gebliebenen  Fall  von  wahrscheinlichem  Mord  durch  Hals- 
schnitt —  man  fand  den  Kopf  der  Frau  fast  vollständig  abgetrennt  — 
diesen  ganzen  Kopf  in  toto  einmal  nach  Littlejohn  zu  konservieren. 
Ich  schicke  voraus:  Die  gerichtliche  Sektion  der  Leiche  fand  am  '28.  Sep- 
tember 1903  statt,  der  Kopf  wurde  dann  nach  der  Puppeschen  Methode 
vom  29.  September  bis  4.  November  1903  feucht  konserviert  gehalten  und 
vom  8.  November  1903  ab  in  einem  grossen  viereckigen  (Hase  „trocken", 
d.  h.  nur  auf  Watte,  die  mit  Formalin-Glyeerin  befeuchtet  war,  gelegt  und 
«las   Gefäss  luftdicht  verschlossen. 

Ich  habe  Ihnen  dieses  Präparat  heute  hierher  geschafft,  damit  Sie  sich 
mit  mir  über  die  geradezu  wundervolle  Erhaltung  des  Kopfes  in  voll- 
kommen natürlicher  Farbe  und  Form  freuen  können. 

Viel  schöner  und  realistischer  als  jedes  Gemälde  und  jede  Wachs- 
nachbilduug,  präsentiert  sich  Ihnen  hier  dieser  Kopf  der  toten  Frau.  Nicht 
nur  ist  die  Form  im  ganzen  absolut  natürlich  erhalten,  auch  alle  feineren 
Nüanzierungen  der  Farbe,  vom  graugelblichen  der  Stirn  und  der  Nasen- 
gegend bis  zu  dem  bläulich  lividen  Farbenton  der  abhängigen  Teile  der 
Wangen,  der  Ohren  und  des  Nackens  sind  sichtbar.  Die  Gesichtszüge 
sind  nicht  in  irgend  einer  Weise  entstellt,  verzerrt,  geschrumpft  oder  ver- 
zogen; die  Lippen,  halb  geöffnet,  verleihen  dem  Kopf  das  durchaus  natür- 
liche Aussehen  einer  Schlafenden.  Beide  grossen  Schnittwunden,  auch 
die  Einschnitte,  die  bei  der  Sektion  gemacht  werden  mussten,  alle  Ab- 
schürfungen und  Kratzeffekte  sind  sichtbar  und  erhalten  geblieben.  Das 
einzige,  was  an  dem  Kopf  vielleicht  noch  störend  wirkt,  ist,  dass  zwischen 
den  halbgeöffneten  Lidern  der  Augapfel,  wenn  auch  die  Farbe  der  Regen- 
bogenhaut erhalten  ist,  etwas  geschrumpft  und  eingezogen  erscheint.  Auch 
dieser  Übelstand  wird  in  der  Folge  verhindert  werden  können,  wenn  man 
die  Methode  von  Gosse1)  anwendet  und  in  den  Augapfel  Glycerin  injiziert. 

Ganz  besonders  wird  das  Realistische  dieses  Präparates  dadurch  er- 
zeugt und  hervorgerufen,  dass  bei  dieser  trockenen  Methode  sich  auch  die 
Ifaare  in  vollkommen  natürlicher  Beschaffenheit  präsentieren.  Nicht  nur 
ist  am  Kopfhaar  der  Glanz,  die  Farbe  geblieben,  sondern  auch  die  Locken, 
Haarsträhne  und  einzelnen  Haare  sind  in  natürlicher  Wellung  und  Kräuselung 
sichtbar.  Das  aber,  was  meiner  Ansicht  nach  das  Vorteilhafteste  dieser 
Methode  ist,  ist  das,  dass  in  diesem  „trockenen"  Zustande  auch  das  feine 
Flaumhaar  liier  wie  im  Leben  erhalten  und  erkennbar  bleibt,  alle  schärferen 
Konturen  sauft  ausgleicht  und  dadurch  dem  Antlitz  die  unendlich  feine 
Modellierung  und  zarte   Plastik  der  Natur  und  des  Lebens  verleiht. 

.Meiner  Meinung  nach  wird  diese.  Ihnen  hier  gezeigte  Kon  servier  ungs-; 
rnefchode  für  die  somatische  Anthropologie  gewissen  Wert  und  Wichtigkeit 
erlangen. 

Wir  sind  dadurch  imstande  z.  I>.  ganze  Serien  von  verschiedenfarbigen 
Etassenköpfen  in  ihrer  natürlichen  Hautfarbe  und  Form  gut  zu  konservieren 


Notes  me4ico-legales,  Qeneve  1896. 


—     675     - 

und  hätten  für  Museen  damit  ein  sehr  anschauliches  und.    da  alkoholische 
Flüssigkeiten  fehlen,  absolut  feuergefahrloses  Sammlungsobjekt. 

Für  den  Unterricht  der  Anthropologie  bieten  diese  Präparate  eben 
auch  durch  ihre  vorzügliche  Farbe,  dann  aber  auch  durch  die  Leichtigkeit 

und   Handlichkeit  einen  grossen   Vorteil. 

Für  die  Forschung  endlieh,  besonders  auch  die  vergleichende  Forschung 
lassen  sich  auf  diese  Weise  ganz  besonders  gut  allerlei  Abnormi täten  und 
Missbildungen  an  Fusa  und  Hand,  Tätowierungen,  vornehmlich  Narben- 
tätowierungen der  Haut,  abnorme  IVhaarungen,  die  künstlichen  Verun- 
staltungen an  Lippen,  Nasen  und  Ohrmuscheln,  charakteristische  Runzeln 
und  Faltenbildungen  der  Haut  /..  15.  die  Mongolenfalten  am  Auge,  besondere 
Färbungen,  wie  die  sogenannten  Mongolonflecke  am  Kumj)f  neugeborener 
Mongolenkinder  und  vieles  andere  dauernd  and  natürlich  in  Farbe  und 
Form  aufheben.  — 

Hr.  Waldeyer:  Dazu  möchte  ich  bemerken,  dass  wir  ein  Ver- 
fahren, Leichenteile,  die  vorher  mit  konservierenden  Flüssigkeiten  behandelt 
worden  sind,  nachher  in  Alkoholdampf  aufzubewahren,  schon  seit  langem 
in  unserem  Institut  im  Gebrauch  haben.  Wir  legen  die  Präparate  nicht 
in  Flüssigkeiten,  sondern  so,  dass  sich  am  Boden  des  Gefässes  Alkohol 
befindet,  worüber  wir  irgend  einen  aus  Holz  gefertigen  Rahmen  setzen, 
und  darauf  legen  wir  erst  die  Präparate.  Die  von  Hrn.  Strauch  be- 
schriebene Formal inmetho de  leistet  allerdings  ooch  mehr;  denn  das  vor- 
gelegte ausserordentlich  schöne  Präparat  übertrifft  alles,  was  ich  bisher 
sehen  habe. 

(13)    Hr.  Meisner  spricht  über 

Danewerk  und  Hedeby. 

Ein  Rückblick  auf  vormittelalterliche  Befestigungen.1) 

I. 

Wie  Birka  in  Schweden,  Wisby  auf  Gothland,  Stargard  und  Alten- 
Lübeck  im  östlichen  Holstein  und  Jumne  auf  Wollin,  hat  in  neuester 
Zeit  Hedeby  in  der  Nähe  der  Stadt  Schleswig  die  Aufmerksamkeit  der 
Altertumsforscher  auf  sich  gelenkt.  Sein  Entstehen,  Bestehen  und  Ver- 
gehen wird  nur  im  Zusammenhange  mit  den  Resten  der  alten  Befesti- 
gungen verständlich,  die  in  der  Höhe  von  Schleswig  den  Zugang  in  die 
jütische  Halbinsel  sperrten.  Soweit  sie  noch  vorhanden  oder  durch  ältere 
Aufzeichnungen  bezeugt  sind,  bestehen  diese  Befestigungen  aus  ver- 
schiedenen Zeitperioden  augehörigen  Abschnitten;  ihre  erste  Anlage  fällt 
in  jene  Zeit,  in  der  sich  Sage  und  Geschichte  die  Hand  reicht. 

Am  nördlichen  Talrand  der  Niederung  der  Rheider-An,  eines  Neben- 
flusses der  Treene,  die  sich  in  die  Eider,  ohnweit  ihrer  Mündung  in  die 
Nordsee,  ergiesst,  zieht  ein  einfacher  Erdwall  von  Hollingstedt  bis  Kurburg^ 
etwa  6  km  laug  und  3,5  m  hoch,  auf  eine  weite  Strecke  in  die  Niederung 
heruntersteigend  und  hier  stellenweise  auf  einer  Art  hölzernem  Pfahlrost 
ruhend,  seinem    Laufe  nach   im    Volksmunde  der   Krumniwall   genannt. 


!    S.  die  KartenskUxeu  S.  088    690. 


—     676     — 

Bei  Kurburg  gabelt  sich  die  Befestiguugslinie.  Der  südliche  Schenkel 
des  Winkels  geht  quer  über  den  flachen  Landrücken  bis  an  das  steile 
Ufer  des  Selker  Noores.  Er  besteht  aus  einem  Erdwall  mit  südlich  davor 
gelegenem  Graben,  daher  Kograben,  auch  Kurgraben  genannt,  ein  Wort, 
das  ebensowenig  wie  die  Bezeichnung  der  Ortschaft  Kurburg,  mit  der  er 
sicherlich  in  Beziehung  steht,  gedeutet  worden  ist.  Diese  Linie  hat  eine 
Länge  von  5  km,  die  Ausmasse  von  der  Sohle  des  Grabens  bis  zur  Krone 
des  Walles  betragen  an  den  besterhaltenen  Stellen  etwa  6  m,  in  der  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts  aber  etwa  noch  das  doppelte.  Sie  wird  durch 
eine  uralte  Strasse,  deren  hohes  Alter  die  zahlreichen  Kegelgräber  be- 
zeugen, die  sie  einsäumen,  und  die  noch  bis  zur  Entwicklung  des  Eisen- 
bahnnetzes den  Hauptverkehrsweg  zwischen  Süden  und  Norden  bildete, 
den  sogen.  Ochsenweg1),  durchbrochen.  An  dieser  Stelle  befindet  sich 
noch  südlich  vor  dem  eigentlichen  Walle  auf  eine  kurze  Strecke  eine  Art 
A'orwerk,  der  kurze  Kograben  genannt. 

Der  nördliche  Schenkel  des  Winkels  bildet  das  eigentliche  Dane- 
werk und  reicht  bis  zu  dem  Ufer  des  jetzt  ausgetrockneten  Danewerksees. 
Er  ist  etwa  3  km  laus;  und  besteht  aus  einem  älteren  Teile,  den  eine  torf- 
artige  Schicht  oder  an  einzelnen  Stellen  eine  Lage  langer  gespaltener 
Hölzer  oder  Palisaden  begrenzt,  und  einer  späteren  Aufschüttung,  so  dass 
er  eine  Höhe  von  11  m  erlangt.  Er  lehnt  sich  an  das  von  Norden  her 
abfallende  und  überhöhende  Hügelgelände.  Auch  ihn  durchbricht  der 
Ochsenweg.  Das  Tor  hat  den  Namen  Wiglesdor  oder  Isarndor,  fälschlich 
auch  Fifeldor,  und  in  neuerer  Zeit  Kalegat2)  erhalten. 

Eingebettet  in  die  neuere  Aufschüttung  befindet  sich  im  westlichen 
Teile  des  Danewerkes  eine  Mauer  aus  Feldsteinen,  nach  ihrer  mutmass- 
lichen Erbauerin  die  Tyra  -  Mauer  genannt,  und  weiter  östlich  bis  zum 
Kalegat  hin  eine  ebensolche  Mauer  aus  Backsteinen,  die  nach  ihrem  Er- 
bauer die  Waldemars-Mauer  heisst,  beide  vor  dem  ursprünglichen  alten 
Erdwall.     Am    Rande    des  Danewerksees    liegt    ein    ausgeebneter    grosser 

O  O  c5 

alter  Burgplatz,  nördlich  vom  Danewerk,  in  unmittelbarer  Berührung  mit 
ihm,  die  Tyra-Burg3),  nach  der  Königin  Tyra,  die  hier  ein  Schloss  gehabt 
haben  soll. 

Am  östlichen  Ufer  des  Danewerksees  gabelt  sich  die  Befestigung  noch 
einmal.  Der  nördliche  Schenkel  des  Winkels  läuft  1  km  lang  bis  zum 
Talrand  der  Niederung  der  Gottorper  Wiesen,  einer  alten  Schleibucht,  als 
einfacher  Erdwall,  etwa  2  m  hoch,  mit  Andeutung  eines  Grabens,  in  der 
Richtung    des    Danewerkes    weiter.     Er    sperrt    die  Übergänge    über    den 


1)  Ochsenweg,  weil  auf  ilim  ehedem  das  magere  Viel]  aus  Jütland,  das  der  Marschen 
entbehrt,  io  die  Marschen  Schleswigs  und  Holsteins  getrieben  wurde,  um  dann  auf  den 
englischen  und  Hamburger  Markt  zu  gelangen. 

-  Wiglesdor  und  Fifeldor  sind  nicht  erklärt;  letzteres  soll  auch  die  Eider  bedeuten: 
Isarndor  Eisernes  Tor.  Alle  drei  Bezeichnungen  sind  auch  auf  das  Tor  im  Kograben 
bezogen  worden.  Kalegai  =  Kohlengasse,  weil  die  Holzkohle  aus  dem  Westen  ehedem 
durch  dasselbe  nach  Schleswig  gelangte,  s.  Sach  I,  8.51. 

3)  Tyra  Dannebod,  die  Gemahlin  Gorm  des  Alten,  um  die  Wende  des  10.  Jahrb., 
an  die  uoch  viele  Sagen  erinnern.    Waldemar  der  Grosso  II f>7 — 1187. 


—     677     — 

schmalen  AbHuss  des  Danewerkeees  un<l  über  die  Niederung  selbst  auf 
dem  Wege  nach  dem  nördlichen  Talrande.  Der  südliche  Schenkel  zieht 
in  gerader  Linie  nach  Osten  als  einfacher  Erdwall  stellenweise  mit  Graben, 
etwa  3  km  lang  und  l  ///  hoch.  Er  heisst  nach  seinen  Erbauern  der 
Haralds-  oder  der  Margareten- Wall1).  Im  westlicher  Teile  ist  er 
dort,  wo  eine  wichtige  Zugangsstrasse  auf  dem  Höhenrücken  zwischen 
Danewerksee  und  Busdorfer  Teich  Läuft,  durch  einen  Doppelwall  und 
Graben  und  einen  nach  Norden  ausspringenden  Wallbogen  verstärkt.  Im 
Osten  stösst  er  auf  einen  grossen   Halbkreiswall. 

Dieser  Halbkreiswall,  die  Oleburg,  liegt  mit  seiner  offenen  Seite 
an  dem  Haddebyer  Noor.  Seine  Ausmasse  betragen  450:600m,  die  von 
ihm  begrenzte  Fläche  28  ha.  Der  Wall  mit  Andeutung  eines  Aussen- 
grabens  erreicht  eine  Höhe  von  10  m.  Im  Norden  und  Süden  hat  er  Tore 
iüv  eine  Strasse,  im  Westen  eine  Öffnung  für  einen  dem  Haddebyer  Noore 
quer  durch  das  Innere  zustrebenden  Wasserlauf.  Im  südwestlichen  Teile 
unterbricht  ihn  eine  Lücke  von  etwa  12  m  Länge,  die  im  Volksmunde  die 
Stormhiill  =  Sturmlücke  heisst.  Vor  dieser  läuft  ein  niedriger  Parallel- 
wall. Ältere  Handzeichnungen  geben  ausser  diesem  noch  zwei  Wälle  an, 
die  über  den  Bergrücken;  der  sich  zwischen  der  Schlei  und  dem  Haddebyer 
Noor  hinzieht,  laufen.2) 

Auf  der  Spitze  dieses  Bergrückens  liegt  ein  länglicher  Ringwall  von 
etwa  60:250  m  Ausdehnung  mit  Wall  und  Aussengraben,  der  die  Hoh- 
burg  oder  Markgrafenburg  heisst. 

Ganz  getrennt  in  einer  Entfernung  von  10  km  finden  sich  im  Osten 
zwischen  der  grossen  Breite  der  Schlei  und  dem  Wiedebyer  Noor  nördlich 
der  Niederung  des  Osterbeks  Reste  von  Erdwerken,  die  den  Namen  der 
Ost  er  wall  tragen. 

Über  die  Entstehung  dieser  Werke  berichten  Sage,  Chronik  und 
Runeninschrift,  dass  im  Jahre  808  der  dänische  König  Godfred3)  mit 
seinen  Rittern  und  einem  Heere  zu  Schiffe  bei  Sliestorp  d.  i.  Schleswig 
erschienen  ist  und  beschlossen  hat,  um  sein  Land  gegen  die  Einfälle  der 
Deutschen  zu  schützen:  „die  Grenze  seines  Reiches  nach  Sachsen  mit 
einem  Walle  zu  schirmen,  in  der  Weise,  dass  von  dem  östlichen  Meer- 
busen, den  die  Dänen  Östersalt  nennen,  bis  zum  westlichen  Meere,  das 
ganze  nördliche  Ufer  des  Flusses  Ägidora,  d.  i.  Eider,  entlang,  ein  Boll- 
werk reichte,  nur  von  einem  Tore  unterbrochen,  durch  das  Wagen  und 
Reiter  heraus  und  hereinkommen  könnten  K  Im  Jahre  810  starb  er,  und 
sein  Sohn  Gemming  schloss  mit  den  Deutschen  Frieden.  Nichtsdesto- 
weniger dauerten  die  Einfälle  der  Deutschen  in  das  dänische  Gebiet  unter 
Heinrich  I.,  Otto  I.  und  Otto  II.  und  selbst  noch  Lothar  fort.  Von 
Otto  IL  heisst  es.  dass  er  975  nach  einem  vergeblichen  Versuche,  sie  zu 
nehmen,  den  Grenzgraben  und  das  Tor  erstürmte  and  dann  eine  Burg 
anlegte,    die    indes    gegen  Ende    des  10.  Jahrhunderts  von  den  Dänen  er- 

1     Harald  Blaatand  936—986,  Margarete  L387  -1412. 

2)   Juli.  Meiers  Handzeichnung  im  Reichsarchiv  zu  Kopenhagen  >.  Fortidsmind. 
765-  810. 


—     678     — 

obert  und  zerstört  wurde.  Lothar  vermochte  nicht  das  verteidigte  Werk 
zu  überwinden  und  kehrte  um. 

Im  Laufe  des  9.  Jahrhunderts  Hessen  sich  Vikingerfürsten  in  der 
Nähe  von  Schleswig  nieder,  beunruhigten  das  dänische  Gebiet,  nahmen  es 
vorübergehend  in  Besitz  und  legten  den  Handel  der  Stadt  Schleswig  lahm, 
mitunter  im  Bündnis  mit  den  Deutschen.1)  Mit  ihnen  kommt  der  Name 
Hedeby  in  Gebrauch,  der  gegen  Ende  des  !>.  Jahrhunderts  den  Namen 
Schleswig  (Sleaswic,  Sliesthorp)  vollständig  verdrängt,  bis  in  der  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  beide  Orte  nebeneinander  und  im  Anfange  des 
15.  Jahrhunderts  wieder  nur  Schleswig  in  den  schriftlichen  Urkunden  Er- 
wähnung finden.2)  Erst  gegen  Ende  des  10.  .Jahrhunderts  wurden  die 
Yikinger,  nachdem  ihre  Niederlassung  vorübergehend  im  Besitze  der 
Dänen  war,  nach  vielen  blutigen  Kämpfen  endgültig  durch  König  Sven 
Tveskaeg  vertrieben.3) 

Während  dieser  Zeit  und  später  hatte  das  Danewerk  durch  Tyra  und 
Waldemar  sehr  wesentliche  Verstärkungen  erfahren  und,  nachdem  die 
Feste  der  Yikinger  gefallen  war,  erbaute  erst  Harald  Blaatand,  dann 
Margarete  einen  neuen  Wall  gegen  die  Deutschen. 

Die  Reste  der  alten  Befestigungen  haben  im  Laufe  der  Zeiten  eine 
«ehr  verschiedene  Deutung  erfahren. 

Als  Wall  Godfreds  wird  von  den  einen  der  Kograben,  von  den 
anderen  der  alte  Wall  des  Danewerkes  angesehen,  von  beiden  aber  der 
Krumm  wall  als  seine  Fortsetzung  bis  zum  westlichen  Meere  gedeutet. 

Der  Kograben  gilt  anderen  wieder  als  ein  viel  älterer  Wall,  der  schon 
vor  Godfred  zum  Schutze  des  dänischen  Kriegshafens  in  dem  Haddebyer 
Noore  errichtet  war,  und  noch  andere  meinen,  dass  er  ein  jüngeres  Werk 
der  Dänen  sei  und  nur  die  Bedeutung  eines  Vorwerkes  vor  der  eigent- 
lichen Befestigung,  einer  Landwehr  oder  auch  nur  eines  blossen  Grenz- 
grabens beanspruchen  könne.  Fälschlicherweise  ist  er  sogar  als  ein  Werk 
der  Deutschen  gegen  die  Dänen  und  als  ein  Kanal  angesehen  worden, 
weil  einmal  ein  dänischer  König  seine  Schiffe  aus  der  Schlei  in  die  Eider 
gebracht  haben  soll,  um  die  Friesen  zu  bekriegen.*) 

Das  Danewerk  wird  von  einer  Seite  als  ein  Wall  gegen  die  Deutschen 
angesehen,  der  errichtet  wurde,  nachdem  der  Kograben  infolge  der  Nieder- 
lassung der  Vikinger  an  der  Schlei  seine  Bedeutung  verloren  hatte. 

Die  Ringwälle  am  Haddebyer  Noor,  an  der  Schlei  und  am  Dane- 
werksee  werden  als  Reste  alter  Bauernburgen  gedeutet5),  wie  sie  auf  der 
jütischen  Halbinsel  sehr  zahlreich  sind;  andere  erblicken  in  der  Oleburg 
die  Niederlassung  der  Wikinger,  Hedeby6),  in  der  Höh-  oder  Markgrafen- 
burg die  Burg  Otto  II.7)     Während    über  die  übrigen  Bauten,    die  Tyra- 


1)  Nord.  Fortidsmind.  5.  2U8.  —  Mostorf  S.  20.  —  Sach  I,  5.  46. 
2    Such    [I,   109  u.  w. 

6     L014. 
•1)  Barfod  S.  100.     Schröder  8.  L02.     JähnB. 

5)  Haudelmann  8.  L — 13.    V^l.  die  Pläne  derselben  bei  diesem  und  in  Fortidsm. 
<•>     Mostorf  S.  31. 
7)  Handel  in  an  n  S.  L0. 


—     679     — 

and  <li<'  Waldemars-Mauer  und  «Ich  Margaretenwal]  im  wesentlichen  keine 
Zweifel  bestehen,  wird  der  Osterwall  von  den  einen  für  eine  Landwehr 
für  «las  Land  Schwansen.  von  den  anderen  aber  als  eine  künstliche  Kon- 
struktion einiger  Gelehrter  <\*'±  LS.  Jahrhunderts  angesprochen,  die  ihn  in 
den   Resten  einiger  grosser  Riesenbetten  haben  erkennen  wollen.1) 

Neuere  archäologische  Untersuchungen,  die  an  der  Hand  eine-  ein- 
gehenden Quellenstudiunis  und  sorgfältiger  Messungen  und  Aufnahmen, 
sowie  vorzugsweise  von  Feststellungen  der  Lauart  Acv  einzelnen  Ab- 
schnitte dieses  Befestigungssystems  angestellt  werden  sind,  haben  zu 
folgenden   Ergebnissen  geführt.2) 

Der     sogenannte   Osterwall     zwischen     dem    Windebyer   Noor     und     der 

grossen   Breite    der  Schlei    und    die  Wallstrecke    zwischen    den  Gottorper 

Wiesen  und  dem  jetzt  trocken  gelegten  Danevverksee  und  zwischen  diesem 
und  der  Treene-Niederung  bei  öollingstedt  stellen  die  älteste  Ibt'e-ti-uim 
dar,  die  im  Anfange  des  9.  Jahrhunderts  von  dem  dänischen  Könige  Gbd- 
fred  errichtet  worden  ist,  um  das  Land  gegen  die  Einfälle  der  Deutschen 
zu  schützen.  Nur  ein  einziges  Tor  —  Wieglestor  oder  Kalegat  -  bei 
dem  Dorfe  Klein-Dannewerk  auf  dem  alten  Ochsenwege  gewählte  freien 
Durchzug.  Zur  Zeit  Thyra  Daunebods  und  Waidemars  des  Grossen 
wurde  dieses  Werk  westlich  von  diesem  Tore  bedeutend  verstärkt. 

Als  sich  gegen  Ende  des  9.  Jahrhunderts  unabhängige  kleine  Könige 
schwedisch-dänischer  Herkunft  an  dem  Haddebyer  Xoor  festgesetzt  hatten, 
entstand  der  als  Oleburg  bezeichnete  Halbkreiswall  an  diesem  Noore  und 
zugleich  als  eine  Art  Zitadelle  für  diese  Niederlassung  der  Ringwall  auf 
der  Spitze  des  gegen  die  Haddebyer  Kirche  ziehenden  Bergrückens,  der 
heute  den  Namen  Hohburg  trägt.  Um  diesen  Halbkreiswall  am  Hadde- 
byer Noor  läuft  im  Südwesten  in  einer  Entfernung  von  etwa  300m  eine 
zweite,  nur  als  kleine  Erhebung  sichtbare  Befestigungslinie,  die  als  ein 
Belagerungswal]  des  Königs  Sven  Tveskaeg  gedeutet  wird.  Ausser  für 
seine  Tore  und  den  ihn  durchfliessenden  "Wasserlauf  hat  der  eigentliche 
halbkreisförmige  Wall  gegen  Südwesten  noch  eine  breite  Lücke  —  im 
Volksmunde  Stormhull  genannt  — ,  die  eine  Art  Bresche  darzustellen 
scheint,  durch  die  sich  die  Belagerer  unter  Schutzdächern  einen  Zugang 
gruben.  Wiederholte  Grabungen  bestätigen,  dass  es  sich  um  einen  be- 
wohnten Ort  gehandelt  hat.3) 

bin  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  erlag  diese  Niederlassung  nach 
vielen  Kämpfen  dem  Angriffe  der  dänischen  Könige.  In  ihr  ist  das  alte 
lledoby  zu  erblicken,  dessen  Namen  und  Bedeutung  vor  (lern  empor- 
kommenden Schleswig  nunmehr  verloren  Bring.  Als  sie  gefallen  war.  ver- 
band  A^v  König  Harald  Blaatand  den  tlalbkreiswal]  mit  der  alten  Be- 
festigungslinie  des  Königs  Godfred  durch  einen  Wall  von  diesem  bis  zu 
dem    Danewerksee    und    bildete    so    eine    neue  Wehr  gegen  Deutschland, 

die  später  noch  in  ihrem  westlichen  Teile  durch  einen  Doppelwall  \  er- 
Markt  wurde. 


1 1  Sach  II  B.  107. 

2  Nord.  Forlidsm.,  I.  Bd.  1890—1903. 

3  Mestorf  S.  31. 


—     680     — 

In  dem  Winkel,  den  der  Wall  des  Königs  Harald  Blaatand  mit  dem 
des  Königs  Godfred  östlich  vom  Dauewerksee  bildet,  finden  sich  Spuren 
eines  seiner  Art  nach  späteren,  mittelalterlichen  Werkes,  das  den  Zugang 
nach  (iottorp  und  Schleswig  deckt.  Ebenso  finden  sich  dicht  westlich 
von  dem  Danewerksee  in  der  Flucht  der  alten  Wallstrecke  die  Reste 
eines  geschlossenen  Werkes,  das  als  die  Burg  des  deutschen  Kaisers 
Otto  IL  gedeutet  wird,  die  nach  Einnahme  des  Danewerkes  975  von 
den  Deutschen  gegen  die  Dänen  errichtet,  indes  schon  um  das  Ende  des 
10.  Jahrhunderts  von  diesen  erobert  und  zerstört  wurde. 

Südlich  von  diesen  Befestigungen  geht  vom  Südende  des  Selker 
Xoores  bis  nach  Kurburg  in  gerader  Richtung  ziemlich  von  Osten  nach 
Westen  ein  Wall  —  das  Kowerk  oder  der  Kograben  — ,  der  nach  der 
Zerstörung  der  Burg  Otto  IL  als  eine  Laudwehr  oder  als  ein  Grenzgraben 
angelegt  worden  ist,  indes,  als  die  Eider  wieder  die  alte  Grenze  wurde, 
bald  seine  Bedeutung  verloren  hat.  Gegen  Süden  wTar  er  mit  einem 
Graben  versehen,  woraus  geschlossen  wird,  dass  er  die  jüngste  aller  Be- 
festigungen darstellt.  Seine  Deutung  hat  bisher  die  grössten  Schwierig- 
keiten gemacht  und  eine  weitere  Prüfung  aller  Verhältnisse  kann  vielleicht 
weitere  Klarheit  bringen. 

Nach  dieser  in  Kürze  wiedergegebenen  Darstellung  der  Verhältnisse 
der  Danewerkbefestigung  dürfte  es  der  Mühe  wert  erscheinen,  an  der 
Hand  einer  Reihe  an  Ort  und  Stelle  gemachter  Beobachtungen  mit  Hilfe 
der  Karten  eine  solche  Prüfung  auch  von  einem  allgemeineren  kriegs- 
wissenschaftlichen Standpunkte  aus  vorzunehmen.  Von  den  Karten  sind 
vorzugsweise  benutzt  die  Messtischplatten  des  Preussischen  Generalstabes, 
1  :  "25  000,  die  eine  genaue  Darstellung  der  Höhenschichten  und  Profile 
gestatten,  die  nach  diesen  entworfenen  Karten  1:100  000,  die  genaue 
Höhenangaben  enthalten,  und  schliesslich  die  Karten  von  Geerz,  die 
besonders  auch  die  alten  Verkehrsstrassen  und  Geländeverhältnisse  wieder- 
geben. 

IL 

Das  Gelände  des  Schleswig  zufallenden  Teiles  der  jütischen  Halbinsel 
gliedert  sich  in  einzelne  von  Süd  nach  Nord  ziehende  Abschnitte.  Im 
Osten  längs  der  meist  steil  abfallenden  Ostseeküste  zieht  der  bergige,  oft 
durch  tiefe  Täler  unterbrochene,  sehr  durchschnittene  Ostrand,  der  im 
wesentlichen  aus  Geschiebeton  besteht  und  reich  an  Wäldern  ist.  Ihm 
gehören  der  dänische  Wohld,  die  Landschaft  Schwansen  und  der  grösste, 
östliche  Teil  von  Angeln  an.  Westlich  folgt  ihm  ein  aus  Gesohiebesand 
gebildeter  Höhenzug,  auf  dem  die  Wälder  schon  seltener  sind  und  zahl- 
reiche mehr  oder  weniger  eingekesselte  Landseen  auftreten.  Im  Osten 
reicht  er  von  Flensburg  bis  weit  nach  Angeln  hinein,  tritt  dann  bis  an 
die  Stadt  Schleswig  heran,  wo  er  von  einer  sumpfigen  Niederung  der 
Grottorper  Wiesei)  unterbrochen  wird,  und  endet  in  dein  zerklüfteten 
Gebirg8stock  der  Hüttener  Berge.  Der  nun  folgende  mittelste  Teil  des 
Landes  bildet  eine  durchschnittlich  20  km  breite  Hochebene  mit  weiten 
Haidestrecken.     In    der  Höhe    der  l)anewerkstellun<r  wird   sie  im  Westen 


—     681     — 

durch  die  2  hm  breite  Treene  -  Niederung  begrenzt,  die  sie  von  dem 
schmalen,  den  Abschluss  des  trockenen  Landes  bildenden  westlichen 
Höhenzug  —  der  Geest  —  trennt,  der  im  allgemeinen,  wenn  auch  weniger 
ausgesprochen,  den  Charakter  des  östlichen  Höhenzuges  trägt.  Im  Westen 
und  im  Süden  begrenzen  ihn  die  Marschen,  die  den  Lauf  der  Eider  und 
ihrer  Nebenflüsse  weit  in  das  Land  hinein  begleiten.1) 

In  dieses  in  der  allgemeinen  Richtung  von  Süden  mich  Norden  ge- 
gliederte Gelände  schneidet  von  Osten  her  die  Niederung  der  Schlei, 
von  Westen  her  die  Niederung  der  R heider  Au  als  ein  Ausläufer  des 
Treene-Tales,  jene  etwas  nördlicher,  diese  etwas  südliche]-,  der  Art  ein, 
dass  ihre  Endpunkte  ungefähr  in  demselben  Meridian  des  Danewerksees 
in  einer  Entfernung  von  nur  4  hm  auseinander  zu  liegen  kommen. 2) 

Die  Schlei  bildet  in  ihrem  westlichen  Teile  grosse  Buchten,  von  denen 
ausser  der  grossen  Breite  das  von  hohen  Ufern  umgebene  Haddebyer 
Noor  mit  seiner  Fortsetzung  als  Selker  Noor  die  bedeutendste  ist.  In  der 
Umgebung  der. Stadt  Schleswig  werden  ihre  Ufer  flacher  und  zum  Teil 
sumpfig,  wie  die  ganze  Niederung  der  Gottorper  Wiesen,  die  eine  Fort- 
setzung der  Schleiniederung  nach  Westen  hin  darstellt.  Von  Süden  her 
nimmt  sie  die  Abflüsse  des  jetzt  trocken  gelegten  Danewerksees  und  des 
Busdorfer  Teiches  auf,  so  dass  dieser  Teil  des  östlichen  Höhenzuges  hier  in 
zwei  Abschnitte  zerfällt,  den  einen  zwischen  Danewerksee  und  Busdorfer 
Teich  und  den  anderen  zwischen  letzterem  und  dem  Haddebyer  und  Selker 
Noor.  An  zwei  Stellen  verengt  sich  das  Tal  der  Gottorper  Wiesen  derart, 
dass  es  von  dem  westlichen  Abschnitt  aus  nach  dem  westlich  und  nördlich 
gelegenen  Höhenrücken  hin  unschwer  zu  überschreiten  ist,  nämlich  an 
dem  zwar  tiefen  aber  schmalen  Einschnitt  des  Abflusses  des  ehemaligen 
Danewerksees  und  auf  der  von  den  Dörfern  Gross-  und  Klein-Danewerk 
nach  dem  Tiergarten  führenden  Strasse.  Der  östliche  Abschnitt  dagegen 
endet  nach  Norden  hin  mit  freiem  Rande,  indem  er  einen  schmalen  Rücken 
in  der  Richtung  nach  Haddeby  zwischen  Schlei  und  Haddebyer  Xoor  ent- 
sendet, dessen  Spitze  die  Reste  eines  Ringwalles,  der  Hohburg,  trägt. 
Etwa  1  hm  weiter  nach  Süden  verschmelzen  die  beiden  Abschnitte  und 
bilden  einen  etwa  5  km  breiten  Rücken  zwischen  dem  Selker  Xoor  imd 
dem  Tal  der  Rheider  Au,  dessen  höchster  Punkt  der  Königshügel  (42  m) 
ist.  Nirgends  bietet  die  Schlei  einen  freien  Übergang;  an  ihren  schmälsten 
Stellen  ist  sie  immer  noch  etwa  100m  breit. 

Das  Tal  der  1  {heider  Au  hat  eine  Breite  von  400 — 1200  m\  nasse 
Wiesen  und  Marschen  bilden  seinen  Grund.  Sein  nördliches  Ufer  über- 
höht «las  südliche,  abgesehen  von  einzelnen  Bergkuppen,  um  einige  .Meter. 
Altere  Übergänge    finden  sich  nur  bei  Hollingstedt  auf  einem  künstlichen 

1)  Trap,  Schröder  S.  XVI.    Generalstab  I,  S.  64. 

2)  Die  Entfernung  der  schiffbaren  Buchten  von  einander  war  so  gering,  dass  Sveu 
Erikson  1151  «'inen  Teil  seiner  Schiffe  über  Land  von  Schleswig  aus  in  die  Eider.  d.  i. 
in  deren  Nebenflüsse  (Treene  bezw.  Rheider  Au)  schaffen  lassen  konnte.  Schröder  S  'lob 
Barfod  S.  iMT.  Schiffbar  aber  waren  alle  Gewässer,  die  den  alten  Schiffen  mit  etwa  ljwi 
Tiefgang  zugänglich  waren;  Schiffe  über  Land  zu  befördern.  Belbst  auf  Höhen,  war  nichts 
Ungewöhnliches,  vgl.  Nicolayscn. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.   Jahrg.  I'.hm.    Heft  5.  1 1 


—     682     — 

Damme  und  in  dem  obersten  Laufe  der  Aue  bei  Ochsenlager  auf  dem 
alten  Ochsenwege.  Zwischen  diesem  und  dem  Selker  Noor  ist  das  Gelände 
frei  und  gangbar.  Östlich  davon  erschwert  das  bis  au  die  Hütteuer  Berge 
hinziehende  Westermoor  den  Anmarsch  von  Südeu,  noch  weiter  östlich 
der  bis  zu  106  m  ansteigende,  stark  zerklüftete  Gebirgsstock  der  Hütteuer 
Berge  und  das  nördlich  von  ihm  liegende  Esperehmer  Moor  und  schliesslich 
weiterhin  ein  bis  zum  Windebyer  Noor  reichendes,  durch  viele  Wasser- 
läufe uud  Wiesengründe  zerschnittenes  Hügelgelände. 

Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  diese  Verhältnisse  in  bezug  auf  die 
Wegsamkeit  des  Geländes  jemals  besser  gewesen  sind,  besonders  auch, 
dass  die  Schlei  und  das  Tal  der  Rheider  Au  leichter  zu  überschreiten 
gewesen  sind,  wie  heutigen  Tages.  Denn  von  den  Hüttener  Bergen  bis 
zur  Ostsee  hin  dehnten  sich  die  grossen  Waldflächen  des  dänischen  Wohld, 
in  dem  sich  bis  Ende  des  13.  Jahrhunderts  keine  Ortschaften  nachweisen 
lassen,  und  Schwansen  war,  wie  sein  Name  sagt,  einstmals  eine  Insel. 
Die  Schlei  aber  hatte  in  ihrer  Umgebung  Wiesenstrecken,,  die  vor  zwei- 
hundert Jahren  fast  stets  mit  Wasser  bedeckt  waren,  und  im  Westen  lag 
anschliesseud  an  die  gegen  die  Fluten  der  Nordsee  ungeschützten  und 
daher  allen  Überschwemmungen  ausgesetzten  Niederungen  der  Eider  uud 
der  Treene  das  Alluvialtal  der  Rheider  Au,  das  bis  Klein-Rheide  hin  jahr- 
hundertelang ein  Sumpf  war,  auf  dem  nur  ein  Verkehr  auf  Schiffen 
möglich  gewesen  sein  kann,  und  Hollingstedt  war  ein  Hafen,  in  den  die 
Schiffe  aus  der  Elbe  und  Nordsee  einliefen.1) 

III. 

Zum  Verständnis  der  Anlage  des  Danewerkes  erscheint  ein  Rückblick 
auf  die  Art  der  Kriegsbauten  und  der  Kriegsführung  der  nordischen  Völker 
in  vormittelalterlicher  Zeit  erforderlich. 

Befestigungen  wurden  zum  Schutze  wichtiger  Zugänge  oder  auch 
ganzer  Geländeabschnitte  angelegt.  Beherrschende,  weitblickende  Stellungen, 
die  zugleich  im  Rücken  durch  überhöhendes  oder  zerschnittenes  Gelände 
nach  einem  Verluste  der  Stellung  eine  vorteilhafte  Verteidigung  und 
Deckung  des  Rückzuges  gewährten,  wurden  bevorzugt,  zu  gleichem  Zwecke 
auch  mehrere  befestigte  Linien  hintereinander  angelegt.  An  Berglehnen 
benutzte  oder  bildete  man  Terrassen,  in  der  Ebene  aber  errichtete  man 
Wälle  aus  Steinen  oder  Rasen  und,  wo  beides  nicht  zu  finden  war,  aus 
Erde,  die  ein  ausgehobener  Graben  hergab.  Diesen  legte  man  je  nach 
der  Beschaffenheit  des  Geländes  bald  vor  bald  hinter  den  Wall,  dort,  um 
den  Zugang  zu  erschweren,  hier,  um  bei  ansteigendem  Gelände  tiefere 
Deckung  zu  schaffen.  Durch  Anlehnung  an  ungangbares  Gelände  sicherte 
man  die  Flanken  gegen  Umgehungen  oder  man  schuf  geschlossene  Werke 
in  Form    von   Ringwällen.     Im    allgemeine]]    gab    man    bei    der  Sperrung 


\)  Worsaae  S.  15ff.  Sach  1  S.  48  u.  III.  Generalstab  I  8.  133ff.  Schröder  S.  422. 
Das  grosse  Ruderbool  von  23,5  X  3,3  m  der  älteren  Eisenzeit,  das  im  Nydamer  Moor  in 
einer  jetzt  zugewachsenen  Stelle  aufgedeckt  wurde,  kann  nur  auf  dem  Wasserwege  dahin 
gelangl  sein;  das  Segelschiff  von  Tune  mass  13,5 X 4,3  w,  das  von  Gokstadt  war  20wi  lang. 


—     683     — 

vnii  wichtigen  Zugängen  der  linearen  Form  «Ich  Vorzug.  Sie  schloss 
zwar  jede  Flankierung  aus,  aber,  da  die  Bewaffnung  einen  langen  und 
erfolgreichen  Fernkampf  unmöglich  machte,  so  erschien  sie  auch  über- 
flüssig. Aus  gleichem  Grunde  wählte  man  für  die  Ringwälle  die  Gestalt 
des  Kreises  oder  des  Kreisabschnittes,  die  ebenfalls  keine  Flankierung 
gestatten.  Fast  immer  aber  nahm  man  darauf  Bedacht,  durch  Lücken  in 
der  Befestigungsanlage,  die  durch  andere  Werke  gedeckt  oder  leicht  ge- 
sperrt werden  konnten,  bequeme  Ausfallstore  zu  Gegenstössen  zu   Lassen.1) 

Es  ist  kein  zwingender  Grund  für  die  Annahme  vorhanden,  dass  die 
verschiedenen  Arten  der  Befestigungen,  besonders  je  nachdem  sie  mit  oder 
ohne  Graben  ausgestattet  sind,  zu  verschiedenen  Zeiten  entstanden  sind 
und  zwar  derart,  dass  die  ältere  Befestigung  die  ohne  Graben,  die  jüngere 
die  mit  Graben  ist;  vielmehr  ist  es  durchaus  wahrscheinlich,  dass  die  Art 
der  Befestigung  von  den  örtlichen  Verhältnissen  abhängig  gemacht  worden 
ist.  Wo  eine  Berglehne  oder  ein  Flussufer  vorhanden  war  oder  wo  sich 
geeignete  erratische  Blöcke  vorfanden  und  hinreichend  Rasensoden  aus- 
gestochen  und  aufeinander  gepackt  werden  konnten,  dort  verzichtete  man 
auf  die  Aushebung  eines  Grabens;  wo  es  daran  mangelte,  war  man  ge- 
zwungen,  ihn  auszuheben.2) 

Fs  ist  auch  nicht  anzunehmen,  dass  man  es  nicht  für  notwendig  hielt, 
bei  -der  Anlage  einer  Befestigung  auf  vorliegende  Höhen  Bücksicht  zu 
nehmen,  wTeil  die  Entscheidung  der  Nahkampf  brachte.  Denn  damals, 
wie  jetzt,  war  es  sicherlich  von  grosser  Bedeutung,  auf  weite  Ent- 
fernungen den  Anmarsch  des  Feindes  einzusehen,  um  an  dem  Punkte, 
gegen  welchen  der  Stoss  gerichtet  wurde,  die  Mannschaft  zusammenzuziehen, 
und  zwar  damals  noch  mehr  wie  heute,  wo  schliesslich  der  Kampf  Mann 
gegen  .Mann  auszufechten  war:  denn  Anmarsch  und  Stoss  erfolgte  damals 
mit  grossen  Heereshaufen. 

Im  Norden  herrschten  die  Fusstruppen  vor,  schon  deswegen,  weil  die 
Heere  oft  auf  Schiiten  befördert  werden  mussten,  ehe  sie  in  den  Kampf 
traten.  Die  Laudung  hatte  geschützte  Häfen  und  geeignete  Ankergründe 
und  die  Sicherung  gegen  feindliche  Angriffe  zur  Bedingung.  So  ent- 
standen die  Schiffslager,  die  durch  einen  Halbkreiswall  gegen  das  Land 
und  durch  eine  Pfahlreihe  gegen  die  See  geschützt  wurden.  Ebenso 
sicherten  sich  die  Landheere,  wenn  sie  gezwungen  waren,  Halt  zu  machen, 
besonders  vor  befestigten  Stellungen,  durch  die  Errichtung  von  Wagen- 
burgen, oder  bei  längerem  Verweilen  durch  die  Anlage  von  verpali- 
sadierten  und  mit  Wällen  umgebenen  Standlagern  gegen  feindliche  Ober- 
fälle. Die  Landheere  waren  ihrer  Stärke  und  ihres  Trosses  wegen  bei 
ihrem  Vormarsche  auf  die  Benutzung  wegsamen  Geländes  und  ihrer  Ver- 
pflegung wegen  auf  besiedelte  Landschaften,  im  allgemeinen  also  auf  die 
alten  Heerstrassen,  angewiesen.3) 


L)  Hellwald  B.  131.    Bandelmann.    Schröder  S.  L02.    Jahns  B.28  u.  USff. 

2j  Olaff  Trygg.  S.  1.  111  schildert  das  Danewerk  sogar  als  ans  Steinen,  Rasen  und 
Holz  errichtel  und  dranssen  daran  mit  einem  tiefen  Graben  versehen;  also  eine  Kombi- 
nation von  allem.    Sach  1  8.  IT. 

8    Jahns,  s.  iisti. 

41  • 


—     684     — 

Eine  förmliche  Belagerung  befestigter  Stellungen  mit  Parallelen, 
Laufgräben  und  Sappeu  war  den  nordischen  Völkern  unbekannt,  auch 
zwecklos,  weil  die  wenigen  Pfeile  und  Wurfspeere  ihrer  Ausrüstung  nur 
geringe  Tragweite  und  Durchschlagskraft  hatten,  gegen  die  der  Schild 
hinreichenden  Schutz  gewährte.  Auch  dass  sie  unter  dem  Schutze  ihrer 
Schilde  Breschen  gruben,  ist  nirgends  bezeugt  und  bei  blossen  Erd- 
wällen schwierig,  wenn  nicht  unmöglich.  Dem  Belagerungswall  Sven 
Tveskaegs  vor  dem  Halbkreiswall  am  Haddebyer  Noor  und  der  Lücke 
in  dem  Stadtwalle  wird  daher  wohl  eine  aridere  Bedeutung  zuzusprechen 
sein,  als  die  eines  Belagerungswalles  und  einer  Bresche. 

IV. 

Fränkische  und  nordische  Chronisten  berichten,  dass  im  Jahre  808 
der  dänische  König  Godfred  mit  einem  Heere  zu  Schiffe  vor  dem  Hafen 
Sliesthorp  auf  der  Grenze  seines  Gebietes  gegen  Sachsen  erschien  und, 
um  sein  Land  vor  den  Einfällen  der  Sachsen  zu  schützen,  beschloss:  „Die 
Grenze  seines  Reiches  nach  Sachsen  mit  einem  Walle  zu  schirmen,  in 
der  Weise,  dass  von  dem  östlichen  Meerbusen,  den  die  Dänen  Ostersalt 
nennen,  bis  zum  westlichen  Meere,  das  ganze  nördliche  Ufer  des  Flusses 
Aegidora  entlang,  ein  Bollwerk  reichte,  nur  von  einem  Tor  unterbrochen, 
durch  das  Wagen  und  Reiter  heraus  und  wieder  hinein  könnten."1)  Da  er 
zu  Schiffe  kam,  so  kann  er  keinen  andern  Weg  eingeschlagen  haben,  als 
den  auf  der  Schlei. 

Wenn  wir  uns  nun  vergegenwärtigen,  dass  in  jenen  Zeiten  für  die 
Heere  der  Deutschen  der  Übergang  über  die  Eider  nur  bei  Rendsburg- 
möglich  war,  da  im  Westen  die  breite  Eiderniederung  und  im  Osten  der 
dänische  Wohld  ein  Vordringen  hinderte,  und  dass  der  Angriff  nur  auf 
dem  Höhenrücken  des  Landes,  auf  der  alten  Heerstrasse,  Erfolg  haben 
konnte,  so  wird  man  die  beste  Lösung  des  Planes  Godfreds  darin  finden 
müssen,  dass  die  der  Eider  zunächst  und  parallel  gelegene  günstige  Ver- 
teidigungsstellung quer  über  den  Höhenrücken  und  da,  wo  er  am 
schmälsten  ist  und  geeignete  Anlehnung  der  Flanken  bietet,  befestigt 
wurde.  Aber  es  war  dabei  auch  auf  eine  Sicherung  der  Schlei  und  der 
Ankergründe  bei  Schleswig  Bedacht  zu  nehmen,  da  hier  die  Heere  und 
die  Flotten  der  Dänen  landeten  und  ankerten.  Das  erscheint  auch  schon 
darum  um  so  notwendiger,  als  zu  jenen  Zeiten  die  Schiffsbesatzung  darauf 
angewiesen  war,  ihre  Mahlzeiten  am  Lande  zuzubereiten.2)  Wir  wissen 
nun  freilich  nicht,  wo  die  dänischen  Kriegsschiffe  in  jener  Zeit  anzulegen 
pflegten,  um  Truppen  zu  landen  und  ihre  eigene  Verpflegung  zu  be- 
schaffen; wir  können  aber  aus  der  heutigen  Beschaffenheit  der  Hafen- 
verliiiltnisse  <\<-v  Stadt  Schleswig  schliessen,  dass  die  unmittelbare  Um- 
gebung der  Stielt  ihrer  niedrigen  und  nassen  l'fer  wegen  einem  solchen 
Unternehmen  keineswegs  günstig  gewesen  ist.  Es  ist  daher  wohl  eher 
anzunehmen,  dass  schon  damals  die  Flotten  der  Dänen  das  Haddebyer 
Noor  zum  Ankern   und   Landen  gewählt  haben,  das,  von  hohen  Ufern  um- 


1  Nord.  Fortidsm.,  5.  208.    Mestorf,  •">.  20.    Sach  I,  S.  46. 

2  Nicolaysen,  S.  23. 


—     685     — 

geben,  zugleich  auch  einen  besseren  Schutz  gegen  Wind  and  Wetter  ge- 
währte. Auf  alle  Fälle  aber  war  die  Schlei  und  ihr  Südufer  gegen  eines 
8t088  eines  von  Süden  her  vordringenden  Feindes  zu  sichern,  wenn  anders 
nicht  durch  eine  Sperrung  dieser  Meeresbucht  den  Dänen  der  Rückzug 
abgeschnitten  und  damit  der  Erfolg  aller  ihrer  späteren  1 1 eereszüge  in 
Präge  gestellt  werden  sollte.  An  die  Schlei  heran  konnte  ein  solcher 
Feind  nur  auf  dem  zwischen  dem  Dannewerksee  und  dem  Eaddebyer 
und  Selker  Noor  gelegenen  Höhenrücken,  und  diesen  galt  es  daher  unter 
allen   Umständen  zu  befestigen  und  zu   halten. 

Es  sei  darum  gleich  hierbei  erwähnt,  dass  der  sogenannte  Oster  wall 
zwischen  der  grossen  Breite  der  Schlei  und  dem  Windebyer  Noor  für  den 
von  König  Godfred  erstrebten  Zweck  nicht  in  Frage  kommen  kann. 
Denn  abgesehen  davon,  dass  die  Halbinsel  Schwansen  zu  jener  Zeit  von 
den  Juten  überhaupt  noch  nicht  und  Angeln  nur  schwach  besiedelt  war1), 
also  keines  besonderen  Schutzes  bedurfte,  boten  die  bereits  geschilderten 
Geländeverhältnisse  und  der  Mangel  an  Verkehrs-  und  Lebensmitteln 
einem  von  Süden  her  vordringenden  Heere  unüberwindliche  Hindernisse. 
Auch  war  sein  Rückzug  über  die  Eider  von  der  Danewerkstellung  aus 
auf  das  Äusserste  bedroht,  und  ebenso  wrar  der  Verteidiger  gefährdet,  der, 
mit  der  Schlei  im  Rücken,  nach  einem  Verluste  der  Stellung  der  Ver- 
nichtung preisgegeben  gewesen  wäre,  wenn  er  nicht  über  hinreichende 
Schiffskörper  verfügte.  Der  Übergang  über  die  Schlei  bei  Missunde  war 
alter,  wie  wir  aus  der  Geschichte  wissen,  an  Ort  und  Stelle  besser  zu 
verteidigen,  als  durch  die  vorgeschobene  Linie  des  Osterwalles,  wenn  er 
zu   jenen  Zeiten  überhaupt  in   Frage  kommen  konnte. 

Bei  alledem  kann  indessen  nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass  die 
Anlage  einer  liet'estigungslinie  längs  der  in  das  Land  hinein  schneidenden 
Niederungen  des  Osterbetts  und  des  vom  Windebyer  Noor  heraufziehenden 
Wiesengrundes  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  dem  längs  der  Rheider  Au 
hinziehenden  kruinmwall  hat;  denn  hier  wie  dort  ist  ein  erhöhtes  Ufer 
hinter  einem  Plusslaufe  durch  einen  Wall  gekrönt.  Aber  weder  in  Sage 
noch  in  Geschichte  hat  der  Osterwall  jemals  eine  Rolle  gespielt,  so  dass 
mau  füglich  zweifeln  kann,  ob  die  spärlichen  Reste  des  Walles  überhaupt 
als  die  Überbleibsel  einer  befestigten  Stellung  zu  deuten  sind.2)  Vielleicht 
auch  hat  i\i'V  Wall,  ebenso  wie  der  westliche  Teil  des  Danewerkes  an  der 
Rheider  An.  der  Abwehr  eines  zur  See  vom  Windebyer  Noor  her  vor- 
dringenden Feindes,  dann  ahm-  wohl  wahrscheinlich  wendischer  Herkunft3). 
gedient.  Jedenfalls  aber  wird  man  nicht  behaupten  können,  dass  eine 
Befestigung,  die.  abgesehen  durch  die  Lücke  des  Danewerksees,  noch 
durch  eine  Lücke  Mm  etwa  15  km  Länge  zwischen  Gottorper  Wiesen  und 
Osterbek  unterbrochen  wird,  mit  einem  Plane,  das  ganze  Ufer  der  Eider 
ein  lang  ein  Bollwerk,  nur  von  einem  Tore  unterbrochen,  zu  errichten,  in 
Einklang  zu  bringen  ist. 

i    S ach  II,   16. 

2    Sach   II.   L01.  Aiun. 

3)  ^  indebv  ist  gedeutet  als  Wendendorf. 


—     680     — 

Ebenso  aber  konnte  auch  der  westliche  Übergang  bei  Holliugstedt 
für  einen  von  Süden  her  vordringenden  Feind  nicht  in  Frage  kommen; 
denn  die  Strasse  über  die  Geestinseln  der  Landschaft  Stapelholm  wäre 
dazumal  für  die  Heere  der  Deutschen  wegen  der  Unüberschreitbarkeit 
der  Eiderniederung  sicherlich  nicht  gangbar  und  darum  ein  höchst  gefähr- 
licher Flankenmarsch  vor  einer  befestigten  Stellung  durch  die  Moorgründe 
der  Rheider  Au  von  Kropp  her  notwendig  gewesen,  um  an  den  an  und 
für  sich  schon  schwierigen,  füglich  nur  aus  einem  Damme  bestehenden 
und  leicht  zu  verteidigenden  Übergang  zu  gelangen. 

Um  den  Zweck  zu  erreichen,  den  König  Godfred  erstrebte,  war 
daher  nur  eine  Sperrung  des  Landrückens  durch  eine  Befestigung  zu 
berücksichtigen,  auf  dem  ja  auch  in  der  Tat  bis  in  die  neueste  Zeit 
hinein  die  Hauptstösse  der  von  Süden  her  vordringenden  Feinde  er- 
folgt sind. 

Dazu  wäre  zunächst  eine  Befestigung  des  Abschnittes  der  Sorge  ins 
Auge  zu  fassen  gewesen.  Indessen,  abgesehen  davon,  dass  zu  jenen 
Zeiten  die  Grenzverhältnisse  in  jener  Gegend  noch  sehr  unbestimmt 
waren,  beherrschte  die  Stellung  nicht  überall  das  an  manchen  Stellen 
höhere  südlichere  Ufer  der  Sorge  und  hatte  im  Rücken  die  weite  Hoch- 
fläche von  Kropp,  die  erst  10  km  weiter  nördlich  etwa  in  der  Höhe  von 
Jagel  in  ein  zerschnittenes  Gelände  übergeht,  das  bei  einem  Rückzuge 
die  erforderliche  Deckung  hätte  abgeben  können.  Obschon  sich  an  der 
Sorge  einige  Reste  von  Schanzen  finden,  deren  Anlage  im  nordischen 
Kriege  erfolgt  sein  soll,  so  haben  hier  doch  niemals  Kämpfe  um  derartige 
Befestigungen  stattgefunden;  vielmehr  ist  die  Verteidigung  gegen  die  von 
Süden  eindringenden  Feinde  von  jeher  bis  auf  die  neueste  Zeit  in  den 
nächsten,  weiter  nördlich  gelegenen,  durch  seine  natürliche  Beschaffenheit 
besonders  geeigneten  Abschnitt  verlegt  worden. 

Dieser    Abschnitt    wird    durch    die   Linie   zwischen   dem  Selker  Xoor 
und  dem  oberen  Laufe  der  Rheider  Aue  gebildet,  der  der  Kograben  folgt. 
Ihre  Länge   beträgt   nur   5  km;    sie    beherrscht,    wie    die    auf   Grund    der 
.Messtischplatten  entworfenen  Profilzeichnungen    ergeben,    das  Vorgelände, 
bis  auf  einige  einzelne  unbedeutende  Bergkuppen  vollständig.     Im  Rücken 
hat  sie  das  zerklüftete  Gelände  des  östlichen  Höhenzuges  mit  den  ansehn- 
lichen und  weitblickenden  Erhebungen  des  Königshügels  (44  m)    und    der 
Höhen    von    Gross-   und    Klein-Dannewerk   (35  u.  40  m),    von    denen    aus 
das    Gelände    mit    der    alten    Beerstrasse  des  Ochsenweges  bis  Husby  hin 
noch   weiter  (50  m)    ansteigt,      [hre  linke   Flanke  lehnt  sich  mit  steil  ab- 
Btürzendem   Ufer  an  das  600  vn  breite  Selker   Noor,   das   durch  eine  100  m 
breite  Enge  mit  dem   Haddebyer  Noor  und   damit   mit  der  Schlei  in   Ver- 
bindung steht.     Sie  ist  somit  gegen  eine  Umgehung  hinreichend  gesichert, 
die  nur  auf  dem  grossen   Umwege  um  das  Westermoor  oder    durch    einen 
Plankenmarsch  unmittelbar  vor  der  Stellung  erfolgen  konnte  und  schliess- 
lich  vor  der  vnii  allen  Seiten  eingesehenen  und    \mi    dem  hohen  Ufer  aus 
leicht   zu   sichernder    Knge    Malt  machen   musste   und   wohl    darum    auch   bis 
auf  die   Kriege  der  neuesten  Zeit  niemals  versucht   worden  ist.     Die  rechte 
Planke  stützt  sich  auf  die  Niederung   <\^-r    Kheider   Au    bei    Kurburg,    die 


—     687     — 

sie  etwa  500//«  südlich  vor  sich  lässt.  Ehre  Spuren  verlieren  sicli  hier  in 
freiem  Felde,  jedoch  unter  Anlehnung  an  einen  von  dem  Tal  der  Rheider 
Aue  nach  Norden  ziehenden  Moorgrund,  jenseits  dessen  der  westliche 
Teil  dos  Werkes  beginnt,  der  in  seinem  ursprünglichen  Zustande  als  die 
Ergänzung  des  ganzen  Werkes  zu  deuten  ist.  das,  dem  Entschlüsse 
Godfreds  gemäss,  bis  zum  westlichen  .Meere  reichen  sollte.  Au-  diesen 
Verhältnissen  lässt  sich  der  Schluss  nicht  rechtfertigen,  dass  der  Wert 
des  Kograbens  als  Verteidigungswerk  nur  gering  und  seine  Bedeutung 
nur  die  eines  passageren  Vorwerkes  oder  eines  (irenzurabens  sein  könne; 
wäre  es  doch  schon  notwendig  gewesen,  um  diese  freie  Flanke  zu  um- 
gehen, zwischen  der  Verteidigungslinie  und  der  Rheider  Aue  vor- 
zustossen,  um  füglich  an   dem  vorerwähnten  Moorgrund   Halt   zu   machen. 

Allerdings  was  mit  Errichtung  und  später  noch  mit  der  Erhöhung 
und  Verstärkung  des  westlichen  Teiles  der  befestigten  Linie  erreicht 
werden  sollte,  ist  nicht  ohne  weiteres  klar.  Denn  gegen  einen  von  Süden 
oder  auch  von  Westen  über  die  Treeno  vordringenden  Feind  hätte  eine 
Anlage  von  Einzelwerken  bei  Hollingstedt  genügt,  wie  sie  später  auch 
ausgeführt  worden  ist.  Es  bleibt  daher  nur  übrig,  anzunehmen,  dass  hier 
ein  zu  Schiffe  vordringender  Feind  abgewehrt  und  die  wichtige,  am  Nbrd- 
afer  der  Rheider  Au  laufende  Verkehrs-  und  alte  Handelsstrasse  zwischen 
Ilollino-stedt  und  Schleswig  eredekt  werden  sollte. 

Dafür  spricht,  dass  bereits  vor  Anlage  dieses  Werkes  zwischen 
(iodfred  und  Karl  dem  Grossen  im  Jahre  804  ein  Friede  zu  Holling- 
stedt  geschlossen  worden  ist1),  wohin  die  deutschen  Bevollmächtigten 
damals  kaum  anders  als  zu  Schiffe  gelangt  sein  können  und  dass  sich 
später  einmal  die  Deutschen,  die  den  Widerstand  der  dänischen  Be- 
tätigung nicht  überwinden  konnten,  auf  ihre  Schiffe  zurückgezogen 
halten,  auf  denen  sie  doch  nur  im  Bündnis  mit  den  Friesen  durch  die 
Eider  in  die  Treene  und  die  Rheider  Aue  vordringen  konnten. ' 
Schliesslich  vermag  diese  Annahme  vielleicht  auch  zu  erklären,  dass  der 
Krummwall  auf  eine  weite  Strecke  hin  in  die  sumpfige  Niederung  herab- 
steigt und  stellenweise  auf  einen  Pfahlrost  ruht;  denn  einem  über  die 
Niederung  zu  Lande  vordringenden  Feinde  wäre  auch  durch  eine  Be- 
festigung  der  nördlich  gelegenen  Höhen  zu  begegnen  gewesen,  während 
der  näher  an  den  eigentlichen  Flusslauf  herantretende  Wall  ein  Ausbooten 
an  geeigneten    Landungsstellen   verhindern  konnte. 

Ausser  den  bereits  geschilderten  Vorteilen  hatte  die  Befestigung  der 
Koffrabenlinie  auch  noch  den  Vorzug,  dass  sie  der  alten  und  natürlichen 
Grenze  des  dänischen  Gebietes  folgte,  die  wir  nicht  an  der  Schlei,  sondern 
an  der  Eider  zu  suchen  haben.  Sie  deckte  schliesslich  auch  die  Stadt 
Schleswig  und  die  Ankergründe  der  dänischen  Flotte  in  der  Schlei  und 
entsprach  somit  in  allem  dem  Plane  Godfreds  und  der  Sicherung  de- 
Landes  am  vollkommensten. 


1)  Bavfonl,  S.  100.  Auch  die  viel  besprochenen  Verhandlungen  zu  Beidenfleth  au 
der  Stör  909  werden  dadurch  verstandlich,   wenn  mau  den  Wasserweg  in  Betracht  sieht, 

2  Worsaae,  S.  35,  der  Bich  auf  die  Oluf  Trygvesöns-Saga  stützt,  in  der  es 
auch  heisst:  Die  Deutschen  wurden  in  Wasser  und  zu  Laude  geschlagen. 


nach  der  Karle 
de?  preu.s$:GeneraL<lal>e3 

1  :£5O0O. 


—     691     - 

Wenn  man  den  Krummwall  als  einen  Teil  des  Godfredswall  hinzu- 
zieht, so  widerspricht  die  Anlage  aucli  der  vielfach  vertretenen  Ansicht, 
dass  das  Werk  ans  zwei  Teilen  bestanden  haben  nmss,  insofern  nicht, 
als  der  eine  Teil  mit  künstlichem  Graben  quer  über  den  Höhenrücken 
zieht,  der  andere  aber,  die  Niederung  der  Rheider  Au  als  natürlichen 
Graben  benutzend,  nur  aus  einem  Walle  besteht,  dieser  einem  Angriff  zu 
Wasser,  jener  einem  zu  Lande  die  Spitze  bietend. 

Man  hat  nun  dagegen  geltend  gemacht,  dass,  da  der  Sohn  Godfreds 
bereits  im  Jahre  810  einen  Frieden  schloss,  das  Werk  überflüssig  geworden 
wäre  und  in  der  kurzen  Zeit  von  zwei  Jahren  nicht  hätte  vollendet  werden 
können.  Aber  abgesehen  davon,  dass  dieser  Einwurf  auch  jede  andere 
Linie,  so  auch  das  Danewerk,  treffen  würde,  ist  es  niemals  etwas  Un- 
gewöhnliches gewesen,  grade  den  Frieden  zur  ungestörten  Ausführung 
von  Schutzwehren  für  das  Land  gegen  Einfälle  der  Feinde  zu  benützen, 
die  ja  tatsächlich  auch  hier  trotz  des  Friedens  wiederholt  stattgefunden 
haben,  und  die  Arbeit  keineswegs  als  eine  so  gewaltige  zu  erachten,  dass 
das  Ausheben  eines  Walles  in  dem  leichten  Boden  des  Höhenrückens 
nicht  in  Wochen  oder  Monaten  hätte  zu  Ende  geführt  werden  können1). 
Auch  als  so  minderwertig  kann  das  Werk  nicht  erachtet  werden;  denn 
1842  war  der  teilweise  schon  zugewachsene  Graben  noch  6'  tief  und  der 
Wall  von  der  Grabensohle  bis  zur  Krone  noch  10 1/2'  hoch,  an  einzelnen 
Stellen  sogar  10—12'  tief  und  16—20'  hoch2).  Auch  hatte  man  nach 
altem  Brauche  die  Stellung  an  der  gangbarsten  in  der  Niederung  am 
Ochsenwege  gelegenen  Stelle  noch  durch  einen  zweiten,  230 — 2.J0  m  süd- 
lich vor  dem  eigentlichen  Kograben  gelegenen  Wall  mit  Graben,  den 
kurzen  Kograben,  verstärkt,  von  dem  sich  noch  Reste  haben  nachweisen 
lassen. 

Wenn  endlich  noch  hervorgehoben  wird,  dass  es  auffällt,  dass  der 
Wall  Godfreds  bei  den  nordischen  und  fränkischen  Chronisten  bis 
Otto  II.  nicht  erwähnt  wird,  und  darum  bis  zu  jener  Zeit  wohl  nicht 
vorhanden  gewesen  sein  könne,  so  würde  dieser  Einwand  ebenfalls  jede 
andere  Linie  treffen.  Es  ist  aber  zu  bedenken,  dass  eine  so  ausgedehnte 
Befestigung  nicht  immer  besetzt  oder  aufgegeben  sein  und  darum  ohne 
Widerstand  genommen  werden  konnte,  wenn  die  deutschen  Truppen  zur 
rechten  Zeit  zur  Stelle  waren. 

Sehr  viel  weniger,  wenn  überhaupt,  entspricht  in  Anlehnung  an  den 
längs  der  Rheider  Aue  laufenden  Wall  die  Wallstrecke  von  Kurburg  über 
den  alten  Danewerksee  nach  den  Gottorper  Wiesen  dem  Entschlüsse 
Godfreds.     Er  beherrscht  zwar  den  Ochsenweg  und   die  Übergänge  über 


1)  Fortidsm.  S.  224.  Bei  6  m  Grundlinie  and  :'>,.">  m  Höhe  betrug  der  Querschnitt 
des  Walles  10,5  gm.  Der  Kograben  ist  6500  m  lang:  die  zu  bewegende  Erdmasse  beträgt 
rund  65000  cbm.  Bin  Mann  schafft  durch  einfache  Spatenarbeit  in  einer  Stunde  0,70  cbm 
fort.  1000  Mann  bei  zehnstündiger  Tagesarbeit  also  Tonn,/);,,.  Damit  wäre  der  Graben 
in  rund  zehn  Tagen  ausgehoben:  die  ganze  Streck,'  bis  Hollingstedt  aber  in  etwa  drei 
Wochen. 

2    Fortidsm.  S.  274.  -  Schröder,  S.  Im'. 


—     692     — 

die  Gottorper  Wiesen  und  den  Abfluss  des  Danewerksees;  aber  er  gibt 
das  ganze  Vorgelände  mit  den  beherrschenden  Höhen  des  Königshügels 
und  um  ,  Gross-Danewerk  ■  preis  und  gestattet  dem  Feinde  ungehindert 
bis  [in  die  innerste  Bucht  der  Schlei  und  besonders  über  den  nach 
Haddeby  streifenden  Höhenzug  bis  an  die  Einfahrt  in  das  Haddebyer 
Noor,  also  bis  zu  den  mutmasslichen  Anlegestellen  der  dänischen  Flotten, 
vorzudringen.  j:Denn  die  Insel  in  dem  Burgsee  trug  zu  jener  Zeit  noch 
nicht  die  Feste  Gottorf  und  der  Ringwall  auf  der  Hochburg  krönte 
damals  noch  nicht  jene  Höhe  und  lag,  wenn  er  selbst  als  ein  älteres 
Einzelwerk  gedeutet  werden  könnte1),  der  eigentlichen  Befestigungslinie 
zu  fern,  als  dass  unter  den  damaligen  Verhältnissen  bei  dem  schwierigen 
Gelände  in  der  Niederung  des  Bustorfer  Teiches  auf  eine  gegenseitige 
wirksame  Unterstützung  gerechnet  werden  konnte,  ohne  die  er  für  sich 
wegen  seines  geringen  Umfanges  und  darum  schwachen  Besetzung  schwer- 
lich hätte  einen  erfolgreichen  Widerstand  leisten  können.  Dazu  kommt 
noch,  dass  von  einer  derartigen  Befestigung  nicht  behauptet  werden  kann, 
dass  sie,  dem  Entschlüsse  Godfreds  entspricht,  dem  nördlichen  Ufer  der 
Eider  entlang  einen  Wall  aufzuführen,  von  deren  Laufe  sie  sich  noch 
weiter  entfernt,  als  der  Kograben. 

Erwägt  man  schliesslich  noch,  dass  der  alte  Wall  lange  Zeit  hindurch 
als  die  Grenze  zwischen  Deutschland  und  Dänemark  bezeichnet  wird2), 
so  kann  man  sich  nicht  recht  vorstellen,  welche  Bedingungen  gegeben 
waren,  die  Grenzlinie  so  weit  bis  in  die  unmittelbare  JNahe  der  Stadt 
Schleswig  zurückzubiegen  und  die  Schlei  mit  ihren  Buchten  als  den 
gegebenen  Ankerplatz  der  dänischen  Flotten  so  gut  wie  aufzugeben. 
Tatsächlich  wird  ja  auch  in  allen  Verträgen  und  Verhandlungen  des 
9.  Jahrhunderts  zwischen  Deutschen  und  Dänen  nicht  die  Schlei,  sondern 
die  Eider  als  Grenze  bezeichnet  und  selbst  das  lange  Zeit  herrschaftlich 
unbestimmte  Grenzgebiet  der  Fraezlaet,  d.  i.  die  Gegend  um  Kropp  und 
Hütten,  umfasste  an  dieser  Stelle  nur  die  spätere  Kropper  Harde,  deren 
Gebiet  nicht  bis  an  die  Schlei  reichte,  sondern  bis  auf  neuere  Zeiten 
sogar  durch  den  Kograben  begrenzt  wurde. 

Auffällig  ist  schliesslich  noch,  dass  von  den  ältesten  Zeiten  an  auf 
Karten  und  in  Beschreibungen  sowohl  von  deutscher  wie  von  dänischer 
Seite  das  Werk  vielfach  als  ein  Graben  (Gröfft)  gezeichnet  und  bezeichnet 
wird8),  der  bekanntlich  der  Wallstrecke  zwischen  Kurburg  und  den 
Gottorper  Wiesen,  ebenso  wie  dem  Osterwall  und  der  Wallstrecke  längs 
der  Rheider  Au,  fehlt.  Man  wird  daher  diese  Anlage  auf  eine  andere 
Zeit  zurückführen   und  als  für  andere  Zwecke  bestimmt  ansprechen  müssen. 


Iiii  diese  Verhältnisse  Daher  zu  bestimmen,    erscheint    es    notwendig, 
einen   Blick  auf  den   1  [albkreiswall  an    dem    Haddebyer  Noor    zu    werfen, 


l ,  Eandel  mann,  S.  T. 
2)  Sacli  I.    15. 

ich  I,   17.  50.     Barfod,  100.  ins. 


—     693     — 

von  dem  anzunehmen  ist,  dass  es  wegen  seines  grossen  ümfaBges  nicht 
eine  blosse  Bauernburg,  wie  sie  in  Schleswig  sehr  häufig  zu  finden  sind !), 
sondern  die  Befestigung  einer  grösseren  Niederlassung  darstellt,  die,  zu- 
nächst wohl  als  Schiil'slager  angelegt,  allmählich  eine  grössere  Bedeutung 
als  Sitz  kleiner  Berrscher  erlangt  hat,  die  den  dänischen  Königen  den 
Besitz  der  Sehlei  und  der  an  sie  angrenzenden  Landschaft  streitig  machten. 
Es  ist  auch  fernerhin  anzunehmen,  dass  die  Befestigung  auf  dem  gegen 
die  Kirche  von  Haddeby  auslaufenden  Höhenrücken,  der  Ringwal]  der 
Hochburg,  mit  diesem  Halbkreiswal]  in  Beziehung  gestanden  hat.  Denn 
überall,  wo  sich  aus  jenen  Zeiten  eine  grössere  Niederlassung  mit  mehr 
städtischem  Charakter  erhalten  hat,  finden  wir  befestigte  Residenzen  der 
jeweiligen  Machthaber  in  ihrer  Nähe  und  ohne  diese  die  Einfahrt  in  den 
Hafen  des  lladdebyer  Moors  beherrschende  Zitadelle  ist  die  Nieder- 
lassung nicht  denkbar2).  Und  nur  als  solche  kann  dieser  Ringwall  ge- 
deutet werden.  Denn  in  seiner  ganzen  länglich  viereckigen  Gestalt  und 
seine  durch  eine  Art  Vorwerk  nach  Art  der  alten  Burgen  vervoll- 
kommneten  Anlage  unterscheidet  er  sich  recht  wesentlich  von  einer  alten 
Bauernburg,  für  die  er  angesprochen  worden  ist,  und  ebensowenig  kann 
er,  vom  militärischen  Standpunkte  aus  betrachtet,  als  die  Burg  Kaiser 
Ottos  II.  überhaupt  in  Frage  kommen,  die,  wenn  sie  einen  Schutz  gegen 
N'unleii  gewähren  sollte,  nur  in  der  Nähe  der  Hauptverkehrsstrasse,  des 
alten  Ochsenweges,  den  sie  beherrschen  musste,  also  sehr  richtig  an  der 
Stelle  der  Tyraburg,  angelegt  werden  konnte. 

Dazu  kommt  noch,  dass  dieser  Ringwall  nach  einer  alten  Hand- 
zeichnung8) in  das  ganze  System  von  Befestigungen  um  die  Niederlassung 
am  Eaddebyer  Noore  einbezogen  erscheint.  Etwa  '200  m  vor  und  parallel 
dem  Halbkreiswall  beginnt  auf  den  vorliegenden  Höhen  nördlich  von  dem 
Dorfe  Wedelspang  in  Anlehnung  an  den  Hauptwall  eine  zweite  Wallinie, 
die  dann  längs  des  Weges  nach  Bustorf  bis  zu  dem  kleinen  durch  den 
Halbkreiswall  zum  Haddebyer  Moore  fliessenden  Bache  verläuft,  um  hier 
wieder  nach  dem  Hauptwalle  umzubiegen  und  dem  Bachlaufe  noch 
ein  Stück  zu  folgen.  Die  heute  noch  vorhandenen  Reste  dieser  Linie 
entsprechen  dem  als  Belagerungswall  des  Königs  Sven  Tveskaeg  ge- 
dachten Erdwerken.  Nach  alle  dem,  was  wir  von  alter  Befestigungskunst 
wissen,  werden  sie  aber  als  die  Überbleibsel  eines  grossen  Ravelins  auf- 
zufassen sein,  das  das  dahinter  gelegene,  als  Stormhull  bezeichnete  Aus- 
fallstor in  dem  Hauptwalle  gedeckt  hat.  Denn,  wie  bereits  erwähnt. 
eine  Bresche  durch  einen  so  mächtigen,  besetzten  Wall  zu  graben,  dürfte 
ausserordentlich  schwierig,  wenn  nicht  unmöglich  sein  und  der  (Jepflogen- 
heit  der  Alten  nicht  entsprechen,  die  selbst  mit  künstlichen  Mitteln  die 
Wälle  zu  ersteigen  und  auf  diese  Art  zu  erstürmen  pflegten.  Ebenso  ist 
ein  Belagerungswall  mit  offenen  Flanken  in  der  Parallele  nicht  zu  er- 
kennen, da  sich   die  Belagerer  durch    geschlossene    Lager    schützten,    wie 


1)  Hand ''Im  an  n,  S.  ;'.. 

2)  Fortiilsinin.l.  r.  8.239.    Mestorf,  8.21. 

3)  Forüdsminder,  8.  280. 


—     694     — 

noch  sehr  viel  später  ein  dänischer  König  bei  der  Belagerung'  der  Festung 
Gottorf,  der  auf  dem  Hesterberge  eine  Wagenburg  errichtete. 

Nördlich  von  dem  Bache  setzt  sich  eine  zweite  Befestigungslinie  über 
den  Höhenrücken  nach  der  Schleiniederung  fort.  Ihr  folgt  in  einem 
Abstände  von  etwa  200  m  östlich  eine  weitere  Wallsperre  des  Höhen- 
rückens, so  dass  der  Zugang  zu  der  Burg  oder  Zitadelle  auf  diesem 
Höhenrücken  doppelt  gedeckt  und  ihre  Verbindung  mit  dem  Halbkreis- 
walle ebenfalls  durch  eine  doppelte  Linie  gesichert  ist. 

Im  ganzen  betrachtet,  bietet  die  ganze  Niederlassung  das  Bild  einer 
geradezu  musterhaften  Anlage.  An  einem  hochumuferten  Hafen,  dessen 
Einfahrt  noch  durch  Pfahlwerk  geschützt  war,  im  Osten  durch  ungang- 
bares Gelände  gedeckt,  zieht  sich  der  alte  Lagerplatz,  wo  das  westliche 
hohe  Ufer  einer  sanft  ansteigenden,  von  einem,  den  Wasserbedarf 
deckenden  Bache  durchflossenen  Niederung  Raum  gibt,  bis  zu  den  vor 
ihr  liegenden  Höhen  hinauf,  die  mit  doppelten  Wällen  gekrönt  sind  und 
nach  der  Einfahrt  in  den  Hafen  hin  einen  Ringwall  tragen. 

Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  die  Dänen,  so  lange  sie  im  un- 
bestrittenen Besitz  der  Schlei  waren,  also  vor  der  Niederlassung  der 
Yikinger,  Veranlassung  hatten,  ihre  Kriegshafen  im  und  ihr  Schiffslager 
am  Haddebyer  Noor  besonders  stark  zu  befestigen.  Man  wird  daher  mit 
Recht  die  Entstehung  dieser  Befestigungen  auf  die  Niederlassung  der 
Vikinger  beziehen  können. 

Es  ist  auch  einleuchtend,  dass,  wenn  mit  dem  Auftreten  dieser  Feinde 
der  Dänen  der  Name  Hedeby  neben  Schleswig  erscheint  und  wenn  wir 
heute  noch  eine  Ortschaft  mit  sehr  alter  Kirche,  die  auch  dem  Noor  den 
Namen  gegeben  hat,  mit  sehr  ähnlich  klingendem  Namen  vorfinden,  das 
alte  Hedeby  der  alte  Halbkreiswall,  die  Oleburg,  ist. 

Dagegen  hat  man  eingewendet,  Hedeby  und  Haddeby  zwei  ver- 
schiedene Orte  sein  müssten *),  weil  Hedeby  das  Dorf  an  der  Heide  be- 
deutet und  die  Heide  hier  nicht  so  nahe  herantritt,  dass  der  Name 
gerechtfertigt  erscheinen  könnte,  und  weil  der  Name  lange  Jahrhunderte 
hindurch  einzig  und  allein  für  die  Stadt  Schleswig  in  Gebrauch  gewesen 
wäre.  Man  hat  daher  das  alte  Hedeby  auf  das  Nordufer  der  Schlei  in 
die  unmittelbare  Nähe  der  Stadt  Schleswig,  auf  den  sogenannten  Holm, 
verwiesen,  an  welcher  Stelle  früher  auch  die  Heide  ziemlich  dicht  an  die 
Stadt  herangetreten  ist.  Indessen  abgesehen  davon,  dass  hier  die  Hafen- 
verhältnisse wegen  der  flachen  Ufer  besonders  ungünstig  gewesen  sind, 
linden  wir  auch  heute  noch  in  der  Umgebung  des  Haddebyer  Noores 
ausgedehnte  .Moore,  die  in  dieser  Gegend  auf  noch  weiter  gehende  Heide- 
strecken schliessen  lassen,  und,  wenn  wir  uns  vorstellen,  dass  die  Nieder- 
la8sung  eist  vorübergehend,  dann  dauernd  im  Besitz  der  Dänen  und  bis 
zu  ihrem  Verfall  der  Kriegshafen  und  die  Residenz  ihrer  Machthaber  ge- 
wesen i-t.  so  erscheint  es  nicht  unmöglich,  dass  sie  von  ihr  aus  ihre 
Anordnungen    und   Verfügungen  getroffen   und  ihren  Namen  auf  das  mehr 

ich  II,  s.  113. 


—     695     — 

und  mehr  in  <  L  *  *  1 1  Hintergrund  getretene  Schleswig  in  Anwendung  gebracht 
haben. 

Auffallend  ist  ferner,  dass  Städtenamen  auf  by  in  Schleswig  nicht 
vorkommen  und  in  Jütland  äusserst  selten  und  dann  wohl  nur  bei  Städten, 
die  erst  in  neuerer  Zeit  aus  dörflichen  Niederlassungen  hervorgegangen 
sind,  anzutreffen  sind.  Daraus  wäre  zu  schliessen,  dass  auch  Hedeby 
keine  städtische  Gründung  gewesen  ist,  sondern  ursprünglich  wie  die 
übrigen  Orte  auf  by  in  der  Umgebuug  von  Schleswig  eine  dörfliche 
Niederlassung,  deren  Namen  auf  Hafen,  Lager  und  Burg  übernommen 
worden  ist.1)  Damit  stimmt  auch,  dass  man  bis  jetzt  noch  kein  älteres 
Mauerwerk  bloss  gelegt  hat. 

Eis  ist  eigentlich  selbstverständlich,  dass  die  dänischen  Könige,  wenn 
sie  dem  eroberungslustigen  Feinde  die  Tür  zu  Einfällen  in  ihr  Gebiet 
nicht  offen  halten  wollten,  gegen  diese  starke  Stellung  eine  Schutzwehr 
errichten  mussten.  Diese  aber  konnte  nur  das  eigentliche  Danewerk 
sein,  das  sowohl  den  Ochsenweg,  wie  die  Übergänge  über  den  schmalen 
Abiluss  des  Danewerksees  und  die  Hügelkette  über  die  Niederung  der 
Gottorper  Wiesen  sperrt2).  Auch  diese  Linie  folgt  der  geraden  Richtung 
und  benutzt  westlich  vom  Danewerksee  die  nach  Süden  gegen  das 
Klieider  Au-Tal  abfallenden  Hänge  der  Hochfläche  von  Husby  zur  An- 
lehnung. 

Diese  Verhältnisse  vermögen  vielleicht  auch  zu  erklären,  dass  bei 
den  Vorstössen  der  Deutschen  bis  Otto  II.  der  sperrenden  Befestigung 
keine  Erwähnung  geschieht.  Denn  der  Kograben  musste  nach  der  Besitz- 
nahme von  Hedeby  durch  fremde  Herrscher  aufgegeben  werden  und  die 
Herstellung  des  Danewerkes  ist  wahrscheinlich,  ebensowenig  wie  das 
System  von  Befestigungen  um  Hedeby,  auf  einmal  fertig  gestellt  worden, 
da  dieses  häutig  genug  nur  vorübergehend  in  den  Händen  der  Feinde 
war.  Sie  erklären  auch,  dass  Otto  IL,  nachdem  er  den  Kograben  ge- 
nommen hatte,  das  Wiglesdor,  d.  h.  das  Tor  im  Danewerke  besetzt  and 
verteidigt  fand  und  es  erst  nach  einem  vergeblichen  Versuche,  den 
Durchgang  zu  erzwingen,  später,  975,  mit  stürmender  Hand  nehmen 
nuisste.3) 

Als  dann  nach  langen  Kämpfen  in  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahr- 
hunderts Hedeli\  wieder  dauernd  in  den  Besitz  der  dänischen  Herrscher 
kam,  wurde  ein  neuer  Wall  von  der  Oleburg  bis  zum  Danewerksee  mit 
der  Front  muh  Süden  aufgeworfen,  der  Harald-  oder  Margareten -Wall. 
Mit  Recht  kann  man  fragen,  aus  welchem  Grunde  man  nicht  auf  die 
vorteilhafte  Stellung  des  Kograbens  zurückging:  zumal  da  der  neue  Wall 
die  tiefe    und    von    beiden   Seiten    eingesehene  Niederung    des    Busdorfer 


1)  An  Hedeby  und  Haddeby  erinnert  das  englische  the  heath  uud  tbe  haddur,  das 
beides  die  Heide  bedeutet.  Auch  für  Haddebotb,  eine  andere  alte  Bezeichnung  für 
Hedeby,  trifft  das  hier  Gesagte  zu.  Bud  =  Lager;  vergl.  Mattenbuden  in  Danzig  und  die 
Darstellung  bei  Nicolaysen. 

2    Vielleicht  das  Oster-Kalegatt,  b.  Schröder,  S.  L01. 

3)  Mestorf,  S.21. 


—     696     — 

Teiches  zu  überschreiten  hatte.  Wir  wissen  aber,  dass  zu  jener  Zeit  das 
Danewerk  wenigstens  durch  eine  Feldsteinmauer  und  eine  neue  Erdauf- 
schüttung  eine  wesentliche  Verstärkung  erfahren  hatte  und  so,  wie  die 
Befestigungen  um  Hedeby  im  Osten,  hier  im  Westen  eine  ungemein 
starke  Stellung  darstellte,  und  es  ist  daher  anzunehmen,  dass  man  es  für 
hinreichend  fand,  diese  beiden  starken  Stellungen  durch  einen  Wall 
zu  verbinden,  statt  den  verfallenen  Kograben  von  neuem  wieder  aufzu- 
bauen. 

Während  mm  der  westliche  Teil  dieser  neuen  Befestigungsanlage 
von  der  Niederung  des  Busdorfer  Teiches  bis  zu  der  der  Rheider  Au 
immer  neue  Verstärkungen,  so  durch  Aufführung  einer  Backsteinmauer, 
durch  neue  Erdaufschüttimgen,  durch  die  Anlegung  des  Doppelwalles  mit 
doppeltem  Graben,  erfuhr,  verfiel  der  östliche  Teil  und  damit  die  stolze 
Feste  Hedeby  mehr  und  mehr.  Es  wird  wohl  nicht  allein  die  Ver- 
sandung des  Hafens  schuld  gewesen  sein,  die  eher  als  eine  Folge  seiner 
Nichtbenutzung  angesehen  werden  kann,  sondern  auch  die  ungünstige 
Lage  der  Festung  durch  Aufgabe  der  südlich  vor  ihr  liegenden  Höhen, 
mit  dem  die  ganze  Umgebung  beherrschenden  Königshügel  als  Schlüssel- 
punkt der  ganzen  Stellung,  besonders  nach  Vervollkommnung  der  Wurf- 
geschosse und  Einführung  der  Feuerwaffen.  Mit  dem  Verfall  von  Hedeby 
mag  auch  der  Gebrauch  seines  Namens  seltener  geworden  sein,  bis  der 
des  emporblühenden  Schleswig  die  Alleinherrschaft  erlangte. 

Über  die  Lage  der  Burg  Otto  IL  ist  viel  gestritten  worden;  auch 
der  sogenannte  mittelalterliche  Wall  am  westlichen  Ende  des  Margareten- 
walles ist  dafür  gehalten  worden.  Indes,  abgesehen  davon,  dass  diese 
Burg,  von  dem  hier  vertretenen  Standpunkte  aus  betrachtet,  in  die  Nähe 
des  Ochsenweges  zu  verweisen  ist,  entspricht  seine  Gestalt  nicht  der  eines 
geschlossenen  Werkes;  denn  er  umspannt  in  flachem,  nach  Norden  aus- 
springendem Bogen  eine  Sehne  von  700  m  Länge.  Es  ist  auch  nicht  an- 
zunehmen, dass  dieser  Wall  eine  mittelalterliche  Befestigung  darstellt, 
die  ihre  Front  nach  Norden  gerichtet  hat;  denn  es  ist  nicht  abzusehen, 
welchem  Zwecke  sie  dienen  sollte.  Da  sein  einfacher  Bau  mit  dem 
übrigen  einfachen  Teile  des  Margaretenwalles  übereinstimmt,  so  wird  die 
Annahme  nicht  von  der  Hand  zu  weisen  sein,  dass  dieser  Bogen  den 
ursprünglichen  Teil  dieser  Verbindungsstrecke  darstellt  und  der  Doppel- 
wall südlich  von  ihm  einer  späteren  Zeit  angehört,  in  der  es  nötig  war, 
diese  Stelle,  über  die  verschiedene  Wege  nach  Norden  führen,  besonders 
zu  decken. *) 

Von  dem  hier  vertretenen  Standpunkte  aus  ist  der  Kograben  als  der 
Wall  Godfreds  und  der  Krummwall  als  seine  Fortsetzung  bis  zum  west- 
lichen Meere,  die  Oleburg  als  Hedeby  und  die  Hohburg  als  seine  Zitadelle, 
das  Danewerk  als  ein  Wall  gegen  Hedeby,  die  Tyraburg  als  Otto  IL 
Burg  zu  deuten,  dem  Osterwall  aber  einen  Zusammenhang  mit  diesen 
Befestigungen  nicht  zuzusprechen.  — 


1;  S.  die  Karte  von  Thorseu  bei  Mestorf. 


—     6<>7     — 

Quellen: 
Trap,  Topografie  af  Slesvig. 

J.  Mestorf,  Danewerk  und  Heithabu  (Mitteilungen  1901). 
H.  Handelmann,  Vorgeschichtliche  Befestigungen.     1S80. 
M.  Jahns,  Handbuch  einer  Geschichte  des  Kriegswesens.     1880. 
A.  Sach,  Das  Herzogtum  Schleswig.     1896.     1899. 
F.  Barl'od,  Fortaellinger  af  Faedrelandets  Historie.     1858. 
J.  J.  A.  Worsaae,  Danewirke;   deutsch  von  Courländer.     1848. 
Generalstab,  Der  deutsch-dänische  Krieg  1864. 

J.  v.  Schröder,  Topographie  des  Herzogtums  Schleswig.     IL  Aufl.     1854.  a 
S.  Müller  og  C.  Neergaard,    Danevirke,  archaeologisk  undersoegt,  beskrevet  og  tydet. 

(Nordiske  Fortidsminder.    I.  Bind.     1890—1903.) 
N.  Nicolaysen,  Langskibet  fra  Gokstad. 

(14)  Hr.  Assmy  spricht  über  seine 

Reise  von  Peking  nach  Kangoon  durch  China  und  Chinesisch -Tibet. 

Der  Vortrag  wird  später  erscheinen.  — 

(15)  Hr.  Waldeyer  legt  den  Schädel  eines  Battakers  aus  Tjinta 
Rudja  auf  Sumatra  vor,  der  von  dem  Farmer  Hrn.  Ernst  daselbst  an 
Hm.  Becher  nach  Berlin  geschickt  worden  und  von  einer  Charakteristik 
der  Battaker  im  allgemeinen  und  des  einstigen  Schädelbesitzers  „Si  Russih" 
insbesondere  begleitet  war.  — 


Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Heft  5.  15 


Ausserordentliche  Sitzung  vom  23.  Juli  1904  in  Zehlendorf. 
Vorsitzender:    Hr.  Lissauer. 

Auf  den  Wunsch  des  Vorstandes  hatte  Hr.  Professor  Adolf  Fischer 
in  Zehlendorf  die  Gesellschaft  eingeladen,  die  Neuerwerbungen  seiner 
chinesisch-japanischen  Sammlung  zu  besichtigen.  Eine  grosse  Zahl 
von  Mitgliedern  hatte  an  dem  Ausfluge  Teil  genommen  und  folgte  mit  dem 
grössten  Interesse  der  freundlichen  Führung  des  Hrn.  Fischer  durch  die 
schönen  Räume,  welche  mit  den  kostbarsten  ethnologischen  Stücken  aus- 
gestattet waren. 

An  der  Sammlung  hat  .lapan  den  bei  weitem  grössten  Anteil;  doch 
sind  auch  aus  China  einige  hervorragende  Prunkstücke  aus  ältester  Zeit 
vorhanden.  Davon  ist  an  erster  Stelle  ein  in  Holz  geschnitztes  und  in 
bunten,  nicht  grellen  Farben  gemaltes  bezw.  lackiertes  Wandbild  aus  der 
Mingdynastie  zu  nennen,  das  eine  ganze  ll!2  m  breite  Wand  einnimmt 
und,  eingeteilt  in  12  Felder,  die  Jubelfeier  eines  hohen  Mandarinen  dar- 
stellt, dem  zu  Ehren  zahlreiche  Glückwünschende  sich  nahen,  Musikanten 
aufspielen  und  Haus  und  Garten  mancherlei  festliche  Veranstaltungen  auf- 
weisen. In  der  Mitte  des  an  Figuren  überreichen,  aber  in  allen  Details 
mit  ebenso  viel  künstlerischer  Sorgfalt  als  Zierlichkeit  ausgeführten  Bildes 
thront  der  Würdenträger,  ein  Greis  von  hohen  Jahren.  Das  Kunstwerk 
ist  gleich  allen  Teilen  dieser  Sammlung  nicht  modern,  die  meisten  gehen 
in  ihrem  Ursprung,  bestimmbar  nach  dem  Namen  der  Künstler  und  anderen 
Anhaltspunkten,  100 — 300  Jahre,  einzelne  Bronzen  aber  bis  ins  7.  Jahr- 
hundert zurück. 

Von  grosser  dekorativer  Wirkung  ist  ein  \)  m  breiter,  aus  acht  Schiebe- 
türen bestehender  japanischer  Wandschmuck,  genannt  die  Drachenbrücke, 
früher  einem  ebenso  genannten  japanischen  Kloster  angehörig.  Er  ist 
ausgezeichnet  durch  die  Darstellung  einer  von  blühenden  Kirschbäumen 
überschrittenen  roten  Brücke  mit  schön  geschwungenem  Bogen,  zwischen 
denen  man  in  eine  Landschaft  auf  Goldgrund  sieht.  In  ziemlich  beträcht- 
licher  Anzahl  sind  in  der  Sammlung  nicht  nur  die  auf  Goldgrund  ge- 
malten sechsteiligen  Wandschirme,  sondern  auch  hölzerne,  bemalte  Schiebe- 
türen vertreten.  Itei  denen  d;is  grob  gemaserte  Zedernholz  bevorzugt  zu 
Bein  scheint.  Eine  sehr  figurenreiche  Darstellung,  ein  Rollbild,  das  200 
bis  250  Jahre  all  ist,  zeigl  das  [nnere  ei  nes  japanischen  No-Theaters 
aus   alter   Zeit    während   der  Vorstellung.     Die  Schauspieler  agieren 


—     699     — 

auf  der  Bühne,  im  Zuschauerraum  aber  scheint  verhältnismässig  geringe 
Aufmerksamkeit  dem  Spiel  geschenkt  zu  werden;  denn  es  wird  Tee  ge- 
reicht und  in  Gruppen  geplaudert.  Auch  hier  ist  die  Ausführung  der 
Einzelheiten  so  sorgfältig,  wie  man  sie  von  den  Niederländern  etwa  bei 
Breughel  gewöhnt  ist.  Sehr  interessant  sind  überhaupt  die  in  der 
Sammlung  in  Menge  vertretenen  japanischen  Wandbilder,  meist  auf  feinsten 
Seidenstoff  gemalt,  doch  auch  auf  Papier.  Vou  den  grossen  Stücken  der 
Fisch  ersehen  Sammlung  seien  noch  zwei  wundervolle  bronzene  Löwen- 
köpfe genannt,  die  aus  einer  vergessenen  Vorratskammer  des  kaiserlich 
chinesischen  Sommerpalastes  herrühren,  in  Wahrheit  aber  europäische, 
vermutlich  italienische  Arbeit  vom  Ausgang  des  11.  oder  Anfang  des 
r_\  Jahrhunderts  sind.  Sie  sassen  wohl  einst  oberhalb  oder  seitwärts  des 
Kapitals  einer  Säule  in  einer  christlichen,  romanischen  Basilika  und  wurden 
von  den  Eroberungszügen  der  Mongolen  im  ersten  Drittel  des  13.  Jahr- 
hunderts als  „Reiseerinnerungen"  mitgenommen.  Einen  besonderen  Reiz 
der  Sammlungen  bilden  die  in  überraschender  Fülle  vorhandenen  Zeugen 
japanischer  Kleinkunst  und  japanischen  Kunstgewerbes.  Da  ist  vor  allem 
die  wenigstens  150  Jahre  alte,  in  den  Farben  aber  so  frisch,  als  stammte 
sie  von  gestern,  erhaltene  Darstellung  eines  Festzuges  —  Makemono  — 
gemalt  auf  eine  Stoffrolle  von  kaum  20  cm  Höhe,  ein  Werk  aus  der  Maler- 
schule Matahei,  von  einer  Unerschöpflichkeit  in  der  Abwechselung  von 
Gruppen,  Gesichtern  und  Trachten,  dass  Stunden  nötig  wären,  um  allen 
Einzelheiten  die  gebührende  Aufmerksamkeit  zu  widmen.  Von  den 
Leistungen  des  japanischen  Kunstgewerbes,  im  besonderen  seiner  Be- 
fähigung für  feinste  Metallarbeiten,  legt  eine  Spezialsammlung  Zeugnis 
ab,  die  eine  Fülle  verschiedener  Ausführungsformen  von  so  einfachen 
Dingen  enthält,  wie  die  Stichplatte  eines  Schwertes,  wie  der  Knauf  des 
Schwertgriffes  oder  die  Scheide,  in  der,  an  Stichplatte  und  Schwertscheide 
angeschlossen,  jedes  japanische  Schwert  auch  ein  Dolchmesser  birgt.  — 
Prof.  Fischer  hat  sich  auch  noch  dadurch  verdient  gemacht,  dass  er  in 
Japan  durch  einheimische  oder  europäische  Maler  Bilder  von  Volkstypen 
der  Gegenwart  nehmen  Hess,  u.  a.  auch  Strassenbilder  von  Tokio. 

Zum    Schluss    sprach    der  Vorsitzende  Hrn.  Fischer    im  Namen  der 
Gesellschaft  für  die  erwiesene  Freundlichkeit  den  wärmsten  Dank  aus. 


4.V 


I.    Literarische  Besprechungen. 


Dr.  C.  H.  Stratz,  Die  Frauenkleidung  und  ihre  natürliche  Entwickelung, 
Dritte  Auflage.     Stuttgart.     F.  Enke  1904. 

Unter  den  verschiedenen  verdienstvollen  Werken,  welche  in  Hrn.  Stratz  ihren 
Urheber  haben,  nimmt  das  unter  obigem  Titel  jetzt  in  dritter  Auflage  erschienene  Werk 
einen  besonders  hervorragenden  Platz  ein.  Es  ist,  wie  ich  aus  dem  eigenen  Munde  des 
Autors  weiss,  ein  Liebliugskind  desselben,  und  wer  möchte  leugnen,  dass  ersichtlich  ein 
ausserordentlicher  Fleiss  und  Mühe  auf  dasselbe  verwendet  wurde.  Es  kommt  hinzu  die 
glänzende  und  vornehme  Ausstattung  des  Werkes,  worin  der  Verleger  dem  Autor  in  ver- 
dienstvoller Weise  zur  Seite  gestanden  hat. 

Ich  bin  gewiss  der  Letzte  diese  neue  Leistung  meines  hochverehrten  Freundes  zu 
unterschätzen  und  seine  grossen  Verdienste  bei  Herstellung  derselben  nicht  warm  an- 
zuerkennen; trotzdem  bin  ich  leider  gezwungen  in  manchen  schwerwiegenden  Punkten, 
die  dabei  zur  Erörterung  kommen,  eine  ablehnende  Haltung  einzunehmen,  und  glaube  dies 
im  Einverständnis  mit  dem  Autor  um  so  weniger  unterdrücken  zu  sollen,  als  eine  Ver- 
ständigung nur  durch  offene  Aussprache  erzielt  werden  kann. 

Es  ist  eine  alte  Erfahrung,  die  Lieblingskinder  geraten  nicht  immer  in  hervor- 
ragendem Masse,  wenn  auch  noch  so  viel  Sorgfalt  auf  ihre  Erziehung  verwendet  wird, 
woran  gewiss  meist  gerade  die  einseitige  Vorliebe  der  geehrten  Urheber  die  Schuld  trägt. 
Bei  aller  Anerkennung  für  die  ausgedehnten  Studien  in  diesem  Gebiete  und  für  den 
reichen  Schatz  der  gesammelten  Erfahrungen  kann  ich  mich  der  Überzeugung  nicht  ver- 
schliessen,  dass  auch  Hr.  Stratz  dabei  seine  Lieblingsideen  in  zu  einseitiger  Weise  ver- 
folgt, und  fürchte,  dass  der  so  wünschenswerte  Erfolg  seiner  Bemühungen  dadurch  in 
erheblicher  Weise  geschädigt  wird. 

Im  Kampf  gegen  zwei  dämonische  Gewalten,  wie  sie  mächtiger  und  widerstands- 
fähiger gar  nicht  gedacht  werden  können:  Modetorheit  und  üble  Angewohnheit 
soll  der  Herkules,  welcher  diese  vom  Mark  der  Menschheit  zehrenden  Vipern  erwürgt, 
wohl  noch  geboren  werden;  wenn  irgend  wo,  so  gilt  hier  der  Wahrspruch:  Viribus  unitis! 
Nur  zähe  Ausdauer  und  möglichste  Verbreitung  des  Prinzips,  allmählich  die  üble  Ge- 
wöhnung durch  eine  vernünftigere  Gewöhnung  zu  verdrängen,  kann  nennenswerte  Fort- 
schritte zeitigen.  Hr.  Stratz  unternimmt  den  Kampf  im  Vertrauen  auf  seine  reichen  Er- 
fahrungen und  seine  innere  Überzeugung  ganz  allein:  Möchte  der  Erfolg  mit  ihm  sein,  ich 
bin  leider  nicht  imstande  dies  für  wahrscheinlich  zu  halten.  Die  Autoren,  mit  denen  er 
Schulter  an  Schulter  kämpfen  sollte,  mit  denen  er  auch  bei  abweichenden  Anschauungen 
Fühlung  nehmen  müsste,  werden  achselzuckend  mit  einer  beiläufigen  Bemerkung  abgetan. 
So  habe  ich,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  den  Namen  des  in  diesem  Gebiet  unzweifel- 
haft verdienstvollen  Prof.  Schnitze-Naumburg  vergeblich  in  dem  Buche  gesucht;  auch 
zu  meinen  eigenen  mehrfachen  literarischen  Äusserungen  über  die  betreffenden  Fragen  hat 
Hr.  Stratz,  obwohl  sie  ihm  bekannt  waren,  nicht  geglaubt  Stellung  nehmen  zu  sollen. 

Es  bleibt  also  nur  übrig,  dass  diejenigen,  welche  es  ernst  meinen  mit  einem  Streben 
nach  vernünftigerer  Praxis    in  Ausbildung    und  Bekleidung    des    Körpers    besonders    beim 


—     701      — 

weiblichen  Geschlecht,  ihrerseits  versuchen    die    verloren    gegangene  Fühlung    mit  dem 
Autor  wieder  zu  gewinnen. 

Dabei  ist  zunächst  ein  grosser,  sehr  schätzenswerter  Teil  des  Werkes  gesondert  zu 
behandeln,  in  denen  Hr.  Stratz  die  Nacktheit,  die  primitive  Kleidung  als  Körper- 
schmuck, den  Einfluss  der  Klimate,  der  Rassen  und  der  Kultur  auf  die  Form 
desselben  bespricht  und  an  zahlreichen,  geschickt  gewählten  Beispielen  dartut. 

Es  entwickelt  sich  daraus  in  natürlicherweise  die  Betrachtung  der  tropischen 
Kleidung  im  Vergleich  zur  arktischen,  sowie  der  Volkstracht  bei  aussereuropäischen 
und  europäischen  Kulturvölkern.  Audi  hier  sind  zahlreiche,  prächtige  Illustrationen  dem 
Text  beigegen,  die  besonders  da  sehr  lehrreich  sind,  wo  es  möglich  war,  die  unbekleidete 
Figur  der  bekleideten  an  die  Seite  zu  stellen. 

In  der  Tat  nagt  aber  auch  hier  schon  trotz  des  bestechlichen  Äusseren  der  Wurm 
heimlich  in  der  Frucht;  denn  der  Unparteiische  dürfte  wohl  sein  Urteil  dahin  abgeben, 
dass  der  Autor  seiner  im  Prinzip  wohl  aufrecht  zu  haltenden  Anschauung,  die  ursprüng- 
lichste Form  der  Bekleidung  überhaupt  sei  die  Körperausschmückung 
gewesen,  einen  zu  breiten  Spielraum  gewährt  hat;  der  Übelwollende  aber  wird  die 
hämische  Bemerkung  vielleicht  nicht  unterdrücken:  das  Werk  handele  ja  eigentlich  gar 
nicht  von  „Frauenkleidung",  sondern  „Frauenentkleidung".  Der  Wetterschutz  sollte 
doch  wohl  neben  der  Körperverzierung  als  ein  gleichberechtigter  Faktor  in  Rechnung 
gestellt  werden;  zieht  doch  der  anthropoide  Affe  sich  auch  seine  Decke  über,  nicht  um 
den  Körper  zu  schmücken,  sondern  weil  ihn  friert. 

Man  liest  mit  einer  gewissen  Bestürzung  in  der  Schlussbetrachtung  (S.  40-">):  „Die 
Frauenkleidung  ist  festen,  unabänderlichen  Gesetzen  unterworfen,  sie  dient  ausschliesslich 
zum  Schmuck  des  Körpers  und  wird  geringer  und  dadurch  besser,  wenn  der  Körper 
schöner  wird."  Danach  mussten  schliesslich,  wenn  das  sehnlich  erstrebte  Ziel  erreicht  ist, 
alle  Frauen  im  Kostüm  der  medieeischen  Venus  durch  den  nordischen  Schnee  waten. 
Wie  gut,  das  wir  dem  Ziel  noch  so  fern  sind! 

Offenbar  ist  in  den  Kapiteln  I— IX  dem  Leser  eine  Fülle  von  wertvollem  Beobach- 
tungsmaterial geboten,  wie  es  bisher  wohl  überhaupt  noch  nicht  zusammengestellt  wurde, 
die  besonders  hervorragende  Gabe  des  Autors  solches  Material  iu  übersichtlicher  und  ge- 
schmackvoller Weise  zu  ordnen,  dürfte  ganz  allgemein  dankbar  anerkannt  werden  und 
unwidersprochen  bleiben,  wenn  auch  unvermeidlich  bei  einem  derartig  umfangreichem 
Gebiet  der  isoliert  in  seiner  Klause  arbeitende  Forscher  gelegentlich  Angaben  machen 
wird,  die  unter  Frage  zu  stellen  sind. 

um  nur  einen  Fall  anzuführen,  der  mir  persönlich,  wie  'man  sagt,  an  die  Nieren 
geht  und  meinen  Protest  herausfordert,  so  werden  als  Fig.  25  auf  S.  (>'>  zwei  Mädchen 
der  ägyptisch-arabischen  Bevölkerung  als  „zwei  16jährige  Mulattinnen  (?i  aus  Kairo" 
dargestellt,  was  ich  als  durchaus  unzulässig  bezeichnen  muss.  Als  „Mulatten"  hat  man  nach 
den  anthropologischen  Grundsätzen  den  Mischling  zwischen  einem  Weissen  und  einem 
Neger  zu  bezeichnen;  ich  bestreite,  dass  irgend  eine  Berechtigung  [vorliegt  weisses 
Blut  in  den  betreffenden  Personen  zu  vermuten;  auch  die  nigritische  Beimischung,  wenn 
überhaupt  vorhanden,  liegt  jedenfalls  Generationen  zurück.  Der  Typus  lässt  weder  in 
der  Haarbildung  noch  in  der  Form  von  Nase  und  Mund,  noch  in  den  geschmeidigen 
Körperlinien  mit  wohl  ausgebildeten  Schultern  eine  nennenswerte  Abweichung  vom 
ägyptisch-arabischen  Tvpus  erkennen.  Ausgesprochene  Mulatten,  d.  h.  Mischlinge  von 
Weissen  und  Negern  sind  zudem  in  Ägypten  recht  selten,  da  das  weisse  Blut  daselbst 
erfabrungsmä88ig  wieder  ausgelöscht  wird. 

Doch  dürfte  die  grössere  Mehrzahl  der  Leser  es  als  eine  „Doktorfrage0  betrachten. 
ob  man  die  Personen  Mulatten  nennen  darf  oder  nicht;  die  Entscheidung  wird  derselben 
herzlich  gleichgiltig  sein.  Es  sind  die  letzten  Kapitel  des  Werkes  X,  XI  und  XII.  welche 
stark  zum  Widerspruch  herausfordern,  und  deren  Fassung  ich  um  so  mehr  bedauern  muss, 
als  ich  mich  mit  dem  Autor  im  Streben  nach  einem  bestimmten  Ziel  eins  weiss,  die 
Meinungsverschiedenheit  bezieht  sich  als<»  auf  den  Weg  und  die  Art  und  Weise  ihn  zu 
suchen,  nicht  auf  den  Gegenstand  selbst.  Der  Autor  gibt  uns  nach  seinen  statistischen 
Erhebungen  einen  schauervollen  Überblick  über  den  heutigen  Zustand  der  Körperentwicke- 
Lung    des  weiblichen  Geschlechtes  (8.385).     Danach    würden    von  1 » h »    im  Jahre  L870  ge- 


—     70-2     — 

borenen  Mädchen  heutigen  Tages  durch  englische  Krankheit  (35),  Skrofulöse  etc.  (15)r 
starkes  Schnüren  etc.  (20),  Geburt  und  Wochenbett  (25)  im  Ganzen  1>5  (!)  verunstaltet, 
5  völlig  normal  sein.  Ja,  sollte  es  nicht  möglich  sein  bei  einigermassen  peinlicher  Kon- 
trolle in  diesem  Sodom  und  Gomorrha  auch  die  5  angeblich  gerechten  Fünf  auszumerzen? 
Die  Rechnung  wäre  alsdann  doch  viel  einfacher. 

Es  ist  eine  alte  Wahrheit,  die  besonders  jedem  Arzt  geläufig  ist,  dass  es,  streng  ge- 
nommen, keinen  normalen  oder  gesunden  Menschen  gibt:  man  kann  daher  eigent- 
lich nur  von  einem  relativ  normalen  und  relativ  gesunden  Menschen  sprechen. 
Die  Meinungen,  wer  dazu  gerechnet  werden  muss  und  wer  nicht,  werden  stets  geteilte 
sein,  wofür  Hr.  Stratz  selbst  ein  eklatantes  Beispiel  beigebracht  hat.  Er  bildet  als 
Fig. '253  auf  S.  372  einen  geöffneten  weiblichen  Torso  ab  mit  der  Unterschrift:  Ver- 
lagerung der  Baucheingeweide  durch  Schnüren  (Gipsmodell  von  Ste  ger).  Dieses 
Gipsmodell  ist  unter  Leitung  des  Anatomen  His  als  normales  Objekt  über  die  Natur 
abgegossen,  wird  als  solches  in  Berlin  vom  Anatomen  Wraldeyer  für  Lehrzwecke  der 
normalen  Anatomie  benutzt  und  ist  von  mir  für  das  demnächst  erscheinende  Werk: 
„Die  Gesundheit",  in  gleichem  Sinne  farbig  wiedergegeben  worden.  Von  Verlagerung  der 
Eingeweide  durch  Schnüren  fanden  diese  drei  Anatomen  keine  Spur;  das  Heruntersinken 
des  Magens  nach  Entfernung  der  Leber  und  des  Dünndarms  ist  selbstverständlich,  die 
Taillenlinie  ist  frei  von  jeder  Einschnürung. 

Wird  man  somit  die  Abgrenzung  der  „verunstalteten"  Frauen  wohl  vielfach  in 
milderem  Sinne  durchführen  als  der  Autor  und  in  diesem  Punkte  abweichende  Ansichten 
vertreten,  so  dürfte  noch  häufiger  der  Kopf  darüber  geschüttelt  werden,  in  welcher  Weise 
Hr.  Stratz  erhofft  innerhalb  von  Jahrzehnten  durch  hygienisch-diätetische  Massregeln 
einen  völligen  Umschwung  in  diesen  ungünstigen  Verhältnissen  zu  erzielen  (S.  898). 

Es  muss  dies  um  so  mehr  Bedenken  erregen,  als  die  Art  und  Weise,  wie  der  Autor 
die  Korsettfrage  behandelt,  entschieden  geeignet  ist,  Verwirrung  in  die  Reihen  derjenigen 
zu  tragen,  welche  für  eine  Verbesserung  der  Bekleidung  kämpfen.  Die  „minorennen" 
Mädchen  sollen  sich  in  leichten,  lose  sitzenden  Kleidern  mit  körperlichen  Übungen  be- 
schäftigen, worauf  in  10  Jahren  anstatt  30  schon  50  nicht  korsettbedürftige  Körper  an- 
getroffen werden  würden. 

Er  hält  das  Korsett  vorläufig  für  ein  notwendiges  Kleidungsstück  als  „Schmuck- 
träger" und  unterscheidet  vor  allen  Dingen  zwischen  fehlerhaft  sitzenden  und  richtig  an- 
gepassten  Korsetts,  unter  welchen  er  ein  Korsett  des  Dr.  Gaches-S  arrante  als  besonders 
geeignet  warm  empfiehlt. 

Hierzu  ist  zu  bemerken,  dass  in  Deutschland  „Korsett"  gleichbedeutend  ist  mit 
„Schnürmieder",  und  ein  Schnürmieder  wird  eben,  wie  der  Name  sagt  „geschnürt" 
und  verändert  daher  selbstverständlich  den  Umriss  des  Körpers.  Ein  nicht  „geschnürtes" 
Korsett  ist  für  unsere  Frauen  ein  Unding;  ein  Korsett  wie  dasjenige  des  Dr.  Gaches- 
Sarrante,  welches  die  Taille  gar  nicht  verändert,  würde  überhaupt  nicht  als  Korsett 
anerkannt  werden,  sondern  als  „Mieder",  ein  Ausdruck  der  Hrn.  Stratz  aus  unerfind- 
lichen Gründen  besonders  verhasst  zu  sein  scheint.  Hie  Rhodus,  hie  salta!  Hier  kommen 
wir  zusammen:  Schnüren  oder  nicht  schnüren!  Der-Ausdruck  für  das  Kleidungsstück 
tut  nichts  zur  Sache,  aber  erklärt  der  sachverständige  Arzt  das  Korsett  für  unvermeid- 
lich, so  wird  er  trotz  aller  guten  Ratschläge  die  Frauen  nicht  vom  Schnüren  und 
zwar  von  zu  festem  Schnüren  abbringen. 

Das  betreffende  Kleidungsstück  muss  daher  so  beschauen  sein,  dass  es  ein  Schnüren 
überhaupt  nicht  zulässt,  im  übrigen  mag  es  so  fest  und  so  anliegend  gestaltet  sein, 
ale  'ler  durch  Verwöhnung  geschwächte  Körper  einer  Frau  es  verlangt;  meinetwegen  mag 
man  ein  solches  Kleidungsstück  alsdann  auch  Korsett  Gache-Sarrante  nennen. 

Sehr  lehrreich  und  anschaulich  sind  die  Figuren  2(i(J  a,  b,  c  auf  Seite  393,  \\<>  die 
knöchernen  Stützpunkte  im  Körper  für  die  Kleidung,  der  Autor  sagt  seinen  Anschauungen 
isa  „für  das  Korsett"  in  den  Körperumriss  eingetragen  sind.  Er  hat  dabei  die 
knöchernen  Stützpunkte,  welche  das  Schaltergerüst  darbietet,  obwohl  sie  von  der  extrem 
ausgebildeten,  sogenannten  Reformtracht  in  übertriebener  Weise  ausgenutzt  werden  und 
beim  Mieder,  gelegentlich  auch  beim  Korsett  Achselbänder  zu  tragen  haben,  überhaupt 
gar  nicht   in  Rechnung  gestellt.     Auch    hierin    dürfte    seine  Stellung    als   eine  zu  extreme 


—    703     — 

bezeichnet  werden  müssen,  da  beim  weiblichen  wie  beim  männlichen  Körper  eine  möglichst 
grosse  Verteilung  der  Last  das  Tragen  derselben  erleichtert  und  üble  Einwirkungen 
hintenan  hält. 

Nachdem  ich  so  im  Vorstehenden  versucht  habe,  die  Stellung  der  anderen  Autoren 
Hrn.  Stratz  gegenüber  anzudeuten,  und  dem  drohenden  Missverständnis  der  Sachlage 
beim  grossen  Publikum  entgegenzuwirken,  kann  ich  um  so  freudiger  meine  Zustimmung 
zu  den  dringenden  Ermahnungen  des  Autors  an  alle  zur  Erziehung  der  jungen  Mädchen 
Berufenen  geben,  mehr  als  bisher  dabei  auf  die  körperliche  Pflege  derselben  Rücksicht 
zu  nehmen.  Das  starke  Schnüren  wird  dabei  auch  von  Hrn.  Stratz,  wie  es  selbst- 
verständlich erscheint,  neben  den  Exzessen  in  der  Ernährung  (Essigtrinkeiv,  der  mangelnden 
Bewegung  in  frischer  Luft,  ungenügenden  Hautpflege  durch  Bäder  als  besonders  zu  ver- 
meidende Schädlichkeit  erwähnt.  Freilich  werden  nur  wenige  den  Optimismus  des 
Autors  teilen,  dass  sich  diese  Schädlichkeiten  mit  einem  Federstrich  wegdekretieren  Messen, 
Bondern  sich  der  Überzeugung  nicht  verschliessen,  dass  ein  Umschwung  nur  langsam  und 
allmählich  zu  erreichen  sein  wird. 

Die  wohlverdiente  Anerkennung  und  Verbreitung  wird  gewiss  auch  diesem  schönen 
Werk  des  Hrn.  Stratz  nicht  fehlen;  wollen  wir  hoffen,  dass  mit  dieser  ausserordentlichen 
Verbreitung  auch  ein  entsprechender  praktischer  Nutzen  Hand  in  Hand  gehen  möge! 
Dann  wird  der  Autor  gewiss  mit  dem  Ergebnis  der  aufgewandten  Mühe  zufrieden  sein 
können.  Gustav  Fritsch. 


■I.  M.  M.  van  der  Bürgt  (des  Mssionaires  d'Afriqne),  Dictioimaire  Francais- 

lviriindi.     Bois-Lr-Duc  (Hollande).     Societe    „l'Illustration  Catholique". 

"1903.    8°.    648  S.     Mit  Tafeln  und  Karten. 

Wenn  wieder  einer  der  Männer,  die  in  heisser  Arbeit  in  Zentralafrika  stehen,  heim- 
kehrt und  uns  mit  einem  Buche  Nachricht  gibt  von  dem,  was  er  erlebt  und  erforscht  hat, 
wird  er  jedesmal  ein  dankbares  Publikum  linden.  Ist  man  sich  doch  darüber  klar,  unter 
welchen  Schwierigkeiten  ein  solcher  Forscher  arbeitet,  und  wie  wertvoll  Mitteilungen  und 
Sammlungen  aus  einer  Welt  sind,  die  mehr  und  mehr  von  der  vordringenden  Kultur  be- 
einflußt und  verändert  wird.  So  bietet  denn  auch  das  vorliegende  Werk  eine  Fülle  inter- 
essanten Stoffes.  In  erster  Linie  wird  wohl  die  Völkerkunde  dabei  ihre  Rechnung 
linden  —  eine  grosse  Bienge  ethnographischer  Notizen  sind  durch  eine  Fülle  guter  Ab- 
bildungen erläutert,  z.B.  S.  257  f.  über  die  Haartrachten,  S.  5G0f.  über  Tätowierungen,  am 
Schluss  aber  Hausgeräte,  Waffen,  Schmuck  usw.  Aber  auch  der  Linguist  wird  sich  an 
dein  Buch  freuen,  das  eine  wichtige  Ergänzung  des  vom  "Verfasser  herausgegebenen  Essai 
de  Grammaire  Kirundi  darstellt.  An  die  Wünsche  der  deutschen  Beamten  hat  der  Verl 
in  erster  Linie  gedacht.  Er  wollte  ihnen  ein  bequemes  Nachschlagebuch  auch  in  sprach- 
licher Besiehung  in  die  Hand  geben.  Deshalb  hat  er  auch  die  Worte  franrais-kirundi 
geordnet  und  nicht  umgekehrt  auch  das  deutsche  und  das  Suaheli-Wort  beigefügt).  Diese 
Anordnung  mag  ja  für  die  praktischen  Zwecke,  die  der  Verf.  verfolgte,  von  Nutzen  sein 
—  dein  wissenschaftlichen  Arbeiter  erschwert  sie  das  Hineinfinden  in  die  Sprache  ungemein. 
Man  kann  nicht  kontrollieren,  welche  Ausdrücke  die  Sprache  selbst  darbot,  und  was  vom 
Dolmetscher  erst  ad  hoc  fabriziert  ist.  Die  Vorstellungswelt  des  Franzosen  und  des 
Rundi  sind  so  vollständig  verschieden,  dass  unmöglich  für  jede-  französische  Wort  ein 
angemessener  Ausdruck  im  Rundi  geprägt  sein  kann  —  und  doch  sieht  es  nach  vor- 
liegendem Werk  so  aus.  als  wäre  dies  der  Fall.  Die  umgekehrte  Anordnung  würde  die 
Sprache  viel  besser  übersehen  lassen  und  die  spraehvergleichende  Arbeit  erleichtern.  Zu- 
gleich hätte  sie  den  Verl  auf  allerlei  Unebenheiten  aufmerksam  gemacht.  Zu  welcher 
Klasse  der  Nomina  rechnet  er  z.  1>.  ukutwi  -das  Ohr"?    uruku   pl.  impu   S.  126  peau   ist 

!_'.">  nur  als  einzelne  Art  Haut  angegeben,  ikikiriza  poitrine  mit  Fragezeichen)  fehlt  146, 
dafürsteht  dort  ikikaraa;  urukoba  peau  S.  126  fehlt  125,  dafür  steht  dort  ikikoba;  akamira- 
mbekc  pomme  d'Adam  fehlt    I1T  usw. 

Auch  solche  Barten  der  Diktion  wie  S.29  uwukunzi  wa  Murungu  ku  wanta  „Liebe 
Gottes  zu  den  Menschen"    bezw.  uwukunsi  wanxje  kuri  wewe    .meine  Liebe  zu   dir",   die 


—     704     — 

auf  Rechnung  der  französischen  Grammatik  kommen,  wären  vermieden.  Wie  schon  das 
Beispiel  wanzje  zeigt,  ist  die  Schreibung  nicht  immer  glücklich,  so  möchte  ich  auch  dzj, 
cy,  kk,  vv,  rr  beanstanden  —  indessen  ist  sie  doch  im  wesentlichen  verständlich.  Sehr 
erfreulich  ist  die  für  das  Bantugebiet  so  wichtige,  scharf  durchgeführte  Scheidung  der 
stimmhaften  und  stimmlosen  Laute,  die  leider  in  den  neuerdings  aufgekommenen  Suaheli- 
Orthographieen  verwischt  wird  (doch  schreibt  B.  nsh  z.  B.  in-inshiviel,  wo  ich  z  vermute). 
Leider  wird  der  Genuss  an  dem  interessanten  Buche  dem  Leser  verkümmert  durch  die 
Neigung  des  Verf.,  zu  generalisieren  und  durch  seine  Gelehrsamkeit. 

Wir  möchten  etwas  über  die  Leute  in  Urundi  wissen  und  glauben  dem  Verf.,  dass 
er  da  gründlich  informiert  ist  —  und  nicht  über  „alle  Afrikaner-4  —  denn  da  kann  der 
Verf.  nicht  informiert  sein;  z.B.  S.  461  „Dawamänner  existieren  bei  allen  Negerstämmen 
in  ganz  Afrika." 

Auch  suchen  wir  in  einem  Buch  über  die  Kirundi-Sprache  nicht  Exkurse  über  Ur- 
geschichte, ägyptische  Geschichte  u.  dgl.  m.  Der  Verf.  kann  ja  in  dem  allen  nicht  selb- 
ständig gearbeitet  haben,  sondern  muss  sich  auf  Quellen  beziehen,  die  uns  auch  zugänglich 
sind.  Dadurch  ist  sein  Buch  ausserordentlich  angeschwollen  und  unhandlich  geworden. 
So  viel  ich  sehe,  werden  auch  gerade  die  praktischen  Absichten  des  Verf.  hierdurch 
gestört. 

Am  schmerzlichsten  ist  aber  alles,  was  das  Buch  in  sprachvergleichender  Beziehung 
enthält.  Hier  fehlt  dem  Verf.  ebenso  wie  seiner  Hauptautorität  P.  Torrend  die  streng 
wissenschaftliche  Schulung.  Wenn  der  Gottesname  Mulungu  mit  Moloch  S.  167  zusammen- 
gebracht wird,  wenn  in  dem  Wort  nganza  sogar  eine  Erinnerung  an  die  ägyptische  Isis 
gefunden  wird,  S.  528  vgl.  G04,  wenn  imaua,  vgl.  S.  215,  mit  Maori  anga  S.  605  und 
S.  591  f.  mit  Harn,  dem  Sohne  Noahs,  und  mit  dem  Manitu  der  Indianer,  wenn  S.  613  die 
Ba-ntu  von  den  Hi-ndu  abgeleitet  werden,  so  sind  dergleichen  Übungen  der  Phantasie 
in  einem  ernsthaften  Buch  für  den  Leser  verdriesslich.  In  der  älteren  Afrikaliteratur 
findet  sich  dergleichen  in  den  Vorreden  und  hier  und  da  einmal  im  Text  —  in  einer 
solchen  Ausführlichkeit  wie  hier  aber  meines  Wissens  nirgend.  Ich  sehe  mich  genötigt, 
darauf  aufmerksam  zu  machen,  damit  diese  Methode  tunlichst  bei  Seite  gelegt  wird,  und 
nicht  weiter  Schule  macht. 

Man  kann  nur  immer  aufs  Neue  den  Rat  geben,  dass  die  Forscher  an  Ort  und  Stelle 
möglichst  sorgsam  beobachten  und  fleissig  sammeln  und  die  Verarbeitung  bezw.  Ein- 
reibung des  Gefundenen  in  der  Heimat  vornehmen  oder  vornehmen  lassen,  wo  man  sich 
über  den  Stand  der  gegenwärtigen  Erkenntnis  informieren  kann.  Wenn  aus  dem  müh- 
samen Werk  die  Gelehrsamkeit  und  alle  Reflexionen  entfernt  wären,  wäre  die  Freude 
daran  eine  ungetrübtere. 

Ich  möchte  noch  auf  einige  Partien  aufmerksam  machen,  die  besonders  interessieren 
dürften,  z.  B.  die  Schilderungen  des  Nascnklemmers  und  seines  Gebrauchs  beim 
Schnupfen  S.  464,  die  Angaben  über  die  Farben  S.  129,  verschiedene  Gesänge  S.  96, 
ein  Zauberlied  S.  98,  über  die  Stellung  der  Finger  beim  Zählen  S.  114,  über  die 
ausführliche  Terminologie  des  Hirtenberufs  nebst  einem  Lied  zu  Ehren  der  Kühe 
S.  421  ff.  usw.  Diese  wenigen  Beispiele  mögen  zeigen,  eine  wie  reiche  Ausbeute  den 
Ethnographen  beim  Studium  des  Buches  erwartet.  Carl  Mein  ho  f. 


Iwanowski,  A.  A. :  Über  die  anthropologische  Zusammensetzung  der 
Bevölkerung  Russlamls.  Moskau  L904.  4°.  (Aus:  Arbeiten  der 
Anthropologischen  Sektion,   B.  22.)     Russisch. 

Verfasser  hat  sich  die  schwierige  Aufgabe  gestellt,  aus  der  grossen  Reihe  von 
Arbeiten,  die  in  den  letzten  Jahrzehnten  von  den  verschiedensten  Forschern  über  die 
Antbropologie  der  zahlreichen  Völkerschaften  des  rassischen  Riesenreiches  veröffentlicht 
worden  sind,  Materialien  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  zusammenzustellen,  um  so  die 
Grundlage  für  eine  Vergleichnng  und  wissenschaftliche  Gruppierung  der  einzelnen  Yölker- 
BtBmme  Bussland  nach  ihren  anthropologischen  Merkipalen  zu  schallen.  Freilich  war  das 
dem  Verfasser  hierbei  zu  Gebote  stehende  Material,  wie  dies  ja  ohne  weiteres  verständlich, 


—     705     — 

von  sehr  verschiedenem  Werte,  teilweise  lückenhaft,  teilweise  aucli  nicht  gross  genug, 
um  einigermassen  sichere  Schlüsse  darauf  gründen  zu  können.  Aber  mit  kritischem  Blick 
hat  der  bewährte  Forscher  diese  Fehlerquellen  nach  Möglichkeit  auszuschalten  verstanden 
und  vor  allem  hat  er  für  seine  Arbeit  dadurch  eine  grössere  (jlleichmässigkeit  geschaffen, 
dass  er  nur  männliche  Personen  von  einer  bestimmten  Altersklasse  an  (20  Jahre)  zum 
Vergleiche  verwendet  hat. 

Die  anthropologischen  Merkmale,  auf  die  er  seine  Studien  gründet,  sind:  1.  Falbe 
der  Augen  und  Haare,  2.  Körpergrösse,  3.  Längenbreitenindex,  4.  Höhen-  und  Längen- 
index, .">.  Gesichtsindex,  G.  Kieferindex,  7.  Nasenindex,  H.  Kumpflänge  (Acromion-Raphe 
perinaei),  !>.  Relativer  Brustumfang,  10.  Relative  Armlänge,  11.  Relative  Beinlänge;  doch 
war  es  nicht  möglich,  für  alle  Völkerschaften  sämtliche  der  genannten  elf  Merkmale  zu 
erhalten. 

Auf  Grund  des  vonjhm  gesammelten  Materials  kommt  nun  Verfasser  zu  folgender 
Gruppierung:  1.  Die  slawische  Gruppe,  zu  der  die  Gross-,  Weiss-  und  Kleinrussen  (mit 
Ausnahme  der  Kuban-Kasaken),  die  Polen,  Littauer,  Syrjanen,  die  Kasan-  und  Kassi- 
mowschen  Tataren  und  die  Baschkiren  gehören.  Näher  als  anderen  stehen  dieser  Gruppe 
die  Astrachanschen  Kalmüken  sowie  die  Kalmüken  überhaupt.  2.  Eine  besondere  Gruppe 
bilden  die  Loparen,  die  ganz  isoliert  dastehen  und  keinerlei  Beziehungen  zu  einer  der 
übrigeu  Völkerschaften  des  europäischen  Russlands  erkennen  lassen.  -X  Samojeden; 
gehören  zur  mongolischen  Gruppe.  I.  I.atüschen.  5.  Mordwinen.  <>.  Die  Kleinrussen  des 
Gouvernements  Kiew,  die  völlig  isoliert  dastehen.  7.  Die  Juden;  sie  haben  überall  in 
ganz  Russlacd  den  gleichen  Typus,  mit  Ausnahme  von  Livland,  wo  sie  in  anthropo- 
logischer Hinsicht  den  Grossrussen  näher  stehen;  doch  sind  dort  nur  elf  Personen 
gemessen.  8.  Nicht  sicher  unterzubringen  sind  zurzeit  die  Meschtscherjaken,  die  sich 
noch  am  meisten  den  Baschkiren  angliedern  lassen.  1).  Die  Armenier;  ihr  Typus  ist  noch 
einheitlicher  und  schärfer  ausgeprägt,  als  derjenige  der  Juden.  In  gewisser  Hinsicht 
reihen  sich  ihnen  die  Kabardiner  an,  die  aber  andererseits  auch  der  ossjetischen  Gruppe 
nahestehen.  Vorläufig  müssen  sie  zwischen  beiden  einrangiert  werden.  Auch  die  Aisoren, 
Lulen  und  die  Krimtataren  neigen  zur  armenischen  Gruppe,  doch  sind  die  beiden  ersteren 
in  einer  so  kleinen  Zahl  von  Individuen,  letztere  in  einer  so  geringen  Zahl  von  Merk- 
malen untersucht,  dass  über  ihre  anthropologische  Zugehörigkeit  noch  kein  bestimmtes 
Urteil  möglich  ist.  10.  Die  ossetische  Gruppe,  der  die  kleinrussischen  Kuban  -  Kasaken 
sehr  nahe  stehen.  11.  Die  Kumüken,  die  von  den  übrigeu  Völkern  des  Kaukasus  ziemlich 
Bcharf  unterschieden  sind.  12.  Lesginer,  die  zum  Teil  zur  vorhergehenden,  teilweise  auch 
zur  kabardischen  Gruppe  geringe  Beziehungen  haben.  13.  Die  Udiner  (Jvreis  Nuchin, 
Gouvernement  Elisabetpol).  11.  Die  Kurdo-perso-asarbeidschansche  Gruppe  mit  den 
Kurien,  Persern,  Asarbeidschanschen  Tataren,  Meslegauzen  und  Ischtigarzen.  15.  Die 
mittelasiatische  Gruppe,  zu  der  ausser  den  Kirgisen  und  Tarentschen  die  Afganen, 
Dunganen,  Sarten,  Siboschibinzen  uud  Chinesen  gehören,  d.h.  die  Stämme  des  ehemaligen 
Kuldschinischen  Rayons,  die  schon  seit  langer  Zeit  infolge  vielfacher  Vermischung  unter- 
einander ihren  ursprünglichen  Typus  aufgegeben  haben.  Eine  isolierte  Stellung  nehmen 
16.  die  Karakirgisen  und  17.  die  Turkmenen  ein.  IS.  Einige  Völkerschaften  Xentralasiens 
nähern  sich  der  mongolischen  Gruppe,  die  von  den  Arbunsumunen,  den  Kalmüken- 
Tschacharen,  den  turfanischen  Kalmüken,  den  Kuldschinschen  und  Tarbagataischen 
Torgouten,  den  Chalchasen,  Samojeden,  Talengeten,  Burjaten  uud  Tunguseu  gebildet 
wird.  L9.  Eine  besondere  jakutische  Gruppe  bilden  die  Jakuten,  denen  sich  die  von 
■\leinow     untersuchten     Nordtungusen    und    die    Astrachanschen    Kalmüken    angliedern. 

20,  Nicht  unterzubringen  sind  bis  jetzt  die  von  Porotow  untersuchten  Burjaten,  die  noch 
am  ehesten  den  Astrachansehen  Kalmüken  angereiht   werden  können.    Völlig  isoliert  stehen 

21.  die  Ainos  und  J2.  die  Ostjaken. 

Wenn  auch  diese  Gruppierung  infolge  der  verschiedenen  ihr  anhaftenden  Fehler- 
quellen, wie  Verfasser  übrigens  auch  selbst  zugiebt,  zum  Teil  noch  auf  ziemlieh 
schwankendem  Boden  steht,  und  im  Laufe  der  Zeit  noch  manche  Änderung  wird  erfahren 
müssen,  so  verdient  doch  die  vorliegende,  durch  Gründlichkeil  and  Sorgfalt  ausgezeichnete 
Arbeit  geradezu  als  ein  Markstein  in  der  Geschichte  der  Anthropologie  Busslands  be- 
zeichnet  zu  werden,   da   hier  zum  ersten    Male  das  bisher    gewonnene    reiche,    in    zahllosen 


—    706    — 

Einzelschrifteu  zerstreute  anthropologische  Material  von  sämtlichen  Völkerschaften  des 
europäischen  wie  asiatischen  Russlands  übersichtlich  und  wohl  geordnet  zusammengestellt 
ist.  Besondere  Anerkennung  verdient  auch  das  Literaturverzeichnis  am  Schlüsse  der 
Arbeit,  das  wohl  so  ziemlich  alle  bisher  erschienenen  anthropologischen  Abhandlungen 
über  Russland  enthalten  und  daher  für  andere  Forscher  eine  höchst  wertvolle  und  will- 
kommene Beigabe  bilden  dürfte.  Vielleicht  könnten  in  dieses  Verzeichnis  noch  eine  Reihe 
im  Journal  der  Russ.  Ges.  f.  Hygiene  erschienener  Arbeiten  (NoHTAPEirb,  K-b  Bonpocy  o 
npnwiiHax-b  Bi>iMepenia  iniopo^eirb  C/EBepo-3ana/iHOfö  Ciiönpii;  Hkobiü,  Hnopo/iiibi  Pycc- 
Karo  c^Bepa:  Hkormi,  Vracanie  iiHopo4iiecKiix'b  n\ieMein>  ToöoyibCKaro  cfcBepa  u.  a.) 
mit  aufgenommen  werden,  die,  wenn  sie  auch  nicht  gerade  anthropologische  Messungen 
darbieten,  doch  eine  Menge  die  Anthropologie  sehr  nahe  berührender  oder  direkt  in 
ihr  Gebiet  einschlagender  Fragen  behandeln.  Wilke. 


Wilser,    Ludwig-,    Die  Germanen.     Beiträge  zur  Völkerkunde.     Eisenach 
und  Leipzig.    1904. 

Die  Ergebnisse  vieljähriger  Studien  zur  Aufhellung  der  Geschichte  und  Ethnographie 
der  germanischen  Stämme  im  weitesten  Sinne  legt  der  Verfasser  in  einem  stattlichen 
Bande  nieder,  der  den  Inhalt  seiner  zahlreichen  Vorträge  und  Einzelabhandlungen  zu 
einem  festen  und  gefälligen  Bau  vereinigen  soll.  Inwieweit  ihm  dies  geglückt  ist,  darüber 
dürften  Meinungsverschiedenheiten  entstehen.  Sicher  ist  ihm  die  Zustimmung  bei 
Germanomanen,  Rassenfanatikern,  Chauvinisten,  für  die  die  Germanen  das  einzig  aus- 
erwählte Volk,  die  eigentlichen  Kulturträger  für  die  ganze  Welt  nicht  nur  sind  und  sein 
werden,  sondern  auch  in  früherer  Zeit  waren,  so  dass  selbst  die  Kulturen  Babyloniens 
und  Ägyptens  ihrer  nicht  ganz  entraten  konnten. 

Ablehnend  dagegen  werden  sich  unbefangenere  Leser  und  weniger  sanguinische 
Forscher  verhalten,  die  mit  Schädelin dices  nichts  anzufangen  wissen,  die  nicht  überall, 
wo  Blondheit  oder  gar  Dolichocephalie  sich  zeigt,  Germanen  wittern,  sich  vielmehr  über 
den  Unterschied  von  Rasse  und  Typus  klar  sind,  die  ferner  die  Germanen  nicht  so  un- 
bedingt für  Tugendbolde  ansehen,  und  für  die  ethnologisch  kulturgeschichtliche  Unter- 
suchung eine  reinliche  Sonderung  der  Slaven  und  Kelten  von  den  ihnen  physisch  viel- 
leicht nahe  stehenden  Germanen  für  unerlässlich  halten.  Es  kommt  also  ganz  auf  den 
Standpunkt  an,  von  wo  aus  man  urteilen  will.  Fachgelehrte  sind  jedenfalls  auf  beiden 
Seiten  vertreten. 

Niemand  dürfte  dem  Verfasser  wegen  seines  Fleisses  in  der  Durcharbeitung  des 
gewaltigen  Materials,  seines  unerschrockenen  Kämpfens  für  seine  Überzeugung  und  der 
urbanen  Form  seiner  Polemik,  der  oft  recht  unbarmherzigen  Kritik  gegenüber,  die  volle 
Anerkennung  versagen.  Vor  allem  ist  es  der  historische  Teil,  die  Darstellung  der 
einzelnen  germanischen  Stämme,  ihrer  Wanderungen  und  ihrer  primitiven  Kultur,  die  von 
grosser  Belesenheit  und  eingehendem  Quellenstudium  zeugt,  doch  muss  dessen  Würdigung 
und  Kritik  den  Fachgermanisten  überlassen  werden.  Auch  der  Abschnitt  über  den  germa- 
nischeu Stil  bietet  manches  beachtenswerte  und  ist  geeignet  falsche  Vorstellungen  über 
das  Barbarentum  dieser  Stämme  zu  berichtigen.  Vortrefflich  sind  besonders  die  Be- 
ziehungen des  romanischen  Stils  zur  nordischen  Holzarchitektur  dargelegt. 

Eine  um  so  schärfere  Zurückweisung  verdienen  die  Abschnitte,  in  denen  der  Ver- 
fasser seine  bekannten  Ansichten  über  die  Herkunft  und  die  ethnologische  Stellung  der 
Germanen  innerhalb  der  indogermanischen  Völkergruppe  darlegt,  ohne  sie  besser  zu  be- 
gründen als  bisher.  Es  werden  weniger  Beweise  als  subjektive  Ansichten  gegeben  und 
vielfach  den  Gegnern  die  Aufstellung  stichhaltiger  Gegengründe  zugeschoben. 

Vor  allem  holt  die  Argumentation  viel  zu  weit  aus,  indem  sie  im  wahren  Sinne  des 
Wortes  ab  ovo  anfängt.  Der  Anfang  des  Lebens,  die  Urheimat  des  Menschengeschlechts, 
die  Rasscnbildung,  der  diluviale  Mensch  Europas  sind  Fragen,  die  mit  dem  Thema:  wer 
sind  und  woher  kommen  die  Germanen?  nicht  das  mindeste  zu  schauen  haben,  da  jede 
Möglichkeit   fehlt,  das  indogermanische  Urvolk    mit  der  um  mehrere  Jahrtausende  älteren 


—     707     - 

eiszeitlichen  Bevölkerung  in  Beziehung  zu  bringen.  Was  über  die  urzeitlichen  Rassen 
Europas  gesagt  wird,  entbehrt  jeder  sicheren  Grundlage,  ist  zum  Teil  sogar  rein  phan- 
tastisch, wie  die  Angaben  über  Haut,  Haar  und  Augenfarbe  jener  nur  aus  Skelettteilen 
bekannten  Menschen,  die  Verwandtschaft  der  alpinen  Brachycephalen  mit  Asiaten  und  gar 
Amerikanern,  der  fossilen  Mcntone-Menschen  mit  Negern  oder  Tasmaniern. 

Als  Repräsentant  einer  Rasse  dürfte  höchstens  der  Neandertalmensch  aufzufassen 
sein  (Homo  primigenius),  während  H.  mediterraneus,  H.  priscus  und  H.  alpinus  nichts 
sind  als  völlig  unbestimmbare  homunculi,  im  wesentlichen  Produkte  des  Schematismus 
unserer  westlichen  Nachbarn.  Sie  hätten  nur  mit  der  allergrössten  Reserve  angeführt 
werden  dürfen.  Den  Homo  priscus  von  Cro  Magnon,  Madeleine,  Solutre,  Mentone  be- 
trachtet der  Verfasser  als  die  Stammform  der  herrlichen,  blonden,  langköpfigen,  reich- 
begabten nordeuropäischen  Rasse  (Homo  curopäus),  die  dem  abschmelzenden  Eise  nach- 
folgend aus  Mitteleuropa  nach  dem  südlichen  Skandinavien  hin  vordrang  und  dort  die 
Grundlage  aller  späteren  europäischen  Gesittung  aus  sich  heraus  entwickelte.  Die  starke 
Zunahme  dieser  reinen  und  edlen  Rasse  nötigte  zu  Wanderungen  nach  Süden,  Südwesten 
und  Südosten,  wo  inzwischen  unter  dem  Einlluss  rundköpiiger  Horden  Bastardrassen  ent- 
standen waren.  Diese  Züge,  deren  letzten  die  Germanen  bildeten,  sind  das,  was  man 
arische  Wanderung  nennt,  denn  die  edlen  nordischen  Blonden  sind  eben  das  indo- 
germanische Urvolk!  In  der  Tat  eine  äusserst  einfache  Lösung  der  schwierigen  Frage, 
die  nur  den  Fehler  hat,  dass  sie  mit  den  allerdings  recht  unbequemen  Indern  und 
Eraniern,  den  eigentlichen  Arya,  die  doch  überhaupt  erst  zur  Annahme  eines  indogerma- 
nischen Urvolks  Anlass  gegeben  haben,  nichts  rechtes  anzufangen  weiss. 

Die  Inder,  die  uns  doch  die  ältesten  arischen  Sprachproben  überlieferten,  werden 
nur  einmal  ganz  beiläufig  erwähnt.  Sie  passen  eben  nicht  in  das  Schema,  der  blonden 
und  brünetten  Komplexion  und  der  Schädelindices,  doch  hätte  wohl  der  Blonden  in 
Baktrien  und  Baltistan  gedacht  werden  können,  wenn  durchaus  alle  brünetten  Arier  Asiens 
elende  Bastarde  sein  sollen.  Der  Verfasser  gibt  sich  <dne  überflüssige  Mühe,  die  asiatische 
Herkunft  der  Frindogermanen  zu  bekämpfen,  die  in  dem  früheren  Sinne  von  niemand 
mehr  ernsthaft  aufrechterhalten  wird,  wogegen  die  von  Schrader,  mit  allen  Hilfs- 
mitteln der  Wissenschaft  formulierte,  mit  den  Sprachverhältnissen  am  besten  stimmende 
Hypothese,  dass  das  weite  Steppengebiet  Südrusslands,  allgemein  die  Länder  zwischen  Ostsee 
und  Schwarzem  Meer,  als  ältester  eruierbarer  Sitz  der  gesamten  arischen  Stämme  anzusehen 
sei,  nur  ganz  flüchtig  berührt  wird.  Die  grosse  innere  Unwahrscheinlichkeit  der  skandi- 
navischen Hypothese  beruht  doch  wesentlich  in  der  Kleinheit  uud  den  ungünstigen 
Kxistenzbedingungen  dieses  Gebietes,  das  schwerlich  jemals  eine  grössere  Bevölkerung, 
die  fast  halb  Europa  und  einen  grossen  Teil  Asiens  mit  Menschenmaterial  hätte  ver- 
sorgen können,  besass.  Freilich  will  der  Verfasser  von  der  linguistischen  Methode  nichts 
wissen,  was  ihn  aber  nicht  abhält,  selbst  fortwährend  sprachliche  Argumente  mit  heran- 
zuziehen, manchmal  auch  invita  Minerva! 

Je  weiter  der  Verfasser  sich  von  Nordeuropa  entfernt,  desto  phantastischer  werden 
seine  Konstruktionen.  Die  blonde,  nordische  und  damit  germanische  Rasse  wird  auch  in 
Etrurien,  Griechenland,  Spanien  bei  Basken  und  Iberern,  in  Asien  unter  Skythen  und 
Persern  nachgewiesen.  Überall  wirkte  sie  als  Kulturträgerin,  selbst  die  alten  Sumerier 
und  Babylnnier  haben  nur  durch  solche  nordischen  Einflüsse  ihre  Kulturstellung  erreicht, 
insbesondere  die  Metallkenntnis  erhalten.  Schon  längst  weiss  man.  dass  die  sumerischen 
Wörter  „urud"  Kupier.  „anagM  Zinn,  „Dalag"  Beil  als  Lehnwörter  von  den  benach- 
barten Ariern  in  uralter  Zeit  übernommen  sind,  worüber  Schradar  ausführlich  sich  aus- 
lässt.  Wil-er  stellt  die  Sache  schlankweg  auf  den  Kopf  uud  erklärt  die  entsprechenden 
Wörter  „raudus",  „naga",  ..paracir  für  germanische,  auf  die  Sumerier  übergegangene 
ürwörter,  ohne  auch  nur  den  Versuch  einer  etymologischen  Begründung  zu  machen. 

In  den  eebt  semitischen  Namen  Dagon,  Ann,  Samas  indogermanische  Wurzeln  zu 
sehen,  ist  ebenfalls  ein  starkes  Stück!  Dass  auch  die  ägyptische  Kultur  als  arisch  beein- 
flussl  bingestelli  wird,  ist  demgegenüber  noch  harmlos.  In  ähnlichem  Sinne  ist  der 
kulturgeschichtliche  Teil  behandelt.  Nordeuropa  wird  ausführlich  als  Ursprungsland  der 
Bronzekultur  dargestellt,  während  Babyloniens  dabei  nur  auf  einigen  Zeilen  gedacht  wird. 
Die  Germanen  sind  auch  die  eigentlichen   Erfinder  der  Buchstabenschrift,    die    Runen  das 


—     708     — 

urarische  Alphabet,  von  dem  alle  anderen  abzuleiten  sind.  Dann  müsste  man  doch 
■wenigstens  Zeichen  und  Inschriften  nachweisen,  die  älter  sind  als  die  ältesten  italischen 
und  griechischen,  sonst  schwebt  die  ganze  Theorie  in  der  Luft.  Offenbar  ist  dem  Ver- 
fasser die  Steinen  sehe  Abhandlung  in  der  Bastianfestschrift  entgangen,  sonst  hätte  er 
es  wohl  vermieden,  seine  Runenzeichen  in  der  Reihenfolge  aufzuführen,  die  durch 
Stichworte  des  Vaterunsers  als  mnemonischem  Hilfsmittel  bestimmt  wird. 

Es  ist  in  höchstem  Masse  bedauerlich,  den  Verfasser  auf  solchen  Irrpfaden  wandeln 
zu  sehen,  um  so  mehr  als  der  historische  Teil  des  Buches  nach  Inhalt  und  Form  auch 
höhere  Ansprüche  befriedigt. 

P.  Ehrcureich. 


Geographenkalender.     Herausgegeben  von  Dr.  Hermann  Haack.    2.  Jahrg. 
1904/05.     Gotha,  Justus  Perthes. 

Als  stattlicher  Band  mit  290  Seiten  Text  und  16  Karten  in  Farbendruck  führt  sich 
der  2.  Jahrgang  des  Kalenders  ein.  Es  ist  wohl  die  beste  Empfehlung  für  ihn,  dass  man 
die  Überzeugung  gewinnt,  in  wenig  Jahren  wird  er  ein  unentbehrliches  Handbuch  für 
jeden  sein,  der  die  geographischen,  ethnographischen  und  verwandten  Disziplinen  verfolgt. 
Der  reiche,  sehr  übersichtlich  geordnete  Inhalt  stammt  von  verschiedenen  wohlbekannten 
Gelehrten.  Paul  Lehmann  übernahm  das  Kalendarium  mit  einem  Anhang  über  Sternzeit, 
Erddimensionen  u.  a.  Den  Rückblick  über  die  Weltbegebenheiten  des  Jahres  1903  gibt 
Paul  Langhans.  Weltbegebenheiten  im  Sinne  des  Kalenders  sind  ebeuso  Eröffnungen 
neuer  Verkehrswege  und  Grenzregulierungen  wie  der  macedonische  Aufstand.  Hugo 
Wichmann  behandelt  die  Geographischen  Forschungsreisen  des  Jahres  11)03,  und  daran 
anschliessend  Wilhelm  Blankenburg  die  geographische  Literatur  des  Jahres.  Nach 
Erdteilen  und  Ländern  geordnet,  den  Inhalt  der  betr.  Schriften  kurz  charakterisierend,  gibt 
dieser  Teil  des  Kalenders  einen  dankenswerten  bibliographischen  und  zugleich  kritischen 
Überblick.  Eine  Totenliste  des  Jahres  mit  kurzer  biographischer  Würdigung  wurde  vom 
Herausgeber  zusammengestellt.  Und  seine  Arbeit  sind  auch  die  wertvollsten  und  will- 
kommensten Abschnitte:  Ein  umfangreiches  Adressbuch  aller  Lehrstühle,  wissenschaftlicher 
Anstalten  und  Gesellschaften  der  Erdkunde  und  verwandter  Wissenschaften  sowie  ein  Ver- 
zeichnis der  geographischen  Zeitschriften  und  Verlagshandlungen. 

So  ist  in  dem  Bande  ein  reiches  Material  mit  wissenschaftlicher  Sorgfalt  verarbeitet. 
Die  Ausstattung  ist,  wie  vom  Verlag  Perthes  nicht  anders  zu  erwarten,  eine  vortreffliche 
und  dabei  der  Preis  ein  verhältnismässig  geringer,  so  dass  man  in  jeder  Beziehung  den 
Kalender  warm  empfehlen  kann.  Traeger. 


IV.   Eingänge  für  die  Bibliothek.1) 


1.  Stieda,  L.,    Referate    aus    der    russischen  Literatur.     Archäologie  I  und  II.     Braun- 

schweig 1904.     4°.     (Aus:    Archiv  für  Anthropologie.    N.  F.  IL)     Gesch.  d.  Verf. 

2.  Stratz,  C.  H.,  Die  Fraucnkleidung  und  ihre  natürliche  Entwicklung.    3.  Aufl.     Stutt- 

gart: F.  Enke  1904.     8°.    Vom  Verleger. 
:;.    Lehmann-IS itsche,  Rob.,  Die  dunklen  Hautflecke  der  Neugeborenen  bei  Indianern 

und    Mulatten.      Braunschweig:    F.  Vieweg    u.    Sohn    1904     4".     (Aus:    Globus, 

Bd.  85.)     Gesch.  d.  Verf. 
1.    Lehmann-Nitsche,    Rob.,    La    „Mancha  Morada"    de    los    recien    naeidos.     Buenos 

Aires  1904.     8°.     (Aus:    Segundo    Congreso    Medico    Latino-Americano.)     Gesch. 

d.  Verf. 
;')..  Schultz,    W.,    Das    Farbenempfindungssystem    der    Hellenen.      Leipzig:    J.  A.  Barth 

1904    8".     Vom  Verleger, 
f..    Schrader,  0.,  Die  Schwiegermutter  und  der  Hagestolz.     Braunschweig:    G.  Wester- 
mann 1901.    8°.     Vom  Verleger. 
7.    Miske,    Kaiman    Freiherr    von,    Die    Bedeutung    Velem    St.  Veits    als    prähistorische 

Gussstätte   mit  Berücksichtigung    der   Antimon-Bronzefrage.     Braunschweig  1904 

4°.     (Aus:  Archiv  für  Anthropologie.    N.  F.  Bd.  IL)     Gesch.  d.  Verf. 
S.    Kraemer,   Hans,   Weltall  und  Menschheit.     Bd.  5.     Berlin  u.  Leipzig:    Bong  u.  Co. 

1901.     49.     Vom  Verleger. 
'.".    lMoss,  H.  und  Bartels,  Max,  Das  Weib  in  der  Natur- und  Völkerkunde.     VIII.  Aufl. 

Leipzig:  Tb.  Grieben  1904.    8°.    Gesch.  d.  Verf. 

10.  Festschrift    zur  34.  allgemeinen  Versammlung    der    Deutschen   Anthropologischen  Ge- 

sellschaft. Dargeboten  vom  Wormser  Altertumsverein.  Worms  1903.  4°.  Gesch. 
d.  Hrn.  Prof.  Lissauer. 

11.  Bartels,  Paul,  Berichte  über  die  Herrichtung  einer  kraniologischen  Sammlung,  haupt- 

sächlich von  Schädeln  aus  der  Steinzeit  .  .  .  Worms  1904.  4°.  ,Aus:  „Vom 
Rhein",  Jahri:.  •">.)     Gesch.  d.  Verf. 

12.  Luscban,    F.  von,    Das  türkische  Schattenspiel.     Leiden  1S88.     4°.     (Ana:    Internat. 

Arch.  f.  Ethnographie  IL)     Gesch.  d.  Verf. 

13.  Waldeyer,   W.,    Bemerkungen   über   den   Bau   der   Menschen-    und   Affen-Placenta. 

Bonn:  M.  Cohen  et  Sohn  1890.    8°.      Aus:  Archiv  für  Mikroskopische  Anatomie.) 

14.  Leemans,  C,    Börö-Boedoei    op    het   Eiland    Java    ...    Met    toelichtenden    en    ver- 

klärenden Tekst,  naar  de  geschreven  en  gedruckte  Verhandlingen  van  F.  C. 
Wilsen,  J.  F.  G.  Brumund  en  andere  Bescheiden  .  .  .  Leiden:  E.  J.  Brill 
L873.    8°. 

15.  Settner,   Felix,    Illustrierter  Führer    durch    das    Provinzialmuseum  in  Trier.     Trier: 

Fr.  Lintz  L908.    8  . 

Nr.   13—15  angekauft. 


1)  Die  Titel  der  eingesandten  Bücher  und  Sonder-Abdrücke  werden  regelmässig  hier 
veröffentlicht,  Besprechungen  der  geeigneten  Schriften  vorbehalten.  Rücksendung  un- 
verlangter Schriften  findet  nicht  statt 


—     710     — 

16.  Elbert,  Johannes,    Die  Entwicklung    des  Bodenreliefs  von  Vorpommern  und  Rügen. 

1.  Teil.     Greifswald:  Jul.  Abel  1904.     8°. 

17.  Baier,  Rudolf,  Vorgeschichtliche    Gräber   auf  Rügen  und  in  Neuvorpommern.     Auf- 

zeichnungen Fr.  v.  Hagenows.     Greifs  wald:  Jul.  Abel  1904.    8°. 

18.  De  ecke,  W.,    Säugetiere    aus    dem  Diluvium   und  Alluvium    der   Provinz   Pommern. 

Greifswald:    F.  W.  Kunike  1904.    8°. 

19.  Bilder  aus  dem  pommerschen  Weizacker.     Stettin  1904.     S". 

20.  Seger,  Hans,  Der  Schutz  der  vorgeschichtlichen  Denkmäler.     Denkschrift  der  Komm. 

d.  deutsch,  anthrop.  Ges.  (Breslau  1904).    8°. 

21.  Führer  durch  das  Museum  zu  hübeck.    5.  Au  11.     Lübeck  1904.    8°. 

22.  Bonnet,  Robert,  Der  Skaphokephalus  Synostoticus  des  Stettiner  Webers.    Wiesbaden: 

J.  F.  Bergmann  1904.    8°. 

23.  Stubenrauch,  Adolf,  Die  Maasssche  prähistorische  Sammlung  im  Altertumsmuseum 

in  Stettin.     Stettin  1904.    8n. 

Nr.  16—23  Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Lis sauer. 

24.  Merker,  M.,  Die  Masai.    Ethnogr.  Monographien  eines  ostafrikanischen  Semitenvolkes. 

Berlin:  Dietr.  Reimer  1904.   4°.     Vom  Verleger. 

25.  Schweinfurth,  G.,  Der   Taumellolch  in   altägyptischen  Gräbern.    Berlin  1904.    2°. 

(Aus:    Vossische  Ztg.  Nr.  .'i:'>7.) 

26.  Patron,  Pablo,  Peru  primitivo.     Notas  Sueltas.     Lima  1902.     8". 

27.  Hamy,  E.  T.,  Le  centeuaire  du  retour  en  Europe  d'Alexandre  de  Humboldt  et  d'Aime 

Goujaud  de  Bonpland.     Angers:  A.  Burdin  et  Cie.  1904.     8°. 

28.  Panhuis,  L.  C.  van,  Beiträge  zur  Ethnographie,  Linguistik  und  Entdeckungsgeschichte 

Amerikas.     Haag:  Algem.  Landsdrukkerej  1904.     8°. 

29.  Humbert,  M.  Jules,  La  premiere  occupation  Allemande  du  Venezuela  au  XVIe  siecle. 

Paris:  Soc.  de  Americ.  1904.     4°. 

30.  Chavero,  Alfred,  El  monolito  de  Coatlinchan.     Mexico:   Mus.  Nacional  1904.    4". 

31.  Batres,   Leopoldo,    1)   Visita   a   los    monumentos    arqueologicos    de    „La  Quemada" 

Zacatecas.  Mexico:  Fr.  Diaz  de  Leon  1903  4°.  —  2)  Exploraciones  en  Huexotla, 
Texcoco  y  „El  Gavilan".  Mexico:  F.  Diaz  de  Leon  1904.  4°.  —  3)  Tlaloc? 
Mexico:  Gante  1903.    4°. 

32.  Beiträge  zur  Anthropologie,  Ethnographie  und  Archäologie  Niederl.  Westindiens.  Von 

E.  Schmeltz,  C.  Leemans,  G.  A.  Koeze.  Haarlem:  H.  Kleinmann  &  Co. 
1904    4°.     (Aus:    Mitt.  a.  d.  Niederl.  Reichsmuseum  f.  Völkerk.) 

33.  Sapper,  Karl,    Der   gegenwärtige  Stand   der   ethnographischen  Kenntnis  von  Mittel- 

amerika.    Braunschweig  1904.    4°.     (Aus:   Archiv  für  Anthropol.    N.  F.  III 1.) 
Nr.  24—33  Gesch.  d.  Hrn.  Dr.  Träger. 

34.  Folkinar,  Daniel,  Album  of  Philippine  Types.    Manila:  Publ.  Printing  1904.   Quer-4°. 

Vom  Bureau  d.  Philipp.  Ausstellung. 

35.  Quedenfeldt,  M.,  Division  et  repartition  de  la  population  Berbere  au  Maroc.    Trad. 

de  l'Allemand  par  H.  Simon.  Alger:  A.  Jourdan  1904.  8°.  Gesch.  d.  Hrn. 
Simon. 

36.  Bericht  über  die  Gemeinde-Verwaltung   der   Stadt   Berlin   in   den  Verwaltungsjahren 

1895—1900.    Teil  2.    Berlin:  Carl  Heymann  1904.    4°.    Vom  Berliner  Magistrat. 

37.  Codex  Magliabecchiano  XIII.  3.  Ms.  Mexicain  repr.  . .  .  aux  frais  du  Duc  de  Loubat. 

Rome:  Danesi  1904.    8".     Gesch.  d.  Hrn.  Herzog  v.  Loubat. 

38.  Catalogus  der  Munten  en  Amuletten  van  China,  Japan,  Corea  en  Annam.    Door  H.  N. 

Stuart.  Batavia  ä  's  Gravenhage  1901.  4°.  Von  der  Batav.  Genoot.  v.  Kunst, 
en  Wetenschappen. 

39.  Weulc,  Karl,  Das  Meer  und  die  Naturvölker.     Ein  Beitrag  zur  Verbreitungsgeschichte 

der  Menschheit.  Leipzig:  Dr.  Seele  &  Co.  1904.  4°.  (Aus:  Zu  Friedrich  Ratzeis 
Gedächtnis.)     Vom  Verleger. 

40.  Behlen,  H,  Der  Pflug  und  das  Pilügen  bei  den  Römern  und  in  Mitteleuropa  in  vor- 

geschichtlicher Zeit.     Dillenburg:  L.  Seels  Nachf.  1904.     8°.     Gesch.  d.  Verf. 
11.    Grierson,  P.  J.  Hamilton,    The  silent   trade,  a  contribution  to   the  early  history  of 
human  intercourse.      Edinburgh:    W.  Green  et  Sons    1903.     8°.     Gesch.  d.  Verf. 


42.  Hansemann,    1).   v.,    Das    menschliche    Skelet.      Eine    kurze    Zusammenstellung    für 

Nichtmediziner  zum  Gebrauch    bei  Ausgrabungen.     Berlin:    A.  Hirschwald  1904. 
8°.     Gesch.  d.  Verf. 

43.  Breysig,  Kurt,  Die  Entstehung  des  Staates  aus  der  Geschlechterverfassung  bei  Tlinkit 

und  Irokesen.     Leipzig:  Dunker  &  Humblot  o.  J.    8°.    (Aus:  Jahrb.  f.  Gesetzgeb., 
Verwalt.  u.  Volkswirtschaft.)     Gesch.  d.  Verf. 

44.  Sarauw,  Georg  F.  L.,  En  stenalders  boplads  i  Magiemose   ved  ."Uullerup  .  .  .  Koben- 

havu  1901.     S".     (Aus:    Aarboger   for   nordisk    oldkyndighet    og    historie    1903,) 
Gesch.  d.  Verf. 

45.  Kramar,  Ph.  C.  Karl,  Über  die  sumerisch-gruzinische  Spracheinheit.     Prag:    Selbst- 

verlag 1904.     8".     Gesch.  d.  Verf. 
4G.    Pacher,  Paul,    Der  klägliche  Versuch,    Eugen  Dühring    totzuschweigen.     Salzburg: 
Selbstverlag  1904.    8°  (1G(').     Gesch.  d.  Verf. 

47.  Thieullen,    A.,    Hommage  ä   ßoucliev  de   Perthes.     Paris  1904.     4°.     (Aus:    Compt. 

rend.  de  la  Societe  dY-mulation  d'Abbeville.)     Gesch.  d.  Verf. 

48.  Bellos,    Lukas  G.    |Griechisch],    Albanika  oder  die    drei  lebenden  Dialekte  der  grie- 

chischen Sprache.     Athen:  Nationaldruckerei  1903.    8°.     Gesch.  d.  Verf. 

49.  Schaefer,    Heinrich,    Über  die  Stirnwaffen  der  zweihufigen  Wiederkäuer  oder  Artio- 

dactylen.     München:    E.  Pohl   o.  J.     1".     (Aus:    „Der  Deutsche  Jäger".)     Gesch. 
d.  Verf. 

50.  Krause,    Eduard,    Vorgeschichtliche    Fischereigeräte    und    neuere    Vergleichsstüeke. 

Berlin:  Gebr.  Borntraeger  1904.     4°.     Gesch  d.  Verf. 

51.  Krause,  Eduard,  Die  Werktätigkeit  der  Vorzeit.     Mit  einer  Einführung.     Die  Anfänge 

der  Technik  von  Max  v.  Eyth.     Berlin:    Bong  &  Co.  1904.    4°.     (Aus:    Weltall 
und  Menschheit,  5.  Bd.)     Gesch.  d.  Verf. 

52.  Davenport,  C.  B.,  Statistical  Methods  with  special  reference  to  Biological  Variation. 

2.  ed.    New  York:   J.  Wiley  et  Sons  1904.    8°.     Gesch.  d.  Verf. 
.">:;.    Seier,  Eduard,    Gesammelte   Abhandlungen    zur    Amerikan.  Sprach-    und    Altertums- 
kunde.   Bd. -2.     Berlin:  A.  Asher  &  Co.  1904.    4°.     Gesch.  d.  Verf. 

54.  Seier,  Eduard,  Codex  Borgia.    Eine  altmexikanische  Bilderschrift  .  .  .  Bd.  1.    Berlin 

1904.  4°.    (Herausg.  auf  Kosten  S.  E.  des    Herzogs    von    Loubat.)      Gesch.   d. 
Herzogs  von  Loubat. 

55.  Albrecht,    Gustav,    Straubes    Märkisches    Wanderbuch.      21.  Aufl.    3  Teile.     Berlin: 

Jul.  Straube  1904.    8°.     Gesch.  d.  Verf. 

56.  Rosen,  Eric  v.,    The  Chorotes  Indians    in  the  Bolivian  Chaco.     Stockholm:    Haegg- 

ströms  Boktr.  1904.    8°. 

57.  Rosen,  Eric  v.,    Archaeological  Researches  on  the  frontier  of  Argentina  and  Bolivia 

in  1901-1902.     Stockholm:  Haeggströms  Boktr.  1904.     8°. 
Nr.  56 — 57  vom  Amerikanistenkongress. 

58.  Karutz,  R.,    Ethnographische    Wandlungen   in    Turkestan.     Braunschweig  1904.      1  . 

(Aus:  Arch.  f.  Anthrop.   N.  F.  II  3.)     Gesch.  d.  Verf. 

59.  Ehrenreich,    P.,    Die  Ethnographie  Südamerikas    im    Beginn  des  XX.  Jahrh.    unter 

besonderer  Berücksichtigung    der  Naturvölker.     Braunschweig  1904.    4°.    (Aus: 

Arch.  f.  Anthrop.   N.  F.  III 1.)     Gesch.  d.  Verf. 
GO.    Deecke,  W.,    Über  das  Gesteinsmaterial    der  Rügenschen   und   Neuvorpommerschen 

prähistorischen    Steinwerkzeuge.      Greifswald  1S99.    S".     (Aus:    »Führer    für   die 

Rügen-Exkursion"  d.  VII.  Intern.  Geogr.-Kongr.)    Gesch.  d.  Verf. 
Gl.    Cordenons,  F.,    La  Casa  Ariana  dai  tempi   piü  remoti    all'  epoca  storica.     Padova: 

P.  Prosperini    1904.     8°.     (Aus:    Rivista    di    Storia  Antica    N.  S.  VIII.)     Gesch. 

d.  Verf. 
G2.    Giuffrida-Ruggeri,  V.,    1)  La  capacitä  del  cranio  .  .  .  Roma  1904.   8°.    (Aus:  Atti 

della  Soc.  Rom.  di  Antrop.  X.)   —    2     L'indice    tibio-feiuorale    e    Pindice  radio- 

omerale.     Fireuze   L904.     8°.     (Aus:    Arch.    di    Anat.   e  di  Embriologia    III.)    — 

'■'<■   !..•  ossificasioni  di  spazi  suturali  e  i  parietali  divisi.    Fireuze  L904.   S".    i^Aus: 

Monitore  Zool.  Italiano  \V.)    Gesch.  d.  Verf. 


—     712    — 

63.  Fritsch,  G.,  Vergleichende  Betrachtungen  über  die  ältesten  ägyptischen  Darstellungen 

von  Volkstypen.    Jena:  G.  Fischer  1904.   4°.    (Aus:  Naturwiss.  Wochenschr  III.) 
Gesch.  d.  Verf. 

64.  Fischer,  Adolf,  Birma  einst  und  jetzt.   Braunschweig  1904.   4°).    (Aus:  Westermanns 

111.  Deutsch.  Monatsh.  Nr.  576.)     Gesch.  d.  Verf. 

65.  Bartels,  Paul,  Über  Rassenunterschiede  am  Schädel.   Leipzig  1904.    8°.    (Aus:  Intern. 

Monatsscbr.  f.  Anatomie  u.  Physiologie  XXI.)     Gesch.  d.  Verf. 

66.  Baglioni,    S.,   Belmonte-Piceno.      Oggetti    preromani    rinvenuti    nel    territorio    del 

Comune.    Roma  1901.    4°.     (Aus:  Notizie  degli  Scavi.)     Gesch.  d.  Verf. 

67.  Ambrosetti,  Juan  B.,    Arqueologia  Argentina.     Insignia   litica   de   Mando    de    tipo 

Chilene    Buenos  Aires  1904.    4°.     (Aus:    Anales    del   Mus.  Nacional  de  Buenos 
Aires  XI.)    Gesch.  d.  Verf. 

68.  Fischer,  H.,  Eine  altmexikanische  Steinfigur.     Braunschweig  1904.   4°.    (Aus:  Globus 

Bd.  85.)    Gesch.  d.  Verf. 

69.  Fischer,  Eugen,    Nochmals  Walkhoffs  Lehre  von  der  Kinnbildung.    Jena  1904.    8n. 

(Aus:  Anatom.  Anzeiger,  XXV.  Bd.)     Gesch.  d.  Verf. 

70.  Fischer,  Wilhelm,    Ein    einfaches   und    praktisches  Verfahren   für    Hand-  und  Fuss- 

abdrücke  auf  Papier.     München  1904.    4°.    (Aus:    Korrespond.-Bl.   der  Deutsch. 
Anthrop.  Ges.)     Gesch.  d.  Verf. 

71.  Preuss,  K.  Th.,    Der  Ursprung   der  Menschenopfer  in   Mexiko.     Braunschweig  1904. 

4°.    (Aus:    Globus,  Bd.  86.)    Gesch.  d.  Verf. 

72.  Lortet  et  Hugouneng,    Analyse    du  natron    contenu  dans  les  urnes  de  Maherpra. 

Paris  1904.    4°.     (Aus:  Comp.  rend.  ...  de  l'Acad.  des  Sciences,   T.  139  p.  115. 
Gesch.  d.  Verf. 

73.  Behlen,   Eine  Ablagerung  rheinischen  Bimssandes   und    eine  Ansammlung  diluvialer 

und  recenter  Eulengewölle  am  Wildweiberhausfelsen  .  .  .  Herborn  1904.  4°.   (Aus: 
Herborner  Geschichtsblätter  1904.)     Gesch.  d.  Verf. 

74.  Lanz-Liebenfels,   J.,    Anthropozoon  biblicum.     Biblio-Exegeticon  II.     Berlin  1904. 

8°.    (Aus:  Viertelj.  für  Bibelkunde  III.)     Gesch.  d.  Verf. 

75.  Hagen,  Karl,   Museum   für  Völkerkunde    zu   Hamburg.    Bericht   für  das  Jahr  1903. 

Hamburg  1904.     8°.     (Aus:    Jahrb.    der   Hamburg.  Wissenschaftl.  Anstalt  XXI.) 
Gesch.  d.  Ve:f. 

76.  Hultzsch,    E.,    South-Indian    Inscriptions.     Vol.  III.    Part.  IL      Madras:    Governm. 

Press    1903.     4°.     (Aus:    Archaeolog.  Survey   of   India.     Vol.  29.     Vom    Super. 
Govt.  Press. 

77.  Bericht  des  Museums  für  Völkerkunde  in  Lübeck  über  das  Jahr  1903.    Lübeck  1904. 

8°.     Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Li  s  sau  er. 

78.  Miske,  Kaiman,  Freiherr  v.,    Bericht   über    die  im  Jahre  1903  in  Velem-St.  Veit  ge- 

fundenen Macrocephalen.     Wien  1903.    4°.    (Aus:    Mitteil,    der   Anthropol.  Ges. 
in  Wien.)     Gesch.  d.  Verf. 

79.  Driesmans,  Heinricb,  Menschenreform  und  Bodenreform.     Leipzig:  F.  Dietrich  1904. 

8°.     Vom  Verleger. 

80.  Schmeltz,  J.  D.  E.,    Album  of  the  Ethnography  of  the  Congo-Basin  II.     70  piates. 

Haarlem:  H.  Kleinmann  et  Co.  1901.     Quer-2".    Angekauft. 

(Abgeschlossen  den  1.  Oktober  1904.) 


I.   Abhandlungen  und  Vorträge. 


1.    Beobachtungen  in  Kamerun. 
Cber  die  Anschauungen  and  Gebräuche  einiger  Nfegerstämme. x) 

Von 

Dr.  A.  Plehn,  Regierungsarzt  a.  I). 

Meine  Damen  und  Herren!  Ich  kann  Ihnen  nur  einige  zusammen- 
hangslose Notizen  über  gewisse  Anschauungen  und  Gebräuche  einzelner 
Kamerunstämme  mitteilen,  die  noch  wenig  bekannt  zu  sein  scheinen. 
Zusammenhangslos  werden  die  Mitteilungen,  weil  ich  vermeiden  will, 
irgendwie  zu  verallgemeinern,  zu  kombinieren,  zu  deuten  und  namentlich 
auch  Parallelen  zu  ziehen.  Ich  berichte  nur,  was  meine  Frau  und  ich 
auf  wiederholtes  Befragen  verschiedener,  zuverlässiger  Eingeborenen  über- 
einstimmend erfuhren.  Fragen  muss  man:  von  selber  erzählen  die  Ein- 
geborenen  nichts.  Aber  man  muss  sich  beim  Fragen  sorgfältig  davor 
hüten,  den  Befragten  die  Antwort  in  den  Mund  zu  legen.  Die  Ein- 
geborenen sind  immer  bereit,  alles  auszusagen,  wovon  sie  vermuten,  dass 
der  Frager  es  hören  möchte.  Teils  tun  sie  das  aus  Bequemlichkeit,  teils 
aus  Gefälligkeit.  Beim  Fragen  muss  man  stets  die  Unfähigkeit  dieser 
Leute  berücksichtigen,  mit  abstrakten  Begriffen  zu  arbeiten.  Erst  gegen 
Ende  unseres  langen  Ivamerunaufonthaltes  haben  wir  tatsächlich  verwert- 
bare Mitteilungen  erhalten,  nachdem  wir  das  Vertrauen  verschiedener  Ein- 
geborenen in  weitgehendem  Mass  gewonnen  hatten.  Auf  Anregung  unseres 
verehrten  Freundes  Prof.  v.  Luschan  haben  wir  uns  speziell  um  das 
Geheimbundwesen  der  Dualla  bekümmert,  welches  auch  anderen 
Stämmen  des  äquatorialen  Westafrika  eigentümlich  zn  sein  scheint;  aber 
nur  von  den    Dualla   wissen    wir  Einzelheiten. 

Es  existieren  verschiedene  solche  Bundesgesellschaften  im  Duallagebiet. 
„Geheimbunde"  sind  sie  aber  eigentlich  nicht  alle,  denn  ihre  Mitglieder 
und  Gebräuche  sind  für  die  Einheiniischen  mindestens  teilweise  nicht 
geheim.  Der  Europäer  dagegen  nimmt  nur  selten  etwa-  davon  wahr.  Im 
Bereich  seiner  Einflusssphäre  tritt  die  Wirksamkeit  der  Bundes- 
rereinigungen  immer  mein-  zurück.     Die  wachsende   Aufklärung  unter  den 

1)  Vortrag,  gehalten  in  der  SitZDDg  vom   II.  Mai    L904. 
Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.1904     Heft  6.  i,; 


—     714     — 

Eingeborenen  und  die  geordnete  europäische  Verwaltung   beschränken  die 
Machtbetätigung  der  Bundeswillkür. 

Jede  der  Verbindungen  hat  ihr  Abzeichen;  ein  für  sie  charakteristisches 
Gerät,  welches  bei  den  Festen  verwendet  wird.  Versprechungen  und  Be- 
teuerungen werden  durch  Bezugnahme  auf  dieses  Gerät  bekräftigt.  „Es 
wird  bei  diesem  Zeichen  geschworen"  —  wenn  man  so  sagen  darf.  Dass 
damit  der  Bund,  welcher  das  Zeichen  führt,  die  Wahrheit  verbürgt,  ist 
anzunehmen,  doch  wurde  es  mir  nicht  positiv  ausgesprochen.  Jedenfalls 
tritt  der  Bund  dafür  ein,  dass  Forderungen  und  Drohungen  realisiert 
werden,  welche  von  einem  seiner  Mitglieder  unter  seinem  Zeichen  mit 
seiner  Zustimmung  übermittelt  werden.  Die  Übermittelung  geschieht  durch 
die  Trommelsprache  nachts.  So  wurden  z.  B.  meine  beiden  Gehilfen 
durch  die  Trommelsprache  mit  dem  Tode  bedroht,  weil  sie  am  Ableben 
eines  Landsmannes  im  Hospital  schuld  wären.  Einer  wurde  kurz  darauf 
vergiftet.  Gehören  die  Droher  einer  Bundesgesellschaft  an,  was  sie  in 
diesem  Fall  anscheinend  nicht  taten,  so  legen  sie  dem  Opfer  das  Ab- 
zeichen ihres  Bundes  vor  die  Tür.     Es  ist  eine  Art  Fehmgericht. 

Meist  sind  übrigens  die  Dinge,  um  welche  es  sich  handelt,  un- 
schuldigerer Art,  und  gewöhnlich  kommt  es  auf  Erpressung  hinaus.  Einige 
Verbindungen  bezwecken  nur  gemeinsames  Vergnügen.  So  z.  B.  die 
Kongolo,  welche  Keim  Tanz  Glocken  um  den  Hals  tragen.  Harmlos 
sind  auch  die  Tambimbe  oder  Tambinde.  Ihr  Abzeichen  ist  die  be- 
kannte rote  Papageischwanzfederkappe,  welche  ihre  Vortänzer  tragen;  sie 
sollen  mit  Messern  und  eisernen  Nägeln  über  diejenigen  herfallen,  welche 
sich  ihren  Spielen  zufällig  nähern,  ohne  Bundesmitglieder  zu  sein.  Aber 
sie  vertreiben  die  Fremden  nur.  Freie,  wie  Sklaven  dürfen  in  diesen 
Bund  aufgenommen  werden. 

Weiter  gibt  es  die  Mbomako,  die  Stelzengänger.    Sie  sind  in  Dualla 
selbst    gegenwärtig    nicht    mehr    vertreten,    wohl    aber    in    der  Xdonga- 
niederlassung     und     vereinzelt     auf     dem     rechten     Kamerunflussufer     in 
Bonaberi   und  Dibombari.      Das  Abzeichen    ist    eine   Stelze,    als    kon- 
kreter Ausdruck  für  die  „Grösse"  —  nicht  nur  für  die  physische  Grösse  — 
der  Bundesangehörigen,  (vielmehr  in  dem  Sinne,   in  welchem  der  Küsten- 
neger   das    englische    „big"    gebraucht).     Doch  verstehen  keineswegs  alle 
Bundesangehörigen    das   Stelzenlaufen,    sondern    nur    einige    wenige.     Die 
Stelzen  werden  am  Unterschenkel  festgebunden  und  sind  etwa  V/2  m  hoch. 
Es  gelang  mir  nicht,  Stelzen  zu  erhalten,    und    ich   berichte  nur  nach  zu- 
verlässigen Angaben.      Ich  habe  speziell  darnach    gefragt,    ob    denn    etwa 
auch   die  Stelzen  demjenigen    vor    das   Hans   gelegt  wurden,    von  welchem 
die  Stelzengänger  etwas  Bestimmtes  forderten,    und   erhielt  eine  ganz  be- 
stimmt   bejahende  Antwort.       Ks    wird    aber    nur    eine    Stelze    hingelegt. 
Kinder  sieht  man  in   Kamerun  öfters  zum   Vergnügen   auf  kleinen  Stelzen 
gehen.     Als  ich  einmal  nachts  bei  .Mondschein  einen  Krankenbesuch  machen 
tnusste.   geriet   ich   unter  einen   Haufen  grotesk   vermummter  Gestalten,  die 
sich    auf   einem  freieren  Platz    bei    der  üblichen  Negermusik  vergnügten, 
und   in    de]-. 'li  Mitte    ein    ebenfalls    verhüllter  Stelzengänger    umhersprang. 
Als    die     Leute    den    Europäer    erkannten,    stoben    sie    mit  Geschrei    aus- 


—    tl:>    — 


Fi-    1. 


einander  und  verschwanden.  Ich  hörte  nachher,  es  seien  Weineger  aus 
Liberia  gewesen,  die  als  Arbeiter  und  Soldaten  nach  Kamerun  kommen. 
Ich  glaube  das  auch,  denn  der  Gebrauch  von  Stelzen  bei  solchen  Spiel- 
festlichkeiten  scheint  an  der  Westküste  sehr  verbreitet  zu  sein.  Dm 
Dualla  handelte  es  sich  diesmal  jedenfalls  nicht. 

Der  Eintritt  in  den  Bund  der  Stelzengänger  steht  in  Kamerun  Freier 
und   Sklaven   frei. 

Ein  reiner  Sklavenbund  ist  der  der  Bajongs.  eines  grossen 
Stammes  nördlich  von  Bali.  Seine  Angehörigen  kommen  auf  den  be- 
kannten Wegen  aber  Bongkeng  als  Sklaven  zum  Dibombe  und  Mungo. 
Ihr  Abzeichen  ist  der  weitverbreitete  Antilopenkopf  mit  Hörnern  und 
mannigfachen  anderen  Zierraten,  die  er 
zum  Teil  wohl  erst  an  der  Küste  erhalten 
hat;  jedenfalls  den  so  oft  vorkommenden 
Anstrich  mit  den  deutschen  Farben  (s.  Fig.  1). 
Den  Antilopenkopfsollen  nur  diese  Sklaven 
tragen,  diese  beim  Play  alter  auch  alle 
(während  sonst  nur  Einzelne  die  Bundes- 
abzeichen führen). 

Weiter  der  Bund  der  Mungi,  zu  dem 
Freie  und  Sklaven  gehören.  Die  Mit- 
glieder tragen  ein  oder  zwei  tätowierte 
Kreuze  auf  der  Brust  und  auf  der  Haut 
des  Oberbauchs  über  dem  Nabel.  Unser 
schwarzer  Berichterstatter  erzählte:  „Sie 
können  den  Menschen  sehr  krank  machen, 
so  dass  er  am  ganzen  Leibe  zittert,  oft 
auch  stirbt.  .Meistens  tun  sie  es  den 
Leuten,  die  ihnen  Geld  schulden,  oder 
etwas  gestohlen  haben.  Sie  stecken  dann 
dem  Betreffenden  einen  Mungibusch  vor 
die  Tür  oder  ins  Haus."  Ob  an  dem 
Palmbüsche]  materielles  Gift  oder  ein 
Fluch  haften  soll,  war  nicht  sicher  festzu- 
stellen; jedenfalls  soll  er  die  Hausbewohner 

alle  krank  machen.  Dem  Manne,  dem  das  geschieht,  bleibt  nichts  übrig, 
als  möglichst  schnell  zu  bezahlen.  Ist  das  geschehen,  so  bringt  der  nun 
befreite  Hausbesitzer  ..tanzend  und  mit  Gesang  den  Mungibusch  wieder 
forf.  Die  Mungi  pflanzen  auch  einen  vergifteten  I'fetfer  auf  das  Macabo- 
feld dessen,  dem  sie  Leid  zufügen  wollen.  AVenn  dieser  ihn  pflückt,  so 
missrät  die  Ernte,  oder  der  Besitzer  erkrankt  (die  diesbezüglichen  An- 
gaben  waren   etwas  unklar). 

Allein  Freien  mit  freien  Vorfahren  zugänglich,  ist  der  mächtige  Bund 
der  Djingo  oder  Gingu;  seine  Mitglieder  hat  er  nur  unter  den  Bell- 
leuten,  den  Jossleuten,  sowie  unter  den  Freien  in  Dibombari.  am 
Abo  und  am  Wuri.  Der  angesehene  Eäuptling  Aqua  /..  B.  konnte  nicht 
Mitglied  des   Bundes  werden,    weil  sein   Vater  noch  Sklave   des  alten   Bell 


—     716     - 

war.  Bei  den  Spielen  und  Festen  tragen  die  Sänger  des  Bundes  Kappen 
aus  Bambusgeflecht  mit  dichtem  Hühnerfederschmuck. 

Die  Gingu  stehen  in  dem  Kufe  grosser  Macht;  sie  können  Elend 
und  Krankheit  über  ganze  Dorfschaften  bringen.  Ein  solches  Dorf  trägt 
dann  seine  Fetische,  sowie  auch  Gerät  und  allerlei  Pflanzen  zum  Fluss 
und  wirft  alles  hinein,  „um  von  vorn  anzufangen'1.  Die  Bedeutung-  dieser 
Aussage  ist  nicht  ganz  klar  geworden.1)  Vielleicht  stellt  dieser  Gebrauch 
ein  Opfer  dar(?).  Die  Gingu  haben  nämlich  „Brüder"  im  Wasser  und 
im  Meere,  die  „Wassergingu",  denen  auch  sonst  nach  der  Ernte  Feld- 
früchte geopfert  werden.  Die  Wassergingu,  welche  man  sich  als  Geister 
oder  Xixen  wird  vorstellen  müssen,  unterstützen  die  Mitglieder  des  Gingu  - 
bundes  auf  der  Mangajagd  (die  Manga  sind  Süsswasserrobben,  sogen. 
Seekühe).  Sie  „drehen  den  Manga  um",  wenn  der  Jäger  sich  nähert,  so 
dass  er  die  Harpune  erfolgreich  benutzen  kann.  Andere  als  Gingus  können 
mangels  dieser  Hilfe  den  Manga  mit  dem  Speer  nicht  jagen;  höchstens 
mit  Xetzen.  „Wenn  die  Gingu  Jemandem  ein  trocknes  Bananenblatt  an  die 
Tür  stecken,  so  muss  er  elendiglich  verderben.  Nimmt  er  das  Blatt  fort 
und  wirft  es  weg,  so  nehmen  die  Gingu  seine  Kühe.  Natürlich  kann  der 
Betroffene  sich  freikaufen;  es  kommt  auch  hier  schliesslich  alles  aufs 
Geldschneiden  hinaus.  Die  Mitglieder  des  Gingubundes  haben  ihre  eigene 
Geheimsprache. 

Ausser  von  den  Wasserdjingo  erfuhren  wir  noch  von  zwei  anderen 
Geistern  oder  Kobolden,  mit  denen  die  Phantasie  der  Eingeborenen  in 
Dualla  sich  beschäftigt.  Der  eine  ist  Edümo,  ein  böser  Erdgeist,  der 
die  Menschen  plötzlich  niederschlägt.  Er  redet  durch  den  Mund  von 
Weibern,  die  Krämpfe  bekommen,  und  verlangt  z.  B.  durch  deren  Mund, 
dass  die  Weiber  eines  Verstorbenen  an  bestimmte  Verwandte  verteilt 
werden  sollen,  sonst  würde  er  viel  Krankheit  schicken. 

Wenn  die  Dualla  ein  Loch  oder  ein  Grab  graben,  so  fürchten  sie, 
dass  Edümo  herauskommen  könne.     Die  Toten  gehen  zu  Edümo. 

Der  andere  Kobold  Ekelle-kette  scheint  ein  neckischer  Poltergeist 
zu  sein.  Er  wohnt  im  Busch,  hat  neun  Köpfe  und  die  Leute  erzählen  sich 
von  ihm,  um  sich  bange  zu  machen.  Hecht  überzeugt  von  seiner  Existenz 
sind  sie  aber  nicht;  es  ist  eine  Art  Rübezahlgestalt.  In  einem  Haushalt 
begaben  sich  z.  B.  sämtliche  Töpfe  nachts  von  ihrem  Platz  auf  einem 
Brett  an  der  Wind  unter  das  Bett  des  Hausherrn  mit  grossem  Gepolter. 
Sic  wurden  an  ihren  Platz  zurückgestellt.  Am  nächsten  Morgen  befanden 
sie  sich  aber  doch  wieder  unter  dem  Bett.     Das  tut  Ekelle-kette. 

Eine  grosse  Rolle  spielt  in  der  Phantasie  der  Schwarzen  an  der 
afrikanischen  Westküste  der  Zauber,  welchen  einzelne    Personen    (viel- 


1>  Möglicherweise  bezieht  sich  auch  die  von  anderer  Seite  gemachte  Mitteilung  auf 
diesen  Gebrauch,  dass  zu  gewissen  Zeiten  die  sämtlichen  Hausgötzen  im  Fluss  ver- 
nichtet und  durch  neue  Götzen  ersetzt  werden.  Diese  Götzen  werden  von  bestimmten 
Leuten  geschnitzt  und  neben  dem  Eingang  im  Jlause  aufgestellt.  Ihre  Bedeutung  ist 
nicht  klar:  wahrscheinlich  sollen  sie  das  Haus  vor  Unheil  behüten.  Die  Kinder  fürchten 
sich  davor,  in  I)ualla  selbst  findet  man  sie  kaum;  um  so  häufiger  bei  den  Bergstämmen 
(Ngolo,  Bakwiri.  Bakundu).     (Siehe  Fig.  2  U.  3, 


—     717     — 

leicht  in  ihrer  Eigenschaft  als  Mitglieder  bestimmter  Geheimbünde?),  ver- 
üben. Auch  die  Aufgeklärtesten  glauben  in  gewissem  Umfang  daran. 
So  sieht  mau  vor  den  Dörfern  zuweilen  kleine  Einfriedigungen  von  ver- 
knüpfte!] Palmblättern,  die  irgend  einen  Gegenstand  (Topf,  Pflanzen  oder 
dergl.)  als  Fetisch  enthalten.  Hier  wird  eine  Art  von  Gericht  abgehalten. 
Z.  1>.  wird  ein  gewisses  grosses,  ganz  zähes  Iilatt  in  der  .Mitte  mit  einem 
Stein  beschwert,  und  der  Angeklagte  mtiss  versuchen,  mit  einem  Ruck 
das   Blatt   entzwei    zu   reissen.       Gelingt    es,    so     ist    er    unschuldig.      Diese 


Fi-'.  2. 


Fig.  3. 


Einfriedigungen  oder  kleinen  Fetischhütten  werden  [sango  oder  Gambi 
genannt. 

Eine  ähnliche  kleine  Einfriedigung  um  eine  Staude  vor  dem  Hütten- 
eingang  (Janga)  ist   bestimmt,  das  Haus  vor  Krankheit  zu   schützen. 

Hierher  gehört  auch  der  eigenartige  Seuchenschutz,  welcher  von  den 
Dualla  geübt  wird.  Wenn  die  Pocken  in  einer  Ortschaft  ausbrechen,  si> 
wird  der  Geisl  der  Krankheit  durch  einen  „Buschmann",  einen  An- 
gehörigen des  unterdrückten  Bassastammes,  welcher  im  Ruf  besonderer 
Zaubermachl  steht,  durch  mehrtägiges  Trommeln  und  Tanzen  aus  dem 
Dort'  vertrieben.     Dann   wird   das  Dorf  durch   Lianenstränge  eingefriedigt, 


—    718     - 

damit  die  Krankheit  nicht  wieder  hinein  kann.  Nur  über  den  Haupt- 
wegen werden  galgenartige  Tore  aus  gebogenen  verschnürten  Stangen 
errichtet.  Unter  diesen  Toren  werden  als  Opfer  Tiere,  Ziegen  und 
Banner,  vergraben;  es  werden  verschiedene  Pflanzen  darangehängt ; 
daneben  besonders  auch  die  bekannten  pilzförmigen  Termitenbaue  aus 
Erde.  Letztere  werden  auch  seitlich  im  Boden  unter  diesen  Zaubertoren 
befestigt.  Den  Mittelpunkt  des  Arrangements  bildete  einmal  (in  Nyanga 
am  Dibombe)  ein  grosser,  frisch  getöteter  Hund,  der  über  der  Mitte  des 
Durchgangs  in  besonderer  Weise  festgeschnürt  war;  in  Didodorf  Fische, 
die  am  Torbogen  aufgehängt  waren  (siehe  Fig.  4).  „Die  Buschleute  hatten 
viel  Geld  für  ihren  Zauber  bekommen",  wurde  mir  versichert:  auch  nach 
Didodorf  waren  sie  aus  Bassa  geholt  worden. 

Fi?.  I. 


Eine  der  gefürchtetsten  Formen  des  persönlich  ausgeübten  Zaubers 
wird  als  Dgala-mu tumbu,  „Gewehr  des  Mundes",  bezeichnet.  Der 
.Medizinmann  stellt  ein  Gift  her,  mit  welchem  er  das  eine  Ende  eines 
Hölzchen  bestreicht.  Das  andere  nimmt  er  in  den  Mund  und  probiert 
die  Wirkung  zunächst  an  einem  etwa  vorüberlaufenden  Hunde.  Er  spricht 
dann:  „Dieser  Bund  soll  tot  sein-.  Ist  das  Gift  gut,  so  verendet  der 
Bund.  Der  Medizinmann  verkauft  dann  das  Gift  auch  an  andere.  Der 
Besitzer  begibt  sich  mit  dem  giftbestrichenen  Hölzchen  im  Munde  zu 
Beinern  ()|»fcr.  und  bei  der  Begrüssung  sag<  er  leise  dessen  Namen,  vielleicht 
auch  nocli  eine  Verwünschung  dazu.  Der  angesprochene  stirbt  dann  ent- 
weder sofort,  oder  er  siecht  langsam  dahin,  je  nachdem  es  der  Zauberer 
bestimm!  hat.  Der  Täter  rühm!  sich  dann  oft  öffentlich  seiner  Tat;  er 
bekommt  auch  wohl  Händel  („Palaver")  mit  den  Verwandten  des  Ge- 
töteten,  aber  dem   Zauberer  geschieht  schliesslich    nichts.       Der  Glaube  an 


—     719     — 

diesen  Zauber  ist  ganz  allgemein.  Mein  sonst  völlig  aufgeklärter  Gehülfe 
Anjii  versicherte  meine  Frau,  dass  aucli  viele  Europäer  dadurch  stürben; 
von   einem    Kaufmann    wisse  er  es  ganz  genau. 

Der  hier  geschilderte  Aberglauben  ist  bezeichnend  für  die  stete 
konkrete  Vorstellungsweise  der  Eingeborenen:  Der  Wunsch,  <\<'\-  abstrakte 
Fluch,  genügen  nicht-,  es  wird  ein  materiell  vorhandenes  Gift  mit' unsicht- 
bare Weise  in  «las  Opfer  „hineingeschossen",  wie  unser  Gewährsmann 
sich  ausdrückte. 

Dieselbe  materielle  Anschauungsweise  tritt  auch  beim  Fernzauber 
hervor.  Der  Medizinmann,  oder  derjenige,  welcher  vom  Medizinmann  die 
Macht  hat,  bekommt  seinen  Feind  in  der  Gestalt  einer  Schildkröte  in 
seine  (iewalt.  Diese  Schildkröte  macht  er  krank  und  erhält  sie  krank 
oder  lässt  sie  schliesslich  sterben.  Mit  der  Schildkröte  siecht  der  Gegner 
dahin,  und  erst,  wenn  man  die  Schildkröte  gesund  werden  lässt,  gesundet 
auch   der   .Mensch. 

Natürlich  muss  wieder  enorm  gezahlt  werden,  damit  Schildkröte  und 
Mensch  genesen  können.  Der  Missionar,  welcher  mir  dieses  mitteilte  — 
einer  der  zuverlässigsten  und  tüchtigsten,  die  in  Kamerun  gearbeitet 
haben  —  erklärte  zwar,  er  glaube  nicht  an  diesen  Zauber,  versicherte 
jedoch  zugleich,  dass  er  einen  solchen  Fall  persönlich  beobachtet  habe. 
Bei  den  Eingeborenen  ist  der  Glaube    an    Fernzauber    fest    eingewurzelt. 

Als  ich  mich  im  Jahr  1900  mit  dem  Regierungsdampfer  dienstlich 
auf  dem  Sannagafluss  aufhielt,  wurden  wir  von  einem  kleinen  Jimgen  im 
Kanu  verfolgt,  der  uns  anrief  und  flehentlich  bat,  seinem  Vater  zu  Hilfe 
zu  kommen,  welchen  die  Dorfbewohner  in  der  Nähe  töteten,  da  er  be- 
schuldigt werde,  ihre  Landsleute  „vergiftet"  zu  haben.  Ich  fand  einen 
älteren  .Mann  auf  sehr  unbequeme  "Weise  unter  einem  Blätterdach  in  der 
Mitte  des  Dorfes  befestigt.  Er  war  im  vorgerückten  Zustande  des  Ver- 
nungerns.  Die  Untersuchung  ergab,  dass  der  Mann  weit  jenseits  de> 
Sannagastromes  zu  Hause  war.  und  durch  Fernzauber  gewirkt  haben 
sollte. 

Wiederum  ein  konkretes  Substrat  für  einen  bestimmten  Unheilswnnsch, 
stellen  Holzsplitter  dar,  welche  auf  die  Pusspfade  gelegt  werden  und  dem 
Passanten,  der  sie  berührt,  ein  spezifisches  schweres  Pussleiden  zuziehen. 
Es  gibt  auch  einen  Zauber,  welcher  unsichtbar  macht.  Die  Elefanten - 
jäger  erwerben  ihn  für  sehr  viel  Geld,  und  meist  noch  mit  der  Bedingung, 
dass  ein  Zahn  <les  erbeuteten  Tieres  dem  Medizinmann  gehört.  Die 
Jäger  gehen  dann  im  Vertrauen  auf  ihre  Unsichtbarkeit  tollkühn  Ins  auf 
wenige  Schritte  an  ihre  Beute  heran  und  erlegen  viele  Tiere.  Bald  aber 
ersteht  irgendwo  ein  anderer  Zauber,  welcher  stärker  ist.  und  der  Elefant 
tötet  dann  seinen  ihm  sichtbar  gewordenen   Verfolger. 

Wieder  ein  anderer  Zauber,  der  in   einer    Abwaschung    besteht,    soll 

:i  Schlangenbiss  schützen.  Mir  wurde  eines  Morgens  von  einem  alten 
Bassasklaver  eine  last  armdicke  Hornviper  zum  Kaut'  angeboten,  welche 
der  kaum  bekleidete  Mann  frei  mit  beiden  Münden  festhielt  und  mir  zur 
Ansieht  entgegenstreckte.  \l>  ich  sah.  da--  sie  keineswegs  t<>t.  sondern 
höchst   munter  war.  trat    ich   unwillkürlich   ein   paar  Schritte  zurück.    Diese 


—     720     — 

Äusserung  der  Furcht  seitens  des  weissen  Doktors,  der  bei  den  meisten 
Eingeborenen  doch  für  den  grössten  Zauberer  gilt,  entlockte  dem  Bassa 
einen  Ausruf  des  Staunens.  Er  wickelte  dann  die  Hornviper  um  seine 
Arme,  um  seinen  Hals,  und  als  ich  saute,  sie  sei  doch  wohl  tot,  und  ich 
hätte  mich  getäuscht,  setzte  er  sie  auf  den  Boden  und  fing-  sie  wieder  mit 
den  Händen  als  sie  entfliehen  wollte.  Meine  Gehilfen,  die  dabei  standen 
und  dolmetschten,  behaupteten  auf  meine  diesbezügliche  Frage,  die 
Buschleute  verständen  garnicht,  der  Schlange  die  Giftzähne  fortzunehmen, 
and  ich  niuss  gestehn,  dass  ich  auch  nicht  wüsste,  zu  welchem  Zweck  sie 
das  tun  seilten,  da  sie  die  Schlangen  niemals  zähmen  oder  im  Hause 
halten,  wie  die  Inder.  Ich  stehe  hier  durchaus  vor  einem  Rätsel,  denn 
selbst  wenn  diese  Schlange  keine  Giftzähne  gehabt  haben  sollte,  so  ist 
doch  nicht  zu  erklären,  weshalb  sie  gar  keinen  Versuch  zu  beissen 
machte,  wo  sie  doch  eben  erst  gefangen  war.  Dass  sie  das  nicht  tat, 
konnte  ich  aus  allernächster  Nähe  beobachten. 

Verschiedene  Stämme,  z.  B.  die  Bali  und  Jaunde;  auch  einzelne 
Weistämme  fürchten  den  „bösen  Blick",  ganz  besonders,  wenn  er  sich 
auf  die  Genitalien  richtet,  denn  er  bewirkt  dann  Impotenz.  Es  wird 
deshalb  von  diesen  Leuten,  z.  B.  bei  ärztlichen  Untersuchungen,  wo  sie 
sich  entblössen  müssen,  mindestens  der  Penis  mit  grosser  Gewandheit  bei 
geschlossenen  Beinen  zwischen  die  Oberschenkel  geklemmt,  und  so  dem 
Blick  entzogen,  der  ihm  schaden  könnte. 

Zur  Stärkung  der  Körperkraft,  ganz  speziell  der  Potenz,  tragen  die 
Eingeborenen  fast  überall  Pantherzähne  an  einer  dünnen  Schnur  um  die 
Hüften.     Diese  Zähne  stehen  deshalb  sehr  hoch  im  Preise. 

Es  Liegt  auf  der  Hand,  dass  von  den  fremden,  nur  vorübergehend  in 
Kamerun  tätigen  Negern  wenig  über  ihre  Anschauungen  zu  erfahren  war. 

Die  kruneger  aus  Liberia,  die  zuverlässigsten  und  wertvollsten 
Arbeitei-  der  Westküste,  verehren  den  Mond;  sie  opfern  ihm  Reis  und 
halten  ihre  Spiele  bei  Vollmond.  (Die  Dualla  tanzen  zwar  auch  gern 
beim  A'ollmond,  aber  nur.  weil  es  da  eben  hell  ist.)  Wenn  beim  Abend- 
schein  die  schmale  Sichel  des  neuen  Mondes  eben  sichtbar  wird,  dann 
herrscht  bei  ihnen  Freude,  und  es  besteht  eine  Art  Wetteifer,  wer  den 
jungen  Mond  zuerst  entdeckt. 

Die  Km  Legen  grossen  Werl  auf  die  Treue  ihrer  Frauen.  Sie  nehmen 
nur  seh]'  wenig  Frauen  auf  ihre  Arbeitsfahrten  mit  und  bewachen  sie  auf 
das  Bchärfste,  ohne  sie  aber  einzuschliessen.  Bei  Untreue  Ertappte 
weiden  unter  entsetzlichen  Martern  getötet. 

Bei  den  Weinegern,  die  ebenfalls  aus  Liberia  stammen  und  dort 
in  einem  gewissen  Hörigkeitsverhältnis  zu  den  Kninegern  stehen,  gelten 
die  Mitglieder  einzelner  Familien  für  ansterblich,  während  das  Gros  mit 
dem  Tode  zu  existieren  mithört.  Ich  erfuhr  dies  aus  Anlass  von  Obduk- 
tionen, die  ich  ausführte.  Sie  wurden  stets  ohne  jeden  Widerspruch 
gestattet.  AI-  aber  der  Sergeant  Bolma  IV  wegen  Verdacht  auf  Beri-Beri 
sezier!  werden  sollte,  gab  es  seitens  der  sonst  so  wohldisziplinierten 
Soldaten  die  tollsten  Auftritte.  Die  Leiche  wurde  erst  aus  dem  Hospital, 
dann   aus    dem    Leichenhaus    geraubt,    und    schliesslich    machte    ich    die 


—      721      — 

Sektion,  umdrängt  von  einer  Schar  der  Kameraden  des  Toten,  welche 
Acht  gaben,  dass  nichts  verschwinden  sollte,  weil  es  dem  Toten  im 
Jenseits  dann  fehlen  würde.  Boima  entstammte  einer  besonders  vor- 
nehmen  Familie,  welche  den   Vorzug  der  Unsterblichkeit  besass. 

Einige  interessante  Erkundigungen  konnte  ich  auf  einer  Reise 
machen,  <lie  mich  1901  in  die  Gebirge  nordöstlich  von  Nkossi  führte, 
wo  nahe  Verwandte  der  Nkossi  wohnen.  Hier  fielen  mir  an  den  meisl 
gut  gehaltenen  Wegen,  etwa  ]  ,  Stunde  vom  Dorfeingang  künstlich  s:e- 
reinigte,  freie  Plätze  unter  den  Waldbäumen  auf,  in  deren  Mitte  mehr 
oder  weniger  umfangreiche  Pyramiden  von  alten  irdenen  Töpfen  ver- 
schiedener (irösse  aufgetürmt  waren,  wie  sie  die  Leute  dort  zum  Kochen 
benutzen.  I>ei  näherem  Zusehen  zeigte  sich,  dass  in  den  Boden  sämt- 
licher Töpfe  ein  Loch  geschlagen  war;  sie  waren  meist  dicht  mit  grünem 
Moos  überwachsen.  Gelegentlich  fand  ich  auch  an  den  Wegen  sonst 
solche  Töpfe  aufgehäuft,  und  in  ihrer  Nähe  zuweilen  einzelne,  offenbar 
absichtlich  durchlöcherte  Zeugstücke  und  verschiedene  Geräte,  z.  B. 
Tragkörbe  der  Frauen,  Holzschüsse]  und  -Löffel;  nie  etwas  von  Wert. 
Ks  war  offenbar,  dass  diese  Dinge  mit  dem  Totenkultus  zu  tun  hatten. 
Die  Eingeborenen  selltst  Leugneten  es  zunächst  freilich  hartnäckig.  Die 
Missionare  in  Nyansosso  bestätigten  aber  meine  Vermutung,  und  machten 
folgende  Angaben:  Wenn  ein  erwachsener  oder  annähernd  erwachsener 
Dorfbewohner  stirbt,  so  wird  die  Leiche  vom  Medizinmann  geöffnet  und 
es  wird  festgestellt,  ob  etwa  ein  Dritter  durch  Zauber  den  Tod  verschuldet 
hat.  und  weiter,  wo  der  Tote  resp.  sein  unsichtbares  Äquivalent  sich  auf- 
hält. Ich  komme  noch  darauf  zurück.  Der  Tote  wird  dann  in  der  Nähe 
Beines  Eauses  begraben,  und  es  werden  ihm  die  wichtigsten  Geräte,  deren 
er  sich  im  LeKen  bediente.  —  den  Männern  ihr  Bergstock,  Speer,  Messer; 
den  Frauen  Tragekorb,  Feldhacke,  Holzschüssel  usw.  —  teils  in  die 
( i ruft  mitgegeben,  teils  auf  ihr  niedergelegt;  ebenso  Zeugstücke  und  dergl.1 
Gleichzeitig  bringt  Jeder,  welcher  freundliche  Gefühle  gegen  den  Toten 
hegte,  einen  irdenen  Topf  und  stellt  ihn  vor  dem  Haus  des  Toten  nieder. 
ab  Ausdruck  der  Trauer.  So  häufen  sich  die  Töpfe  mehr  oder  weniger; 
es  ist  eine  grosse  Schande  für  den  Toten  und  seine  Familie,  wenig  Topfe 
zu  haheii.  bh  habe  diese  Topfpyramiden  verschiedentlich  photographiert; 
unglücklicherweise  sind  mir  die  Platten  abhanden  gekommen.     Nun   wird 

L)  Bei  den  Ngolo  wird  den  „grossen"  Leuten  d.  i.  mächtigen)  neben  'lern  anderen 
«.tT.tt  auch  ihr  Gewehr  in  die  Gruft  mitgegeben:   die  ärmeren  bebalten  diesen  wertvollen 

nstand  für  sich.     I>ie  ganz  Armen  bekommen  überhaupt  nichts  mit. 

Eine  eigentümliche  Sitte  der  Ngolo  ist  es,  auf  dem  Grabe  der  Manner  einen  g<  - 
Bpannten  Bogen  aufzustellen.  Sie  legen  dann  heimlich  eine  frisch  erlegte  Antilope  dazu 
und  sagen,  dass  der  Tote  noch  einmal  gejagt  hat.    Alle  Ngolo  Bind  j  ger. 

l>ie  Bakwiri  geben  ihren  angesehenen  Toten  einen  Teil  des  Viehes  mit  in  die 
Gruft,  das  ihren  ganzen  Reichtum  ausmacht,  und  das  Bie  ausser  bei  ganz  besonderen  Ge- 
legenheiten sonst  niemals  zu  schlachten  pflegen. 

Auch  die  Nkossi  verzehren  gewöhnlich  nur  die  Kadaver  des  gefallenen  Viehes, 
und  zwar  noch  im  Zustand  ziemlich  vorgeschrittener  Verwesung.  Geschlachtet  werden 
ein/' ine  Rinder  nur  bei  grossen  Festlichkeiten,  wenn  die  Dorfschaften  sich  gegenseitig 
besuchen. 


mehrere  Tage  laug  das  übliche  afrikanische  Totenfest  gehalten,  und  zum 
Schluss  wird  die  ganze  Topfsammlung  von  den  Angehörigen  und  Freunden 
des  Verstorbenen  mitsamt  den  Gebrauchsgegenständen,  welche  nicht  mit  ver- 
graben wurden,  in  feierlichem  Zuge  zu  jenen  Totenplätzen  vor  dem  Dorf 
gebracht  und  dort  aufgehäuft.  AVenn  ich  mich  recht  erinnere,  so  geschieht 
die  Überführung  nachts  beim  Scheine  von  Feuerbränden.  Unglücklicher- 
weise ist  mir  nicht  nur  ein  Teil  meiner  photographischen  Platten,  sondern 
auch  das  Tagebuch  von  jener  Reise  verloren  gegangen,  welches  noch  ver- 
schiedene Einzelheiten  über  diese  interessanten  Totenplätze  der  Nkossi 
enthielt.  Ich  erinnere  mich  aber  noch,  dass  die  Nkossi  nach  deu  An- 
gaben zuverlässiger  Missionare  glauben,  der  Tote  (also  sein  unsichtbares 
äquivalent)  halte  sich  während  der  ersten  Tage,  —  der  Tage  der  Toten- 
feier — ,  in  der  Nähe  des  Grabes  bei  seinem  Hause  auf  und  folge  dann 
seinen  Sachen  zu  den  Topfplätzen  ausserhalb  des  Dorfes.  Diese  Plätze 
spielen  auch,  abgesehen  von  der  Totenfeier,  als  Aufenthalt  der  Ver- 
storbenen eine  Rolle  für  die  Nkossi,  doch  vermag  ich  darüber  keine 
genauen  Mitteilungen  mehr  zu  machen. 

Die  Sitte,  ihre  Verstorbenen  öffnen  zu  lassen,  ist  bei  den  Völker- 
schaften im  Norden  und  Nordosten  des  Kamerungebirges  weit  verbreitet. 
Sie  findet  sich  z.  B.  bei  dem  grossen  Stamm  der  Bakundu,  um  den 
Oberlauf  des  Mungo,  bei  den  Balung  und  bei  den  Ngolo  in  den 
Humpibergen,  sowie  bei  allen  ihren  Nachbarn.  Die  Topfplätze  scheinen 
den  Nkossi  allein  eigentümlich  zu  sein. 

Ich  erwähnte  schon,  dass  die  Leichenöffnung  geschieht,  um  die 
etwaige  Schuld  Dritter  am  Tode  festzustellen.  Wie  das  gemacht  wird, 
ist  Geheimnis  der  Medizinmänner;  ob  immer  ein  fremder  Zauber  für  den 
Tod  verantwortlich  gemacht  wird,  oder  nur  unter  Umständen,  vermag  ich 
ebenfalls  nicht  anzugeben.  Die  Feststellung  der  Schuld  eines  Dritten 
durch  den  Medizinmann  oder  andere  alte  erfahrene  Leute,  führt  nicht 
ausnahmslos  dazu,  dass  der  Schuldige  zur  Rechenschaft  gezogen  wird. 

Auf  den  zweiten  Gesichtspunkt,  von  welchem  aus  die  Leichen  unter- 
sucht werden,  möchte  ich  noch  etwas  näher  eingehen.  Bei  den  Kamerun- 
negern  der  verschiedensten  Stammeszugehörigkeit  ist  der  Glaube  ver- 
breitet,  dass  ein  inmaterielles  Äquivalent  des  Menschen,  „die  Seele",  schon 
während  des  Lebens  den  Körper  zeitweise  verlassen  kann. 

Die  Seele  sucht  dann  Tierkörper  auf,  namentlich,  wenn  der  mensch- 
liche Körper  schläft.  Gewöhnlich  liegt  diesem  Vorgang  die  Absicht  des 
Menschen  zu  Grunde,  in  der  Gestalt  des  Tieres  Unheil  oder  Schaden  zu 
stiften,  and  es  ist  wieder  ein  Zauber  dazu  nötig,  um  seine  Seele  in  das 
gewünschte  Tier  aberzuführen.  Dabei  sind  aber  die  Beziehungen  der 
Seele  zu  ihrem  menschlichen  Körper  keineswegs  ganz  aufgehoben.  Ist 
die  Seele  z.  B.  in  einen  Elefanten  übergegangen,  und  der  Ellefant  wird 
erlegt,  so  Btirbt  auch  der  menschliche  Körper,  welchen  die  Seele  sonst 
bewohnte.  Auch  fremder  Zauber  kann  die  Seele  eines  andern,  dann  meist 
in  niedere  Tiere  überführen,  und  mit  ihnen  in  die  Gewalt  des  Feindes 
bringen,  der  sie  <|iiält.  krank  macht  und  tötet.  Ich  erinnere  an  die 
Geschichte  \on   der  Schildkröte. 


-     723     - 

Gewöhnlich  aber  sucht  die  Seele  grosse  Tiere  auf:  den  Elefanten, 
den  Leoparden,  das  Krokodil.  Dies  geschieht,  wie  gesagt,  Bowohl  nach 
dem  Tode,  wie  während  des  Lebens.  Bei  den  Nkossi  sollen  /..  I). 
Pleuraverwachsungen  bedeuten,  dass  die  Seele  des  Toten  in  einen 
Elefanten  überging.  Haben  min  in  letzter  Zeit  gerade  Elefanten  Schaden 
in  den  Pflanzungen  der  Dorfschaft  angerichtet,  so  kann  die  Familie  des 
Toten  zum   Ersatz  herangezogen  werden. 

Eine  gewisse  Rolle,  seihst,  für  die  europäische  Rechtspflege  draussen, 
spielten  noch  his  in  die  letzte  Zeit  meines  Kanieniiiiinfentlialtes  die 
..Krokodilpalaver"  und  die  „Tigerpalaver"  als  Folge  dieses  Aberglaubens. 
Wird  (du  Eingeborener  beim  Baden  im  Fluss  vom  Krokodil  genommen, 
oiler  im  Busch  vom  Panther  getötet,  so  vermuten  die  Dorfbewohner  den 
Zauber  eines  Dritten,  welcher  in  der  Gestalt  des  Raubtieres  das  Unheil 
verübte.  Dann  wird  der  Medizinmann  des  Dorfes  nach  dem  Schuldigen 
befragt.  Dieser  gibt  nicht  immer  gern  Auskunft,  denn  er  hat  die  Rache 
der  Angehörigen  des  Betroffenen  unter  umständen  zu  fürchten.  Die  Be- 
fragung durch  den  Häuptling  kann  aber  sehr  peinliche  Formen  annehmen. 
.Mein  Bruder  hat  einem  so  befragten  Medizinmann  einen  Ann  und  ich 
glaube,  auch  noch  einen  Fuss,  nach  dem  Examen  amputieren  müssen. 
Die  meisten  Zauberer  machen  ihre  Angaben  früher,  und  dann  wird  die 
als  schuldig  bezeichnete  Person  getötet.  Oft  sind  es  auch  mehrere 
Personen. 

Die  Leute  halten  das  für  einen  selbstverständlichen  Akt  der  Gerechtig- 
keit und  sind  erstaunt,  wenn  kurz  darauf  der  Bezirksamtmann  oder 
Richter  mit  einigen  Polizeisoklaten  erscheint,  um  den  Häuptling,  den 
Medizinmann  und  die  bei  der  Tötung  ihrer  Stammesgenossen  sonst  Be- 
teiligten  wegen  Mordes  aufzuhängen. 

Gestatten  Sie  noch  einige  Worte  über  Anthropophagie  und  Menschen- 
opfer! Zuverlässige  Nachrichten  über  die  Ideen,  welche  Beidem  am 
Guineabusen  zu  Grunde  liegen,  sind  äusserst  spärlich,  denn  natürlich  hat 
der  Eingeborene  bald  heraus,  dass  der  Europäer  diese  Gebräuche  mit 
Abscheu  betrachtet,  und  die  Aufgeklärten  und  Intelligenten  unter  den 
Eingeborenen,  «leren  Vertrauen  sich  im  Lauf  der  Jahre  gewinnen  lässt, 
schämen  sich  vielfach  dieser  Sitten  ihrer  Rassegenossen,  und  streiten 
alles  ab. 

Trotzdem  ist  es  sicher,  dass  die  Anthropophagie  bei  allen  Stämmen 
um  den  Guineabusen  herrscht,  von  den  Ölflüssen  nach  Osten  und  nach 
Süden   bis  /.um  Kongobecken. 

Ausnahmen  mag  es  geben,  and  selbstverständlich  hört  der  Gebrauch 
überall  dort  auf.  wo  das  Europäertum  zu  wirklichem  Einfluss  gelangt  i>t. 
Ebenso  nach  Osten  und  Norden  hin  an  den  Grenzen  der  mohamedanischen 
Machtsphäre.  Aber  selbst  die  Dualla  haben  in  ihren  Hauptnieder- 
lassungen am  Kamerunfluss  noch  vor  einem  Sienschenalter  bei  besonderen 
Gelegenheiten  <\w  Anthropophagie  gehuldigt.  Von  London  Bell,  dem 
Bruder  des  bekannten,  1898  verstorbenen  King  Bell,  wird  bestimmt 
behauptet,  dass  er  diese  Zeiten  miterlebt  habe.  Die  in  ständiger  Fehde 
miteinander    lohenden    Bakoko-  und    Panswestämme  verzehren  di<    je- 


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fallenen  oder  gefangenen  Gegner,  und  bei  den  Bergstämmen  im  Norden 
des  Kamerungebirges  wird  es  nicht  anders  sein.  Jedenfalls  ist  ja  bekannt, 
dass  die  NTgolo  in  den  R u in pi bergen  lNDÖ  eine  Handelskaravane  über- 
fielen und  gefangen  nahmen,  worauf  sie  die  sämtlichen  gegen  200  Mit- 
glieder derselben  töteten  und  verzehrten.  Im  Kamerungebirge  selbst,  bei 
den  Bakwiri,  habe  ich  von  solchen  Gebräuchen  nichts  gehört.  Nach 
dem  Sturm  auf  Dsgai,  im  Hinterlande  von  Südkamerun  wurden  die 
gefallenen  feindlichen  Neger  nach  dem  amtlichen  Bericht  des  Ober- 
lazarethgehilfen  Peter  von  den  sogenannte!]  Bundesgenossen,  welche 
dem  kleinen  Soldatentrupp  gefolgt  waren,  ohne  sich  am  Kampf  zu  be- 
teiligen, teilweise  verzehrt.  Die  Angehörigen  eines  Stammes  öffneten  die 
Schädel  der  Gefallenen,  kochten  das  Gehirn  und  rieben  ihren  Körper 
damit  ein.  Dieses  Verfahren  deutet  wohl  mit  auf  den  Glauben  hin,  dass 
Kraft.  Mut  und  Klugheit  des  Feindes  durch  Genuss  seines  Fleisches,  oder 
hier  durch  das  Einreiben  mit  seinem  Gehirn,  auf  den  Sieger  übergehen 
sollen.  In  demselben  Licht  wird  man  den  Gebrauch  der  Ngolo  betrachten 
dürfen,  ihre  Gefangenen  durch  Erschlagen  mit  der  Keule  oder  durch  Auf- 
hängen zu  töten,  damit  sie  kein  Blut  verlieren.  Ich  möchte  annehmen, 
'Ins-  sie  dies  deshalb  vermeiden,  weil  sie  glauben  mögen,  mit  dem  Blut 
verlasse  die  Kraft  den  Körper,  und  sie  diese  doch  in  sich  aufnehmen 
wollen.  Für  diese  Auffassung  spricht  auch  der  Umstand,  dass  nur  die 
erwachsenen  Männer  sich  an  solchen  Mahlzeiten  beteiligen  dürfen.  Frauen 
und  Kinder  erhalten  nichts.  Jedenfalls  halte  ich  es  für  grundverkehrt, 
in  der  Anthropophagie  heim  westafrikanischen  Neger  lediglich  die  Be- 
friedigung des  Nahrungsbedürfnisses  zu  erblicken,  und  in  dem  Gebrauch, 
die  Gefangenen  ohne  Blutverlust  zu  töten,  eine  besonders  verabscheuungs- 
würdige  Gourmandise  zu  sehen.  Wäre  letzteres  der  Fall,  wie  man  zu- 
weilen behaupten  hört,  so  würde  das  Verfahren  doch  gelegentlich  auch 
bei  Tieren  angewandt  werden. 

Was  die  Art  der  Zubereituni;'  anlangt,  so  werden  die  menschlichen 
Körperteile  von  den  P an gwe stammen,  und  anscheinend  auch  von  den 
Bakoko  mit  Palmöl  gekocht;  von  den  Ngolo  werden  sie  teils  mit 
Wasser  gekocht,  teils  am  freien  Feuer  gebraten.  Auch  vom  Kongo  sah 
ich  ein  Photogramm  in  Kamerun,  welches  zeigte,  wie  man  die  Körper- 
teile am  freien  Feuer  röstete. 

Bei  weitem  nicht  so  verbreitet,  wie  die  Anthropophagie,  scheinen  die 
Menschenopfer  um  den  Guineabusen  zu  sein.  Es  hängt  das  wohl  damit 
zusammen,  dass  der  Glauben  an  eine  überirdische  Macht  grossen  Styls, 
welche  .Menschenopfer  fordern  könnte,  hier  fehlt,  und  durch  den  Glauben 
an  kleinlichen  Menschenzauber  ersetzt  wird.  Ferner  damit,  dass  die  Vor- 
stellungen  von  einem  Portleben  nach  dem  Tode  teils  ebenfalls  fehlen, 
teils  höchst  primitive  sind.  So  fällt  die  Hauptveranlassung  für  die 
umfangreichen  Menschenschlächtereien  fort,  welche  bei  den  Dahomey 
und  hei  >\i-i\  \sh;inti  vollführt  werden,  um  den  verstorbenen  Grossen  die 
standesgemässe  Bedienung  ins  Jenseits  mitzugeben. 

Einen  anklang  an  diese  Gebräuche  konnte  man  nur  beim  Tode  des 
bekannten   King  Bell   wahrnehmen.      Damals  —  ich    befand    mich    selbst 


in  Kamerun  —  sollen  wirklich  Leute  in  den  Sklavendörfern  für  ihn  getötei 
«ein.  Nach  manchem,  was  in  jener  Zeil  geschah,  erscheint  mir  das  wohl 
glaubhaft,  wenn  es  auch  in  aller  Stille  geschehen  sein  muss.  Die  den 
Europäern  aus  Anläse  der  Leichenfeiorlichkeiten  vorgeführten  umfäng- 
lichen Schaustellungen  haheu  den  eigentlichen  Mittelpunkt  der  von  der 
ausgedehnten  Familie  und  ihrer  zahlreichen  Hörigkeit  veranstalteten 
Zeremonien  sicherlich  nicht  ausgemacht. 

Tatsache  ist  ferner.  Mass  während  der  ganzen  Dauer  dm-  Totenfest- 
lichkeiten,  soviel  ich  mich  erinnere,  mehrere  Wochen  lau-,  durchaus  kein 
Botenkanu  von  der  Regierung  zum  Nachrichtendienst  nach  Victoria, 
Bamba  usw.  gemietet  werden  konnte,  weil  die  Leute  fürchteten,  beim 
Passieren  der  vielen  einsamen  Kreeks  von  den  angeblich  dort  lauernden 
Kanus  der  Bellleute  abgefangen  und  zu  Ehren  des  alten  Bell  getötet  zu 
werden.  Auch  gelangten  damals  mehrfach  Nachrichten  über  derartige 
( ieschehnisse  ans  Gouvernement,  ohne  dass  sich  hinterher  freilich  etwas 
Tatsächliches  hat  feststellen  lassen. 

Dagegen  sollen  Menschenopfer  nach  den  mündlichen  Erzählungen  des 
englischen  Konsuls  in  Opobo,  Mr.  Kaseman,  in  gewissen  Gegenden  im 
Bereich  der  oberen  Ölflüsse  allgemein  üblich  sein,  in  Gegenden,  wo  von 
englischer  Oberherrschaft  kaum  dem  Namen  nach  etwas  bekannt  ist. 
Speziell  in  der  Erinnerung  ist  mir  die  Angabe,  dass  zur  Zeit  der  grossen 
Marktversammlungen  für  die  mehrtägige  Dauer  der  Zusammenkünfte 
halbwüchsige  Knaben  an  den  Bäumen  beim  Zugang  zu  den  Versammlungs- 
platzen  festgenagelt  werden,  um  elend  zu  sterben.  Sie  sollen,  so  drückte 
Kaseman  sich  aus,  die  Aufmerksamkeit  der  Gottheit  auf  sich  ziehen  und 
sie  veranlassen,  günstigen  Handel  zu  gewähren.  Mr.  Kaseman  ver- 
sicherte, als  Augenzeuge  zu  erzählen. 

Meine  Damen  und  Herren!  Ich  bin  am  Ende  meiner  Mitteilungen. 
Unsere  Aufzeichnungen  und  Notizen  haben  sich  beim  Sammeln  als  zahl- 
reicher erwiesen,  wie  ich  ursprünglich  glaubte,  und  so  musste  ich  Ihre 
Zeit  ohnehin  länger  in  Anspruch  nehmen,  als  es  sonst  in  dieser  Gesell- 
schaft üblich  ist.  Den  zweiten  Teil  meines  Berichtes  —  Mitteilungen 
über  das  abweichende  Verhalten  der  äthiopischen  Rasse  gegen  ver- 
schiedene Krankheitseintliisse  —  muss  ich  deshalb  einer  späteren  Gelegen- 
heit vorbehalten. 

Hr.  Staudinger  macht  hierzu  die  folgenden   Bemerkungen: 

Zunächst  möchte  ich  auf  den  letzten  Punkt,  den  der  Hr.  Hedner  in 
Beinern  hochinteressanten  Vortrag  berührt  hat.  zurückkommen.  Er  betrifft 
die  Menschenopfer:  diese  kommen  vielfach  in  benachbarten  Gegenden  von 
Kamerun  vor,  beispielsweise  in  dem  Gebiet  der  Ölflüsse  und  am  unteren 
bis  mittleren  Niger.  So  wurden  auf  einer  Insel,  die  Onitscha  gegenüber 
liegt,  ZU  meiner  Zeit  viele  Menschen  geopfert,  doch  waren  es  nur  schlechte 
Sklaven  und   Kinder,  welche  eigens  zu  dem  Zwecke  -.'kauft  wurden. 

Wir  haben  in  Westafrika  zu  unterscheiden  zwischen  blossen  Opfern, 
d.  h.  Töten  von  Menschen,  die  entweder  bei  Festen,  Todesfällen  usw.,  oder 
aus  religiösen  Gründen  irgendwelcher  An  und  Menschenfressereien  d.h. 
Anthropophagismus),  die  zum  Teil,  d.  h.  der  grossen  Hauptsache  nach  auch  aus 


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religiösen,  rituellen,  richtiger  Fetischgründen,  stattfinden.  Auf  die  grossen 
Menschenopfer,  wie  sie  z.  B.  auch  in  Aschanti,  Dahome,  Benin  stattfanden, 
soll  hier  nicht  eingegangen  werden,  dagegen  möchte  ich  erwähnen,  dass 
Anthropophagismus  auch  in  den  Nachbargegenden  von  Kamerun  vielfach 
noch  stattfindet.  Teils  dient  er  bei  manchen  Stämmen  als  Abschreckungs- 
mittel,  indem  in  der  Schlacht  gefallene  oder  gefangene  Feinde  von  den 
Siegern  vor/ehrt  werden,  wobei  allerdings  noch  zu  berücksichtigen  ist, 
dass  oft  auch  mit  dem  Verzehren  eines  besonders  tapferen  Feindes  der 
Aberglaube  verknüpft  ist,  dass  dadurch  die  Tapferkeit  und  der  Mut  auf 
die  sich  an  dem  Mahl  Beteiligenden  übergeht. 

Diese  Sitte  ist  sehr  verbeitet  und  findet  sich  nicht  nur  bei  Negern. 
Erwähnen  möchte  ich  bei  der  Gelegenheit  noch,  dass  die  Herero,  welche 
aus  dem  Osten  stammen  und  uralte  Traditionen  haben,  erschlagenen  männ- 
lichen Feinden  das  Skrotum  usw.  abschneiden  (und  zwar  mit  einem  ganz 
eigentümlichen  Schnitt),  wie  manche  semitisch-hamitischen  Völker,  z.  B. 
sind  Fälle  bei  den  Abessiniern  in  dem  Feldzuge  gegen  die  Italiener  vor- 
gekommen. Die  Herero  sollen  aber  auch  mitunter  die  Hoden  besonders 
tapferer  Feinde  verzehren,  damit  deren  Mut  auf  sie  übergeht,  obgleich  sie 
natürlich  weit  entfernt  vom  Kannibalismus  sind.  Die  in  Zeitungen  erwähnten 
„grausamen  Verstümmelungen"  haben  also  einen  tieferliegenden  Grund. 

Kinen  Fall,  der  sehr  deutlich  zeigt,  dass  das  Verzehren  von  Menschen 
oft  aus  alten  religiösen,  bezw.  Geheimbundsursachen  oder  als  Strafe  aus- 
geübt wird,  konnte  ich  1886  in  Brass  an  der  Nigermündung  sicher  er- 
kunden. Dort  hatten  einige  junge  Leute  unter  erschwerenden  Umständen 
eine  Verschwörung  gegen  ihre  Chiefs  gemacht.  Sie  wurden  durch  ein 
Juju  (d.  i.  Fetisch-) gericht  verurteilt,  getötet  und  aufgefressen  zu  werden. 
Dies  geschah  auch.  Aber  durch  einen  Häuptling,  der  nicht  mitessen  wollte, 
wurde  die  Sache  ruchbar  und  es  kam  dabei  ans  Tageslicht,  dass  längst  ge- 
taufte Christen  sich  an  dem  Mahl  beteiligt  hatten.  Nun  gibt  es  aber  auch 
in  Afrika  Kannibalismus  aus  rein  tierischen  Gründen,  d.  h.  Stämme  oder 
Leute  essen  Menschen,  teils  aus  Genusssucht,  um  das  süsse  Fleisch  zu 
kosten,  teils  um  ihren  Fleischhunger  zu  stillen.  Solche  Fälle  werden  aus 
dem  Kongoflussgebiet  vielfach  gemeldet.  Inwieweit  Fleischmangel  früher  ein- 
mal die  erste  Ursache  dazu  gegeben  hat,  ist  bekanntlich  eine  schwebendeFrage. 

Berühre  ich  nun  kurz  die  Geheimbünde,  so  zeigt  sich  da  auch  so 
manches  Verwandte  mit  Kamerun,  von  Alt-Calabar  ausgehend  bis  zur 
Krukliste  und  darüber  hinaus.  Man  darf  auch  nicht  unberücksichtigt 
lassen,  dass  der  Einfluss  von  Benin  sich  sehr  weit  erstreckt  hat.  Auf  die 
sehr  verschiedenen  Ursachen  und  Zwecke  der  Geheimbünde  gehe  ich  hier 
nicht  ein.  Die  Übereinstimmung  gewisser  Gebräuche  usw.  lässt  sich  z.  B. 
I>ci  gewissen,  für  die  Neger  mit  einem  Nimbus  umgebenen  Tieren,  z.B. 
dem  Zitterwels,  der  in  Benin  um!  an  der  benachbarten  Küste  eine  Rolle 
spielt,  nachweisen.  Wir  besitzen  jetzt  viel  Material  eingehender  Art  über 
die  Gebräuche  der  Uwe  und  anderer  Togostämme,  ich  habe  mich  schon 
längere  Zeit  mit  diesen  Kragen  beschäftigt  und  ich  glaube,  dass  wir  bald 
Aufschlüsse  der  interessantesten  Art  erhalten  werden.  Zum  Verständnis 
muh   alten  Benin   gehört    /..  B.  auch  die  Kenntnis  von  Sitten  und  Gebräuchen 


bei  den  Yorubas,  Daheims  und  Togoleuten  («I.  Ii.  Kwej.  (iewisse  Gebräuche 
findet  man  allerdings  lud  den  verschiedenstes  Völkern  verbreitet.  So  war 
»•s  eine  meiner  erstell  Beobachtungen  im  Urwald  bei  Artidschere  aber 
Fetisch  oder  Jujumachen  bei  Km-  und  Weileuten,  die  dort  ale  Arbeiter 
lebten  und  welche  beim  Juju  gegen  einen  Leoparden  heulende  Töne  auf 
einem  Bambus  hervorbrachten,  dass  Weiber  diesem  Fetisch  (aus  ganz  be- 
stimmten Gründen)  nicht  zuhören  durften,  beinahe  ebenso,  wie  es  in  dem 
schönen  v.  d.  Steinen  sehen  Buch  über  die  Naturvölker  Brasiliens  zu  Lesen  ist. 

Eine  andere  hochbemerkenswerte  Sache  ist  der  Schlangenkultus.  Näher 
will  ich  darauf  nielit  eingehen,  nur  erwähnen,  dass  er  in  vielen  Teilen  Nord- 
und  Zentralamerikas  von  den  Negern  eingeführt  ist  und  seltsamerweise 
auch  in  Gegenden,  wo  jetzt  noch  die  Indianer  Schlangenkultus  oder  doch 
Schlangenverehrung  bezw.  -Feste  halten.  Vom  Mississippi.  Texas.  Louisiana 
beschreibt  ihn  <>.  Meinecke,  auch  auf  Haiti  gibt  es  bei  den  äusserlich 
zur  christlichen  Religion  bekehrten  Negern  noch  Wududienst,  d.  h.  Wudu- 
ismus,  ähnlich  wie  in  Porto  Novo.  Weidah  und  früher  in  Klein-Popo  und 
anderen  Plätzen.  Selbst  .Menschenopfer  sollen  noch  auf  Haiti  ab  und  zu 
\  orkommen. 

Sehr  interessiert  hat  es  mich  ferner,  dass  der  Hr.  Vortragende  eine 
verhältnismässig  wohl  selten  beobachtete  Sitte,  das  Gehen  auf  Stelzen, 
auch  für  Kamerun  vorbrachte.  Ich  fand  es  auch  in  Innerafrika  und  zwar 
bei  den  muhamedanischen  Haussa.  So  trat  einmal  einer  unserer  Diener, 
der  bei  den  .Maskeraden  zur  Rhamadanzeit  verschiedene  teils  komische, 
teils  furchterweckende  Figuren  darstellte,  grotesk  auf  Stelzen  auf.  Adel- 
leicht  hat  das  Stelzengehen  früher  einmal  eine  grössere  Verbreitung  in 
Westafrika  gehabt. 

über  das  Auftreten  von  allerhand  heidnischen  Mummenschanz  zur 
Zeit  des  islamitischen  Khainadaii  dürfen  wir  uns  nicht  wundern,  denn  auch 
bei  uns  sind  christliche  Feste  zeitlich  mit  denen  aus  der  alten  Heidenzeit 
zusammengelegt  worden. 

Bin  anderer  Punkt  betrifft  die  Suggestion.  Der  Hr.  Vortragende  sagte, 
dass  man  mit  dem  Hinweis  auf  die  sterbende  Schildkröte  dem  Neger 
Furcht  einjagen  will.  Ks  ist  ganz  leicht  zu  verstehen,  dass  mancher  Neger 
eine  wahnsinnige  Furcht  bekommt,  wenn  man  ihm  sagt:  „dann,  wenn 
diese  Schildkröte  stirbt,  wirst  Du  auch  sterben"  und  er  erfährt,  dass  die 
Schildkröte  gestorben  ist.  Mit  solchen  Mitteln  arbeiten  oft  die  Fetisch- 
Leute,  sie  suggerieren  ihrem  Opfer  irgend  eine  geheimnissvolle  Krankheit, 
machen  seinen  Tod  abhängig  von  dem  vorhergehenden  Sterben  eines 
Tieres.  Den  Menschen,  welchen  sie  bei  Seite  schaffen  wollen,  befällt  ein 
-ro>ser  Schrecken,  eine  Mutlosigkeit  und  Apathie,  er  siecht  sichtlich  hin. 
nimmt  schliesslich  keine  Nahrung  mehr  zu  sich  und  stirbt  endlich  an  Bnt- 
kräftung  oder  aus  Furcht. 

Hoffentlich  werden  noch  manche  solcher  Fälle  genauer  beobachtet,  <la 

sie  psychologisch  interessant  sind.  Wir  dürfen  erwarten,  dass  bald  mehr 
aus  der  Fülle  von  Aufzeichnungen  der  Missionare  von  der  Goldküste, 
Togo  usw.  veröffentlicht  wird,  denn  gerade  diese  haben  teilweise  sehr 
gute  Beobachtungen  gemacht. 


—     728    — 

Ich  gehe  nun  zu  den  Bemerkungen  über  die  Anwendung  von  Giften 
aber.  Her  Neuling,  welcher  an  die  Westküste  von  Afrika  gelangt,  wird 
bald  mehr  oder  weniger  sohaurige  Fälle  von  Vergiftungen  von  Europäern 
durch  die  Eingeborenen,  Giftmorde  der  Neger  usw.  hören.  Dass  Gifte 
eine  grosse  Rolle  in  Westafrika  spielen,  isr  bekannt.  Es  wäre  wichtig, 
zu  erkunden,  welche  Gifte  wirklich  angewendet  werden,  und  unter  welchen 
Umständen  dies  geschieht,  ferner  welche  Vergiftungsfälle  nur  in  der  Ein- 
bildung der  betreffenden  Europäer  beruhen  und  wo  die  Todesfalle  auf 
Krankheiten  zurückzuführen  sind. 

Nicht  ganz  kann  Loh  mich  mir  den  Ausführungen  «Ifs  Hrn.  Vortragenden 
über  seine  Ansiohr  über  den  Gedanken-  und  Empfindungskreis  der  Neger 
über  abstrakte  und  konkrete  Begriffe  einverstanden  erklären,  nämlich  dass 
der  Neger  nicht  fähig  wäre  ihm  nicht  direkt  greifbare  Dinge  sich  in 
seinem  geistigen  [deengange  vorzustellen.  Blanche  Stämme  oder  Individuen 
werden  sich  nur  mir  konkreten  Sachen  beschäftigen  können.  Ander«'  gehen 
hingegen  weir  darüber  hinaus,  das  zeigt  sich  dann  aber  nicht  nur  in  religiösen 
Prägen.  Dieses  isr  u.  a.  bei  einigen  Togostämmen,  die  allerdings  wie 
manche  andere  westafrikanische  Völkerschaften  uralte  Beziehungen  zu  öst- 
lichen Kultur-  oder  doch  Elalbkultur-Ländern  gehabt  haben  müssen,  um  nur 
ein  Volk  herauszugreifen,  aus  folgendem  ersichtlich.  Beispielsweise  lassen 
bei  Togoleuten  die  Verwünschungen  und  Androhungen  gewisser  Straten, 
die  in  den  Schwurformeln  enthalten  sind  und  wonach  der  Tod  dem 
Schwörenden  unter  ganz  gewissen  Umständen  angedroht  wird,  wenn  dies 
oder  jenes  unter  gewissen  Voraussetzungen  des  Schwures  oder  Versprechens 
nicht  erfüllt  ist.  doch  auf  eine    viel    weitergehende  Auffassung  schliessen. 

Eine  ebenfalls  recht  bemerkenswerte  Sache  erwähnt  ferner  der  Redner 
aus  seinen  Kameruner  Beobachtungen. 

Es  betriff!  dies  das  Sichunsichtbarmachen,  d.  h.  natürlich  den  Glauben 
der  Schwarzen  daran.  Auch  ich  hörte  davon  im  westlichen  Sudan.  In 
einem  Falle  soll  ein  berüchtigter  Räuberfürst,  übrigens  nach  der  Be- 
schreibung eine  wahre  Siegfriedsgestalt,  der  auch  hieb-,  schuss-  und  stich- 
fest war.  die  Fähigkeit  nach  der  Iberzeugung  der  Leute  besessen  haben, 
sich  durch  einen  Gegenstand,  den  er  in  den  Mund  nahm,  unsichtbar  zu 
machen.  Man  sieht  also,  wie  ähnlich  Aberglauben  und  Vorstellungen  über 
die  Erde  verbreitet  sind. 

F.-  zeigt  der  sehr  dankenswerte,  interessante  Vortrag,  wieviel  wir 
gerade  noch  bei  den  Negern  Westafrikas  an  der  Küste  und  in  davon 
nahegelegenen  Gegenden  von  ihren  teilweise  geheimgehaltenen  Gebräuchen 
zu  beobachten  haben,  ehe  diese  durch  die  neue  Kultur  verwischt  werden. 
Schwierigkeiten  stellen  sich  dem  allerdings  oft  entgegen,  darf  man 
doch  nicht  vergessen,  dass  beispielsweise  die  Mitglieder  mancher  Geheim- 
bünde beim  Verrat  eines  der  Hauptgeheimnisse  häufig  mit  dem  Tode  be- 
straft werden.  Aber  Europäer,  die  sich  längere  Zeit  in  einem  Gebiete 
aufhalten  und  namentlich  solche,  die  das  Vertrauen  der  Neger  gewinnen. 
werden  doch  «-,,  manche«,  erkunden  können. 


—     729     — 


2.    Language  of  the  Wuddyawiirru  Tribe,  Victoria.1} 

Bj 

R.  H.  Mathew.s,  L.  S. 

I t i  1902  I  contributed    to    the   Royal  Society  of  I        8    irh  Wal- 
articli  rix  of   the    Dative  tongnes    of  Victoria.     One  of  I 

>ix  langnagea  was  the  Wnddyäwürru,  bni  as  my  previotu  remarks  apon  ir 
rily  \<-ry  brief,    I  propose  od  the  present  occasion  to  fnrnisb 
examples  of  the  differenl  parte  of  epeech  oot  tonched   apon  in  my  fo 
■  igether  with  a  Bhort  vocabnlary  of  Wnddyäwflrru  words. 

The    territory  of   the  Waddyäwärra    tribe    may   be  roughly  deseribed 

ctending  from  Werribee  river  to  Ballarat;  thence  sontherly  via  Lake 
Korangamite  r<,  Cape  Otway,  and  thence  by  the  -  back  to  Werribee 
river.  Along  their  «festem  bonndary  they  met  and  mingled  with  the 
Kullidyan  and  Dyargürt,  who«  the  Barne  as  rlj*-  Wnddyäwürra 

in  all  essentia]  points. 

In  a  paper  recently  commnnicated  to  thi  ä  ety  J  briefiy  described 
the  language  of  the  Kogai,  one  of  the  tribes  of  Queensland.  J  now  wish 
r<i  place  before  the  reader  one  of  the  langnagea  >>t  Victoria,  for  comparison 
with  my  former  memoir.  The  grammatical  Constitution  of  the  Wuddyawürru 
differs  in  some  important  respecte  from  the  Kogai,  among  whieh  the 
following  may  be  mentioned. 

In  the  Wuddyäwnrro    language    many  of  the    nouns.    adjectives,    pre- 
-.    adverba    and    interjections  are    snbject  to  inflection    for  pe 
and  nmnber.  in  addition  to  the  pronouns  and  verbs.     In  the  genitive 
of  Donns,   the  p<  and  the    chatte!    are    both    declined.     In   common 

with  some  "rhor  lang      -  ntral  and    northwe.stern  Victoria,    there  is 

a  trial  nnmber.  made  by  the  addition  of  the   snffix  „kullik"  to  the  plural 
form  of  the  w<>nl  inflected. 

All  the  Information  contained  in  thi-  article  ha-  beea  collected  by 
me  in  I  •    i  impsofthe  aativ«  >rd  liavi'  _  down  by 

myself  from  the  Lips  of  the  aborigina]  .-; 

The   System  of  orthography  adopted  in  my  previous  article  will 
be  followt-d.  and  need  not  be  recapitnlaied  in  this  paper. 

• 
The  demonstrative  and    adjectival    prononns  »erve  the  pnrpose  of  the 
definite  article  .the"  in    the  English    lans     .        The    indefinite  article  i- 

not    >-\}''. 


•:h  ..incin  in  dei   3  Februar  L904    k-  baltenen  Vortrage. 

_'     .  i !,      A:    r:_-inal   Languag.-s    of  Victoria".    Journ.  -  - 

XXXVI.  |  |  .  :: 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  19W     Heft  6. 


—     730     — 

Nouns. 

Number.  —  Nouns  have  four  numbers  —  the  singular,  dual,  trial 
and  plural: 

Wangim,  a  boomerang.  Wangimbulin,  a  couple  of  boomerangs. 
Wangimkullik,    three  boomerangs.      Waiigimgetyaul,    several  boomerangs. 

Gen  der.  —  In  the  human  family,  different  words  are  used,  as,  guli, 
a  man;  bagurk,  a  wo  man;  gulkurguli,  a  boy;  ngunyagurk,  a  girl.  The 
sex  of  animals  is  denoted  by  adding  words  meaning  „male"  and  „female"- 
respectively,  as,  goim  gulawan,  a  male  Kangaroo;  goim  ngurdang,  a  female 
Kangaroo. 

Case.     The  cases  are  indicated  by  inflexions: 

The  nominative  merely  names  the  thing  spoken  of,  as  guli,  as  man; 
kanni,  a  yamstick. 

The  causative  represents  the  subject  doing  some  act,  as,  gulia  goang 
bakunirring,  a  man  an  eel  caught. 

Genitive.  The  owner  and  the  property  are  both  infiected,  as,  guliak 
wangimnyuk,  a  man's  boomerang;  bagurkak  kanninyuk,  a  woman's  yam- 
stick. Personal  property  of  any  description  can  be  declined  by  possessive 
affixes  to  the  noun,  as,  wangimik,  my  boomerang;  wangimin,  thy  boo- 
merang; wangimuk,  his  boomerang,  and  so  on  through  all  the  numbers 
and  persons. 

The  remaining  cases  are  passed  over,  being  similar  in  principle  to 
those  of  other  languages  of  Victoria  already  described. 

Adjectives. 

Adjectives  follow  the  nouns  they  qualify  and  take  similar  declensions 
for  number  and  case.  They  are  compared  as  illustrated  in  my  „Thoorga 
Language" L),  but  differing  in  words. 

Pronouns. 

There  are  two  forms  of  the  first  person  of  the  dual,  trial  and  plural 
—  one  in  which  the  person  addressed  is  included  with  the  Speaker,  and 
another  in  which  he  is  exclusive  of  the  Speaker. 

The  following  are  the  nominative  and  possessive  pronouns. 


1.  Person 


1.  Person 

2.  » 

3.  „ 


Singuli 

ar. 

I 

Bangek 

Mine 

Bangordigek 

Thou 

Bangin 

Thine 

ßangordigin 

He 

Banguk 

Dual 

Tlis 

Bangordiguk 

We,  incl. 

Bangal 

Ours, 

incl. 

Bangordingal 

We,excl. 

Bangalluk 

Ours, 

excl. 

Bangordingalluk 

You 

Bangbula 

Yours 

Bangordiwula 

They 

Bangbullang 

Their* 

l>;iiigordibullang 

1)  Queensland  Geographica!  Journal,  vol.  XVII,  pp.  •">•"> — 54. 


—     731     — 


1.  Person 

'2.       „ 
3.       „ 


1.  Person 


Bangordingadukullik 
Bangordiwiidyakullik 

15angordingütkullik 
Bangordiganakullik 

Bangordingaduk 

Bangordiwüdyak 

Bangonlingüt 

Bangrordigrauak 


Trial. 

fWe,  incl.  Bangadnkullik  Ours,  incl. 

lWe,excl.  Bangwüdyakullik  Ours,  excl. 

You  Bangütkullik  Tours 

They  Banganakullik  Theirs 

Plural. 

I  \\  <•,  incl.     Bangaduk  Ours,  incl. 

lWe,excl.     Bangwüdyak  Ours,  excl. 

You  Bau  gut  Yours 

."!.       „         They  Banganak  Theirs 

The  foregoing  füll  fornis  of  the  pronouns  are  employed  chiefly  in 
replying  to  questions.  In  ordinäry  conversation  the  natives  use  the  pro- 
nominal suffixes  illustrated  undef  the  heading  of  „Verbs". 

The  objective  pronouns,  me,  thee,  him,  etc.,  are  not  found  separately, 
like  the  nominative  and  possessive,  but  consist  of  pronominal  suffixes  to 
verbs  and  other  parts  of  speech,  as. 

Geriunin  (Someone),  spoke  to  me,  and  so  on.  See  also  the  example 
under  „Prepositions".  There  are  likewise  forms  of  the  pronouns  meaning 
„with  me",  „towards  me",  „away  from  me",  etc. 

.  Demonstratives  are  numerous,  but  must  be  omitted  for  want  of  space 
—  Interrogatives  —  who,  wela.     "Whose,  wekanyuk.     What,  minga. 

V  erbs. 

Verbs  have  the  singular,  dual,  trial  and  plural-numbers.  with  the 
usual  persons  and  tenses.  They  also  possess  the  „inclusive"  and  „ex- 
klusive" forms  in  all  the  numbers  beyond  the  singular. 

The  following  few  examples  will  serve  to  illustrate  the  conjugation 
of  a  verb.     The  singular  number  in  each  tense  onlv  will  be  given. 


1  n  d  i  c  a  t  i  v  e  m  o  o  d 


Present  Tense. 


Singular 


Singular 


1.  Person     l  speak 

-.       ..  rrhou  speakest 

3.       ..  He  speaks 


ersell 


Singular 


Pasr  Tense. 

I  spoke 

2.  ..  Thou  spokesi 

3.  .,  He  spoke 

Future  Tense. 

1.  Person     I  shall  speak 

2.  „  Thou  shalt  speak 
•  ».       „  lle  shall  speak 

Reciprocal. 
speak   to  each  other 


We,  incl 


Dual 

Trial       We,  incl..    speak  to  each  other 

Plural    We.  incl..    speak  to  each  other 


I  ielan 

Grelar 

( lola  munva 


( ielikan 
Grglikar 
Grölik   munya 

( irlinvan 
(iclinvar 
Odin    munva 

I  lekiringal 

<  iekiringitkullik 
( tekiringity 

IT' 


732 


Adverbs. 
Xo,    nyullawinyar.      Yes,    ngiyi.      Yester-day,    dyallinyu.      Jomorrow, 
yerrandyu.     Where,  wea.     Here,  mun.     There,  kiupan. 

Prepositions. 
Several  prepositions  can  be  inflected  for  number  and  person : 

1.  Person       In  front  of  me         Kallinyunyik 

2.  „  In  front  of  thee       Kallinyunyun 

3.  „  In  front  of  hiin        Kallinyunyuk 

Numerais. 

One,  ku-i-muty.     Two,  bullaity. 

In  conclusion  it  may  be  remarked  that  wben  I  first  commenced  the 
study  of  Victorian  languages,  the  subject  possessed  no  literature  beyond 
a  few  vocabularies.  When  Mr.  R.  B.  Smyth  published  his  work  on  the 
,,Aborigines  of  Victoria",  some  of  his  contributors  very  rashly  attempted 
to  relate  one  or  two  native  stories  in  the  original  tongue. *)  I  have  read 
over  these  abortive  productions,  and  can  pronounce  them  to  be  mere 
ungrammatical  Jargon,  written  by  men  who  knew  nothing  of  the 
grammatical  structure  of  the  languages  they  were  dealing  with. 

In  the  foregoiug  pages  I  have  touched  only  upon  the  fundamental 
elements  of  the  language,  for  the  purpose  of  keeping  this  article  within 
reasonable  limits  for  publication. 

Yocabulary. 
The  following  vocabulary  contains  about  150  English  words  with  their 
equivalents  in  the  Wuddyäwürru  language.     Every  word  has  been  written 
down  by  myself  in  the    native    camps,    and    much    time    and  labour  have 
been  bestowed  upon  the  work. 

The  Family. 


English 

Wuddyäwürru 

English 

Wuddyäwürru 

Man 

guli 

W  Oman 

bagurk 

Boy 

gulkurguli 

Girl 

ngunyagurk 

Pather 

pettyang 

Chil.l 

burun 

Eider  brother 

war  dang 

Mother 

ngürdang 

Younger  brother 

wangat 

Eider  sister 

dattyerrung 

Many  men 

gulibullaiak 

Younger 

sister 

burrumbarak 

Many  women 

bagurkullaiak 

Mother-in-law 

nyallungurk 

Parts  of  the 

Human 

Body. 

1  Lead 

murk 

Shoulder 

ngäm 

Porehead 

men 

Arinpit 

kurrap 

Eye 

mir 

Elbow 

balluty 

Eyelid 

wurtimir 

Ann 

tarak 

Eyelash 

dharaty 

Wrist 

türnan 

Nose 

kang 

Hand 

mnrna 

1)  „The  Aborigines  of  Victoria",  vol.  II,  pp.  48— 49. 


7:5:; 


Englieh 

\\  mldyau  urrii 

English 

Wuddyawürru 

Ear 

wem 

Thigh 

karrip 

Beard 

ngarle 

Knee 

bün 

Teeth 

Hang 

Shin 

kar 

Lipa 

wurm 

Calf  of  leg 

link 

Tongue 

dyellung 

Pool 

tyinnang 

Breasi 

tyuram 

Heel 

knnnak 

Nawl 

warung 

Heart 

dhurnng 

Ribs 

nyillilirnan 

Liver 

boity 

Spirit 

mump 

I  na  n im; 

ite  Natur e. 

Sun 

mirri 

Earth 

dya 

Moon 

yern 

Water 

ngubity 

Stars 

turtbaram 

Fire 

win 

Sky 

wür-wür 

Rain 

mundar 

Clouds 

dürnmärung 

Night 

mürgalyu 

Summer 

kurkart 

Day 

mirriyu 

Winter 

maianyu 

Sand 

korak 

Stone 

la 

M  a  mm  als. 

Kangaroo 

goim 

Native-bear 

agarmbulum 

Dog 

garl 

Wombat 

agur-ngur 

(  »pnssuin 

wallert 

Xative  cat 

yurn 

Ring-tail  opossum 

bürnung 

Flying-  squirrel 

dtian 

B 

irds. 

Emu 

karwir 

Teal  duck 

birnar 

Eaglehawk 

ngarapgar 

Ibis 

bitbitdyerrak 

Mountain   hawk 

gaire 

Pelican 

bürdüngul 

Black  cockatoo 

dyering 

Crow 

wa 

White  cockatoo 

dyirnap 

Wood  duck 

wurwirt 

Bronze-wing 

pigeon 

agure 

Mtn  duck 

wanyukai 

Blue-mt.  parroi 

kullingar 

Common  magpie 

pardwang 

Native  Companion 

pöronggity 

Piain  turkey 

tharaiwil 

Brown  hawk 

fvarrar 

Black  duck 

thnlum 

Fish. 


Small   front 

thurpiiii 

Black-tish 

wirrepin 

Bei 

goang 

Prog 

dyierm 

( Iray-fisb 

wi-ity 

Rept  i  les. 

Tree  iguana 

dyulin 

Turtle 

barribin 

Black  snake 

gurnmil 

Sleepj 

lizard 

wallop 

34    — 


Invertebrates. 


English 

Wuddyawurru 

English 

Wuddyawurru 

Louse 

münya 

F^eech 

billity 

Nit  of  louse 

lirt 

Spider 

burnakurrik 

Grasshopper 

marak 

Bulldog  aot 

ngurung 

Locust 

ngullanggullang 

Mussei 

dir 

Mosquito 

liguyunguyu 

March-fly 

murron 

( 'entipede 

dyirrangarrak 

Weapons 

;i  n 

d  Mauufa ctur es. 

Jagged  spear 

karrup 

Boomerang 

wangim 

Reed  spear 

tyark 

Fighting  club 

liangal 

Spear  shield 

giram 

Tomahawk 

kulpallangurk 

Waddy  shield 

mulka 

Huntiug  spear 

der 

AVommera 

mariwan 

Yam  stick 

kauui 

Canoe 

gurung 

Net  bag 

kurara 

Girdle 

murum 

Kilt 

burrandigim 

Woman's  apron 

dyirburnin 

A 

dj 

ectives. 

Long 

nyirrim 

Grood 

guinyebin 

Short 

mört 

Bad 

nyulain 

Large 

dittabil 

Red 

derpkarring 

Small 

ngimyagurk 

White 

darngarin 

Tired 

dermillin 

Black 

wurgarin 

Bitter 

gürrain 

V 

erbs. 

Beat 

tyilpai 

Stand 

dyarrike 

Throw 

yungak 

Sit 

bure 

Bite 

pone 

Speak 

gele 

Walk 

yanne 

See 

nyaiyu 

Laugh 

wekkili 

Hear 

ngarwak 

Give 

wa-ak 

Dance 

yergeh 

Eat 

kudyak 

Sleep 

kumir 

Catch 

mapmak 

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3.   Über  M.  Merkers  „Masai".1) 

Von 

Carl  Meinhof. 

In  vortrefflicher  Ausstattung,  mit  sehr  charakteristischen  Illustrationen 

zum  teil  von  künstlerischer  Schönheit  legt  der  Verfasser  die  Ergebnisse 
seiner  Forschungen  im  Masailande  in  Deutsch-Ostafrika  dem  deutschen 
Publikum  vor.  Sein  Werk  verdient  nicht  nur  die  Aufmerksamkeit  der 
seiehrten  Welt,  sondern  wird  auch  für  einen  weiteren  Leserkreis  eine 
sehr  anziehende  Lektüre  bilden.  Merk  er  hat  sich  mit  hervorragender 
Sorgfalt  in  seine  Aufgabt"  vertieft,  und  es  ist  ihm  gelungen,  ein  sehr  an- 
schauliches Bild  des  Masaivolkes  zu  entwerfen  und  doch  die  Einzel- 
forschung zu  berücksichtigen,  die  der  wissenschaftliche  Arbeiter  von  einem 
solchen  Werk  erwartet.  Sogar  einem  so  sorgsam  beobachtenden  Reisenden 
wie  Baumann  konnte  es  begegnen,  dass  er  über  die  Masai  ein  geradezu 
vernichtendes  Urteil  füllte.  (Durch  Masailand  zur  Nilquelle.  Berlin  1894. 
S.  166.)  Dem  gegenüber  ist  es  für  jeden  Besucher  Ostafrikas,  der  sich 
an  den  kraftvollen  Gestalten  der  Masai  und  ihrer  energischen  Art  gefreut 
hat,  ein  wahres  Vergnügen,  bei  Merker  zu  lesen,  wie  anders  er  diesen 
Stamm  beurteilt.2)  Ich  will  aus  dem  vortrefflichen  Ganzen  nichts  Einzelnes 
besonders  hervorheben  —  es  ist  alles  höchst  merkwürdig  und  spannend 
und  trügt  das  Gepräge,  dass  es  auf  Grund  sorgfältigster  Arbeit  ge- 
schrieben ist. 

Das  ganze  Buch  verdient  auf  das  genaueste  studiert  zu  werden.  Ich 
will  nur  eine  Vorstellung  zu  geben  versuchen  von  dem  Reichtum  des 
liier  Gebotenen:  Die  ganze  Lebensart  der  Masai  wird  geschildert  von 
der  Geburt  und  Xamengebung  an,  das  Leben  der  Kinder  (die  Saugflasche). 
die  Beschneidung  der  Knaben  und  Mädchen,  das  Leben  der  Krieger  mit 
ihren  Freundinnen,  die  Behausung  der  Verheirateten,  die  Ärzte,  die  Häupt- 
linge, die  Schmiede.  Wir  erfahren  alles  Wissenswerte  über  Wohnung, 
Tracht,  Speise,  Kriegszüge,  Waffen,  Zauberei  (das  Drohen  mit  dem  Zeige- 
finger wird  daraus  erklärt),   Krankheit  und  Medizin  bei  Mensch  und  Vieh 

1)  M.  Mrrkcr,  Hauptmann  und  Kompagniechef  in  der  Kaiserlichen  Schutztruppe 
für  Deutsch-Ostafrika,  Die  Masai,  ethnographische  Monographie  eines  oatairikanischen 
Seinitenvolkes.     Berlin   L904     Dietrich  Reimer.      1-1   S.      I". 

2)  Nur  einmal,  S.  11."»,  läuft  ihm  so  ein  allgemein  hartes  Wort  mit  unter,  das  man 
in  dieser  Schärfe  in  der  ganzen  Welt,  auch  in  Deutschland  zu  hören  bekommen  kann. 
venu  jemand  sich  ül>er  mangelnde  Zuverlässigkeit  der  Dienstboten  beklagt. 


—     736     — 

(Schutzimpfung,  Moskito  als  Malariaerreger),  Religion  (religiöse  Bedeutung 
der  ßesclmeidung),  Ehe1),  Recht,  Geschichte,  Tanz  und  Musik  (auch 
einige  Noten  S.  122).  Eine  Anzahl  Märchen  und  Geschichten,  Berichte 
über  die  Helotenstämme  der  Wandorobbo,  Tabellen  über  anthropologische 
Messungen,  Tafeln  mit  Schildwappen  und  Eigentumszeichen  für  das  Yieh 
vervollständigen  das  vortreffliche  Buch. 

Auch  die  Ausführungen  des  Verfassers  über  die  Musik  der  Wandorobbo 
tragen  das  Gepräge,  dass  er  sich  sehr  gründlich  in  die  Sache  vertieft  hat. 
Da  er  jedoch  von  europäischen  Anschauungen  ausgeht  (Harmonie),  werden 
hier  exakte  Forschungen,  wie  sie  der  Verfasser  dort  nicht  ausführen 
konnte,  wohl  andere  Resultate  ergeben.  Immerhin  ist  es  dankenswert, 
dass  er  auch  auf  dieses  schwierige  Gebiet  seine  Untersuchungen  aus- 
gedehnt hat. 

Eine  grosse  Anzahl  Pflanzennamen  in  Masaisprache  und  zum  Teil 
mit  der  botanischen  Bezeichnung  findet  sich  auf  S.  340  ff.,  Diese  Namen 
sind  insofern  interessant,  als  die  Verwendung  der  Pflanzen  als  Futter, 
Medikament,  Zaubermittel  jedesmal  angegeben  ist. 

Aber  trotz  des  weitgehenden  Lobes,  das  jeder  Leser  dem  Buch  zu- 
erkennen muss,  wird  der  wissenschaftliche  Forscher  ganze  Partien  mit 
dem  lebhaftesten  Befremden  lesen.  Wir  erhalten  hier  Mitteilungen  über 
die  Urgeschichte  der  Masai,  die  auf  das  frappanteste  an  biblische  Berichte 
erinnern,  ja  zum  Teil  wörtlich  damit  übereinstimmen.  Der  Verfasser  ver- 
sichert, dass  er  sie  von  den  alten  Masai  erfahren  hat,  nachdem  er  ganz 
mit  ihnen  vertraut  geworden  ist.  Auf  den  ersten  Blick  erscheinen  diese 
Berichte  durchaus  unglaubwürdig,  und  man  ist  geneigt,  an  eine  Mystifi- 
kation des  Verfassers  zu  denken.  In  den  Hungerzeiten  sind  eine  ganze 
Anzahl  Masai  jungen  auf  Missionsstationen  durchgefüttert,  und  als  sie 
grösser  wurden  und  sich  nicht  fügen  wollten,  entlassen  worden.  Ich  selbst 
habe  täglich  wochenlang  mit  Masai  —  verheirateten  und  unverheirateten 
—  auf  Missionsanstalten  zusammengelebt  (sie  zeichnen  sich  übrigens  auch 
da  aus  durch  besondere  Zuverlässigkeit  oder  besondere  Unzuverlässig- 
keit).  Ich  besitze  auch  Niederschriften  von  einem  Masai  in  Masai  und 
Suaheli.  Diese  Leute  standen  mit  ihren  heidnischen  Stammesgenossen 
noch  immer  in  Verbindung.  Die  Möglichkeit,  dass  sie  die  auf  Missions- 
stationen gewonnene  Erkenntnis  dem  nach  alten  Geschichten  fragenden 
Europäer  vortrugen  bezw.  dass  ihre  Freunde  das  taten,  ist  also  zweifellos 
gegeben.  Hierzu  kommt,  was  uns  gegen  Merkers  Berichte  bedenklich 
machen  möchte,  dass  diese  christlichen  Masai  niemals  irgend  etwas  von 
den  alten  beschichten  verlauten  Hessen,  und  dass  alle  meine  nach  den 
ersten  Ankündigungen  des  vorliegenden  Buches  eingezogenen  Erkundigungen, 
<>l>  die  Masai  dergleichen  Geschichten  kennen,  resultatlos  verlaufen  sind.  Auch 
beweist  es    nichts    für    das  Alter    dieser  Geschichten,    dass   die  biblischen 

1)  Einige  Widersprüche  wären  hier  noch  auszugleichen  gewesen.  So  versichert 
Mcrkcr  S.  333,  dass  der  künstliche  Abortus  nicht  geübt  wird,  gibt  aber  S.  191  und  3J2 
Nr.  38  das  dazu  gebrauchte  Medikament  an  und  S.  ."»0,  Note,  wann  Ehefrauen,  S.  83,  Note, 
wann   Mädchen  ihn  ausüben. 


—     737     — 

Berichte  hier  auf  das  engste  mit  .Masai- Anschauungen  verwebt  Bind.  Der 
Afrikaner,  wie  überhaupt  jeder  nicht  durch  längeren  Unterricht  historisch 
geschulte  Mensch  bringt  es  sehr  gut  fortig,  solche  neue  Erkenntnis  mit 
alten  Erinnerungen  zu  verschmelzen. 

Trotz  alledem  glaube  ich,  dass  diese  Geschichten  tatsächlich  alt  sind, 
wenn  auch  nicht  so  alt,  wie  der  Verfasser  annimmt.  Mag  vielleicht 
einiges  in  die  Leute  hineingefragt  oder  missverstanden  sein  —  das  ge- 
schieht bei  jeder  derartigen  ersten  Aufzeichnung  — ,  doch  bleibt  dem 
Leser  der  Lindruck,  dass  wirkliche  Masai-Rcniiniszenzen  hier  vorliegen. 
Alles  andre,  was  der  Verfasser  bringt,  stimmt  so  sehr  überein  mit  dem 
( Charakter  der  Leute,  wrie  wir  ihn  sonst  kennen  und  trägt  ganz  das  Ge- 
präge, dass  es  auf  Grund  bester  Beobachtung  geschrieben  ist. 

Wie  sollte  der  Verfasser  nun  auf  einmal  jedes  Urteil  verloren  und 
sich  in  der  gröblichsten  Weise  haben  täuschen  lassen?  Dass  er  das  alles 
nicht  von  jungen,  sondern  von  alten  Leuten  erfragt  hat,  gibt  der  Sache 
eine  besondere  Wichtigkeit.  Aber  eins  vermisse  ich:  eine  klare  Angabe 
darüber,  in  welcher  Weise  die  Mitteilungen  der  Masai  gemacht  sind.  Dass 
der  Verfasser  eine  ganze  Anzahl  Masaiworte  kennt  und  auch  einiges  von 
der  Grammatik  der  Sprache  weiss,  geht  ja  aus  seinem  Werk  hervor. 
Aber  von  da  zu  einer  Beherrschung  der  Sprache  und  zur  Aufnahme  so 
schwieriger  Stoffe  ist  noch  ein  weiter  Weg.  Sind  diese  Mitteilungen 
wirklich  in  Masaisprache  gemacht  und  aufgezeichnet,  so  bitten  wir  um 
die  Veröffentlichung  der  Originaltexte,  damit  wir  die  Übertragung  nach- 
prüfen können.  Erfahrungsmässig  ist  dieselbe  bei  solchen  mythischen 
Stoffen  besonders  schwierig.  Sind  die  Mitteilungen  aber  nicht  auf  diesem 
Wege  zustande  gekommen,  so  wäre  eine  Angabe  notwendig  gewesen,  wie 
sie  vermittelt  wurden.  In  eben  dem  Masse,  wie  dabei  die  Hilfe  des 
Suaheli  oder  einer  andern  Sprache  und  die  Hilfe  von  Dolmetschern  heran- 
gezogen i-t.  verlieren  sie  an  Zuverlässigkeit.  Vielleicht  entspricht  der 
Verfasser    diesem    Wunsche,    sich     über    die    Methode    seiner    Arbeit    zu 

Hussein. 

Bei  der  Verschlagenheit  der  Masai  wird  mau  ja  gut  tun.  sich  von 
der  Richtigkeit  der  betreffenden  Beobachtungen  noch  immer  besser  zu 
überzeugen.  Ich  halte  es  aber,  wie  gesagt,  für  durchaus  wahrscheinlich, 
dass  ein  erheblicher  Teil  dieser  Erzählungen  sich  wirklich  so  vorfindet, 
und  dass  sie  auch  durch  Beibringung  der  Masaitexte  weiden  bestätig 
werden.1) 

Trotzdem  glaube  ich.  dass  der  Verfasser  sich  mit  seiner  überraschenden 
Deutung  irrt,  wonach  es  sich  um  alte  Berichte  handelt,  die  den  Israeliten, 
die  einst  mit  den  Masai  ein  Volk  gewesen  sein  sollen,  von  daher  mit 
den   M;is;ii  gemeinsam  Bind.     Ja   der  Verfasser    trägt    kein   Bedenken,    die 

brigena  erzählt  schon  Krapf,   Reisen  in  Ostafrika,  T.  II    S. 268  von  seltsamen 
Sagen  der  Masai,    in    denen   ein  Halbgott  Neiterkob   oder    Neiteruknh    eine   Rolle  spielt. 
Der  Name  desselben   liegt   ja  offenbar  in  dem  Namen  der  ersten  Frau  \or.    die  Merker 
S.  261   Naiterogob  nennt.    Das  spricht  dafür,    dass  jedenfalls  ein  Kern  echter  Masai 
in  Mrrk  eis  Berichten  steckt. 


Masai-Überlieferung  für  älter  als  die  biblische  zu  halten,  um  so  eine  neue 
Position  zu  gewinnen  in  dem  Streit  um  den  Einfluss  babylonischer  Be- 
richte auf  die  Bücher  der  Israeliten. 

Nach  gründlichster  Information  muss  ich  es  als  unrichtig  bezeichnen, 
dass  die  Masai  mit  den  Israeliten  nahe  verwandt,  und  dass  sie  überhaupt 
„Semiten"  sind. 

Wenn  der  Yerfasser  auch  der  Linguistik  in  der  Entscheidung  dieser 
Frage  das  erste  Wort  nicht  einräumen  möchte,  so  werden  wir,  wenn  wir 
überhaupt  von  „Semiten"  reden,  die  Linguistik  ja  gar  nicht  entbehren 
können.  Die  Bezeichnung  „semitisch"  ist  in  wissenschaftlichen  Kreisen 
zunächst  für  die  sprachwissenschaftliche  Betrachtung  angewandt.  Man 
rechnet  die  Phönizier  zu  den  „Semiten",  weil  sie  eine  „semitische"  Sprache 
sprachen,  obwohl  die  biblischen  Berichte  sie  zu  den  „Hamiten"  stellen; 
man  rechnet  die  Araber  zu  den  „Semiten"  aus  demselben  Grunde,  obwohl 
auch  hier  „hamitische"  Beimischung  seit  alter  Zeit  behauptet  wird.  Man 
rechnet  die  Juden  zu  den  „Semiten"  trotz  ihrer  dem  Verfasser  bekannten 
starken  Beimischung  alarodischen  Blutes.  Will  man  den  Ausdruck 
„Semiten"  in  diesem  Sinn  gebrauchen,  so  gehören  die  Masai  nicht  dazu, 
denn  man  braucht  sich  mit  ihrer  Sprache  nicht  lange  beschäftigt  zu  haben, 
um  zu  sehen,  dass  sie  in  diesem  Sinne  nicht  „semitisch"  ist. 

Alle  Hoffnungen,  die  der  Verfasser  auf  die  Linguistik,  besonders  auf 
Arbeiten  des  von  ihm  zitierten  Jos.  Deeg  setzt,  sind  von  vornherein 
illusorisch.  Die  linguistische  Zugehörigkeit  der  Masai  zu  den  „Hamiten" 
ist  völlig  klar  und  von  einer  Zugehörigkeit  zu  den  „Semiten"  kann  ernst- 
haft gar  nicht  die  Rede  sein. 

Es  ist  nun  direkt  peinlich,  wenn  der  Verfasser,  trotzdem  ihm  offenbar 
die  Kenntnis  semitischer  Sprachen  mangelt,  allerlei  hebräische  oder  andere 
Xamen  der  Bibel  versucht  aus  dem  Masai  zu  erklären.  Man  hat  den 
Verfasser  bei  seinen  ethnographischen  Schilderungen  als  einen  tüchtigem 
fleissigen  und  umsichtigen  Arbeiter  kennen  gelernt  und  sieht  ihn  nun  im 
trübseligsten  Dilettantismus  herumirren.  Ebenso  peinlich  ist  es,  ihn  mit 
der  Quellenforschung  des  Pentateuch  und  andern  biblisch-theologischen 
Dingen  operieren  zu  sehen. 

Wenn  der  Verfasser  sprachlich  arbeiten  wollte,  so  wäre  dazu  die  Vor- 
bedingung gewesen,  dass  er  sich  die  bereits  vorhandene  Masai-Literatur 
beschaffte,  nämlich:  Ehrhardt,  Vocabulary  of  the  Enguduk  Iloigob. 
Ludwigsburg  1857,  Dr.  J.  L.  Krapf,  Vocabulary  of  the  Engutuk  Eloikob. 
(Vokabular  der  Wakuafisprache)  bei  Fues.      1854. 

Diese  Bücher  haben  mancherlei  Fehler,  aber  nicht  so  viele,  dass  man 
sie  nicht  als  Unterlage  der  Sprachforschung  hätte  benutzen  können,  wie 
ich  mich  zum  Teil  persönlich  überzeugt  habe. 

Es  wäre  ferner  eine  wertvolle  Vervollständigung  des  Bnehes  gewesen, 
wenn  alle  die  vereinzelten  sprachlichen  Notizen  zu  einem  kleinen  Glossar 
vereinigt  wären. 

Ich  will  an  einem  Beispiel  zeigen,  wie  nützlich  diese  Arbeit  ge- 
M  wäre,  und  wie  anfechtbar  die  vorn  Verfasser  gethane  sprachliche 
Arbeil  i-t. 


—     739    — 

Auf  S.  153f.  i^ibt  Verfasser  die  Wochentage  an. 

Den  Kritiker  macht  es  ja  bedenklich,  dass  der  erste  Tag-  der  Wpehe 
„heute",  der  zweite  „morgen",  der  dritte  „übermorgen"  heisst  und  dass 
dann  mit  Zahlen  weiter  gerechnet  wird.  Wie  kommt  es  aber  nun,  dase 
der  vom  Verfasser  als  vierter  Tag  bezeichnete  auf  Masai  von  der  Zahl 
drei  (uni),  der  fünfte  Tag  von  der  Zahl  vier  (ungwan),  der  sechste 
von  der  Zahl  fünf  (miet)  und  der  siebente1)  von  der  Zahl  sechs  (ile) 
gebildet  ist?  Ist  dem  Verfasser  das  nicht  aufgefallen?  Er  sagt  kein  Wort 
darüber,  sondern  zieht  es  vor,  den  Beinamen  des  siebenten  Tages  essuliar 
irolon  (er  übersetzt  subat  richtig  mit  „gut")  mit  dem  hebräischen  Sabbath 
zusammenzubringen. 

Die  Sache  liegt  doch  so  —  entweder  ist  die  ganze  „Woche"  in  die 
Leute  hineingefragt,  weil  man  mit  „heute"  usw.  anfängt  —  oder  wenn 
die  ersten  Tage  der  Woche  wirklich  so  heissen  wie  der  Verfasser  angibt, 
dass  dann  der  subat  eben  der  sechste  und  nicht  der  siebente  Tag  ist.  Ist 
er  aber  bei  den  Masai  jetzt  der  siebente  Tag,  während  es  früher  der 
sechste  war,  so  liegt  etwas  Ahnliches  vor,  wie  wir  es  z.  B.  im  Afar2) 
finden. 

In  Abessynien  berühren  sich  jüdische,  christliche  und  muhammedaniselie 
Zählung  der  Wochentage  und  daraus  sind  solche  Unstimmigkeiten  ent- 
standen. Das  trifft  dann  überein  mit  meinen  Ausführungen,  die  ich 
unten  gebe. 

(Anerkennen  möchte  ich,  dass  Verfasser  auf  Ausdrücke  der  alten 
Sprache  gefahndet  hat,  sie  sind  sprachwissenschaftlich  besonders  interessant.) 

Anders  liegt  die  Sache  jedoch,  wenn  das  Wort  „Semiten"  nicht  in 
linguistischem,  sondern  in  ethnographischem  Sinne  gebraucht  wird  für 
den  Typus,  der  aus  der  Jahrtausende  alten  Vermischung  hamiti scher  und 
städtischer  Stämme  entstanden  ist.  Ich  verstehe  hier  unter  „Hamiten" 
die  mehr  oder  weniger  hellfarbigen  lockenhaarigen  Bewohner  Nordafrikas, 
die  entweder  nicht-semitische  Sprachen  sprechen  oder  nachweislich  ur- 
sprünglich nicht  sprachen.3)  Es  ist  unbestreitbar,  dass  diese  „Hamiten" 
mit  den  „Semiten"  ethnographisch  und  anthropologisch  so  viel  Gemein- 
sames haben,  dass  das  nicht  zufällig  sein  kann.  Sie  werden  dadurch 
scharf  von  der  übrigen  Bevölkerung  Afrikas  geschieden.  Man  kann  für 
diese  Erscheinung,  wie  gesagt,  die  in  die  graueste  Urzeit  zurückreichend»» 
gemeinsame  Geschichte  und  die  sich  hieraus  ergebenden  gegenseitigen  Be- 
ziehungen als  Grund  anfahren,  es  ist  aber  nicht  unwahrscheinlich,  das> 
ausserdem  noch  eine  Stammverwandtschaft  vorliegt.  Genau  derselbe 
Sachverhalt  ergibt  sich  aber  bei  einer  linguistischen  Betrachtung  dieser 
Völker.  Lehnworte  aus  semitischen  Sprachen  sind  in  den  hamitischen 
massenhaft   enthalten,    auch    der    umgekehrte   Fall     läs-i    >i<h    nachweisen. 

1)  In  guna  l'onile  liegt  doch  wohl  ein  Druckfehler  vor. 

2)  I  > <>i_t  fängt  die  Woche  nach  mohammedanischer  Weise  mit  Freitag  an,  aber 
Montag  bis  Donnerstag  sind  der  zweit.,  dritte  bis  fünfte  Tag  nach  christlicher  Rechnung. 

3)  Einschliesslich  der  Ägypter.  Ich  bin  mir  über  die  ethnographische  Unzulänglich- 
keit obiger  Definition  klar,  glaube  mich  aber  damit  für  den  vorliegenden  Zweck  ver- 
ständlich zu  machen. 


—     740     — 

Aber  darüber  hinaus  haben  semitische  und  hamitische  Sprachen  gewisse 
geraeinsame  Eigenschaften,  die  an  eine  Urverwandtschaft  denken  lassen. 
Bei  beiden  ist  das  grammatische  Geschlecht  vorhanden,  dass  den  andern 
afrikanischen  Sprachen  (ausschliesslich  der  Hottentotten)  mangelt.  Bei 
beiden  wird  die  Flexion  nicht  nur  durch  Vorsilben  und  Nachsilben, 
sondern  auch  durch  inneren  A'okalwechsel  vollzogen,  wenn  auch  in  den 
semitischen  Sprachen  diese  Bildung  viel  reicher  entwickelt  ist.  Beide 
unterscheiden  Maskulinum  und  femininum  auch  in  der  zweiten  Person.  Ja 
die  Bildungselemente  (mit  dem  Verbum  und  Nomen  verbundene  Vor-  und 
Nachsilben)  sind  zum  Teil  für  beide  Sprachgebiete  identisch.  Sogar  eine 
so  charakteristische  Bildung  wie  der  pluralis  fractus  des  Arabischen  ist 
(iemeingut  der  hamitischen  Sprachen.  Ein  durchschlagender  Unterschied 
bleibt  aber  ausser  der  reicheren  Verwendung  des  Vokalismus  im  Semitischen 
der,  dass  der  semitische  "Wortstamm  drei,  der  hamitische  zwei  Radikalen 
(AVurzelkonsonanten)  enthält.  Ausserdem  sind  die  Unterschiede  im  Wort- 
schatz sehr  gross,    wenn   auch   allerlei  frappante  Gleichklänge  vorliegen. ') 

Soll  für  diesen  grossen  semitisch  -  hamitischen  Völkerkomplex  im 
ethnographischen  Sinne  das  Wort  „Semiten"  gebraucht  werden,  so  ge- 
hören die  Masai  allerdings  dazu.  Ich  würde  eine  solche  Bezeichnung  aber 
lieber  vermeiden,  da  sie,  wie  das  vorliegende  Beispiel  zeigt,  irre- 
führend ist.2) 

So  sicher  die  Masai  nämlich  zu  den  Semiten  im  engeren  Sinne  nicht 
gehören,  so  sicher  gehören  sie  zu  den  Hamiten.  Die  Sprache  lässt  darüber 
keinen  Zweifel,  wenn  auch  sich  in  die  Sprache  allerlei  fremde  Elemente 
eingedrängt  haben.  Dieselben  sind  aber  einfach  dadurch  zu  erklären, 
dass  die  südlichen  Hamiten  durchweg  mehr  oder  weniger  mit  Negerblut 
vermischt  sind.3) 

Ich  meine  damit  nicht  die  von  dem  Verfasser  als  „Neger"  bezeich- 
neten Bantu  —  die  Vermischung  mit  ihnen  ist  ja  offenbar  neueren  Datums 
—  sondern  mit  Sudannegern.  Solches  Mischvolk  mit  Mischsprache  sind 
z.  B.  die    .,nilotischen"  Bari,    deren    nahe    sprachliche  Verwandtschaft  mit 

1)  Unsere  wissenschaftliche  Erkenntnis  ist  eben  noch  nicht  so  weit,  dass  wir  mit 
.Sicherheit  nachweisen  können,  was  hier  Lehnworte  und  was  verwandte  Worte  sind.  Auch 
fehlt  uns  heute  noch  eine  irgendwie  gesetzmässige  und  erschöpfende  Erklärung  für  die 
Entstehung  der  dr«iradikalen  Stämme  des  Semitischen.  Dass  allerlei  zum  Teil  sehr 
wertvolle  Vorarbeiten  auf  diesem  Gebiet  vorliegen,  ändert  nichts  an  den  Tatsachen,  dass 
der  wichtigste  Teil  der  Arbeit  noch  zu  tun  ist,  und  dass  der  Versuch,  einzelne  Vokabeln 
einer  semitischen  Spruche  aus  einer  hamitischen  zu  erklären,  als  verfehlt  anzusehen  ist. 
Man  muss  nicht  eine  hainitische  (z.B.  das  Masai)  und  eine  semitische  (z.B.  das  He- 
bräische) Sprache  vergleichen,  sondern  die  Grundformen  aller  hamitischen  mit  den  Grund- 
formen aller  semitischen  Sprachen,  vgl.  z.  B.  Leo  Reinisch,  Das  Zahlwort  vier  und  neun 
in  den  seinitisch-hainitischen  Sprachen.    1890.     F.  Tcmpsky  in  Wien. 

2)  Besonders  misslich  ist  eine  solche  Bezeichnung  für  den  Forscher  in  abcssynischen 
Sprachen  und  abessynischer  Ethnographie,  da  hier  seit  uralten  Zeiten  hamitische  und 
semitische  Sprache  sich  gegenseitig  beeinflussen  und  ebenso  haniitisches  und  semitisches 
Volkstum. 

">)  Da  die  Schniiedckunst  wahrscheinlich  eine  Erfindung  der  Sudanueger  ist,  ist  es 
nicht  merkwürdig,  dass  die  Schmiede  der  Masai  als  eine  besondere  Kaste  betrachtet 
werden,  die    il     unrein  galten,  S.  Hoff.     Vielleicht  sind  sie  eben  hamitisierte  Sudanneger. 


—     741     — 

den  Masai  schon  Lepsius  und  F.  Müller  nachgewiesen  hat.1)  (Lepsius, 
Nul)ische  Grammatik.  Berlin  1880.  S.  LXI;  P.  Müller.  Grundriss  der 
Sprachwissenschaft  111,  1  S.  95.  Vgl.  auch  seine  Ausführungen  über  die 
Verwandtschaft  der  Dinka  uud  Bari,  ebenda  1  S.  81. 

Wenn  der  \  erfasser  auch  mit  Hecht  die  Entscheidung  des  Linguisten 
für  die  Ethnographie  als  allein  massgebend  ablehnt,  so  kann  man  doch 
die  Sprache  immerhin  als  ein  sehr  wichtiges  Merkmal  auch  in  anthro- 
pologischer Hinsicht  ansehen,  und  wo  es  sich  wie  hier  um  die  Mitteilung 
geistigen  Besitzes  handelt,  der  ja  durch  die  Sprache  vermittelt  werden 
muss,  wird  immer  die  Sprachwissenschaft  eine    gewichtige  Stimme  haben. 

Nun  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  die  Sprache  der  Masai  ebenso 
wie  die  Sprache  der  Wandorobbo  zu  demselben  Sprachstamm  gehört,  wie 
die  in  Abessynien  und  seinen  Nachbarländern  gesprochenen  hamitischen 
Sprachen.  Ich  will  statt  vieler  Ausführungen  nur  einige  Beispiele  an 
Zahlwörtern  geben. 

Das  Zahlwort  für  4,  welches  jetzt  im  Masai  im  Gebrauch  ist,  lautet 
ungwan.  Es  ist,  so  viel  ich  sehe,  den  Sudannegersprachen  entnommen: 
vgl.  Dinka  donguan,  nguan  (unguan),  Lur  auua,  Bari  euguan. 

In  vierzig  hat  das  Masai  aber  einen  ganz  andern  Stamm  für  „vier", 
nämlich  ar-.  40  lautet  artam2)  und  ist  zu  zerlegen  in  ar-tam.  tarn  ist  10. 
vgl.  digitam  20.  (In  ossom2)  30,  onom  50  und  in  tomon  10  ist  ursprüng- 
lich a  zu  o  geworden.)  Dies  ar-  ist  aber  hamitisch.  Vgl.3)  Somali  afar  4. 
davon  afartam  40;  Galla  afuri  4;  Aegyp tisch  afadu4;  lrob-Saho  afar  4. 
rAfar  faray  4;  Bedauye  fadiq  4.  Im  Kafa  ist  ebenso  wie  im  Masai  das 
f  verschwunden,  aüdä,  aüdö  4. 

Mit  Masai  esied  (isiet)  8  vgl.  Somali  sidet  8  Galla  zadet    8. 

Mit  Masai  sal  (nach  Merker  alte  Sprache)  !>  vgl.  Somali  sagal  9, 
Galla  zagala  9,  cAfar  sagal  0,  lrob-Saho  sägal  !>. 

Mit  Masai  domon  (tomon)  „zehn",  vgl.  oben  -tarn  in  den  Zehner- 
zahlen,  sowie  Somali  toban  10,  Galla  -tama  in  den  Zehnerzahlen  z.B. 
zadettama  80,  'Afar  tabanä  10,  lrob-Saho  tämmäu  10,  Bedauye  tamüu. 
tamin  10  usw. 

Selbstverständlich  gibt  es  eine  ganze  Anzahl  Fälle,  wo  die  Über- 
einstimmung nicht  so  klar  ist.  Es  sind  aber  auch  die  Lautverschiebuii::>- 
gesetze  des  Masai  noch  nicht  festgestellt  —  obiges  ist  also  rein  empirisch 
gefunden. 

Jeder  Unbefangene  wird  nun  zugeben,  dass  diese  Gleichkläuge  nicht 
zufällig  sein  können,  sondern  dass  hier  Lehnworte  oder  stammverwandt.- 
Worte  vorliegen,  jedenfalls  also  ein  diesen  Völkern  mit  den  Masai  ge- 
meinsames Sprachgut.  Hierzu  kommt,  dass  die  Masai  auch  das  gramma- 
tische Geschlecht  unterscheiden  und  eine  dem  pluralis  fractus  ähnliche 
Bildung  kennen. 


1)  Die  Ähnlichkeit    von    Kuafi  und  Bari    hat  schon  Krapf  gesehen,     Reisen  in  Ost- 
atrika.     Knrnthal    L858  II  B.  889. 

2)  So  richtig    bei    Merker.      In    Ehrhardt    a.  a.  O.    sind    die    beiden   Zahlen   ver- 
wechselt. 

:>)   Ich  zitiere  nach  Keiuiseh. 


—     742     — 

Dass  die  Masai  früher  weiter  nördlich  gesessen  haben,  ist  nicht 
zweifelhaft.  Ausser  den  schon  genannten  Sprachen  der  Dinka  und  Bari 
zeigt  z.  B.  auch  die  Sprache  der  Nandi  (vgl.  Hobley,  Eastern  Uganda 
1902)  die  Spuren  der  Berührung  mit  den  Masai.  Wenn  die  Erinnerungen 
<ler  Masai  ihre  alten  Wohnsitze  schildern,  S.  278  ff.,  so  suche  ich  dieselben 
nicht  mit  dem  Verfasser  in  Asien,  sondern  in  Afrika  in  den  Ländern  am 
oberen  Nil  und  eventuell  in  den  Grenzländern  Abessyniens.  Dort  finden 
sich  Stämme,  die,  wie  diese  Berichte  schildern,  zum  Teil  den  Masai  in 
Sitte  und  Lebensgewohnheit  ähnlich  sind.1) 

Die  langhörnigen  Rinder  S.  287  erwähnt  am  Viktoria  Nyanza  Juncker, 
Reisen  in  Afrika  III,  S.  657,  ferner  Juncker  bei  den  Dinka  II,  S.  97. 
Als  abessynische  Rasse  sind  sie  bekannt. 

Die  Geier  bei  den  Dörfern  S.  288  erwähnt  Juncker  I,  289  bei 
den  Bari. 

Das  Weissagen  aus  den  Eingeweiden  S.  288  finde  ich  bei  Hobley 
S.  22  (mit  Abbildung)  und  S.  83;  Fischer  S.  288  erwähnt  z.  B.  Hobley 
S.  26.  Auch  die  Kanäle  und  Brücken  und  die  Überschwemmungen,  deren 
die  Erinnerungen  gedenken,  deuten  auf  den  oberen  Nil;  vgl.  Juncker 
II,  S.  96. 

Die  aus  Holz  geschnitzten  Figuren  S.  281  finden  sich  bei  den  Bari, 
Juncker  I,  S.  309  (Abbildung).  Ferner  erwähnt  Juncker  I,  S.  285  das 
Entfernen  der  unteren  Schneidezähne  bei  den  Bari,  ebenda  ihren  Kopf- 
schmuck aus  schwarzen  Federn;  vgl.  auch  den  „Hut"  der  Dinka  I,  S.  489. 

Die  in  den  „Erinnerungen"  S.  268  beschriebene  Haartracht  ist  bei 
Juncker  I,  S.  80  abgebildet  bei  den  Beni-Amr. 

Der  Gottesnamen  Njau  S.  280,  den  Verfasser  mit  hebräisch  Jahveh 
zusammenbringt,  erinnert  mich  viel  eher  an  den  Namen  jarö,  yarö,  wie 
er  bei  den  Kafa2)  heisst.  Vgl.  auch  Masai  ol-donjai  „der  Heide"  mit 
fAfar2)  düläna. 

Wahrscheinlich  lassen  sich  noch  andere  Punkte  der  „Erinnerungen" 
identifizieren. 

Was  folgt  aus  dem  allen?  —  Wenn  die  Masai  früher  dort  im  Norden 
in  der  Nähe  Abessyniens  sassen,  so  sind  sie  schon  in  alter  Zeit  mit  dem 
Christentum  und  dem  Judentum    in  Berührung    gekommen.8)     Und    wenn 


1)  Besonders  merkwürdig  ist  dir  Notiz  bei  Hobley  a.  a.  0.  S.  31  oben,  dass  die 
Schneidezähne  deshalb  entfernt  -werden,  damit  die  Frau  nicht  stirbt.  Dass  ein  Zusammen- 
hang der  Zahnverstümmclung  mit  dem  sexuellen  Gebiet  vorlag,  wurde  schon  vermutet. 
Hier  linde  ich  zuerst  eine  bestimmte  Angabe  eines  Eingeborenen  darüber.  Vgl.  auch  den 
Friedensschluss  zwischen  Nandi  und  Masai  durch  Kindertausch.     Hobley  S.  42, 

2)  Nach  Reinisch,  Die  Kafa-Sprache,  Wien  1888;  Derselbe,  Die  cAfar-Sprache, 
Wien  L885. 

3  [ch  setze  als  bekannt  voraus,  dass  die  Abcssynicr  und  die  ihnen  nahe  wohnenden 
Hamitenstämme,  soweit  sie  nicht  zum  Judentum  übergetreten  sind,  seit  alter  Zeit  „Christen" 
sind:  vgl.  ■/,.  B.  L.  liei  nisc  h,  Die  Kafa-Sprache  I,  S.  1 1  11'.  Vgl.  ferner  die  Ausführungen 
von  Krapf  a.a.O.  I,  8.62.  Danach  feiern  die  abessynischen  Christen  Sonntag  und 
Sabbatfa  und  haben  neben  manchen  andern  jüdischen  Gebräuchen  die  Beschneidung  der 
Knaben  und  der  Mädchen  S.  G8f.  Vgl.  das  Füttern  der  Schlangen  I,  S.  !)9f.  bei  den  Galla 
'vgl.  Merk  er  8.202)  neben  mancherlei  christlichen  Einflüssen  aus  alter  Zeit.     Vgl.  ferner 


—     743     — 

sie  dergleichen  alte  Berichte  besitzen,  die  in  einem  handgreiflichen  Zu- 
sammenhang mit  biblischen  Berichten  stehen,  so  liegt  eben  eine  Reminiszenz 
;nis  jener  Zeit  vor.  Ich  halte  deshalb  alle  Deutungsversuche  des  Ver- 
fassers für  verfehlt.  Die  „zehn  Gebote",  wie  die  Masai  sie  haben,  haben 
mit  dem  Dekalog  ja  auch  im  Wesentlichen  nur  die  Zehnzahl  gemein 
und  diese  Zählung  scheint  mir  im  Masai  auch  künstlich  zu  sein  oder 
dadurch  bedingt,  das^  der  Mensch  zehn  Pinger  hat. 

Gegenüber  der  immer  wiederholten  Behauptung  von  der  Oberein- 
stimmung altisraelitischer  und  Masai-Sitte,  die  ja  in  Einzelheiten  gewiss 
vorliegt1),  kann  nicht  scharf  genug  darauf  hingewiesen  werden,  wie  gross 
andrerseits  der  Unterschied  ist.  Den  Masai  wird  zunächst  erlaubt,  Blut 
zu  trinken,  aber  nicht  Vieh  zu  schlachten  S.  •_><;:;.  Dem  Israeliten  ist  das 
Blut  unbedingt  verboten,  und  die  Erlaubnis,  Vieh  zu  schlachten,  wird  an 
die  Bedinguni;'  geknüpft,  d;iss  das  Blut  nicht  genossen  werde.  (Jen.'.».  1: 
Lew  3,  17;  Deut.  12,  16.  Wahrscheinlich  sind  alle  jüdischen  Speise- 
gebote von  dem  Abscheu  gegen  den  Blutgenuss  diktiert  —  und  dem 
Masai  ist  Blut  Lebensmittel  ebenso  wie  Milch.  Die  Anschauung,  dass 
Milch  und  Fleisch  nicht  gleichzeitig  genossen  werden  dürfen,  scheint  beiden 
gemeinsam  zu  sein.  Sie  ist  aber  im  Judentum  erst  sehr  späten  Ursprungs 
auf  Grund  von  Exod.  23,   19. 

'  Dem  Juden  ist  der  Cienuss  erstickten  Viehs  unbedingt  verboten,  und 
<ler  Masai  tötet  manche  Schlachttiere  durch  Ersticken  S.  169  und  isst  ge- 
fallenes Vieh  (ebenda). 

Die  Vorliebe  des  Masai  für  die  Hunde,  die  Ehrhardt  a.  a.  0.  S.  25 
erwähnt,  finde  ich  bei  Merker  nicht  angeführt.  Xach  Ehrhardt  hat 
jedes  Kind  seinen  Hund,  und  wenn  der  Hund  stirbt,  wird  als  Trauer- 
zeichen  dem  kleinen  Masai  der  Kopf  in  Streifen  rasiert.  Merker  er- 
wähnt  nur  S.  H'.s,  dass  mau  früher  ziemlich  allgemein  Hunde  gehalten 
hat.  In  merkwürdigem  Gegensatz  hierzu  steht  der  S.  262  in  den  „Er- 
innerungen- über  den  Hund  ausgesprochene  Fluch  und  der  Abscheu  der 
Semiten   gegen  den  Hund. 

Aus  dem  allen  geht  also  nur  das  hervor,  dass  die  schönen  Forschungen 
des  Verfassers  gewonnen  hätten,  wenn  er  keinerlei  Schlussfolgerungen 
daraus  gezogen  hätte.  Diese  Schlüsse  werden  sich  immer  mehr  als  un- 
richtig herausstellen. 

Krapfs  Ausführungen  über  jüdische  and  christliche  Einflüsse  bei  den  Kamanten  II, 
S.  3661    Die  Masai  halten  keine  Hühner  S.  L61,  ebenso  die  Galla.    Krapf  I,  S.  100. 

1>;i~  Verhol  des  Blutgenusses  und  den  Halsschnitt  beim  Schlachten,  wovon  die  Masai 
bei  den  El-dinel  S.  279  erzählen,  konnten  sie  bei  den  jüdischen  (Falasha)  oder  mohanime- 
danischen  Stammen  des  Nordens  kennen  gelernt  haben.  Das  Beifügen  einer  Wurzel  zum 
Meth  S.346  Nr.  93  und  B.348  Nr.  1l>l'  erwähn*  Krapf  II.  S.357. 

Vgl.  in  meiner  Ansichl  auch  Baumann,  Durch  Masailand  zur  Nilquelle  S.  203. 

h  l>ass  die  Woche  mit  dem  Mond  zusammenhängt,  ist  für  die  biblische  Woche  in 
hohem  Masse  wahrscheinlich  schon  nach  Gen.  i.  II  und  nach  der  häufigen  Zu-ammen- 
stellung  von  Sabbathen  und  Neumonden  —  wenn  Merker  diesen  Zusammenhang  für  das 
Ma  n  ebenfalls  behauptet  S.  |.">|,  hat  er  gewiss  recht,  vorausgesetzt,  dass  die  Woche  bei 
den   Masai  wirklich  existiert     s.   oben  . 


—     744     — 

Das  unterliegt  ja  keinem  Zweifel,  dass  die  Nomadenstämme  Afrikas 
vielfach  in  ähnlichen  Anschauungen  und  unter  ähnlichen  Verhältnissen 
leben,  wie  die  Stämme  des  alten  Israel.  Dergleichen  wurde  bei  manchen 
Gesetzen  der  alten  Zeiten  vorausgesetzt,  ich  denke  z.  B.  an  das  Blutverbot. 
Diese  Ähnlichkeit  hat  schon  manchen  Forscher  veranlasst,  in  Afrika 
„Semiten"  bezw.  „Juden"  zu  finden;  vgl.  darüber  z.  B.  die  Einleitungen 
mancher  Grammatiken  afrikanischer  Sprachen.  Dabei  werden  dann  aus 
einzelnen  zufälligen  Gleichklängen  in  ähnlicher  Weise  Schlüsse  gezogen, 
wie  der  Verfasser  die  El-eberet  mit  Ebräern  zusammenbringt. 

Lassen  wir  das  bei  Seite,  so  kann  doch  nicht  geleugnet  werden, 
dass  die  Kenntnis  afrikanischer  Verhältnisse  für  den  Erforscher  des 
hebräischen  Altertums  wegen  der  hier  vorliegenden  Analogien  von  er- 
heblichem Nutzen  sein  würde,  und  wenn  die  Mitteilungen  des  Verfassers 
aufs  neue  zu  solchen  Studien  anregen,    so    verdient    er  besonderen  Dank. 

Will  der  Verfasser  meinen  Zweifeln  durch  den  Hinweis  darauf  be- 
gegnen, dass  alle  Hamitenstämme  Afrikas  in  der  Vorzeit  einmal  aus 
Asien  nach  Afrika  eingewandert  sein  sollen1),  und  dass  ja  dann  mit  ihnen 
auch  die  Masai  gekommen  sind,  so  habe  ich  dagegen  nicht  viel  ein- 
zuwenden. Vielleicht  ist  es  so  gewesen  —  aber  auf  jeden  Fall  ist  dann 
der  enge  Zusammenhang  zwischen  Juden  und  Masai,  der  vom  Verfasser 
behauptet  wird,  nicht  nachgewiesen,  sondern  dieser  Gedanke  ist  dann 
endgültig  aufgegeben.     Und  das  wird  das  Richtige  sein. 


1)  Vgl.  auch  Baumann  a.  a.  0.  S.  195. 


II.    Verhandlungen. 


Sitzung  vom  22.  Oktober  1904. 
Vorsitzender:    Hr.  Lissauer. 

(1)  Der  Vorsitzende  eröffnete  die  Sitzung  mit  der  erschütternden 
Kunde,  dass  Hr.  Geh.  Sanitätsrat,  Professor  Dr.  Max  Bartels,  seit  1889 
Schriftführer  der  Gesellschaft,  am  heutigen  Morgen  im  Alter  von  61  Jahren 
verschieden  ist.  Wenn  der  Tod  auch  für  den  Verstorbenen  eine  Er- 
lösung von  langen,  schweren  Leiden  war,  so  erfüllte  die  MitteiluDg  doch 
alle  Mitglieder  der  Gesellschaft  mit  tiefem  Schmerz.  Die  aufopfernde 
Gewissenhaftigkeit,  mit  welcher  er  sich  seines  Amtes  stets  angenommen, 
und  die  liebenswürdige  Bescheidenheit,  mit  der  er  den  Wünschen  jedes 
Mitgliedes  entgegenkam,  sind  noch  frisch  in  aller  Gedächtnis.  Von  den 
vielen  Ehrenämtern,  die  er  verwaltete,  liebte  er  am  meisten  das  Amt  des 
Schriftführers  in  unserer  Gesellschaft:  diese  dankte  ihm  dafür  durch  all- 
gemeine Gegenliebe,  und  war  Rudolf  Virchow  auch  ihr  Haupt,  so  war 
Max  Bartels  doch  ihr  Herz. 

Als  Anthropologe  gehörte  er  noch  zu  der  alten  Schule,  die  mit  den 
drei  Gebieten  unseres  Arbeitsfeldes  gross  geworden  waren  and  ihre  Tätig- 
keit auch  auf  alle  drei  auszudehnen  vermochten.  Sein  grösstes  Interesse 
widmete  er  aber  der  somatischen  Anthropologie.  Seine  Untersuchungen 
aber  die  abnorme  Behaarung  heim  .Menschen  und  über  Menschenschwänze 
fanden  die  allgemeine  Anerkennung  der  Fachleute.  Sein  berühmtes  Werk 
über  „das  Weib",  welches  er  aus  Bescheidenheit  noch  immer  unter  dem 
Namen  des  erstes  Bearbeiters  erscheinen  Hess,  obwohl  es  von  ihm  gänzlich 
umgearbeitet  war.  erscheint  jetzt  schon  in  der  achten  stets  vermehrten 
Autlage,  ein  seltener  Erfolg  für  ein  wissenschaftliches  Werk.  In  der 
Ethnologie  trug  er  «las  Material  über  „die  Medizin  der  Naturvölker"  in 
einem  besonderen  Werk  zusammen  und  für  die  l  rgeschichte  und  Volks- 
kunde lieferte  er  eine  grosse  Zahl  geschätzter  Beiträge  in  verschiedenen 
Zeitschriften. 

In  der  Verwaltung  nahm  er  regen  Anteil  an  allen  Geschäften  des 
Vorstandes.     Ami   L898  bis  1901   war  er  Mitglied  der  Redaktionskommission 

Zeitschrift  für  Ethnologie,    Jahr','.  1901    Heft  &  |n 


—     746     — 

für  die  Zeitschrift  für  Ethnologie;  mit  besonderer  Vorliebe  widmete  er 
sich  aber  der  Sammlung  von  Photographien,  welche  unter  seiner  ordnenden 
Hand  zu  einem  ausserordentlich  wertvollen  Schatz  der  Gesellschaft  heran- 
wuchs. 

Auf  die  Aufforderung  des  Vorsitzenden  erhoben  sich  alle  Anwesenden 
zu  Ehren  des  Verstorbenen  von  ihren  Sitzen. 

Von  den  andern  Mitgliedern  des  Vorstandes  bedauerten  nicht  anwesend 
sein  zu  können:  Hr.  Waldeyer,  welcher  noch  nicht  von  seiner  Amerika- 
reise heimgekehrt  war,  Hr.  Voss,  welcher  sich  noch  auf  einer  Museums- 
reise befand,  und  Hr.  Traeger,  welcher  sich  wieder  nach  Albanien  be- 
geben hat,  um  dort  seine  früheren  Studien  fortzusetzen.  — 

("J)  Seit  unserer  letzten  Sitzung  hat  der  Tod  leider  noch  viele  andere 
hochgeschätzte  Mitglieder  und  Fachgenossen  dahingerafft. 

Unser  Ehrenmitglied,  Hr.  Professor  Rudolf  Philip pi,  ist  am  23.  Juli 
in  Santiago  di  Chile  im  Alter  von  96  Jahren  gestorben.  Seine  Verdienste 
auf  den  Gebieten  der  Biologie  und  Kthnologie  sind  allgemein  bekannt. 
Wir  verehrten  in  ihm  noch  besonders  einen  Bahnbrecher  für  deutsche 
Methode  der  Forschung  jenseits  des  Ozeans  überhaupt  und  ernannten  ihn 
noch  im  Jahre  1900  bei  Gelegenheit  seines  70jährigen  Doktor-Jubiläums 
zum  Ehrenmitglied  unserer  Gesellschaft. 

Wir  beklagen  ferner    schmerzlich  den  Tod  unseres    langjährigen  Mit- 
gliedes,   des   Hrn.  Geheimen    Regierungsrats    Professor   Alfred    Nehring, 
der  am  "29.  September  hier  gestorben  ist.     Nehring  gehörte  zu  den  Zierden 
unserer  Gesellschaft,    und  seine  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Prähistorie 
und  Paläontologie  zu  den  besten  überhaupt.     Seit  1874    veröffentlichte  er 
Untersuchungen    über   die  diluvialen  Funde  von  Westeregeln  und  Thiede, 
welche  schon    durch    die    genaue  Bestimmung    der    diluvialen  Fauna  aus- 
gezeichner waren;    seitdem    hat    er    dieses  Gebiet    unermüdlich  ausgebaut 
iiml    eine    grosse    Reihe    von    Abhandlungen    zur   Zoologie,    Paläontologie 
und  zur  Geschichte  der  Haustiere  veröffentlicht.     Auf  Grund    eingehender 
Studien  der  Steppentiere  wies  er  bekanntlich  für  Mitteleuropa  die  Existenz 
einer  post-  oder  lnterglazialcn  Steppenzeit    nach    und  legte    seine  epoche- 
machenden  Untersuchungen  1890  in  einem  grösseren  Werke  über  Tundren 
and  Steppen  nieder.     Er  bearbeitete  aber  auch  alles  andere  paläontologische 
.Material    mit    einer  Gründlichkeit    und  Zuverlässigkeit,    dass    er  bald  des 
Ruf    einer    ersten    Autorität    in    seinem   fach    erwarb.     Von    allen  Seiten 
strömte  ihm    das  Material    zur    Bestimmung    der    vorgeschichtlichen  Tier- 
reste zu   and   wenn  er  auch    oft    unter  der  wachsenden  Arbeitslast  seufzte, 
da  >ein   Beruf    als    Lehrer    an    der    Landwirtschaftlichen  Hochschule    seine 
Zeit   «loch   vorherrschend    in  Anspruch    nahm,    so    war    er  dennoch   immer 
bereit,  sein   reiches   Wissen   in   den   Dienst  der  Forschung  zu  stellen.     Uns 
besonders  war  er  stets  ein  treuer  Berater    und    wenn    er  auch  durch  eine 
unglückliche  Verkettung  verschiedener  Verhältnisse  in  den  letzten  Jahren 
unseren  Sitzungen  fernblieb,    so  verfolgte  er  doch    unsere  Verhandlungen, 
wie  er  ans  wiederholt  versicherte,    mit  grossem  Interesse,    erteilte  uns  bis 
in  die  letzte  Zeit  hinein  mit  grosser  Liebenswürdigkeit    auf  jede  wissen- 


—     747     — 

schaftliche  Frage  Auskunft  und  veröffentlichte  noch  im  vorigen  Jahre  in 
unserer  Zeitschrift  eine  A-bhandlung  über  einen  bearbeiteten  Astragalufl 
einer  Drkuh.  Die  ganze  naturwissenschaftliche  Welt  wird  mit  uns  seinen 
Verlust  tief  empfinden. 

Der  Tod  hat  uns  ferner  zwei  unserer  ältesten  .Mitglieder  entrissen: 
Hm.  Geh.  Regierungsrat  Professor  von  filartens,  der  unsere  vorgeschicht- 
lichen Studien  durch   I5esti Hing  der  Conchylien    stets    unterstützte,    und 

Ihn.  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Altraliain,  einen  fleissigen  Besucher  unserer 
Sitzungen,  —  weiterhin  die  Herren  Bergwerks-Direktor  Rudolf  Härche, 
Bankier  Alexander  Meyer  Colin,  Professor  Ernst  Robel  und  General- 
Direktor  E.  Drory. 

Wir  erwähnen  ferner  von  Nichtmitgliedern  dvn  Tod  des  berühmten 
Ethnologen  Hrn.  Professor  Friedrich  Ratzel  in  Leipzig,  des  Hrn.  Professor 
Dr.  Sixt  in  Stuttgart,  welcher  als  Mitglied  der  Zentralkommission  für 
prähistorische  Typenkarten  und  als  Redakteur  der  Fundberichte  aus 
Schwallen  sich  um  die  Vorgeschichte  ein  grosses  Verdienst  erworben,  und 
des  Hrn.  Professor  Dr.  Fritz  Plehn,  welcher  als  Regierungsarzt  in  Kamerun 
sich  durch  seine  Studien  über  die  tropischen  Krankheiten  so  verdient  ge- 
macht hat. 

Allen  diesen  .Männern  werden  wir  stets  ein  ehrendes  Andenken  be- 
wahren. — 

(3)  Von  Hrn.  Professor  Koganei  ist  folgendes  Dankschreiben  aus 
Tokyo  vom   L6.  August  eingegangen: 

Tokyo,   16.  August  1904. 

An  den  Vorstand  der  Gesellschaft  für  Anthropologie, 
Ethnologie  und  Urgeschichte  zu  Berlin. 
Ihrer  geehrten  Zuschrift  vom  20.  Februar  erlaube  ich  mir  hiermit  zu 
erwidern,  dass  ich  die  Ernennung  zum  korrespondierenden  Mitgliede  der 
Gesellschaft  dankbar  annehme.  Es  ist  mir  ein  ehrenvoller  Titel,  einer 
Gesellschaft  anzugehören,  die  seit  36  Jahren  so  viel  für  unsere  Wissen- 
schaft geleistet  hat.  [ch  wünsche  von  ganzem  Herzen,  dass  unsere  Gesell- 
schaft  wie  bisher  recht  erfolgreich  gedeihen  möge!    — 

(4)  Se.  Majestät  der  Kaiser  hat  unserem  Ehrenmitglied e,  dem  Fräulein 
Professor  Biestorf  in  Kiel,  die  kleine  goldene  .Medaille  für  Kunst  und 
Wissenschafi  verliehen.  Wir  haben  der  ausgezeichneten  Vertreterin  vor- 
geschichtlicher  Forschung  bereits  im  Namen  der  Gesellschaft  unsere 
Gratulation  zu  dieser  hohen  Ehrung  ausgesprochen. 

(5)  Als   neue    Mitglieder  werden  gemeldet: 

i.    Hr.  Generalleutnant  /..  D.  von  Diesi   in  Stettin. 

2.      ..     Stabsarzt  Dr.  Assmv  in  Oldenburg. 

:i.      ..     Dr.  Stimmingin  Gross-Wusterwitz  bei  Brandenburg  a.d.  II.. 

praktischer   Ar/.t. 

1.      ..     Joachim  Otto  von  der  Hagen  in  Schmiedeberg  bei  Greifen- 
berg in  Pommern.  — 

48* 


—     748     — 

((i)  Die  allgemeine  Versammlung  der  Deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  hat  in  Greifswald  unter  grosser  Teilnahme  der  Mitglieder  aus 
ganz  Deutschland  und  berühmter  schwedischer  Gäste  stattgefunden.  Über 
die  zahlreichen  Vorträge  und  Diskussionen,  sowie  über  den  Ausflug  nach 
Rügen,  Bornholm,  Gotland  und  Stockholm  wird  das  Korrespondenzblatt 
ausführlich  berichten;  nur  der  Bericht  der  Kommission  für  prähistorische 
Typenkarten  wird  aus  praktischen  Gründen  nach  einem  Übereinkommen 
mit  Hrn.  Professor  Ranke  in  unserer  Zeitschrift  für  Ethnologie  ver- 
öffentlicht werden. 

Auch  der  Amerikanisten -Kongress  in  Stuttgart  unter  Leitung  der 
Herren  Sei  er  und  Karl  von  den  Steinen  hat,  wie  unsere  beiden 
Delegierten  melden,  einen  glänzenden  Verlauf  genommen;  Hr.  Ehren- 
reich  wird  uns  in  der  nächsten  Sitzung  darüber  näheres  berichten. 

Hr.  Gustav  Fritsch  hat  eine  Weltreise  angetreten.  Hr.  und  Frau 
Seier  befinden  sich  wieder  auf  einer  Forschungsreise  in  Mexiko.  — 

(7)  Hr.  von  Le  Coq  ist  vom  Königl.  Museum  f.  Völkerkunde  nach 
Chinesisch-Turkestan  gesandt,  um  die  von  Hrn.  Grünwedel  begonnenen 
Ausgrabungen  wieder  aufzunehmen.  — 

(8)  Zu  Delegierten  für  den  Internationalen  archäologischen  Kongress, 
der  Ostern  1905  in  Athen  stattfinden  soll,  sind  die  Herren  Lissauer  und 
Kieszling,  welcher  letztere  bekanntlich  augenblicklich  in  Griechenland 
weilt,  gewählt  worden.  — 

(D)  Hr.  Voss  versendet  ein  Zirkular  an  alle  volkskundlichen  Museen 
zur  Eintragung    statistischer  Daten    über    den  Inhalt  der  Sammlungen.  — 

(10)  Hr.  Prediger  Handtmann  übersendet  aus  Seedorf  bei  Lenzen 
a.  Elbe  vom  4.  August  1904  die  folgende  Mitteilung,  betreffend 

Brettcheuweberei. 

1.  Eigentliche  Brettchenweberei  fand  ich  im  Jahre  1875  hierher 
kommend  als  Bandweberei  ausgeübt  durch  Frau  Gutsbesitzer  Wen  dt, 
geb.  Kofa hl,  in  Breetz  bei  Lenzen  a.  Elbe.  Die  dadurch  hergestellten 
Bänder  sind  namentlich  als  Anhängeösen  für  Handtücher,  Staubtücher, 
Wischtücher  in  praktischen  Gebrauch  gekommen. 

Das  von  Frau  Gutsbesitzer  YYondt-Breetz  gebrauchte  Webebrettchen 
isl  nach  deren  Tode  in  den  Besitz  einer  früher  in  Wendtschen  Diensten 
stehenden  Arbeiterfamilie  Schumacher  übergegangen  und  soll  durch 
Verheiratung  einer  Tochter  dieser  Familie  nach  dem  Dorfe  Polz  bei  Dömitz 
in  Mecklenburg  gekommen  sein. 

'1.  Die  Frau  des  Arbeiters  Lemke  in  Breetz,  einem  kleinen,  nach 
der  Kirche  Seedorf  eingepfarrten  Wiesendorfe  im  Kreise  Westprignitz, 
iiltt  uoch  immer  Brettchenweberei  ans.  Gelegentlich  einer  Haustaufe  in 
dieser  Familie  Hess  ich  mir  das  Webebrettchen  vorlegen. 

3.  Die  Eefi  I  S.  137  u.  L38  von  Hrn.  Schippel  dargestellte  Borten- 
weberei  übte  ein  vor  mehreren  .Jahren  in  meinem  Haushalt  dienendes 
Mädchen   aus  dem    Kreise    Tilsit   mit  {rrossem  Geschick  aus.     Name:  Marie 


—     74!»     — 

Adomeit,  lebt  jetzt  als  „verwitwete  Frau  Fritze"  im  Dorfe  Mödlicfa 
bei  Lenzen  a.  Elbe,  sprach  litaniscb  mit  untermischten  russischen  Worten« 
Dieselbe  Persönlichkeit  fertigte  mit  grossem  Geschick  Mooskränze  und 
Bpielereiknnstwerke  ans  Strohhalmes  an. 

(11)  Hr.  A.  van  Grennep  achreibt  uns  ans  Clamart  bei  Paris  vom 
19.  August  1904  über  das 

Tätowieren  in  Nordafrika. 

[ch  möchte  hiermit  einig»-   Worte  zu  Hrn.  Paul  Trag  Handlung 

über  tunesisches  Tätowieren1;  hinzufügen. 

Das  Tätowieren  bei  den  Einwohnern  der  Hauptstadt  Tunis  wurde 
allerdings  schon  öfters  studiert:  das  Tätowieren  aber  <ler  in  dem  ber_  _ 
Teil  d>  r  i  _  schalt  wohnenden  Khumir  beinahe  nicht.  Vor  mehreren 
Jahren  bemerkte  ich  in  Tuni-  einige  Khumir.  Männer,  Frauen  und  Kinder, 
die  alle  tätowiert  waren,  und  man  sagte  mir,  da--  es  so  wäre  bei  allen 
Khumir:  um  so  auffallender  schien  mir  dann  die  Behauptung  Dr.  Bazins2): 
rDans  la  parti»-  septeiitrionale  de  la  Tunisie.  les  Khoumi^  ne  -e  tatouent 

Meine  Beobachtung    und    die    bejahenden    Antworten    der  Tui 
auf  meine  Fragen  sind  dagegen  durch  die  Abhandlung3)  des  vorzüglichen 
Kenners  Tuneso-ns.  des  Dr.  Berthol on  bestätigt,  welcher  drei  Arten  des 
Tätowierens  bei  den  Khumir  unterscheidet: 

1.  ornamentale  Tätowierung, 

2.  Stammes-Tätowierung, 

3.  Heil-Tätowierim_. 

I>.t-  häufigste  Motiv  der  ersten  Kategorie  ist  der  Palmbaum.  we-v.    . 
man  diese   Art   oft    nur    nakhla    nennt;    ein    anderes,    Behr    interessantes 
.Motiv  i-t  die  Darstellung  eines  Mannes  mit  ausgestreckten  Armen  und  in 
♦•ine  Art  Tunika    eingehüllt;    diese    Figur   findet  man  öfter-  ^".rnetrisn-rt. 

Das  Kreuz  gehört  zu  der  zweiten  Art.  Xach  meiner  Ansicht  hat  es  nichts 
mit  dem  Christentum  zu  tun.  bo  ein  einfaches  Zeichen  kann  überall  ^anz 
unabhängig  entstehen:  manchmal  kann  man  das  direkt  nachweisen,  z.  B. 
durch  ei:  _  9  er  deutschen  sowie   der  asiatischen  Eigen- 

tnmszeichen.  Was  die  Khumir  besonders  angeht,  -  sagt  auch  Dr.  Ber- 
tholon  ausdrücklich:  „La  croiz  peut  avoir  um-  origine  chretienne;  la 
eroiz  est  aussi  un  Symbole  anterieur  a  cette  religi"ii  .  .  .  il  ost  a  remarquer 
que  >i  ee  Bigne  avait  ete  regarde  comme  un  embleme  religieux,  les  indigi 
conyertis  ä  1  Islam  se  seraient  hates  de  le  bannir  de  Lernt  -  -  de  peur 
de  ii"  pas  etre  regardes  comme  des  croyants  sin« •••:•••-. - 

IIi.    I     igei  -   -•  "     nie  in  Tunis  uu4(l  nennen 

hören;  aber  vielleicht  sprach  man  ihm  von   washm  (wa-::.  .     Daq 
ja  »fein  zermalmen",    daqq  ist  als<>  „das  Zermalmen,  das  Zerquete 


1    Z.  f.  E.  1904  p.  469  ff. 

_'    In.  l'.azin,    Etüde  sur  le  tatouag-.-  dans  la  Regence  de  Tunis,    l'Anthro- 
pologie.  T.  I  p.  576,  mi* 

rtholon.  Exploration  anthr    ;  •  de  la  Khoumirie,  Bull.de 

:  pp.  464  — 


—     750     — 

dakka  (mit  kef)  hat  fast  den  gleichen  Sinn,  und  wenn  es  sich  um 
Tätowieren  handelt,  so  bedeutet  daqq  (bezw.  dakk)  „das  Einreiben  fein 
zermalmter  kolorierender  Substanzen".1)  Wenn  man  z.  B.  Lanes  Be- 
schreibung des  ägyptischen  Lebens2)  nachliest,  so  sieht  man,  dass  das 
beigegebene  Wort  dakk  sich  auf  das  Einreiben  des  Stoffes  bezieht:  „some 
smoke-black,  or  wood,  or  oil  .  .  .  some  indigo  is  rubbed  into  the  punctures. 
It  is  generally  performed  .  .  .  by  g'ipsy  women.  The  term  applied  to  it 
is  dakk." 

Auffallend  genug  ist,  dass  weder  Lane  noch  mehrere  andere  Schrift- 
steller (Lane's  Arabic-English  dictionary  natürlich  ausgenommen)  das 
Wort  washm  für  Tätowierung  nicht  erwähnen,  da  es  doch  das  richtige, 
altarabische  ist:  „The  washm",  sagt  u.  a.  Robertson  Smith3),  „as  de- 
scribed  in  the  old  poets  and  in  the  hadith  is  a  sort  of  tattooing  of  the 
hands,  arms  and  gums,  imprinted  by  women  on  others  of  their  own  sex 
by  way  of  adornment";  heutzutage  heisst  noch  überall  das  tätowierte 
Zeichen  washm.  Ein  anderes  (semitisches)  Wort  für  diese  Art  Operation 
ist  seret  (hebräisch),  sharat  und  shart  (arabisch). 

Manchmal  kommt  das  washm  als  wasm  (Eigentumszeichen)  vor4); 
aber  in  dieser  Richtung  wurde  bis  jetzt  nur  wenig  gesucht,  weder  in  der 
arabischen  Literatur  noch  im  Volke;  dass  washm  zugleich  als  wasm 
diente,  um  Sklaven  oder  Kriegsgefangene  zu  kennzeichnen,  ist  festgestellt, 
so  in  Arabien  wie  in  Nordafrika. 

(12)  Hr.  Oberbürgermeister  Dr.  Brecht  übersendet  aus  Quedlinburg 
die  folgende  Mitteilung  vom  15.  August  über 

die  Eolithen  von  Biere. 

Da  den  sog.  Eolithen  erfreulicherweise  jetzt  eine  so  rege  Teilnahme 
zugewandt  wird,  so  erlaube  ich  mir,  über  ihre  Entdeckung  in  der  Provinz 
Sachsen  einige  Mitteilungen  zu  machen,  die  den  Bericht  des  Hrn. 
Dr.  Hahne  vom  19.  März  1904  (S.  308  der  Zeitschrift)  ergänzen  und  zum 
Teil  berichtigen  mögen. 

Als  die  diesseitige  Provinzialverwaltung  ihre  Historische  Kommission 
gegründet  hatte  (1876),  wurde  auch  der  Professor  Fr.  Klopfleisch  zum 
Mitgliede  der  Kommission  gewählt,  um  vorgeschichtliche  Forschungen  in 
Angriff  zu  nehmen  und  für  die  Errichtung  eines  Provinzialmuseums  Rat 
zu  geben.  In  der  zweiten  Sitzung,  an  der  Klopfleisch  teilnahm,  am 
23.  Oktober  1877,  legte  er  eine  Anzahl  kleiner  Feuersteingeräte  vor,  die 
ihm  der  Lehrer  (nicht  Kantor)  A.  Rabe  zu  Biere  anvertraut  hatte.  Es 
\v;ueii  Spähne,  Schaber  mit  grader  und  gebogener  Schneide,  Sägen,  Bohrer 
und  anderes.      Nach    Rabes    Mitteilungen,    so    berichtete  er,    seien    diese 


1)  Siehe  die  Wörterbücher  Lanes,  Kasimirskis,  der  Beyruther  Jesuiten  usw.  s.  v. 

—   2)    E.  W.  Lane,    Manners    and  Customs  of  the  Modern    Egyptians.    London 

pp.  56 — 57.    —    3)    W.    Robertson    Smith,    Kinship    and    Marriage    in    Early 

Arabia.     Cambridge   1885   pp.  213— 210.    —   4)   A.    vau    Gennep,    Les    „Wasm"    ou 

Marques    de    Proprietö    des    Arabes.     Int.  Archiv  f.  E.   L902. 


—     751     — 

(legenstände  in  dein  Diluvialkiese  des  Dahlsberges  und  Hängelberges  bei 
liiere,  wie  in  der  zwischen  Dien-  und  Gross-Mühlingen  belegenen  Kies- 
grube gefunden  worden.  Er  habe  sich,  als  er  von  diesen  Funden  erfahren, 
sol'oit  an  Ort  und  Stelle  begeben  und  sich  überzeugt,  dass  die  Sachen  in 
der  Tat  aus  dem  Diluvium  und,  wie  er  sieh  ausdrückte,  aus  einer  „Feuer- 
steinfabrik" herrührten.  Auf  seinen  Antrag  beschloss  dann  die  Kommission, 
eine  Auswahl  der  Sachen,  wenn  angängig,  zu  erwerben  und  von  den 
wichtigsten  Typen  Zeichnungen  anfertigen  zu  lassen,  die  in  dem  geplanten 
Druckwerke  der  „Vorgeschichtlichen  Altertümer"  Verwertung  linden  sollten. 
Infolgedessen  sind  denn  auch  100  der  wertvollsten  Stücke,  die  sich  jetzt 
im  Provinzialmuseum  befinden,  \'üv  die  Provinz  erworben,  während  die 
Berücksichtigung  der  Funde  in  der  genannten  Druckschrift  durch  Klop- 
fleisch  aus  mir  nicht  bekannten  Gründen  unterblieben  ist. 

Nach  4  oder  5  Jahren  meldete  mir  Er.  Rahe,  der  inzwischen  auf 
meinen  Wunsch  mancherlei  andere  vor-  und  frühgeschichtliche  Pundstücke 
in  höchst  dankenswerter  Weise  für  das  hiesige  Stadtmuseum  gesammelt 
hatte,  dass  er  wieder  eine  grössere  Anzahl  von  Steingeräten  aus  dem 
Kiese  der  genannten  Fundstellen  gesammelt  halte.  Da  die  Verwaltung 
des  nun  ins  Leben  gerufenen  Provinzialmusemns  der  Sache  zweifelnd 
gegenüberstand,  so  entschloss  ich  mich,  die  Sachen  kurzer  Hand  für  das 
hiesige  Museum  zu  übernehmen,  wollte  mir  aber  bei  der  Eigenart  der 
Fundumstände  doch  zuvor  noch  persönlich  von  der  örtlichkeit  eine  An- 
schauung verschaffen,  um  die  Aufnahme  in  das  Museum  bei  der  Stadt- 
verwaltung vertreten  zu  können.  Ich  begab  mich  deshalb  nach  Biere  und 
wurde  dort  an  die  Stelle  des  Dahlsberges  geführt,  wo  der  grobe  Kies,  aus 
dem  der  Hügel  bestand,  abgebaut  war.  Es  zeigte  sich  hier  eine  fast 
senkrechte  Wand  von  etwa  4 — 5  m  Höhe,  in  der  sich  mühelos  verschiedene 
Feuersteinknollen  erkennen  Hessen.  Nach  einigein  Suchen  erkannte  ich 
aher  in  etwa  .'!  ///  Höhe  auch  einen  Rundschaber  aus  Feuerstein,  der  mit 
dem  Kiese  verwachsen  schien.  Ich  löste  ihn  aus  seiner  Lage  heraus  und 
war  nun  von  dem  diluvialen  Charakter  auch  der  übrigen  in  den  Kiesen 
der  Gegend  gefundenen  Feuersteingeräte  insoweit  überzeugt,  dass  ich  mich 
zu  der  lütte  an  Hrn.  Kalte  für  berechtigt  hielt,  die  bereits  gesammelten 
und  weiter  sich  ergebenden  Funde  aus  dem  Kiese  dem  hiesigen  Stadt- 
museum zu  überlassen. 

Der  Bitte  hat  denn  Hr.  Rahe  auch  einige  Jahre  lang  entsprochen. 
so  das>  sich  in  dem  Museum  181  Stück  Feuersteingeräte  und  dazu  fünf 
Knochengeräte  befinden,  die  nach  den  Angaben  der  Finder  aus  dem  Kiese 
der  obengenannten   Fundstellen  herrühren. 

1. e'nler  hat  dann  Hr.  Rabe  im  Missverständnis  einer  Äusserung  von 
mir  angenommen,  dass  ich  auf  Vermehrung  der  diesigen  Sammlung  keinen 
Wert  lege  und  zahlreiche,  weitere  Fundstücke  anderweit  abgegeben:  so  an 
den  Dr.  Wanke!  in  Olmütz,  an  den  Archivar  Ankert  in  Leitnieritz  und 
an  Dr.  Karl  Grorjanovic-Kramberger,  ohne  von  diesen  Herren  die 
erhoffte  gutachtliche  Äusserung  über  die  Bedeutung  der  Funde  zu  er- 
Indien. 


—     752     — 

Neuerdings  hat  Hr.  Rabe  dann  noch  Fundsachen  derselben  Herkunft 
an  einen  Gymnasiasten  in  Magdeburg  und  an  das  dortige  Musum  abgetreten 
und  dadurch  den  Anlass  gegeben,  dass  die  Herren  Klaatsch  und  Hahne 
von  den  Funden  erfahren  haben. 

Aus  der  hiesigen  Sammlung  habe  ich  Hrn.  Dr.  Hahne  Ende  1902 
eine  Auswahl  von  49  Stücken  anvertraut,  die  er  auch  zum  Teile  in  der 
Gesellschaft  für  Anthropologie  usw.  vorgezeigt  hat. 

Man  wird  diesem  Forscher  sehr  dankbar  sein  müssen,  dass  er  die 
Funde  zum  Gegenstande  vergleichender  wissenschaftlicher  Untersuchungen 
gemacht  hat;  ich  möchte  aber  doch  betonen,  dass  wir  die  Entdeckung 
und  erste  Würdigung  der  bedeutsamen  Fundstellen  dem  Lehrer  August 
Rabe  zu  Biere  verdanken. 

(13)    Hr.  Erich  Pernice  berichtet  aus  Greifswald  über  die 
Gräber  in  Tkurow  bei  Züssow. 

Der  Hügel,  auf  dem  gelegentlich  der  Tagung  der  deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft  in  Greifswald  eine  Ausgrabung  veranstaltet  wurde, 
liegt  in  nahezu  südlicher  Richtung  600  m  vom  Bahnhof  Züssow  der  Linie 
Stralsund-Pasewalk.  Seine  genauere  Lage  wird  durch  den  trigonometrischen 
Punkt  42,3  des  Messtischblattes  „Züssow"  bezeichnet.  In  dem  durch 
Wald  und  Ortschaften  vielfach  beschränkten  Gesichtsfeld  hebt  er  sich 
durch  seine  scharf  begrenzte  Form  unter  den  übrigen  geringeren  Boden- 
erhebungen deutlich  als  der  charakteristischeste  heraus.  Seine  Grund- 
fläche bildet  ein  in  westöstlicher  Richtung  gestrecktes  gleichmässiges 
Oval,  in  dessen  Mitte  die  höchste  Erhebung  liegt.  Zwei  geringere  Er- 
hebungen, von  jener  durch  flache  Einsenkungen  geschieden,  bilden  den 
Abschluss  an  den  beiden  Enden. 

Dass  der  Hügel  in  vorgeschichtlicher  Zeit  als  Bestattungsplatz  diente, 
liess  sich  aus  seiner  Lage  zur  Umgebung  schliessen.  Die  Bestätigung 
boten  ausser  mancherlei  Anzeichen  —  dem  Funde  von  zahlreichen  grossen 
Steinen,  von  Urnenscherben  und  Holzkohlenresten  —  die  Aufdeckung 
eines  Steinringes  auf  der  westlichen  Erhebung  des  Hügels.  Die  Unter- 
suchung des  innerhalb  dieses  Steinringes  gelegenen  Grabes  ist,  entgegen 
den  Absichten  des  Entdeckers,  Hrn.  Inspektors  Sauerbier,  leider  nicht 
unter  fachmännischer  Aufsicht  erfolgt,  vielmehr  durch  eine  heimliche 
Raubgrabung  vereitelt  worden.  Es  konnte  nachträglich  folgendes  fest- 
gestellt werden: 

Der  Steinring  (vgl.  Fig.  1)  hat  einen  Durchmesser  von  16,50  m  und 
bestellt  aus  einzelnen  nebeneinander  gelegten  mächtigen  Blöcken  von 
durchschnittlich  0,7;")  m  Höhe  und  Breite.  Genau  in  der  Mitte  liegt  das 
Grab.  Das  Grab,  ca.  4w  lang  und  2,50  m  breit,  ist  ehemals  an  allen 
vier  Seiten  von  grossen  Steinen  eingefasst  gewesen,  jedoch  sind  die  Steine 
durch  die  schon  erwähnte  Raubgrabung  namentlich  an  der  Westseite  be- 
seitigt worden.  Die  Steine  —  an  der  östlichen  Schmalseite  bildet  ein 
mächtiger  Block  aus  rotem  Granit  die  Hälfte  der  Einfassung  —  sind  so 
aufgestellt,  dass  die  dem  Grabe  zugekehrte  Seite  möglichst  eine  glatte 
Fläche  zeigte;    sie    war    bei    einigen    von    Natur  vorhanden,    bei    anderen 


—     753     — 

wurde  sie  durch  künstliche  Abarbeitung  hergestellt.  Namentlich  bei  dem 
grossen  Block  der  östlichen  Schmalseite  ist  die  künstliche  Glättimg  deutlich 
wahrzunehmen.  Die  Sohle  des  Grabes,  0,80  m  unter  der  heutigen  Ober- 
fläche, ist  mit  kleinen  rundlichen  Steinen  von  0,10 — 0,15  m  Durchmesser 
gepflastert.  Von  Decksteinen  ist  keine  Spur  gefunden  worden,  es  ist 
auch  nicht  anzunehmen,  dass  sie  bei  der  neuesten  Nachgrabung  zerstört 
und  entfernt  worden  sind.  Da  sie  wahrscheinlich  ehemals  vorhandi-n 
waren,  werden  sie  schon  früher  bei  der  Bestellung  entdeckt  und  heraus- 
genommen  worden  sein.  Das  ist  um  so  eher  denkbar,  als  der  Steinring 
teils  von  Alters  her  sichtbar  war,  teils  nur  0,10 — 0,20  m  unter  der  heutigen 
Oberfläche  liegt,  der  östliche  Granitblock  0,25  w,  die  Deckplatten  also 
nur  durch  eine  dünne  Erdschicht  bedeckt  gewesen  sein  können. 


Fig.  1. 


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Dafür,  dass  das  Grab  nicht  schon  früher  einmal  ausgeplündert  war, 
sprechen  die  Funde,  die,  wenn  auch  vielleicht  nicht  vollzählig,  von  den 
Goldsuohern  an  Hrn.  Inspektor  Sauerbier  abgeliefert  worden  sind  und 
jetzt  in  der  Sammlung  vaterländischer  Altertümer  zu  Greifswald  auf- 
bewahrt werden.  Ms  sind  eine  Spirale  aus  dünnem  hellgelben  Golddraht 
und  Fragmente  einer  Bronzenadel.  Knochenreste  wurden  bei  der  Nach- 
untersuchung nicht  gefunden,  auch  nicht  Reste  einer  Graburne.  Die 
Analogie  des  mittleren  Grabes  spricht  dafür,  dass  der  Tete  unverbrannt 
beigesetzt  war. 

Die  Richtung  des  Grabes  ist  von  Westen  nach  Osten. 

Die  Auffindung  dieses  Grabes  bot  dem  Hrn.  Kurator  der  Universität. 
Geh.  Oberregierungsrat  v.  Hausen.  Veranlassung,  in  dankenswerter  wissen- 


—     754     — 

schaftlicher  Fürsorge,  den  ganzen  Hügel  einstweilen  von  der  Bestellung 
auszuschliessen  und  die  Erlaubnis  zu  weiteren  Ausgrabungen  bei  der  vor- 
gesetzten  Behörde  zu  erwirken. 

Die  ersten  Versuche  galten  der  Haupterhebung  im  Mittelpunkt  des 
Hügels.  Es  musste  zunächst  die  Grösse  des  Steinringes  festgestellt  werden, 
dessen  Vorhandensein  schon  bei  der  Entdeckung  des  westlichen  Grabes 
festgestellt  war.  Diese  Aufgabe  bot  keine  Schwierigkeit.  Der  King 
wurde  von  Westen  bis  Norden  vollständig,  an  anderen  Stellen,  besonders 
im  Süden  nur  so  weit  freigelegt,   als  erforderlich  war,   um  seinen  Verlauf 


Fi-  -2. 


zu  erkennen.  Der  Durchmesser  beträgt  19,50  m.  Der  Ring  besteht  nicht, 
wie  l»ei  dem  östlichen  Grabe,  aus  einzelnen  grossen  Steinen,  sondern  er 
isi  au 8  mittleren  und  zwischeneingefügten  kleineren  Steinen  wie  eine 
Zyklopische  Mauer  ca.  1  m  breit  und  ca.  0,70  m  hoch  aufgebaut  und  nur 
an  einzelnen  Stellen  sind  ganz  grosse  Blöcke  verwendet. 

Der  von  dem  King  eingeschlossene  Teil  zeigte  sich  bei  der  Unter- 
suchung dicht  unter  der  Oberfläche  in  einer  bestimmten  Abgrenzung  von 
mittleren  und  kleineren  Steinen  vollständig  überdeckt;  jedoch  lagen  diese 
Stein,,  nicht  wie  ein  Pflaster  nebeneinander,  sondern,  wie  bei  einem  ein- 
gestürzten Gewölbe,  locker  neben-  und  untereinander.  Ein  festes  unzer- 
Btörtee   Steingefüge    wurde    mit    einem    deutlich    in    gerundeter  Linie  ver- 


—     (.),)     — 

laufenden  Rande  bei  dem  Punkte  a  (vgl.  die  Figur  2),  5,50  m  von  dem 
äusseren  Steinringe,  auf  eine  Länge  von  1—  2  m  festgestellt;  ein  zweites 
bei  «lein  Punkte  b,  4,50  m,  ein  drittes  bei  c,  6,50  m  von  dem  äusseren 
Steinringe  entfernt.  Ausserhalb  dieser  drei  Stellen  lagen  nach  dem  äusseren 
Ringe  hin  keine  weiteren  Steine  mehr.  Es  war  also  deutlich,  Süss  inner- 
halb des  äusseren  Ringes  eine  Anlage  mit  anscheinend  runder  Umfassung 
und  aufgetürmtem  Steinhügel  bestand. 

Unter  dieser  Anhebe  war  das  Grab  zu  vermuten.  Um  zu  ihm  zu 
gelangen,  wurde  ein  Graben  d  durch  die  vermutete  Mitte  der  inneren 
Anlage  1,20  m  tief  bis  auf  den  gewachsenen  Boden  gezogen,  aber  es  fand 
sich  ausser  kohlendurchsetztem  Erdreich  keine  Spur  von  Bestattung;  daher 
wurde  ein  zweiter  breiterer  Graben  e  im  rechten  Winkel  dazu  von  oben 
herab  ausgestochen  —  es  fehlten  hier  vielfach  die  Steine  des  angenommenen 
aufgetürmten  Steinhügels  --  und  nachdem  dieser  auf  0,90  m  vertieft  war. 
fand  sich  ein  bronzenes  Schwert  (Typus  der  älteren  Bronzezeit),  den  Griff 
nach  Westen,  die  Spitze  nach  Osten  gekehrt.  Der  Tote,  der  das  Schwert 
in  der  Band  hielt,  also  nicht  verbrannt  war,  lag  demnach  mit  dem  Kopf  im 
Westen,  mit  den  Füssen  im  Osten,  so  dass  er  nach  Osten  blickte.  Dicht 
neben  dem  Schwerte  wurden  Fragmente  einer  bronzenen  Nadel,  leider 
ohne  Kopf,  gefunden.     Die  Grabstelle  an  sich  war  damit  festgelegt. 

.  Soweit  war  die  Ausgrabung  bei  der  im  Eingang  genannten  Gelegen- 
heit vorgeschritten.  Die  Liberalität  des  Kultusministeriums  ermöglichte 
eine  weitere  Untersuchung  der  gesamten  Anlage,  die  bei  ihrer  offen- 
kundigen Bedeutung  auch  den  Teilnehmern  der  Ausgrabung  als  wissen- 
schaftliche Pflicht  erschien. 

Um  die  Ausdehnung  und  Anlage  des  Grabes  und  sein  Verhältnis  zu 
dem  oberen  Kund  festzustellen,  musste  der  Graben  e  weiter  verfolgt 
und  vertieft  werden.  Die  Vertiefung  führte  unmittelbar  unter  der 
Stelle,  wo  die  Funde  gemacht  waren,  auf  das  Sohlenpflaster  aus  doppelt 
faustgrossen  Steinen,  unter  diesen  folgte  eine  0,20— 0,25  m  starke  muffige 
Schicht,  wie  ich  glaube,  durchsetzt  mit  den  in  Verwesung  übergegangenen 
Leichenteilen,  und  danach  der  gewachsene  Boden. 

Auch  dieses  Grab  ist  nicht  im  Zustande  der  ursprünglichen  Anlage 
auf  uns  gekommen.  Das  Fehlen  der  Decksteine  und  der  Mangel  jeglicher 
Knochenreste,  die  sich  in  dem  sandigen  Boden  hätten  erhalten  müssen, 
sind  deutliche  Zeichen  dafür.  Als  untrüglicher  Beweis  kann  der  Umstand 
dienen,  dass  aus  der  Schicht  unterhalb  des  Bodenpflasters  kleine  Stücke 
moderner  roter  Ziegel,  anscheinend  von  Drainröhren,  herausgezogen  wurden 
—  dazn  stimmt  auch  das  Fehlen  der  Steine  des  aufgetürmten  Grabhügels 
gerade  ober  dem  Grabe.  Fs  muss  daher  als  ein  angewöhnlich  glücklicher 
Zufall  betrachtet  werden,  dass  bei  der  früheren  Durchsuchung  des  Grabes 
das  Schwert  nicht  gefunden  wurde. 

Trotz  dieser  bedauerlichen  Wahrnehmung  bot  das  Grab  eine  Fülle 
lehrreicher  Beobachtungen.  Bei  der  Fortführung  des  Grabens  e  nach  Osten 
Btiessen  wir  alsbald  auf  einen  mächtigen,  nach  aussen  bis  in  die  Höhe 
der  oberen  Anlage  ansteigenden  Stein,  der  im  Osten  das  Ende  des  Grabes 

bezeichnete.      Anfangs    schien    es,     als   sei   der  Stein    hierher   gewalzt,     aber 


—     750     — 

seine  Grösse  —  er  ist  3,50  m  lang  und  2  m  breit  —  sowie  der  Umstand, 
dass  er  auf  dem  gewachsenen  Boden  ruht,  beweist,  dass  es  ein  erratischer 
Block  ist,  der  schon  vor  dem  Begräbnis  hier  gelegen  hatte.  Er  war 
deutlich  für  die  Anlage  des  Grabes  der  Ausgangspunkt.  Von  ihm  aus 
wurden  die  beiden  Längswände  des  Grabes  in  genau  westlich-östlicher 
Richtung  angelegt.  Beim  Setzen  der  Seitensteine  stiess  man  dabei  auf 
einen  zweiten  kleineren  erratischen  Block,  den  man  in  seiner  ursprüng- 
lichen Form  liegen  liess,  anstatt  ihn  der  Linie  des  Grabes  entsprechend 
abzuarbeiten;  so  springt  eine  Ecke  dieses  Blockes,  die  Regelmässigkeit 
störend  unterbrechend,  in  das  Rechteck  ein.  Das  Westende  des  Grabes, 
wo  der  Kopf  lag,  war  zerstört  und  daher  nicht  mehr  festzustellen. 

Auch  für  die  Beurteilung  der  oberen  Anlage  ergaben  sich  aus  der 
Fortsetzung  der  Untersuchung  sichere  Resultate.  An  das  östliche  Ende 
des  grossen  Steines  schliessen  nämlich  nach  beiden  Seiten  Mauern  an,  die 
sich  durch  die  Rundung  ihrer  Aussenlinie  und  ihrer  Bauweise  deutlich  als 

Fig.  3. 


Fortsetzung  der  erörterten  oberen  Anlage  zu  erkennen  geben.  Diese  Mauer 
umgab  also  das  gesamte  Grab  und  zwar  nicht  in  einer  genau  kreisförmigen, 
sondern  elliptischen  Anordnung,  so  dass  der  grössere  Durchmesser  in  der 
Richtung  von  Westen  nach  Osten,  wie  das  Grab  selbst,  lag;  sie  war  die 
äussere  Begrenzung  des  Steinhügels,  der  sich  in  unbestimmter  Höhe  über 
dem  Grabe  wölbte. 

Die  Gesamtanlage  muss  ehemals  mit  seiner,  den  geheiligten  Grab- 
bezirk umfassenden  Steinsetzung  und  dorn  innerhalb  aufgetürmten  Stein- 
hügel einen  imposanten  Eindruck  gemacht  haben.  Sie  war  bedeutender 
als  das  westlich  davon  gelegene  Grab  und  ihrer  Bedeutung  entsprach  ihre 
Lage  auf  der  höchsten  Erhebung  des  Hügels.  Wie  sie  ausgesehen  haben 
könnte,  veranschaulicht  die  beistehende  Skizze,  die  keinen  weiteren  An- 
spruch ;ils  den  der  Deutlichkeit  erhebt  (Fig.  3). 

Eis  war  zu  vermuten,  dass  auch  die  östliche  Erhebung  ein  gleichartiges 
Grab  berge.  Gleich  die  ersten  Spatenstiche  an  der  geeignet  erscheinenden 
Stellt!  führten  zur  Bestätigung  dieser  Vermutung  (vgl.  I^ig.  4).  Hier  hatte 
der  Steinring,  >\fi  an   vier  Stellen  zur  Feststellung  seiner  Grösse  freigelegt 


—     757     — 

wurde,  einen  Querdurchmesser  von  14?«  und  eine  Breite  von  Im;  an  der 
Westseite  waren  die  Steine  grösser  als  an  der  Ostseite.  An  der  Westseite 
wurde  eine  Urne  mit  menschlichen  Knochen  und  einem  kleinen,  mond- 
sichelförmigen Steingerät  hervorgezogen1);  sie  stand,  von  kleinen  Steinen 
rings  umgeben,  —  ein  Deckstein  wurde  nicht  mehr  gefunden  —  genau  in 
der  Linie  des  Ringes,  aus  dem  für  die  Beisetzung  die  erforderlichen  Steine 
beseitigt  worden  waren.  Der  Platz  hat  also  in  späterer  Zeit  zu  Urnen- 
beisetzungen gedient.  Wie  zahlreich  sie  ehemals  waren,  lehrte  ein  Graben, 
der  durch  die  anfangs  nicht  festgelegte  Mitte  des  Ringes,  1  m  breit,  gezogen 
wurde.  Er  enthielt  massenhafte  Urnenscherben  der  gleichen  Qualität  und 
Steine,  die  zu  ihrem  Schutze  gedient  hatten;  mehrfach  konnten  Plätze 
festgestellt  werden,  an  denen  ehemals  Urnen  gestanden  hatten,  aber  bei 
lirer  Lage,  dicht  unter  der  Oberfläche,  war  nichts  intakt  geblieben. 


Fig.  4. 


In  der  Eoffnung,  an  dem  alsbald  festgelegten,  genauen  Mittelpunkt 
der  Anlage  ein  grosses  Grab  zu  finden,  Hess  ich  hier  ein  Loch  in  einer 
Ausdehnung  von  :5:4m  ausheben.  Nach  1,80  m  Tiefgrabung,  während 
welcher  Bteta  Spuren  von  späteren  Beisetzungen  sichtbar  wurden,  wurde 
der  gepflasterte   Hoden   des  Grabes  gefunden,    aber    alles    übrige    war    bei 


1)  Die  Urne  besteht  aus  leichtgetrocknetem,  mit  zahlreichen  Steinchen  durchsetztem 
Tou  und  zerbröckelt  bei  schon  leichter  Berührung-.  Schon  bei  ihrer  Auffindung  war  sie 
nicht  mehr  intakt,  sondern  in  zahlreiche  Stücke  zerfallen.  Es  bot  daher  grosse  Mühe, 
die  ursprüngliche  Form  zu  rekonstruieren.  Es  sei  bei  dieser  Gelegenheit  bemerkt,  daas 
überall  in  der  Nahe  der  Hauptanlage  Urnenbeisetzungen  gefunden  worden  Bind.  Der 
ganze  Acker,  mehrere  Sondert  Meter  im  Umkreis,  ist  durchsetzt  damit.  Überall  waren 
die  Gefässe  so  zerbrochen  und  bröckelig,  dass  es  nicht  lohnte,  alle  Seherben  mitzunehmen; 
nur  die  für  die  Form  charakteristischsten  habe  ich  gesammelt  und  in  der  Sammlung  vater- 
ländischer Altertümer  niedergelegt. 


—     758     — 

Seite  geräumt.  Wäre  auch  nur  ein  grosser  Stein  des  Grabes  noch  an  Ort 
und  Stelle  gewesen,  hätte  er  bei  der  Grösse  des  Ausstichs  gefunden  werden 
müssen,  selbst  wenn  das  Grab  nicht  genau  in  der  Mitte  gelegen  hätte, 
sondern  weiter  nach  Osten   oder  Westen  verschoben  gewesen  wäre. 

Es  ist  danach  eine  Vermutung  darüber,  wie  das  Grab  ausgesehen 
haben  mag,  nicht  angängig;  aber  die  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür, 
dass  es  dem  westlichen  Grabe  entsprochen  hat.  Es  würde  dann  das  an 
bevorzugter  Stelle  gelegene  Grab  mit  besonderer  Pracht  ausgestattet 
gewesen  sein,  die  beiden  anderem  sich  jenem  wie  durch  den  geringeren 
Platz,  so  durch  einfachere  Ausstattung  untergeordnet  haben. 

(14)  Hr.  Graf  Bobrinsky  schreibt  aus  Smela  (Russland)  vom 
2./15.  August  1904 

über  die  Fälschung  einer  von  Hrn.  Wilke-Grimnia 
erworbenen  Statuette. 

La  Zeitschrift  für  Ethnologie  a  bien  voulu  inserer  il  y  a  quelques 
annees  une  notice  de  ma  part  ä  propos  d'une  Statuette  en  bronze,  prove- 
nant  du  Caucase.  Je  signalais  alors  que  ce  bronce,  dont  la  Zeitschrift 
publiait  Timage,  etait  de  fabrication  moderne  et  Toeuvre  d'un  faussaire. 
On  vend  beaucoup  de  petits  bronzes  semblables  ä  Tiflis,  ad  usum  des 
voyageurs. 

Je  viens  aujourd'hui  recommencer  ma  denonciation  contre  une  Statuette 
absolument  semblable  publice  dans  le  tres  interessant  memoire  de  Mr.  le 
Docteur  Wilke  sur  les  archäologische  Parallelen  aus  dem  Kaukasus  und 
den  unteren  Donauländern  (Z.  f.  E.,  Heft  1  [1904 1  S.  89  Fig.  119  u.  120). 
Kaute ur  a  acquis  ce  „guerrier"  ä  Tiflis. 

Les  dessins,  publies  par  Mr.  Wilke  ne  me  laissent  aucuns  doutes 
sur  la  provenance  moderne  de  ce  bronze.  Ces  statuettes  sont  des  copies 
grossieres  d'originaux.  qu'on  trouve  de  temps  en  temps  dans  les  sepultures 
anciennes,  surtout  au  Daghestan.  Les  originaux  sont  rares  et  d'un  travail 
beaucoup  plus  soigne.  Ils  sont  recouverts  d'une  patine  noire,  tandis  que 
les  pieces  fausses   sont  generalement  enduites  d'un  vert-de-gris  plus  clair. 

A  l'epoque  actuelle,  oii  la  contrefacon  nous  entoure  de  toutes  parts, 
je  crois  qu'il  est  du  devoir  de  chacun  de  nous  de  signaler,  des  que  nous 
le  pouvons  les  antiquites  douteuses. 

(l.">)  Hr.  Voss  überreicht  den  folgenden  Bericht  des  Hrn.  Oesten 
aber  die  bisherigen  Arbeiten  der 

Itethra-  Kommission. 

Die  grosse  Talmulde,  welche  die  beiden  Landseen,  die  Lieps  und  die 
Toilense  umfasst,  stellt  eine  einheitliche  Grundinoränenbildung  dar.  Die 
Lieps  bildet  den  oberen  flacheren  Teil  derselben,  die  Toilense  den  unteren 
lieferen.  Beide  sind  durch  eine  inselartige  flache  Geschiebeablagerung, 
den  gegenwärtigen  „Nonnenhof",  getrennt  und  durch  mehrere  graben- 
artige Wasserverbindungen  wieder  verbunden,  welche  die  Abflüsse  des 
Liepswassere    in    die  Toilense    bilden.     l]s  sind  dies  von  Südwesten  nach 


—     7.")'.)     — 

Nordosten  gehend:  der  Modd ergraben  oder  der  alte  Dach,  ein  alter 
gekrümmter,  stark  verlandeter  Wasserlauf',  der  noch  gegenwärtig  die 
Grenze  zwischen  dem  Nonnenhof  und  Wustrow,  zugleich  die  Landesgrenze 
/wischen  den  Landein  Strelitz  und  Schwerin  bildet,  dann  der  Alte  oder 
Fischergraben,  welcher  für  den  Verkehr  der  Fiecherkähne  zwischen 
Lieps  und  Tollense  dient,  der  Neue  Graben,  welcher  vor  etwa  90  Jahren 
zu  gleichem  Zweck  angelegt  sein  soll,  aber  bereits  in  der  Schmettau'schen 
Karre  von  1780  verzeichne!  ist  und  der  Nonnenbach  mit  dem  Wiedbach 
als  Znfluss  ans  der  Lieps.     Vgl.  hierzu  Fig.  1. 

Der  „Xonnenhof"  selbst  ist  eine  flache,  zum  grössten  Teil  Bumpfige 
Niederung  von  etwa  800  Morgen  Grösse,  aus  der  nur  einige  kleinere 
Flächen  als  feste  sandige  Horste,  aber  ebenfalls  flach,  hervorragen.  Ahn- 
liche Bildungen  liegen  den  Inseln  in  der  Lieps.  dem  Hanfwerder,  dem 
Kietz-  und  Binsenwerder,  der  kleinen  Insel  „Heidensruh",  sowie  der 
Fischerinsel  in  der  Tollense  bei  Wustrow  zugrunde.  Die  Lieps  mit 
dein  Nonnenhof  und  allen  Inseln,  sowie  die  Tollense  mit  der  Fischerinsel 
befinden  sich  im  Besitz  der  Stadt  Neubrandenburg. 

Meine  bisherigen  Arbeiten  mit  dem  Spaten,  der  Baggerschaufel,  dem 
Sackbohrer,  welche  sich  bis  jetzt  erst  auf  den  Hanfwerder,  kleinere  Teile 
des  Nonnenhofes,  den  Kietzwerder  und  Teile  des  Sees  selbst  erstreckt 
haben,  ergeben,  dass  eine  ausgedehntere  Besiedelungsstätte  der  Redarier  in 
der  Lieps  vorhanden  war;  sie  haben  mir  aber  auch  gezeigt,  dass  man,  um 
Art  und  Ausdehnung  derselben  verstehen  und  aufdecken  zu  können,  sich 
zunächst  klar  darüber  werden  muss,  welche  erheblichen  geologischen  Ver- 
änderungen der  Bodenoberfläche  seit  der  Wendenzeit  hier  stattgefunden 
haben  und  wodurch  sie  herbeigeführt  wTorden  sind. 

in  erster  Linie  ist  hier  die  Erhöhung  des  Wasserstandes  der  Lieps 
in  Betracht  zu  ziehen. 

Im  Jahre  1287  ist,  wie  eine  Inschrift  an  der  Yierrademühle  besagt, 
diese  in  Neubrandenburg  von  Bernhard«  Herborts  Sohn  erbaut  worden. 
Durch  dieses  Stauwerk  wurde  der  Wasserspiegel  der  Lieps  um  etwa  1,5 m 
(bei  mittlerem  Wasserstande)  gehoben.  Der  bei  weitem  grösste  Teil  der 
damaligen  Oberfläche  des  Nonnenhofes  wurde  hierdurch  mit  einer  Was 
höhe  von  0 — 1,5  m  überstaut.  In  diesem  flachen  Wasser  entwickelte  sich, 
wie  noch  gegenwärtig,  eine  äppige  Vegetation  von  Wasserpflanzen,  deren 
Botr  Bich  ansammelten  und  mit  Anschwemmungen  durch  Wind  und  Wellen 
vereinig!  aeue  Verlandungen  auf  den  alten  Flächen  bildeten.  Daher  findet 
man  jetzt  auf  diesen  neuen  Bodenoberflächen  keine  Spur  von  wendischen 
Kulturresten,  wühl  aber  solche  reichlich  unter  der  neugebildeten  Decke 
von  Pflanzenerde  auf  der  Oberfläche  der  Wendenzeit.  Mehr  alle  durch 
die  Erhöhung  des  Wasserspiegels  überfluteten  Bodenflächen  sind  wieder 
verlandet,  grössere  Strecken  derselben  liegen  auch  heute  noch  unter  Wasser. 
'Teile  des  früher  festen  Lande-,  die  auch  über  den  gegenwärtigen  Wasser- 
spiegel hervorragen,  sind  dagegen  durch  Eisgang  und  Wellen  fortgerissen, 
fortgespülf  and  an  anderer  Stelle  wieder  abgelagert,  auch  über  die  neuere 
Verbindung  aufgeschoben  und  aufgeschwemmt  worden.  Gleiches  ist  an 
manchen    Stellen    mit    den    neuen  Landbildungen    selbst    geschehen.     Die 


—     760     — 

Wirkungen  der  mit-  und  gegeneinander  arbeitenden  Naturkräfte  machen 
sich  an  allen  Uferstrecken  bemerkbar  und  haben  mancherlei  Vermischungen 
der  Bodenteile  verschiedener  Herkunft  herbeigeführt,  die  nicht  immer 
leicht  verständlich  sind.  Stets  liegt  aber  die  alte,  wendische  Uferbegrenzung, 
die  Linie  zwischen  dem  Boden,  der  zur  Wendenzeit  Land  und  dem,  der 
Wasser  war  rund  1,5  m  unter  dem  gegenwärtigen  mittleren  Wasserspiegel. 
Ungefähr  entspricht  der  Lage  des  alten  Ufers  die  in  dem  Plan  Fig.  1 
unterbrochen  gezeichnete  Linie.  Man  wird,  wenn  man  diese  Uferlinie 
durch  Aufgrabung  und  Lotung  aufsucht  und  aufmisst,  Form  und  Begrenzung 
des  zur  Wendenzeit  trockenen  Landes  wieder  feststellen  können.  Bei 
diesen  Aufgrabungen  auf  dem  Nonnenhof  würde  man  zugleich  einen  Ein- 
blick in  die  Verteilung  und  Ausdehnung  der  früheren  Besiedelungsstätten 
auf  dem  Nonnenhof  gewinnen. 

Der  Hanfwerder  nun  (Fig.  2,  3  u.  4),  auf  den  ich  nach  diesen  allgemeinen 
Bemerkungen  speziell  eingehen  möchte,  ist  eine  Insel  in  der  östlichen  Bucht 
der  Lieps,  die  gegenwärtig  eine  Oberfläche  von  etwa  7  Morgen  Grösse  besitzt; 
sie  enthält  einen  festeren  Horst  von  etwa  2  Morgen  Grösse  am  Ufer  im 
Westen,  welcher  hier  den  über  den  See  wehenden  Stürmen  frei  ausgesetzt  und 
daher  von  den  Wellen  stark  abgespült  ist.  Die  übrigen  Ufer  sind  unter 
dem  Schutz  des  nahen  Landes  nicht  abgespült,  an  diesen  hat  vielmehr 
eine  ausgedehnte  Anschwemmung  und  Neuverlandung  durch  Pflanzenreste 
stattgefunden,  welche  bis  zu  90  m  in  den  See  hineinreicht.  Auf  der  Insel 
habe  ich  Gräben  durch  den  festen  Kern  wie  durch  den  angeschwemmten 
Teil  gezogen.  Es  hat  sich  ergeben,  dass  der  feste  Horst  von  ovaler  Gestalt 
von  einem  (eingesunkenen)  Graben  mit  Wall  umgeben  war.  Konzentrisch 
um  beide  zieht  sich  ein  Landstreifen  von  15 — 18  m  Breite,  welcher  nach 
dem  Wasser  zu  abdacht.  Der  grössere  Teil  seiner  ehemaligen  Oberfläche 
liegt  unterhalb  des  gegenwärtigen  Wasserspiegels.  Am  alten  Uferrand, 
etwa  0,8 — 1,0  m  unter  dem  letzteren  schliesst  dieser  Landstreifen  mit  einer 
Uferbefestigung  aus  Rundhölzern  mit  zwischen  dieselben  gesetzten  Pfählen 
und  aufgelegten  Querhölzern  ab.  Diese  Uferbefestigung  ist  an  der  West- 
und  an  der  Nordseite  in  gleichem  Abstände  vom  inneren  Graben  vor- 
gefunden und  freigelegt  worden.  Die  auf  dem  Hanfwerder  ausgeworfenen 
Gräben  sind,  weil  derselbe  gegenwärtig  nicht  bewirtschaftet  und  Vieh 
daselbst  nicht  geweidet  wird,  offen  liegen  geblieben,  so  dass  der  Befund 
leicht  wieder  zu  ermitteln  ist  und  weiter  verfolgt  werden  kann.  Innerhalb 
der  alten  Uferbefestigung  sind  auf  dem  Hanfwerder  zahlreiche  wendische 
Kulturreste  vorhanden  und  vorgefunden  worden;  ausser  Scherben  und 
Knochen  ein  eisernes  Messer,  eine  eiserne  Pfeilspitze,  ein  Zierkamm  aus 
Knochen  usw. 

Es  sind  Funde  nur  aus  jener  Zeit  gemacht  worden.  Der  grösste  Teil 
des  aus  den  Gräben  ausgehobenen  Bodens  ist  nach  Fundstücken  noch 
nicht  durchsucht. 

Der  Hanfwerder  kennzeichnet  sich  hiernach  nicht  als  eine  Tempel-, 
\\"lil  aber  als  eine  einheitliche  burgwallähnlich  befestigte  WTohnstätte 
vielleicht  die  eines  vornehmen  Wenden  oder  Knesen.  Die  Abgeschlossen- 
heit  und   Unzugänglichkeit   des   ganzen   Liepsgebietcs  brachte  es  mit  sich, 


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—     762     — 

dass  ich  zur  Ausführung  der  Arbeiten  von  verschiedenen  Seiten  in  das- 
selbe zu  gelangen  und  einen  geeignet  gelegenen  Stütz-  und  Unterkunfts- 
punkt in  der  Nähe  desselben  zu  gewinnen  suchte. 

Über  Blankensee,  über  Neubrandenburg,  von  Penzlin  her  über  Wustrow, 
von  Neustrelitz  über  Prillwitz  usw.  Ich  machte  hierbei  von  selbst  Be- 
kanntschaft mit  allen  Teilen  des  Gebietes  und  gewann  dabei  eine  An- 
schauung von  der  Eigenart  desselben,  die  mich  veranlasste,  die  Nach- 
forschungen auf  dem  Hanfwerder  abzubrechen  und  mich  an  die  nach 
Prillwitz  zu  gerichtete  äusserste  Spitze  des  Nonnenhofes  zu  begeben  (siehe 
Plan  Fig.  1). 

Hier    untersuchte    ich   zunächst  den  „Bachuswall"  oder  „Bachers- 
wall".    Es  ist  dies  der  von  den  Wellen  noch  nicht  fortgespülte  Überrest 
eines    künstlich    aufgeschütteten  Walles  von  20  m  Breite  und  1,7  m  Höhe 
über  der  alten  wendischen  Oberfläche.     Er  hat  jetzt  noch  eine  Länge  von 
etwa  40  m    und    schliesst    die  Spitze    des  Nonnenhofs    nach  der  Landseite 
hin  ab.     Die    nach  beiden  Seiten  über  das  gegenwärtige  Ufer  hinaus  und 
in    den  See    hinein    vorhanden    gewesenen    und    durch   die  Wellen  einge- 
ebneten Fortsetzungen    des  Bacherswall    sind    erkennbar    und    namentlich 
bei    dem  niedrigen  Wasserstande  dieses  Sommers  deutlich  hervorgetreten. 
Es  ist  auch  zu  erkennen,  dass  der  südliche  Arm  eine  Biegung  nach  Westen 
zu    gemacht    haben    muss.     Auf   der    Landseite    sind    die  Überreste    eines 
verlandeten    breiten    Grabens    noch    deutlich    wahrzunehmen    und    durch 
Grabung    nachgewiesen.     Die    abgespülten  Teile  des  W alles   müssen  nach 
jeder  Seite    hin    eine  Länge    von  mindestens  50  m  gehabt  haben,    so  dass 
die  ganze  Länge  der  Wallanlage  nicht  unter  140  m  betragen  haben  kann. 
Dieses  Schutzwerk    war,    wie    die  Lage    des  Grabens    beweist,    nach   dem 
Lande  zu  gerichtet,    das    zu   schützende  Objekt  muss  mithin  auf  der  nach 
Prillwitz    zu    gerichteten  Spitze    gelegen    haben.     Gegenwärtig    hat    diese 
nur  eine  Landfläche  von  etwa  4000  <pn.     Diese  Spitze    ist    von  mir  durch 
Längs-   und  Quergraben    untersucht.     Auf    der  Oberfläche    derselben    sind 
Reste  wendischer  Kultur  nirgend  wahrzunehmen.     Sobald  man  jedoch  die 
obere,     aus    Pflanzenresten     bestehende    Bodenschicht    durchstochen    hat, 
gelangt    man    in    einer  Tiefe    von  0,7 — 1  m    und  0,5  m  unter  dem  gegen- 
wärtigen Wasserspiegel  auf  die  wendische  Kulturschicht  mit  vielen  Knochen 
und  Scherben.     Die  gegenwärtige  Landspitze  ist  von  einem  ausgedehnten, 
unter  Wasser    liegenden  Vorlande    umgeben,    auf   dem   Plan  Fig.  1  durch 
die    gestrichelte  Linie    abgegrenzt.     Diese  Linie  ist,  wie  bereits  bemerkt, 
die  der  gleichen  Wassertiefe  von  1,5  m,  also  der  alte  wendische  Uferrand. 
Sie    hält    sich    zu    beiden  Seiten    der  Landspitze    in   einem  Abstände  von 
etwa  50  m,  weicht  aber  nach  Prillwitz  zu  bis  zu  150  m  in  den  See  hinaus. 
Innerhalb    der    von    diesem    alten  Uferrand    und    dem  Bacherswall  einge- 
schlossenen   Seefläche    von    etwa  3  ha  Grösse    enthält    der    Seegrund    viel 
Knochen,    Scherben  und  Kohle,    auch    ist  ein  Stück  einer  eisernen  Kette, 
ein   Dolch    und    eine  eichene  Pfahlspitze  gefunden  worden.     Jede  Bagger- 
Bchaufel   and  jede  Sackbohrerfullung  bringt  einige  wendische  Reste  zutage. 
Au    einer  ausgedehnteren  Stelle   im  Süden  «1er  Landspitze,  30 — 50  m  vom 
I  fer  und   in    1 — 2  m  Wassertiefe  sind  besonders  viele   grobe  Kohlenstücke 


—    763    — 


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—     764     — 

herausbefördert  worden.  Die  flachgekrümmten  Jahresringe  dieser  Kohlen- 
stücke zeigen,  dass  sie  durch  Verbrennung  starker  Hölzer  entstanden  sind, 
es  liiuss  also  hier  ein  bedeutenderes  Bauwerk  niedergebrannt  sein. 

Ich  habe  nun  ferner  die  kleine  Insel,  den  Kietzwerder,  in  der  Linie 
zwischen  der  Nonnenhofspitze  mit  dem  Spaten  untersucht.  Die  Verhält- 
nisse sind  hier  dieselben  wie  auf  der  Nonnenhofspitze;  uuter  der  neueren 
Verlandung  von  0,5 — 1  vi  die  wendische  Kulturschicht  mit  Knochen  und 
Scherben.  Auf  der  Nordseite  dieser  Insel  am  Ufer  und  im  flachen  Wasser 
tindet  man  besonders  viele  Stücke  von  gebrannter  Lehmmasse,  die  mit 
Kalk  überzogen  grau  aussehen,  deren  Natur  man  daher  erst  erkennt,  wrenn 
man  sie  durchbricht;  der  Bruch  zeigt  lebhafte  ziegelrote  Farbe. 

Der  Kietzwerder  hat  zur  alten  Zeit  einen  erheblich  grösseren  Land- 
umfang  gehallt  als  gegenwärtig,  wie  die  in  dem  Plane  verzeichnete  alte 
l  feil i nie  zeigt.  Bei  der  Erhöhung  des  Wasserstandes  muss  die  Insel 
zunächst  ganz  oder  fast  ganz  unter  Wasser  gelegen  und  kann  nur  eine 
Untiefe  gebildet  haben,  auf  welcher  alsdann  durch  Pflanzenwuchs  und  An- 
schwemmung neues  Insellaud  entstanden  ist.  Namentlich  in  der  Richtung 
von  Prillwitz  nach  der  Nonnenhofspitze  zu  ist  die  Ausdehnung  der  Insel 
früher  erheblich  grösser  gewesen.  Durch  Lotungen  im  See  konnte  ich 
feststellen,  dass  der  See  in  dieser  Linie  zwischen  Prillwitz  und  der  Nonnen- 
hofspitze nur  geringe  Tiefe  hat,  und  dass  diese  nach  beiden  Seiten  hin 
von  dieser  Linie  ab  zunimmt.  Die  grösste  Tiefe  fand  ich  zwischen  Prill- 
witz und  dem  Kietzwerder  zu  2,5  m,  zwischen  diesem  und  der  Nonnenhof- 
spitze zu  "J,8  vi. 

Es  blieben  also  nach  altem  Wasserstande  hiervon  nur  1  vi  und  1,3  m 
Wassertiefe  übrig.  Diese  zwischen  den  drei  Punkten  sich  hinziehende 
l  ntiefe  kann  natürlicher  Herkunft,  sie  kann  aber  auch  durch  Fortspülung 
einer  Dammschüttung  entstanden  -sein,  was  erst  durch  genauere  Unter- 
suchungen festgestellt  werden  könnte.  Jedenfalls  war  es  zur  Wendenzeit 
bei  dem  damaligen  niederen  Wasserspiegel  nicht  schwer,  zwischen  Prillwitz 
und  der  Xonnenhofspitze  eine  Verbindung  durch  Pfad  und  Brücken  aus- 
zuführen und  zu  erhalten.  Wenn  ich  das  Ergebnis  meiner  örtlichen 
Untersuchungen  in  dem  Liepsgebiet  zusammenfasse,  so  darf  ich  wohl 
sagen,  es  liegt  hier  eine  örtlichkeit  mit  slavischer  Besiedelung  vor,  welche 
im  Hinblick  auf  die  Rethrafrage  weiterer  und  eingehender  Untersuchung 
wert  ist  und  dazu  herausfordert.  Nach  meiner  Ansicht  dürften  die  weiteren 
Arbeiten  sich  zunächst  darauf  richten  müssen: 

a  die  alte  Uferlinie  des  Xonnenhofes  aufzusuchen,  aufzumessen  und  da- 
durch die  Gestalt  des  Xonnenhofes  zur  Wendenzeit  zu  rekonstruieren, 

!>,  die  Verteilung  der  früheren  Besiedelung  auf  diesem  Gebiete,  zu- 
gleich auch  auf  dem  umschliessenden  Festlande  bei  Prillwitz, 
\Yii>tio\\   und  beim  Nonnenbach  zu  ermitteln  und  festzulegen, 

c)  ein  Längenprofil  mit  Querprofilen  der  Linie  Prillwitz-Bacherswall 
aufzunehmen  und  den  Seegrund  dieser  Strecke  auf  etwa  vorhanden 
gewesene  Dammschüttung  oder  Brückenlage  zu  untersuchen, 

t\)  schliesslich  weitere  Baggerungen,  Bohrungen  und  Grabungen  an 
den  sich  hierbei  als  besonders  aussichtsvoll  ergebenden  Punkten 
\  orzunehmen. 


—    7i;."j    — 

(ic>)   Hr.  C.  V.  Lehmann  übersendet  folgendes 

Nachtrag  zu  seiner  Mitteilung  über  neugefuiidenc 
chaldische  Inschriften 
(oben  S.  488—490). 

Der  in  Hrn.  Hampartsüms  Mitteilung  schwer  leserlich  geschriebene 
Name,  den  ich  (S.  489  Abs.  I  u.  2)  als  „Andz(?)a  las,  heisst  vielmehr, 
wie  mir  Hr.  Hampartsum  auf  meine  Anfrage  mitteilt,  Ang/.  oder  in 
oeuarmenischer  Aussprache  An  kg.  Es  ist  das  bedeutendste  Dorf  im 
unteren  Hayöe'-zör,  durch  welches  die  Hauptroute  und  die  Telegraphen- 
linie Vän-Vostan  hindurchgehen  und  in  dessen  Nähe  eine  Brücke  über 
den  Chösh-äb  führt.  Es  ist  offenbar  identisch  mit  „Enghel",  Zeitschrift 
f.  Bthnol.  1892  S.  138. 

S.  189,  Inschrift  Nr.  .'}.  Z.  1   sind  die  Ergänzungsmöglichkeiten  genauer 

so  zu   fassen: 

[mAr-gi]s-fti]-se 
.Möglich  ist  aber  auch   (vgl.  S.  490  Abs.  3) 
[mE-ri-m]e-[na]-se 
st»w  ie 

[mSar(KI)-d]u-[ri|se 
Zeile  3  der  Inschrift  lies: 

•  K  AK   ti .  ma  .  ku-l  u  • 
S.  490  Z.  9  statt  ti  (verdruckt)  lies  tu. 

Z.  11:  Lies  IX .  C  .  L  .  Der  darauf  folgende  senkrechte  Keil  („I") 
ist  nahe  an  das  letzte  Zeichen  herangeschrieben  und  bildet  mit  diesem 
zusammen  eine  Zeichengruppe.  Dies  zeigt  der  Vergleich  mit  dem  Schluss 
der  Steleninschrift  von  Sigkeh.  Wie  in  dieser  wird  das  auf  den  Senkrechten 
folgende  als  U,  nicht  als  KID  zu  fassen  sein:  die  beiden  Wagerechten, 
die  l'  mehr  hat  als  KID,  sind  nicht  mehr  sichtbar. 

(17)  Von   Hrn.  Silvestro  Baglioni  in  Göttingen  ist  uns  ein 

Beitrag  zur  Vorgeschichte  des  Picenum 
Zugegangen,  welcher  später  erscheinen  wird.  — 

(18)  Hr.  A.  Baessler  legt  ein  Werk  vor  über  „Altperuanische 
Metallgeräte"  und  erörtert  dabei  das  Thema,  ob  die  alten  Peruaner 
«las  Material,  welches  sie  zum  Verfertigen  ihrer  Metallgeräte  verwandten, 
durch  Schmelzen  von  natürlich  verkommenden  Erzgemengen  oder  durch 
künstlich  hergestellte  Metallmischungen  gewannen.  — 

Hr.  Weeren  bemerkt,  dass  bei  der  Angabe,  nach  welcher  Kivero 
Kiesel  als  Bestandteil  kupferner  Geräte  gefunden  halten  soll,  vielleicht 
nur  versehentlich  Si  statt  8n  Bteht. 

Mr.  Baessler  stellt  fest,  dass  in  dem  von  ihm  angeführten  Werk 
\"u  Rivero  und  Tschudi  (Antiguedades  Peruanas)  die  Formel  Si  nicht 
gebraucht,  sondern  das  Wort  Bilice  stets  ausgeschrieben  ist. 

(19)  Mr.  A.  Baessler  legt  ein  Werk  vor,  betitelt:  ..Peruanische 
Mumien,  Untersuchungen  mit  X-Strahlen"  und  demonstriert  an 
Lichtbildern,  die  nach  den  mit  X-Strahlen  gemachten  Aufnahmen  von 
Siumienballen  hergestellt  sind,  in  welch  verschiedener  Art  und  Weise  die 
Verstorbenen  in  diesen  im  Enkareich  beigesetzt  worden  waren.  — 


—     766     — 

(20)    Hr.  G.  Schweinfurth  spricht  über 

steinzeitliche  Forschungen  in  Oberägypten. 

(Hierzu  Tafel  VI.) 

Zum  dritten  Male  wird  mir  die  Ehre  zu  teil,  der  Gesellschaft  über 
meine  Beobachtungen  und  Sammlungen  in  der  Umgegend  von  Theben 
Bericht  zu  erstatten.  Den  vorjährigen  Mitteilungen  weiss  ich  nicht  viel 
Berichtigendes  hinzuzufügen,  aber  meine  Ergebnisse  haben  sich  durch  den 
wachsenden  Umfang  der  Ausbeute  erweitert  und  vertieft,  und  zwar  das 
letztere  im  buchstäblichen  Sinne  gedacht,  insofern  es  mir  nun  gelungen 
ist,  weit  tiefere  als  die  bisher  ermittelten  Lagerstätten  der  Eolithe  auf- 
zuschliessen,  wo  Steinwerkzeuge  der  primitivsten  Art  in  Menge  zu  finden 
waren  und  von  denen,  wie  Jeder  zugeben  wird,  der  sich  mit  den  geo- 
logischen Verhältnissen  von  Ägypten  vertraut  gemacht  hat  viele  gewiss 
noch  aus  tertiären  Epochen  stammen  mögen. 

Ich  habe  bei  Theben  im  Umkreis  von  30  km  38  verschiedene  Ortlich- 
keiten  untersucht  und  wiederholt  ausgebeutet.  Gross  ist  diesmal  meine 
Ausbeute  besonders  an  Eolithen  der  mittelquartären  Hochterrasse.  Ich 
habe  auch  besondere  Aufmerksamkeit  den  lakustren  Ablagerungen  aus 
dem  untersten  Quartär  gewidmet,  die  man,  wie  ich  bereits  früher  aus- 
geführt habe,  in  die  Epoche  der  jüngeren  Deckenschotter  unserer  Alpen 
verlegen  kann,  d.  h.  in  das  erste  Interglazial.  Meine  in  der  Umgegend 
von  Theben  gemachten  Sammlungen  haben  6 — 7000  eolithische  und  paläo- 
lithische  Kieselwerkzeuge1)  ergeben,  ich  bin  daher  wohl  in  der  Lage, 
darüber  entscheiden  zu  können,  welches  Vorkommen  als  Regel  und  welches 
als  Ausnahme  zu  gelten  hätte,  und  da  kann  ich  denn  sagen,  dass,  wenn 
man  der  Analogie,  ja  der  völligen  Identität  der  in  Vergleich  gezogenen 
Arbeitsweisen  irgendwelchen  synchronistischen  Wert  beimessen  will,  die 
in  den  lakustren  Ablagerungen  enthaltenen  Eolithe  ihre  oberste  Zeitgrenze 
in  der  Epoche  von  Mesvin  finden,  die  in  der  mitteldiluvialen  Hochterrasse 
dagegen  ihre  jüngsten  Einschlüsse  der  Ubergangsepoche  von  Mesvin  zu 
Chelles2)  (dem  Strepyien  von  Rutot)  zu  verdanken  haben.  Die  Be- 
deutung einer  solchen  Art  Statistik  für  den  modus  probandi  wird  klar, 
wenn  man  bedenkt,  dass  bis  jetzt  in  dem  vorliegenden  Gebiete    nur  zwei 

1)  Ich  gebe  dem  Ausdruck  „Kiesel"  als  Gesamtbezeichnung-  für  die  aus  einem  Gemenge 
von  krvstallinischer  und  amorpher  Kieselsäure  bestehenden  Konkretionen  den  Vorzug  vor 
Feuerstein  aus  Gründen  der  Kürze,  namentlich  bei  Wortzusammensetzungen,  uud  des 
literarischen  Sprachgebrauchs,  obgleich  nicht  in  allen  Gegenden  Deutschlands  der  Name 
petrographische  Geltung  hat.  Es  ist  zu  bedauern,  dass  der  alte  Ausdruck  Flint  (woher 
„Flinte")  im  Deutschen  verloren  gegangen  ist.  Die  Lexikographen  schreiben  für  das 
lateinische  Silex  „Kiesel".  Dass  das  Wort  Silex  einen  Artbegriff  darstellt,  geht  daraus 
hervor,  dass  die  Autoren  sehr  oft  lapis  oder  saxmn  hinzufügen,  wie  wir  „Kieselstein" 
sagen,  und  deshalb  hat  eben  auch  die  Chemie    diese   Bezeichnung    für    den  Grundstoff  Si 

silicium  adoptiert.  Die  deutsche  Chemie  nennt  ihn  Kieselstoff  und  knüpft  alle  Namen 
und  Verbindungen  an  das  Stammwort  Kiesel  an.  Sie  sagt  „Kieselsäure",  nicht  Feuerstein- 
B&ure  hbw.  Im  Englischen  herrscht  der  nämliche  /wiespalt  in  bezug  auf  populäre  und 
schriftgemässe  Bezeichnung  zwischen  den  Worten  flint,  chert  und  silex! 

2)  Auch  von  Rutot  auf  Grundlage  der  gesehenen  Fundstücke  bezeugt  in  Mein. 
Soc.  Anthrop.  Broxelles  XXIII   1904,  Sur  la  Cause  de  reclatcment  naturel  du  Silex  S.  15. 


—     767     — 

Klassen  von  geologisch  mit  Sicherheit  bestimmbaren  Ablagerungen  von 
Kieselmanufakten  zu  Gebote  stehen,  deren  oberste  Zeitgrenzen  noch  oben- 
drein eine  bedenkliche  Annäherung  an  einander  verraten,  insofern  die 
Arbeitsweise  von  Mesvin  an  das  Ende  der  ersten  quartären  Vergletscherung 
und  in  die  zwischen  der  ersten  und  zweiten  gelegene  Übergangszeit,  die- 
jenige des  Strepyien  dagegen  in  den  Beginn  des  Vorstosses  der  zweiten 
quartären  Yergletscherung  zu  verlegen  ist.  Zum  Glück  wird  bei  Theben 
eine  etwaige  synchronistische  Unsicherheit  durch  die  in  räumlich  ge- 
schiedener Anordnung  auftretenden  Schichtungen  vollkommen  beseitigt. 

In  betreff  der  genaueren  Stellung,  die  im  Schema  der  quartären  Ver- 
gletscherungen derjenigen  Epoche  anzuweisen  wäre,  in  der  die  Arbeits- 
weise von  Mesvin  Geltung  hatte,  habe  ich  mich  an  Hrn.  Rutot  mit  der 
Bitte  gewandt,  mir  seinen  neuesten  Standpunkt  anzugeben.  Darauf  ist  mir 
von  diesem  hochverdienten  Manne  mit  gewohnt  liebenswürdiger  Bereit- 
willigkeit letzthin  die  Auskunft  zu  teil  geworden,  die  ich  mir  hier  wieder- 
zugeben erlaube:  „Ich  habe  das  Mesvinien  immer  an  das  Ende  des 
Moseen  (erste  quartäre  Gletscherperiode)  und  das  Strepyien  -Chelleen- 
Acheuleen  in  die  Phase  des  Vorstosses  der  zweiten  Vergletscherung,  da 
die  Acheulier  zur  Auswanderung  gegen  Süden  noch  vor  dem  Höhepunkt 
der  zweiten  Vergletscherung  gezwungen  waren.  Die  einzige  Nuancierung, 
die  sich  aus  meinen  letzten  Studien  ergibt,  ist  die,  dass  in  geologischer 
Hinsicht  das  Mesvinien  ganz  an  das  Ende  des  Moseen  oder  des  Rückzugs 
der  ersten  Vergletscherung  zu  stehen  kommt  und  dass  es  ohne  Zweifel 
ein  wenig  in  den  Beginn  der  zweiten  Vergletscherung  hinübergreift.  Wie 
Sie,  bin  auch  ich  vollkommen  davon  überzeugt,  dass  Sie  bei  Theben  die 
exakten  Vertreter  des  Mesvinien,  des  Strepyien  und  des  Chelleen  haben. 
Das  Acheuleen  scheint  zu  fehlen." 

Mit  Bezug  auf  die  letzte  Äusserung  will  ich  erwähnen,  dass  mir  auf 
den  Höhen  im  Nordwesten  von  Theben  allerdings  einige  wenige  Stücke, 
namentlich  dolchartige  und  schmale  oblonglineare  Faustschlägel  vor- 
gekommen sind,  die  auch  Hr.  Rutot  als  Acheulstücke  gelten  liess.  Im 
ganzen  enthält  meine  Sammlung  ein  Dutzend  typischer  Exemplare  von 
dieser  Kategorie  eines  durch  die  sorgfältigere  Formgebung  und  eine  klein- 
und  vielflächige  Zuhauung  vervollkommneten  Chelleen.  Die  Zahl  ist  ver- 
schwindend gegenüber  den  2 — 3000  paläolithischen  Stücken  der  typischen 
Arbeitsweise  von  Chelles,  die  ich  dort  aufgelesen  habe.  Ausnahmen  be- 
stätigen die  Regel. 

Was  den  Beobachter  an  den  steinzeitlichen  Funden  bei  Theben  be- 
sonders erfreut.  i>t  die  grosse  Klarheit  und  Einfachheit  der  die  Fund- 
unistände  und  «las  Aussehen  der  Kieselmanufakte  begleitenden  Umstände. 
Wenn  man  die  soeben  gemachten  geologischen  Vorbehalte  in  Rechnung 
bringt,  und  von  dem  Phänomen  der  Patina  absieht,  «leren  Bedingungen 
noch  lange  nicht  hinreichend  aufgeklärt  erscheinen,  liegt  hier  an  den 
Manufakten  «las  meiste  so  klar  zu  Tage  wie  in  einem  aufgeschlagenen 
Buch,  Statt  der  buntscheckig  <  bigarre)  und  unsauber  patinierten.  unter  sich 
auch  so  angleich  beschaffenen  Kieselknollen  von  Belgien  hat  man  es  bei 
Theben  mit  einer  völlig  gleichartigen  Kieselmasse  zu  tun,  die  ausschliesslich 


—     768     — 

den  untersten  Schichten  des  Eocäns  entstammt  und  deren  vorherrschende 
Färbung  eine  zarte  undefinierbare,  ins  rosa  spielende  Terra  di  Siena  ist, 
etwa  die  Farbe  der  etwas  gebräunten  Haut  eines  Nordländers.  Die  an 
der  Oberfläche  ausgebreiteten,  meist  die  Plateauhöhen  bedeckenden  Stücke 
sind  in  mehr  oder  minder  gleichmässiger  Weise  von  dem  schönen  Rot- 
braun der  edlen  Bronzen  eigentümlichen  „patina  nobilis"  überzogen, 
während  die  Rinnsale  der  Talschluchten  von  weissen  oder  cremefarbig 
berindeten  Naturkieseln  erfüllt  sind,  die  den  diluvialen  Terrassen- 
ablagerungen entlehnt  als  Gerolle  zur  Patinabildung  keine  Zeit  gefunden 
haben.  Wie  die  unter  ihnen  in  grosser  Zahl  auftretenden  cacholonnierten 
Manufakte.  erinnern  sie  häufig,  infolge  ihres  zarten  Aussehens,  an  Modelle 
aus  Gips. 

Derartige  Umstände  erleichtern  die  Prüfung  der  einzelnen  Stücke. 
Ich  glaube  behaupten  zu  können,  das  mir  bei  Theben  noch  nie  ein  Fund- 
stück vorgekommen  ist,  dass  mich  nach  genauer  Betrachtung  darüber  in 
Zweifel  gelassen,  ob  ich  es  mit  einem  Manufakt  oder  mit  einem  auf 
natürlichem  Wege  verletzten  Naturknollen  bezw.  Knollenfragment  zu 
tun  hätte. 

In  fast  jedem  einzelnen  Falle  des  Zweifels  leitet  hier  der  ursächliche 
Zusammenhang  der  Erscheinungen  den  Blick  des  Beobachters  auf  die 
richtige  Fährte.  Wenn  man,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  an  einem 
unserem  nordischen  Moränenschutt  entstammenden  Kieselknollen  sämtliche 
vorragende  Ecken,  Fortsätze,  Höcker  und  Buckel  durch  Abschürfungen 
und  Abspleissungen  verletzt  sieht,  so  wird  man  im  Zweifel  sein,  ob  wirk- 
lich alle  diese  Spuren  erduldeter  Kraftausübimg  auch  Spuren  des  absicht- 
lichen manuellen  Gebrauchs  seien.  Man  wird  sich  fragen,  welche,  und  ob 
überhaupt.  Wenn  aber,  wie  das  bei  Theben  die  Regel  zu  sein  pflegt, 
an  solchen  mehrhöckerigen  oder  mehrschenkligen  Knollen  nur  einzelne 
Vorsprünge  Verletzungen  an  sich  tragen,  andere  wiederum,  und  nament- 
lich solche,  die  sich  als  besonders  handlich  für  den  Griff  erwiesen,  völlig 
intakt  erscheinen,  dann  wird  man  über  die  wahre  Natur  eines  solchen 
Holithen  nicht  lange  im  Zweifel  bleiben  können.  Ein  solches  Beispiel 
lieferten  die  von  Prof.  Jaeckel  beschriebenen  Fundstücke  von  Freyen- 
stein,  die  in  jeder  Hinsicht  den  Vergleich  mit  den  Reutelstücken  von 
Westflandern  und  von  der  Thebais  bestehen  können. 

\ndererseits  wird  man  leicht  davon  überzeugt,  dass  Verletzungsspuren, 
die  sich  ;m  unmöglichen  oder  an  zwecklosen  Stellen  ergeben,  die  Annahme 
eines  beabsichtigten  Einoreifens  des  Menschen  oder  einer  menschen- 
ähnlichen  Hand  von  vornherein  ausschliessen  müssen. 

Was  bei  Theben  noch  besonders  lehrreich  und  überzeugend  wirkt, 
ist  die  Betrachtung  der  an  Ort  und  Stelle  befindlichen  gebrauchten  Stücke 
im  Gegensatz  zu  den  neben  ihnen  liegenden  ungebrauchten  und  noch 
völlig  intakten.  Prof.  v.  Luschan,  den  ich  auf  einigen  Exkursionen  zu 
begleiten  den  Vorzug  hatte,  ist  dort  gleich  bei  seinem  ersten  Spaziergang 
Yi>n  einem  ungläubigen  Süiilus,  wie  er  sagte,  zu  einem  überzeugten  Paulus 
bekehrt  worden. 


—     769     — 

Ein  sehr  verschiedenes  Verhalten,  wenn  man  die  Eolithe  aus  Belgien 
und  aus  Ägypten  in  Vergleich  bringt,  offenbaren  <lie  aus  den  Tiefen  des 
Moränenschutts  zu  Tage  geförderten  Kieselknollen  und  deren  Spreng- 
stücke, wie  solche  sich  in  unseren  nordischen  DiluviaHagerungeu  genugsam 
vorfinden.  Diese  geben  sehr  eigentümliche  Verletzungen  und  Oberflächen- 
veränderungen, Polituren,  Sehrammen,  Hohlschliffe,  sattelförmige,  oft  im 
Bogen  verlaufende  Abspleissungen,  Abschürfungen  der  Kruste,  polyedritfch- 
prismatische  Znstutzungen  und  schliesslich  muschelige  Kantenabsprengungen 
zu  erkennen.  Von  allen  diesen  Gestaltungen  finden  sich  nur  die  der 
letzterwähnten  Kategorie  an  den  eolithischen  Kieselmanufakten  wieder. 
während  alle,  mit  alleiniger  Ausnahme  etwa  der  flachen  Krusten- 
abschürfungen, an  Naturkieseln  der  ausserhalb  der  diluvialen  Ver- 
gletscherungsgebiete  gelegenen  Länder  nicht  anzutreffen  sein  dürften. 
Mögen  auch  einzelne  der  angedeuteten  Umgestaltungsformen  (wie  z.  B. 
etwa  die  Politur)  infolge  von  nachträglichen  Umlagerungen  entstanden, 
andere,  darunter  eine  Anzahl  hier  (weil  nicht  an  Kieseln  beobachtet) 
nicht  weiter  in  Betracht  kommender  Formen,  wohl  auch  durch  die  be- 
trächtlichen klimatischen  Schwankungen  der  sog.  Interglazialzeiten  veranlasst 
sein,  wenn  solche  hier  wirklich  vorhanden  waren,  so  ist  es  doch  klar, 
dass,  was  speziell  die  Kieselknollen  anlangt,  die  überwiegende  Mehrzahl 
ihrer  Verletzungen  auf  glaziale  Vorgänge  zurückzuführen  ist.  Alle  Fund- 
und  Herkunftsverhältnisse  der  Kiesel  scheinen  das  zu  bezeugen. 

Man  hat  es  demnach  bei  den  abweichenden  Formen  der  Kiesel- 
verletznng  und  Umgestaltung  mit  Erscheinungen  zu  tun,  die  als  das  Er- 
gebnis der  den  Moränen  eigentümlichen  dynamischen  Wirkungen  anzusehen 
sind,  in  erster  Linie  mit  den  ungeheuren  Druckwirkungen,  die  hier  Ab- 
spleissungen ermöglicht  haben,  die  sich  unter  den  verschiedensten  Be- 
dingungen vollziehen  konnten.  Es  darf  daher  nicht  Wunder  nehmen. 
wenn  wir  unter  den  verschiedenen  Ergebnissen  dieser  komplizierten 
Kräftewirkung  an  den  Naturknollen  auch  solche  Formen  entwickelt  sehen, 
die  den  durch  den  manuellen  Schlag  hervorgerufenen  in  hohem  Grade 
gleich  sehen. 

So  gut  wie  es  eine  Dengelung,  eine  Randschärfung  durch  Druck  und 
Pressung,  vermittelst  Absplitterung  von  flachen  Spänen  gibt,  ist  auch  eine 
Abspleissung  im  grösseren  Massstabe  möglich  bei  hinlänglichem  Aufgebot 
von  Kraft,  wie  die  langen  Qhsidiansplitter1)  der  Mexikaner  beweisen  und 
die  l»is  35  cm  langen  Kieselabsplisse  von  Prestigny,  die  ich  in  der  un- 
vergleichlichen Sammlung  von  Dr.  L.  Capitan  in  Paris  gesehen  habe 
uw\  die  offenbar  das  Ergebnis  einer  ähnlichen  Arbeitsweise  darstellen,  wie 
sie  in  Mexiko  geübt  worden  ist  und  wie  sie  daselbst  vielleicht  noch 
beatigen  'Taus  geübt  wird.") 

1)  Über  die  Technik  der  Kieselpressung  hat  Eduard  Krause  in  dem  Prachtwerk 
\on  Bans  Kraemer,  Weltall  und  Menschheit,  Bd.  V  8.20  und  B.  |o,  desgl.  in  früheren 
Jahrgängen  dieser  Zeitschrift  mit    vieler  Klarheit  und  Sachkenntnis  berichtet. 

■_')  Die  im  .Museum  für  Völkerkunde  zu  Berlin  aufbewahrten  Obsidiansplitter  und 
Nuclei,  grösstenteils  aus  den  Sammlungen  Ton  Uhde  184  l—  16)  stammend,  tragen  mancherlei 
Eigentümlichkeiten  zur  Schau.    Die  bei  durchschnittlich  l">  em  Lange  gewöhnlich  nur  1  cm 


—     770     — 

Zu  Druckwirkungen  bot  die  Grundmoräne  Möglichkeiten  in  reichem 
Masse  dar,  dazu  gesellten  sich  die  Zufälligkeiten  des  Stosses,  vou  denen 
die  zahllosen  runden  Kegelmarken  Zeugnis  ablegen,  die  an  der  Ober- 
fläche mancher  den  Gebilden  der  Grundmoräne  entstammender  Kieselknollen 
sichtbar  sind.  Die  vorhin  angedeutete,  oft  überraschende  Ähnlichkeit  ge- 
wisser, dem  Gletscherdruck  zuzuschreibender  Verletzungen  mit  solchen, 
die  am  natürlichen  Knollen  (wodurch  er  zum  Eolithen  primitivster  Art 
wird)  durch  den  Gebrauch  in  der  Hand  eines  menschenähnlichen  Wesens, 
sei  es  durch  zufällige  Ablösung  von  Splittern  und  Scherben  bei  Ver- 
wendung des  Knollens  als  Schlagwerkzeug,  sei  es  durch  beabsichtigte  Ab- 
sprengung  behufs  Kand-  und  Kantenschärfung  entstanden,  diese  Ähnlich- 
keit mit  den  sogenannten  Absplissnarben  dokumentiert  sich  vor  allem  in 
der  sehr  häufig  vollkommen  ausgeprägten  Gestalt  des  Schlagbuckels,  sobald 
es  gelingt  kleine  Scherben  im  Kiesschutt  ausfindig  zu  machen.  Am  Negativ, 
an  der  Absplissnarbe,  die  man  für  gewöhnlich  allein  zu  sehen  bekommt,  ist 
die  dem  Schlagbuckel  entsprechende  Höhlung  nicht  immer  deutlich  zu 
erkennen.  Ganz  deutlich  ausgeprägt  sind  aber  an  diesen  meist  rundlichen 
und  meist  oval-konkaven  Aussplitterungen  stets  die  konzentrischen  Bogen- 
wellen,  die  in  den  ausserglazialen  Gebieten  überall  von  einer  be- 
absichtigten Schlagführung  Zeugnis  ablegen  und  die  auf  der  Hohlfläche 
der  Unterseite  hervortreten,  die  vom  Schlagbuckel  aus  sich  gegen  das 
Ende  des  Absplisses  in  die  Länge  zieht.  Diese  Bogenwellen  bezeichnen 
in  jedem  Fall  die  Schlagrichtung,  da  sie  ihre  konkave  Seite  ausnahmslos 
dem  Treffpunkt  mit  seinem  Schlagkegel  und  der  Schlagbuckelschwellung 
zukehren.  Ob  sich  in  der  Natur  dieser  Bogenwellen,  in  ihrer  bei  den 
Gletscherverletzungen  mehr  treppenartig,  mit  mehr  rechtwinkeligen  Stufen 
ausgeprägten  Absätzen,  in  ihrem  unregelmässigeren  Parallelismus  und  der- 


Breite  messenden  Absplisse,  die  ich  dort  sah,  sind  ziemlich  stark  bogig  nach  einwärts 
'zur  Achse  des  Nucleus)  gekrümmt  und  zeigen  auf  der  Unterseite  eine  verquer  schwach 
konvex  gekrümmte  Fläche,  während  dieselbe  in  der  Läng.slinie  konkav  ist.  Auf  der 
Rückenseite,  die  gewöhnlich  mit  drei  Längsflächen  (Facetten)  versehen  ist,  gewahrt  man 
an  ihnen  die  regelmässigen  Narben  (Abtrennungsflächen)  der  vorhergegangenen  Absplisse, 
und  zwar  von  der  einen  die  ganze  Narbe  und  von  den  beiderseits  daranstossenden  je  die 
halbe.  Prof.  v.  Luschan  machte  mich  auf  die  eigentümliche  Behandlung  aufmerksam, 
die  die  Schlagfläche  erfahren  hat.  Dieselbe  ist  nämlich  nicht  etwa  zugeschlagen,  was  eine 
ungleich  ebene,  muschelbrüchige  Gestaltung  derselben  bewirkt  haben  würde,  sondern  sie 
ist  rauhgeschliffen,  wahrscheinlich  vermittelst  Sandstein  oder  Quarzit.  Dieses  Verfahren 
ist  vielleicht  eins  der  Erfordernisse  der  Druckabspleissung,  um  dem  Holz-  oder  Knochen- 
ende  des  Druckstabs  einen  festen  Stütz-  und  Druckpunkt  behufs  Konzentrierung  der 
Kraft  zu  gewähren  und  ein  Ausgleiten  zu  vermeiden.  Unter  dem  Treffpunkt  zeigt  sich 
auch  an  diesen  Absplissen  wie  an  den  geschlagenen  ein  deutlicher  Kegel,  der  in  den 
Schlagbuckel  übergeht,  der  ganz  oben,  kaum  l/s  ""  unter  der  Schlagfläche  zu  liegen 
kommt.  Die  konzentrischen  Bogenwellen  auf  der  weitausgezogenen  Hohlfläche  der  Unter- 
ind  über  dieselbe  in  ihrer  ganzen  Länge  verteilt  und  lassen  sich  im  Spiele  des 
Lichts  fast  immer  mit  Deutlichkeit  unterscheiden,  obgleich  sie  von  einer  kaum  messbaren 
Erhabenheit  ein  dürften.  Aus  allem  geht  zur  Genüge  hervor,  dass  —  insofern  die  tat- 
sächlich allein  durch  Pressung  und  Abdrucken  nicht  etwa  durch  Schlag  bewirkte  Her- 
stellung der  mexikanischen  Obsidiansplitter  unangefochten  bleibt  (bisher  bezeugt  durch 
■  Ich  Bericht  des  Torquemada  in  Blonarquia  Indiana)  —  ein  prinzipieller  Unterschied 
/wischen  den  Erscheinungen  der  Druck*  und  denen  der  Schla^wirkung  nicht  besteht. 


—     771     — 

gleichen,  durchgreifende  Unterschiede  werden  nachweiseu  lassen,  steht 
noch  dahin.  Ein  wichtiges  Hilfsmittel  zur  richtigen  Beurteilung  der  Ent- 
stehung  fraglicher  Absplissnarben  erwächst  aber  dem  Beobachter  aus  all- 
gemeinen Erwägungen  des  Kausalkonnexes;  wenn  /..  I>.  solcheAussplitterungen 
mit  Sohlagbuckelhöhlung  und  Bogenwellen  sich  an  Stellen  des  Kiesel- 
knollens vorfinden,  wo  für  das  manuelle  Eingreifen  eines  menschenähnlichen 
Wesens  durchaus  keine  Veranlassung,  für  den  Gebrauch  kein  triftiger 
Grund  in  die  Augen  springt,  alsdann  wird  man  sicherlich  an  einen  natür- 
lichen Vorgang  zu  denken  hüben.  In  diese  Kategorie  verdächtiger  Ver- 
letzungen gehören  auch  die  von  ungeheurer  Druckwirkung  zeugenden 
Absplissnarben  mit  Bogenwellen,  die  sich  unvermittelt  mitten  aus  der 
Fläche,  sei  es  aus  der  Oberfläche  des  Kiesels  selbst  oder  einer  natürlichen 
Klüftung,  die  bereits  vorhanden  war,  sei  es  von  der  Xarbe  vorhergegangener 
Abspleissungen  abheben,  Vorkommnisse,  die  sieh  bei  Manufakten  als  kaum 
denkbar  erweisen  würden.  Es  gibt  bei  den  Gletscherwirkungen  sogar 
Häufung  solcher  muscheligen  Aussprengungen,  die  in  ihrer  Gesamtheit  zu- 
weilen den  Muschelbruch  gewisser  Mineralien  nachahmen.  Der  durch  die 
Bogenwellen  orientierte  Druck-  oder  Treffpunkt  hat  in  diesen  Fällen 
keine  überhängende  Kante  (s.  unten)  zum  Spielraum,  wie  deren  eine 
beabsichtigt  manuelle  Schlagführung  stets  bedarf. 

Zu  den  verdächtigem  Beweisspuren  menschlicher  Existenz  gehören 
gewiss  auch  die  (unbeschadet  der  echten,  unanfechtbaren,  die  sich  vor- 
finden) an  vermeintlichen  kleinen,  zum  Teil  winzigen  Schabern  aus  ver- 
muteten Interglazialschichten  bemerkbaren  Randaussplitterungen,  die  denen 
der  beabsichtigten  Randschärfung  oder  Dengelung  in  hohem  Grade  ähnlich 
sehen,  so  namentlich  auch  infolge  ihrer  ununterbrochen  reihenweisen  An- 
ordnung. Und  doch  sind  an  diesen,  an  und  für  sich  als  beweiskräftig  er- 
scheinenden Stücken  Eigentümlichkeiten  wahrzunehmen,  die  den  be- 
glaubigten .Manufakten  der  ausserglazialen  Gebiete  fehlen.  Lebhaften 
Zweifel  regen  in  vielen  Fällen  die  Richtungs-  und  Stellungsverhältnisse 
der  die  angebliche  Randschärfung  darstellenden  Dengelungsnarben  an. 
Beim  Bfanufakt  stehen  sie  mehr  oder  minder  senkrecht  zum  Rande,  sie 
sind  einfach  aneinander  gereiht  oder,  bei  wiederholter,  infolge  zunehmender 
Abstumpfung  gehäufter  Randschärfung  reichen  die  kleinen  Absplissflächen 
stets  bis  an  den  Band,  über  die  vorhergegangenen  übergreifend,  so  dass  immei 
nur  ein  1  lauptabspliss  neben  dem  anderen  in  der  Reihe  zu  stehen  kommt. 
Dagegen  gewahrt  man  an  den  Gletscherscherben  sehr  häutig,  dass  diese 
Absplissnarben  Bchräge  gegen  den  Rand  gestellt  sind  oft  sogar  geradezu 
auf  weitere  Strecken  randläufig  sich  neben  dem  Rande  einherziehen. 
Andere  -eben  ein  eigentümliches  Gehäuftsein,  vielfältiges  Diastomosieren, 
Zerlegung  in  eine  Anzahl  Facetten  zu  erkennen,  alles  Vorkommnisse,  die 
an   den    Manufakten   nicht  beobachtet  weiden   sind. 

Es  hat  demnach  nichts  Überraschendes,  wenn  Leute  aus  unseren 
Gegenden  angeblichen  Eolithen  gegenüber  sich  sehr  vorsichtig  in  ihrem 
Urteil  erweisen.  Ale  Prof.  Bracht  in  Westflandern  zum  ersten  Male 
grossen  Mengen  echter  Eolithe  sich  gegenüber  befand,  war  sein  erster 
Eindruck  der.    dass  er  sich  der  Dinge  erinnerte,    die    ihm   in   den  Letzten 


—     772     — 

15  Jahren   schon   öfter  in  märkischen  Kiesgruben   vorgekommen   waren.1) 
Dr.  H.  Hahne    hat    gelegentlich    der  Diskussion    über    die    einschlägigen 
Fragen    in    <ler  vorigjährigen  Sitzung2)  bereits    darauf   hingewiesen,    dass 
..'lic    eigentümlichen  Druckvorhältnisse    der  Moränenschiebung    sehr    wohl 
Verlötzungen     an     den     Kieselknollen     verursachen     können,     die     den 
intentioneilen  Absplissen  einigermassen  analog  sind''.      In    der   erwähnten 
Sitzung  haben,    von  gleichen  Gesichtspunkten   geleitet,    auch  die  obersten 
Gewährsmänner  für  die  eiszeitlichen  Bildungen  unserer  nächsten  Nachbar- 
gebiete,    Prof.  Keilhack    und    Prof.  Wahnschaffe    sich    sehr    skeptisch 
über  die  angeblichen  Eolithe  von  Rixdorf  und  Britz  geäussert.     Ich  muss 
gestehen,  dass  mir  unter  den  grösseren  Kieselknollen   dieser  Ortlichkeiten 
bisher    keine    zu  Gesicht    gekommen    sind,    die   vollständig  einwandsfreie 
Merkmale  darboten,  um  sie  als  eolithische  Manufakte  anzuerkennen.     Das 
Alter  der  Lagerstellen  ist  an  den  meisten  Örtlichkeiten  gut  bestimmt,  un- 
bekannt sind  aber  die  vorhergegangenen  Schicksale  der  in  denselben  ein- 
gebetteten Gerolle    und  Manufakte.     Die    in    die  Urströme    der    einzelnen 
Epochen  einmündenden  Gewässer  von  Nebentälern  können,  namentlich  die 
von    Süden    kommenden,    kleine    Manufakte,    insonderheit    die    aus    nicht 
kretazischen  Kieseln  hergestellten  Schaber,  von  sehr  weither  herbeigeschafft 
haben,  wie  auch  schon  das  so  oft    in    hohem  Grade    abgewetzte  Aussehen 
der  letzteren  vermuten  lässt.     Es  sind  demnach  aus    solchen  Funden  Be- 
weise   für    die    Bewohnbarkeit    aller    dieser    Gegenden    in    interglazialen 
Epochen,  wie    in  den  westeuropäischen  Nachbargebieten,  nicht  abzuleiten, 
zumal  da  ja  auch  alte  Oberflächenzustände    als    solche    nicht    mit  völliger 
Sicherheit  nachzuweisen  waren.     Von    einer  Überdeckung    der    Manufakte 
in  situ,   wie  bei   so  vielen    belgischen  Vorkommen,    kann    nicht    die  Rede 
sein,    wo    allein    kleine    und    kleinste    Stücke    vorliegen.      Dagegen    sind, 
wir     gesagt,    die    von    Prof.    Jaeckel    aus    der   Priegnitz    beschriebenen 
Eolithe  hinlänglich  beglaubigte  Stücke.     Es   sei    mir    hier  gestattet,  etwas 
näher  auf  die  gewiss  sehr  ausgedehnte  Formenreihe  der  in  den  nordischen 
Gletscherbildungen    an    den    von    der    Grundmoräne    abgesetzten    Kiesel- 
knollen wahrzunehmenden    Verletzungen    und   Umgestaltungen  einzugehen. 
In    Erwägung  der  schier  endlosen   Fülle  von  Kombinationen,    die  von  den 
dynamischen  Wirkungen  der  Gletscherbewegung  abzuleiten  wären,  dürfen 
Mahnungen    zur  Vorsicht    („eonseils  de   prudence"    nennt    das  A.  Rutot) 
nicht  von  der  Hand  zu  weisen  sein,  um  nicht  voreilige  Schlüsse  aus  Wahr- 
nehmungen    von    zurzeit    noch    unzureichender    Definierung    zu    knüpfen. 
Wie  aber  soll    die  Schwierigkeit  einer  Aufgabe  den  Grund  dafür  abgeben 
sich     mit     ihr    überhaupt    nicht    zu    befassen.     Aller    Anfang    ist    schwer. 
Niemand   wird  in  Abrede  stellen,  dass  manche  der  aufgezeichneten  Formen 
mir  ausserordentlicher  Bestimmtheit  in  die  Erscheinung  treten,  daher  wohl 
auch    eine    bestimmte    Beschreibung    ermöglichen.     Von    diesem    sicheren 
ausgehend,    wie    ron    etwas  gegebenem,    muss  man  eben  bei  der  Unter- 
Buchung  yorschreiten    zu    <lni   anklaren   and   zweifelhaften  Erscheinungen, 

1  Zeitechr.  L903,  8.  824. 

2  Zeitschr.  L903,  8.  306. 


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um  sie  klarer  Einsicht  zu  erschlossen.  Um  die  Gedanken  zu  ordnen, 
müssen  Linien  gezogen  werden,  die  in  der  Natur  allerdings  nicht  vor- 
handen sind,  deren  wir  aber  bedürfen,  und  das  nennt  man  System.  Vor 
allen  Dingen  hat  man  sich  einer  exakteren  Ausdrucksweise  zu  befleissigen. 
Ein  grosser  Teil  der  Missverständnisse  und  vermeintlichen  Unklarheiten 
rührt  von  der  unbeholfenen  Art  der  Bezeichnung  her,  mit  denen  ein 
gesehenes  Ding  festgehalten  wird,  von  der  terminologischen  Kakographie; 
man   braucht  dabei   nur  an   die  Zeiten  vor  Linne  zu  denken. 

Es  ist  geradezu  unmöglich  die  Grenzen  des  manuellen  Könnens  auf 
dein  Gebiete  der  Kieselschlagkunst  festzustellen,  wenn  man  sich  nicht 
einmal  daran  macht,  die  Merkmale  der  natürlichen  Kiesel  Verletzungen  zu 
definieren  und  zu  analysieren.  Die  an  fast  allen  Kieselknollen  der  Mark 
Brandenburg  wahrzunehmenden  Formen  versuche  ich  unter  folgende 
Kategorien  zu  bringen: 

1.  Schrammen.  Wo  Kieselknollen  oder  Sprengstücke  glatte  Flächen 
darbieten,  die  stets  durch  eine  eigentümliche,  in  ausserglazialen 
Ländern  nicht  in  dieser  Art  angetroffene  Politur  ausgezeichnet 
erscheinen,  geben  sich  sehr  häufig  feine  und  gröbere  Linien  und 
Striche  zu  erkennen,  die  unter  der  Lupe  gesehen  sehr  Bonderbare 
Einzelheiten  ihrer  Gestaltung  verraten.  Prof.  Eugen  Bracht,  als 
geübter  Naturbeobachter  seit  Jahren  mit  diesen  Erscheinungen 
vertraut,  hat  zwei  verschiedene  Formen  dieser  Striche  unter- 
schieden, von  denen  die  eine  als  „Fischgräten-",  die  andere  als 
die  „Knospenform"  zu  bezeichnen  wäre.  Es  gibt  auch  Striche. 
die  sich  bei  der  Vergrösserung  als  eine  einfache  Reihe  gleich- 
massiger  Grübchen  entpuppen.  Es  wird  mit  den  angeführten  Bei- 
spielen noch  lange  nicht  der  ganze  Formenkreis  dieser  Schrammen- 
gebilde  erschöpft  sein. 

2.  Abspleissungen,  zunächst  die  rundlich-ovalen,  manufaktartigem 
von  denen  bereits  die  Rede  war.  Wo  sie  als  Randaussplitterungen 
auftreten,  werden  sie  kaum  anders  als  durch  ihre  Stellung  und 
Anordnung  von  denen  des  manuellen  Schlags  zu  unterscheiden 
sein.  Die  die  Druckrichtung  stets  anzeigenden  Bogenwellen 
werden  viel  zur  Klarlegung  der  Verhältnisse  beitragen. 

.'!.  Sattelförmige,  in  der  Längslinie  und  meist  nach  allen  Richtungen 
hin  kon\e\  gebogene,  oft  weit  ausgezogene  breite  Abspleissungen, 
mit  undeutlich  entwickelten,  verschwommenen  Bogenwellen;  auch 
geben  sie.  wie  es  scheint,  nie  die  conchoidalen  Schwellungen  eines 
etwaigen  Buckels  zu  erkennen.  Diese  Verletzungen  greifen  nicht 
tief  in  die  Masse  ein,  verlaufen,  die  Naturkruste  des  Knollens  ab- 
Bchürfend,  in  bogigem  Auf-  und  Absteigen  nahe  der  Oberfläche, 
gleichsam  aber  Berg  und  Tal,  and  geben  Btets  eine  glänzende 
Politur  zu  erkennen. 

1.  Flache  A lischü rfuugen  der  Kruste  an  vorspringenden  Höckern 
und  Vorsprüngen  des  Naturknollens.  Die  Verletzungsfläche  bilde! 
indes    nicht    eine    vollkommene    Ebene,    die    erstere    ist    immer 


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seicht,  fast  unmerkbar  konkav  ausgehöhlt,  ähnlich  den  Ab- 
sonderungen der  alveolaten  Kategorie  und  der  Näpfchenbildung 
(„ä  cupules"),  die  nicht  allein  in  Gegenden  mit  trockenem  Klima 
zu  beobachten  ist.  Dem  flüchtigen  Blick  erscheinen  diese  seicht 
konkav  gestalteten  Abschürfungen,  wie  ein  mit  dem  Messer  durch 
Kruste  und  Innenmasse  des  Knollenhöckers,  ohne  Absatz  zwischen 
beiden,  geführter  Schnitt.  Solche  Verletzungen  finden  sich  auch 
an  den  Kieselknollen  des  ägyptischen  Quartärs,  die  ursprünglich 
aus  dem  Eocän  stammten. 

5.  P  olyedrisch-prismatische  Zustutzungen  des  ganzen  Kiesel- 
stücks oder  eines  Teils  desselben.  Diese  Klasse  von  Um- 
gestaltungen gehört  zu  den  merkwürdigsten  Erscheinungen,  auf 
die  man  in  den  märkischen  Kiesgruben  unter  den  oberen  Ge- 
schiebemergeln  stösst.  Die  Stücke  finden  sich  in  sehr  verschiedenen 
Grössen  vom  zollgrossen  Rautenwürfel  bis  zum  faustgrossen  Polyeder. 
Eine  stereometrische  Definition  dieser  Körper  war  bisher  nicht 
zu  erzielen. 

6.  Hohlkehlartige  Schliffe,  ausgeschliffene,  meist  fingerbreite, 
manchmal  aber  auch  nur  millimeterbreite,  stets  glänzend-polierte 
Rillen  und  Furchen.  Solche  Formen  finden  sich  sehr  häufig, 
namentlich  an  grösseren  Kieselknollen.  Sie  erstrecken  sich  nicht 
weit  über  die  dargebotenen  Flächen  und  verlaufen  oft  geradlinig, 
dann  auch  wieder  mit  mehr  oder  minder  gekrümmter  Längslinie. 
Ihr  Aussehen  erinnert  an  Ausfeilungen  mit  der  Rundfeile. 

7.  Zerhackte  Formen,  die  in  Gestalt  von  gehäuften  Nagel- 
einschnitten an  Messerklingen  oder  von  halbmondförmigen,  wie 
von  Keilen  herrührenden  Vertiefungen  auftreten  und  dem  Kiesel- 
knollen an  gewissen  Stellen  das  Aussehen  eines  mit  dem  Hack- 
messer bearbeiteten  Holzes  erteilen,  indem  auf  dem  Grunde  eines 
jeden  Einschnittes  in  die  Naturkruste  die  dunkelere  Innenmasse 
des  Kieselknollens  hervortritt.  Dieselbe  Erscheinung  habe  ich 
auch  in  Oberägypten  häufig  an  den  eocänen  Kieselknollen  der 
Quartärablagerungen  wahrgenommen.  Mit  den  Kegelbildungen 
(s.  unten)  der  Treffpunkte  von  Kieseln,  die  heftige  Stösse  und  Schläge 
auszuhalten  hatten,  hat  diese  Form  der  Oberflächenzersetzung,  die 
vielleicht  unabhängig  von  den  Gletschereinflüssen  entstand,  nichts 
gemein. 

über  die  Gesetze,  nach  denen  sich  die  manuell  beabsichtigte  Kiesel- 
sprengung vollzieht,  wird  man,  wenn  erst  die  Physiker  und  Mineralogen  vom 
Fach  sich  des  Gegenstandes  bemächtigt  haben  werden,  bald  ins  Reine  kommen, 
denn,  wie  ein  jeder  durch  eigene  Spreng-  und  Schlagversuche  sich  davon 
überzeugen  kann,  treten  bei  den  einzelnen  Vorgängen  Erscheinungen  von 
überraschender  Regelmässigkeit  auf,  Das  hier  beigegebene  Schema  soll 
einen   vorläufigen   Überblick   aber  diese  Verhältnisse  gewähren. 

Jeder  Abspliss,  den  man  bewirkt,  zeigt  im  Prinzip  die  nämliche  Ge- 
staltung,  immer  hat  er  die  drei  Hauptmerkmale  des  beabsichtigten  Schlages 


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;iii  sich:  die  Schlagfläche,  den  Schlagbuckel1)  und  die  konzentrischen  Boden- 
wellen. Nicht  immer  deutlich  ausgeprägt  sind  die  anderen  beiden  Merk- 
male des  manuellen  Schlags:  die  Schlagnarbe, 
die  durch  das  Vorbeifahren  des  das  Absprengen 
bewirkenden  „Behausteins"  (Ed.  Krause)  am 
Schlagbuckel  verursachte  Verletzung,  und  der 
unter  dem  Treffpunkte  sich  bildende  Kegel  an 
der  Spitze  des  Schlagbuckels.  An  jedem  Ab- 
spliss  zeigt  die  Schlagbuckelschwellung  die 
Unterseite  an,  während  die  konzentrischen  Bogen- 
wellen,  indem  sie  sich  gegen  den  Buckel  zu 
öffnen,  unfehlbar  die  Richtung  der  stattgehabten 
Schlagwirkung  verraten,  was  beim  Verloren- 
gehen der  Schlagfläche  oft  von  Wichtigkeit  sein 
kann. 

Als  Behaustein  („percuteur  de  debitage")  be- 
währt sich  am  meisten  ein  der  Kugelgestalt  mög- 
lichst   nahe     kommender    Kieselknollen,    mehr 

noch  ein  kugelförmiger  Rollstein  aus  zähem,  krystallinischem  Gestein. 
Sphäroidische  Formen  liegen  noch  besser  in  der  Hand,  haben  „mehr 
Zug.".  Der  Durchmesser  braucht,  auch  um  die  grössten  Absplisse  zu  bewirken, 
6  cm  Durchmesser  und  das  Gewicht  1/zkg  nicht  zu  überschreiten.  Die  Kraft- 
häufung,  die  aus  der  Doppelbewegung  des  Armes  und  des  Handgelenkes 
hervorgeht,  ist  eine  unverhältnismässig  grössere  als  die  eines  gestielten 
Hammers  von  gleichen  Grössenverhältnissen,  weil  man  mit  letzterem  nicht 
imstande  ist,  die  kombinierte  Kraft  zur  Erschütterung  der  Masse  auf  einen 
Punkt  zu  konzentrieren,  wie  es  die  Kugel  vermag  bei  Berührung  der  Fläche. 
Luch  verleiht  das  stiellose  Hammerwerkzeug  dem  Handgelenk  freieren 
Spielraum  zu  kurzem  Schlag.  Deshalb  haben  auch,  wie  bei  Theben  auf- 
gefundene Behausteine  (von  denen  ich  einen  vorlege)  beweisen,  die 
Menschengeschöpfe  aller  Epochen  mit  Vorliebe  sich  solcher  Kugelschläger 
zum  Zerteilen   der  Kieselknollen    und    zum  Zuhauen    der  Stücke   bedient. 

Um  von  einem  Kieselknollen  grössere  Absplisse  von  flacher  Gestalt 
durch  den  Schlag  ablösen  zu  können,  bedarf  es  einer  ebenen  oder  zuvor 
eben  gemachten  Stelle  und  einer  daran  stossenden,  etwas  überhängenden 
Kante.  Beide  Voraussetzungen  finden  sich  am  ehesten  am  halbierten,  ab- 
sichtlich oder  von  Narur  mitten  durch  gesprengten  Knollen.  Bei  dem  von 
länglicher  Gestalt,  namentlich  den  zylindrischen,  ist  dies  jedenfalls  die 
leichteste  Art  der  Zerstückelung.  Die  ebene  Stelle  gestatte!  die  Kon- 
zentrierung der  Schlagkraft  in  dem  Treffpunkt,  die  überhängende  Kante 
eine  Auslösung  der  der  Kieselmasse  innewohnenden  Spannungsverhältnisse 


1)  Schon  Vfortillet  hat  darauf  hingewiesen,  dass  der  Ausdruck  „bulbus",  -bulbe" 
Zw  ich. '1  fälschlich  fax  die  Anschwellung  auf  der  Unterseite  eines  beabsichtigten  Ab- 
splisses  Verwendung  findet,  weil  die  Schwellung  im  besten  Falle  nur  dem  Teil  einer 
Zwiebel  entsprechen  könnte.  Unbeanstandet  darf  dagegen  der  Ausdruck  ..Buckel-  o.ler 
Koncho'id  bleiben,  von  xöyxi  Buckel  an  der  Muschel,  Muschel  seihst  und  Buckel  am 
Schild,    -.■...   ,>,,_-       muschelartig. 


—     776     — 

im  gewollten  Sinne.  Wenn  die  Kante  nicht  überhängt,  d.  h.  wenn  sie 
einen  rechten  oder  einen  stumpfen  Winkel  bildet,  so  missglückt  in  vielen 
Fällen  der  Abspliss.  Es  löst  sich  alsdann  der  Abspliss  nicht  in  Gestalt 
eines  am  Ende  scharfkantigen  Splitters  oder  Spahns  von  der  Kernmasse 
des  Knollens  ab,  sondern  es  entsteht  ein  Staffelbruch  von  unregelmässiger 
Gestalt,  eine  zwecklose  Zersplitterung.  Wenn  die  Trennungsfläche  nicht 
frei  nach  unten  auslaufen  kann,  wegen  des  in  dieser  Richtung  zunehmen- 
Widerstandes,  so  vollzieht  sich  etwas  ähnliches  wie  beim  Holz,  das  man 
nach  seinem  Faserverlauf  spalten  will  und  das  an  der  Stelle  einer  zu- 
nehmenden Verdickung  ausbricht  und  reisst.  Der  beste  und  wirkungs- 
vollste Schlag  wird  in  der  Weise  zu  führen  sein,  dass  seine  Richtung, 
herwärts  zur  Kante  mit  der  Schlagfläche  in  einem  etwas  spitzen  Winkel, 
etwa  in  60 — 75  °  zusammentrifft.  Dieser  Winkel  scheint  zugleich  der  der 
überhängenden  Kante  zu  sein. 

Jeder  Abspliss  gibt  auf  der  unteren  Seite  unter  dem  Treffpunkt  einen 
kleinen,  breiten  Kegelsprung  zu  erkennen;,  dessen  Spitze  mit  dem  Treff- 
punkt zusammenfällt  und  dessen  selten  auf  mehr  als  3  mm  Länge  regel- 
mässig entwickeltes  Endstück  einen  zur  Hälfte  seitlich  hervorragenden  Kegel 
freilegt.  Die  Verhältnisse  sind  nicht  an  allen  Exemplaren  so  deutlich  unter- 
scheidbar,  wie  sie  hier  beschrieben  werden,  angedeutet  sind  dieselben 
überall.  Der  Spitzenwinkel  des  Schlagkegels  (105—115  °)  scheint  ein 
Korrelat  des  Winkels  der  Schlagrichtung  und  diese  Beziehung  der  Aus- 
druck eines  Gesetzes  zu  sein,  der  die  Spannungsverhältnisse  der  Kiesel- 
masse regelt.  Der  kleine  Schlagkegel  nimmt  im  weiteren  Verlauf  der 
Abspleissung  eine  unregelmässige  Gestalt  an,  man  sieht  ihn  durch  einige 
stufenartige  Absätze  nach  unten  zu  verbreitert,  bis  er  in  die  Schwellung 
des  Schlagbuckels  übergeht.  Führt  man  mit  einem  kugelförmigen  Stein 
auf  die  glatte  Fläche  eines  Kieselknollens  oder  eines  Sprengstückes  herz- 
hafte Schläge  aus,  so  entstehen  auf  derselben  kleine,  jeden  einzelnen 
Treffpunkt  bezeichnende,  kreisförmige  Risse  von  etwa  3 — 4  mm  Durch- 
messer, die  sich,  falls  auf  einer  frisch  geschlagenen  Sprungfläche  des 
Kiesels  entstanden,  sehr  deutlich  als  hellere  Kreise  oder  Halbkreise,  auch 
als  Doppelringe  von  der  dunkleren  Masse  abheben.  Diese  Kreisrisse  be- 
zeichnen die  Spitzen  der  entstehenden  Schlagkegelsprünge.  Auf  dieses 
wichtige  Merkmal  bin  ich  zuerst  durch  Dr.  H.  Hahne,  den  erfolgreichen 
Erforscher  der  steinzeitlichen  Verhältnisse  von  Magdeburg  aufmerksam 
gemacht  worden.  Für  die  bisher  übliche  französische  Bezeichnung 
„etoilures",  „Sternsprünge",  hätten  wir  demnach  im  Deutschen  den  Aus- 
druck  „Kegelsprünge"  als  die  eigentlichen  Schlagmarken  zu  setzen. 

Wenn  man  die  Schlagmarken  an  den  benutzten  Stellen  der  eolithischen 
Schläger  oder  an  den  Behausteinen  genauer  betrachtet,  so  lösen  sich  die 
verworrenen,  sich  vielfach  kreuzenden  Risse  und  Spaltungen  in  lauter 
Kreisteile  und  Halbmonde  auf,  die  ebensoviel  Kegelnarben  und  diese 
wiederum  ebensoviel  Treffpunkte  bezeichnen.  Die  Abrollungsverletzungen 
an  'Ich  Kanten  and  Vorsprüngen  /.eigen  stets  weit  kleinere  Verhältnisse. 
Von  den  letzteren  wird  man  die  Abnutzungen  des  Gebrauchs  stets  dadurch 
unterscheiden  können,    dass  bei  ihnen  die  Verletzungen,    nicht    wie    beim 


—     777     — 

Abrollungsprozess,  der  die  sämtlichen  Rand-  und  Kantenteile  gleichmässig 
und  in  ununterbrochener  Weise  in  Angriff  nimmt,  dass  sie  nicht  überall 
anzutreffen  sind.  Beim  Gebrauch  gibt  es  immer  ausgesparte  Stellen  der 
Schlagkanten,  solche  die  in  gedeckter  Lage  sich  zwischen  zwei  vor- 
springenden Stellen  befinden.  Bei  Werkzeugen,  die  als  Schaber  oder  ;ils 
sägende  .Messer  in  Betrieh  gesetzt  wurden,  werden  diese  Unterschiede 
besonders  deutlich,  denn  das  Schaben  und  Sägen  vollzieht  sich  immer  in 
bestimmten  Richtungen,  während  die  Rollung  nach  jeder  Richtung  Spuren 
hinterlassen  muss. 

Der  Nachweis  einer  Buckelschwellung  und  der  sich  gegen  dieselben 
zu  öffnenden  Bogenwellen  wird  in  den  ausserglazialen,  nicht  von  Ver- 
gletsoherungen  berührten  (legenden  ein  jedes  Kieselsprengstück  als  ein 
beabsichtigtes,  von  der  Hand  eines  Menschengeschöpfes  geschlagener  er- 
kennen lassen.  Dasselbe  trifft  zu  für  die  Randaussplitterungen  der  Kiesel- 
scherben.  Dengelt1)  man  die  Scharfkante  eines  intakten  Absplisses,  d.  h. 
vollzieht  man  an  derselben  eine  dauerhafte  „Schärfung  durch  Hämmerung", 
so  erweisen  sich  die  durch  den  „Dengelstein",  den  „Retouchoir"  abgelösten 
Splitterchen  unter  der  Lupe  als  Absplisse  kleinster  Art,  die  mit  allen 
.Merkmalen  ausgestattet  sind,  die  wir  an  den  grossen  wahrnehmen.  Jeder 
Dengelungsabspliss  wiederholt  im  Kleinen  den  Beginn,  d.  h.  das  obere 
Ende  einer  beabsichtigten  Abspleissung  und  der  Dengelstein  wirkt 
nicht  anders  als  der  Behaustein,  nur  dass  er  weit  geringerer  Kraft 
zu  seiner  Handhabung  bedarf.  Wir  sehen  eben  als  Ergebnis  dieses 
Prozesses  an  den  aufgefundenen  Manufakten  immer  nur  das  Negativ, 
die  Absplissnarbe,  während  die  zur  Herstellung  der  Randschärfung 
abgeschlagene  Reihe  kleiner  Absplisse  sich  alsdann  unserer  Prüfung 
entzieht.  Daher  werden  wir  auch  das  Hauptmerkmal  des  manuellen 
Schlages,  den  Schlagbuckel  im  Negativ  selten  unterscheiden  können. 
In  jedem  Falle  aber,  und  das  ist  zur  Beurteilung  einer  künst- 
lichen, beabsichtigten  Dengelung  die  Hauptsache,  werden  wir  der 
konzentrischen  Bogenwellen  und  Faltungen  gewahr  werden,  die  gegen  das 
Ende  der  Hohlfläche  am  Negativ  wie  am  Positiv  in  die  Erscheinung 
treten.  Dass  uns  dieses  Merkmal  im  Bereich  unserer  nordischen  Ver- 
gletscherungszone  im  Stiche  lässt,  habe  ich  bereits  erwähnt. 

Wo  Absplissnarben  vereinzelt  auftreten,    was    namentlich    an  uiibeab- 


1)  Der  Ausdruck  ..dengeln"  und  „Dengelung"  wurde  vou  Virchow  in  früheren 
Bänden  dieser  Zeitschrift  zuerst  gebraucht  und  empfiehlt  sich  wegen  seiner  Kürze  und 
Verbindungsfähigkeit  mit  anderen  Worten,  als  Äquivalent  für  das  französische  „retouche", 
ein  Ausdruck,  der  im  Deutschen  nur  für  etwas  Gemaltes  zu  gebrauchen  wäre.  Die 
Definition  des  Wortes  Dengeln  ist:  „schärfen  einer  Schneide  durch  Hämmern"  und  in 
diesem  Sinne  entspricht  es  vollkommen  der  Randschärfung  eines  Kieselsplitters  sowohl  als 
auch  der  Schärfnug  einer  Sensenschneide.  Dass  beim  Kieseldengeln  Ausschartungeu  er- 
folgen, die  eben  beim  Dengeln  der  Sense  ausgeglichen  werden  sollen,  liegt  nicht  in  der 
Absicht  der  Retouche,  die  eben  am  Kiesel  keine  andere  Art  Schärfung  zuwege  zu  bringen 
vermag,  als  durch  Herstellung  einer  Reihe  kurzer  durch  Aussnlitterungen  erzeugter 
Schneiden.  Man  kann  nicht  verlangen,  dass  Worte  in  übertragener  Bedeutung  sich  voll- 
kommen mit  ihrem  <<niudbegriff  decken.  Hier  ist  es  die  Handhabung,  die  Beweguug  und 
der  Zweck,  die  vor  allein  an  das  „Dengeln"  gemahnen,  weniger  das  Ergebnis. 
Zeitschrift  fOr  Ethnologie.   J  ah  rp;.  190-1.    Heft  6-  ,",i  i 


—     778     — 

sichtigten  Schlagaussplitterungeu  der  Arbeitsweise  von  Reutel  oft  der  Fall 
ist,  könnten  dieselben  auch  mit  den  napfförmigen  Aussplitterungen  der 
alveolaten  Oberflächenverwitterung  verwechselt  werden. 

Die  kleinen  Kegelnarben  der  Schlagmarken  des  Gebrauchs,  die  in  der 
nächsten  Umgebung  solcher  Aussplitterungen  von  den  geführten  Schlägen 
Zeugnis  ablegen,  müssen  zunächst  darüber  entscheiden.  Ausschlaggebend 
aber  sind  durchgreifende  Formunterschiede,  die  eine  Napfform  der  alveolaten 
Absonderung  nie  mit  dem  Negativ  des  Schlagbuckels  mit  der  Schlag- 
buckelhöhlung verwechseln  lassen.  Die  Napfform  ist  innen  glatt,  im 
Dmriss  mehr  oder  weniger  regelmässig  gerundet,  kreisförmig,  oval  oder 
elliptisch,  ihre  tiefste  Stelle  in  der  gleichmässigen  Aushöhlung  liegt  in 
der  Mitte.  Beim  Negativ  des  Schlagbuckels  dagegen,  dessen  Umriss 
mehr  eiförmig  erscheint,  liegt  die  tiefste  Stelle  exzentrisch  und  auf  der 
ihr  entgegengesetzten  verflachten,  oft  in  eine  weit  ausgezogene  Hohlfläche 
übergehenden  Seite  sind  stets  die  konzentrischen  Bogenwellen  entwickelt, 
die    an    der  Verwitterungsalveole  fehlen. 

Viele  von  den  berufenen  Vertretern  der  heutigen  Prähistorie  haben 
sich  prinzipiell  von  der  descriptiv-morphologischen  Methode  abgewandt, 
weil  angeblich  durch  sie  nichts  bewiesen  werde.  Unmittelbar  allerdings 
wenio-,  mittelbar  aber  vieles.  Ihr  ablehnendes  Verhalten  fördert  nur  die 
zunehmende  Unsicherheit  der  Ausdrucksweise  und  statt  des  für  die 
Wissenschaft  Besten,  das  Schlechte,  die  Verwirrung,  die  Konfusion,  aus 
der  noch  nie  etwas  Richtiges  hervorgegangen  ist,  und,  wie  bereits  Baco 
von  Verulam  angedeutet  hat,  ist  selbst  der  Irrtum  vorzuziehen. 

Die  Notwendigkeit  einer  systematischen  Formeneinteilung  ergibt  sich 
bei  jeder  Gelegenheit,  wo  eolithische  Steinwerkzeuge  als  Zeugen  vorn  Vor- 
handensein menschenähnlicher  Geschöpfe  angerufen  werden.  Allerdings, 
das  muss  ja  zugegeben  werden,  ist  auf  morphologischem  Wege  nichts  für 
die  Zuweisung  eines  Manufaktes  in  diese  oder  jene  Epoche  erreicht,  — 
eolithische  Formen  primitiver  Art  werden  unter  Umständen  bis  in  die 
letzte  neolithische  Zeit  hinein  zur  Verwendung  gekommen  sein  — ,  allein 
das  System  ist  unentbehrlich,  sobald  eine  Definition  vereinzelter  Funde 
verlangt  wird  oder  wenn  es  sich  darum  handelt  über  Häufigkeit  oder 
Seltenheit  gewisser  Formen  zu  entscheiden,  wenn  Typen  aufgestellt  oder 
die  verschiedenen  Arten  der  vermuteten  Gebrauclisbestimmung  eines 
Manufaktes  durch  Beschreibung  zum  Ausdruck  gebracht  werden  sollen, 
woran  sich  wiederum  weit  reichende  Schlussfolgerungen  für  die  Lebens- 
weise jener  Geschöpfe  knüpfen  lassen.  In  seinen  vorigjährigen  Mit- 
teilungen1) hatte  Prof.  Eugen  Bracht  bereits  den  Versuch  zur  Aufstellung 
einer  Typenreihe  westflanderischer  Eolithe  gemacht,  wozu  ihn  die  er- 
giebige  Fülle  der  bei  Gelegenheit  neuer  Ausschachtungen  der  Moseen- 
Bchichten  auf  dem  Polygonfelde  von  Reutel  (der  klassischen  Örtlichkeit) 
bei  Ypern  ans  Tageslicht  gebrachten  Kieselmanufakte  besonders  angeregt 
hatte.  Im  Doch  grösserem  Masse  bin  ich  bei  der  Reichhaltigkeit  meiner 
ägyptischen    Funde     auf    eine    systematische    Sichtung    und    methodische 


l.  Zeitschr.  t  Ethnol.  S.  825. 


—     779     — 

<  »rdnung  der  Stücke  angewiesen.  In  meinem  Falle  kommt  auch,  wie 
bereits  angedeutet,  das  Zahlenverhältnis  der  einzelnen  Formen  zur  Geltung 
and  hin  ich  in  der  Lage  allein  schon  nach  der  Stückzahl  der  Funde  zu 
entscheiden,  ob  eine  gewisse  Form  von  den  Urmenschen  nur  zufällig  auf- 
gelesen oder  ob  sie  eine  zu  bestimmtem  Zweck  mit  Vorbedacht  aus- 
gewählte, ob  sie  allgemein  in  Gebrauch  oder  nur  zufällig  anderen  Formen 
beigesellt  gewesen  sein  möchte. 

Die  unmittelbare  Ingebrauchnahme  eines  Kieselknollens,  sei  es  in 
Gestalt  eines  Natursplitters  oder  eines  zufällig  abgesprengten  Stückes,  sei 
es  auch  als  ganzer  Knollen  ohne  jede  weitere  Zustutzung,  bezeichnet  in 
der  Hauptsache  die  ursprünglichste  Verwertung  des  Gesteins  als  Werk- 
zeug in  der  Hand  eines  menschenähnlichen  Geschöpfs.  Dazu  tritt  noch 
die  roheste  Form  der  Rands chärfung  von  Kanten  und  Endstücken  sowie 
die  gelegentliche  Benutzung  der  durch  Schläge  zufällig  beim  Gebrauch  ent- 
standenen Absplisse.  Damit  wäre  der  ganze  Kreis  der  Kieselbenutzung  und 
als  Werkzeug  Geeignetmachung  während  der  langen  Zeiträume,  die  der 
zweiten  quartären  Vereisung  vorausgegangen  sind,  erschöpft.  Rutot  hatte 
diesen  primitivsten  Grad  der  Kieselarbeitsweise  für  die  belgische  Region  mit 
dem  Namen  des  „Reutelien"  belegt,  er  ist  aber  in  seinem  neuesten  Werk 
(le  Prehistorique  S.  58)  zu  dem  Vorbehalte  gelangt,  dass  eine  Unter- 
scheidung dieser  Arbeitsweise  (Industrie)  als  Epoche  nur  stratographischen 
Wert  beanspruchen  darf,  in  Wirklichkeit  erstrecke  sich  dieselbe  auf  alle 
Epochen  des  Tertiärs,  in  denen  Spuren  menschenähnlicher  Tätigkeit  nach- 
gewiesen sind  und  aufwärts  bis  zum  Quartär  der  Arbeitsweise  von  Mesvin, 
die  mit  der  beabsichtigten  Kieselspaltung  anhebt. 

Da  aber  der  letzterwähnte  Fortschritt,  der  nach  dem  Zeitraum  langer 
Stagnation  einen  frischen  Impuls  zu  weiterer  Entwicklung  der  Kiesel- 
schlagkunst  in  sich  barg,  nicht  den  alten  primitivsten  Betrieb  völlig  be- 
seitigte und  neben  den  absichtlich  gesprengten  auch  die  natürlichen 
Sprengstücke  und  die  ganzen  Knollen  sich  noch  für  lange  in  Gebrauch 
erhielten,  so  vermag  man  auch  die  Arbeitsweise  von  Mesvin  nicht  in  der 
Weise  zu  definieren,  dass  sich  bei  jedem  Stück  nachweisen  liesse,  ob  es 
dieser  Epoche  angehöre  oder  nicht.  Die  Altersbestimmung  eolithischer 
Fundstücke  gehört  daher  im  grossen  und  ganzen  ausschliesslich  in  das 
Gebiet  der  Geologie.  Bei  dem  oft  lange  anhaltenden  Schweigen  der 
Geologen  ist  es  eine  schwere  Aufgabe,  Steine  zum  Reden  zu  bringen,  die 
der  Inschriften  entbehren.  Die  Prognose  fällt  für  unsere  Aufgabe  umso 
ungünstiger  aus.  als  es  auf  der  Hand  liegt,  dass  die  Natur,  als  Leiterin 
der  Entwicklung  des  .Menschengeschlechts,  sich  gerade  bei  dieser  Gelegen- 
heit besonders  abgeneigt  erweist  zur  Linienführung  übersichtlicher  Ge- 
schlechtsregister. 

Die  von  K  ii  tot  aufgestellte  Obergangsepoche  von  Bfaffle,  nach  einein 
im  Tal  der  Dendre  gelegenen  Ort  so  benannt,  wo  Ablagerungen  derselben 
besonders  reich  entwickelt  sind,  kommt  für  Ägyten  nicht  in  Betracht,  weil 
diese  Arbeitsweise  durch  keinerlei  Merkmale  der  KJeselschlagkunst  charak- 
terisiert, nur  eine  stratographische  Definition  zulässt  Die  belgischen 
Fundstücke  sind  van  den  ßeutelstücken  durch  nichts  verschieden. 

50* 


—     780     — 

Aus  dem  Angeführten  geht  hervor,  dass  die  Anzahl  der  Gebrauchs- 
formen von  Kieselwerkzeugen  gegen  das  Ende  des  Eolithikums  bedeutend 
an  Umfang  gewonnen  haben  muss.  Nur  eine  systematische  Aufzählung 
dieser  Formen  kann  Übersicht  gewähren.  Freilich  nach  dem  Ausspruche 
Kutots  würden  sie  sämtlich  in  die  Kategorie  jener  Manufakte  zu  ver- 
weisen sein,  die  jede  strenge  Klassifizierung  ausschliessen  und  deren 
Hauptcharakter  durch  die  Phantasie  des  Arbeiters  bedingt  war,  der  dem 
Zufall  folgend  kein  Stück  nach  einer  bestimmten  Idee  geformt  hat.1)  Ich 
meine,  in  der  Auswahl  der  passenden  Stücke  lag  ein  Ersatz  für  die 
mangelnde  Plaumässigkeit.  Die  vom  Urmenschen  geübte  Auswahl  der 
Naturknollen  sowohl  als  auch  der  Sprengstücke  ward  zur  Kundgebung  des 
Beabsichtigten,  seines  unklaren  Willens,  vergleichbar  dem  Gebrauch 
einer  fremden  Sprache,  in  der  man  sagt,  was  man  kann,  nicht  das,  was. 
man   will. 

Die  Kreaturen  schlugen  instinktiv,  gewohnheits-  und  erprobungsgemäss 
sich  die  Stücke  zu,  brachten  sie  in  Einklang  mit  ihren  Zwecken  und  ge- 
wannen auf  diese  Art  eine  Übung,  in  der  Keime  der  Planmässigkeit  und 
des  Systems  enthalten  waren,  eine  Übung,  die  ihrerseits,  wie  Rutot  richtig 
bemerkt,  später  zu  der  beabsichtigten  Formgebung  führte.  Das  erlösende 
Wort  für  die  fortschrittliche  Entwicklung  war  mit  dem  Moment  gegeben, 
als  die  beabsichtigte  Sprengung  und  Abspleissung  gelang.  Bei  Handlungen, 
die  sich  auf  gleicher  Linie  bewegen,  d.  h.  durch  lange  Zeiträume  stets  in 
derselben  Absicht  sich  vollziehen,  kann  der  Zufall,  wenn  es  überhaupt 
einen  gibt,  nicht  von  Belang  sein. 

Nach  dem  Gebrauch,  den  man  von  den  bekannt  gewordenen  eoli- 
thischen  Kieselwerkzeugen  machen  konnte,  teilt  Rutot  ihre  Handhabung 
in  die  des  Schiagens,  des  Kratzens  oder  Schabens,  und  in  die  des  Durch- 
bohrens oder  Durchbrechens.  Von  diesen  ist  das  Schlagen  entschieden 
das  Hauptsächlichste. 

Zu  der  Handhabung  als  Kratzer  und  Schaber  wird  man,  was  die 
Meisten  unerwähnt  lassen,  in  erster  Linie  das  Graben  zu  rechnen  haben. 
Alle  Tiere,  deren  Extremitäten  mit  festen  Klauen  bewehrt  sind,  scharren 
und  wühlen  im  Erdreich,  das  ihnen  immer  wichtige  Nahrungsquellen  er- 
öffnet. Diesem  in  der  Natur  begründeten  Triebe  wird  der  Urmensch 
auf  der  Suche  nach  Essbarem  (Insekten,  Wurzeln)  gefolgt  sein  und  bei 
der  Schwäche  seiner  Fingernägel  zum  scharfen  oder  geschärften  Stein 
seine  Zuflucht  genommen  haben. 

Die  Absicht  des  Durchbohrens  ist  zunächst  durch  die  Tendenz  des 
Zerreissens,  nach  Einführung  der  Finger  und  der  Hand  geboten.  Eine 
sehr  wichtige  Aufgabe  erwuchs  dem  schwachbewehrten  Urmenschen  an- 
gesichts  der  derben  Haut  eines  grösseren  Tierkörpers,  in  die  ein  Loch 
zu  reissen  war,  um  zu  den  inneren  Weichteilen  und  zum  Muskelfleisch 
zu  gelangen.  Durch  Schläge,  mit  denen  man  eine  auf  harte  Unterlage 
gelegte  II  autfalte  bearbeitete,  entstand  oft  weit  schneller  ein  Loch,  als 
vermittels  eines  spitzen   Steins. 


l,  linl  1.  *<>c.  d'Anthr.  Brux.  1899,  XVII    S.  247. 


—     781     — 

Die  Frage,  mit  welcher  Epoche  diejenige  Arbeitsweise  anhebt,  die 
ein  gewohnheitsmässiges  Schneiden,  ein  Zerstückeln  der  Gegenstände  durch 
den  Schnitt  in  Anwendung  brachte,  fällt  mit  der  des  Sägens  zusammen, 
denn  das  eine  entwickelt  sich  naturgemäss  aus  dem  andern,  und  wie  das 
Schneiden  nur  ein  modifiziertes  Sägen  ist,  d.  h.  von  einem  gewissen  Härte- 
punkt  an  gerechnet  des  Körpers,  den  es  /um  Gegenstände  hat,  seist  auch, 
unter  derselben  Einschränkung  des  Begriffs,  ein  Messer  nur  eine  Säge. 
Je  nachdem  man  es  handhabt,  hat  jedes  Messer  seinen  eigenen  Betrieb, 
d.  h.  es  funktioniert  entweder  als  Keil  oder  als  Säge.  Weiche,  minder 
zähe  Körper  (z.  B.  Butter,  Käse),  werden  vom  Messer  in  seiner  Eigen- 
schaft als  Keil  geschnitten;  harte  nur  unter  Aufbietung  besonderer  Kraft. 
Bei  zäherem  und  festerem  Gefüge  bewirkt  das  Vorrücken  einer  ein- 
gekeilten Schneide  in  seitlicher  Richtung  ein  Zerren  der  einzelnen 
Zähne  an  den  Fasern  und  dem  Korn  des  Gefüges,  die  alsdann  reissen 
und  dem  Werkzeug  den  Weg  freigeben,  seine  Richtung  zu  verfolgen. 
Unter  dem  Mikroskop,  bei  lOOOfacher  Vergrösserung,  löst  sich  selbst  die 
Schneide  des  feinsten  Mikrotoms  in  eine  Reihe  von  vorspringenden 
Zähnen  auf,  wie  durch  die  Untersuchungen  von  Sehe  ff  er  erwiesen 
worden  ist. 

Nun  hat  Rutot  in  seinem  mustergültigen  Werk  (in  le  Prehistorique 
< lans  l'Europe  centrale,  p.  27,  '28)  die  Behauptung  aufgestellt,  dass  die 
Urmenschen  in  allen  Epochen  unterschiedslos  die  an  Natursprengstücken 
sich  darbietenden  Scharfkanten  zunächst  ohne  weitere  Bearbeitung  in 
Verwendung  gebracht,  dass  sie  zu  dem  Mittel  einer  künstlichen  Rand- 
schärfung  erst  ihre  Zuflucht  genommen  hatten,  nachdem  die  von  der  Natur 
gewährten  fertigen  Werkzeuge  entweder  erschöpft  oder  abgenutzt  worden 
aeien.  Ich  möchte  der  Benutzbarkeit  solcher  von  Natur  scharfer  Kiesel- 
splitter nicht  allzusehr  das  Wort  reden,  einmal  aus  Gründen  des  zweifel- 
haft praktischen  Erfolges,  dann  auch  mit  Rücksicht  auf  die  tiefe  Stufe 
der  bei  den  Edithen  in  Betracht  kommenden  Arbeitsweise.  Die  infolge 
von  Verwendung  des  Kieselsplitters  als  Schneidewerkzeug  erfolgte  Ab- 
nutzung lässt  sich  von  der  auf  natürliche  Einflüsse  zurückzuführenden 
Verwitterung  und  Verletzung  wohl  nur  sehr  schwer  unterscheiden  und  ich 
nehme  an,  dass  bei  inangelnder  Definition  der  Unterschiede  aus  dem 
heutigen  Verhalten  der  Stücke  kein  Beweis  für  die  Art  ihrer  stattgehabten 
Verwendung  zu  erbringen  sein  wird.  Wie  wollte  man  auch  ohne  weiteres 
an  der  Schneide  eines  solchen  Splitters  erkennen,  ob  mit  derselben  um- 
schnitten (gesägt)  oder  geschabt  worden  ist. 

Viele  Anzeichen  sprechen  dafür,  dass  das  Schneiden,  überhaupt  ein 
vervollkommnetes  Verfahren,  einen  Portschritt  darstellt,  der  erst  späteren 
Epochen  zugute  kommen  sollte,  und  dass  in  den  frühesten  Zuständen 
menschlicher  Entwicklung  das  Hämmern.  Blürbesohlagen  und  Zerkleinern. 
dann  das  Hacken.  Graben  and  Wühlen,  schliesslich  das  Schaben  und 
Glätten  die  wichtigstell  Äusserungen  des  menschlichen  Intellekts  bei  Ver- 
wendung der  primitiven  Geräte  ausgemacht  haben,  (legen  die  gewohn- 
heitsmässige    Verwendung    der    Naturschneiden    kann    man    zunächst    da- 


—     782     — 

Sprichwort  vorbringen:  „allzuscharf  macht  schartig"-.  Weil  die  Natur- 
schneide  schon  bei  geringem  Kraftaufwand  schnell  ausbricht  und  alsdann 
nicht  mehr  gleichmässig  reisst  (sägt),  also  zum  schneiden  weit  untaug- 
licher wird,  als  eiue  durch  Dengelung  geschärfte  Kante,  wird  ihre  Ver- 
wendung immer  nur  eine  vorübergehende  gewesen  sein.  Man  kann  auch 
mit  einem  Rasiermesser  Brodschnitte  herstellen,  aber  nur  wenige,  und 
bald  wird  dasselbe  wegen  der  tiefausgebrochenen  Scharten  für  den  Zweck 
uu tauglicher  erscheinen  als  ein  stumpfes  Messer.  Wollte  man  also  dauernd 
schneiden  bezw.  sägen,  nicht  bloss  mit  dem  Natursplitter  zwei  oder  drei 
Schnitte  ausführen,  so  musste  man  eine  Art  Sägeraud  herstellen.  Die 
gedengelte  Randschärfung  macht  die  Schneide  des  Kieselsplitters  dauer- 
hafter und  steht  zu  der  von  der  natürlichen  Scharfkante  dargestellten 
Schneide  in  demselben  Verhältnis,  wie  eine  Klingenschneide  mit  einer 
solchen  zu  derjenigen  steht,  die  ohne  eine  durch  das  sog.  „Abziehen"1 
hergestellten  Schneidenkante  blieb.  Die  Vorzüge  der  methodischen  Rand- 
schärfung,  die  durch  Anbringung  von  Reihen  gleichmässig  gestalteter 
kleiner  Absplissnarben  bezw.  Teilschneiden  oder  Aussplitterungen  bewirkt 
wird,  müssen  frühzeitig  erkannt  worden  sein. 

Sägen  in  unserem  Sinne  scheinen  erst  in  sehr  späten  Epochen  zur 
Verwendung  gekommen  zu  sein.  Unter  den  altpaläolithischen  Stücken 
von  Theben,  die  durchweg  der  in  so  vielen  anderen  Gebieten,  auch 
Europas  und  Asiens,  vertretenen  Arbeitsweise  von  Chelles  entsprechen,  ist 
mir  kein  Stück  mit  sorgfältig  ausgeschlagenen,  in  Reih  und  Glied  ge- 
ordneten Säge-  oder  Reisszähnen  vorgekommen,  wie  solche  im  ägyptischen 
Neolithikum,  namentlich  unter  den  aus  dem  Fajum  stammenden  Fund- 
stücken eine  so  grosse  Rolle  spielen.  Längliche,  schmale  und  dünne 
Kieselsplitter,  mit  denen  sich  allenfalls  schneiden  Hesse  und  die  im 
jüngeren  Paläolithikum  vielfache  Verwendung  und  Zustutzung  fanden,  ge- 
hören auf  den  Flächen  um  Theben  zu  den  grossen  Seltenheiten. 

Gewiss  werden  sich  die  Urmenschen  auch  schon  in  eolithischer  Zeit 
der  nur  roh  und  ungleichmässig  gedengelten  Absplisse,  namentlich  der 
dünnen  zum  sägenden  Schneiden  bedient  haben.  Das  Zerren  im  Kleinen, 
das  Zerren  am  Gefüge  des  Korns  und  der  Fasern,  an  Knochen  und  Holz, 
an  Sehnen,  Haut  und  Muskeln  ward  bewirkt  durch  eine  solche  Handhabung 
des  Gerätes  zum  Zwecke  der  Zerstückelung. 

Zur  besseren  Übersicht  wiederhole  ich  hier  die  im  vorjährigen  Bande 
S.  801  gegebene  Tabelle  der  eolithischen  und  paläolithischen  Zeiteinheiten 
unter  Hinzufügung  der  für  gewisse  Gruppen  derselben  gemeinschaftlichen 
Merkmale  der  Kieselschlagkunst.  Eine  graphische  Darstellung  der  Syn- 
chronismen der  Eiszeiten  des  Quartärs  mit  den  aus  den  belgischen  Funden 
sich  ergebenden  Arbeitsweisen,  die  ich  zur  Deutlichmachung  von  Zu-  und 
Abnahmeepochen  der  Vereisungen  in  Kurven  /um  Ausdruck  bringe, 
bietet  den  Vorzug,  dass  man  auf  diese  Art  über  das  Dilemma  der  Inter- 
glazialzeiten  (ein  von  manchen  Autoren  gern  vermiedener  Ausdruck),  am 
besten   hinauskommt. 


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Eolithische  und  Paläolithische  Epochen 
des  Systems  von  A.  Kiitot. 

Arbeitsweisen   (Industries): 


1.  der  Tertiärzeit  und  von 
Reutel 


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Abnahme 

der  zweiten 

quartären 

Vereisung 

dritte 
quartäre 

Vereisung 

vierte 

quartäre 

Vereisung 


2.  von  Maffle 

(der   Übergangszeit   von 
Reutel  zu  Mesvin) 


3.  von  Mesvin 


4.  von  Strepy 

(der  Übergangszeit  von 
Mesvin  zu  Chelles) 


5.  von  ( 'helles  .     . 

6.  von  St.  Acheul 

7.  von  le  Moustier 

8.  der  Elfenbeinzeit 

9.  der  Renntierzeit 


I.  Eolithi- 

cum 

(unbeab- 
sichtigte 

Form- 
gebung) 


Zufällige 

Ab- 
sprengung 

von  Ah- 
splissen 
beim 
Gebrauch 


IL  Palaeo- 
lithicum 
(beab- 
sichtigte 
Form- 
gebung) 


Her- 
stellung 

beab- 
sichtigter 
Absplisse 


Graphische  Darstellung  der  vier  quartären  Eiszeiten,  mit  Eintragungen1)  von  A.  Rutot 
(Zeitgrenzen  der  eolithischen  und  jinlüolithischen  Arbeitsweisen). 


1)  In  der  Kurv.'  ist  Maffleen  statt  Mafflien  zu  lesen. 


—     784     - 

Im  Nachfolgenden  mache  ich  den  Versuch  die  eolithischen  Kiesel- 
werkzeuge,  die  sich  in  Ägypten  finden,  nach  den  Gesichtspunkten  zu 
klassifizieren,  die  sich  aus  der  erkennbaren  Auswahl  der  Xaturknollen 
und  Sprengstücke,  sowie  deren  allmählich  vervollkommneter  Herrichtimg 
ableiten  lassen.  Als  eine  leichtere  Aufgabe  erscheint  es  den  angedeuteten 
Bedingungen  nachzuspüren  als  denjenigen  des  Zweckes  und  der  Ver- 
wendungsweise, denen  diese  uranfänglichen  Werkzeuge  gedient  haben. 

Ich  teile  die  Edithen  zunächst  ein,  erstens  in  solche,  die  ganze  natür- 
liche Kieselknollen  darstellen  und  zweitens  in  solche,  die  aus  Spreng- 
stücken bestehen.  Die  erste  der  beiden  Kategorien  umfasst  in  zwei  Ab- 
teilungen die  ganzen  Knollen,  die  unverändert  in  Gebrauch  genommen 
wurden  und  andere,  die  durch  absichtliches  "Wegschlagen  von  Splittern 
eine  rohe  Randschärfung  erfahren  haben,  bezw.  mit  Herstellung  einer  Art 
Schneide  versehen  worden  sind.  An  den  aus  Sprengstücken  bestehenden 
Eolithen  unterscheide  ich  diejenigen,  die,  von  der  Natur  hergestellt,  als 
solche  aufgelesen  und  in  Gebrauch  genommen  wurden  und  zweitens  die 
ans  beabsichtigten  Absplissen  hergestellten. 

Die  aus  natürlichen  Sprengstücken  und  Scherben  gebildeten  Eolithe 
scheinen  in  Ägypten,  nach  der  Zahl  der  aufgefundenen  Stücke  zu  urteilen, 
von  allen  übrigen  die  am  häufigsten  gebrauchten  gewesen  zu  sein.  Eine 
Unterscheidung,  wie  bei  den  ganzen  Kieselknollen,  in  solche,  die  ohne 
weiteres,  wie  sie  sich  fanden,  (das  wären  die  halbierten  und  zersprengten 
Knollen,  aber  auch  nur  zum  Teil)  und  in  solche,  die  mit  absichtlicher  Rand- 
aussplitterung  versehen,  also  eigens  geschärft  wurden,  lässt  sich  hier  nicht 
durchführen,  weil  unter  den  Knollenfragmenten  eine  allzugrosse  Zahl  von 
Stücken  den  Übergang  zwischen  beiden  Formenreihen  durch  eine  Dengelung 
von  nur  undeutlich  ausgeprägter,  mithin  zumeist  zweifelhafter  Art  zu  er- 
kennen gibt.  Als  eine  weitere  Kategorie  betrachte  ich  drittens  die  den 
Übergang  zur  paläolithischen  Kieselschlagkunst  darstellenden  Werkzeuge, 
au  denen,  bei  stattgehabter  Auswahl  und  Bevorzugung  gewisser  Formen 
des  Xaturkiesels,  die  Absicht  klar  zutage  tritt,  diese  Formen  in  einer 
Weise  umzumodeln  und  zu  bearbeiten,  dass  sich  aus  denselben  ein  Werk- 
zeug von  halbwegs  gewollter  Gestalt  herstellen  liess. 


Typenreihe  der  eolithischen  Manufakte  von  Theben. 

I.   Aus    ganzen    natürlichen    Kieselknollen    hergestellte    Eolithe. 

(Arbeitsweise  der  Tertiärzeit  bis  inkl.  von  Reutel.) 

a)  Mit  Abspleissungen  und  Aussplitterungen  versehene,  die  allein  infolge 
von  Gebrauch  entstanden  (dazu  mit  Schlagmarken  und  Kegel- 
sprüngen an  Vorsprüngen  und  Rändern  als  Zeugen  stattgehabter 
andauernder  Benutzung). 

Typus   1.    Schläger  aus  sphärischen    Knollen,  Kugelschläger. 

Eins  der  primitivsten  und  zugleich. auch  wichtigsten  Werkzeuge,  das 
kugelförmige  Kieselkonkret,  von  dem  bereits  die  Rede  war,  hat  wahr- 
scheinlich   in    allen   Epochen    der  Kieselschlagkunst  eine  grosse  Rolle  ge- 


—     TS.')     — 

spielt,  weil  sich  mit  demselben  nicht  nur  das  Zerstückeln  der  grossen 
Knollen,  sondern  aucli  die  Herstellung  der  zu  kleinen  Werkzeugen  ver- 
wendbaren Absplisse  am  bequemsten  vollziehen  Hess.  Die  von  mir  in  der 
Umgegend  von  Theben  gefundenen  Stücke  geben  sich  als  vielgebrauchte 
Behausteine  durch  die  dichtgedrängten  Schlagkegel  und  Kegelnarben  zu 
erkennen,  die  sie  im  mittleren  Teil  wie  mit  einer  zerhackten  Äquatorzone 
umgeben.  Da  sie  in  dunkelpatiniertem  Zustande  von  der  Oberfläche  auf- 
gelesen wurden,  Hess  sich  kein  Anhalt  für  eine  Zeitbestimmung  gewinnen, 
ob  diese  Behausteine  einer  eolithischen  oder  paläolithischen  Epoche  ange- 
hören. Unter  den  in  den  lakustren  Ablagerungen  enthaltenen  Eolithen  sind 
mir  bis  jetzt,  wahrscheinlich  nur  durch  Zufall,  noch  keine  Kugelschläger 
als  Behausteine  vorgekommen.  Wie  heute  noch  der  Kulturmensch,  so 
bedienten  sich  also  auch  bereits  die  Urmenschen  eines  Werkzeugs  zur 
Herstellung  eines  anderen,  nach  Reuleaux's  Definition  eines  Körpers, 
der  dazu  dient,  einen  anderen  Körper,  das  „Werkstück"  mechanisch  um- 
zugestalten, erstlich  durch  Abtrennung,  zweitens  durch  Verlegung.  Bei 
den  Kieseln  und  Steinen  kommt  hauptsächlich  der  erstgenannte  Zweck  in 
Betracht  (der  zweite  etwa  beim  Graben  und  Wühlen).  Ein  anderes  Werk- 
zeug sekundärer  Art  ist  der  später  zu  besprechende  „Randschärfer"  oder 
.. Dengler"   (franz.   „retouchoir"). 

Typus  2.    Schläger  aus  flachen  sphäroidischen  Knollen  (abgebildet). 

Diese  lagen  sehr  gut  in  der  Hand  und  konnten  als  vortreffliche  Be- 
hausteine dienen.  Solche  flache  Knollen  müssen  sich  auch  als  Unterlage, 
als  Ambos  geeignet  haben;  denn  das  solche  in  der  Tat  benutzt  wurden, 
wo  sich  nicht  Felsen  darboten,  geht  aus  der  Natur  der  unabsichtlich, 
allein  durch  den  heftigen  Anprall  von  harter  Unterlage  verursachten  Ge- 
legenheitsabsplisse  hervor,  durch  die  die  meisten  Eolithe  gekennzeichnet 
sind.  Ich  selbst  habe  in  Oberägypten  noch  keine  Amboskiesel  gefunden 
(vgl.  Rutot,  Prahlst.  S.  32,  Fig.  L2). 

Typus  :;.    Schläger  aus  flachen,    rundlichen,    mit  handlicher  Aus- 
buchtung als  Griff  versehenen  Knollen. 
Die    der  Ausbuchtung    gegenüberliegende  Seite   diente  zum  Schlagen, 
und  die   Hand  sass  sehr  fest  und  bequem,  wie  in  einer  Sattelhöhlung. 

Typus    I.    Schläger     aus    Knollen,     die    mit    Fortsätzen     versehen 
bequeme  Griffe  darbieten  (2  Abbildungen). 

Diese  oft  Knochenformeii,  namentlich  Reptilienknochen,  z.  B.  Ober- 
armknochen i  „humeriforme"  l  aufs  Täuschendste  nachahmenden  Konkretionen 
spielen  auch  in  der  oberen  Kreide  eine  grosse  Rolle  und  sind  in  den 
märkischen  Kiesgruben  wiederholt  als  Eolithe  oder  als  Pseudoeolithe  auf- 
gefunden worden.  Die  einzelnen  Fortsätze  and  Vorspränge  dieser  Knollen 
unterscheiden  sich  voneinander  durch  die  Art  ihrer  Verletzungen  und  das 
Fehlen  oder  Vorhandensein  derselben.  Die  intakten  sind  die  mit  der  Hand 
am  bequemsten  zu  packenden,  das  den  Schlagkontakt  vermittelnde  Ende 
ist  durch  die  Aussplitterungen  und  durch  Marken  des  Gebrauchs  charakte- 
risiert,  an  anderen  Stellen  linden  sich  die  Narben  von  weggesoblagenen  und 


—     786     — 

plattgehämmerten  Fortsätzen1),  die  dem  Griffe  hinderlich  erschienen.  Diese 
Verletzungen  sind  nicht  immer  leicht  von  den  in  Gebrauch  genommenen 
Treffstellen  des  Werkzeugs  zu  unterscheiden,  mit  anderen  Worten,  wenn 
dieser  Ausdruck  erlaubt  ist,  die  aktiven  Schlagmarken  von  den  passiven 
Hämmerungsmarken.  Die  Merkmale  der  „Handlichmachung"  (franz. 
accommodation)  sind  noch  nicht  mit  genügender  Schärfe  zu  definieren  ge- 
wesen. Professor  E.  Bracht  hat  die  Formen  des  vorstehenden  Typus  in 
seiner  Typenreihe  von  Reutel  (Zeitschrift  1903,  S.  825)  „dreiästige  Stücke" 
genannt. 

Typus  5.    Schläger  aus  zylindrischen  Knollen  (1  Abbildung). 

Das  Vorkommen  zylindrischer  oder  mehr  oder  minder  gleichmässig  in 
die  Länge  gezogener  Kieselkonkretionen  bedingte  örtlich  beschränkte  oder 
für  gewisse  Örtlichkeiten  charakteristische  Gebrauchsformen.  Zwischen 
den  Typen  5  und  6,  den  Zylinderschlägern  und  den  Spitzschlägern  halten 
die  spindelförmigen  die  Mitte,  die  bei  Theben  selten  sind,  in  Westflandern 
dagegen  eine  grössere  Rolle  zu  spielen  scheinen,  da  Prof.  E.  Bracht  sie 
in  seiner  Typenreihe  eigens  hervorhebt.  In  meiuer  Sammlung  befindet 
sich  ein  sehr  merkwürdiges  Stück  von  spindelförmiger,  oder,  wenn  man 
will,  länglich  eiförmiger  Gestalt.  Es  stammt  aus  lakustren  Schotterbänken 
der  Loc.  XXVIII  und  wiegt  700  g\  seine  Dimensionen  sind  9x6x6««. 
Dem  Anscheine  nach  sind  an  beiden  Enden  Versuche  zur  Herstellung  einer 
Schlagfläche  gemacht  worden,  die  querverlaufenden  Kanten  an  den  Endflächen 
sind  aber  überall  mit  Schlagmarken  bedacht.  Fünf  lange  Absplissnarben 
laufen  von  dem  spitzeren  Ende  an  den  Seiten  des  Knollens  entlang,  und 
an  seiner  dicksten  Mitte  hat  derselbe  drei  kreisförmige,  bezw.  ovale  zerhackte 
Schlagmarkenhöfe  von  3 — 1,5  cm  Durchmesser,  die  mit  dichtgestellten 
Kegelnarben  bedeckt  sind,  darunter  viele,  deren  Kreisdurchmesser  0,5 
bis  0,8  cm  misst.  Diese  runden  Narbenhöfe,  die  alle  drei  in  der  Mittelzone 
des  spindelförmigen  Knollens  liegen,  beweisen,  dass  mit  ihm,  wie  mit  einer 
Keule,  sehr  heftige  Schläge  auf  einen  spitzen  oder  spitzlich  abgerundeten 
Körper  von  grosser  Härte,  etwa  auf  vorspringende  Höcker  anderer  Kiesel- 
knollen geführt  worden  sind,  wahrscheinlich  also  zu  Zwecken  der  Handlich- 
machung eines  eolithischen  Werkzeugs. 

Typus  6.  Schläger,  bezw.  Durchlocher  („percoir")  aus  in  eine 
Spitze  auslaufenden  Knollen  (Spitzschläger)  (2  Ab- 
bildungen). 

Dies  ist  eine  in  den  Schotterschichten  der  diluvialen  Ablagerungen 
sehr  häufig  auftretende  Form.  Die  Abnutzung  und  Aussplitterung  am 
spitzen  Ende  des  Knollens  verraten  die  Heftigkeit,  mit  der  die  Schläge 
auf  harte  Unterlagen,  sei  es  auf  Felsplatten  oder  auf  als  Ambos  gebrauchte 
Kieselknollen  niedersausten.  Das  eine  der  beiden  von  mir  auf  S.  787  ab- 
gebildeten Exemplare  veranschaulicht  bereits  die  Idee  des  werdenden 
Fniistsehlägels  und  beweist,  wie  naturgemäss  die  Entwicklung  der  Stein- 
schlagkunst    zunächst    bei    dieser    ersten   der   t'estumgrenzten  Gestaltungen 

1;  Vgl.  Rutot,  Flandre  occidcntak   L900,  p.  39,  Fig.  12,  und  Pivhist.  p.  .">2,  Fig.  23. 


—     787     - 


Typus  2. 


Typus   1. 


Typus  6. 


Typus  •"). 


rypua  10. 


Typus  13. 


Alle  V»  nat,  Gr. 
Eulithe  der  Arbeitsweise  der  Tertiärzoit  und  vou  lteutel. 


—     788     — 

haften  bleiben  musste.  Dem  Typus  6  entsprechen  auch  aufs  vollkommenste 
die  beiden  auf  S.  834  und  835  des  vorjährigen  Bandes  der  Zeitschrift  von 
Prof.  Ja  ekel  abgebildeten  Eolithe  von  Freyenstein. 

Typus  7.  Schläger  aus  Knollen  von  unregelmässiger,  schwer  zu 
bezeichnender  Gestalt. 

b)  Mit  beabsichtigten  Abspleissungen  zur  Randschärfung  versehene. 

Es  wiederholen  sich  in  dieser  Abteilung  die  vorhergegangenen  Formen 
unter  Anbringung  einer  Art  schneidiger  Kante,  die  indes  bei  diesen  nur 
einen  Teil  des  Umkreises  oder  Randes  umfasst  (solchergestalt  den  ersten 
Beginn  der  Entwicklung  von  Beil1)  und  Meissel  bezeichnend),  während 
an  anderen  besonders  flachgestalteten  Knollen  eine  rundum  angebrachte 
Randschärfung  primitivster  Art  (als  Prototyp  des  Schabers  und  Messers)  Platz 
greift.  Die  beabsichtigte  Randschärfung  wird,  wie  ich  beim  Typus  39 
weiter  ausführen  will,  als  eine  der  beabsichtigten  Spaltung  und  Abspleissung 
vorausgegangene  Stufe  der  Kieselschlagkunst  zu  betrachten  sein.  In 
einigen  Fällen  mag  es  schwierig  sein,  Stellen  mit  gehäuften  Absplissnarben 
des  Gebrauchs  von  beabsichtigten  Randschärfuugen  zu  unterscheiden,  zumal 
da  solche  zufällige  Absplisse  beim  Schlagen  mit  der  Schmalseite  eines 
Naturknollens  nach  beiden  Seiten  sich  ablösen  können.  Die  Regelmässig- 
keit ihrer  Anordnung,  ihre  reihenweise  Aneinandergliederung  und  ihre 
Stellung  werden  an  diesen  Absplissnarben  die  Herstellung  einer  künst- 
lichen Scharfkante  wahrscheinlich  machen. 

Rutot2)  hat  bei  Reutel  in  den  obersten  Pliocänschichten  häufig  ganze 
Knollen  gesammelt,  die  in  dieser  Weise  bearbeitet  erschienen  („percuteurs 
tranchants  ä  talon  brut").  Gewisse  Formen  werden  unter  Umständen  das 
Aussehen  von  unvollendeten  Stücken  der  Übergangsepoche  von  Strepy 
(Mesvin-Chelles)  annehmen  können.  In  diesem  Falle  wird  für  Theben 
die  Fundstelle  entscheidend  sein,  denn  die  beglaubigten  Formen  der  letzt- 
genannten Arbeitsweise  finden  sich  erst  in  der  diluvialen  Hochterrasse, 
fehlen  aber  ausnahmslos  in  den  lakustren  Bildungen  des  Altdiluviums. 

Die  Typen  8,  9,  10,  11,  12  und  13  entsprechen  den  Typen  1,  2,  3, 
4,  5  und  7,  mit  dem  Unterschied  der  an  ihnen  angebrachten  Schneide. 

Typus  10.  Schläger  aus  flachen,  mit  handlicher  Ausbuchtung  als 
Griff  versehenen  Knollen,  mit  Abspleissungen  zur 
Herstellung  einer  Art  Schneide  (1    Abbildung). 

Diese  häufig  auftretende  Form  veranschaulicht  die  erste  Vorstellung 
von  einem  beilartigen  "Werkzeug,  das  in  der  Hand  des  Urmenschen  eine 
3chlagend  abtrennende  Wirkung  hervorbringen  konnte.  Rutot  hat  ein 
ähnliche«  Stück  aus  dem  Strepyien  abgebildet  (Prehist.  S.  125,  Fig.  87). 

1)  Es  dürft«-  anfechtbar  erscheinen,  dieselben  Namen  von  Werkzeugen,  die,  wie  Hammer 
uiil  Beil,  nur  in  Verbindung  mit  eiuer  Handhabe  als  solche  bezeichnet,  werden  können, 
deren  Verwendimg  also  ausserhalb  der  Hand  statthat,  auch  für  solche  in  Anspruch  zu 
nehmen,  'leren  Gebrauch  direkt  unter  der  Hand  erfolgt. 

2)  Rutot,  Flandre  occidentale  1900,  p,  35  Fig.  4  und  lV-hist.  p.  82  Fig.  25. 


—     781)     — 

Typus  12.  Schläger  aus  zylindrischen  Knollen  mit  AbspleissuUg  BD 
zur  Herstellung  einer  Schneide,  bezw.  Spitze  (1  Ah- 
bildung). 

Typus  13.  Schläger  aus  unregelmässig  gestalteten  Knollen  mit 
Abspleissungen  zur  Herstellung  einer  Schneide  (1  Ab- 
bildung). 

Nach  Rutot  beginnt  im  belgischen  Eolithikum  erst  in  der  f  bergangs- 
epoche  zum  Paläolithiknm  der  Gebrauch  des  Werkzeugs  als  Waffe.  ich 
nehme  für  Ägypten  eine  weit  frühere  Ingebrauchnahme  der  Folithe  als 
Waffen  an  und  dabei  erscheint  mir  das  Gewicht  des  fraglichen  Werkzeug- 
als  ausschlaggebend,  denn  die  Waffe  unterscheidet  sich  vom  gewöhnlichen 
Werkzeug  hauptsächlich  dadurch,  dass  mit  ihr  eine  beschleunigte,  womög- 
lich augenblickliche  Wirkung  erreicht  werden  soll,  letzteres  also  wird 
hauptsächlich  durch  die  Wucht  des  Schlages  bestimmt.  Kleine  Werkzeuge 
liegen  dafür  bequemer  in  der  Hand,  lassen  sich  mit  der  einen  allein  in 
Bewegung  setzen  und  erreichen  durch  zahlreiche  Wiederholung  der  Schläge 
eine  weit  grössere  Wirkung.  Unter  den  echten  Keutel-Eolithen,  die  ich 
bei  Theben  fand,  waren  Stücke  von  2  kg  und  selbst  von  3  kg  keine  Selten- 
heiten und  diese  wird  man  wohl  als  Waffen  gelten  lassen  müssen,  be- 
sonders wenn  sie  noch  dazu,  wie  im  vorliegenden  Falle  durch  Anbringung 
einer  schneidenden  Randpartie  zum  Schädelspalten  und  zum  Zerschmettern 
der  Knochen  eigens  erst  geeignet  gemacht  zu  sein  scheinen. 

Das  hier  (Seite  787)  abgebildete  Exemplar  des  Typus  13  ist  von  mir 
aus  einer  kalkverkitteten  Schotterschicht  der  diluvialen  Hochterrasse, 
Loc.  I  ausgemeisselt  worden.  Dasselbe  wiegt  3,1  kg  und  seine  Raum- 
verhältnisse sind  20xl5Xl2cm.  Von  einem  Menschen  heutiger  Art 
müsste  das  Stück  beim  Schlag  mit  beiden  Händen  erfasst  werden. 

Typus  14.  Schläger    aus    länglichen    Knollen    mit  Abspleissungen 

auf     einer     Seite     zur     Herstellung      einer      seitlichen 

Seh  ihm  de  (1  Abbildung). 

Die  Formen  dieses  Typus  bilden  die  primitivste  Form  des  unter  den 

aus  gespaltenen  Knollen  hergestellten   Werkzeugen    eine    so  grosse   Rolle 

spielenden    Urbildes     des    Hackmessers    (Typus   49)    (tranchet,    coupereU 

hachoir). 

Typus  L5.  Schaber,    bezw.  Schläger    aus    rundlichen,    flachen,    oft 
platten  förmigen     Knollen      mit      beabsichtigter     roher 
Randschürfung  (Dengelung)  (1    Abbildung). 
Die  randlichen  Aussplitterungen  bilden  oft  unterbrochene  Reihen  und 
nicht  selten  hat  es  den  Anschein,  als  ob  mit  diesen  meist  kleinen,  scheiben- 
förmigen  Kieseln  mehr  geklopft  und  geschlagen   als  geschabt  worden  sei. 
Dann  aber  wieder  stösst  man  auf  unzählige  Stücke,    deren  Randschärfung 
einer  wirklichen  Dengelung  entspricht,    indem    die  Aussplitterungen  dicht 
aneinandergereiht  erscheinen.     In  den  obersten  Pliocänschichten  bei  Reutel 
hat   Rutot  Stücke    von    diesem    Typus    aufgelesen,    die    er    nicht    zu  den 
häufigen  Formen  rechnet  und  deren  Gebrauch   ihm  nur  ungenügend  erklärt 


—     790    - 

und  bestimmt  erschien1)  (instruments  en  silex  tabulaire).  In  den  altdiluvialen 
Ablagerungen  bei  Theben  dagegen  spielen  diese  meist  6 — 8  cm  im  Durch- 
messer haltenden  ovalen,  länglich  abgerundeten,  seltener  polygonalen 
Flachkiesel  eine  grosse  Rolle.  Am  Hügel  Esbet-el-wüs  bei  Schaghab 
machen  dieselben  in  manchen  Schichten  die  Mehrzahl  aller  eolithischen 
Werkzeuge  aus. 

Typus  16.  Hohlschaber  aus  ganzen  Knollen  mit  Aussplitterungen 
zur  Herstellung  einer  Auskerbung. 

TyPus  17.  Schaber  aus  ganzen,  meist  kleinen  Knollen  von  dicker 
Gestalt  mit  rohen  Randschärfungen. 

Dieser  Typus  bildet  gewissermassen  eine  Modifikation  des  Typus  15 
der  Flachkieselschaber.  Rutot  fand  ähnliche  in  Schichten  der  Arbeits- 
weise von  Reutel  in  West-Flandern.2) 

II.    Aus  Sprengstücken  von  Kieselknollen  hergestellte  Eolithe. 

a)  Aus  natürlichen  Sprengstücken  hergestellte,  mit  und  ohne  Rand- 
schärfung  (Dengelung).  (Arbeitsweise  der  Tertiärzeit  und  von 
Reutel.) 

Typus  18.  Schläger,  bezw.  Klopfer  aus  halbierten  zylindrischen 
Knollen  mit  Aussplitterungen  am  Rande  infolge  von 
Gebrauch. 

Typus  19.  Kegelförmiger  Schläger    oder    Klopfer,    bezw.    Schaber 
aus  halbierten  Knollen    oder   aus  abgesprengten  kegel- 
förmigen Knollenfortsätzen,    mit  Aussplitterungen    am 
Räude  infolge  von  Gebrauch,  bezw.   durch   absichtliche 
Schärfungen  (1  Abbildung)  hervorgebracht. 
Es  ist  dies,  ebenso  wie  die  Typen  20,  21  und  27,  eine  in  merkwürdiger 
Übereinstimmung  von  Belgien  und  Oberägypten  auftretende  Naturform  von 
Werkzeugen   der  Arbeitsweise  von  Reutel,  bezw.   der  Tertiärzeit.     Rutot 
nannte  diesen  Eolithentypus  „Hobelkratzer"3)  („grattoir-rabot"  und  grattoir 
dit  „rabot").     Er    bezeichnet    seinen    Typus    als    vermittelst    absichtlicher 
Sprengung  oder  Zerschlagens    eines    länglichen  Knollens    hergestellt,    mit 
Hinzufügung  einer  Randschärfung.     Die  von    mir    an   allen  ausgebeuteten 
Stellen     der     lakustren     Schotterablagerungen     von     Theben     gefundenen 
Exemplare  dieses  Typus,  desgleichen  die  der  verwandten  Typen  20  und  21 
gaben  nur  ausnahmsweise  Sprungflächeii    zu    erkennen,    die    als  Ergebnis 
beabsichtigter  Halbierungen  des  Knollens  zu  deuten  gewesen  wären.    Die 
Mehrzahl    hatte    alle  Merkmale    der    Natur  Sprengung    an    sich.     Ich    habe 
daher  auch  unterlassen  die  analogen  Formen   innerhalb  der  Kategorie  der 
beabsichtigten  Sprengungen  als  eigene  Typen  zu  wiederholen.   Was  nun  die 
ßandaussplitteruugen  anbelangt,  so  machen  an  den  thebanischen  Exemplaren 
sehr  viele  den   Eindruck    als    wären    sie    allein    durch  den  Gebrauch  ent- 


1)  Rutot,  Flandrc  occidentale,  1!KH>,  S.  53,  Pig,  U).  II. 
2;  Rutot,  Flandre  occidentale,  1900,  S.  44,  Fig.  20.  21. 
3    Butot,  Flandre  occidentale,   l'.KK),  S.  17.  Fig.  28  und  Prehist.  S.54,  Fig.  3G. 


—     791 


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Typus   I."). 


Typus  12 


Typus   1! 


Typus  20. 


Typus  2:;. 


Typus  2G. 


J-j,  ■  *!  -  »v.       * 


Alle  in  V, 
nat.  Gr. 


Typus  22. 


Eolithe  der  Arbeitsweise  der  Tertiärzeit  und  von  Rente!. 


-     792     - 

standen.  Es  hat  den  Anschein,  als  hätte  man  sich  der  durch  die  Sprung- 
fläche dargebotenen  Scharfkante  am  Grunde  des  Kegels  wie  eines  Hack- 
messers bedient.  Dabei  sind  denn  auch  infolge  von  wuchtigen  Schlägen 
längere  Absplisse  vom  Rande  aus,  in  der  Richtung  zur  Kegelspitze  ab- 
gesprungen. Andere  Exemplare  bekunden  wiederum  durch  die  regelmässig 
aneinandergereihten,  gleichmässigen  Dengelungsnarben  am  Rande  der 
Kegelbasis  eine  beabsichtigte  Randschärfung,  wie  auf  der  von  Rutot  ge- 
gebenen Figur  28  zu  sehen  ist.  Die  Abwetzung  und  Abnutzung  dieser 
Randschärfung  beweist  in  anderen  Fällen  auch,  dass  dieses  Werkzeug 
wirklich  als  Schaber  benutzt  worden  ist.  Sehr  wohl  konnte  man  z.  B. 
mit  demselben,  wie  mit  einem  Hobel  über  ausgespannte  Häute  hin-  und 
herfahren,  um  sie  vom  Fleisch  zu  säubern  oder  um  sie  zu  enthaaren, 
wenn  sie  verzehrt  werden  sollten.  Als  Klopfer  konnten  diese  Instrumente 
auch  zum  Mürbeschlagen  von  Fleisch  und  Häuten  dienen,  zum  Aufklopfen 
von  Nüssen  und  Zerkrümeln  essbarer  Wurzeln  oder  faseriger  Rinden. 

Typus  20.  Flache  Kegelschläger,    bezw.  Schaber,    aus  seitlich  zu- 
sammengedrückten,     halbierten      Knollen,      mit     Aus- 
splitterungen   am    Rande    infolge    von    Gebrauch    und 
durch  absichtliche  Schärfung  (1  Abbildung). 
Von  dieser  Form  gilt  das  bei  Besprechung  der  vorhergegangenen  Er- 
wähnte.     Es  fanden  sich  von  der   vorstehenden    so    zahlreiche  Exemplare 
in  den  lakustren  Schottern,  dass  die  Unterscheidung  eines   eigenen  Typus 
geboten  schien. 

Typus  21.  Hobelschaber  mit  Griff,  aus  halbierten  Knollen  mit 
handlichem  Fortsatz  und  mit  randlichen  Aussplitte- 
rungen, sowohl  beabsichtigten,  als  auch  infolge  von 
Gebrauch  entstandenen  (1  Abbildung). 

Das  von  Rutot1)  als  „gestielter  Hobelkratzer"  (grattoir-rabot  ä  pe- 
doncule)  bezeichnete  Werkzeug  gehört  unstreitig  zu  den  merkwürdigsten 
Typen  des  Eolithikums,  merkwürdig  namentlich  wegen  der  Überein- 
stimmung der  von  den  Urmenschen  in  den  entlegensten  Gegenden  zu 
gleichem  Behuf  aufgelesenen  Naturknollenfragmente.2) 

Das  bei  Typus  19  in  bezug  auf  Sprengung  der  Knollen  und  Rand- 
schärfung Gesagte  gilt  auch  für  den  vorstehenden. 

Dieses  Werkzeug  war  als  Klopfer  und  Mürbeschlager  sehr  geeignet. 
Es  findet  sich  bei  Theben  in  den  Schotterablagerungen  des  Altdiluviums 
in  den  verschiedensten  Grössen,  von  8—18  cm  Länge,  bezw.  Höhe.  Häufig 
erlangt  die  Grundfläche  des  Werkzeugs  eine  im  Verhältnis  zur  Höhe  weit 
grössere  Ausdehnung  als  das  hier  abgebildete  Exemplar  zu  erkennen  gibt. 
Manche  der  Formen  erinnern  an  Maurerkellen.  Bei  anderen  überwiegt  der 
Griff*.  Der  Schläger  oder  Klopfer  nimmt  alsdann  die  Gestalt  eines  Petschafts 
oder  Stössels  an.  Der  von  Prof.  Jaeckel  auf  S.  836  des  vorigen  Bandes 
der  Zeitschrift  abgebildete  Eolith  entspricht  dieser  letzten  Bezeichnung. 


1)  Rutot,  Flandre  occidentale  1900,  S.  oö,  Fig.  :'»7  und  Prchist.  S.  47,  Fig.  29,  30. 

2)  Das  inineralog.  petrogr.  Institut  in  Berlin  besitzt  einen  bei  Jessenitz  nahe  Lübtheen 
im  alten  Elbtal  (Rügnitz)  zu  Tage  geförderten  Eeolithen  dieses  Typus. 


—     793     — 

Typus  22.  Halbkugelschläger,  bezw.  Schaber  aus  halbierten  sphä- 
rischen Knollen,  mit  Randaussplitterungen  sowohl  des 
Gebrauchs      als     auch     der     beabsichtigten     Schärfung 
(1  Abbildung). 
Diese  Form  verhält  sich  in    allen  Stücken  wie  Typus   li).     Sie  findet 
sich    gleichfalls    in    sehr  verschiedenen  Grössen,    von  Talergrösse  bis  zum 
Umfang  der  Hand.     Die  kleineren  Formen  wird  man,  wie  in  allen  analogen 
Fällen,  als  Schaber,  die  grösseren  als  Schläger  bezeichnen  können. 

Typus  23.   Plankonvexe  Schläger,    bezw.  Schaber    aus    der    Länge 
nach    halbierten    länglichen    Knollen    mit    roher  Rand- 
schärfung    (Dengelung)    und    Aussplitterung    des     Ge- 
brauchs (l  Abbildung). 
Die  Form    schliesst    sich    im  Prinzip    denjenigen    der  Typen  19  und 

•22  an. 

Tvpus  24.  Längliche  Schläger  aus  unregelmässig  gesprengten 
Knollen,  mit  roher  Ran  dschärfung  (Dengelung)  und 
mit  Aussplitterungen  des  Gebrauchs. 

Typus  25.  Schläger  bezw.  Klopfer  oder  Schaber  aus  zylindrischen 
Segmenten  länglicher  Knollen,  mit  Aussplitterungen 
des  Gebrauchs  an  den  Kanten  (1  Abbildung). 

Typus  26.  Schaber  aus  flachen  Scheibensegmenten  von  Knollen 
mit  roher  Randschärfung  (Dengelung)  bezw.  Aus- 
splitterungen des  Gebrauchs  (1  Abbildung). 
Solche  in  der  Natur  häufig,  namentlich  von  Zylinderknollen  ent- 
stehenden Querscheiben  können  entweder  sehr  flache  Zylinder  darstellen, 
dünnen  Querschnitten  gleich  mit  parallelen  Endflächen,  oder  die  letzteren 
konvergieren  und  laufen  zur  Hälfte  in  eine  Scharfkante  aus,  wodurch  an 
und  für  sich  ein  schneidendes  Werkzeug  dargeboten  ist.  Wegen  der 
verquer  gestellten  Scharfkante  musste  man  dasselbe  „Kratzer"  („grattoir") 
nennen.  Rutot  gibt  (in  le  Prehistorique  S.  93)  zur  Unterscheidung  von 
Schaber  (racloir)  und  Kratzer  (grattoir)  folgende  Definition.  Ein  Schaber 
hat  eine  längsseitige  Schneide,  die  seitwärts  in  Betrieb  gesetzt  wird;  der 
Kratzer  hat  eine  verquergestellte  Schneide,  die  abwechselnd  nach  hinten 
und  nacli  vorn  in  Betrieb  gesetzt  wird.  Diese  von  früheren  Autoren  auf- 
gebrachte Unterscheidung  lässt  sich  meines  Erachtens  aus  logischen  und 
praktischen  (I  runden  nicht  aufrecht  erhalten;  besonders  unter  den 
eolithischen  Schabern,  die  weit  mannigfaltiger  gestaltet  sind  als  die  mehr 
oder  minder  eine  gewollte  Form  anstrebenden  palaeolithischen,  ( —  weil 
die  Naturscherben,  die  an  und  für  sich  einen  weit  grösseren  Formenkreis 
umfassen,  bei  ihnen  eine  so  grosse  Rolle  spielen  — )  wäre  fast  jedes  dritte 
Stück  in  eine  Art  Zwitterstellung  gebracht.  Letztere  vermeidet  man  am 
besten  durch  völlige  Preisgabe  des  Ausdrucks  „Kratzer"  als  Bezeichnung 
einer  bestimmten  Werkzeugsgruppe.  Die  genauere  Begriffsprüfung  wird 
solche  Entscheidung  bestätigen.  Das  „Schaben"  hat  zum  Gegenstande  die 
Fläche,  der  Kontakt  zwischen  Werkzeug  und  Werkstück  vollzieht  sich  in 
Zeitschrift  für  Ethnologie.   Jahrg.  1901    Heft  f».  5j 


—     794     — 

der  Linie.  Der  „Kratzer'1  dagegen  hat  zum  Gegenstand  die  Linie  und 
der  Kontakt  vollzieht  sich  in  einem  Punkt.  Die  Bewegungsrichtung  ist 
beim  Schaben  meist  die  vom  Körper  abgekehrte,  beim  Kratzen  stets  die 
zum  Körper  herwärts  gekehrte.  Man  schabt  mit  einem  Messer,  mit  einer 
längliehen  Schneide,  aber  das  Kratzen  geschieht  mit  Nägeln  und  Klauen, 
mit  spitzen  Körpern. 

Typus  27.  H  albkreis  -Schaber  ,     bezw.      beilartige     Schläger      aus 
flachen     Knollen     mit     geradliniger,     natürlicher    Ab- 
sprengung    auf   der    einen  Seite    und    mit   rohen  Schär- 
fungen am  konvexen  Rande  (1  Abbildung). 
Ein  für  die    eolithische  Kieselbenutzung    der    frühesten  Epochen    des 
werdenden  Niltals    besonders    charakteristisches    Werkzeug.     Die  Umriss- 
gestalt ist  nicht  immer  die    eines    regelmässigen  Halbkreises;    ich    wählte 
diese  Bezeichnung  um  gewissermassen  den  Mittelwert  der  grossen  Formen- 
reihe,   die    vorliegt,    zum  Ausdruck    zu    bringen.     Auf  die  Bedeutung  des 
geradlinigen    Naturbruchs    bei    der  Auswahl    der    Knollen    oder    Knollen- 
fragmente zur  Verwertung  derselben  als  Werkzeug  hat  Rutot  aufmerksam 
gemacht.    Er  schreibt  diese  Bevorzugung  der  Verwendung  zu,  die  dabei  der 
Zeigefinger  in  der  Ruhelage  findet,    wenn  er,    den  geraden  Rückenkanten 
anliegend,  die  Bewegimgen  des  Handgelenks  in  wirksamer  Weise  zu  regeln 
in  der  Lage  ist.     Die   an    den  beiden  Kanten  des  Rückens  oft  sichtbaren 
kleinen  Aussplitterungen    hält    Rutot    für    solche    der  Handlichmachung. 
Ich  werde  darauf  beim  Typus  32  zu  sprechen  kommen. 

Typus  28.  Halbkreisschaber,  bezw.  beilartige  Schläger  aus  flachen 

Natursprengstücken      der,     Knollen      mit     geradliniger 

natürlicher  Absprengung  auf  der  einen  Seite    und    mit 

rohen  Schärfungen  am  konvexen  Rande. 

Von  dem    vorigen    Typus    nur    dadurch    zu    unterscheiden,    dass    der 

Hauptteil    des  Werkzeugs    nicht    aus    einem  ganzen  Naturknollen  besteht. 

Diese  Eolithenform  spielt  im  südlichen  Belgien,    im  Tal   der  Haine  unter 

den  Kieseln,  die  in  den  Moseen-Ablagerungen  eingebettet  sind,  eine  grosse 

Rolle  und  bezeichnet  daselbst  (an  dem  klassischen  Standorte  von  Mesvin, 

zwischen  Mons    und  Binche,    wo  E.  Delvaux    zuerst    diesen    Namen    für 

die  Arbeitsweise  in  Vorschlag  brachte)  nach    den  Worten  Rutots,1)    eins 

von  den  für  die  Mesvin-Industrie  am  meisten  charakteristischen  Werkzeuge. 

Rutot  nennt  dasselbe  „grattoir  a  dos  plat". 

Von  einer  Wiederholung  dieser  Kategorie  als  eines  eigenen  Typus  in  der 
Abteilung  II,  b,  die  ausschliesslich  den  Formen  gewidmet  ist,  die  der  Arbeits- 
weise von  Mesvin  entsprechen,  habe  ich  Abstand  genommen.  Nach  den 
an  so  vielen  Örtlichkeiten  Belgiens  sich  stets  mit  erfreulicher  Überein- 
stimmung wiederholenden  Lagorungsverhältnissen  zu  urteilen,  hat  während 
der  K|mmIh'  der  Arbeitsweise  von  Mesvin  neben  der  beabsichtigten  Kiesel- 
Bprengung  auch  die  frühere,  primitivere  von  Reutel  und  der  Tertiärzeit 
ni<lit    aufgehört    in  Betrieb    zu    sein.     In  Ägypten    waren  die  Epochen  in 


L)  Kutot  ,  Hainaut  in  Bull.  Soc.  d'Authropol.  Brux.  XVII,  1899,  S.  '254,  2G7  und  324. 


7-.»:, 


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Typus  "-'7. 


Typus  33. 


Typus  29. 


Typus  81  (Oberseite). 


Typus  21. 


Typus  :!•_'. 


Typua  36  [Oberseite).  Typus  38  [Oberseite). 

Alle  iu  7,  mit.  Gr. 

Eolitbe  der  Arbeitsweise  der  Tertiärzeit  und  von  Beutel, 


■M 


—     796     — 

dieser  Hinsicht  vielleicht  unter  sich  mehr  ausgeprägt.  Beweise  dafür  fehlen. 
Ich  kann  aber  feststellen,  dass  ich  den  Typus  28  nur  iu  den  seltensten 
Fällen  mit' solchen  Anzeichen  angetroffen  habe,  dass  man  eine  beabsichtigte 
Absprengung  entweder  der  gradlinigen,  schmalen  Rückenfläche  oder  des 
mit  konvexem  Rande  versehenen  Teils  anzunehmen  berechtigt  wäre. 

Typus  20.  Schaber,  bezw.  Schläger  aus  unregelmässig  gestalteten, 
flachen  und  scharfkantigen  Naturscherben  der  Knollen, 
mit  feinen  Randschärfungen  (Dengelung)  (1  Abbildung). 
Von  diesen  Schabern  finden  sich  auf  den  obersten  Platteauhöhen  in 
N.W.  von  Theben  so  zahlreiche  Exemplare  bei  einander,  hin  und  wieder 
untermischt  mit  Manufakten  palaeolithischen  Charakters  (alle  gleich  braun 
patiniert)  dass  die  Annahme  gerechtfertigt  erscheint,  sie  lägen  daselbst 
in  situ  seit  den  Zeiten  ihrer  Entstehung.  Die  auffallend  feinen  und 
kleinen  (oft  nur  1  mm  breiten)  Dengeluugsnarben  sind  anders  patiniert 
als  die  Splitter  selbst  und  verlaufen  in  gleichmässigen,  ununterbrochenen 
Reihen  an  den  sehr  dünn  auslaufenden  Rändern.  Man  wäre  zu  vermuten 
geneigt,  dass  auch  in  palaeolithischer  Epoche  solche  von  Natur  scharf- 
kantige, dünne  Zersetzungssplitter  (hauptsächlich  entstanden  durch  alveolate 
Oberflächenabsonderung,  deren  Spuren  an  ihnen  vielfach  sichtbar  sind) 
gern  benutzt  worden  seien  und  die  sorgfältige  Dengelung  vieler  Exemplar»1 
würde  eine  solche  Annahme  unterstützen;  aber  die  nämlichen  Formen  des 
vorstehenden  Typus  fanden  sich  auch  häufig  in  den  diluvialen  Schotter- 
terrassen eingebettet,  die  bei  Theben  nirgends  in  die  palaeolithische  Zeit 
hineinragen.  In  ihrer  Umrissgestaltung  und  in  den  Grössenverhältnissen 
legen  sie  grosse  Verschiedenheiten  an  den  Tag.  Sie  sind  unregelmässig 
polygonal  und  am  Rande  oft  mit  zahlreichen  Buchten  und  Vorsprüngen 
versehen,  so  dass  die  meist  sorgfältige  Dengelung  allerhand  Bedenken  in 
bezug  auf  den  Gebrauch,  den  sie  fanden,  erwecken  muss.  Viele  lassen  über- 
dies die  bekannten  Abnutzungsspuren  vermissen,  als  wären  sie  auf  Vorrat 
bearbeitet  worden. 

Typus  30.  Schaber,  bezw.  Schläger  aus  unregelmässig  gestalteten, 
flachen,  aber  nicht  scharfkantigen,  etwas  dicken  Natur- 
scherben der  Knollen,  mit  Randschärfungen  rings- 
herum versehen. 

Typus  31.  Kleine  dicke  Schaber  aus  mehr  oder  minder  rundlich, 
bezw.  quadratisch  gestalteten  Natursprengstücken  von 
Knollen  mit  zum  Teil  gehäuften  Randschärfungen 
(2  Abbildungen). 

Typus  o'l.  Schaber,  bezw.   Dengirr  aus  geradlinigen  Naturspreng- 
stücken plattenförmiger  Knollen   mit  Aussplitterungen 
an  den   Kanten  infolge  von  Gebrauch  (1   Abbildung). 
Solche  Formen  fanden  sich  zerstreut    ;m   verschiedenen  Örtlichkeiten, 
sowohl  auf  dm  obersten  Plateauhöhen  als  auch  unter  den  in  den  Schotter- 
ablagerungen  eingekitteten  Kieseln  (Loe.   XVIII),    ebenso  auch  unter  dem 
die  Talsohle  erfüllenden  Geröll. 


—     797     — 

Die  an  <  1  < -n  Kanten  geradliniger  natürlicher  Bruchflächen  der  plattmi- 
förmigen  oder  prismatischen  Folithe  sichtbaren,  zerstreuten,  oft  alt- 
wechselnd  nach  beiden  Seiten  gerichteten  und  meist  kleinen  Aus- 
splitterungen bieten  viel  Rätselhaftes  im  Hinblick  auf  die  Art  des  statt- 
gehabten Gebrauches.  Hinsichtlich  ihrer  Merkmale  und  des  Zusammen- 
auftretens mit  kleinen  Schlagmarken  des  abnutzenden  Gebrauches  unter- 
scheiden sie  sich  durch  nichts  von  den  an  Eolithen  gesicherter  Bestimmung 
wahrzunehmenden  Aussplitterungen.  Ob  solche  geradlinige,  rechtwinklige 
Kanten  zum  Schaben  und  Glätten  von  Holz  und  Knochen  tauglich  waren, 
erscheint  fraglich.  Als  wahrscheinlicher  erweist  sich  die  Annahme  einer 
Verwendung  derselben  als  Dengler,  zum  Bandschärfen  durch  Hämmerung 
und  Beklopfen  der  Scharfkanten.  Das  unregelmässige  Aussplittern  nach 
beiden  Seiten  zu,  das  diese  rechtwinkligen  Kanten  meist  zu  erkennen 
geben,  desgleichen  die  an  den  Rückenkanten  der  Typen  27  und  28,  sowie 
an  denen  von  4<S  und  49  vorkommenden  Aussplitterungen  machen  diesen 
Gebrauch  für  den  betreffenden  Teil  des  Werkzeuges  wahrscheinlicher  als 
den  im  Sinne  eines  Schabers. 

In  die  hier  angeregte  Reihe  von  Fragen  fällt  aber  vor  allem  das 
Problem  der  zuerst  von  Iiutot  in  den  Kreis  der  steinzeitlichen  Be- 
trachtungen eingeführten  1  landrecht-  oder  Handlichmachung  (fr.  aecom- 
mqdation)  scharfer  Kanten  und  unbequemer  den  Griff  erschwerender 
Vorspränge  und  Höcker,  wo  solche  sich  am  Naturknolleu  darbieten. 
Rutots  Nachweise  der  an  echten  Reutelstücken  wahrnehmbaren  Narben 
von  weggeschlagenen,  bezw.  weggehämmerten  Höckern  und  Zapfenfort- 
sätzen  der  Kieselknollen  werden  diese  Eigentümlichkeit  der  eolithischen 
Arbeitsweisen  ausser  Zweifel  stellen.  Ich  habe  beim  Typus  5  ein  Stück 
besprochen,  das  Verletzungen  von  sein-  regelmässiger  Form  aufweist,  die 
nur  durch  gewaltsames  Behämmern  spitzer  Vorsprünge  erklärt  werden 
können.  Zweifelhaft  erscheinen  mir  indes  die  Fälle,  wo  zur  Herstellung 
einer  Griffseite  gewisse  Kanten,  auch  Scharfkanten  von  Absplissen  und 
Natursprengstäcken,  die  als  Schaber  Verwendung  finden  konnten,  ab- 
gestumpft, bezw.  rund  gehämmert  sein  sollen. 

Die  Annahme  einer  eigenen  Handlichmachung  der  Griffseite  sclnint 
mir  in  vielen  Fällen  eine  gewagte  zu  sein,  weil  die  abgehärteten,  derben 
Hände  der  in  Krage  kommenden  ursprünglichen  menschlichen  Geschöpfe 
einer  solchen  Rücksichtsnahme  auf  die  Bequemlichkeit  des  Griffes  gar 
nicht  benötigten.  Eine  Derbheit  ihrer  Hände  anzunehmen,  erscheint  jeden- 
falls berechtigte]-  als  ihr  Verlangen  nach  Akkommodation.  Wie  anders  auch 
hätte  man  sielt  den  Gebrauch  der  mandelförmigen  Faustschläge]  vor- 
zustellen, der  „coups  de  poing"  von  Chelles,  als  dass  jene  Geschöpfe,  auch 
noch  in  paläolithischer  Zeit,  gar  nicht  so  verweichlichte  Fäuste  besassen, 
wie  sie  die  Annahme  einer  Handlichmaeliung  zur  Voraussetzung  haben 
würde.  Ule  Faustschlägel  vom  Typus  von  Chelles  und  St.  Acheul  sind 
bekanntlich  ringsum  mit  scharfem  Kami  versehen  und  dennoch  wird  fast 
einstimmig  von  alles  Barschem  angenommen,  dass  sie  Werkzeuge,  bezw, 
Waffen  waren,  die  „unter  der  Hand-,  nicht  „ausserhalb  derselben-  in 
Gebrauch  genommen  wurden.    Immerhin  soll  durch  die  hier  vorgebrachten 


—     798     — 

Bedenken  kein  Einspruch  im  Prinzip  erhoben  sein  gegen  die  Annahme 
einer  Handlichmachung  und  Anpassung  an  den  Griff  der  Kieselwerkzeuge 
zur  Zeit  der  eolithischen  Arbeitsweisen;  meine  Vorstellungen  richten  sich 
hauptsächlich  gegen  die  allzuweitgehende  Verallgemeinerung  einer  solchen. 
Vielleicht  lässt  sich  ein  grosser  Teil  der  vermeintlich  handgerecht  ge- 
machten Kücken  von  Schabern  richtiger  als  Randschärfer  oder  Dengier 
(retouchoir)  auffassen.  Ein  derartiges  Instrument  musste  bei  der  Arbeit 
mit  Steinwerkzeugen  beständig  zur  Hand  sein,  es  war  wahrscheinlich 
noch  unentbehrlicher  als  der  wirkliche  Dengelstock  im  Gürtel  des  heutigen 
Arbeiters  mit  der  Sense. 

Typus  33.  Pfriemspitzen,  bezw.  Bohrer  (oder  Dengier)  a,us  pris- 
matischen Xatursprengstücken  der  Knollen,  mit  Aus- 
splitterungen an  den  Kanten  infolge  von  Gebrauch, 
bezw.  Rand  schär  fung  (1  Abbildung). 

Typus  34.  Hohlschaber  aus  natürlichen  Aussensprengstücken  von 
Knollen  mit   beabsichtigten  Aussplitterungen  zur  Her- 
stellung einer  Bogenkerbe. 
Viele    dieser    Werkzeuge     mögen    aus    halbierten    Kugelknollen    des 
beschriebenen  Typ.  22  abzuleiten   sein.     Sie   stellen    das   Urbild    der    ver- 
vollkommneten Typ.  41  und  57  vor. 

Typus  35.  Hohlschaber  aus  unregelmässigen,  flachen  und  scharf- 
kantigen     Xaturseherben      von      Knollen,      mit      Aus- 
splitterungen zur  Herstellung  einer  Bogenkerbe. 
Diese  Form  entwickelte  sich  aus  dem  Typus  29.     Sehr  häufig  scheint 

die  Bogenkerbe  unter  einem  einigermassen  geradlinigen  oder  gleichmässig 

gebogenen  Rande  angelegt,    der  dem  Zeigefinger  als  Stütze  dienen  sollte. 

Dass  man  auf  diese  Weise    das  Schaben    mit    weit    grösserer  Gewalt  und 

Sicherheit  auszuüben  vermochte,  liegt  auf  der  Hand. 

Typus  36.  Konvex-konkave    Bogenschaber     aus     natürlich    abge- 
sprungenen Scheibensegmenten  der  Morpholithen.    mit 
roher  Randschärfung  (Dengelung)  (1  Abbildung). 
Solche  Formen  finden    sich   aller  Orten,    wo    bei  Theben  Eolithe  an- 
zutreffen   sind.     Sie    bilden  einen    der  für    die    steinzeitliche   Provinz    am 
meisten  charakteristischen,  ihr,  wie  es  scheint  allein  eigentümlichen  Typen 
von  Theben.     Über    ihre    Entstehung    habe    ich    bereits    im    vergangenen 
Jahre  ausführlich  berichtet. 

Typus  37.  Konvex-konkaver  Bogenschaber  aus  natürlichen  Spreng- 
stücken     von    Knollen     mit    Randaussplitterungen    zur 
Herstellung    des     konvexen    Bogens     und     der    Bogen- 
kerbe. 
Dieses     Werkzeug    entspricht    dem    Typus     .'!.'»,     dessen    weiter    aus- 
geführte zweischneidige  Modifikation  es  darstellt.    Beide  haben  sich  aus  dem 
Typus  29  entwickelt. 


-      7!)!)     — 

Typus  38.  Ringschaber,    bezw.    -Schläger,    aus    einer   von    einem 
Morpholithen     durch     natürliche     Verwitterung     abge^- 
sprungenen  Scheibe,    mit   roher   Rand  schär  fang   (1  Ab- 
bildung). 
Über  die  Entstehung  und  das  Vorkommen  dieser  Ringe   habe  ich  im 

Bande    XXXV    der  Zeitschr.    f.   Ethnol.  von   1903,    S.  813,  814,  Taf.   XIII 

und  XIV  ausführlich  berichtet. 

IL  b)  Aus  beabsichtigten  SprengstUcken    (Absplissen).      (Arbeitsweise    von 
Mesvin). 

Typus  39.  Schaber,  bezw.  Schaberspitzen  oder  Spitzen  aus  Aussen- 
absplissen  der  Knollen  mit  rohen,  ineist  gross- 
schartigen Randschärfungen  (2   Abbildungen). 

Die  Aussenabsplisse,  die  auf  der  Oberseite  mit  der  Kruste  des  Natur- 
knollens versehen  sind,  geben  Spitzen  und  Schaberspitzen  ab,  durch  die 
der  Sammler  am  ehesten  zur  Verwechselung  eolithischer  mit  paläolithischen 
Epochen  veranlasst  werden  kann,  da  diese  Formen  in  jeder  Epoche  zu- 
stande kommen  mussten,  weil  man  ja  die  Krustenstücke  nicht  wegwarf. 
Als  entscheidend  für  die  Epoche  der  Arbeitsweise  kann  nur  betrachtet 
werden  der  Charakter  der  mehr  oder  weniger  vervollkommneten  Dengelung. 
der  Randschärfung.  Das  Vorhandensein  einer  absichtlich  hergestellten 
Schlagfläche  würde,  falls  nachweisbar,  gewiss  als  ein  Merkmal  zu  betrachten 
sein,  das  von  fortgeschrittener  Entwicklung  der  Arbeitsweise  Zeugnis  ab- 
legen könnte. 

Die  ersten  Absplisse  bildeten  sich  rein  zufällig,  wenn  verfehlte 
Schläge  auf  einen  harten  Körper  stiessen  (wie  beim  Spalten  und  Zer- 
trümmern von  Knochen),  der  als  Unterlage  die  Rolle  eines  Ambos  oder 
eines  Hackbrettes  spielte.  Jedermann  kann  sich  durch  das  Experiment 
von  dem  Vorgang  überzeugen,  wenn  er  mit  dem  abgerundeten,  nicht  allzu 
breiten  Ende  eines  Kieselknollens  gegen  einen  andern  von  flacher  Gestalt 
und  in  ruhender  Lage  befindlichen  heftige  Schläge  ausführt.  Das  "N\  erk- 
zeug  wird  auf  diese  Art  zum  Werkstück  und  das  Werkstück  zum  ,."\  er- 
fester",  nach  der  Begriffserklärimg  von  Reuleaux  (Kinematik  II,  S.  G70). 
Die  Ausspleissungen  am  ganzen  Naturknollen  gestalten  sich  in  diesem 
Falle  aus  dem  Grunde  so  schön  und  regelmässig,  weil  die  ganze  Kraft  des 
Schlages,  der  Rückstoss  beim  Anprall  sich  auf  den  einen  Treffpunkt  häuft, 
wie  beim  Treffen  des  kugelförmigen  Beh&usteines  auf  die  künstlich  her- 
gerichtete Schlagfläche,  die  hier  durch  die  ambosartige  Unterlage  ersetzt  wird. 
Solche  Splitter  konnte  der  Urmensch  ohne  weiteres  in  Gebrauch  nehmen, 
er  wird  allmählich  auf  den  Gedanken  gebracht  worden  sein,  die  Vorteilt' 
einer  beabsichtigten  und  methodischen  Zerstückelung  der  Knollen  zu  er- 
kennen, während  sein  erster  Eingriff  in  die  natürlichen  Verhältnisse  sich 
auf  das  Zuschalten  der  Ränder  besonders  flachgestalteter  Knollen  und 
Natursprengstücke  beschränkt  haben  mag.  Solche  Ränder  werden  beim 
Hämmern  und  Schlagen  durch  eine  Anzahl  ausgesprungener  Splitter  rauh 
und   scharf    und    dadurch    zweckmässiger    für   den   Gebrauch.     Daher  wird 


—     800     — 

eben  der  Urmensch  frühzeitig  auf  die  beabsichtigte  Randschärfung  geführt 
worden  sein. 

Ich  unterscheide  Spitzen  von  eiförmigen  Absplissschabern  im  all- 
gemeinen dadurch,  dass  bei  den  ersteren  der  Längsdurchmesser  mit  der 
Absplissrichtung  zusammenfällt,  d.  h.  dass  Treffpunkt,  Buckel  und  Spitzt1 
bezw.  Ende  in  einer  Linie  liegen.  Solche  gedengelte  Absplisse,  die  bei 
sonst  gleichen  Bedingungen  nicht  in  eine  Spitze  auslaufen,  sondern  an 
ihrem  Ende  abgerundet  oder  quer  abgeschnitten,  oft  auch  gegen  das  Ende 
zu  statt  schmäler,  breiter  werden  (sie  können  in  diesem  Falle  im  Umriss 
mehr  oder  minder  oval  oder  vierwinklig  oder  oder  auch  spateiförmig  sein), 
nenne  ich  „Schaberspitzen".  Bei  allen  im  Umriss  rundlichen,  ovalen  oder 
ovaten  (eiförmigen)  Absplissschabern,  die  diesem  Begriff  von  Spitzen  und 
Schaberspitzen  nicht  entsprechen,  liegen  Schlagbuckel  und  Absplissrichtung 
seitlich  von  der  Längslinie  des  Absplisses.  Beim  charakteristischen  Beispiel 
solcher  Werkzeuge,  beim  Schaber  des  Typus  von  le-Moustier,  dessen  Um- 
rissgestalt im  Prinzip  eine  schiefeiförmige  ist,  liegt  die  Spitze  der  ge- 
gebenen Definition  gemäss  schräg  seitlich  vom  Treffpunkte  und  vom 
Buckel. 

Die  Schaber  dieser  letzterwähnten  Kategorie  gehören  übrigens  vor- 
wiegend dem  Paläolithikum  an  und  kommen  hier  eigentlich  wenig  in  Be- 
tracht, erwähnen  möchte  ich  nur  noch,  dass  nach  der  Stellung  der  Spitze 
oder  des  Eudteils  dieser  Art  Schaber  sich  auch  beurteilen  lässt,  ob  der 
Anfertiger  des  Werkzeugs  mit  der  linken  oder  mit  der  rechten  Hand  zu 
arbeiten  gewohnt  war.  Wenn  bei  Betrachtung  der  mit  dem  Schlagbuckel 
nach  oben  gehaltenen  Unterseite  die  Spitze  links  vom  Buckel  zu  liegen 
kommt,  so  musste  das  Werkzeug  zweckmässig  mit  der  rechten,  wenn  um- 
gekehrt mit  der  linken  Hand  erfasst  werden.  Eine  derartige  Unterscheidung 
/.\vi>clien  rechts  und  links  lässt  sich  auch  bei  einigen  mit  seitlichen  Längs- 
xchneiden  versehenen  Schabern  machen,  wie  bei  Typus  42,  46  und  49. 

In  die  Kategorie  der  als  Schaber  verwandten  beabsichtigten  Aussen- 
absplisse  würde  auch  das  Seitenstück  zum  Halbkugelschläger  des  Typus  22 
gehören.  Viele  derselben  mögen  aus  kugelförmigen  Behausteinen  ent- 
standen sein,  die,  wie  ich  selbst  erprobt  habe,  infolge  der  beständigen 
Erschütterung,  die  sie  längs  ihrer  Mittellinie  erhielten,  zuletzt  in  zwei 
Hälften  zerspringen  müssen.  Ich  habe  es  nicht  für  nötig  befunden,  diese 
Formen  als  einen  eigenen  Typus  in  der  Abteilung  II,  b  zu  wiederholen. 

Typus  40.  Schaber,  bezw.  Schaberspitzen  oder  Spitzen  aus  Ab- 
splissen der  Knollen,  die  auf  der  Rückseite  die  Narben 
der  vorhergegangenen  Absplisse  tragen,  mit  rohen,  meist 
grossschartigen  Randschärfungen  (mit  2  Abbildungen). 

Ich  habe  unter  39  und  40  eine  grosse  Anzahl  von  Formen  zusammen- 
gefassl  (nach  der  Stückzahl  betragen  sie  die  Hälfte  aller  eingesammelten 
Eolithe),  die  nach  ihrer  Umrissgestalt,  nach  dem  Charakter  und  der  Aus- 
dehnung der  an  ihnen  vollzogenen  Randsehärfungen  die  Unterscheidung 
einet  Menge  von  Dnteriypen  zulassen  würden.  Noch  verwirrender  müsste 
sich    das    Bild    gestalten,     wollte    man    alle     diese    Werkzeuge    auch     auf 


—     801 


Typus  :'>'.!  (von  beiden  Seiten  . 


Typus    l'.i  (von  beiden  Seiten). 


Typus  40  (von  beiden  Seiten). 


Typus  42  (Unterseite). 


Typus   16  (Oberseite). 


Typus  51  (von  beiden  Seiten). 

Alle  in  '/,.  uat.  Gr. 

Eolitbe  der  Arbeitsweise  von  liesvin. 


Typus  .">!    (von  beiden  Seiten). 


—     802     — 

die  einzelnen  Möglichkeiten  ihrer  Gebrauchsweise  prüfen.  Die  ersten 
Aussenabsplisse  haben  selten  eine  andere  Umrissgestalt  als  die  rundliche, 
ovale  oder  eiförmige,  dagegen  sind  die  Absplisse  des  Typus  40  natur- 
gemäss  von  der  allerverschiedensten  Gestaltung.  Ich  habe  von  beiden  als 
Beispiele  solche  abgebildet,  die  man  im  Paläolithikum  als  ovale  oder 
oblonge  Schaberspitzen  bezeichnen  würde. 

Man  unterscheidet  Absplisse  der  beabsichtigten  Herstellung  von  solchen, 
die  durch  Widerprall  zufällig  entstanden,  zunächst  durch  die  auf  der 
Rückensoite  sichtbaren  Absplissnarben  der  beim  Zerteilen  eines  Kernstücks 
vorhergegangenen  Abspleissungen.  Natürlich  lässt  uns  diese  Unterscheidung 
bei  den  Aussenabsplissen  in  Stich.  Das  bei  den  letzteren  erwähnte  Merkmal 
zur  Unterscheidung  der  beabsichtigten  —  ein  nachweisbarer  Rest  der 
Schlagfläche  —  wird  für  beide  Kategorien  (Typus  39  und  40)  in  dem 
Falle  hinfällig,  wo,  wie  das  zuweilen  geschah,  auch  der  der  Spitze  ent- 
gegengesetzte Teil  des  Absplisses,  nämlich  der  über  dem  Schlagbuckel 
gelegene,  eine  Randschärfung  erfuhr,  wodurch  die  Schlagfläche  völlig- 
beseitigt wurde. 

Der  Typus  40  der  zweiten  Kategorie  kann  sich  indes  ausnahmsweise 
auch  bereits  in  den  primitivsten  Zeiten  durch  denselben  Vorgang  gebildet 
haben  wie  die  Aussenabsplisse,  wenn  z.  B.  bei  fortgesetzten  Schlägen  mit 
demselben  Schläger  von  einem  Spitzende  des  Knollens  mehrere  aufein- 
anderfolgende Absplisse  sich  lösten.  In  der  Tat  hat  Rutot  solche  Pseudo- 
Moustierspitzen  in  den  Ablagerungen  des  alten  Eolithikums  gefunden.  Im 
Museum  von  Brüssel  sind  beglaubigte  Funde  aus  den  Schichten  der  Arbeits- 
weise von  Mesvin  vorhanden,  unter  denen  sich  Spitzen  befinden,  die 
Gr.  Mortillet  selbst  als  le  Moustierspitzen  anerkannt  haben  soll.1) 

Je  nach  der  Art,  in  der  die  auf  der  Oberseite  dieser  Werkzeuge  sicht- 
baren Absplissnarben  angeordnet  erscheinen,  werden  sich  Merkmale  zur 
Charakterisierung  der  mehr  ursprünglichen  oder  mehr  fortgeschrittenen 
Methoden  der  Abspleissung  nachweisen,  wohl  auch  Rückschlüsse  ziehen 
lassen  auf  die  Gestaltung  der  übrig  gebliebenen  Kernstücke  oder  Nuclei. 
Die  hier  für  den  Typus  40  als  Beispiel  gewählte  Abbildung  zeigt  eine  sogen. 
Moustierspitze;  die  Absplissnarben  der  Rückseite  lassen  aber  keinen  regel- 
mässig gestalteten  Xucleus  voraussetzen,  es  gestatten  dieselben  eher  die  An- 
nahme einer  willkürlichen  Zerstückelung,  als  einer  planmässigen  Abschälung 
vimi  Kernstücken.  Man  wird  eben  an  der  Vorstellung  festzuhalten  haben, 
dass  es  den  Urmenschen,  nachdem  sie  auf  eine  beabsichtigte  Kieselsprengung 
behufs  Erlangung  zweckentsprechender  Stücke  verfallen  waren,  zunächst 
darauf  ankommen  mnsste,  möglichst  viele  kleine  Scherben  und  Splitter  zu 
gewinnen,  und  <lass  das  Zuhauen  grösserer  Stücke  erst  bei  später  erreichter 
Vervollkommnung  mehr  ins  Auge  gefasst  wurde.  Daher  zeigen  denn  auch 
die  meisten  Stücke  dieser  Art  den  imregclrnässigen  Verlauf,  die  wenigsten 
eine  mehr  parallele  Anordnung  der  Absplissnarben  auf  ihrer  Oberseite. 
Nuclei  von  jener  regelmässigen  Gestaltung  mit  langen  parallel  verlaufenden 
Absplissnarben,  me  solche  Rutot  (Pröhist.  S.  80,   Fig.  60)  unter  den  echten 

1)  Vgl-  Rutot,  IVliist.  S.  8a  84. 


—     803     — 

Mesvinwerkzeugen  bei  Spiennes  nahe  Mons  gefumlcii  hat,  sind  mir  in  den 
Schotterablagerungen  des  Altdiluviums  von  Theben  nicht  vorgekommen, 
überhaupt  fanden  sich  bis  jetzt  keine  als  wirkliche  Nuclei  zu  deutenden 
Kernstücke  in  diesen  Schichten,  die  ihren  Abscbluse  aoeh  während  der- 
jenigen Epoche  gefunden  haben,  in  der  für  Ä-gypten  die  Arbeitsweise  von 
Mesvin  Geltung  hatte.  Die  bei  Theben  an  der  Oberfläche,  in  situ  bei 
den  alten  Werkstätten  aufgelesenen  Nuclei,  in  deren  Nähe  sehr  häufig 
noch  viele  von  den  zugehörigen  und  zusammenpassenden  Absplissen  umher- 
lagen, trugen  sämtlich  Merkmale  an  sich,  aus  denen  zur  Evidenz  hervor- 
ging, dass  diese  Stücke  der  paläolitischen  Periode,  höchstens  noch  der 
Zeit  der  im  Übergang  begriffenen  Arbeitsweise  von  Strepy  (Mesvin-(  'hellen 
angehört  haben  müssen. 

An  vielen  dieser  Schaber  und  Schaberspitzen  gibt  sich  die  Dnfertig- 
keit  der  Randsehärfungs-  (I)engelungs-)  Methode  durch  ein  unregelmässiges 
Bearbeiten  der  Scharf  kanten,  bald  von  der  Oberseite,  bald  von  der  Unter- 
seite aus  zu  erkennen.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die  allein  zweck- 
mässige Methode  die  kleinen  Aussplitterungen  von  der  flacheren,  mehr 
geebneten  Unterseite  des  Absplisses  aus  abspringen  lassen  muss,  dass  der 
Dengler  seine  Schläge  gegen  die  Unterseite  des  Randes  zu  führen  hat. 
Die  Denglungsnarben  kommen  alsdann  auf  die  Oberseite  zu  liegen  und 
bilden  im  Querschnitt  mit  der  ebenen  Unterseite  einen  spitzen  Winkel, 
auf  diese  Art,  wie  beim  Schleifen  von  Klingen  eine  Art  Abziehkante  dar- 
stellend. Diese  Anordnung  ist  während  der  paläolithischen  Epochen  streng 
innegehalten  worden  und  gilt  als  ein  Merkmal  der  betreffenden  Arbeits- 
weisen, im  engeren  Sinne  als  das  Merkmal  derjenigen  von  le-Moustiei\ 
nach  Gr.  Mortillets  Definition. 

Die  Eigentümlichkeit  der  abwechselnd  gerichteten  Dengelung  („re- 
touches  alternantes")  scheint  zu  den  Merkmalen  der  Arbeitsweise  von 
Mesvin  zu  gehören,  worauf  bereits  Rutot  aufmerksam  gemacht  hat,  und 
es  entspricht  dein  logischen  Zusammenhang  des  steinzeitlichen  Werde- 
gangs in  allen  Ländern,  dass  sie  sich  auch  an  den  ägyptischen  Beispielen 
dartun  lässt.  Eins  von  den  vielen  wird  an  dem  kleinen  Schaber  des 
Typus  ,")1  klar,  dessen  Abbildung  auf  S.  801  unten  in  der  linken  Ecke  zu 
sehen  ist. 

Typus  41.  Hohl-,  bezw.  Kerbschaber  aus  Aussenabsplissen  der 
Knollen  mit  Aussplitterungen  zur  Herstellung  einer 
Bogenkerbe. 

Dieses  Werkzeug  wurde  mit  Vorliebe  aus  den  mehr  rundlich  gestalteten. 
breiteren  Absplissen  hergestellt  und  bildet  das  Seitenstück  zum  Typus  34. 
dem  Hohlschaber  aus  natürlichem  Sprengstück. 

Typus  42.  Hohlschaber    aus    beiderseits     abgespleissten    Spreng- 

stücken,    mit    Aussplitterungen    zur    Herstellung    einer 
Bogenkerbe  (1  Abbildung). 

Diese  Form  steht  zum  Typus  40  in  demselben  Verhältnis  wie  die 
vorhergegangene  zum    Typus  39. 


—     804     — 

Typus  43.  Konvex  -  konkaver     Bogenschaber     aus     abgesprengten 
Scheibensegmenten    der    Morpholithen,    bezw.    Aussen- 
absplissen,  mit  rohen  Randschärfungen  (Dengelung). 
Diese  Form  entspricht  innerhalb  der  Mesvin-Arbeitsweise  dem  primi- 
tiven Typus  36. 

Typus  44.  Konvex  -  konkaver    Bogenschaber    aus    Absplissen    von 
Knollen  mit  Aussplitterungen  zur  Herstellung  des  kon- 
vexen Bogens  und  der  Bogenkerbe. 
Diese   Form    entspricht    in    dieser  Abteilung    dem    aus  Natursplittern 

hergestellten  Typus  37. 

Typus  45.  Kingschaber  bezw.  -schläger  aus  von  Morpholithen 
künstlich  abgesprengten  Scheiben  bezw.  Aussen- 
absplissen,  mit  roher  Randschärfung  (Dengelung). 

Die  Form  entspricht  in  dieser  Abteilung  dem  Typus  38  der  vorher- 
gegangenen. Gute  Beispiele  des  in  Rede  stehenden  finden  sich  abgebildet 
im  vorjährigen  Bande  XXXV  der  Zeitschrift  Taf.  XIII,  Fig.  3-6. 

In  der  Erklärung  dieser  Tafel  ist  S.  822  als  Ursprung  der  bearbeiteten 
Ringe  das  ältere  Paläolithikum  angegeben.  Ich  habe  bereits  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dass  solche  aus  den  Naturformen  der  bei  Theben  in 
den  untersten  Eocänschichten  besonders  häufigen  Morpholithen  sehr  leicht 
herzustellende  Ringe  auch  in  späteren  Epochen  noch  Verwendung  ge- 
funden haben  mögen.  Die  sehr  primitive  Art  der  meist  zusammenhangslos 
und  unregelmässig  aneinander  gereihten  Dengelungsnarben,  die  sich  an 
den  benutzten  Ringstücken  erkennen  lassen,  machen  es  wahrscheinlich, 
dass  die  gesammelten  Stücke  ausschliesslich  dem  älteren  oder  jüngeren 
Eolithikum  angehört  haben  müssen.  Ausserdem  fanden  sich  dieselben 
Stücke  auch  mit  anderen  Eolithen  zusammen  eingebacken  in  den  Schotter- 
ablagerungen des  Altdiluviums. 

Typus  46.  Flacher  Scheibenschaber  aus  vom  Knollen  abge- 
sprengten Scheibensegmenten,  mit  roher  Randschär- 
fung (Dengelung)  (mit  1  Abbildung). 

Diese  Form  entspricht  unter  den  absichtlich  geschlagenen  Stücken 
dem  Typus  26  der  Natursprengscheiben. 

Typus  47.  Pfriemspitze,    bezw.     Bohrer     oder    Dengler    aus    pris- 
matischen   Absplissen    mit    Randaussplitterungen    zur 
Herstellung  einer  Spitze  (mit  1  Abbildung). 
M;ni  wird  die  entsprechende  Form  unter  den  Natursprengstücken,  die 

sich  zur  Herstellung  eines  solchen  Werkzeugs  eignen  konnten,  vermissen. 

Es  sind  derartige  auch  unter    den    primitivsten  Formen    bereits    gefunden 

worden,  unter  meinen  ägyptischen  Sammlungsstücken  fehlen  sie  bis  jetzt. 

Typus  18.  Dreikantige  prismatische  Schaber,  bezw.  Dengler  aus 
Länglichen  Absplissen  mit  Randschärfungen  bezw.  Ge- 
brauchsaussplitterungen  an  allen  drei  Längskanten 
vd-seli  en. 


—    805    - 

Entspricht  unter  den  absichtlich  geschlagenen  Stücken  dein  Typus  33 
der  vorigen  Abteilung II,  a.  Viele  unter  diesem  Typus  zusammenzufassende 
Formen  werden  als  charakteristische  Dengler  (retouchoirs)  aufzufassen 
sein,  bei  anderen  erscheint  die  Art  der  Verwendung  zweifelhaft. 

Typus  4!).  Schläger,  bezw.  Hackmesser  oder  Schaber  aus  läng- 
lichen Absplissen  mit  einseitigen  Randschärfungen 
oder  mit  Aussplitterungen  zur  Herstellung  einer 
Schneide  (mit  '2   Abbildungen). 

Das  Äquivalent  dieser  Form  in  der  vorhergegangenen  Abteilung  habe 
ich  aus  Mangel  an  Fundstücken  übergangen.  Rutot1)  bezeichnet  den 
Typus  als  „grattoir  h  dos".  Das  Werkzeug  besteht  nach  seiner  Auffassung 
aus  einem  prismatischen,  länglichen  Abspliss,  der  zwei  lange  Seitenflächen 
darbietet,  die  sich  in  sehr  spitzem  Winkel  zusammenstossen  und  eine 
Schneide»  darstellen,  ähnlich  wie  bei  den  zur  Herstellung  des  Typus  42 
verwandten  Absplissen.  Die  mehr  oder  minder  geradlinig  verlaufende,  ver- 
dickte Kückenseite  wird  oft  aus  Krustenteilen  des  Naturknollens  ein- 
genommen, an  anderen  ist  dieselbe  durch  Hämmerung  sorgfältig  abgestumpft, 
nach  Rutots  Erklärung  handlich  gemacht,  um  dem  Zeigefinger  als  Stütze 
zu  dienen,  wie  das  bereits  von  mir  bei  den  Halbkreisschabern  der  Typen  27 
und  28  besprochen  worden    ist. 

Ich  habe  bei  Aufstellung  des  vorstehenden  Typus  keinen  Unterschied 
gemacht  zwischen  solchen  Werkzeugen,  die  aus  Aussenabsplissen,  mit  nur 
einer  Bruchfläche  und  solchen,  die  der  Fassung  Rutot's  gemäss,  aus 
scheibenförmig  abgeschlagenen  Sprengstücken  mit  zwei  Längsflächen  ge- 
bildet werden,  analog  der  Unterscheidung  vom  Typus  39  und  40.  Ich 
wollte  für  Typus  41)  das  Hauptgewicht  auf  die  eine  Längsschneide  legen, 
im  Gegensatz  zu  den  dreien  des  Typus  48  und  den  zweien  des  Typus  50. 

Das  vorliegende  Werkzeug  zeigt  in  häufigen  Fällen  eine  Reihe  von 
.Merkmalen,  die  dafür  sprechen,  dass  es  auch  als  Dengler  benutzt  wurde. 
eine  Möglichkeit,  mit  der  in  gleicher  Weise  bei  der  ganzen  Typenreihe 
von  47 — 50  gerechnet  weiden  muss.  An  den  aus  scheibenartigen  Spreng- 
stücken hergestellten  hackmesserartigen  Schlägern  zeigen  auch  die 
ägyptischen  Exemplare  häufig  eine  sorgfältige  Hämmerung  zur  Ausgleichung 
und  Ebnung  der  geradlinigen  Schmalseite  des  Rückens. 

Typus  50.  Zweischneidiger  Doppel-Schaber  aus  länglichen  Ab- 
splissen mit  Randschärfungen  auf  beiden  Seiten,  bezw. 
Aussplitterungen  infolge  von  Gebrauch. 

Typus  51.   Kleine  Schaber    aus    geschlagenen    Sprengstücken,    oft 
aus  zerbrochenen  Absplissen  (Spitzen)  hergestellt,  mit 
ringsumher    angebrachten  Bandschärfungen    (mit    b'  Ab- 
bildungen). 
Solche    kleine  Schaber    scheinen,    nach    den    Kundunistünden,    die    sie 
bei  Theben  darbieten,    zu    sehr    verschiedenen   Epochen    in  Gebrauch   ge- 
wesen zu  sein.     An  vielen  Stellen  der  seit  Jahrtausenden  so  gut  wie    un- 


1)  Rutot,  Hainaut,  Bull.  See.  d'Anthr.  Bru\.  L899.    XV11.    8.  353,  Flg.  lt.  15. 


—     806     — 

berührt  gebliebenen  einsamen  Plateanhöhen,  wo  man  ab  zu  Manufakte 
sehr  verschiedener  Art  nebeneinander  ausgebreitet  liegen  sieht,  muss  man 
sich  die  Frage  vorlegen:  wodurch  unterscheiden  sich  Eolithe  von  Manu- 
fakteu,  die  in  palaeolithischer  Zeit  nach  eolithischen  Herstellungsmethoden 
verfertigt  worden  sind?  Die  Eolithe  in  den  Ablagerungen  geben,  infolge 
des  Durcheinandergewühltseins  auch  auf  engstem  Raum  eine  grosse 
Mannigfaltigkeit  der  Formen  zu  erkennen,  oben  dagegen,  auf  den  Plateau- 
höhen finden  sich  von  bestimmten  Formen  grosse  Mengen  nebeneinander 
und  man  erkennt  leicht,  dass  hier  wirkliche  Arbeitsplätze  noch  in  situ 
erhalten  geblieben  sind.  Zu  diesen  gehören  vornehmlich  die  kleinen 
Schaber  und  unter  ihnen,  ausser  den  bereits  besprochenen  des  Typus  29, 
auch  die  kleinen,  (V/2 — 3  cm  im  Durchmesser),  oft  dicken  und  an  den 
Rändern  durch  wiederholt  gehäufte  Dengelung  in  so  auffälliger  Weise  ab- 
gestumpften, dass  man  nicht  begreift,  welcherlei  Arbeit  mit  diesen  in 
Massen  auftretenden  Werkzeugen  ausgeführt  sein  kann. 

Rutot1)  hat  ganz  ähnliche  Schaber,  denen  er  ebenso,  wie  den  meinigen 
von  Theben  einen  Platz  in  der  Epoche  von  Mesvin  anweist,  in  den  Ab- 
lagerungen von  Cergy  (Seine-et-Oise)  und  auch  in  Belgien  bei  Tamines 
gefunden.  Die  vollendete  Sicherheit  der  Dengelung,  die  sich  an  vielen 
Stücken  zu  erkennen  gibt,  dann  auch  der  Umstand,  dass  viele  aus  Bruch- 
stücken wahrscheinlich  verbrauchter,  aber  eine  sehr  vollkommene  Be- 
arbeitung verratender  Spitzen  palaeolithischer  Art  hergestellt  zu  sein 
scheinen,  schliesslich  die  gleichartige  Patinierung,  die  in  Übereinstimmung 
mit  der  von  unbezweifelten  Palaeolithen  erschien,  veranlassten  mich  die 
Mehrzahl  dieser  kleinen  Schaber  als  palaeolithische  aufzufassen. 

III.    Beginn    der    beabsichtigten    Formgebung.      (Arbeitsweise     von 
Strepy,  Übergangszeit  derjenigen  von  Mesvin  zu  der  von  Chelles). 

Es  handelt  sich  bei  dieser  Abteilung  um  einen  bedeutsamen  Wende- 
punkt in  der  Kieselschlagkunst.  Mit  der  Epoche,  die  den  Impuls  zu  un- 
aufhaltsamer Entwickelung  und  Vervollkommnung  der  technischen  Hilfs- 
mittel in  sich  schloss,  wird  auch  die  geistige  Veranlagung  des  werdenden 
Menschengeschlechts  emporgestiegen  sein.  Ein  besonderes  Interesse  wird 
es  gewähren,  Nachweise  dafür  zu  liefern,  dass  sowohl  in  Belgien,  wie  auch 
in  Ägypten  in  gleicher  Weise  eine  deutlich  ausgeprägte  Übergangszeit  dem 
Beginn  der  vervollkommneten  palaeolithischen  Arbeitsweise  vorausgegangen 
ist.  Obgleich  die  für  dieses  Zwischenglied  im  Gange  der  Entwickelung 
<  liiuakteristischen  Formen  in  beiden  Gebieten  zum  Teil  wesentlich  andere 
Bind,  geben  sie  dennoch  immer  die  nämliche  Tendenz  zu  erkennen,  ein 
Werkzeug  herzustellen,  zu  dessen  Gestaltung  die  Naturform  des  Roh- 
kiesels nur  teilweise  Beihilfe  gewährte,  wo  zum  ersten  Male  der  Versuch 
gemacht  wurde,  die  Erzeugnisse  der  Natur  im  Interesse  des  Menschen  zu  ver- 
bessern. So  umfangreich  auch  meine  Sammlungen  ausgefallen  sind,  so  liefern 
sie  bis  jetzt  doch  noch  lange  nicht  ein  ausreichendes  Material,  um  die 
«■inzclnen  Glieder  dieser  wichtigen  Formenreiho  nach  deren  mutmasslicher 


\)  l.'utot,  <iiv.'iiM'nt  de  Cergy,  Mem.  Spc.  d'Authr.  Brux.  XX,  1902,  S.  13. 


—     KOT     — 

Entstehungsgeschichte  aneinander  zu  reihen  zu  einer  harmonischen  Kette. 
Was  ich  hier  biete,  kann  vorläufig  nur  als  eine  kleine  Zahl  willkürlich 
herausgegriffener  Beispiele  Geltung  beanspruchen.  Die  Werkzeuge  dieser 
Abteilung  finden  sich  in  bescheidenem  Verhältnis  als  jüngsten  Gebilde 
den  Ablagerungen  der  diluvialen  Hochterrasse  beigegeben,  deren  Zeit  nur 
wenig  in  diese  Cbergangsepoehe  hinübergegriffen  zu  haben  scheint,  während 
andererseits  die  lakustren  Ablagerungen  des  Altdiluviums  bei  Theben 
nicht  über  die  Zeit  der  Arbeitsweise  von  Mesvin  hinausreichen,  diese  aber 
voll  und  in  reichster  Entwicklung  in  sich  schliessen.  Auf  den  obersten 
Plateauhöhen  in  W.  und  in  NW.  über  Theben,  dagegen  spielen  die  vor- 
liegenden Werkzeuge  eine  grössere  Rolle  unter  den  daselbst  mit  ihnen  zu- 
gleich an  der  Oberfläche  ausgestreuten  Eolithen  und  Palaeolithen. 

Typus  52.  Schläger  (Faustschlägel)  aus  ovalsphärischen  Knollen 
die  flach  ovalsphärische  Form  anstrebend,  durch  Ab- 
splissungen  auf  allen  Seiten  (mit  2  Abbildungen). 

Das  hier  von  beiden  Seiten  abgebildete  Exemplar  wiegt  2,4  kg.  Es 
fand  sich  fest  eingebacken  in  der  Diluvialterrasse  von  Qurna,  Loc.  VI. 
Viele  derselben  Art  finden  sich  auf  der  Oberfläche  auf  den  Höhen.  An  fast 
allen  Stücken,  die  ich  fand,  haben  sich  Eeste  von  der  Kruste  des  Xatur- 
knollens  erhalten.  In  vielen  Fällen  ist  es  schwer  darüber  zu  entscheiden, 
ob  diese  Rindenteile  mit  Absicht  zum  bequemeren  Griff  stehen  gelassen 
sind,  oder  ob  ihre  Erhaltung  nur  der  Unfertigkeit  und  Unvollendetheit 
des  Manufakts  zuzuschreiben  ist. 

Es  ist  immerhin  ein  missliches  Beginnen,  Werkzeuge,  deren  Gebrauch 
nicht  aufgeklärt  erscheint,  benennen  zu  wollen.  Dies  ist  'der  Fall  mit 
dem  französischen  „coup  de  poing",  wofür  ich  „Faustschlägel"  setze,  weil 
dieses  Wort  bereits  in  beiden  Sprachen  vorhanden  ist.  Rutot  und  andere 
Autoren  bedienen  sich  aus  Vorsicht  des  Ausdrucks  „instrument  amygdalo'ide", 
eine  Bezeichnung,  die  allerdings  den  in  bezug  auf  den  Gebrauch  geäusserten 
Bedenken  der  objektiven  Nötigung  gerecht  wird,  dafür  aber  in  höherem 
Grade  anderweitige  Unzuträglichkeiten  im  Gefolge  hat,  z.  B.  den  Mangel 
eines  gebräuchlichen  Substantivs,  dann  besonders  auch  Widersprüche  bei 
näherer  Formbezeichnung,  z.  B.  wenn  man  sich  genötigt  sieht,  von 
einem  ovalen  oder  dreieckigen  Amygdaloi'd  zu  sprechen,  das  keins 
mehr  ist. 

Typus  53.  Schläger  (Faustschlägel)  aus  ovo'iden  Knollen  die  spitze 
Mandelform  anstrebend,  durch  Abspleissungen  auf  den 
Seiten  und  mit  Aussparung  einer  als  Handhabe  dienenden 
ganzgelassenen  Knollenbasis  („coup  de  poing  ä  talo-n") 
(1  Abbildung). 

Formen  dieser  Art  finden  sich  ebenso  häufig  in  den  Diluvialterra-scii 
Belgiens  als  Ägyptens.  ,,Grob  eiförmig  gestaltete  mir  rundlichem  Griffteil, 
Vorläufer  des  Faustkeils"  nennt  sie  Prof.  E.  Bracht  in  der  von  ihm  auf- 
gestellten Typenreihe  westflandernscher  Manufakte. 


SOS      — 


Typus  52  (von  beiden  Seiten). 


&'*■  ■■  ^  •**-■  xL  *'j«. 


Typus  54  (von  beiden  Seiten). 


Typus  •").'>.  Typus  57. 

Alle  in  */,  nat.  Gr. 
Rolithe  dei  Arbeitsweise  von  Strepy  (Übergangszeit  von  Mesvin  zu  Chelles). 


—    809    — 

Typus  54.  Schläger  (Faustschlägel;  aus  ovoiden  Knollen  die  spitze 

und     flache     Mandelform     anstrebend,     vermittels    Ab- 

spleissungen,    <lie    auf   der    einen    Seite    durchweg,    auf 

der    underen.    unter    Erhaltung    der    Knollenrinde,    nur 

am  Rande  angebracht  sind  (2  Abbildungen). 

Während     von     früheren     Sammlern     in     Ägypten,     namentlich     ron 

de  Morgan,    Faustschlägel    von    verschiedener  Gestalt,    meist    der    paläo- 

litliischen    Arbeitsweise    zugehörige    aufgefunden    worden     sind,      blieben 

Formen  der  vorstehenden  Art  bisher  unerwähnt,  obgleich  die>ellien  gerade 

für  Theben    besonders   bezeichnend  erscheinen,    sozusagen  eine  Spezialität 

der  Gegend  darstellen. 

Die  Qrössenverhältnisse  des  Werkzeugs  sind,  wie  beim  paläolithischen 
Faustschläge]  vonChelles,  den  grössten Schwankungen  unterworfen,     unter 
meinen  Stücken    messen    die    kleinsten  5X4      1.5  cm,  bei  700  #  Gewicht. 
Die  grössten  erreichen   Dimensionen  von  13  X  1-  • '3  cm    bis  zu  16X11  • 
3,5cm  und  die  schwersten  wiegen  700 — 1000p.     Ihre  Umrissgestalt   ist   in 
den  meisten  Fällen  die  breit  eiförmige,  seltener  treten  länglich  eiförmige  auf. 
Die  lleistellungsweise  dieses  leitenden  Typus  („arohitype")  ergibt  sich 
aus  der  Betrachtung  der  sehr  zahlreichen    Exemplare,    die  ich   bei   Theben 
an  den  verschiedensten  Stellen,    in   den  Schotterbänken    des  mittleren  Di- 
luviums sowohl  als  auch,  und  hier  in  grösserer  Menge,  auf  den  Höhen  an  der 
Oberfläche    ausgebreitet    aufgefunden  habe.     Am  Kieselknollen  wurde  zu- 
nächst   eine    randliche,    rundumlaufende    Scharfkante    abgesprengt  —  und 
zwar  geschah    dies    erstlich  vermittelst  beiderseits   je  3  bis  5  in    schräger 
Richtung  von    der  Spitze   nach  abwärts  gerichteter  Absplisse,  alsdann   ver- 
mittelst dreier  anderer,  die  von  der  der  Spitze  gegenüberliegenden  Seite  (der 
Grundlinie  dea  eiförmigen  Dreiecks)  aus  in  der  Richtung  gegen  die  Spitze 
zu  abgeschlagen  wurden.    Schliesslich  wurde  ein  besonders  grosser  Abspliss 
von  der  einen  Hälfte  des  solchergestalt  zugeschlagenen  Knollens  durch  einen 
gegen  die   untere  Scharf  kante  gerichteten  Schlag  abgelöst.    Es  entstand  eine 
Absplissnarbe  von  mehr  oder  minder  dreieckigeiförmiger  oder  lanzettlicher 
Gestalt,    deren    Spitze    fast    immer    dicht    unter   der   Spitze    des    behaltenen 
Knollens  zu   liegen  kam.     Die  Absplissnarbe,  die  mehr  als  ein  Drittel  der 
ganzen  Fläche  der  betreffenden  Knollenseite  umfassen  kann,  zeigt  dicht  über 
dem  unteren    Rande  die  Höhlung,  das   Negativ    Av>  Schlagbnckels  und  im 
weiteren,  etwas  konkaven  Verlauf  zur  Spitze  hin.  die  konzentrischen  Bogen- 
wellen.     Rechts    und    links    von    der    grossen  Absplissnarbe    kommen  die 
zwei   Reihen    der  seitlichen   vorhergegangenen   Randschärfungsabsplisse  zu 
liegen,  sodass  das  Werkzeug  auf  dieser  Seite  gleichsam  in  drei  Felder  geteilt 
erscheint.     Her  Hauptzweck  der  nachträglichen    Abspleissung    des    Mittel- 
stuckes auf  der  einen  Seite    kann    nur  der    gewesen    Nein,    das   Werkzeug 
flacher    zu    gestalten    und    zum    Schalten.    Schlagen    und    Graben,    bezw. 
Behäufeln  geeigneter  zu  machen.  Von  An  nur  am  Rande  behauenen  Seite  des 
Schlägers,    gleichsam  der  Oberseite  aus    betrachtet,    gleicht  das  Werkzeug 
einem  jeuer  primitiven  Aussenabsplisse  mit  roher  Randschärfung,  die  wir  als 
Typus  39  kennen  gelernt  haben.     Ich  habe  noeh  zu  erwähnen,    dasa  auch 
an  diesen  primitiven  Faustschlägeln  ebensogul    wie  an  denen  der  Chelles- 

Zeitschrifl  für  Ethnologie.    Jahrg.  1901    Heft  6  -,.> 


—     810     — 

und  Ackeul-Kategorie    an    den  Scharfkanten    der    Umrandung    noch    eine 
nachträglich  sekundäre  Randschärfung  angebracht  worden  ist. 

In  der  Hochterrasse  des  mittleren  Diluviums  von  Theben  fand  ich 
FOD  diesem  Werkzeug  im  ganzen  13  Stück,  was  ungefähr  72  vom  Hundert 
meiner  sämtlichen  Diluvialfunde  ausmacht.  Ein  einziges  Exemplar  fand 
ich  lose  im  Geröll  des  Rinnsals  des  Tales  der  Königsgräber,  wo  die  Ver- 
mutung aufkommen  könnte,  dass  es  daselbst  ursprünglich  einer  der 
lakustren  Ablagerungen  eingebettet  gewesen  sei,  die  dort  anstehen.  Ich 
werde  aber  weiter  unten  ausführen,  dass  im  Grunde  dieser  Talrinnen 
sich  nachträglich  auch  Schotterbänke  des  mittleren  Diluviums  abgelagert 
haben. 

Einen  einzigen  Faustschlägel  von  vollkommener  paläolithischer  Ar- 
beitsweise (eher  St.  Acheul  als  Chelles  entsprechend),  ringsherum  mit 
kleinen  Absplissnarben  bedeckt  und  von  typisch  flach  mandelförmiger 
Gestalt,  fand  ich  bei  Loc.  I  auf  der  mit  ausgewitterten  Kieseln  der 
diluvialen  Hochterrasse  bedeckten  Fläche.  Der  weisse  Cacholong,  den  die 
Oberfläche  des  Werkzeuges  zu  erkennen  gab,  bezeugte  ein  früheres  Ein- 
o-elagertgewesensein  in  eine  Schotterbank.  Solche  oberste  Bildungen 
könnten  indes  weit  jüngeren  Ursprungs  sein  als  das  mittlere  Diluvium 
Ägyptens,  vielleicht  einer  verschwundenen  diluvialen  Niederterrasse  an- 
o-ehört  haben. 

Typus  55.  Nucleiforme     Rundschaber    bezw.    Wurfscheiben,     die 
Diskusform  anstrebend,  auf  der  einen  Seite  durchweg, 
auf    der    anderen    nur    am    Rande    mit    Abspleissungen 
versehen. 
Stellt  gewissermassen  die  kreisrunde,  der  Zuspitzung  entbehrende  und 
mit  durchweg  in  senkrechter  Richtung  geführten  Abspleissungen  versehene 
Modifikation  des  vorigen  Typus  dar.    Ich  habe  nie,  wie  es  Rutot  von  ähn- 
lichen Funden  in  Belgien  behauptet,  solche  polyedrische  Stücke  in  ganzen 
Haufen  beisammenliegend  angetroffen,  so  dass  die  Vermutung,    sie  wären 
als  Wurfgeschosse  verwandt  worden,  in  bezug  auf  Ägypten  nicht  bestehen 
kann.     Gegen    eine    solche  Annahme    sprechen    auch    die  kleinen  Schlag- 
und  Abnutzungsmarken    der  Ränder.     Derartige    scheibenförmige  Gebilde 
fanden  sich    an    den    verschiedensten    Stellen    unter  anderen  Werkzeugen 
zerstreut.     Viele  von  ihnen    mögen    zur  Herstellung    kleiner  Schaber  vom 
Typus  51    gedient    haben.     Dass    identische    Formen    auch    zum  Chelleen 
gerechnet  werden  können,    beweisen  Rutots  Funde    im   Tal  der  Haine.1) 

Typus  56.  Schläger  bezw.  Schaber  aus  länglichen  Knollen,  rings- 
um auf  allen  Seiten  mit  Abspleissungen  versehen,  aber 
von  unregelmäsBiger  Gestalt. 

Wie  bei  den  vorhergegangenen    Typen   der  Abteilung  III    finden  sich 
auch   an    diesen    Stücken,    die    ineist    den    Eindruck    des    unfertigen  oder 


l)  Butot,  l'n'liist.  S.  164  Fig.  117,  118. 


—     SU      — 

m issglück teD  Versuchs  zu  vollkommenerem  Werkzeug  machen,  ausgesparte 
Krustenteile  des  Naturknollens.  Rundherum  behauene  Knollen  kommen 
.schon  im  nordfranzösischen  .Mesvinien  vor1),  allein  die  rohen  Abspleissungen 
geben  an  diesen   eine  weit  unregelmässigere  Anordnung  zu  erkennen,    als 

der  vorstehende  Typus  sie  darbietet. 

Typus  57.  Hohl  schab  er  aus  dicken  Aussen  ab  splissen  des  Knollens, 
die  Form  des  Herzschabers  anstrebend,  mit  rundlichen 
Abspleissungen  auf  der  Rückseite  und  zur  Herstellung 
eines  regelmässigen  Kerbbogens  (1  Abbildung). 

Die  Formen  dieser  Kategorie,  die  sich  in  steter  Vervollkommnung 
auf  die  Typen  41,  34  und  1(5  zurückführen  lassen,  zeigen  die  bestimmte 
Tendenz,  sich  zu  den  in  der  Zeit  der  paläolithischen  Arbeitsweise  als  ein 
Werkzeug  von  bestimmt  ausgeprägter  Form  gestalteten  „Herzschabern" 
zu  entwickeln.  Von  letzteren  habe  ich  ganze  Reihen  von  Beispielen,  die 
an  verschiedenen  örtlichkeiten  aufgelesen  ganz  deutlich  zu  erkennen 
geben,  dass  sie  nach  einer  feststehenden  Norm  zugeschlagen  worden  sind.2) 
Das  Werkzeug  findet  sich  noch  in  der  neolithischen  Zeit  Ägyptens  viel- 
fach vor  und  hat  alsdann  eine  noch  weiter  ausgebildete  Formeneinheit 
aufgenommen. 

Typus  58.  Spitzenförmige,  aus  einem  beiderseits  mit  Abspleis- 
sungen versehenen  Abspliss  hergestellte  Faustschlägel. 

Diese  Form  erscheint  für  die  Übergangsperiode  zum  Paläolithikum 
sein-  bezeichnend.  Wem  das  Zuhauen  der  «rossen  Knollen  zu  langwierig 
erschien,  der  griff  vielleicht  zu  dem  Auskunftsmittel,  abgesprengten  grösseren 
Spit/.enabsplissen  durch  seitliches  Behauen  die  gewünschte  Form  zu  geben. 
Solche  „die  Mitte  zwischen  der  Moustierspitze  und  dem  Mandelbeil  haltende 
Stinke-  führt  auch  Rutot  für  die  Übergangsepoche  als  charakteristisch  an, 
und  er  gibt  dazu  Abbildungen,  die  meinen  Exemplaren  von  Theben  aufs 
Täuschendste  entsprechen.3) 

.Mit  den  sieben  angeführten  Beispielen  ist,  wie  gesagt,  die  Typenreihe 
der  Übergangsepoche  von  der  Arbeitsweise  von  Mesvin  zu  derjenigen  von 
(helles  noch  lange  nicht  erschöpft.  Es  kam  mir  hier  nur  darauf  an.  die 
wichtigsten  und  für  Theben  gerade  besonders  charakteristischen  hervor- 
zuheben. 

Ich    wende    mich    nun    zur    besseren   Begründung  der    bisher    häufig 

gemaohten    geologischen  Hinweise    zu    den  Fragen    der  Stratographie,    die 

für    die   l'mgegend    von  Theben    noch    weit    von     ihrer  endgültigen   Klar- 
legung entfernt  sein  mögen. 


n  Rutot,  Gisement  de  Cergy,  Mem.  Soc.  d'Anthrop.  Brux.  XX  1902,  S.  II.  Fig.  L3. 

2}  Kutot  hat  ein  Werkzeug  dieser  von  mir  der  Chelles-Arbeitsweise  ingewiesenen 
Kategorie  in  beglaubigten  Ablagerungen  des  Chelleen  im  Tal  der  Hain.-  gefunden.  Vgl. 
Prehist.  S.  143,  Pig,  HU. 

•  '.    Rutot,  Prehist  S.  334,  Fig.  L50.  L51 

52* 


—     812    — 

Wie  bekannt,  verdankt  das  Niltal  seine  Entstehung  jenen  tief- 
eingreifenden  Gebirgsbewegungen,  die  sich  während  der  mittleren  Pliocäu- 
zeii  über  Ägypten  und  seine  Nachbargebiete  erstreckten  und  überall  im 
entigen  Bodenrelief  Spuren  ihrer  Wirksamkeit  hinterlassen  haben.  Der 
Einbruch  des  Niltals,  der  für  gewisse  Strecken  demjenigen  des  Roten 
Meeres  vorausgegangen  ist,  wird  bis  zu  seiner  Vollendung  notwendiger- 
weise einen  langen  Zeitraum  umfasst  haben.  Gewiss  wird  in  diesem  Zeit- 
raum auch  «las  Bett  des  von  Blanckenhom  im  Westen  des  heutigen 
Tales  nachgewiesenen  Urnil  von  den  allgemeinen  Umwälzungen  der  Ober- 
tliirhenplastik  beeinflusst,  vielleicht  den  Zuflüssen,  die  ihm  von  den  Ge- 
birgen der  südlichen  Theba'is  zustrebten,  ein  neuer  Weg  angewiesen 
werden  sein.  Aber  massgebend  für  die  Entwicklung  des  Flusses  zu  seiner 
heutigen  Bedeutung  muss  vor  allem  der  bis  dahin  wahrscheinlich  ander- 
weitig abgelenkte  Zutritt  der  oberen  Nilgewässer  gewesen  sein,  denen 
allein  die  heutigen  umfangreichen  Alluvionen  zu  verdanken  sind  und  die 
dem  Urnil  wahrscheinlich  gefehlt  haben.  Eine  solche  Entwicklung  konnte 
nicht  das  Ergebnis  einer  plötzlich  hereinbrechenden  Katastrophe  sein. 
Ich  nehme  daher  als  Übergangsstadium  jene  Seenbildungen  an,  deren  Ab- 
lagerungen durch  Blanckenhom  für  die  Zeit  des  jüngsten  Pliocän  und 
des  Beginns  des  Quartärs  in  vielen  Teilen  des  ägyptischen  Niltals  fest- 
gestellt worden  sind.  Als  diese  Seen  sich  bildeten,  war  der  Einbruch  in 
seinen  grossen  Linien  bereits  vollendet,  aber  noch  durchfloss  kein  ver- 
bindendes Gewässer,  indem  es  die  durch  den  Einsturz  salzreicher  Eocän- 
kalke  und  Kreidemergel  freigelegten  Schichten  drainierte,  das  sich  mehr 
und  mehr  ausprägende  Talbett,  eine  Aufgabe,  die  meines  Erachtens  erst 
dem  Nil  der  späteren  Quartärzeit,  unserem  mittleren  und  jüngeren  Diluvium 
entsprechend,  zufiel.  Man  kann  annehmen,  dass  jene  unregelmässige  Kette 
von  Seen,  die  das  werdende  Niltal  erfüllten,  zeitweilig  eines  geregelten 
Abflusses  entbehrt  haben  mag,  dass  einzelne  Seen  zum  Teil  versalzten 
oder  brackig  wurden.  Die  WTassermassen  der  Pluvialperiode  können,  wenn 
man  sich  diese  Bindernisse  des  unfertigen  Flussbettes  vergegenwärtigt, 
nicht  ausgereicht  haben,  um  die  angehäuften  Salze  zu  beseitigen.  Es  lässt 
-ich  auch  annehmen,  dass  die  Gewässer  der  Pluvialzeit  möglicherweise  einer 
stark  ausgeprägten,  jahreszeitlichen  Periodizität  unterworfen  waren,  was  ihre 
Wirksamkeit  in  Bezug  auf  Drainierung  noch  mehr  beeinträchtigen  musste. 
Tatsache  ist,  dass  die  lakustren  Ablagerungen  von  Theben  und  Umgebung 
heute  durch  ihren  starken  Salzgehalt1),  sowie  durch  die  (vielleicht  voll- 
kommene) Abwesenheit,  jedenfalls  durch  sehr  grosse  Seltenheit  von  fossilen 
Einschlüssen  von  Wassertieren9)  ihrer  Epoche  überraschen  und  augenschein- 
lich  den    Eindruck  von   Brackwasserbildungen   machen. 

kenntlich  gehört  unter  den  kontinentalen  Zentralteilen  entströmenden  Flüssen 
auch  heute  noch  der  Nil  zu  den  kochsalzreichsten  Gewässern,  und  zwar  entstammt  das- 
Belbe  nicht  allein,  als  der  ausgelangte  Bestandteil  der  aus  dem  Meer  abgesetzten  Schichten- 
gcbilde,  den  Kreide-  and  Tertiär bildungen,  die  er  auf  seiner  nördlichen  Strecke  durch- 
strömt.     (Vgl.   I'.  von   Rj  cht  holen,  Das   Meer  und  die   Kunde   vom   Meer.     1904,  S.  L3.) 

2    Dr.  Otto  Müller,    der  hochverdiente  Diatomeenforscher  hatte  die  Freundlichkeit 
die  von  verschiedenen  örtlichkeiten  mitgebrachten  Proben  dieser  Kalkablaereriingen  einer 


—     813     — 

Im  Gegensatz  zu  den  von  Blanckenhorn  in  anderen  Teilen  des  Nil- 
tales, namentlich  in  den  nördlich  des  28  nördlicher  Breite  gelegenen 
Strecken  ausgebeuteten,  durch  Pflanzen-  und  Konchylienreste  aus- 
gezeichneten  Süsswasserkalken  der  gleichen  Epoche,  sind  die  Lakustren 
Kalksedimente  des  alten  Pluvialsees  von  Theben  von  einer  auffälligen 
Armut  solcher  Kossileinschlüsse,  die  von  der  Epoche  Zeugnis  abzulegen 
vermöchten,  der  sie  ihre  Ablagerung  verdankten.  Was  man  an  Fossil- 
einschlüssen in  ihnen  wahrzunehmen  vermag,  ist  dem  benachbarten  Eocäo- 
gebirge  entlehnt,  wie  alle  Bestandteile,  ans  denen  sich  die  Ablagerung 
der  Kalkmasse  selbst,  sowie  die  der  Kieselsehotter  zusammensetzt.  Die 
Kieselknollen  sind  in  bestimmten  Schichten  des  Eoeängebirges  decken- 
oder  reihenweise  (ta])is  de  silex)  abgesetzt  und  wiederholen  sich  in  häufigem 
Wechsel.  Unter  den  im  feinen  weissen  Kalkstein  an  sekundärer  Lager- 
stätte eingeschlossenen  Fossilresten  spielen  Foraminiferen  eine  grosse  Kollo, 
ausserdem  kann  man  häufig  Alveolinen  and  Nummuliten  wahrnehmen. 
Was  diese  Ablagerungen  als  lakustre  charakterisiert,  sind  weniger  positive 
.Merkmale  von  vorhandenen  Dingen  als  negative  von  fehlenden:  dazu  ge- 
sellen sich  alsdann  noch  die  Analogieen  mit  den  erforschten  Verhältnissen 
benachbarter  Gebiete,  die  überzeugende  Rückschlüsse  gestatten.  Solche 
Analogien  sind  im  Jordantale  und  im  Tale  des  mittleren  Orontes  geboten, 
wo  Blanckenhorn  die  wahre  Natur  der  Ablagerungen  in  nach  jeder 
Richtung  hin  befriedigender  Weise  festzustellen  vermochte.  Zugunsten 
einer  Seenablagerung  kann  man  aber  bei  Theben  auch  auf  diejenigen 
Merkmale  hinweisen,  die  im  Niltale  als  Beweise  für  Huviatile  Bildungen 
unerlässlich  erscheinen.  Die  Terrassenablageruiigen  der  späteren  Diluvial- 
zeiten, die  hei  Theben  überall  zum  Vergleich  nabeliegen,  sind  stets  durch 
gewisse  Grerölle  von  Gesteinen  eruptiven  oder  metamorphischen  Ursprungs 
gekennzeichnet,  die  vom  Pluss  aus  entfernten  («ebirgen  herbeigeschwemmt 
wurden  und  die  in  der  nächsten  Umgebung  von  Theben  nirgends  an- 
stehend anzutreffen  sind.  Solche  Gerolle  fehlen  den  lakustren  Ab- 
lagerungen, denen  ( iesteinstrümmer  überhaupt  nur  aus  den  naheliegenden 
Bergen  des  Eocäns  zugeführt  werden  konnten. 

Von  einem  marinen  Ursprung  der  in  Rede  stehenden  Ablagerungen 
kann  keine  Rede  sein,  da,  südlich  vom  •_".>  nördlicher  Breite  im  Niltal 
nirgends  Fossilreste  von  plioeänen  Meerestieren  aufgefunden  worden  sind. 
Dil  Annahme  einer  fjordartigen  Buchtbildung  von  700  /•///  Länge  und  nur 
10 — 15  km  Breite  wäre  wohl  allein  schon  aus  allgemeinen  Erwägungen 
der  geographischen  Konfiguration  in  das  (leidet  der  offenbaren  Onwahr- 
scheinlichkeit  zu  verweisen. 

genauen  ond  wiederholten  Untersuchung  zu  unterziehen.  Immer  stiesa  er  nur  auf  zer- 
brochene Koraminiferen,  von  Bacillarien  fanden  sich  keine  Spuren.  Wären  daiin  welche 
enthalten,  hatten  sieh  mindestens  Bruchstücke  nachweisen  lassen  müssen  Im  gegenwärtigen 
Zustande  dieser  Kalke  sind  also  keine  Bacillarien  enthalten.  Damit  ist  aber,  wie  Dr.  Otto 
Müller  meint,  ihr  Kehlen  im  Zeitalter  der  Kalkablagerung  keineswegs  erwiesen,  sie 
können  durch  chemische  UmwandelungOU  im  Kaute  der  Zeit  verschwunden  sein.  Zu- 
verlässige Beobachter  berichten,  dass  Bacillarien,  die  im  Plankton  massenhaft  vorhanden 
waren,  in  den  Grundproben  derselben  Lokalität  mangeln. 


—     814    — 

Von  diesen  Ablagerungen  habe  ich  zwar  nur  kurze  Strecken  genauer 
in  Augenschein  genommen,  die  eine  auf  der  westlichen  Nilseite  bei  Theben 
und  eine  andere  auf  der  östlichen  bei  Schaghab,  an  der  Nilecke  gegen- 
über dem  alten  Flussriegel  von  Gebelen,  aber  ich  habe  doch  unter  sich 
verschiedene  Teile  an  fünf  getrennten  Örtlichkeiten  kennen  gelernt  und 
diese  scheinen  einen  genügenden  Überblick  zu  ermöglichen.  Überall 
stiess  ich  auf  gleiche,  die  Einheit  der  Ablagerungen  verbürgende  Vor- 
kommnisse. 

Die  Höhe  der  lakustren  Ablagerungen  über  der  nächstanstossenden 
Talsohle,  wo  diese  dicht  d.  h.  nicht  über  1—3  km  davon  entfernt,  an  den 
Fuss  der  eocänen,  beiderseits  das  Niltal  einfassenden  Steilabfälle  anlehnen, 
beträgt  bei  Theben  wie  bei  Schaghab,  bei  einer  Entfernung  die  30  km 
beträgt,  im  Maximum  gleichmässig  65  m.  Wo  die  abgelagerten,  zum 
grossen  Teil  während  der  darauf  folgenden  Epochen  durch  Denudation 
abgetragenen  Bänke  (mit  an  und  für  sich  talwärts  stark  fallender  Schichtung), 
weiter  ins  Tal  vorgerückt  sind,  nimmt  ihre  Erhebung  graduell  ab.  Die 
allmähliche  Verflachung  der  vorgeschobenen  Bänke  entspricht  den  Gesetzen,  • 
nach  denen  sich  ihre  Alllagerung  vollzog. 

Das  bei  Theben  zur  Zeit  der  Pluvialperiode  entstandene  Binnen- 
gewässer umfasste  denjenigen  Abschnitt  des  heutigen  Niltals,  den  zwischen 
Gebeleu  und  Qeneh  der  von  der  Hauptrichtung  des  Nilstroms  abweichende 
Knick  von  SW.  nach  NO.  darstellt.  Dieser  See  oder  Abschnitt  einer  Seen- 
kette muss  ungefähr  10  km  lang  und  im  Durchschnitt  12  km  breit  gewesen 
sein  und  sein  Flächenraum  mag  1000  qkm  betragen  haben,  liundum  der  Ufer- 
linie folgend  lagerten  sich  die  in  zahlreichen  Schluchten  und  Tälern  von 
den  umliegenden  Höhen  herabgeführten  Schotter  als  weitausgezogene 
Schuttkegel  ab,  deren  einzelne  Schichten  von  häufig  wiederholten,  oft  in 
zahlloser  Folge  abwechselnden  Lagen  eines  reinen,  feinkörnigen  und 
weissen  Kalksteins  unterbrochen  wurden.  Die  heutigen  Talschluchten,  die 
von  den  400  m  über  den  Nil  emporragenden  Höhen  herabsteigen,  haben 
sich  in  die  von  den  Schuttkegelreihen  gebildete  Randzone  der  Mulde  (des 
abgelagerten  Seegrundes)  eingesägt  und  verraten  daselbst  die  Einzelheiten 
der  Schichtung  und  ihres  Inhaltes;  die  Mitte  oder  den  Grund  der  Mulde 
durchriss  schliesslich  die  nachfolgende  grosse  Erosion  des  Nilstromes. 
Ich  halt.'  auf  Tafel  VI  vier  Profile  von  den  wichtigsten  der  von  mir  aus- 
gebeuteten Aufschlüsse  dieser  lakustren  Ablagerungen  wiedergegeben.1) 

Die  wogen  ihrer  Menge  an  eingeschlossenen  eolithischen  Manufakten 
interessanteste  Stelle  ist  die  am  Austritt  des  Hauptarmes  der  Uadijen, 
27s  km  oberhalb  Qurna  gelegene,  da,  wo  dieser  aus  der  dem  eocänen 
Steilabfall  vorgelagerten  Stuf«!  heraustritt  (Loc.  XXIN)2).  Diese  Vorstufe 
besteh!    aus    den    lakustren  Ablagerungen,    und    die  Talschlucht,    die  sie 


1  ESs  >'i  hier  auf  eine  in  meiner  vorigjähri^en  Mitteilung  (Zeitschr.  f.  Ethnol. 
Bd.  XXXV,  8.802)  gemachte  Verwechselung  der  Höhen  vom  „Halbkegel"  und  von  Esbet- 
el-wus  hingewiesen. 

'  Zur  Orientierung  muss  ich,  in  Ermangelung  einer  Karte,  abermals  auf  die 
..Ski/./''  des  Gebirge  bei  Theben"  verweisen,  die  ich  in  der  Zeitschr.  d.  Gesellsch.  für 
Brdkunde  zu  Berlin,  L902,  Taf.  II,  gegeben  habe. 


—     815     — 

durchsägt,  hat  hier  ;m  der  nördlichen  Ecke,  die  von  den  Mauern  eines 
aus  römischer  oder  altchristlicher  Zeil  erhaltenen  rohen  Ziegelbaues,  wahr- 
scheinlich eines  Wachthauses,  gekrönt  wird,  senkrechte  Wände  freigelegt, 
an  denen  alle  Schichtenglieder  des  62  m  betragenden  Aufbaues  deutlich 
in  Augenschein  genommen  werden  können.  Die  Hauptmasse  dieser  Ab- 
lagerungen  wird,  wie  immer,  ans  den  weisberindeten  Kieselknollen  zu- 
sammengesetzt, die  eine  unter  sich  lose  verbundene  oder  vermittelst  Kalk- 
sinterung mehr  oder  minder  fest  miteinander  verkittete  Xagelflne  darstellen. 
Die  Schotterschichten  sind  von  vielen  der  erwähnten  rein  weissen,  fein- 
körnigen Kalkbänke  durchsetzt,  unter  denen  zwei  sich  hier  durch  ihre 
bedeutende  Mächtigkeit  (von  je  <!  in)  auszeichnen.  In  ähnlicher  Weise 
sind  auch  an  den  übrigen  von  mir  verzeichneten  Aufschlüssen  die  Ablage- 
rungen zusammengesetzt,  l'herall  gibt  sich  derselbe  Wechsel  von  in 
vorwiegend  horizontaler  Lagerung  gleichmässig  geschichteten,  seltener 
durcheinander  gewühlten  und  umgestürzten  Schotterschichten  und  Kalk- 
bänken kund,  welche  letztere,  abgesehen  von  dem  in  der  Richtung  der 
Schluchten  starken  Fallen,  wie  es  scheint,  stets  horizontale  Lagerungs- 
verhältnisse zu  erkennen  geben. 

Diesen  beständigen  Wechsel  von  Schottern  und  Kalken  kann  man  sich 
sehr  wohl  aus  der  Natur  des  benachbarten  Gebirges  erklären,  der,  ausser 
den'  Materialien  zu  ihrem  Aufbau,  den  lakustren  Bildungen  auch  den  Plan 
zur  Anordnung  ihrer  Schichtungslinien  übermittelt  zu  haben  scheint.  Des- 
halb sind  ja  auch  diese  jüngeren  Bildungen  von  den  Gehängen  des  Mutter- 
gebirges so  schwer  zu  unterscheiden  und  deshalb  sind  sie  so  lange  un- 
erkannt geblieben.  Das  Eocängebirge  ist,  wie  bekannt,  überall  in 
Ägypten  aus  abwechselnd  weichen  und  lockeren  und  aus  harten,  dicht 
gefügten  Massen  zusammengesetzt.  Alle  in  das  Massiv  eingeschnittenen 
Schluchten  haben  daher  stets  einen  staffelartig  gegliederten  Bau  und  zeigen 
eine  Reihe  von  horizontal  ebenen  und  von  plötzlich  abstürzenden  oder 
auch  zerklüfteten  Stufen.  Zur  Zeit  der  starken  Wasseransammlungen 
rollten  grosse  Kieselmengen  an  den  Bergwänden  herunter,  es  stürzten  auch 
ganze  Felsmassen  zu  Tal  und  verstopften  an  bestimmten  Stellen  andauernd 
die  einzelnen  Stufen.  Durch  die  entstandenen  hindernden  Wälle  konnte 
das  Wasser  zeitweilig  nur  wie  durch  ein  Sieb  zum  Abfiuss  gelangen.  In 
solchen  Zeitabschnitten  müssen  unten  in  den  betreifenden  Buchten  oder 
Uferteilen  des  Sees  die  weissen,  feinkörnigen  Kalke  abgelagert  worden 
sein,  teils  als  feines  Trüminermehl  mechanisch  im  Wasser  diffundiert, 
teils  aus  gelösten  Bestandteilen.  Sobald  alsdann  das  Hindernis  beseitigt 
war,  konnten  die  dahinter  aufgestapelten  Gerolle  sich  wieder  unten  in  Be- 
wegung setzen  und  zur  regelmässigen  Aufschüttung  gelangen.1) 


1)  Ich  glaube  nicht,  dass  man,  was  die  oberägyptische  Rpgion  anbelangt,  den  häufigen 
Wechsel  von  Kalkstein  und  Kieselschotter  durch  die  Annahme  einer  geregelten  Periodizität 
trockener  und  feuchter  Epocheu  zu  erklären  vermag,  wie  es  Blanckcnhorn  für  die 
nördlichen  Seitentaler  des  ägyptischen  Niltales,  z.  B.  im  Uadi  Rischrasch  wahrscheinlich 
macht  (Zeitschr,  d.  Deutsch.  Geol.-Ges.  19Q1,  S.  102).  Der  Aufhau  dieser  60m  über- 
schreitenden Terrassen,    nahe  am   FUSS  der  Steilabfälle   des  Eocängebirges,    muss    sich    in 


—     816     — 

Eine  Eigentümlichkeit  «lieser  Bildungen,  auf  die  ich  bereits  früher 
aufmerksam  gemacht  habe,  ist  die  nur  in  den  allerobersten  Schichten 
derselben  auftretende  rote  Kalksinterung,  die  ich  au  verschiedenen  Stellen 
wiederholt  in  allen  Stadien  der  Verhärtung  augetroffen  habe.  Den 
härtesten  Zustand  bezeichnet  der  sogenannte  Brocatellefels,  bestehend  aus 
einer  Blasse  kleiner  Kiesel  und  Kieselscherben,  die  in  ziegelrotem  Kalk 
fest  eingebacken  erscheinen.  Diese  Bildung  als  Decke  an  der  obersten 
Grenze  des  Altdiluviums  gedacht,  schliesst  nach  oben  zu  wahrscheinlich 
alle  älteren  Quartärbildungen  gegen  die  Zeit  der  mittleren  ab.  Der  oft 
hohe  Salzgehalt  der  weissen,  feinkörnigen  Kalkbänke  veranlasst  an  den 
Flächen  vertikaler  Steilwände  die  oberflächlichen  Teile  zu  feiner  Des- 
quamation.  Diese  Schichten  der  Steilwand  an  der  Austrittsstelle  der  Uadijen 
(Loc.  XXIX)  können  als  ein  charakteristisches  Beispiel  der  auf  die  An- 
wesenheit  des  im  Schatten  wasseranziehenden,  in  der  Sonne  dagegen  wieder 
Wasser  durch  Verdunstung  abgebenden  Kochsalzes  begründeten  Schatten- 
Verwitterung  hingestellt  werden. 

Im  (ierölle  des  Kinnsais  finden  sich  gerade  in  der  Nähe  der  Austritts- 
stelle in  grosser  Menge  die  schönsten  Eolithe,  die  durch  einen  vortreff- 
lichen Zustand  der  Erhaltung,  zum  Teil  auch  durch  ihre  Grösse  aus- 
gezeichnet sind  Stücke  von  20  cm  Durchmesser  und  von  2  bis  3  kg 
Gewicht  sind  keine  Seltenheit.  Weder  Cacholong-  noch  Patinabildung 
haben  vielen  dieser  Manufakte  etwas  anzuhaben  vermocht.  Wie  frisch 
geschlagen,  (be-,  ver-,  oder  „zerarbeitet"1)  könnte  man  sagen,  um  dem 
französischen  Ausdruck  der  „silex  travailles,  im  Gegensatz  zu  den  „silex 
tailles",  den  geschlagenen.  Analoges  an  die  Seite  zu  setzen),  mit  ihren 
von  der  zarten  weissen  Naturkruste  des  Kieselknollens  sich  scharf  abheben- 
•  I ''ii.  dunklen  Absplissnarben  der  beabsichtigten  sowohl  wie  auch  der  un- 
beabsichtigten Aussplitterung,  erschienen  diese  Stücke,  die  nur  selten 
Spuren  eines  gewaltsamen  Abgerolltseins  zu  erkennen  gaben.  Erst  in 
diesem  Jahre  ist  es  mir  gelungen  die  Schicht  ihrer  ursprünglichen  Ein- 
lagerung ausfindig  zu  machen.  Dieselbe  macht  den  obersten  Teil  eines 
10  m  mächtigen  Schotterkomplexes  aus,  von  dem  indes  hier  nur  4  m  an- 
stehen, unmittelbar  unter  einer  6  m  dicken  Kalkbank,  im  ganzen  über- 
lagert von  46  m  im  Hangenden.  Zum  Rinnsal  der  Uadijen  senken  sich 
direkt  von  der  obersten  Eolithen  führenden  Schotterlage  10 — 15  m  tief 
Schutthalden  hinab,  den  Weg  bezeichnend,  den  die  Fundstücke  der  Tal- 
sohle gel nnen  haben.     Diese  Verhältnisse    werden    dem  Leser    aus   der 

auf  Tafel  VI  wiedergegebenen  Photographie  und  dein  Profil  klar  werden. 
Die  eolithenführende  Schicht  enthielt  von  allen  in  ihr  abgelagerten  Kiesel- 
knollen einen  grossen  Bruchteil  in  Arbeit  genommener  Stücke,  meist 
Typen  der  Arbeitsweise  von  Reute!  und  unter  diesen  in  auffallender 
Zahl    -eiche    von    der  Kategorie   A^v   natürlichen    halbierten  Sprengstücke, 

einer  Terhältnismässig  kurzen  Zeil  vollzogen  haben.  Von  einer  Periodizität,  wie  der  an- 
gedeuteten, 19  t  bicL  nicht  annehmen,  dass  sie  nur  kurze  Zeiträume,  sagen  wir  zu  je 
einigen  Jahrhunderten,  umfasst  habet 

I  Dieser  letzte  Ausdruck  ist  von  Prof.  Bugen  Bracht  in  Vorschlag  gebracht  worden 
(Zeitsdir.  für  Kthnol.  Bd.  XXXV,  8.826). 


—     817     — 

wie  kegelförmige  Schläger,  „Hobelschaber  mir  Griff"  u.  dergl.  Ich  darf 
nicht,  unerwähnt  Lassen,  dass  auch  in  den  oberen  Schotterschichten  der 
besprochenen  Ortlichkeit  (Loc.  XXIX),  wie  am  benachbarten  „Halbkegel" 
ausschliesslich,  eolithische  Kieselmanufakte  eingebacken  sind,  indes  nirgends 

in    .Menge. 

Über  die  Lakustren  Ablagerungen  am  „Halbkegel"  (Loc.  XVI II)  bei 
Theben  und  am  Hügel  Esbet-el-wus  bei  Schaghab,  wo  ich  im  vergangenen 
Jahre  zum  erstenmal  eolithische  Kieselmanufakte  in  ihrer  ursprünglichen 
Einbettung  fand1),  habe  ich  bereits  berichtet.  Ich  habe  diese  Örtlich- 
keiten  wiederholt  besucht  und  viele  Fundstücke  von  daher  mitgebracht. 
Die  auf  Tafel  VI  beigegebenen  Profile  gehen  Aufschluss  über  die 
Lagerungsverhältnisse. 

Die  Schotterschichten  des  unteren  Teils  vom  Hügel  Esbet-el-wiis 
enthalten,  im  Gegensatz  zu  denen  der  Ablagerungen  in  Nordwest  von 
Theben,  wo  alle  fast  intakt,  falls  nicht  absichtlich  zugeschlagen,  viele 
Kieselknollen,  die  wie  angeschlagen  aussehen,  aber  offenbar  nur  Spuren 
erhaltener  Verletzungen  an  sich  tragen,  teils  von  heftigen  Stössen,  die  sie 
erlitten,  teils  von  natürlicher  Desquamation  herrührend.  Von  den  Aus- 
splitterungen des  Gebrauchs  mit  ihren  Kegelsprüngen  oder  denen  der  be- 
absichtigten Randschärfung  sind  diese  Narben  immer  zu  unterscheiden. 
Die -künstlich  geschlagenen  Aussplitterungen  geben  mehr  oder  minder 
negativ  konchoidal  gestaltete  Höhlungen  zu  erkennen,  dazu  die  kon- 
zentrischen Wellenlinien,  die  sich  gegen  den  Treffpunkt  zu  öffnen,  dagegen 
stellen  die  natürlichen  gleichmässig  ausgehöhlte  Näpfe  dar  oder  dach  aus- 
gezogene schalenförmige  Höhlungen. 

Alle  Knollen  und  natürlichen  Sprengstücke,  die  sich  an  diesem  Hügel 
linden,  scheinen  sehr  stark  und  mit  vieler  Gewalt,  etwa  zwischen  grossen 
Blöcken,  gerollt  werden  zu  sein.  Die  Verletzungen  und  Aussplitterungen 
sind  sehr  oft  an  Stellen  angebracht,  wo  ihre  Gegenwart,  falls  beabsichtigt, 
durchaus  keinen  Zweck  haben  konnte,  z.B.  an  buckeligen,  den  Griff  und 
die  Handhabung  durchaus  nicht  beeinträchtigenden,  weil  nur  schwach 
hervorragenden  Stellen.  Man  sieht  aber  daraus,  wie  heftig  diese  Kiesel  ge- 
drückt und  gestossen  werden  sein  müssen,  um  an  allen,  auch  den  unbedeu- 
tendsten Vorsprüngen  dergleichen  Narben  davongetragen  zu  haben.  Oft 
nehmen  diese  Verletzungen,  wenn  sie  Mach  oder  nur  unmerklich  konkav  er- 
scheinen, ganz,  das  Aussehen  von  Hautabschürfungen  an.  Die  dunkelgefärbte 
Kieselmasse  hebt  sich  scharf  von  der  weissen  Naturkruste  ab.  Solche  flache 
Abschürfungen  sieht  man,  wie  erwähnt,  häufig  auch  an  den  von  denGrund- 
moräiien  unserer  nordischen  Gletscherbildungen  herbeigeholten  Kiesel- 
knollen, neben  den  sattelförmig  gebogenen  und  hohlkehlartig  ausgeschliffenen 
\  erletzungen. 

In  der  Umgegend  von  Schaghab  (Station  an  Aw  Eisenbahn  nach 
Usuan,  29  km  von  Luksor)  habe  ich  noch  des  grossen  Tals  von  Abu-Girua 
zu  erwähnen,  das  zwischen  Schaghab  und  Salamieh  (Erment-Osf  den 
Hand  des  Kulturlandes  erreicht  und  mit  den  weit  ausgedehnten  lakustren 


I)  Vgl  Zeitsebr.  für  Ethnol.  Bd.  \XX\.  8.  802. 


—     818     — 

Ablagerungen,  die  es  durchschneidet,  ein  ergiebiges  Feld  für  diluvial- 
geologische  Forschungen  abzugeben  verspricht,  dessen  Besuch  daher 
künftighin  nicht  genug  empfohlen  werden  kaun.  Das  bisher  noch  auf 
keiner  Karte1)  verzeichnete  Uadi  Abu-Girua  hat  die  Aufmerksamkeit  der 
Geologen  bereits  auf  sich  gelenkt  gelegentlich  der  von  Chapman  im  Geol. 
Mag.  1900  S.  308  beschriebenen  Foraminiferen,  die  daselbst  (die  Original- 
zettel im  Geologischen  Museum  von  Kairo  bezeichnen  die  Lokalität  als 
„Wady  Abu-Gerwa")  in  Schichten  eines  vermeintlichen  marinen  Pliocäns2) 
aufgefunden  worden  waren,  von  denen  aber  Blanckenhorn3)  annahm, 
dass  sie  ursprünglich  dem  unteren  Eocän  der  Nachbarschaft  entstammend 
mit  den  anderen  Materialien  zum  Aufbau  der  altdiluvialen  Ablagerungen 
verwendet  worden  seien. 

Die  eocänen  Plateauabfälle,  die  den  Ostrand  des  Niltals  darstellen, 
entfernen  sich  in  der  Gegend  von  Theben  weiter  vom  Nil  als  die  auf  der 
gegenüberliegenden  Seite,  selbst  wenn  man  von  dem  Yorsprung  bei  Qurna 
absieht.  In  SSAV.  von  Luksor  erleidet  die  Abfallslinie  eine  Unterbrechung, 
um  jenseits  der  Lücke  in  West  mit  einer  weithin  sichtbaren  Nase  wieder 
näher  (3  km  in  Ost  von  Station  Schaghab)  gegen  den  Nil  zu  vorzuspringen. 
Die  Gebirgsecke,  der  Gebel  Abu-Girua,  bezeichnet  den  idealen  Punkt  des 
ehemaligen  Widerstandes,  der  den  Nillauf  zu  seiner  Abschwenkung  im 
rechten  Winkel  nach  Nordost  veranlasst  hat,  und  am  Nordabhang  der  Ecke 
entlang,  aus  der  erwähnten  Lücke  im  Bergabfall  hervortretend,  geht  das 
Dadi  gleichen  Namens  von  Ost  nach  West  zum  Nil. 

Den  Hand  des  Kulturlandes  erreicht  das  Uadi  Abu-Girua  an  der 
Bahnlinie,  3  km  in  Nord  von  Schaghab.  Die  Rinnsale  haben  daselbst  eine 
Breite  von  800 — 1000  m,  aber  4  km  oberhalb,  in  Nord  unter  der  Berg- 
ecke verengt  sich  die  breite,  mit  weissen  Kieselknollen,  darunter  vielen 
Eolithen  bedeckte  Fläche  der  Rinnsale  und  wird  beiderseits  von  25  —  30  m 
hohen  Schotter-  und  Kalksteinwänden  eingefasst.  Bei  der  Verengungs- 
stelle sieht  man  auf  der  Südseite  die  in  vielfachem  Wechsel  gehäuften 
Kalk-  und  Schotterschichten  in  einem  Winkel  von  45°  umgestürzt  bezw. 
abgesunken,  mit  nordwärts  aufgerichteten  Schichtenköpfen.  Die  übrigen 
Uferwände  geben  keinerlei  Störung  ihrer  horizontalen  Schichtenlagerung 
zu  erkennen.  Das  auf  Taf.  Y!  gegebene  Profil  dieser  auf  weite  Strecken 
durch  die  Lrosion  des  Rinnsals  aufgeschlossenen  Ablagerungen  entspricht 
der  Stelle,  welcher  die  von  Chapman  untersuchten  Foraminiferen  mit 
dem  weissen  Kalkstein  entnommen  wurden,  der  daselbst  vor  einigen 
Jahren  gebrochen  und  zum  Kalkbrennen  nach  Erment  gebracht  worden  war. 
Die  oberstes  Schotterschichten  (e)  verraten  mit  ihrer  rotkalkigen  Ver- 
kittung,  nach  Analogie  der  übrigen  Vorkommnisse,  den  Abschluss  zum 
mittleren  Diluvium,  trotz  einer  Höhenlage,  die  sich  oft  kaum  um  30m 
über  den    beutigen  Grund    der    Rinnsale    erhebt.     Bemerkenswert    ist  der 

1)  Die  erste  Darstellung  von  seinem  untersten  Teil  habe  ich  in  der  Zeitschr.  f.  Erd- 
kunde 1904,  8.  588  gegeben. 

2)  Vgl.  Geolog.  Mag.  L900  8.47. 

:;    In  D.  Geolog.  Zeitschr.  L900  8.407—409  and  l'.iol  8.376. 


—     819     — 

in  der  mittleren  Höhe  der  Aufschlüsse  zu  Tage  tretende  braune  Sand- 
stein (Schicht  c),  der  zwischen  zwei  mächtigen  Lagen  von  weissem  Kalk- 
stein eingeschaltet  ist  und  sich  auf  der  Südseite  der  Talwanduug  an  vielen 
Stellen  durch  tiefe  Löcher  und  geräumige  Höhlungen  verrät.  Diese  auf 
der  Westseite  von  Theben  nur  andeutungsweise  entwickelte  Bildung  er- 
innert an  die  von  Blanckenhorn1)  im  l'adi  \tfih  beschriebenen  alt- 
diluvialen Schichten  seiner  „Melanopsis-Stufe". 

Die  weife  Fläche,  die  das  l'adi  Abu-Girua  in  seinem  unteren  Lauf 
innerhall)  der  östlichen  Bruchlinien  des  Niltals  durchzieht,  ist  eine  einzige, 
gegen  den  Nil  hin  graduell,  bezw.  stufenweise  an  Mächtigkeit  abnehmende 
Ablagerung  von  lakustren  Foraminiferenkalken,  im  wiederholten  Wechsel 
von  verhärteten  Schotterschichten.  Sie  misst  über  10  km  in  der  Breite  und 
bezeichnet  das  Südende  oder  einen  südwestlichen  Zipfel  des  altquartären 
Sees  der  Pluvialperiode.  Ihr  Rand  wird  zum  Teil  wahrscheinlich  von 
fluviatilen  Bildungen  des  mittleren  Quartärs  bedeckt  sein.  Diejenigen  des 
jüngsten  Quartärs,  der  diluvialen  Niederterrasse  entsprechend,  finden  sich  mir 
reicher  Entwicklung  von  Muschellagern  der  Unio  Schweinfurthii  an  der 
Eisenbahn  östlich  von  Salamieh,  ungefähr  gegenüber  vom  Dorf  Erment. 

Einen  der  vielversprechenden  Bezirke  lakustrer  Ablagerungen  habe 
ich  bei  Theben  im  vergangenen  Winter  zum  ersten  Male  ausgebeutet. 
Das  gegen  Süden  weit  in  das  Niltal  vorspringende  Gebirge  von  Theben 
bildet  auf  der  Westseite  dieses  Vorsprungs  einen  tiefen  Winkel  mit  dem 
in  der  Richtung  nach  Südwest  gegen  Erment  zu  weiter  verlaufenden  Plateau- 
absturz. Durch  diese  Bucht  zieht  sich  ein  grosses  Talrinnsal,  das  3VE  km 
in  Südwest  vom  Tempel  von  Medinet-Habu  bei  dem  Isistempel  Der-es- 
Schelluit  am  Rande  des  Kulturlandes  ausmündet.  Der  Gebirgswinkel 
bezeichnet  eine  entsprechende  Ausbuchtung  jener  Seenbildung  der  Pluvial- 
periode, die  von  Gebelen  bis  Qeneh  reichte.  Das  Rinnsal  von  Der-es- 
Schelluit  hat  sich  in  die  weite,  mit  Schotterablagerungen  der  jüngeren 
Diluvialzeit  liedeckte  Wellenebene  eingesägt,  die  heute  den  längst  zer- 
störten Grund  der  alten  Seenbucht  ausfüllt.  Aber  an  den  Rändern  der- 
selben, dem  Fusse  der  Gebirgsabfälle  folgend,  haben  sich  auf  grosse 
Strecken  die  f berbleibsel  der  alten  lakustren  Ablagerungen  in  Gestalt 
weitansgezogener  Rampen  und  wallartiger  Bänke  erhalten.  In  einer  Ent- 
fernung von  ungefähr  8  km  in  NNW.  vom  genannten  Isistempel  erreicht 
man  die  ersten  vom  Rinnsal  freigelegten  Böschungen  und  Steilwände  dieser 
Ablagerungen,  die  auch  hier  aus  einem  beständigen  Wechsel  von  (ftesel- 
schottem  und  weissen  Kalksteinbänken  aufgebaut  erscheinen  (Loc.  XXXV  . 

Dass  zwischen  den  lakustren  Ablagerungen  des  ägyptischen  Altdiluviums 
und  denen  der  diluvialen  Hochterrasse,  die  sieh  häufig  aneinander  an- 
schliessen,  eine  durchgreifend  zeitliche  Trennung  besteht,  wird  an  einem 
Vorkommen  im  Kinnsale  der  l'adijen  auf  >\i-v  Nordseite  des  „Halbkegels* 
(Loc.  NYIlld)  besonders  ersichtlich.  Die  dort  vom  Rinnsal  freigelegte 
Böschung  hat  4  m  Höhe  und  bezeichnet  die  der  Tiefe  der  Talsohle  ange- 
hörigen     Scliottoraldagerungon     der    diluvialen     Hochterrasse.      Dieselben 


1    Zeitschr.  <L  I>.  Cool.  Ges.  1901  S.  102. 


—     820     — 

■müssen  zu  einer  Zeit  entstanden  sein  als  die  benachbarten  lakustren 
Vblagerungen  in  ihrer  ganzen  Entwicklung  (bis  zu  rel.  45  —  62  tri)  bereits 
fertig  gestellt  waren.  Denn  von  dem  mit  rotem  Kalksinter  verkitteten 
Kieselkonglomerat  der  Brocatelle,  die  in  dieser  Gegend  ausschliesslich  der 
obersten  Decke  der  lakustren  Ablagerungen  eigen  ist,  fanden  sich  hier 
/wischen  anderem  eingebackenen  Gerolle  grosse  Bruchstücke  vor.  Diese 
Schotterlager  mögen,  trotz  ihrer  bedeutend  niedrigeren  Lage,  mit  denen 
gleichaltrig  sein,  die  sich  in  der  Tiefe  der  Talsohle  des  Westtales  der 
Königsgräber  angehäuft  haben  (Loc.  XXX).  Ich  habe  die  letzteren  in 
meinen  Sammlungen  als  „Schotterschichten"  im  allgemeinen  bezeichnet. 

Unter  den  Kieselmanufakten  der  Diluvialterrasse  im  X.  vom  „Halbkegel" 
(Loc.  XVIIId)  fanden  sich  zahlreiche  Stücke,  die  nach  dem  Grade  ihrer 
vollkommeneren  Kieselschlagkunst  zu  urteilen,  eher  der  Arbeitsweise  des 
Überganges  von  Mesvin  zu  Chelles  als  der  Kategorie  von  Mesvin  aualog  zu 
erachten  wären.  Vollkommener  geformte  und  gleichmässiger  gedengelte 
Spitzen  und  Spitzenschaber,  werdende  Faustschlägel  und  solche  mit  un- 
bearbeiteter Knollenbasis,  mithin  Übergänge  zur  beabsichtigten  Form- 
gebung des  Paläolithikunis  gehören  in  diese  Kategorie,  die  der  lakustren 
Ablagerung  durchaus  fehlt. 

Im  Gegensatz  zu  der  sehr  gleichmässig  angeordneten  Schichtung  der  vom 
Haupttal  der  Uadijen  durchsägten  lakustren  Bildungen  sind  dieselben  im 
südlichen  Arm,  dem  sogen.  Tale  der  Königsgräber  (Bibän-el-molük)  und 
namentlich  im  unteren  Teil  desselben  weit  unregelmässiger  abgelagert. 
Von  abgesenkten  Schollen  des  Eocängebirges,  —  groben  Zusammen- 
ballungen von  Kalktrümmern  und  Kieselkonkretionen  — ,  als  Inseln  unter- 
brochen steht  die  Schichtung  hier  an.  Die  bemerkenswerte  Stelle  liegt 
östlich  von  der  nach  Süden  vorspringenden  Steilwand  der  Nordseite.  Im 
Grunde  sind  überall  jüngere  diluviale  Schotter  abgelagert,  deren  Zerfall 
eine  ungeheure  Menge  wohlerhaltener,  meist  nicht  cacholonnierter,  wie 
frischgeschlaffen  erscheinender  Kieselmanufakte  als  Gerolle  über  die  Ober- 
fläche  des  Rinnsals  ausgebreitet  hat,  hier,  wie  immer,  das  gesamte  Eolithikum 
und  zwar  von  den  primitivsten  Formen  des  Tertiärs  und  der  Reutelepoche 
;m  bis  zur  Übergangsepoche  von  Mesvin  zu  Chelles  (Strepyen)  alle  Kate- 
gorien zur  Schau  stellend. 

Die  diesmal  bei  Theben  vorzugsweise  ausgebeuteten  Örtlichkeiten  mit 
Ablagerungen  des  mittleren  Diluviums  (Hochterrasse)  reihen  sich  der 
häufig  erwähnten  Terrasse  von  Qurna  (Loc.  XVI)  in  nördlicher  Richtung 
an,  dem  Rande  des  Kulturlandes  am  linken  Nilufer  folgend.  Überall,  wo 
gelegentlich  vom  Gebirgsabfall  herabkommende  Regenbäche  Talrinnen 
in  die  Diluvialablagerungen  gesägt  haben,  kann  man  in  die  letzteren  be- 
queme  Einsicht  erlangen,  man  braucht  nur,  wie  bei  Qurna,  den  Steil- 
wänden der  Uferböschung  zu  folgen.  Ausserdem  bezeichnete  von  altersher 
jede  Austrittsstelle  aus  den  Vorhügeln,  jede  Schlucht  des  Bergabfalls  an 
ihrer  Mündung  eine  Art  Schwelle  oder  gewölbter  Rampe,  eine  Art  weit- 
lusgezogener  Schuttke^el,  so  dass  an  diesen  Stellen  die  nachträglich  ein- 
geschnittenen  Ablagerungen  eine  besonders  reiche  Entwicklung  erreichen 
mussten.     Aus    der  Verschmelzung    solcher    senkrecht   auf   die  Rinne  des 


—     821     — 

Niltales  gestellten  Schwellen  entstanden  eben  zum  grossen  Teil  die  Diluvial- 
terrassen. Die  seitlichen  Regenbäche  brachten  das  Gerolle  und  den  Kalk- 
niederschlag herbei,  die  Gewässer  des  Hauptstromes  lieferten  die  tonigen 
Alluvionen,  die  dazwischen  eingeschaltet  wurden. 

Das  grösste  von  den  erwähnten  nördlich  voir*Qurna  besuchten  Kinn- 
Baien  ist  der  einem  Flussbett  ohne  Wasser  vergleichbare  Chor  oder  Chaui- 
el-'Asab,  der  10  km  vom  Seti-Tempel  (Qurna)  und  dkm  in  NW.  vom  Dorfe 
Qamuleh  den  Rand  des  Kulturlandes  bei  Negga-el-birkeh  erreicht.  Der- 
selbe durchkreuzt,  nachdem  er  aus  dem  Gebirgsabfall  herausgetreten  ist. 
den  hier  in  einer  Breite  von  6 — 7  km  sich  hinziehenden  Teil  der  wellig- 
hügeligen Diluvialterrasse,  wie  alle  hier  in  Betracht  kommenden  Talrinnen, 
in  südöstlicher  Richtung. 

Das  im  unteren  Teil  sich  in  zwei  Arme  spaltende  Bett  ist  oberhalb 
in  einer  Breite  von  500 — 600  m  ungeteilt  und  mit  weissberindeten  Kiesel- 
knollen erfüllt,  unter  denen  zahllose  Eolithe  der  Arbeitsweisen  von  Reute  1 
und  von  Mesvin  verbreitet  sind  (Loc.  XXXII),  die  in  den  Terrassen- 
ablagerungen des  älteren  und  des  mittleren  Diluviums  niedergelegt  worden 
waren.  Die  Uferböschungen  sind  im  unteren  Teil  des  Chaui-el-'Asab  sehr 
verflacht,  aber  4  km  oberhalb  der  Austrittsstelle  beginnen  auf  der  Südseite  die 
über  die  Talsohle  8 — 10  m  ansteigenden  Schotterwände.  Sie  haben  zwischen 
den  abgelagerten  und  mit  einem  festen  rötlichen  Tonmergel  verkitteten 
Geröllmassen  eine  Menge  eolithischer  Manufakte  aufzuweisen.  Von  der  roten 
Bindemasse  haften  noch  Überreste  an  vielen  der  im  Rinnsal  zerstreuten 
Kieselmanufakte,  wodurch  ihre  Herkunft  deutlich  angezeigt  wird. 

Die  überwiegende  Anzahl  dieser  Eolithe  entspricht  dem  primitivsten 
Typus  von  Reutel,  der  sich  in  Belgien,  Nord-Frankreich  und  Südost-England 
während  aller  Epochen  der  Kieselbenutzung,  die  der  zweiten  quartären  \  er- 
eisung  vorausgingen,  unverändert  erhalten  hat  und  daher,  wie  Rutot  nach- 
wies, keinerlei  Merkmale  zurUnterscheidung  der  Industrieperioden  abzugeben 
vermag.  Der  enge  Rahmen,  innerhalb  dessen  sich  diese  unentwickelte  Stein- 
verwendung durch  so  lange  Zeiträume  erhalten  hat  („Stagnation"  nennt  sie 
Rutot)  erklärt  auch  die  überraschende  Gleichheit  der  Formen,  die  sich 
an  den  Eolithen  in  so  weit  voneinander  entfernten  Gebieten  zu  erkennen 
geben.  Die  Einheiten  der  Form,  in  ihrer  Zahl  an  und  für  sich  beschränkt. 
konnten  eben  nur  beschränkte  Kombinationsreihen  ermöglichen,  wie  solche 
durch  den  Zwang  der  Notwendigkeit  bedingt  erschienen. 

Bei  vielen  Manut'akten  vom  Ohaui-el-'Asab  verraten  die  stark  gerollten 
Scharfkanten  ein  langes  Umhergerolltsein.  bei  anderen  bezeugt  ihr  intakter 
Zustand  eine  verhältnismässig  ruhige  Lagerstätte.  Die  grosse  Mehrzahl 
der  natürlichen,  unbenutzt  gebliebenen  Kieselknollen  zeigt  keinerlei  Ver- 
letzungen. Eine  eigentümliche  Art  Patina,  die  ich  sonst  nur  selten  wahr- 
genommen habe,  für  die  aber  im  Chaui-el-'Asab  viele  Belege  zu  erlangen 
sind,  und  /.war  sind  sie  zwischen  den  weissen,  von  unveränderter  Naturrinde 
umgebenen  Knollen  im  Gerolle  des  Rinnsals  anzutreffen, —  besteht  aus  einem 
Glaskopf  von  dunkel  waehsgelber,  oft  an  Bernstein  erinnernder  Färbung. 
Manufakte  von  ausgeprägt  paläolithischem  Charakter  ihrer  Arbeitsweise 
halie  ich  im  Gerolle  dieser  grossen   Rinnsale  nicht  angetroffen.    Dieselben 


-     822     - 

fehlen  offenbar,  wie  zu  erwarten  war,  den  Ablagerungen  sowohl  dieser 
Hochterrasse  als  auch,  falls  eine  solche  hier  zu  unterscheiden  wäre,  der 
Niederterrasse,  obgleich  heutigen  Tages  grosse  Mengen  solcher  Stücke, 
untermischt  mit  anderen  von  eolithischem  Typus  an  den  Abhängen  des 
Bergabfalls  im  Westen*  ausgebreitet  sind.  An  diesen  Gehängen,  selbst 
auf  Flächen  von  sehr  starker  Neigung,  rutschen  die  auf  der  Oberfläche 
befindlichen  Kieselknollen  und  Mannfakte  in  unserer  Epoche  nur  ganz  un- 
merklich zu  Tal  und  viele  sind  seit  den  Zeiten  des  älteren  Paläolithikums 
hier  unverändert  in  situ  geblieben. x)  Nur,  wo  die  Schluchten  ins  Gebirge 
selbst  eingreifen,  was  im  Oberlauf  des  Chaui-el-'Asab  der  Fall  sein  wird, 
werden  durch  ephemere  Regenfluten  und  Erdrutsch  einzelne  Stücke  die 
Talsohle  erreichen  können.  Lakustre  Bildungen  scheinen  sich  in  diesem 
Bezirk  nicht  erhalten  zu  haben.  Wahrscheinlich  sind  ihre  Reste  zum  Auf- 
bau der  Terrasse  des  mittleren  Diluviums  verwandt  worden. 

Zwischen  dem  Rinnsal  der  Uadijen  bei  Qurna  (Loc.  XVI)  und  dem 
Chaui-el-'Asab  (Loc.  XXXII)  verlaufen  auf  einer  Strecke  von  9  km  sechs  ver- 
schiedene Rinnsale  in  südöstlicher  Richtung  vom  Gebirgsabfall  zum  Rande 
des  Kulturlandes.  Nordwärts  auf  das  erstgenannte  folgt  zunächst  der  Chaui-er- 
Remele,  der  bei  den  Überbleibseln  des  durch  den  Kanalbau  des  Fadilijeh 
beseitigten  Dorfes  gleichen  Namens  sein  Ende  erreicht.  Unzählige  von 
Geröll  erfüllte  Rinnsale  vereinigen  sich  im  unteren  Teile  wie  die  Strahlen 
eines  Fächers  und  veranschaulichen  im  oberen  die  Entstehung  der 
Diluvialterrassen  aus  dem  Zusammenfliessen  und  dem  geebneten  Ausgleich 
eines  ganzen  Systems  von  Schutt-  und  Geröllkegeln  (bezw.  Kegelteilen). 
Weiterhin  folgt  nordwärts  der  Chaui-el-Chalife,  der  bei  dem  Schechgrab 
dieses  Namens  ausläuft,  ferner  der  bei  dem  Dorfe  Negga-el-habesch 
mündende  Chaui-el-habeschi,  alsdann  der  Chaui-ed-düm,  der  bei  der  Dum- 
palme  1  km  im  West  vom  Dorfe  Melacha  endet,  schliesslich,  bis  zum  süd- 
lichen Arm  des  Chaui-el-'Asab  noch  zwei  kleinere  Rinnsale,  die  einer  Be- 
zeichnung entbehren. 

Von  besonderem  Interesse  für  die  Untersuchung  der  Diluvialterrassen 
ist  die  Örtlichkeit  bei  Negga-el-habesch,  unweit  des  nördlichen  Endpunktes 
der  Zuckerrohrbalin  und  des  Verladeplatzes  am  Nilufer.  In  dieser  Gegend 
gliedern  sich  nämlich  in  parallel  zum  Rande  des  Kulturlandes  verlaufenden 
Linien  die  Diluvialablagerungen  zu  zwei  Stufen  ab,  die  sich  auf  einer 
Strecke  von  4  km  mit  besonderer  Deutlichkeit  offenbaren. 

Von  den  zwei  Terrassengliedern  erreicht  das  höhere  10 — 12  m,  das 
niedere  2  —  2,5  m  über  dem  Niveau  der  benachbarten  Talsohlen.  Auf  den 
ersten  Blick  hat  es  den  Anschein,  als  bezeichneten  die  beiden  Stufen  die 
anderwärts  im  ägyptischen  Niltal  nach  Blanckenhorns  Untersuchungen, 
als  Hoch-  und  als  Niederterrasse  sich  kundgebenden  Gebilde  des  mittleren 
and  des  jüngsten  Diluvium.  Eine  solche  Unterscheidung  wird  sich  hier 
nirlit  aufrecht  erhalten  lassen.  Wäre  es  gestattet,  nach  den  eingelagerten 
Baeselmanufakten  zu  urteilen,  so  Hessen  sich  jedenfalls  keine  Alters- 
verschiedenheiten    nachweisen.      In    beiden    Stufen    finden    sich    dieselben 


1)  Vgl.  .las  Zeitechr.  f.  Ethnol.  Bd.  XXXV.  S.  813,  gesagte. 


—     823     — 

Alien  der  Eolithe    und  zwar  in   Vertretung    sämtlicher  Arbeitsweisen    auf- 
wärts   bis   zum  Strepyen   Rutots,    dieses  mit  einbegriffen,    dem  Übergang 

von  Mesvin  zu  Chelles. 

Die  jüngsten  Mildungcn  beherbergen  hier  eben  von  allem,  was  vorher- 
gegangen, da  sie  nicht  allein  ans  dem  wählend  ihrer  Epoche  erhältlichen 
Material  aufgebaut  wurden,  sundern  zugleich  auch  aus  den  Trümmern 
aller  vorhergegangenen  Epochen.  Nur  die  jüngsten  Können,  die  sich  vor- 
finden, sichern  die  Alteisgrenze  nach  oben. 

Dabei  ist  mir  aufgefallen,  dass  ich  überzeugende  Fundstücke,  die  etwas 
der  Strepyen-Arbeitsweise  analoges  bei  Theben  vergegenwärtigen  könnten, 
nämlich   die  eigentümlichen,    gerade   für  Theben  charakteristischen  Kaust- 
schlägel  (Typus  Nr.  ö4)  von  halbwegs  beabsichtigter  Formgebung  (als  Über- 
gang zur  palaeolithischen  Arbeitsweise),  desgleichen  die  in  dieselbe  Kategorie 
fallenden  Faustschläge]    mit    ganz    gelassener  Knollenbasis    der   Typen  52 
und  53  vorzugsweise  in  der  niederen  Terrassenstufe  fand,  was  der  Annahme 
entsprechen  würde,    dieselbe    sei    nur    als    ein    jüngeres  Glied  der  mittel- 
diluvialeii  Bildungen  zu  betrachten.     Nirgends  fanden  sich  in  der  oberen, 
bezw.  älteren  Stufe  solche  palaeolithische  Kieselgeräte,  auch  keine  Ablage- 
rungen von  Schalen  des  Unio  Schweinfurthii,  die  im  Niltal  überall  die  Bil- 
dungen der  Xiederterrasse   charakterisiert.     Wie  in  der  5  »n-Terrasse    von 
Qurna,  die  ich  gleichfalls  als  ein  jüngeres  Glied  der  Hochterrssae  des  mitt- 
leren Diluviums  betrachten  möchte,  sind  mir  auch  in  den  niederen  Ablage- 
rungen am  Chaui-el-habeschi  keine  Manufakte  vorgekommen,  die  einer  weiter 
vorgeschrittenen,  mehr  vervollkommnetenArbeitsweise  zugeschrieben  werden 
könnten,  als  diejenigen  zu  erkennen  gaben,  die  sich  in  den  10  w-Terrassen 
fanden.     Andererseits    sprechen    die    10  in  hohe  Ablagerungen  von  Xilton, 
die  sich  im  Bereich   der  höheren  Terrassenglieder  vorfanden,    gegen    eine 
Hinzuziehung  derselben  zu  den  lakustren  Ablagerungen   der  Pluvialperiode. 
Die    erwähnte    örtlichkeit    bei    Negga-el-habesch    (Loc.  XXIV)    wird 
auch    über    die    Ablagerungsverhältnisse    zurzeit    des    mittleren  Diluviums 
viel  Aufschluss    erteilen    können,    sobald    erst    den    mineralogischen   Neu- 
bildungen und  Umgestaltungen,  die  sich  hier  vollzogen  haben,    eine  sach- 
kundige Untersuchung   zuteil  geworden  sein  wird.     Die  von  S.  Passarge 
bei   seinen    Kalahari-Forschungen    so  glänzend  befolgten  Methoden  würden 
hier  für  die  Geschichte  des  Nils  unzweifelhaft  wichtige  Ergebnisse  liefern. 
\*\%kin    oberhalb    der    Austrittsstelle    des  Chaui-el-habeschi    sind    am 
Südrande  Schotterbänke    der    10—12  m   Hochterrasse    aufgeschlossen,    die 
zunächst  durch  ihre  teilweise    umgestürzten  Schichten,    dann    aber    haupt- 
sächlich durch  die  vorzugsweise  grossen  Kieselknollen,    die    sie  enthalten, 
darunter  viele   Eolithe,    in    die  Augen   springen.     Ein    kalkig    versinterter 
Sand    hat    die    Kiesel    zusammen    gebacken,    an    anderen    Stellen    bildet 
derselbe    eigene    Schichten    von    10 — 15  ewi   Dicke.     Eine    Bienge    kleiner 
Rollstücke,     Trümmer      von     kristallinischen      Eruptiv-     und     von     meta- 
morphischen  Gesteinen,  dann  auch  rote  (Karneol)  und  gelbe  Quarzstücke, 
glattpolierte  Chalcedone  oder  Achate  finden  sich  als  Zeugen    ursprünglich 
fluviatiler  Bildung  in  diesem  Sandstein,    aus    dem    sie    sich  auch  Aber  die 
Geröllflächen  des   Kinnsais  verbreitet  haben.     Der  festverkittete  Sandstein 


—    SM    — 

stellt  zwischen  den  Schottern  eingelagert  oft  auch  jene  eigentümlichen, 
traubenförmigen  Kugelbildungen  zur  Schau,  die  in  Ägypten  au  so  vielen 
Stellen  angetroffen  werden,  wo  Kalkspath  bei  seinem  Auskristallisieren  die 
Sandkörnchen  mit  sich  führt.  Dieser  Trauben-  und  Kugelsandstein  hat  ein 
ähnliches  Aussehen  wie  jener  in  älteren  Gebilden,  in  Ablagerungen  der 
Pluvialperiode  (Melanopsis-Stufe  Blanckenhorns)  auf  der  Ostseite  von 
Kairo,  namentlich  bei  der  Grabmoschee  des  Chedivs  Tewfik  auftretende.1) 

Es  darf  aber  aus  dieser  Analogie  keineswegs  gefolgert  werden,  dass 
die  mitteldiluviale  Hochterrasse  bei  Negga-el-habesch  etwa  auf  einer  zum 
Teil  abgetragenen  Bildung  des  Altdiluviums  aufgelagert  worden  sei.  Der 
Kugelsandstein  findet  sich  hier  in  den  obersten,  wie  in  den  untersten 
Schichten  eingelagert  zwischen  den  Schottern,  die  zum  Teil  Eolithe  des 
fbergangs  von  Mesvin  zu  Chelles  (Strepyen)  enthalten. 

In  den  Kieselschichten  von  Negga-  el-habesch  überrascht  das  Zu- 
sammengewürfeltsein sehr  verschiedener,  nicht  nur  Formen  der  Bearbeitung 
der  Kieselknollen,  sondern  auch  Zustände  der  Erhaltung  und  Oberflächen- 
beschaffenheit.  Da  finden  sich  nicht  selten  Kieselmanufakte  eingebacken, 
die  mit  derselben  braunen  oder  schwärzlichen  Patina  versehen  sind,  die 
von  langem  Liegenbleiben  an  der  Oberfläche  Zeugnis  ablegt,  und  daneben 
wiederum  andere  Knollen,  die  noch  mit  der  hellfarbigen  Naturkruste  ver- 
sehen sind,  mit  der  sie  in  ihrem  ursprünglichen  Eocänlager  ausgestattet 
waren.  Andere  Manufakte  oder  Natursprengstücke  geben  durch  einen 
milchigen  Anflug  von  Cacholong  zu  erkennen,  dass  sie  intensiveren  Ein- 
wirkungen von  kohlensäurehaltigen  Infiltrationen2)  ausgesetzt  gewesen  sein 
müssen,  bevor  sie  hier  abgesetzt  worden  sind.  Dieses  Zusammengewürfelt- 
sein gibt  den  Ablagerungen  ein  sehr  rezentes  Aussehen,  das,  falls 
man  die  übrigen  Erscheinungen  ausser  Acht  Hesse,  leicht  zu  einer 
irrtümlichen  Altersschätzung  führen  könnte.  Übrigens  finden  sich  ver- 
einzelte Stücke,  die  sich  durch  Patina  und  Cacholong  von  den  übrigen 
erheblich  unterscheiden,  auch  in  den  Ablagerungen  der  Hochterrasse 
von  Qurna. 

Bei  der  Ausmündung  des  Chaui-ed-döma  in  West  von  Melacha,  6  km 
im  NW.  vom  Seti-Tempel  bei  Qurna  stehen  auf  der  Südseite  2  m  hohe 
Schotterbänke  an,  (Loc.  XXV)  die  mit  einem  festverhärteten,  bräunlichen 
Tonmergel  gekittet  sind  und  nur  eolithische,  keine  palaeolithischen  Kiesel- 
mannfakte  darbieten.  Alle  sind  hier  mehr  oder  minder  cacholonniert.  Die 
Bank  macht,  wie  die  anderen  in  gleicher  Lage  an  den  unweit  des  Kandes 
des  Kulturlandes  gelegenen  Austrittsstellen  der  Rinnsale  befindlichen,  den 
Eindruck  der  llnchterrasse  und  entspricht  trotz  ihrer  geringen  Mächtigkeit 
in   jeder  Hinsicht  derjenigen  von  Qurna.     1  km  weiter  oberhalb,  gleichfalls 

l,  Vergl.  Blanckenhorn,  Pliocän-  nnd  Quart&rzeitalter  in  Ägypten  in  D.  Geol.  Ges. 
Jabrg    L901,  8.  395 

2  Vergl.  das  in  dieser  Zeiteehr.  1902,  8.  _".»'.>  und  L903,  S.  818  Gesagte.  Prof. 
W.  Deecke  bal  im  Fahrer  für  die  Rügen-Exkursion  des  vn.  Lntern&t.  geogr.  Kongresses 
zu  Berlin,  L899  l»'i  diesem  Prozcss  auch  den  Sulfaten  und  Chloriden  von  Natrium  und 
Kalium  eine  grosse  Rolle  zugeschrieben.  Di«'  durch  den  Prozess  bewirkte  Zerstörung  von 
organischen  Substanzen  i  I  meines  Erachtens  nichl  genügend  erwiesen. 


—     825     — 

am  Südrande    < l«*s  Rinnsals    erhebt    sich    eine    1<>  m  hohe  Steilwand  (Loc. 

XXVI)  die  durchweg  aus  altem,  grauem  und  uiiYerinengtem  Nilton  ge- 
bildet  wird,  bedeckt  von  einer  kalkverkitteten  Schotterschicht  von 
1,25  m  Dicke.  Diese  mächtige  Niltonschicht  lässt  sich  nach  Südwest  bis 
zu  dem  \xl%hm  entfernten  Chaui-el-habeschi  (Luc  XXIII)  verfolgen  und 
Bie  bezeichnet  den  Abfall  der  altgerundeten  Terrassenwelle,  die  sich,  wie 
erwähnt  in  1  km  Abstand  vom  Kulturrande  hinzieht. 

Diskussion. 

Er.  Lissauer:  Wir  sind  Hrn.  Schwein furrh  zu  grossem  Danke 
für  diese  neue  Belehrung  verpflichtet.  Wir  ersehen  daraus,  wie  schwierig 
die  Unterscheidung  zwischen  natürlichen  und  künstlich  hergestellten  Stein- 
werkzeugen sein  kann.  Diese  Sicherung  der  Diagnose  wird  gewiss  dazu 
beitragen,  viele  bisher  als  Eolithen  bezeichnete  Funde  aus  der  Literatur 
auszumerzen.  Jedenfalls  ist  es  notwendig,  diesen  Weg  weiter  zu  ver- 
folgen, und  Herr  Schweinfurth  besitzt  ja  ein  so  grosses  Material  und 
beherrscht  dasselbe  so  vollkommen,  dass  wir  gar  keinen  besseren  Lehrer 
finden  können  als  Hrn.  Schweinfurth  selber. 

Hr.  Hahne:  Mit  grosser  Freude  ist  es  zu  begrüssen.  dass  die  Eolithen- 
frage  in  der  deutschen  Wissenschaft  mehr  und  mehr  von  ernsten,  mass- 
gebenden Seiten  diejenige  Bearbeitung  erfährt,  die  sie  braucht  zur  endlichen 
Lösung,  und  die  wir  ihr  gewünscht1).  Solches  Eingehen  auf  die  feinsten 
Beobachtungen  natürlicher  Vorgänge  und  Vorkommnisse  am  Kiesel  ist 
die  notwendige  Ergänzung  zu  den  anthropologischen  und  technischen 
Studien  in  der  Frage. 

Wie  schon  Hr.  Schweinfurth  bemerkte,  habe  ich  mich  bemüht,  auch 
zur  Ausbildung  der  „feineren  Diagnose"  in  jener  Richtung  beizutragen. 
Ich  will  nur  ein  Resultat  meiner  bezüglichen  Untersuchungen  mitteilen. 

Ausgehend  von  der  erwähnten  Kegelidee  (W.  Hartmann)  habe  ich  be- 
klopfte Steine  und  Klopfsteine  untersucht;  zunächst  solche,  die  ich  seihst 
hergestellt  hatte.  Ich  fand,  dass  die  Schlagnarben  (etoilures)  bestehen  aus 
den  an  der  Steinoberfläche  sichtbaren  Teilen  ineinandergeschachtelter,  sich 
durchkreuzender  „Schlagkegel".  Sie  können  sich  den  Beginn  dieser 
Ineinanderschachtelung  leicht  vergegenwärtigen,  wenn  Sie  auf  eine  glatte 
(Sprung-)  Fläche  eines  Kieselstückes  mit  einem  Stein  aufklopfen,  jeder 
kräftige  Schlag  erzeugt  ein  in  die  Masse  sich  fortsetzendes,  kegelartiges 
Gebilde,  das  i^ut  sichtbar  ist.  wenn  der  Kiesel  durchscheinend  ist.  Die 
gleiche  Ineinanderschachtelung  usw.  findet  sich  an  neolithischen.  paläo- 
lithischen.  ebenso  an  eolithischen  Klopfsteinen.  Prachtvoll  sah  ich  sie  in 
Hrn.  Schwein  t'u  rths  Sammlung  ägyptischer  Eolithen. 

Dann  aber  habe  ich  eolithischen  Klopfsteinen  ähnliche  Knollen 
aus  unserem  Diluvium  vorgenommen,  die  an  sich  schon  deshalb  fraglich 
waren,  weil  die  zerarbeitete  Stelle  —  oder  besser  <\rv    Ausgangspunkt  der 


l)  Sieho  diese  Zeitschrift  1903,  S.  1:96,  l'.'ol  S.  309  and  183,  sowie  meine  Bemerkung 
im  Beriebt  über  den  Kongress  in  Greifswald  1904,  im  Correspondenibl.  der  Deutschen  an- 
thropologischen Gesellschaft.  S.  d.  auch  vorläufige  Blitteilung  über  meine  Untersuchung 
von  Pseudo-Eolithen  an  der  Küste  von  Bügen. 

Zoitecbxift  für  Ethnologie,    Jahrg.  1904.    Heft  6.  53 


—     826     — 

gehäuften  Absplisse  „sinnlos"  war,  z.  B.  plötzlich  mitten  aus  einer  Fläche 
heraus    sich    abhob.     Ich    habe    nun   an  vielen  solchen  Stücken  gefunden, 
dass    an    den    betreffenden    Stellen    keiue    Schlagkegelanhäufung    bestand, 
vielmehr    eine    unregelmässige    Zerquetschung    des    Gesteines.     Vor    allen 
Dingen  aber  war  an  den  von  der  betreffenden  Stelle  ausgehenden  Negativen 
von  Absplissen  kein  Schlaghügelnegativ  erkennbar.    Darauf  habe  ich  weiter 
alle  in  meiner  Sammlung  befindlichen,    grösseren  Absplisse  (eclats)    nord- 
deutscher   diluvialer    Herkunft    untersucht    und    habe    gefunden,    dass    an 
vielen  ebenfalls  der  Schlaghügel  fehlt,  und  auch  die  Schlagfläche  (plan  de 
percussion),  an  der  übrigens  die  Stelle,  wo  der  abspleissende  Schlag  auftraf 
(die  Schlagkegel-„Spitze")    an    absichtlichen  Absplissen    fast    ausnahmslos 
erkennbar    ist,    indem    sie    ein    kleines    plattformähnliches    Anhängsel  der 
Schlagfläche  darstellt.     Dies  alles  fehlt  also  an  vielen  jener  Absplisse;  sie 
beginnen  vielmehr  mit  einer  dünnen,  zungenförmigen  Partie,   die  nur  (an 
Stelle  des  Schlaghügels)  bisweilen  leicht  spindelig    verdickt    ist    und    von 
längslaufenden,    narbenartigen,    erhabenen  oder  vertieften  Streifen    durch- 
zogen wird  (diese  kommen  auch  bei  sicher  absichtlichen  Absplissen   vor). 
An    diesen  Absplissen    und  auch  an  den  Absplissnegativen  der  erwähnten 
Knollen,    die   jener  Art  von  Positiven  zu  entsprechen  scheinen,    habe  ich 
nun  eine  übereinstimmende   Beobachtung    gemacht,    die    sich    bezieht    auf 
die  Fläche    dieser    Absplisse    im    Gegensatz    zu  sicher  absichtlichen.     Bei 
vielen  sicher  absichtlichen  Absplissen  geht    also    der    Schlagkegel    oft  mit 
einigen  Stufen  in  den  Schlaghügel  und  dieser  in  die  „Absprungfläche"  über. 
Auf  der  „Absprungfläche"  sind  die   konzentrischen  Bogenwellen  mehr 
oder  weniger  deutlich  zu  sehen.     An  den   bezeichneten  fraglichen  Stücken 
zeigt    sich    auch    Ähnliches;    die    Bogen    sind    aber    erstens    oft    deutlich 
exzentrisch,  manchmal  sind  es  fast  gerade  quere  Linien  (Schweinfurth); 
das    Wichtigste    ist    aber,    dass    das    Profil    der    Absprungfläche    dieser 
Stücke    so     aussieht,     im    Durchschnitt:      Wo    der    Umriss     des     Längs- 
durchschnittes    eine    solche    „Welle"    trifft,    wird    die   Umrisslinie    scharf 
ein-  oder  ausgeknickt,  nicht,    wie  bei    den   absichtlichen  Absplissen,    aus- 
gebogen.    Diese  Knicke  bedeuten,    dass  die  scheinbaren  Wellen,    hier  an 
den  fraglichen  Stücken  scharfe  Kämme,  Furchen  oder  Stufen  sind.    Dieses 
Verhalten  habe  ich  an  keinen    von    vielen,    vergleichsweise    untersuchten, 
sicheren,  absichtlichen  (besonders  neolithischen)  Absplissen    (auch  Druck- 
absplissen:  Obsidianglas)  gefunden,  es  scheint  also  wirklich  ein  Merkmal  für 
natürliche  Abpressung  zu  sein.     Ich  fand  es  dann  auch  an  einigen  Stücken, 
die  ich  und  Andere  für  neolithische  Kernsteine  gehalten    hatten,    die    mir 
alter  verdächtig    wurden,    schon    weil  die  Absplisse  spiralig  um  den  Kern 
herumlaufen  (Bracht). 

Die  Umkehrung  dieses  obigen  Befundes,  die  lauten  würde,  dass  alle 
Absplisse  mit  wirklichen  Wollen  absichtlich  seien,  trifft  jedoch  offenbar 
nicht  zu. 

Betonen  will  ich  hier  wieder,  dass  die  Frage  des  Gebrauchs  auch 
solcher  Naturprodukte  durch  Menschenhand  und  ihre  Verarbeitung  und 
Zerarbeitung  als  „Eolithen"  wieder  eine  andere  Sache  ist.  Es  gilt  ja  gerade 
als  das  Wesen  der  ältesten  (tertiären  und  altdiluvialen)  Menschenwerkzeuge, 


—     827     — 

dass  sie  nicht  oder  nur  wenig  hergerichtet,  wohl  aber  ausgelesene  und 
typisch  verbrauchte  Gesteinssplitter  und  -trümmer  meist  natürlicher  Ent- 
stehung sind  (Rutot  u.  a.).     Wie  schon  früher  ausgeführt,    weise    ich  mit 

Kutot1)  unsere  norddeutschen  diluvialen  Folithen,  die  ich  zwischen  und 
in  Ablagerungen  der  I.  und  II.  diluvialen  Eiszeit  fand,  den  ältesten  Stufen 
<\i^  Bolithicums,  dem  Keutelien  und  Maffleen  zu  (ev.  auch  zum  Teil  noch 
dem  .Mesvinien).  Auffällig-  war  nur  die  grosse  Zahl  der  grossen,  ge- 
brauchten Absplisse,  die  wir  zunächst  für  absichtlich  hielten.  Viele  von 
denen  sind  jetzt  meiner  Meinung  nach  in  der  ausgeführten  Weise  als  Natur- 
produkte zu  erkennen;  dadurch  fügen  sich  unsere  Eolithen  nun  noch 
besser  dem  von  lUitot  vertretenen  System!  Neben  diesen  natürlichen 
finden  sich  jedoch  (ebenso  wie  im  belgischen,  ägyptischen  und  anderen 
Eolithicum)  auch  bei  uns  viele  zweifellose,  absichtliche,  ebenfalls  gebrauchte, 
grosse  Absplisse.  Aber  der  Kern  der  Eolithenproblems  ist  ja  nicht  die  Er- 
kenntnis der  Entstehung  des  Werkstückes,  vielmehr  di-y  Nachweis  der 
Spuren  seiner  Benutzung  durch  .Menschenhand,  wodurch  es  erst  zum 
Werkzeug,  zum  Eolithen  wurde!  Gegenüber  den  hie  und  da  auftretende!] 
Missbrauch  des  Eolithengedankens,  ebenso  gewissen  starren  Formen  der 
Opposition  gegenüber,  die  beide  meist  Mangel  an  Kenntnis  des  Materiales 
und  der  Literatur  verraten,  kann  nicht  genug  auf  das  Studium  dieser 
beiden  Dinge  hingewiesen  werden! 

Herr  Jäkel:  Es  ist  ja  gewiss  sehr  nützlich,  wenn  die  Erscheinungen 
die  an  den  Feuersteinen  in  der  Natur  vorkommen,  recht  genau  beobachtet 
und  mit  denjenigen  Erscheinungen  verglichen  werden,  die  wir  an  zweifel- 
losen Eolithen  beobachten.  Ich  möchte  indessen  als  Geologe  in  ge- 
wissem Sinne  davor  warnen,  mit  gewissen  Schemata  für  diese  nun  das 
ganze  Gebiet  der  natürlichen  Bruchformerscheinungen  beherrschen  zu 
wellen.  Die  .Mannigfaltigkeit,  die  man  an  den  natürlichen  Sprung- 
systemen beobachtet,  ist  doch  so  ausserordentlich  gross,  dass  es  wohl  sehr 
schwer  ist,  dieselben  auf  einige  wenige  Fälle  zurückzuführen.  Da  ich 
die  Eolithen  aus  Freyenstein,  die  ich  gelegentlich  hier  vorgelegt  habe. 
bereits  vor  einer  Reihe  von  Jahren  dort  gefunden  hatte,  habe  ich  seit  der 
Zeit  immer  im  Diluvium  auf  diese  Erscheinungen  geachtet.  Je  nach 
der  Ilaiie.  Zersetzung  und  Feuchtigkeit  des  Feuersteins,  namentlich  auch 
ob  er  frisch  aus  der  Kreide  herausgekommen  ist  oder  längere  Zeit  im 
Diluvium  gelegen  hat,  sind  die  Druckerscheinungen,  die  er  zeigt,  ver- 
schieden. Es  ist  ferner  von  Belang,  ob  die  Feuersteine  /..  1!.  am  brandenden 
Meere  einem  Steindruck  ausgesetzt  waren  oder  aus  einer  steilen  Kreide- 
wand heraus  auf  andere  Steine  aufgeschlagen  sind,  ob  sie  im  Flusse 
vorwärts  bewegt  wurden  und  dabei  nicht  nur  abgerollt,  sondern  auch  ge- 
legentlich zwischen  anderen  Steinen  gepressi  wurden.  Danach  sind  die 
Splitterungen  ganz  ausserordentlich  mannigfach.  Ich  möchte  auch  davor 
warnen,  diese  Druckerscheinungen,  wie  es  hier  geschehen  ist.  zusammen- 
fassend als  Gletscherdruck  aufzufassen. 

li  S.  u.  a.  Wut  dt  „Le  Prehistorique  dans  L'Europe  centrale"  S.  6]  und  75. 

53 


—     828     — 

Es  sind  noch  nicht  15  Jahre  her,  dass  als  „Gletscherdruck"  alles 
Erdenkliche  zusammengefasst  wurde;  so  sind  damals  die  Dreikanter,  die, 
wie  seitdem  einwandsfrei  festgestellt  worden  ist,  durch  angewehten  Sand 
entstanden  sind,  auch  auf  Gletscherwirklingen  zurückgeführt  worden. 
Bevor  solche  Erscheinungen  unter  dem  Namen  „Gletscherwirkungen"  auf- 
gefasst  werden,  müsste  doch  erst  untersucht  werden,  wie  in  einer  Moräne 
durch  einen  vorrückenden  Gletscher  Feuersteine  direkte  Druckwirkungen 
des  Eises  oder  indirekten,  gegenseitigen  Druck  der  Steine  erkennen 
lassen.  Ich  weiss  nicht,  ob  solche  Untersuchungen  jemals  angestellt 
worden  sind,  möchte  aber  glauben,  dass  die  Mehrzahl  der  natürlichen 
Feuersteinverletzungen  durchaus  nicht  entstanden  ist  mittelbar  oder  un- 
mittelbar durch  Gletscherdruck,  sondern  durch  die  sehr  viel  komplizierteren 
Verhältnisse,  die  während  der  ganzen  Diluvialzeit  geherrscht  haben  und 
sich  vor  allem  in  der  oftmaligen  Verlagerung  der  Materialien  in  den  ver- 
schiedenen Abschmelzperioden  unserer  Eiszeiten  geäussert  haben.  Aber 
dieser  Mannigfaltigkeit  gegenüber  die  natürlichen  Druckerscheinungen 
an  Feuersteinen  mit  Zirkel  und  Winkelmass  festlegen  zu  wollen,  das 
erscheint  mir  doch  bedenklich,  namentlich,  wenn  man  damit  einem  weniger 
Erfahrenen  die  Möglichkeit  geben  will,  zwischen  natürlichen  und  künstlichen 
Erscheinungen  zu  unterscheiden.  Dabei  könnte,  wenn  sich  die  Ansichten 
schliesslich  auf  diesem  Grenzgebiet  zuspitzen,  das  Misstrauen,  das  von 
vielen  Seiten  diesen  Eolithen  entgegen  gebracht  wird,  unnötig  genährt 
werden.  Ich  meine,  man  wird  doch  zunächst  abwarten  müssen,  bis  die 
Verhältnisse  weiter  geklärt  und  vor  allen  Dingen  an  vielen  Punkten 
studiert  sind  —  wie  es  ja  durch  Hrn.  Schweinfurth  in  vorzüglichster 
Weise,  mit  den  ganz  anders  gearteten  Feuersteinbildungen  Ägyptens 
geschieht.  —  Bis  das  in  ausgedehnterem  Masse  der  Fall  sein  wird,  wird 
man  wohl  gut  tun,  die  unsicheren  Verhältnisse  möglichst  bei  Seite  zu 
lassen  und  vor  allem  diejenigen  Erscheinungen  zu  präzisieren,  bei  denen 
einwandsfrei  eine  natürliche  Einwirkung  auf  den  Stein  nachzuweisen  ist. 
Das  dürfte  in  erster  Linie  bei  solchen  Steinen  der  Fall  sein,  bei  welchen 
sich  die  Verletzungen  auf  eine  Stelle  beschränken.  Wenn  die  Feuersteine 
irgendwo  in  der  Grundmoräne  oder  in  anderen  Materialien.  Kies  usw., 
gedrückt  werden,  so  werden  sie  nicht  nur  an  einer  Stelle  gedrückt,  denn 
ein  solcher  Feuerstein  liegt  in  der  Masse  nicht  frei,  sondern  er  wird, 
wenn  er  an  einer  Stelle  absplittert,  von  anderen  Stellen  Gegendruck  er- 
fahren müssen,  wie  wir  das  ja  ausserordentlich  häufig  bei  den  stark  de- 
formierten Feuersteinen  sehen.  Haben  wir  also  ein  Stück,  dass  nur  an 
einer  Stelle  einen  Druckkegel  aufweist,  so  ist  dieses  Stück  in  besonderem 
Grade  verdächtig,  ein  echten'  Eolith  zu  sein. 

Ein  ähnlicher  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  wird  da  vorliegen,  wo  es  sich 
um  eine  systematische  Zuschärfung  einer  Kante  handelt.  Diese  Fälle  werden 
immer  den  Ausgangspunkt  für  die  Feststellung  von  Eolithen  bilden.  Aber 
die  natürlichen  Funde  so  schematisiere!]  zu  wollen,  dass  etwa  solche,  die 
sich  noch  uichi  Jahre  hindurch  mit  der  Sache  beschäftigt  haben,  an  der 
Hand  solcher  Normalfälle  eine  Unterscheidung  zwischen  natürlichen  Stücken 
und   Eolithen  vornehmen  sollen,  das  scheint  mir  bedenklich. 


—     829     — 

Hr.  Eid.  Krause:  [eh  bin  bereits   in    meinen  Arbeiten    über   die  Be- 
arbeitung des  Feuersteins  (s.  Zeitschrift  für  Ethnologie  1903  S.  5:j7 — bh~2 
und  in  H.  Krämers  „"Weltall  und  Menschheit"  Bd.  5,  S.  20—28  mit  Ab- 
bildungen) auf  diesen  Punkt  ebenfalls  eingegangen  und  habe  an    Letzterer 
Stelle  einige  natürlich  beeinflusste  Stückt."  in  Abbildungen  wiedergegeben. 
Ich  habe    darin    ebenso  wie  Hr.  Jäkel   hervorgehoben,    dass  Stücke,    die 
nur  an   einer  Stelle   gedrückt  sind,  als  Eolithe   verdächtig   sind,   während 
von    der  Natur    durch  Druck    beeinflusste  Stücke    immer    mehrere  Druck- 
stellen aufweisen  müssen,  da  der  für  die  Abspleissungen  nötige  hohe  Druck 
harte  Widerlager  verlangt,  deren  Anliegestellen  sich  an  dem  Silex  dadurch 
ganz  deutlich  bemerkbar  machen,  dass  dort  ebenfalls  Absplitterungen  statt- 
gefunden haben.      In   weichem  Material   liegende  Stücke  sinken  bei  starkem 
Druck  tiefer  in  ihr  Bett  ein,  ohne  dass  überhaupt  eine  Absplitterung,  oder 
linier  Umständen  höchstens  eine  ganz   minimale  erfolgen   kann.     Dies   gilt 
für  Druck,    während  beim  Schlag  oder  Fall  sehr  wohl  nur  eine  Seite  be- 
eintlusst  werden  kann,  ohne  dass  an  der  übrigen  Oberfläche  des  betroffenen 
Steines  irgend  welche  Spuren  von  Gewalt  zu  sehen  zu  sein  brauchen.     In 
dem  ersten  Falle,  beim  Schlag,    der    plötzlich    und    schnell  auf  den  Stein 
einwirkt,  erfolgt  die  absprengende  Wirkung,  bevor  die  volle  Bewegung  sich 
dem  ganzen  Stein  mitgeteilt  hat.    Das  Beharrungsvermögen  des  getroffenen 
Steines  wirkt  als  Gegendruck.     So  können  wir  mit  dem    Hammer    Steine 
in  der  Hand  zerschlagen,    ohne  viel  davon    zu    merken.     Beim  Fall    wird 
natürlich  nur  die  auf  einen  andern   harten  Körper    auffallende    (oder    von 
ihm  getroffene)    Stelle    beeinflusst,  also  verletzt,  während  der  übrige  Teil 
der  Oberfläche  nur  mit  dem  ihn    umgebenden    weicheren  Medium    in  Be- 
rührung kommt,  von  dein  er  keine  Verletzung  in  unserem  Sinne  erleiden 
kann.     Hier  können  also  Feuersteine  und    andere  Silex    vorkommen,    die 
nur    an    einer    einzigen    Stelle  Verletzungen    aufweisen,    ohne  Eolithe    zu 
sein.     Da   nun  aber  in   der  Natur  Schlag    und  Fall    in  solcher  Heftigkeit. 
wie  zum  Absprengen  grösserer  Stücke  Silex  nötig  ist,    viel    seltener    auf- 
treten als  Druckwirkungen,  ja  gewissermassen  nur  Ausnahmen  bilden,    so 
behält    der    Satz  Hecht,    dass   jeder    nur    an    einer    Stelle    verletzte   Silex 
zunächst  als   Eolith   verdächtig  ist,    bis    sich    seine  Verletzung    durch    ihre 
sonstige  Beschaffenheit,  sowie  durch   die  Fundschicht  und  andere  Umstände 
als  auf  Naturbeeinflussung  zurückzuführende  erweist. 

Die  l  nterscheidung  der  einzelnen  Arten  von  Verletzungsspuren,  wie 
sie  Hr.  Schweinfurth  an  seinem  überaus  reichen  Material  in  monate-, 
ja  jahrelanger,  kritischer  Betrachtung  feststellte,  findet  meinen  ganzen 
Beifall,  wenn  wir  hier  sicher  auch  noch  nicht  am  Binde  unserer  Er- 
kenntnis, sondern  erst  am  Anfang  angelangt  sind.  Die  Beschäftigung  mit 
dieser  Präge  ist  bei  den  meisten  der  darin  arbeitenden,  leider  noch  so 
herzlich  wenigen  Forschern,  noch  verhältnismässig  viel  zu  kurz,  um  scheu 
allgemein  gültige  Grenzen  ziehen  zu  können.  Aber  jeder  auf  so  ein- 
gehenden) Studium  beruhende  Versuch,  wie  der  des  Hrn.  Schweinfurth, 
bringt  uns  der  Wahrheit  näher  und  ist  mit  Freuden  zu  begrüssen.  Wollten 
wir  hier  nur  mit  allgemein  anerkannten  Tatsachen  vergehen,  bo  würden 
wir  nicht  weit  verwärts  kommen.     Hier  müssen  uns.    wie   ja    fast   überall 


—     830     — 

in  wissenschaftlicher  Arbeit,    Hypothesen   beistehen,    ninsomehr,    wenn  sie 
so  wohlbegründet  und  überlegt  sind,  wie  die  des  Hrn.  Schweinfurth. 

Mag  manche  Behauptung  später  durch  bessere  Erkenntnis  eine  Änderung, 
ja  selbst  ein  Verwerfen  erfahren,  sie  hat  dennoch  ihre  Schuldigkeit  getan: 
sie  hat  zu  weiteren  Forschungen  angeregt.  Die  Ausführungen  des  Hrn. 
Schweinfurth  werden  dies  in  ausgedehntem  Masse  tun;  hoffentlich!  denn 
bei  fortwährender  Fahrt  in  alten  Geleisen  1  »leibt  man  leicht  einmal  stecken; 
da  hört  alles  Forschen  auf. 

Die  von  Hrn.  Schweinfurth  besprochenen,  von  Hrn.  Bracht  zuerst 
u<>  würdigten  eigentümlichen  Zeichnungen  oder  Marken  auf  Feuersteinen 
(Fischgräte,  Knospenzweig  und  Kettenglieder)  und  zwar  auf  Flächen,  auf 
denen  auch  einfache  Schrammen  (Gletscherschrammen)  vorkommen,  habe 
ich  mit  Hrn.  Schweinfurth  auf  einem  Stück  aus  diluvialer  Schicht  der 
Provinz  Hannover  beobachtet,  später  noch  an  mehreren.  Ich  werde  darauf 
später  zurückkommen,  nachdem  ich  die  von  mir  veranlassten  vergrösserten 
Photographien  wie  die  Stücke  selbst  eingehend  geprüft  und  einige  Ver- 
suche vorgenommen  haben  werde. 

Hr.  Favre  au  weist  darauf  hin,  dass  er  in  einer  der  nächsten  Sitzungen 
eine  Keihe  von  Eolithenfunden  aus  der  Nahe  von  Neuhaldensleben  der 
Gesellschaft  vorlegen  werde,  welche  geologisch  gut  bestimmt  sind. 

(21)  Hr.  von  den  Steinen:  In  den  Gebirgswäldern  des  brasilianischen 
Staates  Santa  Catharina,  im  Hinterlande  der  deutschen  Kolonien,  leben 
die  Reste  eines  Indianerstammes,  der  Schokleng,  die  seit  langer  Zeit 
ein  ethnographisches  Desiderat  darstellen,  die  aber,  wo  sie  sich  je  zeigen, 
auf  das  Grausamste  von  den  Weissen  verfolgt  werden.  Hr.  Dr.  Hermann 
Meyer  hatte  auf  seiner  ersten  Reise  vergeblich  versucht,  dieses  Problem  zu 
erforschen.  Es  gereicht  mir  nun  heute  zur  Freude,  Ihnen  die  Arbeit  eines 
Arztes  in  Santa  Catharina,  des  Dr.  Bleyer,  vorlegen  zu  können,  der  seit 
vielen  Jahren  im  Lande  weilt  und  es  nach  vielen  Richtungen  durchstreift 
hat.  Er  hat  den  Volksstamm  freilich  aus  eigener  Anschauung  nicht  kennen 
gelernt,  aber  eine  Menge  interessanter  Einzelheiten  aus  dem  Munde  der 
Bugreiros,  der  Indianerjäger,  der  zahmen  Indianer  und  eines  als  Knaben 
gefangenen  Schokleng  gesammelt.  Er  hat  auch  einen  Schädel  für  die 
Gesellschaft  abgeschickt,  der  als  eine  ausserordentliche  Seltenheit  gelten 
muss,  jedoch  noch  nicht  eingetroffen  ist.1)  Gleichzeitig  mit  seinem  Aufsatz 
sendet  er  die  erste  Photographie  eines  Schokleng  ein,  die  ich  unter  Ihnen 
zirkulieren  lasse.  — 

(22)  Bericht  des  Hrn.  Dr.   Bleyer  in  Santa  Catharina  über 

die  wilden  Waldindianer  Santa  Catharinas:  die  „Schokleng". 

Dil-    wilden  Waldindianer  Santa  Catharinas,    die  Schokleng,    wTie    sie 
von    den    Cäingäeng(e)-Indianern,8)    ihren    westlichen   Nachbarn,    genannt 


1)  Der  Schädel  ist  mittlerweile  angekommen  und  von  Hrn.  Lissauer  S.  .SU  genau 
beschrieben  and  abgebildet  worden. 

■2)  Die  Cäingäeng(e)-Indianer  finden  siel  in  Brasilien  zwischen  dem  Uruguay-  und 
Ignassüstrome,   ferner  an  den  Quellflüssen  und  dem  Mittellaufe  des  Rio  Piquhy,   welcher 


—    833     — 

werden,  sich  auch  selbst  so  bezeichnen,  Bind  in  Santa  Catharina  unter  dem 
Namen  „Bügre"  bekannt  oder  seihst  unter  der  irrtümlichen  Bezeichnung 
von   „Botocudos". 

Diese  Indianer  leben  zurzeit  in  kleinen,  durch  ständige  Verfolgung 
verminderten  Horden  von  9 — 50  Mann,  (die  .Männer.  Flauen  und  Kinder 
eingerechnet)  in  den  dichtesten  Teilen  der  noch  vorhandenen  Urwälder 
Santa  Catharinas;    insbesondere    finden    sich    diese  Indianer  noch   an   den 


Schokleng-Indiander,  Sta.  Catharina. 

Qaellflüssen  des  Nordarmes  des  Itajahy-assü,  am  Etajahy  do  Sul,  amltajahy- 
miriiu  an  Beinen  Quellflüssen,  am  Oberlaufe  des  Rio  Canöas,  an  den  Neben- 
flüssen  des  Oberlaufes  des   linken  Ufers  des  louasstistronies.  a  m  Rio  Timbo, 


in  der  Nähe  der  Saltos  das  Sete  Qnedaa,  an  der  Grenze  von  Biato  Uros-o,  in  denParanä 
hinströmt.  Diese  Indianer  sind  in  Santa  Catharina  und  in  l'arana  unter  der  brasilianischen 
Bezeichnung  von  „Coroados"  bekannt.  Die  Sprache  der  Cäingäeng(e)  ist  verschieden  von 
der  der  Guarani,  sowie  von  der  der  Schokleng-Indianer.  —  Die  Aussprache  des  Wortes 
Caingl  •  durchaus  guttural.   Das  in  Klammern  gesetzte  (e)  wird  von  vielen  Indianern 

nicht  gesprochen. 


—     832     — 

Rio  Canoinhas,  in  der  Serra  des  Morro  Itaio  (Tajo),  Serra  do  Espigaö  do 
Bugre,  in  den  Urwalddistrikten  zwischen  Blumenau,  Curitybanos  und 
Lages,  Campos  de  Saö  Joaö,  an  den  Quellflüssen  des  Rio  de  Peine,  der 
Jangada  und  des  Rio  Chapecö;  ferner,  aber  sonst  weniger  häufig  durch- 
streifen sie  den  Süden  Santa  Catharinas,  wo  ihr  Vorkommen  noch  in 
einigen  Urwalddistrikten  der  Munizipieu  von  Tubaräo  und  Araranguä  be- 
stätigt wird. *) 

Die  Schulden»-  sind  ein  Ja»'d-  und  Wandervolk.  Sie  gehen  völlig 
nackt,  nur  selten  zeigen  sie  sich  in  geraubten  Kleidern.  Eine  Hüftschnur 
aus  Tucümfäden  ziert  Knaben  und  Männer.  Die  Unterlippe  ist  bei  Männern 
und  Knaben  oft  durchbohrt;  sie  tragen  in  der  kleinen  Öffnung  einen  aus- 
wechselbaren Holzstift,  also  keine  Holzscheibe  wie  die  „Botocudos'"'-  von 
Espirito  Santo.  Ihre  Haut  ist  bräunlich  lehmfarben.  Die  Kopfform  ist 
aus  der  beigegebenen  Photographie  einigermassen  ersichtlich.  Die  Stirn 
ist  verhältnismässig  niedrig.  Die  Nase  ist  breit,  die  Lippen  sind  etwas 
aufgeworfen.  Die  Augen  sind  nicht  gross  oder  erscheinen  nicht  gross 
durch  den  Blick.  Sie  sind  von  mittlerer  Grösse,  dabei  von  sehr  kräftiger 
Muskulatur.  Die  tiefschwarzen  Haare  werden  von  Männern  und  Knaben 
kurz  getragen,  seltener  von  alten  Frauen,  wohl  des  Ungeziefers  wegen. 
Die  Schamhaare  werden  meist  ausgerupft.  Die  Hände  sind  zierlich,  die 
Füsse  mittelgross.  Die  Zähne,  von  regelmässiger  Form  und  gelblicher 
Färl  »ung,  sind  meist  gesund.  Die  Zalmfiäche  der  Backenzähne  älterer 
Indianer  ist  nicht  höckerig,  sondern  nahezu  glatt  abgerieben  und  fast  immer 
ohne  Caries.  —  Der  blaue  Sacralfleck,  welchen  ich  in  charakteristischer 
Form  bei  allen  kleinen  Kindern  der  Cäingäeng-Indianer  vorfand,  dürfte 
sich  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  allen  reinblütigen  Kindern  der  Schokleng- 
Indianer  nachweisen  lassen. 

Ihre  Wohnstätten  oder  besser  gesagt  Schlupfwinkel  suchen  die 
Schokleng  in  den  dichtesten  Urwäldern,  wo  sie  aus  dünnen  Baumpfählen, 
Zweigen,  Palmblättern,  Taquärarohr,  Farrnkräutern  niedrige  rundliche  oder 
polygone  Hütten  bauen,  in  denen  sie  gewöhnlich  nur  die  Nacht  zubringen. 
Sie  bevorzugen  für  ihre  Ansiedlung  ein  Terrain,  wo  sich  Flussläufe, 
Wasserrinnen  und  Quellen  befinden.  Zu  den  Hütten  oder  Ranchos,  wie 
die  Brasilier  sie  nennen,  führen  nur  schmale,  kaum  für  einen  Mann  passier- 
bare, halboffene  Fusspfade,  „picadas"  von  den  Brasiliern  genannt.  Diese 
picadas  verlieren  sich  stets  im  dunklen  Urwaldgewirr,  in  Flussläufe. 
steinige  Bäche,  schlüpfrige  Wasserrinnen,  in  denen  die  Indianer  —  einer 
geht  hinter  dem  anderen  —  oft  stundenlang  wandern,  um  ihre  Fährte  zu 
verbergen,  und  um  zu  verhüten,  dass  ein  nicht  Eingeweihter  bis  zu  ihren 
Hütten  vordringe.  Die  Schwierigkeit  des  Auffindens  dieser  Hütten  der 
Indianer  wird  noch  beschwerlicher,  wenn  sie  sich  in  den  kleinen  Neben- 
zügen einer  gewaltigen  Bergkette  (serra)  aufhalten.  —  Unsere  kleine  Ex- 
pedition, nur  aus  ein  paar  .Mann  zu  Fuss  bestehend,  von  zwei  erfahrenen 
brasilianischen     Waldläufern     geleitet,     kämpfte    im    Dezember  1895    und 


I)  Die    erwähnten  Gebiete    habe   ich  fast  alle  auf  meinen  Reisen  durchstreift.    Nur 
den  Süden  des  Staate    von  Santa  Catharina  kenne  ich  nicht. 


—     833     - 

Januar  L896  mit  ziemlichen  Schwierigkeiten,  um  im  Urwaldgebiete  von 
Colonia  Angolina  bis  zu  den  verlassenen  Hätten  der  Indianer  vor- 
zudringen. Leichter  gelingt  das  Auffinden  der  Schokleng  mit  Hilfe  von 
indianischen  Begleitern  (vom  Stamme  der  den  Schokleng  feindlichen 
Cäingäeng(e),   wie  ich  späten-  in   Erfahrung  brachte. 

Das  Auffinden  der  Hütten  der  Schokleng  kann  durch  Zufall  erfolgen, 
wenn  sie  eines  ihrer  Tanzfeste  feiern.  —  Selche  (bdogenhoit  bietet  sich 
dem  Reisenden  und  Jäger  bei  einer  Streiferei  im  Drwalde.  Es  mag  dann 
im  Lager  der  Indianer  ein  wenig  lauter  zugehen  als  gewöhnlich,  wo  es 
sensr  still  zu  sein  pflegt.  Die  Laute  des  Tanzfestes  können  leicht  gegen 
Abend  zu  den  Ohren  des  Jägers  und  Wanderers  dringen  und  sein  Näher- 
kommen veranlassen.  Ein  Bugreiro1),  welcher  im  (lebüsche  am  Wasser- 
rande \  ersteckt  einem  solchen  Tanzfeste  als  unberufener  Zeuge  beiwohnte, 
machte  uns  die  nachstehende  Angabe: 

Die  Schokleng  pflegen  ihre  Tänze  zu  gewissen  Zeiten  und  an  sicheren 
Orten,  mitten  im  "Walde,  auszuführen.  Ihr  Tanz  ist  ein  Umherhupfen, 
ein  Stampfen  mit  den  Füssen,  begleitet  von  einem  monotonen  Gesänge, 
unterbrechen  von  lautem  Ausrufen  und  wiederholtem  Händeklatschen.  An 
Stellen,  wo  solche  Tänze  ausgeführt  werden,  findet  man  den  Boden  von 
Gras  und  Blättern  befreit.  In  die  Erde  gesteckte  Baumpfähle,  auf  denen 
ein'Blätterdach  ruht,  markieren  die  Tanzstelle.  Rings  um  den  bezeichneten 
Platz  sieht  man  Feuerstellen  errichtet,  um  die  Weiber  und  Kinder  lagern. 
Als  Getränk  bei  diesen  Tanzfesten  dient  ein  gärender  Trank,  aus  wildem 
Bienenhonig  bereitet.  Diesen  Trank  nehmen  die  Männer  in  grossen 
Quantitäten,  selbst  bis  zum  Erbrechen  und  Berauschen  zu  sich.  Die 
Indianer  fallen  nach  einem  solchen  Feste  oft  in  einen  todähnlichen 
Schlaf.   .  . 

Die  Honigwaben  werden  aus  den  Gipfeln  der  Urwaldriesen  mit  Hülfe 
eiserner,  entwendeter  Beile,  seltener  mit  den  noch  vorhandenen  Stein- 
beilen  ausgehauen.  Das  Emporklimmen  an  den  meist  glatten  Baum- 
stämmen, in  denen  sie  Honig  vermuten,  wird  mit  Hilfe  eines  breiten 
Klettergürtels  bewerkstelligt,  welcher  aus  gespaltenem  Taquärarrohr  ge- 
flochten, rings  um  den  Baum  gelegt  wird.  Der  Kletterring  ist  vollständig 
geschlossen.  Beim  Klettern  stellt  sich  der  Indianer  zwischen  den  Hing 
und  den  Baum,  den  Ring  auf  den  Rücken  streifend,  die  Füsse  werden 
an  den  Baum  gestemmt,  dann  wird  der  Kletterring  mit  den  Händen  ruck- 
weise hochgeschoben.  Das  Herablassen  vom  Baume  erfolgt  in  gleicher 
Weise.  Bisweilen  bedienen  sich  die  Schokleng  auch  der  herabhängenden. 
starken  Lianen,  um  bis  zu  den  Baumwipfeln  zu  gelangen. 

Sie  sind  vorwiegend  Fleischesser.  Ihre  Lieblingsnahrung  sind  Wild- 
Bchweinfleisch,  das  Fleisch  der  Tapirs,  der  Affen,  der  Papageien,  Jacii- 
hühner;  feiner  verzehren  sie  roh  die  frischen  Bier,  welche  sie  aus  den 
Nestern  der  Waldvögel,  selbst  kleiner  Singvögel  entnehmen.  Das  Fleisch 
der  erlegten  Jagdtiere  wird  ohne  Zusatz  am  Holzspiesse  gar  gebraten-, 
manche  Stücke  werden  auch  in  einer  hergestellten   Vertiefung  des  Bodens 


1)  Iudianerjäuvr.  —  Meii-chm   olnn    - 


—     884     — 

über  glühenden  Holzkohlen  geröstet.  Seltener  ist  der  Gebrauch  des  Koch- 
fleisches, wie  z.  B.  vom  Tapir,  welches  dann  in  einem  primitiven  Topfe 
aus  Ton  zubereitet  wird.  —  Von  Vegetabilien  sind  den  Schokleng-Indiaiiern 
besonders  angenehm  die  Früchte  der  Pinheiros  (Araucaria)  und  die  rund- 
lichen, süss-säuerlichen  Früchte  der  Butiapalme.  Um  diese  Früchte  zu 
gewissen  Jahreszeiten  zu  sammeln,  wandern  die  Indianer  oft  tagelang  und 
verlegen  selbst  ihre  Lager  dieser  Fruchternte  wegen.  Die  Früchte  der 
Araucaria  werden  geröstet  verzehrt,  d.  h.  man  legt  die  Früchte  in  glühende 
Holzasche,  sprengt  dann  die  Schale  und  isst  die  gesottene  Frucht.  Der 
Geschmack  ist  kartoffelartig,  mehlig,  mit  etwas  harzigem  Beigeschmack. 
Die  Schokleng  verstehen  auch  aus  den  enthülsten  Früchten  der  Araucaria 
eine  weisse  Masse  zu  bereiten,  welche  grobfaserigem  Mehle  gleicht.  Die 
bezügliche  Bereitung  geschieht  in  einem  Holzmörser  mit  Hilfe  eines 
länglichen  Steinstampfers,  welcher  die  Früchte  zerquetscht.  In  den  Zeiten 
der  Not  verzehren  die  wilden  Waldindianer  verschiedene  Wurzeln,  sowie 
auch  das  Mark  von  Palmstämmen  in  rohem  Zustande. 

Die  Schokleng  kennen  keine  Pflanzungen.  Sie  kennen  nicht  den 
Gebrauch  des  Matetrinkens  wie  die  Cäingäeng(e),  obwohl  der  Matestrauch 
(Hex  paraguayensis,  Lamb.)  in  vielen  Wäldern  vorkommt,  wo  sich  die 
Schokleng  aufhalten.  Sie  kennen  nicht  die  Sitte  des  Rauchens.  Sie  be- 
nutzen kein  Kochsalz  oder  sonstige  Gewürze. 

Der  Gebrauch  der  Hängematte  ist  ihnen  unbekannt;  sie  schlafen 
nackt  auf  dem  Boden,  die  Füsse,  oft  auch  der  Rücken  werden  gern  dem 
Feuer  zugewendet.  Unter  den  Kopf  legen  sie  Zweige  oder  die  Wedel 
von  Baumfarrn. 

Feuer  wird  in  bekannter  Weise  durch  Reiben  erhalten.  Im  Übrigen 
pflegt  das  Feuer  nur  dann  im  Lager  der  Indianer  auszugehen,  wenn  sie 
die  Stätte  verlassen. 

In  ihren  Lagern,  aber  auch  auf  den  Wanderzügen,  wenn  es  die  Um- 
stände mit  sich  bringen,  fertigen  sie  die  mannigfachsten  Gegenstände  an, 
wie  kleinere  und  grössere  Körbe,  Schnüre  aus  Tucümfäden,  ihre  Jagd- 
und  Kriegswaffen  usw.  Ich  will  mich  kurz  mit  der  Beschreibung  dieser 
Gegenstände  befassen.  Unter  den  Körben  verdient  Beachtung  der  grosse 
Tragkorb,  welcher  für  gewöhnlich  aus  Taquärarohr  hergestellt  wird. 
Dieser  Korb  kann  unter  Umständen  sehr  primitiv  und  roh  gearbeitet  sein. 
Diesen  Tragkorb,  von  der  Grösse  und  Forin  eines  grossen  Bienenkorbes, 
tragen  die  Frauen,  seltener  die  Männer  auf  dem  Rücken;  er  wird  durch 
eine  breite  Bastbinde  auf  der  Stirn  festgehalten.  Dieser  Korb  dient  zum 
Transporte  der  kleinen  Kinder  auf  der  Reise,  auch  selbst  dann,  wenn  die 
Frauen  durch  einen  Fluss  setzen.  Ferner  brauchen  sie  diesen  Korb  /.um 
Herbeitragen  von  trockenem  Holze,  sowie  /.um  Holen  von  Fleischstücken 
von  erlegtem  und  geraubtem  Vieh  (Ochsen,  Pferden,  Maultieren),  von 
welchem  sie  meist  nur  besondere  Teile  als  Lieblingsspeise  benutzen. 
Kleinere  Körbe  von  ebenfalls  randlicher  Form  werden  aus  Taquärarohr, 
aber  auch  aas  Palmstroh  verfertigt.  Manche  Körbchen  zeigen  Muster  von 
grünem  Zwiscliciigelleeht,  und  die  grüne  Färbung  ist  die  natürliche  des 
gespaltenen  Taquärarohrs,    welche    (dinge  Zeit  erhalten    bleibt.     Übrigens 


—    835     - 

verstehen  sie  die  kleinen  Körbe  auch  zu  färben  mit  Hilfe  des  Rinden- 
saftes der  Iraucaria,  welcher  eine  anhaftende  rötliche  Färbung  gibt.  Die 
Färbung  der  Körbchen  geht  später  in  einen  violett-braunen  Ton  über, 
welcher  alter  nicht  Lange  anhält.  Gefärbte  Stücke  sind  überhaupt  selten; 
sie  mögen  vielleicht  zu  Geschenkszwecken  dienen.  Oft  sind  einiger  dieser 
Körbchen  auf  ihrer  Innenseite  mit  Bienenwachs  aus^eUleht:  solche  Körbchen 
können  dann  als  Honig-  oder  Wasserbehälter  dienen.  Einmal  Bah  ich 
ein  flaches  Körbchen  von  nahezu  rechteckiger  Gestalt  aus  sehr  zierlichem 
Gewebe  hergestellt.  Dieses  Körbchen  diente  zum  Aufbewahren  von  ein- 
fachem, schwarzem  Federschmuck.  Ich  glaube,  dase  es  sieh  im  vor- 
liegenden Falle  um  einen  Halsschmuck  bandelte:  die  schwarzen  Federn 
waren  anscheinend  Jaciifedern:  man  hatte  sie  gruppenartig  auf  einen 
Tucumfaden  gereiht. 

Als  einfachen  Schmuck  benutzen  die  Schokleng  gewöhnlich  Hals- 
ketten, welche  Tierzähne  (Affenzähne),  Fruchtkerne.  Münzen  —  unter 
diesen  sah  ich  brasilianische  Vmtens,  ältere  Kupfermünzen  aus  Argentinien 
und  Paraguay  — .  Blechstücke  usw.  enthalten.  Diese  Objekte  werden 
auf  einen  Tucumfaden  gezogen  und  so  getragen.  .Mit  l  nrecht  bezeichnen 
die  Brasilianer  der  sertods  solche  kurze  Halsketten  der  Eingeborenen 
mit  dem   Namen  rosarios,  also  Rosenkränze! 

Ich  sah  zweimal  eine  Art  primitives  Gewebe,  welches  von  den 
Schokleng  -  Indianern  hergestellt  war.  Beide  Stücke  Gewebe  (jedes 
Stück  von  etwa  SO  ,-m  Länge  und  30  <m  Breite),  waren  dicht  und  grob- 
faserig und  ziemlich  schwer;  sie  hatten  eine  natürliche  verwaschene  graue 
Färbung  (wie  Bindfaden)  und  glichen  einander  völlig  im  Aussehen,  ob- 
wohl sie  aus  verschiedenen  Gegenden  stammten.  Handelte  es  sich  um 
ein  Lendentuch,  ein  seltener  gebrauchtes  Schmuck-  oder  Kleidungsstück? 
Ich  vermag  es  nicht  zu  sagen!  —  Es  gibt  verschiedene  Textilpflanzen  in 
Santa  (  atharina;  Rame,  Urticaria  brava,  Tucumpalme  sind  die  be- 
kanntesten. 

Die  Schokleng  verstehen  kleine  Tiere  aus  Holz  nachzubilden.  Ein 
beliebtes  Modell  ist  das  Gürteltier1)  (von  den  Brasilianern  tatii  genannt). 
welches  sie  aus  dem  Holze  (Wurzelholze)  der  Araucaria  zu  schnitzen 
verstehen. 

Sie  schnitzen  ferner  aus  Taquärarohr  eine  Art  primitiver  Flöte,  mit 
welcher  sie  verschiedene  Töne  hervorbringen.  Auch  wissen  sie  Ochsen- 
hörner  in   einfacher  Weise    so    zu    bearbeiten,    das-    sie    einen    charakte- 


1)  Ich  sah  ein  Gürteltier  aus  Stein  (etwa  35cm  lang),  welches  im  Kästeng 
von  Santa  Catharina  in  einem  Sambaqui  gefunden  war.  Der  indianische  Künstler 
dürfte  seinerzeit  einige  Mühe  angewandt  haben,  am  das  Tier  in  Stein  (eine  Art  Sand- 
stein) fertig  zn  stellen.  Interessant  ist  das  Wiederauffinden  des  Gürteltieres  im  l'r- 
walde,  aus  hartem  Holz  geschnitzt.  —  Die  meisten  Sambaqnis  von  Santa  Catharina 
sind  meines  F.raehtons  nicht  sehr  alt.  kaum  ein  paar  Jahrhunderte.  Die  Indianer  pflegten 
in  früheren  Zeiten,  wahrscheinlich  in  der  kühleren  Jahreszeit  [März  bis  Juli),  aus 
dem  weiten  Innern,  den  grossen  Urwäldern,  den  Camposgebieten  an  die  wärmere  Käs"*' 
zu  wandern,  um  hier  dem  Fischfange  und  dem  Muschelsuchen  obzuliegen.  Mit  der  Be- 
siedlung der  Küstenregion  durch  die  Eroberer  hörten  diese  Wanderauge  der  Indianer  auf. 


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ristischen,  weit  hörbaren  Ton  geben,  mit  welchem  sie  einander  Signale 
geben,  nicht  selten  auch  den  Reisenden  zu  erschrecken  suchen. 

Als  Signale  dienen  ihnen  sonst:  das  Nachahmen  von  Yogelstimmen 
—  letztere  brauchen  sie  auch  zu  Jagdzwecken  —  das  Abbrechen  von 
Zweigen  in  besonderer  Weise,  das  Einhauen  in  Baumrinde,  das  Anzünden 
von  Wachtfeuern. 

Sie  sind  sehr  geschickte  Fährtensucher;  die  Spuren  des  Wildes  oder 
des  Menschen  verfolgen  sie  auf  dem  Boden  in  erstaunlicher  Weise. 

Als  Waffen  dienen:  Bogen  und  gefiederte  Pfeile,  kantige  Schlag- 
hölzer, die  kurze  Lanze.  Die  Bogen  sind  sehr  lang,  selbst  über  2  m\ 
sie  werden  aus  hartem,  rundem  Holze  (niemals  aus  dem  Holze  der  Palmen) 
gefertigt.  Der  Bogen  des  Häuptlings  trägt  bisweilen  runde  Lederstreifen 
und  -ringe  am  Schafte,  welche  in  bestimmten  Abständen  um  das  Holz 
gelegt  sind.  Beim  Schiessen  stellen  die  Schokleng  den  Bogen  zwischen 
die  grosse  Zehe  und  die  anliegende,  dabei  die  Bogenspitze  in  die  Erde 
einstossend.  Sie  benutzen  drei  bis  vier  Arten  von  Pfeilen:  Pfeile  mit  fast 
spatenförmiger  Eisenspitze,  Pfeile  mit  langer,  meist  einseitig  gesägter 
Holzspitze,  Pfeile  mit  aufritzender  runder,  harter,  grosser  Kugelspitze 
letztere  dienen  zum  Erlegen  von  Federwild),  kleine  Pfeile  (wahrschein- 
lich Kinderpfeile).  Statt  der  Eisenspitze  ward  früher  eine  Feuerstein- 
spitze  benutzt.  Ich  besitze  eine  solche  Feuersteinspitze  von  8  cm  Länge 
und  ö  cm  grösster  Breite.  Die  Steinspitze  ist  ebenfalls  spatenförmig,  nur 
nach  unten  zu  ist  sie  mehr  spitz.  (Die  zeitigen  Eisenpfeilspitzen  der 
Schokleng  sind  bisweilen  etwas  grösser  gefertigt).  Diese  Feuersteinspitze 
wurde  auf  freiem  Boden,  auf  einer  offenen  Fläche  in  einem  Urwald- 
distrikte von  Curitibanos  (Campo  Alto  am  Quellflusse  des  Canoinhas)  im 
.Dezember  1902  von  dem  Hrn.  Ingenieur  J.  Mattos  aufgefunden.  —  Au 
diesen  Pfeilen  lassen  sich  folgende  Teile  unterscheiden:  Spitze,  Holzschaft 
in  einen  Rohrschaft  eingefügt,  Befiederung,  Bindemittel  (bestehend  aus 
Wachs,  Harz),  Bindestreifen  (bestehend  aus  den  langen  Wurzelstreifen 
von  Philodendron;  in  Gebieten,  wie  z.  B.  den  Camposdistrikten,  wo  diese 
Schlingpflanze  oft  nicht  vorkommt,  vertreten  sehr  feine,  gelbliche  Bast- 
streifen die  Pliilodendronwurzel).  Zur  Befiederung  der  Pfeile  dienen  meist 
•die  Federn  der  Jacühühner  und  der  grösseren  Raubvogelarten.  Sehr 
selten  ist  doppelte  Befiederung  der  Pfeile,  wie  ich  sie  bei  zwei  Pfeilen  sah: 
Anbringen  eines  kleinen  rötlichen  Federringes  aus  Tucänfedern  oberhalb 
der  Schaftfiedern  naht;  der  Kerbe  des  Pfeiles.  Die  Pfeile  werden  nicht 
vergiftet. 

Die  kantigen  Schlaghölzer  oder  Schlagstöcke  sind  etwa  1,20  m  lang, 
sie  werden  .ins  gelblichem  Holze  gearbeitet.  Die  Schlagstöcke  dienen  als 
Waffen  wie  auch  zum  Gebrauche  auf  der  Jagd,  so  z.B.  zum  Töten  ge- 
stellter Wildschweine  durch  Schläge  auf  den  Schädel.  (Mitteilung  der 
zahmen  <  'äingäeng(e)-Indianer.) 

Die  kurze  Lanze  von  etwa  1,50  m  Länge  hat  ebenfalls  einen  kan- 
tigen  (rhombischen),  naturfarbenen,  gelben  Schaft.  In  den  Schaft  ist 
eine  nur  wenig  zugespitzte,  schaufelförmige  Eisenspitze  eingelassen, 
welche  im  Modell  der  Pfeilspitze  gleicht. 


—     837     — 

Die  eiserne  Lanzenspitze  hat  nicht  selten  eine  Länge  von  20  cm  und 
eine  Breite  von  10  cm.  I  n torlia I >>  der  Uisenspitze  ;mi  Schaft  findet  sich 
ein  sauber  gearbeitetes  Geflecht  (aus  der  Rinde  der  Luftwurzeln  von 
Philodendron)  als  Zierde  angebracht.  Diese  kurze  Lanze  dient  al>  furcht- 
bare Stosswaffe.  —  Kin  Lanzenstoss,  welcher  gegen  einen  kleinen  Hund 
gerichtet  war,  hob  diesen  auf  die  breite  Lanzenschaufel  derart,  dass  das 
Tier  3 — 4  m  weit  geschleudert  wurde.  Der  Hund  suchte  den  Indianer 
auf  einer  offenen  Fläche  zu  stellen.  (Erhaltene  Mitteilung.)  Die  i:ros>e 
Eisenspitze  der  Lanze  dürfte  von  den  Schulden",-  ;m>  entwendetei]  Schaufeln 
oder  i\{'\\  grosse]]  Blattsägeu  der  Sagemühlen  hergestellt  werden,  welche 
sie  unter  Umständen  erlangen  können.  Ich  kenne  den  Fall  des  Raubes 
einer  Blattsäge  aus  einer  Schneidemühle  im  Urwalde.  Das  Sägeblatt 
wurde  später  in  grosse  Stücke  zerbrochen,  zum  Teil  bearbeitet,  im  Lager 
der  entflohenen   Indianer  aufgefunden. 

Auf  der  Jagd  sind  die  Indianer  immer  zu  mehreren  beisammen 
(5 — 7  Krieger);  die  Frauen  und  Männer  bleiben  im  Lager  zurück.  Der 
den  Jagdzug  leitende  Führer  trägt,  wenn  er  zugleich  Eäuptling  ist.  die 
breite  Lanze.  Jeder  Krieger  führt  seinen  Bogen  mit  sich  und  meist 
mehrere,  lose  in  der  Hand  gehaltene  Pfeile  verschiedener  Art;  die  langen 
Pfeile  lassen  das  Tragen  eines  Köchers  nicht  zu.  —  Nicht  selten  begleiten 
ein  oder  zwei  Hunde  einen  solchen  Jagdzug;  die  Hunde  streifen  frei 
umher.  Die  wilden  Indianer  haben  zurzeit  nur  noch  selten  Hunde  eigner, 
indianischer  Kasse;  die  zur  Jagd  benutzten  Hunde  sind  vielfach  Misch- 
typen  aller  möglichen  Passen.  —  Die  Indianer  versuchen  bisweilen  Hunde 
in  der  Nähe  der  Ansiedlungen  zu  stehlen.  —  Im  Walde  laut  jagende 
Hunde  können  den  Indianern  zum  Verräter  werden. 

Die  Schokleng  kennen  den  Gebrauch  von  Fanggrüben,  in  welche  Holz- 
spiesse gesteckt  werden,  um  das  hineinfallende  Wild  zu  töten  oder  aufzu- 
spiessen.  Derartige  Gruben,  welche  verdeckt  auf  Wildpfaden  angelegt  werden, 
haben  eine  Tiefe  von  über  1,50  m  bei  einer  Breite  von  1  —  2  m.  Ein  aus 
einer  solchen  Grube  gezogener  Spiess  hat  eine  Totallänge  von  etwa  1,25  m\ 
er  ist  verhältnismässig  schmal  und  nach  oben  zu  degenförmig  gespitzt. 
Nicht  selten  finden  sich  mehrere  Spiesse  in  einer  Grube.  Die  Wildgruben 
dürften  zum  Fange  von  Wildschweinen  und  des  Tapirs  dienen.  —  Am 
Canöasfluss  stürzte  vor  Jahren  ein  Jäger  in  eine  solche  Grube  und  ver- 
letzte sich  den  Oberschenkel.  Die  Wunde  soll  sehr  schmerzhaft  gewesen 
sein,  heilte  aber  völlig  aus.     (Erhaltene  .Mitteilung.) 

Die  Pfeile  der  Schokleng  eignen  sich  wenig  zum  Fischfänge  'Fisch- 
schiessen), sie  sind  zu  schwer  und  zu  lang.  Ehre  westlichen  Nachbarn, 
die  zahmen  Cäingäeng(e),  welche  kürzere  Pfeile  und  Bogen  führen. 
schiessen  Fische  mit  ziemlicher  Geschicklichkeit.  Fs  ist  möglich,  dass 
die  Schokleng-Indianer  nur  gelegentliche  Fischer  sind,  welche  den  Fisch- 
fang nur  unter  besonders  günstigen  Verhältnissen  ausüben,  so  in  aus- 
trocknenden Flussläufen,  zur  Laichzeit  der  Fische  an  den  Flussufern 
(früher  an  der  Meeresküste).  Übrigens  sind  die  meisten  Flüsse  Santa 
Catharinas  relativ  arm  an  Fischen,  hingegen  ist  die  Küstenregion,  das 
Meer,  zu  gewissen  Zeiten  ausserordentlich  reich  an  Fischen. 


—     838     — 

Kanus  aus  ausgehöhlten  Baumstämmen  benutzen  die  Schokleng 

heute  nicht  mehr. 

Pfeilschüsse  auf  Tiere  und  Menschen  scheinen  von  den  wilden 
Waldindianern  Santa  Catharinas  unter  Beobachtung-  bestimmter  Regeln 
abgegeben  zu  werden,  in  der  Absicht,  tödliche  Organe  zu  treffen.  Ein 
junger  Stier,  welchen  ich  sah,  trug  den  Pfeil  im  Unterhalse;  der  Pfeil 
mit  eiserner  Spitze  war  etwa  40  cm  tief  eingedrungen.  Mit  diesem  Pfeile 
in  der  Todeswunde  war  der  Stier  noch  etwa  200  m  weit  gelaufen.1)  Auch 
Schüsse  in  die  Rippengegend  (hintere  Blattgegend)  sollen  von  den 
Indianern  angewendet  werden,  um  grössere  Stücke  Vieh  durch  Pfeilschüsse 
zu  töten.  —  Auf  Menschen,  insbesondere  auf  zu  Pferde  sitzende,  Schritt 
reitende  Personen,  Maultierführer,  Reisende,  werden  Pfeilschüsse  von  den 
Schokleng  gern  gegen  die  Bauchhöhle  (Nabelgegend)  gerichtet;  derartige 
Schüsse  verursachen  infolge  der  breiten  Eisenpfeilspitze  eine  sehr  grosse 
Wunde  und  töten  rasch  durch  Zerreissen  der  Baucheingeweide  und  Offnen 
der  dahinter  liegenden  grossen  Gefässe.  Zu  Fuss  gehende  Menschen,  in 
Waldlichtungen  (rocas)  arbeitende  Leute  suchen  die  Schokleng  in  die 
obere,  seitliche  Brustgegend  zu  treffen.  Pfeile  mit  Eisen-  oder  Holz- 
spitze durchbohren  in  einem  solchen  Falle  den  Thorax  oft  von  einer 
Seite  zur  andern.  Seltener  versuchen  die  Indianer  den  Menschen  durch 
Pfeilschüsse  in  den  Hals,  in  die  Gegend  der  carotis,  zu  töten.  Zwei 
sogenannte  Streifschüsse  des  Unterarmes  und  des  Oberschenkels,  durch 
Pfeile  mit  eiserner  Spitze  herbeigeführt,  heilten  bei  den  Verletzten  ohne 
spezielle  Nebenerscheinungen. 

Pfeilschiisse  auf  den  Menschen  werden  im  allgemeinen  von  den 
Schokleng  nur  aus  dem  Hinterhalte  abgegeben.  Nicht  selten  verfertigen 
diese  Indianer  an  den  Waldstrassen  kleine  Verhaue  aus  Taquärarohr,  von 
den  Brasilianern  trincheiras  genannt,  mit  offenen  Gängen,  hinter  denen 
sie  sich  seitlich  verbergen,  um  die  totbringenden  Pfeile  auf  die  Reisenden 
besser  abschiessen  zu  können.  Die  bekannte  Furcht  der  Indianer  vor 
der  Feuerwaffe,  welche  jeder  Reisende  in  der  Form  von  Reiterpistolen 
and  Revolvern  mit  sich  führt,  mag  die  Indianer  zu  dieser  Art  des  An- 
griffes veranlassen.  Im  offenen  Kampfe  mit  Pfeil  und  Bogen  greift  der 
Schokleng  den  bewaffneten  Mann  niemals  an.  In  dem  meist  dichten  Ur- 
wähle  sind  der  lange  Bogen,  die  langen  Pfeile  für  den  Schokleng  eine 
ziemlich  unbrauchbare  Waffe,  um  gegen  den  Menschen  zu  kämpfen;  ver- 
folgt, bedient  er  sich  des  Bogens  nicht,  sondern  zieht  die  Flucht  vor. 


])  Der  Fall  ereignete  sich  um  Quellilusse  des  Chapecö*  auf  einer  Waldwiese  im  De- 
zember des  Jahres  1903  im  Besitztume  der  Herren  J.  de  Araujo  Pimpäo  und  M.  Jgn. 
de  Araujo  Pimpäo.  Diese  Herren  pflegen  die  Indianer  des  Viehraubes  wegen  niemals 
zu  verfolgen.  Beide  Besitzer  verloren  jährlich  jeder  1—6  Stück  Vieh  durch  die  Indianer, 
eben  oviele  wohl  auch  durch  Jaguare  (tigre  genannt.  Niemals  ist  in  diesem  Urwald- 
gebiete \'>n  seiten  der  Indianer  irgend  welcher  Angriff  auf  Menschen  versucht  worden. 
Da-  getötete  Tier  winde  von  den  Indianern  unberührt  gelassen,  da  sie  sich  wahrscheinlich 
von  einem  unserer  Begleiter  beobachtet  glaubten  und  anscheinend  fürchteten,  beim  Zer- 
legen des  Fleisches  überrascht  zu  worden. 


—    839     — 

Die  Schokleng-Indianer  haben  heutzutage  in  den  meisten  Drwald- 
distrikten  Santa-Catharinas  dem  Fremden,  «lern  Ansiedler,  dem  Reisenden 

gegenüber  eine  ziemlich  feindselige  Haltung  angenommen.  Der  Grund 
hierfür  dürfte  mir  in  der  grausamen  Behandlung  der  Indianer  zu  suchen 
sein,  welche  in  vielen,  den  Urwäldern  naheliegenden  Camposdistrikten 
stattgefunden  hat.    wo    man   die  Indianer    des  Viehraubes  wegen  verfolgt. 

Die  Grausamkeiten,  welche  man  in  einem  solchen  Falle  an  einer 
Viehraub  treibenden  Indianerhorde  verübte,  wurden  wahrscheinlich  von 
entkommenden  oder  verwundeten  Indianern  anderen  Horden  mitgeteilt, 
und  so  entspann  sich  das  Gefühl  der  Rache,  einer  Rache,  welche  dann 
später  auch  auf  Unschuldige  übertragen  wurde.  .Mancher  Ansiedler, 
mancher  Reisende,  mancher  Maultierführer  hat,  von  den  Pfeilen 
der  Schokleng  heimtückisch  getroffen,  im  Urwalde  seinen  Tod 
gefunden.  Nicht  selten  bezeichnen  Kreuze1)  in  der  Wildnis  solche 
Stellen,  wo  Überfälle  durch  Indianer  stattgefunden  haben.  Doch  um  das 
Tun  der  Indianer  zu  verstehen,  muss  man  auch  hören,  wie  man  sie  be- 
handelt hat  und  wie  man  sie  aufgereizt  hat.  Die  Schilderung  nur  einer 
einzigen  Indianer-Xiedermetzelung,  welche  vor  Jahren  an  Vieh  stehlenden 
Indianern  im  Matto  do  Figuereido  ausgeführt  wurde,  genügt,  um  nicht 
nur  die  Handlung  der  Menschen  zu  kennzeichnen,  welche  sie  in  Szene 
setzten,  sondern  um  auch  den  tödlichen  Hass  der  wilden  Indianer 
zu  begreifen. 

.Man  drang,  so  berichtete  man  mir,  in  den  Urwald  ein  unter  Führung 
zweier  zahmer  Indianer  aus  dem  Stamme  der  ('aingäeng(e).  Die  un- 
glücklichen Schokleng  wurden  in  ihrem  Lager  vor  Sonnen- 
aufgang überfallen.  Nur  einige  wenige  Schüsse  wurden  auf 
fliehende  Indianer  abgegeben.  Die  meisten  fielen  unter  den 
wuchtigen  Schlägen  der  Waldmesser,  Männern  und  Frauen 
wurden  die  Köpfe  gespalten,  so  dass  das  Hirn  umherspritzte. 
Kinder  wurden  an  den  Beinen  erfasst  und  abgeschlachtet!  ...Die 
Männer  empfingen  die  tödlichen  Schläge  mit  dem  Waldmesser 
fast  ohne  Schrei,  die  Frauen  unter  entsetzlichen  Klagen,  die 
Hände  zum  Erbarmen  erhebend.  Kinder  klammerten  sich  an 
den  Beinen  der  Mörder  ihrer  Eltern  fest,  doch  die  Blutmenschen 
kannten  keine  Gnade.  —  Die  nackten  entstellten  Leichname 
wurden  wilden  Tieren  zum  Krasse  überlassen.  —  Schwarze 
\  asgeier  (  ü  ru  büs)  sollen  tagelang  über  der  Mordstätte  geschwebt 
haben.  Die  elenden  Hütten  der  Indianer  loderten  in  Flammen 
auf.  Pfeile,  Bogen  und  Gerätschaften  der  Indianer  wurden  verbrannt. 
Bin  oder  das  andere  Indianerkind  wurde  lebend  von  den  Bugreiros  davon- 
getragen, um  als  seltenes  Objekt  gezeigt  zu  werden:  Mitleid  bewegte  diese 

Menschen    nicht! 

...  Ich  besitze  eine  Photographie  im  Format  L3 :  18,  eine  Teilszene 
einer  selchen  Biordstätte  darstellend.     Man    sieht    den    entstellten. 


1)  Kreuze  dieser  Art    finden  Bich   häufig   an    der  Strasse   zwischen  Lageadinho  and 
Rio  Negro  sowie  an  >lor  Waldstrasse,  welche  von  Lages  nach  lmunenau  fahrt 


—     N40     — 

schwollenen,  nackten  Kadaver  einer  Indianerin,  neben  ihr  liegen 
die  nackten  Körper  zweier  grösserer  Indianerkinder.  Die  er- 
haltenen furchtbaren  Schlagwunden  sind  an  den  Leichen  im 
Bilde  sichtbar.  Das  Bild  wurde  von  einem  Ingenieur  im  Urwalde  auf- 
genommen, einige  Tage  nachdem  die  Indianer-Niedermetzelung  statt- 
gefunden hatte. 

Der  Hrn.  Prof.  v.  d.  Steinen  übersandte  Schädel  eines  Schokleng- 
Iudianers  stammt  von  einer  solchen  Stätte.  Ein  anderer  Schädel,  einer 
Schokleng-Indianerin,  tindet  sich  im  Nationalmuseum  in  Eio  de  Janeiro. 
Ich  schenkte,  gelegentlich  meiner  Anwesenheit  in  Rio  de  Janeiro  im 
Jahre  1898,  dem  Institute  diesen  Frauenschädel.  Dieser  Schädel 
weist  an  seiner  Decke  sieben  Verletzungen  (Seh  lag  wunden)  auf. 
Bei  dem  einen  wie  bei  dem  andern  Schädel   fehlt    leider  der  Unterkiefer. 

.  .  .  Ich  machte  die  Bekanntschaft  von  drei  Bugreiros,  welche  seit 
Jahren  ihr  furchtbares  Handwerk  in  der  Umgegend  des  Matto  do  Figuereido 
betrieben  hatten.  Einer  dieser  Menschen,  ein  Mestize  mit  überwiegend 
indianischem  Aussehen,  welcher  an  vier  Indianerverfolgungen1)  Teil  ge- 
nommen hatte,  trug  den  Typus  eines  geborenen  Verbrechers,  wie 
ihn  Lombroso  charakterisiert.  Die  Stirn  des  Mannes  ist  verhältnismässig 
niedrig,  die  Augenbrauenbogen  sind  hervorgewölbt,  die  Augen  sind  klein 
ohne  Glanz,  nur  bisweilen  scheint  ein  kaltes  Aufflammen  ihre  Beweglich- 
keit anzuzeigen.  Die  Nase  ist  breit  und  doch  spitz,  nach  unten  zu  ist 
sie  etwas  umgebogen,  der  Mund  ist  sehr  weit  gespalten,  die  eine  der 
Lippen  scheint  etwas  vorzustehen.  Der  Unterkiefer  ist  ausserordentlich 
entwickelt.  Die  Muskelzüge  des  Gesichts  sind  wulstartig  gebildet.  Das 
Gesicht,  Lippen  und  Kinn  sind  völlig  bartlos.  Der  Hals  ist  nach  den 
Seiten«  zu  stark  erweitert;  der  Mann  leidet  nicht  an  struma,  klagt  jedoch 
über  öfters  ihn  befallende  Hirnkongestionen.  Der  ganze  Gesichtsausdruck 
dieses  Mannes  hat  etwas  Furchtbares,  selbst  wenn  er  freundlich  sein  will. 
Der  Mann  ist  von  untersetzter  mittlerer  Statur.  Die  Hände  sind  kurz 
und  fleischig.  Sein  Gang  hat  etwas  anschleichendes,  oft  wie  zu  einem 
Sprunge  bereit.  —  Seine  Beschäftigung  war,  das  auf  den  Campos  am 
Kunde  des  Urwaldes  weidende  Vieh  gegen  Räuberei  zu  schützen,  nus- 
»•ewählte  Stücke  Vieh  mit  dem  Lasso  zu  fangen  und  zu  schlachten  sowie 
Trockenfleisch,  carne  secca,  zu  bereiten.  In  dieser  Sphäre  seines  Wirkens 
schien  sein  ganzes  Denken  und  Tun  aufzugehen.  Der  Mann  war 
schweigsamer  Natur.  Die  wilden  Indianer  nannte  er  „OS  bichos",  also 
die  Tiere! 


1)  Die  grausamem  Indianerverfolgungen  kommen  oft  nicht  zur  Kenntnis  der 
Regierung.  Von  den  unteren  Polizciorganon  werden  sie  nieist  stillschweigend  geduldet 
oder  als  „Selbsthilfe"  bezeichnet. 

l>i>  Tageszeitung  „Correio  do  Povo"  in  Santa  Catharina  wendet  sich  in  einem  an- 
sprechenden Artikel  gegen  die  Indianerverfolgungen.  Siehe  Nr.  8!)  des  „Correio  do  Povo* 
vom  26.  April  1904.  —  Auch  „A  Kepublica"  von  Curityba  schreibt  gegen  die  Indianer- 
verfolgungen in  einem  Artikel  aus  der  Feder  des  Hrn.  Dr.  Scbastinö  Parana.  Vide 
Xr.  181   der  „Kepublica"  vom  6.  Augusl    1904. 


—     841     — 

Die  beiden  anderen  [ndi  an  er  jäger,  welche  ich  sah,  tragen  eben- 
falls Stigma  degenerierter  Individuen.  Glücklicherweise  sind  Bu- 
greiros  in  Santa  Catharina  nicht  häufig.  Diese  gransamen  Menschen  kann 
man  nur  in  einzelnen  Drwalddistrikten  antreffen. 

Nur  wenige  Gegenden  gibt  es  noch  im  Staate  Santa  Catharina,  wo 
die  wilden  Indianer,  den  Verfolgungen  oichi  ausgesetzt,  noch  eine  Bcheue 
Annäherung  an  den  Reisenden  und  Jäger  versuchen.  Die  Schokleng- 
[ndianer  pflegen  eine  solche  Annäherung  dem  Wandern-  durch  Abbrechen 
von  Zweigen  anzuzeigen  oder  durch  loses  Werfen  mir  trockenen  Holz- 
stücken; nicht  selten  klopfen  sie  auch  an  Baumstämme,  um  ihre  An- 
wesenheit bekannt  zu  geben.  Die  Indianer  hoffen  in  solchen  Fällen,  dass 
der  Reisende  nach  .\hl»rechen  des  Zeltes  einiges  für  sie  zurücklasse,  oder 
dass  der  Jäger,  von  Mitleid  bewogen,  ihnen  einen  kleinen  Teil  der  Jagd- 
beute abtrete.  Würde  den  Indianern  daran  gelegen  sein,  den  Reisenden 
zu  töten,  so  würden  sie  ihm  gewiss  nicht  vorher  ihre  Gegenwart  mitteilen 
und  gewiss  nicht  sich  solcher  Mittel  bedienen,  die  nur  dazu  angetan  sind. 
die  Beobachtung  des  Wanderers  auf  sich  zu  ziehen. 

Fliehende  Menschen  verschiedener  Nationen  und  Hassen,  welche  -ich 
den  Händen  der  Justiz  zu  entziehen  suchten,  haben  wiederholt  unter  den 
Schokleng-ludianern  Aufnahme  gefunden.  Ein  junger  Schokleng,  mein 
Gewährsmann,  mit  Namen  Dochawa-Gumewa1)  berichtete  mir  von  einem 
Neger  mit  gelähmtem  Fusse,  der  in  ihrer  Horde  aufgenommen  wurde 
Doch  trauten  »eine  Stammesgenossen  nicht  ganz  dein  Neger,  er  musste 
Dachte  immer  allein,  getrennt  von  deu  übrigen  Indianern  schlafen.  Ein 
nuderer  Gewährsmann  glaubte  als  Führer  einer  Schoklenggruppe  einen 
Deutschen  bezeichnen  zu  können.  Andere  Mitteiler  wollten  portugiesische 
Wm-te  unter  den  Schokleng-Indianera  gehört  haben. 

Kinderraub  ist  öfter  von  diesen  Indianern  ausgeführt  worden.  Im 
Distrikte  von  Saö  Joaö  wurde  im  Mai  dieses  Jahres  ein  kleines  Kind, 
welches  in  der  Nähe  des  Elternhauses  spielte,  von  den  Schokleng  erhascht 
und  mitgenommen.  Die  Indianer  liesseu  jedoch  das  Kind  nach  einigen 
Stunden  unversehrt  im  Walde  zurück,  da  sie  sich  verfolgt  sahen.  Degen 
Ende  Juni  dieses  Jahres  wurde  im  Gebiete  von  Papanduva  ein  junges 
Mädchen  von  etwa  14  Jahren  von  den  Schokleng  geraubt.  Das  Mädchen, 
ein  schwächliches  gelähmtes  Kind,  war  von  den  Eltern  mit  in  die  im 
Walde  gelegene  Pflanzung  genommen  worden.  Am  anderen  Tage  fanden 
die  erfreuten  Eltern  das  Kind  in  der  Nähe  der  Pflanzung  auf.  Das 
Mädchen  gab  an,  von  den  Indianern  wieder  aus  dem  Walde  zurückgetragen 
zu  sein.     Die  Zeitungen   ..Der  Kompass"  und  „Diario  da  Tarde"  in  Curi- 


1)  Docbiwa-Gucoiwa  glaubte  sich  als  Vertreter  einer  Horde  oder  Subtribua  der 
Scbokleng-Indianer  zu  bekennen,  die  er  mit  dem  Namen  Uwaütäs  Twabs'  benannte.  — 
Die  zahmen  Cäingäeng(e)-Indianer  kannten  keinen  Subtribua  der  Schokleng  mit  dem  er- 
wähnten Namen.  —  Doch.iwa-Gnm.wa  war  seinerzeit  als  Knabe  im  Distrikte  von  Born 
E&etiro  gefangen  genommen.  Er  war  einer  der  wenigen  Indianer,  welche  mit  dem  Leben 
davonkamen:  die  meisten  seiner  Stammesgenossen  Männer,  Frauen  und  Kinder'  Helen 
unter  den  81«  issern  .ler  Hugreiros.  Der  Grund  zur  Verfolgung  der  Indianer  war  Yiehrauh 
gewesen. 

Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahr-.  190-1.   Soft  &  .">  I 


—     84*2     — 

tylia  berichteten  eingehenderes  über  den  Vorfall.  —  Vor  einigen  Jahren 
wurde  in  einem  Urwaldgebiete  am  Canoinhasflusse  eine  Indianerhorde  von 
Bugreiros  verfolgt.  Die  Indianerjäger  trafen  inmitten  der  Horde  ein 
Mädchen  an,  welches  blonde  Haare  und  eine  helle  Hautfarbe  hatte  und 
nur  indianisch  sprach.  Da  das  Mädchen  sich  weigerte,  die  Bugreiros  zu 
begleiten,  wurde  die  nahezu  Erwachsen!1  von  den  wütenden  Menschen 
niedergemacht. 

Krankheiten  sollen  unter  den  Schoklenghorden  des  Ur- 
waldes kaum  angetroffen  werden.  Syphilis  und  Lepra  sind  un- 
bekannt. An  einigen  Flussufern  mögen  diese  Indianer  dem  Wechselfieber 
ausgesetzt  sein,  wenigstens  waren  sie  es  früher,  als  sie  noch  in  den 
Urwäldern  der  Küstenregion1)  wohnten.  Eine  vielleicht  spezielle  Art  von 
Pediculi  capitis  wird  beobachtet. 

Verletzungen  durch  spitze  Dornen  kommen  öfter  vor,  seltener  sind 
Vergiftungen  durch  Spinnen-  und  Schlangenbiss.  Wunden  werden  durch 
Waschen  mit  kaltem  Wasser  und  Auflegen  von  Blättern  zu  heilen  gesucht. 
Die  medizinischen  Kräuterkenntnisse  der  Schokleng-Indianer  sind  kaum 
nennenswert.  In  eine  andere  Lebensweise  überführt,  sind  die  Schokleng 
leicht  infektiösen  Krankheiten  ausgesetzt,  wie  der  Influenza,  Lungen- 
entzündungen, akuten  Magen-  und  Darmerkrankungen.  Ich  behandelte 
im  Jahre  1898  in  Lages  einen  jungen  Schokleng-Indianer,  welcher  an 
Meningitis  erkrankt  war;  der  Knabe  erholte  sich  verhältnismässig  rasch. 
Altere  Individuen  leiden,  selbst  bei  einer  guten  Behandlung,  öfter  an  einer 
Nostalgia,  einer  Sehnsucht,  zu  ihrer  früheren  Lebensweise  zurückzukehren. 
Unbeobachtet  pflegen  solche  Personen  wieder  in   die  Urwälder  zu  fliehen. 

Verwundete  Indianer  werden  von  ihren  Stammesgenossen  treulich  ge- 
pflegt. Tote,  im  Kampfe  gefallene  Indianer  werden  von  ihren  Begleitern 
zu  bergen  und  fortzutragen  gesucht.  Die  Toten,  welche  liegend  begraben 
werden,  finden  ein  einsames  Waldgrab.  Zum  Graben  der  Grabstätte  be- 
dienen sie  sich  zugespitzter  Baumpfähle;  die  Erde  wird  mit  breiteren 
Hölzern  oder  mit  den  Händen  aus  der  Grube  geworfen.  —  Die  Mord- 
stätten 2),  wo  Xiedermetzelungen  ihrer  Stammesgenossen  stattgefunden 
haben,  scheinen  von  ihnen  gemieden  zu  werden.  Ob  in  früheren  Jahren 
die  Schokleng  ihre  Toten  auch  in  Massengräbern  beisetzten,  wie  solches 
iu  den  Vorzeiten  die  Cäingäeng(e)-Indianer  zu  tun  gewohnt  waren3), 
konnte  ich  leider  nicht  in  Erfahrung  bringen.  Ebenso  konnte  ich  keine 
Mitteilung  darüber  erhalten,  ob  Totenfest!1  von  diesen  Indianern  gefeiert 
werden  und  ob  bei  diesen  Toten  eine  besondere  Bemalung  (schwarz  oder 
rot)  benutzt  wird. 

L)  Febris  intermittens  herrscht  an  «ler  ganzen  Küstcnregion  von  Santa  Catharina 
endemisch. 

teilen,  wo  die  Bugreiros  gehaust  haben. 
3]  I<-h  fand  in  einem  Urwald«-  am  Mittelläufe  des  Rio  Chapecd  eine  solche  alte 
Grab  tätte  der  Cäingäeng(e)-Indianer.  Die  Grabstätte  war  in  der  Form  von  zwei  neben- 
einander  liegenden  Erdanfwerfnngen  angelegt,  welche  die  ungefähre  Figur  von  Elipsen 
hatten.  Rings  am  die  Erdhügel  war  der  Boden  geebnet.  Ein  Indianer  führte  mich  zu 
dieser  Statt«  de  Bchweigens".  Zeil  und  linstiinde  Hessen  es  leider  nicht  zu,  die  Grab- 
/u  öffnen. 


—     843     — 

Die  Schokleng-Indianer  - lauben  an  ein  höheres  Wesen  und  ein  Port- 
leben nach  dem  Tode.  Eine  junge  Sehokleng-Indianerin,  welche  ich 
hierüber  befragte,  konnte  mir  jedoch  keine  besondere  Auskunft  geben, 
worin  der  vorhandene,  primitive  Kultus  besteht 

Ober  die  Vorgeschichte  dieses  seltsamen  Volkes  Bowie  über  etwa 
unter  ihnen  herrschende  Sagen  war  es  mir  Leider  nicht  möglich,  Nach- 
richten zu  erhalten.  Ihre  Vorgeschichte  scheint  innig  mit  der  deT 
Cäingaeng(e)-Indianer,  ihren  Feinden,  verknüpft  gewesen  zu  sein.  Vielleicht 
waren  es  die  Cäingäeng(e)-Indianer,  welche  von  Westen  einfallend,  die 
Schokleng  seinerzeit  in  die  grossen  Urwälder  und  die  BJüstenregion  von 
Santa  Catharina  drängten.  In  ehemaligen  Zeiten  dürfte  es  häufig  /u 
grossen  Fehden  /wischen  den  beiden  kriegerischen  Nationen  Cäingäeng(e) 
und  Schokleng  gekommen  sein,  wenigstens  berichteten  uns  dieses  die 
zahmen  Caingaeng(e)-Indianer,  welche  es  ihrerseits  von  ihren  Vätern  und 
Vorfahren  gehört  hatten. 

In  der  Lebensweise  der  Schokleng-Indianer  dürfte  im  Laufe  der 
Zeiten  sich  manches  geändert  haben.  Jedenfalls  haben  diese  Indianer 
früher  in  viel  grösseren  Banden  oder  Horden  gelebt,  als  es  jetzt  der  Fall 
ist.  In  einem  l'rwahlgehiete.  welches  in  der  Nähe  des  Oberlaufes  des 
Rio  Correntes  und  Rio  das  Pedras1)  gelegen  ist,  wurde  mir  von  einem 
Bewohner  der  Wildnis  eine  Stelle  gezeigt,  wo  früher  eine  grössere,  zeit- 
weilige Siedlung  der  wilden  Schokleng-Indianer  bestanden  haben  mag. 
Die  Stelle8),  welche  sehr  versteckt  auf  der  Abdachung  eines  Bergrückens 
inmitten  des  Waldes  gelegen  ist,  hatte  mehrere  hunderte  von  .Metern  im 
Durchmesser  und  schien  früher  von  einer  sehr  niedrigen  Erdaufwerfung 
in  seinem  ganzen  Umfange  eingefasst  gewesen  zu  sein.  In  der  Nähe 
dieses  seltsamen  Ortes  fanden  sich  Punkte,  welche  eine  sehr  weite  Aus- 
sicht über  die  Wildnis  hin  erlaubten.  Vielleicht  haben  früher  zahlreiche 
Indian. 'ilnitten  auf  dieser  Stätte  gestanden  und  hat  zahlreiches  Indianer- 
volk auf  dieser  heute  toten  Stelle  gelebt.  Ähnliche  seltene  Zentral- 
stationen der  Schokleng  mögen  früher  in  Boa  V  ista  und  am  Morro  Itaio 
(Tajo)8)  bestanden  haben.  Wahrscheinlich  war  es  seinerzeit  den  Schokleng- 
Indianern  daran  gelegen,  sich  in  grösseren  Banden  und  an  sicheren  Orten 
gegen  die  sie  ständig  verfolgenden  und  sie  verdrängenden  Caingaeng(e)- 
[ndianer  zu  schützen. 

Die  Zahl  der  Schokleng-Indianer  im  Staate  Santa  Catharina  mag 
vielleicht  noch  an  .">0<>  betragen.  Andere  Angaben  beruhen  auf  Irrtum. 
Die  Zahl  dieser  wilden  Indianer  wird  leicht  überschätzt,  weil  sie  ein  Jagd- 
und   Wanderleben  führen   und  in   kleine  Horden  verteilt  leben.     Diese  un- 


1)  Flüsse  im  Municipiiim  von  Curitybanos. 

•_')  Ich  besachte  diese  kaum  bekannte  Stelle  anter  Führung  eines  Sertanejos  und 
meiner  Begleiter  Olegario  de  Carvalho  und  Damiaü  Nunes  im  Februar  des  Jahres  L90J 
von  Lages  aus. 

3    Jäger  und  Sertanejos   scheinen  unter   den  Kolonisten    den  Glauben  rerbreü 
Italien,  als  ob   Tausende   von   Indianern    in    einer  Art    von    Berg  am  Itaio 

Bich  aufhalten  sollen.    Ein    brasilianischer  Offizier   hat    leider   eine   derartige    Ai  _ 
für  ernst  genommen  und  in  einem  Reiseberichte  wiedergegeben. 

54* 


—     844     — 

glücklichen  Indianer  gehen  rasch  ihrem  Untergänge  entgegen.  Wir  mir 
die  Herren  Franziskanerpater  in  Lagos  mitteilten,  wollen  sie  den  Versuch 
einer  Katechese  unter  diesen  Indianern  anbahnen,  um  die  letzten  Reste 
derselben  zu  retten.  Ich  wünsche  den  frommen  Patres  von  Herzen  Erfolg. 
Doch  dürfte  es  sehr  schwer  halten,  dieses  Jagd-  und  Nomadenvolk  der 
Schokleng  sesshaft  zu  machen. 

Diese  Indianer  bedürfen  dringend  des  Friedens,  doch  Frieden  wird 
es  für  die  kriegerische  Nation  der  Schokleng  wohl  nur  dann  geben,  wenn 
der  letzte  dieser  Indianer  aus  den  Urwäldern  Santa  Catharinas  verschwunden 
sein  wird  und  keine  Rache  mehr  ausüben  kann. 

„Conquistadas  suas  terras,  batidos  seus  companheiros,  sacrifi- 
cados  seus  filhinhos,  —  quo  fazer  o  seivagem  se  nao  se  insurgir 
desesperadamente  contra  a  hecatombe  de  sua  raca?" 

Sügma1)  führte  den  Schokleng  zur  Rache! 
Sügma  und  Cattibü")  brachten  dem  Sohne 
der  Wildnis  den  Tod! 

Literatur  konnte  ich  bei  meiner  bescheidenen  Arbeit  nicht  ver- 
wenden, da  ich  solche  weder  in  brasilianischer  noch  deutscher  Sprache 
kenne.  — 

(23)    Hr.  Lissauer  demonstriert3)  den  oben  erwähnten 

Schädel  eines  Schokleng  aus  Santa  Catharina,  Brasilien. 

Der  Schädel,  für  dessen  Übersendung4)  unsere  Gesellschaft  Hrn.  Bleyer 
zu  grossem  Danke  verpflichtet  ist,  bildet  eine  sehr  wertvolle  Bereicherung 
unserer  Sammlung.  Wie  Hr.  Bleyer  oben  angibt,  stammt  er  von  einer 
Stätte,  wo  die  unglücklichen  Sehoklengs  oder  Bugres  von  den  Indianer- 
jägern, den  Bugreiros,  in  grausamster  Weise  erschlagen  und  ihre  Leichen 
den  wilden  Tieren  zum  Fräss  überlassen  worden  sind.  —  Die  Spuren 
dieser  unmenschlichen  Behandlung  trägt  leider  auch  unser  Schädel  deutlich 
an  sich. 

Erhaltungszustand:  Es  fehlt  der  Unterkiefer,  ein  Teil  des  linken 
.lochbogens,  der  untere  Teil  beider  Nasenbeine,  Teile  der  processus  nasales 
des  Oberkiefers,  das  ganze  Keilbein  bis  auf  die  grossen  Flügel,  der 
Basilarteil  und  die  Partes  condyloideae  des  Hinterhauptbeins.  Die  er- 
haltene Hinterhauptschuppe  ist  links  durch  einen  klaffenden,  scharfrandigen 
Spalt  verletzt,  der  sich  schwächer  fast  bis  an  das  linke  tuber  parietale 
verfolgen  lässt.  Auch  auf  der  linken  Hälfte  des  Stirnbeins  ist  ein  seichter 
von   einem  Hieb  herrührender  Eindruck    mit  queren  Schrammen   sichtbar, 


I)  Sügma  bezeichnet  in  der  Sprache  der  Schokleng  die  fremde  Nation. 

•J)  Cattibri  bedeutet  Feuerwaffe. 

3  Diese  Demonstration  fand  tatsächlich  erst  nach  der  Ankunft  des  Schädels  in  der 
Sitzung  vom  IT.  Dezember  statt,  wurde  aber  der  Zusammengehörigkeit  wegen  schon  hier 
dem  Bericht  des  Hm.  Bleyer  angeschlossen. 

I)  Ausser  diesem  Schädel  lag  der  Sendung  noch  der  Unterkiefer  eines  7— 8jährigen 
Kindes  und  das  Fragment  eines  Oberkiefers  hei,  welche  keine  besonderen  Charaktere 
aufweisen. 


-     84.")     - 

welche  wahrscheinlich  von  den  Zähnen  wilder  Tiere  erzeugt  sind.  Der 
Oberkiefer  und  das  linke  Jochbein  waren  bei  der  Ankunft  ebenfalls  in 
mehrere  scharfkantige  Bruchstücke  gespalten,  konnten  aber  ziemlich 
genau  mir  dem  Schädel  zusammengefügt  werden.  —  Die  Farbe  des 
Schädels  ist  teils  schmutzig  gelblich,  teils  weisslich. 

Von  einer  Deformation  ist  keine  Spur  vorhanden.  Dieser  negative 
Befund  ist  immerhin  beachtenswert,  da  er  zu  der  von  Bleyer  oben  an- 
gegebenen Sitte  stimmt,  dass  die  Kinder  auf  der  Heise  von  den  Müttern 
in  Körben  auf  dem   Rücken  getragen  werden. 

Geschlecht:  Der  Schädel  ist  im  Ganzen  schwer  und  ziemlich  dick, 
die  arcus  superciliares  sind  kräftig  entwickelt,  weniger  die  lineae  semicir- 
culares  temporales  und  occipitales;  das  Stirnbein  zeigt  eine  deutliche 
crista  frontalis,  ebenso  zeigt  die  sutura  sagittalis  von  der  Scheitel- 


Fier.  l. 


Fi« 


höhe  bis  zu  den  Emissarium  hin  eine  starke  crista.  welche  durch 
eine  seichte  Kinne  geteilt  ist.  Die  tubera  frontalia  sind  verstrichen. 
die  tubera  parietalia  treten  stark  heraus.  Der  obere  Augen- 
höhlenrand ist  dick.         Protuberantia  occipitalis  nur  angedeutet. 

Alter:  Das  Gebiss  ist  kräftig,  vollständig  entwickelt  und  massig 
abgenutzt.  Die  Sutura  sagittalis  ist  ganz,  obliteriert,  die  S.  coronaria  «dien 
ebenfalls,  unten  erst  im  Beginn  der  Obliteration;  die  Lambdanaht  ist  noch 
ganz,  erhalten,  die  Sutura  aaso-maxillaris  ganz  aynostotisch.  —  Biernach 
gehör!  der  Schädel  wahrscheinlich  einem  Manne  im  reifen  Alter  von  40 
bis  60  Jahren  an. 

Norma  facialis  (Fig.  L):  1 ) i «^  Stirn  steigt  ziemlich  hoch  über  dem 
eigentlichen  Gesicht  auf.  Das  Mittelgewicht  selbst  ist  ziemlich  hoch  und 
\on  mittlerer  Breite.  Der  Augenhöhleneingang  ist  altgerundet  viereckig, 
die  Queraxe  fällt  deutlich  nach  aussen  ab,  der  obere  Rand  springt  massig 


—     846     — 


vor.  Die  Nasenbeine  sind  flach  dachförmig,  breit;  der  untere  Rand 
des  Naseneingangs  ist  abgerundet  und  geht  in  seichte  Fossae  praenasales 
über.  Die  Wangenbeine  sind  breit,  nach  hinten  gerichtet,  mit  starker 
tuberositas  malaris  und  deutlichem  Processus  marginalis  links. 
Der  .lochbogen  ist  geschweift  und  zierlich.  Die  Fossa  canina  ist  seicht, 
die  Juga  alveolaria  stark  ausgeprägt. 

Fi-   3.  Fig.  4. 


Norma  occipitalis  (Fig.  2):  Fünfeckig,  etwas  mehr  hoch  als  breit, 
mit  abgerundeten  Winkeln,  die  Seiten  Bchwach  geschweift,  im  Ganzen 
aber  fasi  gerade  abfallend.  Dm-  Scheitel  ist  flach  dachförmig,  auf 
der  First  längs  der  Sagittalnahl  ••in«'  wulstartige  Hyperostose  mit 
schwach  pinnenförmiger  Einsenkung  in  der  Mitte  (Lophocephalus 
Sergi).     Das   rechts   noch  offene  Emissariura   liegt  dicht  an  der  Sagittalis. 


—     847     — 

NForma  rerticalis  (Fig.  3):  Eiförmig  von  mittlerer  Breite,  vorn  ab- 
gestutzt. Die  Scheitelhöcker  treten  stark  hervor  (Pentagonoidee  subtilis 
Sergi).     Phaenozyg. 

Xnrina  l)as;ilis:  Gaumen  von  mittlerer  Breite  und  Länge,  Alveolar- 
fortsatz  hoch. 

Nuiiiia  Lateralis  (Fig.  4)  und  mediana  (Fig.  5):  D;i>  Gesicht  ist 
Bognath  (84°),  die  Nasenwurzel  eingesunken,  die  Glabella  her- 
vortretend. Di«'  Medianlinie  verläuft  in  sanft  gestrecktem  Bogen  nach 
hinten  and  oben  bis  zum  Bregma,  von  dort  ebenso  nach  hinten  und  unten 
bis  zum  Lambda,  dann  etwas  weniger  gestreckt  bis  zum  Inion,  um  dann 
schnell  nach  unten  und  vorn  umzubiegen  (Kmbolicus  Sergi).  Die  lineae 
semicirculares  temporales  erheben  sich  nur  25  mm  aber  die  fcubera  parie- 
talia,  so  dass  die  geringste  Bistanz  zwischen  beiden  immer  noch  85  mm 
beträgt.  Die  beiderseitigen  plana  parietalia  breit  und  flach  konkav.  Auf 
dem  Schläfenbein  befindet  sich  beiderseits  über  dem  Processus  mastoidens 
und  zwischen  dem  Processus  zygomaticus  und  dem  Asterion  eine  knollige, 
glatte  Auftreibung. 

Nach  den  unten  folgenden  genaueren  .Massen  ist  der  Schädel  ortho- 
dolichocephal,  mesognath,  leptoprosop,  mesokonch,  platyrrhin 
im  d  1  eptostaphylin. 


Im  Anschluss  hieran  möchte  ich  Ihnen  einen  zweiten  Schädel  unserer 
Sammlung  vorlegen,  der  nach  der  daran  befindlichen  Angabe  einem 
Individuum  desselben  Stammes  angehört  hat.  Derselbe  ist  von  Rudolf 
VirchoW  in  seinen  Crania  ethnica  Americana1)  als  Schädel  eines  Bugre 
aus  Rio  Grande  do  Sul  gelegentlich  abgebildet  mit  der  folgenden  Be- 
merkung: „Ich  setze  zur  Yergleichung"  (mit  den  hypsibrachycephalen 
Schädeln  aus  den  südbrasilianischen  Sambaqui  und  den  Paraderos  von 
Patagonien)  „die  Abbildungen  eines  Bugre  aus  dem  Hinterlande  von  Rio 
Grande  do  Sul  hinzu.  Kr  zeigt  schon  die  mehr  gestreckte  Gestalt,  welche 
die  Aboriginerstämme  des  östlichen  Brasilien  in  so  grosser  Vollendung 
entwickelt  hallen.-  —  An  dem  Schädel  selbst  ist  aber  ein  Täfelchen  an- 
gebunden mit  Virchows  eigenhändiger  Aufschrift:  Schädel  eines  Bugre. 
der  bei  Blumenau  St.  Catharina  1852  erschossen  wurde.  Geschenk  des 
Hrn.  Blumenau."  Der  Schädel  stimmt  mit  den  Abbildungen  genau  über- 
ein, su  dass  die  Identität  beider  zweifellos  ist.  Da  Virchow  indess 
weder  die  Klasse  noch  die  Beschreibung  des  Schädels  hinzufügt,  so  glaubte 
ich  beides  bei  dieser  Gelegenheit  nachholen  zu  sollen. 

Schädel  eines  Bugre  aus  Blunienau,  Santa  Catharina,  Brasilien.8) 

Erhaltungszustand:     Cranium.      Es   fehlen    mir   _'4  Zähne:    ferner 
sind  die  Spitzen  der  Processus  mastoidei  abgebrochen.     Der   rechte  obere 


n  Berlin  1892  S.  31. 

_    Vgl.    hierzu   die   Abbildungen   <lca   Schädels    in    R.    Virchows    Crania   ethnica 

americana.  Berlin  1892,  S.  :;i   Kg.  XXVI— XXIX. 


—     848     — 

Augenhöhlenrand  und  einige  andere  Stellen  stark  abgescheuert.  —  Die 
Farbe  ist  schmutzig  gelbbraun.     Ton  Deformation  nirgends  eine  Spur. 

Geschlecht:  Der  Schädel  ist  leicht  und  glatt,  das  Stirnbein  zeigt 
eine  starke  crista  frontalis,  die  Arcus  superciliares  sind  nur  massig- 
entwickelt,  stärker  die  lineae  semicirculares  temporales  und  occipitales, 
die  Stirnhöcker  sind  schwach  ausgeprägt.  Der  obere  Rand  des  Augen- 
höhleneingangs  ist  dünn  und  scharf,  ein  Charakter,  welcher  mehr  dem 
weiblichen  Geschlecht  eigen  zu  sein  pflegt.  Trotzdem  wissen  wir,  dass 
der  Schädel  einem  Manne  angehört  hat. 

Alter:  18 — 20  Jahre.  Die  Spheno-basilarfuge  noch  offen,  die  Weis- 
heitszähne sind  auf  der  linken  Seite  oben  und  unten  noch  nicht  durch- 
gebrochen und  die  sechs  erhaltenen  Zähne  noch  gar  nicht  abgeschliffen. 
—  Die  Nähte  sind  sämtlich  erhalten, 

Xorma  facialis:  Die  Stirn  ist  verhältnismässig  niedrig  und  schmal, 
das  Gesicht  mittelhoch  und  -breit,  oval,  das  Mittelgesicht  am  meisten  ent- 
wickelt. Der  Augenhöhleneingang  ist  abgerundet  viereckig,  die  Querexe 
wenig  nach  aussen  abfallend,  die  Räuder  springen  wenig  vor,  am  Dach 
wenige  Cribra.  Die  glabella  tritt  stark  hervor,  die  Nasenwurzel 
ist  eingesunken,  die  Nasenbeine  sind  klein,  schmal  und  dachförmig, 
die  Nasenöffnung  ist  relativ  hoch  und  schmal,  der  untere  Nasenrand 
isr  verstrichen,  Fossae  praenasales  sind  angedeutet.  Das  Jochbein 
ist  glatt,  nach  hinten  gerichtet,  Processus  marginalis  beiderseits 
vorhanden,  rechts  spitz,  links  stumpf,  Jochbogen  zierlich,  geschweift. 
Processus  alveolaris  prognath  (81°),  juga  alveoiaria  stark  ausgebildet- 
fossa  canina  seicht.  —  Gaumen  kurz,  schmal  und  flach  gewTölbt,  mit 
deutlicher  Spina  nasalis  posterior  und  crista  marginalis.  Der  Unterkiefer 
ist  klein,  zierlich,  mit  guten  Muskelansätzen,  die  Äste  steigen  steil  auf, 
die  Gelenk-  und  Kronenfortsätze  sind  klein,  die  Incisur  ist  flach.  Der 
untere  Rand  des  Körpers  ist  geschweift  und  nicht  sehr  dick,  die  vordere 
Kinnfläche  dreieckig,  das  Kinn  selbst  stumpf  mit  gut  entwickelter  Pro- 
tuberanz,  der  Alveolarteil  ist  ganz  erhalten,  die  Alveolen  sind  grössten- 
teils leer. 

Xorma  occipitalis:  Fünfeckig  mit  abgerundeten  oberen  Winkeln, 
die  Seiten  fallen  fast  gerade  ab,  nach  unten  etwas  konvergierend.  Die 
obere  Spitze  zeigt  zu  beiden  Seiten  der  Sagittalis  eine  schwache 
Kiiinnibildung  mit  mittlerer  Rinne  für  die  Naht.  Beide  Emissarien 
klein,  offen.  In  der  Lambdanaht  sind  mehrere  Schaltknochen,  ein  11  mm 
hoher  (os  fonticulare  posterius)  an  der  Spitze  derselben.  Die  Ober- 
schuppe  tritt  fast  halbkugelförmig  hervor,  ein  Tonis  occipitalis  ist  an- 
gedeutet, die  Muskelleisten  sind  kräftig  entwickelt,  eine  eigentliche  Pro- 
tuberantia  occipitalis  fehlt. 

Norma  verticalis:  breit  eiförmig,  vorn  verschmälert,  phaenozyg, 
die  Pfeilnaht  verläuft  nicht  in  der  Mitte,  sondern  mehr  nach  links  zu. 
Die  Crista  frontalis  ist  stark  entwickelt  und  teilt  sich  längs 
der  Sagittalis  in  zwei  Leisten,  welche  die  N;iht  bis  zur  Scheitel- 
höhe begleiten,  <lio  tubera  frontalia  sind  schwach,  die  parietal ia  treten 
stark   hervor,  die  Aren-  superciliares  ebenso  vorn  (Ovoides  byrsoides  Sergi). 


—     849     - 

Norma  basalis:  Das  Foramen  magnum  ziemlich  gross,  in  der  Mitte, 
i.nit  eiförmig,  die  rechte  Hälfte  etwas  erweitert,  die  Processus  condyloidei 
sind  mittelgrosa  und  stark  gebogen.  Die  Fossae  glenoidales  tief,  die  Pars 
liasiJaris  breit,  uneben,  die  Pr.  pterygoidei  niedrig  und  ziemlich   breit. 

Norniii  Lateralis:  Alveolare  Prognathie  (81°).  Grlabella  ist  vor- 
tretend, die  Nasenwurzel  eingesunken.  Die  .Medianlinie  steigt 
schräg  bis  /.ur  Höhe  der  Stirnhöcker  auf,  verläuft  dann  in  flachem  Bogen 
bis  zum  Obelion,  um  von  dort  steil  bis  zum  Lambda  abzufallen.  Von 
dort  krümmt  sie  sich  in  scharfem  Bogen  um  das  Inion  herum  bis  zum 
Opisthion.  Die  Lineae  semicirculares  temporales  steigen  nur  &mm  über 
die  Tubera  parietalia  auf.  sodass  sie  sich  beiderseits  nur  bis  auf  115  mm 
nähern.  Das  planum  parietale  breit  und  flach  konkav.  D;i-  Os 
temporale  isi   niedrig,  fast  Mach,  die  Ohröffnung  hoch,  oval. 

Die  kraniometrische  Diagnose  lautet  nach  den  unten  folgenden  Massen: 
Orthomesocephal,  prognath,  chamaeprosop  (nach  dem  Gesichtsindex 
Virchow),  leptoprosop  (nach  dem  Mittelgesichtsindex  Virchow),  chamae- 
koncli.  platyrrhin  und  leptostaphylin. 


Nach  dieser  kraniometrischen Klassifikation  bieten  die  beiden  Schädel 
von  Individuen  ein  und  desselben  Stammes  wesentliche  Unterschiede,  die 
auch  bei  der  oberflächlichen  Betrachtung  sofort  auffallen.  Indessen  stellen 
sich  doch  bei  eingehender  Prüfung  gewisse  Ähnlichkeiten  im  Aufbau  her- 
aus. Zunacht  steht  der  Längenbreitenindex  (73,3  und  77.3)  beider  Schädel 
ziemlich  nahe  der  Grenze  der  Mesocephalie  (75).  der  Profilwinkel  beider 
84  und  8]  ziemlich  nahe  der  Grenze  der  Prognathie  (82 — 83),  eben- 
so der  Orbitalindex  (79,1  und  81,8)  ziemlich  nahe  der  Grenze  der  Chaniae- 
konchie  80),  —  es  fallen  diese  Unterschiede  wohl  mehr  in  die  Grenzen 
individueller  Schwankungen  und  die  kraniometrische  Klassifikation  erweist 
sich  damit  als  eine  künstliche.  Jedenfalls  entfernen  sich  die  Längen- 
breitenindices  nicht  so  weit  von  einander,  wie  dies  bei  anderen  einheit- 
lichen Stämmen  der  Ureinwohner  Brasiliens  der  Fall  ist,  z.  B.  bei  den 
Kayapos1),  bei  denen  die  Indices  zwischen  73.4  und  83,6,  oder  bei  den 
Botokuden8),  bei  denen  die  Indices  zwischen  69,1   und  80,7  schwanken. 

Dagegen  besitzen  beide  Schädel  wichtige  deskriptive  Charaktere  gemein- 
sam. Zunächst  haben  beide  eine  deutliche  crista  frontalis  und  eine  Hyperostose 
in  der  Gegend  des  Obelion,  welche  bei  dem  jugendlichen  Bugre  nur  eine 
Knochenleiste  zu  beiden  Seiten  der  offenen  Sagittalis  darstellt,  während 
sie  bei  dem  alten  Schokleng  mit  vollständig  obliterierter  Sagittalis  bereits 
zu  einer  dicken,  wulstigen  Auflagerung  verschmolzen  ist.  —  Es  stehen  bei 
beiden  Schädeln  ferner  die  Tubera  parietalia  stark  hervor,  während  die 
Stirnhöcker  selbsl  bei  dem  jungen  Bugre  nur  schwach  zu  erkennen,  bei 
dem  Schokleng  aber  ganz  verstrichen  sind;  desgleichen  erheben  sich  die 
Lineae  semicirculares  temporales  bei  beiden  Schädeln  nur  wenig  über  die 

1)  Ehrenreich,  Anthrop.  Stuilien  über  die  ürbewohnei  Brasiliens.  Braonschweig 
L897,  S.  L63. 

2]  Zeitschr.  f.  Ethnologie  1887,  S.  66  IV. 


—    850    — 

Scheitelhöcker,  so  dass  zwischen  diesen  und  der  Medianebene  ein  breites, 
flach  konkaves  Planum  parietale  dachförmig  über  dem  fast  gerade  ab- 
fallenden Planum  temporale  aufsteigt,  wie  dies  besonders  die  Norma  occi- 
pitalis  erkennen  lässt.  Bei  beiden  besitzt  das  Jochbein  ferner  einen 
Processus  marginalis,  tritt  die  Glabella  stark  hervor,  ist  die  Nasenwurzel 
eingesunken,  besteht  alveolare  Prognathie  massigen  Grades. 

Dagegen  ist  die  Stirn  beim  Bugre  viel  schmäler  als  beim  Schokleng, 
und  die  Oberschuppe  des  Hinterhauptes  bei  ersterem  halbkugiig  vor- 
gewölbt, heim  Schokleng  mehr  nach  hinten  gestreckt,  —  Unterschiede, 
welche  sowohl  individuell  wie  typisch  sein  können.  Eine  Entscheidung 
hierüber  wird  erst  möglich  sein,  wenn  ein  grösseres  Material  vorliegt. 

Zwei  Merkmale  erfordern  eine  genauere  Würdigung. 

Die  starke  Wulstbildung  in  der  Gegend  des  Obelion  hat  Virchow 
bereits  bei  anderen  amerikanischen  Schädeln1)  beschrieben  und  abgebildet. 
Auf  Tafel  XI  bildet  er  den  Schädel  eines  Caygua  aus  der  Provinz  Paranä 
ab  und  sagt  in  dem  beschreibenden  Text:  „am  hinteren  Teil  der  Sagittal- 
gegend  ein  unebener  Höcker  in  der  Medianebene."  —  Denselben  Höcker 
zeigt  deutlich  die  Hinterhauptansicht  eines  Schädels  aus  einer  Muschelbank 
bei  Mechi,  Chile,  auf  Tafel  YII.  Auch  an  dem  Schädel  von  Huanila, 
Chile,  auf  Tafel  IV,  „wird  der  hintere  Teil  der  Sagittalis  jederseits  von 
einer  niedrigen  Crista  begleitet."  — 

Ferner  hat  Ehrenreich2)  bei  zwei  Kayaposchädeln  diesen  Wulst  be- 
schrieben und  abgebildet  uud  zwar  bei  dem  defekten  Kayapo  IV,  S.  151 
nur  „rechts  von  der  Sagittalnaht  schwach  entwickelt  (links  zerstört)", 
während  er  vom  Kayapo  I,  S.  145  sagt:  „Der  Scheitel  erscheint  exquisit 
dachförmig  mit  sagittalem  Wulst  und  rinnenförmiger  Einsenkung."3) 

Der  Processus  marginalis  des  Jochbeins  kommt  ferner  bei  den  ver- 
schiedensten Rassen  vor,  wohl  aber  bei  keiner  so  häufig  wie  bei  den 
Botokuden.  Virchow4)  nannte  ihn  Tuberositas  temporalis  ossis  malaris, 
Stieda5)  schlug  schon  früher  dafür  den  Namen  Processus  Sömmeringii 
vor,  —  dagegen  hat  sich  der  noch  ältere  Name  Processus  marginalis,  der 
von  Luschka  herrührt,  am  meisten  eingebürgert.  —  Der  Processus  ist 
allerdings  bald  als  blosse  Tuberositas,  bald  als  richtiger  Vorsprung  aus- 
gebildet. Virchow  hat  ihn  an  seinen  26  Crania  ethnica  americana  vier- 
mal und  Ehrenreich  an  seinen  11  brasilianischen  Schädeln2)  (4  Karaya, 
5  Kayapo.  1  Paumari  und  1  Ipurina)  zweimal  angegeben.  Dagegen  sagt 
der  letztere6)  von  den  Botokuden:  „die  meisten  Schädel  besitzen  .... 
die  von  Virchow  so  genannte  Tuberositas  temporalis  ossis  malaris.  Auch 
Etey's  und  Peixoto's  Cranien  zeigen  dieselbe  Bildung.  Nur  bei  den 
weiblichen  ist   dm'  Fortsatz  schwächer  entwickelt,  bisweilen  ganz  fehlend.'" 


\)  In  den  schon  oben  zitierten  Crania  ethnica  americana.  —  2)  1'.  Ehrenreich, 
Anthropologische  Studien  über  die  Urbewohner  Brasiliens.  Braunschweig  JN!>7.  — 
■  Der  Schädel  wurde  /.um  Vergleich  ebenfalls  demonstriert.  —  4)  Verhandlungen  der 
Berliner  Anthropol.  G.  L875,  S.  162  und  Crania  ethnica  americana,  S.  28.  —  .3)  Ver- 
handlungen   der   Berliner   Anthropol.  G.  1880,   S.  219.  —   6)  Z.  f.  Ethnol.  L887,  S.  74 


—    85 1     — 

Was  nun  die  Stellung  unserer  beiden  Schädel  zu  den  übrigen  be- 
kannten südamerikanischen  Schädeln  betrifft,  so  zeigen  sie  eine  un- 
verkennbare Verwandtschaft  mit  den  anderen  brasilianischen.  Die 
Schilderung  der  Eayapo  bei  Ehrenreich1)  zeigt  ^<»  viele  verwandte  Züge, 
besonders  im  Gesicht,  mit  dem  Schokleng,  dass  <lie  Verschiedenheit  des 
Index,  der  ja  bei  den  vier  dort  beschriebenen  ebenfalls  in  weiten  Grenzen 
schwankt,  dagegen  nicht  ins  (iewicht  fällt,  wie  Ehrenreich  mir  Recht 
ausgeführt  hat.  Besonders  der  Kayapo  I  steht  in  vielen  Merkmalen  und 
.Massen  dem  Schokleng  kraniologisch  am  nächsten. 

(Jan/,  ähnlich  ist  das  Verhältnis  des  Bugre  zu  den  weiblichen  Boto- 
kudenschädeln,  welche  Ehrenreich2)  zusammengestellt  hat.  Während 
aämlich  die  männlichen  Individuen  im  ganzen  hypsidolichocephal  sind. 
sind  die  weiblichen  mehr  orthomesocephal,  —  bei  beiden  zeigt  die  Sagittal- 
kurve  eine  mehr  frontale  und  parietale  als  eine  occipitale  Entwicklung  des 
Schädels;  springt  ferner  die  Glabella  vor,  ist  die  Nasenwurzel  eingesunken, 
die  Fossa  canina  seicht,  —  alles  Merkmale,  welche  der  Bugre  ebenfalls 
zeigt,  wie  wir  oben  gesehen  haben.  Nur  die  verschmälerte  Stirn  und  das 
halbkuglige  Hinterhaupt  unterscheiden  unseren  Bugre  sowohl  von  den 
meisten  Hotokuden  wie  vom  Schokleng.  Nur  der  jugendliche  l'ancas- 
Botokude  vom  Rio  Doce8),  der  ganz  derselben  Altersklasse  angehört,  be- 
sitzt hei  einem  Os  Incae  imperfectum  ein  gleich  vorgewölbtes  Hinterhaupt. 
wie  der  Bugre,  eine  Tatsache,  welche  darauf  hinweist,  dass  diese  Vor- 
wölbung als  ein  individueller,  vielleicht  auch  als  ein  jugendlicher  Charakter 
aufzufassen  sein  dürfte. 

Übersicht  der  Masse.4) 

Schokleng        Bugre 

1.  Kapazität — ■               1340  c.c. 

•_.  Grösstc  Horizontallänge  Virchow IST  L76 

Länge 189  181 

I.  IntertuberaHänge L85  175 

5.  Gröaste  Breite  Virchow 137  L36 

iL  Gerade  Höhe  Virchow —  128 

7.  Ohrhöhe  Virchow 112  113 

8.  Horizontale  Länge  des  Hinterhauptes  Virchow —  Hl 

'.>.  Entfernung  - l^r  Nasenwurzel  vom  Hiuterhauptslnch  Virchow  —  97 

10.  r              „                              n     Gehörgang  Virchow    .    .  113  1"1 

11.  Breite  der  Schädelbasis 108  9G  ! 

12.  Länge  der  Pars  basilaris —  29 

13.  „       des  Foramen  magnum 38 

11.  Breite    „           „                   „       _ 

15.  Horizontalumfang  Virchow 521  500 

16.  Sagittalumfang  des  Stirnbeins  Virchow 131  li'L 

L7.            ..                  der  Parietalia  Virchow 105  L30 

I  inkl.  das  osfon- 
ticuli  posterius] 

li  Anthropologische  Studien  usw.  1.  c  S.  161. 

2  /.  f.  Ethnologie  1887,  S.  67 ff- 

3  Orania  ethnica  americana,  Tf.  XIII. 

i    Der  leichteren  Vergleichung  wegen  sind  die  von  Virchow  in  den  Crania  ethnica 
americana    gebrauchten    Blasse    und  Indices   hier   durch  Zusah   Beines  Namens  besonders 
hnet. 


—     852     — 

Schokleng        Bugre 

18.  Sagittalumfang  der  Squama  occipitis  Virchow —  112 

19.  „  ganzer  Sagittalbogen  Virchow —  363 

20.  Vertikaler  Querumfang 300  302 

21.  Minimale  Stirnbreite  Virchow 90  81 

22.  Gesicht  Höhe  A  Virchow —  10!) 

23.  ..  „      B  Virchow 70  61 

24.  ..  Breite  a  Virchow 130 

25.  ..  „      b  Virchow 112  99 

26.  ..  „       c  Virchow —  93 

27.  Orbita,  Höhe  Virchow 36  34 

28.  Orbita,  Breite  Virchow 44  43 

29.  Na^e.  Höhe  Virchow 53  48 

30.  „       Breite  Virchow 28 (?)  25 

;'>1.  Gaumen.  Länge  Virchow 56  51 

32.  ..       ■  Mittelbreite  Virchow 41  37 

-'..:.  ..         Endbreite 40  43 

34.  Prolillänge  des  Gesichts,  Kollmann —  93 

35.  ProHlwinkel 84°  81° 

Berechnete  Indiccs  Virchow. 

Schokleng  Bugre 

Längenbreitenindex 7:'>,:'>  77,3 

Längenhöhenindex —  72,7 

Ohrhöhenindex 59,9  64,2 

Hinterhauptsindex —  34,6 

Gesichtsindex —  83,8 

Mittelgesichtsindex,    Breite  b,  Höhe  b     62,.")  61,6 

( »rbitalindex 81,8  79,1 

Nasenindex 52,8  52,1 

Gaumenindex 7-">,2  72.-") 

Hr.  Ehr enr eich:  Die  ethnologische  Stellung'  der  sogenannten  „Bugres" 
von  S.  Catharina  ist  noch  immer  recht  unsicher,  da  wir  über  deren 
Sprache  noch  so  gut  wie  nichts  wissen.  In  Lebensweise  und  Kulturbesitz 
schliessen  sie  sich  freilich  durchaus  den  sog.  niederen  Gesstämmen  an, 
deren  bekannteste  Vertreter  die  oft  mit  ihnen  verwechselten  Botokuden 
sind.  Auch  ist  der  Name  Schokleng,  mit  dem  sie  sich  nach  dem 
Zeugnis  von  August  S.  Hilaire  selbst  bezeichnen  sollen,  ein  entschiedenes 
Geswort  analog  dem  Kayaponamen  Uschikring.  Ks  besteht  jedoch  die 
Möglichkeit,  dass  dieser  Name  nicht  ihr  eigener  ist,  sondern  ihnen  von 
ihren  Nachbarn,  den  Käme  (Cäingäeng),  gegeben  wurde.  Die  von  Hrn. 
Lissauei'  angeführten  kraniologischen  Tatsachen  würden  wenigstens  für 
ihre  anthropologische  Verwandtschaft  mit  den  Ges  ein  wichtiges  Argument 
sein.  Eine  definitive  Entscheidung  lässt  sich  jedoch  nicht  geben,  ehe  ein 
einwandfreies  sprachliches  Material   vorhanden  ist. 


Sitzung-  vom    19.  November  1904. 
Vorsitzender:    Hr.  Lissauer,  später  Hr.  Waldeyer. 

(1)  Der  Vorstand  liar  an  Stelle  des  verstorbenen  Geh.  Sanitätsrats 
Professor  Dr.  Max  Bartels  Hrn.  Dr.  Neuhauss  als  Schriftführer  kooptiert. 

Von  Hrn.  Traeger  sind  aus  Kroatien  und  Serbien  Grüsse  an  die 
Gesellschaft  eingetroffen.  — 

•  (2)  Y«»n  unseren  Mitgliedern  sind  in  den  letzten  Monaten  noch  _  - 
storben  die  Herren  Dr.  Gatte!  in  Berlin  und  Geh.  Sanitätsrat  [deler 
in  Wiesbaden. 

Wir  beklagen  ferner  den  schweren  Verlust,  den  die  Naturwissen- 
schaften insgesamt  durch  den  Tod  Av^  berühmten  Vulkanforschers  Alton- 
St  übel  in  Dresden  erlitten  halten.  Unserer  Gesellschaft  stand  er  nahe 
durch  die  Ausgrabungen,  welche  er  mit  Wilhelm  Reiss  auf  dem  Gräber- 
feld von  A.ncon  und  selbständig  auf  der  Ruinenstätte  Tiahuanaco  ver- 
anstaltet und  deren  Ergebnisse  in  prachtvoll  ausgestatteten  Werken,  welche 
eine  Zierde  unserer  Bibliothek  bilden,  zum  Teil  gemeinsam  mit  l'hle. 
veröffentlicht  worden  sind. 

Wir  weiden   das  Andenken  aller  drei  Männer  stets  in  Ehren  halten.  — 

(3)  Als  neue  .Mitglieder  werden   noch  für  das  laufende  Jahr  gemeldet: 

Hr.  Dr.   E.  Simons,  Arzt  in  Charlottenburg, 
[ngenieur  Xaver  Kirchhof  in  Friedenau, 

Stubenvoll  in   Vukovar  a.  d.  Donau. 

(4)  Die  Alterrunisgesellsehaft  l'russia  feiert  heute  den  60jährigen 
Stiftungstau.  Wir  haben  der  rüstig  fortschreitenden  Gesellschaft  tele- 
graphisch unsere  herzlichen  Glückwünsche  ausgesprochen.  — 

(5)  Der  Vorsitzende  begrüsst  die  Herren  Dr.  Lehmann-  N  itsche 
aus    La   Plata    und    Professor    Thilenius    aus    Hamburg'    als    Mitglieder, 

und  die    Herren  Dr.  Lewitt,    Pa--ar_e,    Sternbeck    und  Geh.   Baurat 
Sehini  eilen  aus  Berlin  als  Gäste. — 


—     854    — 

(6)  Hr.  Lehmann-Nitsche,  der  sich  zurzeit  auf  Urlaub  in  Deutsch- 
land aufhält,  zeigt 

altpatagonische,  angeblich  syphilitische  Knochen 
aus  dem  Museum  zu  La  Plata. 

Die  Frage  von  dem  amerikanischen  Ursprünge  der  Syphilis  ist  in 
neuerer  Zeit  wieder  in  den  Vordergrund  des  Interesses  getreten  und  gerade 
durch  die  Arbeiten  von  Iwan  Bloch  wesentlich  gefördert,  wenn  nicht  gar 
gelöst  worden.  Mit  aller  Entschiedenheit  tritt  dieser  Autor  dafür  ein. 
und  mau  muss  gestehen,  dass  seine  Darlegungen  sehr  überzeugend  wirken.1) 
Auch  auf  dem  letzthin,  Ende  August  d.  J.,  in  Stuttgart  abgehaltenen 
14.  internationalen  Amerikanistenkongresse  hat  Bloch  dies  Thema  er- 
örtert und  dank  der  vorzüglichen  Organisation  war  das  gedruckte  Pro- 
gramm  mit  der  Übersicht  der  angekündigten  Vorträge  noch  unmittelbar 
vor  meiner  Abreise  aus  Argentinien  Anfangs  Juli  in  meinen  Händen. 
Ich  entscliloss  mich  daher,  diejenigen  menschlichen  Knochen  aus  der 
anthropologischen  Abteilung  des  Museums  zu  La  Plata,  welche  syphilis- 
verdächtig waren,  mitzunehmen  und  dem  Amerikanistenkongresse  wie 
heute  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft  zur  Nachprüfung  vor- 
zulegen. Während  in  Stuttgart  die  Präparate  von  Spezialisten  nicht  nach- 
geprüft werden  konnten,  da  solche  dem  Kongresse  nicht  beiwohnten, 
wird  heute  Hr.  Professor  v.  Hansemann  die  Güte  haben,  sein  Urteil 
darüber  abzugeben. 

Aus  dem  grossen  losen  osteologischen  Material  der  anthropologischen 
Sammlung,  in  welcher  vor  allem  Araukaner,  Calchaqui,  San  Juan-Ur- 
bevölkerung und  Patagonier  vertreten  sind,  hatte  ich  schon  früher  alles 
Pathologische  ausgesondert  und  in  besonderen  Schrankabteilungen  nach 
Art  eines  pathologischen  Kabinets  miteinander  vereinigt.  Die  aus  dem 
Chubuttale  (Patagonien)  aus  alten  indianischen  Grabstätten  stammenden 
krankhaften  Knochen  habe  ich  inzwischen  in  einer  Statistik  nach  den 
verschiedenen  pathologischen  Veränderungen  übersichtlich  zusammen- 
gestellt und  bin  im  Texte  zu  dieser  kleinen  Publikation2)  speziell  auf 
die  Krankheit  yja  §£o%r]v  der  alten  Patagonier,  die  Arthritis  deformans 
näher  eingegangen.  Hr.  R.  Stegmann  hat  dann  gelegentlich  eines 
Aufenthaltes  in  Argentinien  so  ziemlich  das  gesamte  Material  des  patho- 
logischen Kabinets  sowie  die  armierten  Skelette  einer  Untersuchung  unter- 
zogen ii  1 1 •  1  darüber  vor  der  Wiener  anthropologischen  Gesellschaft  einen 
Vortrag  gehalten,  der  soeben  im  Druck  erschienen  ist.8) 

Momentan  interessieren  uns  nur  die  ayphilisverdächtigen  Stücke.  In 
meiner  Statistik    über    die    pathologischen   Knochen    der    alten  Patagonier 

h  Bloch,  Der  Ursprung  der  Syphilis.  I.  Band.  Jena,  Verlag  von  Gustav  Fischer 
L901.  —  Ein  Auszug  davon  ist  des  gleichen  Verfassers  Vortrag:  Das  erste  Auftreten  der 
Syphilis  (Lustsenche)  in  der  europäischen  Kulturwelt.  Jena,  Verlag  von  Gustav 
I  i  eher,  1904. 

2j  I.'lnnann-Nitsciie,  La  arthritis  deformans  de  los  antiguos  Patagones.  Contri- 
bueiön  ;i  la  antropo  patologia.    Revista  de]  Museo  de  La  Plata,  XI,  p.  L99 — 204  (1903) 

"0  Stegmann,  Knochensystemerkranknngen  südamerikanischer  Indianer  (mit  Be- 
rücksichtigung  altperuanischer  Vasen).    .Mitt.  der  anthrop.  Ges.  Wien.    1904,    S.  [68]— [89]. 


—    85.")     — 

ans  dem  Chubuttale  Bind  drei  rechte  Tibien  /.war  unter  aller  Reserve  als 
„syphilitisch?*  aufgezählt,  von  Hrn.  Stegmann  aber  aach  genauer  Nach- 
prüfung ganz  gestrichen  worden.  Dagegen  erklärt  er  ein  Paar  Schien- 
beine nebst  den  dazu  gehörenden  Wadenbeinen,  welche  aus  den  gleichen 
Grabstätten  des  Chubuttales  stammen,  wie  jene,  in  meiner  Statistik  aber 
überhaupt  nicht  aufgeführt  wurden,  als  einwandfreien  Fall.  Er  glaubt 
bestimmt  (S.  [83J),  „dass  es  sich  um  multiple  gummöse  Osteomyelitis 
handelt.      Die  Tibien   weisen   an   verschiedenen   Stellen    zirkumskripte   Auf- 

Abli.  A. 


Aus  Stegmann  1.  c.  S.  [84].     Fig.  60  I 


treibungen  auf.  Knuten,  die  an  ihrem  höchsten  Tunkt  Öffnungen  zeigen, 
die  in  die  Markhöhle  hineinführen.  Das  multiple  Auftreten  ist  charakte- 
ristisch für  die  VtVekt'mii  der  langen  Röhrenknochen.  Leider  Lässt  sich 
für  diesen  einwandfreien  Fall  der  präkolumbianische  Ursprung  Dicht  uach- 

w  ei-en.- 

[ch    bemerke    hierzu,    dass    Er.  Stegmann    nur    die    beiden  Tibien 
s.   Ubb.  A.),  nicht  aber  auch  die  beiden  dazu  gehörenden  Wadenbeine  be- 
rücksichtigt und  auch  nicht  sagt,  dass  die  Stücke  aus  den  gleichen  Grab- 
stätten des  Chubuttales,   aus  der  Umgegend  der  Walliser  Kolonie  Trelew. 
herstammen,  wie  die  in  meiner  Statistik   behandelten.     Ich    habe   da  kurz 


—    856    — 

diese  Gräber  wie  die  dazu  gehörenden  Beigaben  charakterisiert  und  »e- 
sagt  (1-  c.  S.  200),  dass  die  Ausgrabungen  im  Jahre  1893  im  Auftrage  des 
Museums  zu  La  Plata  von  dem  damaligen  ersten  Präparator  Hrn.  Santiago 
Pozzi  vorgenommen  wurden,  dass  die  zahlreichen  Schädel  (über  300)  und 
Skelette  (19  armierte  sowie  über  "2000  lose  Knochen)  sehr  charakteristisch 
sind  und  die  betreffenden  Leute  als  Vorfahren  der  heutigen  bekannten 
Tehuelche  aufzufassen  wären;  dass  die  Beigaben,  prächtig  gearbeitete 
steinerne  Pfeilspitzen,  Wurf  kugeln  aus  Stein,  Halsketten  aus  durchbohrten 
Muschelscheibchen,  steinerne,  offenbar  zu  Zeremonien  bestimmte  Äxte  von 
flacher  Hantelform,  auch  einige  grosse  Gefässe  aus  gebranntem  Ton,  keinen 


Abb.  B. 


Aus  Stcgmaun  1.  c.  S.  [83].     (Fig.  58.) 


europäischen  Einfluss  aufweisen  und  auch  nichts  direkt  Europäisches  ge- 
funden wurde.  Ich  kann  jetzt  zufügen,  dass  die  betreffende  Kultur  der- 
jenigen durchaus  gleich  ist,  welche  von  Hrn.  Yerneau  in  seinem  voriges 
Jahr  auf  Kosten  des  Fürsten  von  Monaco  herausgegebenen  Prachtwerke: 
..  Lfs  aiiciens  Patagons"  in  guten  Tafeln  dargestellt  wurde  und  welche  ja 
auch  vorwiegend  aus  dem  Territorium  Cliubut  stammt,  und  ich  glaubt» 
nicht,  dass  jemand  an  dem  präkolumbianischen  Ursprung  derselben  zweifeln 
könnte. 

Um  nun  auf  die  beiden  Tibien  zurückzukommen  (Abb.  A).  so  scheint 
mir  eine  so  prägnante  Diagnose,  wie  sie  Hr.  Stegmann  aufstellt,  zweifel- 
haft, bei  der  weitgehenden  Wichtigkeit  aber  eine  Nachprüfung  an  den 
Originalen  durch  Spezialisten  durchaus  notwendig.     Ich    selber    hatte  den 


Fall  nie  für  luetisch  gehalten.  Hr.  v.  Hansemann  wird  aber  die  Gräte 
halten,  darüber  sein  kompetentes  Urteil  abzugeben.  Ich  zeige  Ihnen  die 
rechte  Tibia  und  die  beiden  Wadenbeine,  die  linke  Tibia  ist  in  La  Plata 
geblieben,  ihre  pathologischen  Veränderungen  ^ind  aber  die  gleichen  wie 
bei  der  rechten  und  aus  Abb.  A  genügend  deutlich  zu  erkennen. 

In  seiner  Arbeit  hat  Hr.  Stegmann  ferner  einen  Schädel  behandelt, 
der  aus  den  gleichen  Ausgrabungen  aus  dem  Chubuttale  stammt  wie  'bi- 
Material meiner  Statistik  und  die  eben  besprochenen  Beinknochen  (s.  Abb.  1» 
und  C).  Wenn  er  sagt,  dass  die  Provenienz,  oder  besser  ausgedrückt  die 
präkolumbianische  Abstammung,  nicht  völlig  gesichert  ist,  so  verweise  ich 

Abb.  C. 


Aus  Stegmann  i.  c.  S.  [83].     (Fig.  59.) 

auf  das  bei  dem  eben  abgehandelten  Falle  Auseinandergesetzte.  Der  von 
Hrn.  Stegmann  sehe  gut  beschriebene  und  photographierte  Schädel  zeig< 
nach  ihm  die  Anzeichen  entweder  einer  gummösen  Erkrankung  der  Diploe 
oder  einer  infektiösen  Diploitis,  einer  ausgedehnten  Osteomyelitis  des 
Schädeldaches,  Hr.  Stegmann  entscheidet  sich  aber  nicht  für  die  eine 
>>der  die  andere  Diagnose  and  ich  habe  das  Stück  auch  nicht  erst 
mitgebracht.  Die  Abbildungen  B  und  C  genügen.  Leider  ist  das 
Samte  schöne  Material  aus  dem  Chubuttale  nicht  von  geschulter  Hand 
geborgen  wurden  und  fand  sich  bei  meinem  Eintritt  in  das  Museum  zu 
La  Plata  (1897)  den  bereits  vor.  Die  Möglichkeit,  wie  mir  jetzt  ein- 
fällt, dass  die  vorhin  behandelten  Knochen  der  unteren  Extremität  und 
der  vorliegende  Schädel    dem    gleichen   Individuum    angehörten.    i>t   nicht 

tschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  1904.    Heft  6.  -,-, 


—     858     — 

ausgeschlossen,  sogar  recht  wahrscheinlich  und  es  ist  daher  auch  des- 
wegen zu  folgern,  dass  es  sich  bei  dem  Schädel  um  Osteomyelitis,  nicht 
Syphilis  handelt. 

Schliesslich  brachte  ich  den  dritten  eventuell  hier  in  Frage  kommenden 
Fall  aus  dem  La  Plata-Museum  mit.  Es  ist  eine  defekte  Schädelkapsel 
aus  dem  Rio  Negro-Tal,  von  Hrn.  Moreno1)  gefunden  und  1880  von  ihm 
der  anthropologischen  Gesellschaft  zu  Paris  vorgezeigt.  Das  präkolumbische 
Alter  ist  zweifellos.  In  der  auf  Hrn.  Morenos  Vortrag  folgenden  Debatte 
wurden  die  pathologischen  Läsionen  von  Bordier,  Bertillon  Vater  und 
Broca  für  luetisch  erklärt,    aber    nicht    genauer  beschrieben.     Hr.  Steg- 

Abb.  D. 


Aus  Stegmaun  1.  c.  S.  [81 J.     (Fig.  56). 

mann  hat  das  Versäumte  nachgeholt  und  Abbildungen  beigefügt  (s.  Abb.  D 
und  E).  Es  handelt  sich  um  ein  Trauma  und  eine  Erkrankung  der 
Schädeldecke  und  Stegmann  kommt  nach  eingehender  Prüfung  zu  dem 
Schlüsse,  dass  letztere  wahrscheinlich  in  ursächlichem  Zusammenhange 
mit  dem  Trauma  stehen,  es  sich  also  um  traumatische  Osteomyelitis 
handele,  dass  aber  auch  kein  Zusammenhang  anzunehmen  und  Syphilis 
nicht  ausgeschlossen  sei  Bei  der  Wichtigkeit  dieses  Falles,  welcher  schon 
wegen  des  Urteils  der  französischen  Forscher  eine  genaueste  Nachprüfung 
verdient,  möchte  ich  ganz  besonders  darauf  aufmerksam  machen,  ein 
sicheres  Urteil  wird  nur  ein  erfahrener  Spezialist  zu  fällen  imstande  sein. 


Sollten    die    vorgezeigten  Fälle    auch    nicht    die  Annahme   einer  prä- 
kolumbianischen  Syphilis  belegen,    so    sprechen    sie    doch    nicht   dagegen. 

L)  Moreno,    Sur  doux  cränes  prelristoriqucs  rapportes    du    Kio  Negro.     Bull,  de  la 
Soc.  d'Anthr.  de  Paris,  1880,  p.  -190-497. 


859    — 

Wenn  man  von  «lein  „amerikanischen"  Ursprung-  dieser  Krankheit  redet, 
so  denkt  man  von  Europa  aus  nicht  an  die  ungeheure  Ausdehnung  dieses 
Kontinentes  und  behauptet,  ohne  sich  viel  zu  überlegen,  mit  dem  Aus- 
druck „amerikanisch"  doch  eine  allgemeine  Ausbreitung  der  Krankheit 
im  Bereiche  von  ganz  Amerika.  Nun  weisen  aber  die  Studien  Blochs 
und  die  alten  Quellen  auf  ganz  bestimmte  Bezirke,  nämlich  die  Antillen 
und  den  zentralamerikanischen  Kontinent,  als  Stammland  der 
Syphilis  hin.  Hier  zunächst  muss  man  daher  nach  den  osteologischen 
Belegen  dieser  Krankheit  suchen,  nicht  in  Gegenden,  wo  uns  nichts  davon 
berichtet  wird,  wie  Patagonien,  und  das  gilt  gewiss  auch  von  Peru. 

Ab!>.  E. 


Aus  Stegmann  1.  c.  S.  [81].    (Fig.  51  ) 

Hr.  v.  hLansemann:  Ich  habe  eben  diese  Knochen  zu  sehen  be- 
kommen  und  muss  sagen,  dass  für  mich  eigentlich  ein  zwingendes  Be- 
dürfnis,  sie  als  syphilitisch  zu  betrachten,  nicht  vorliegt,  und  /.war  aus  fol- 
genden Granden. 

Wenn  Sie  diese  Tibia  betrachten,  finden  Sic.  dass  die  vordere  Kante 
daran  vollkommen  scharf  und  dünn,  aber  nicht  verdickt  ist ;  dagegen  sind 
zwei  Verdickungen  fast  an  der  hinteren  Fläche  vorhanden.  Man  sieht 
ganz  deutlich  an  diesen  Stellen  grössere  Löcher,  die  tief  hineingehen. 
Das  deutet  auf  Fisteln  hin,  die  liier  offenbar  vorhanden  gewesen  sind. 
Fisteln,  von  denen  man  sieh  vorzustellen  hat.  dass  sie  aus  dem  Innern 
des  Knochens  nach  aussen  hinausführten,  dass  es  Eiterungen  gewesen 
sind,  die  in  dein  Innern  des  Knochens  vorhanden  waren.  Dies  würde  sich 
entscheiden  lassen,  wenn  man  den  Knochen  aufsagte  und  nachsähe,  ob 
Höhlungen  vorhanden  sind.    Nun  sind   solche  Fistelgänge  bei  syphilitischen 


—     8G0     — 

Vorgängen  äusserst  selten.  Ich  will  nicht  leugnen,  dass  es  unter  Um- 
ständen vorkommen  kann,  dass  eine  syphilitische  Erkrankung  der  Knochen 
sekundär  in  eine  Eiterung  übergehen  kann;  das  ist  dann  aber  sekundär 
und  gehört  nicht  eigentlich  zum  Wesen  der  Syphilis.  Die  Eistelgänge 
widersprechen  also  nicht  absolut  der  syphilitischen  Art  der  Erkrankung, 
aber  sie  sprechen  auch  nicht  dafür,  jedenfalls  sind  sie  kein  Beweis  dafür. 

Ferner  sind  solche  Verdickungen  an  der  Tibia  bei  Syphilis  etwas 
ganz  aussergewöhnliches;  ich  habe  eigentlich  nie  gesehen,  dass  die  Syphilis 
so  etwas  hervorbringt.  Die  charakteristischen  Veränderungen,  die  ich 
unter  allen  Umständen  als  syphilitisch  ansprechen  möchte,  betreffen  immer 
die  vordere  Kante;  da  ist  die  vordere  Kante  gewölbt  und  ist  rauh  an  der 
Oberfläche.  Aber  es  entstehen  da  keine  Eiterungen.  Ich  glaube  vielmehr, 
dass  diese  Verdickungen  etwas  ähnliches  sind,  wie  das,  was  man  auch  an 
den  Knochen  der  Finger  sieht  und  was  einen  tuberkulösen  Prozess  dar- 
stellt. Man  nennt  das  eine  Spina  ventosa.  Ich  will  zwar  nicht  behaupten, 
dass  das  hier  notwendig  ein  tuberkulöser  Prozess  gewesen  ist;  es 
kann  auch  ein  osteomyelitischer  Prozess  gewesen  sein.  Ich  habe  also 
keinen  Beweis  dafür,  dass  hier  Syphilis  vorliegt. 

Dabei  bemerke  ich,  dass  Professor  Seier  mir  vor  einiger  Zeit  einen 
peruanischen  Schädel  —  es  wird  versichert,  dass  er  aus  präkolumbischer 
Zeit  stammt  —  vorgelegt  hat.  Da  lagen  Veränderungen  vor,  die  nicht 
anders  als  auf  Syphilis  zu  deuten  waren.  Bei  diesem  Schädel  war  das 
liesultat  ganz  eindeutig,  und  ich  konnte  ihn  durch  die  Liebenswürdigkeit 
des  Museums  auf  dem  letzten  Dermatologenkongress  demonstrieren.  Aber 
bei  diesen  Tibien  will  ich  die  Verantwortung  nicht  übernehmen.  Ich 
will  nicht  bestreiten,  dass  es  Syphilis  sein  könnte;  aber  ich  habe  keinen 
Beweis  dafür.  Auch  an  den  beiden  Fibulae  sieht  man  die  Fistel- 
bildung. Wenn  wirklich  so  etwas  sekundär  an  der  einen  oder  anderen 
Stelle  bei  Syphilis  vorkommen  kann,  so  ist  es  doch  sehr  auffällig,  dass 
an  allen  diesen  Knochen  osteomyelitische  Bildungen  vorhanden  sind.  Ob 
der  Prozess  nun  tuberkulös  oder  einfach  eitrig  war,  das  lasse  ich  dahin- 
gestellt. 

Ausser  der  hier  erwähnten  Tibia  legte  mir  Herr  Dr.  Lehmann- 
Nitsche  ein  Schädelfragment  vor,  das  Herr  Stegmann  in  Wien  in  der 
von  Herrn  Nitsche  erwähnten  Arbeit  auf  Seite  81  abgebildet  hat.  Es 
ist  derselbe  Schädel,  der  schon  im  Jahre  1880  der  anthropologischen  Ge- 
sellschaft in  Paris  von  Moreno  vorgelegt  wurde  und  über  den  sich  auch 
Broca  geäussert  hat.  Wie  aus  den  Angaben  des  Hrn.  Stegmann  her- 
vorgeht, haben  auch  die  Herren  Bordier  und  Bertillon  diesen  Schädel 
für  syphilitisch  gehalten,  Ilr.  Lehmann-Nitsche  hat  mich  gebeten,  hier- 
unter auch  noch  einige  Worte  über  dieses  interessante  Objekt  hinzu- 
zufügen. 

An  dem  betreffenden  Schädel  sind  offenbar  zwei  verschiedene  Ver- 
änderungen sichtbar.  Die  eine  derselben  kann  als  syphilitisch  wohl  kaum 
in  Präge  kommen.  Es  ist  die  von  Hrn.  Lehmann-Nitsche  und  auch 
von  II in.  Stegmann  geschilderte  Erhebung,  die  auf  dem  linken  Seiten- 
wandbein    sich    befindet    und   bis  auf  das  Stirnbein  übergreift.     Von  Hrn. 


—     861     — 

Stegmann  wird  diese  Veränderung-  als  ein  Wall  bezeichnet.  Ich  möchte 
sie  eher  als  eine  zackige,  zum  Teil  geradezu  überhängende  Leiste  be- 
zeichnen. Offenbar  sind  einige  dieser  Zacken  später  abgebrochen.  Es 
liegt  zweifellos  am  nächsten,  diese  eigentümliche  Leiste  als  die  Folge 
eines  Traumas  aufzufassen.  Allerdings  betrachte  ich  das  nicht  als  absolut 
sicher,  und  vor  allen  Dingen  deswegen  nicht,  weil  an  der  Innenfläche  des 
Schädels  dieser  Leiste  keinerlei  Veränderung  entspricht.  Sie  kann  in- 
dessen kaum  besser  verglichen  werden,  als  mit  den  Verschiebungen,  die 
Eisschollen  machen,  wenn  sie  gegeneinander  gedrückt  werden,  und  so 
macht  es  auch  hier  den  Eindruck,  wie  wenn  die  Knochenteile 'gesprungen 
und  gegeneinander  verschoben  worden  wären.  Nun  kommt  für  die 
Betrachtung  der  übrigen  Veränderung  an  dem  Schädel  diese  Leiste  nicht 
weiter  in  Frage,  und  es  kann  deswegen  ruhig  dahingestellt  bleiben,  auf 
welche  Weise  dieselbe  entstanden  ist. 

Wesentlicher  sind  folgende  Veränderungen.  Die  ganze  Oberfläche 
des  Schädels  ist  durchaus  unregelmässig,  bald  finden  sich  kleine  Er- 
höhungen, mehr  aber  auch  Vertiefungen  und  Dellen,  wieder  von  flachen 
Buckeln  unterbrochen.  Mit  Ausnahme  der  entsprechenden  Zustände  am 
Stirnbein  sind  diese  Veränderungen  ausgesprochen  narbiger  Natur.  Be- 
sonders deutlich  ist  das  zu  sehen  am  hinteren  Rande  des  Stirnbeins 
nahe  dem  Bregma  nach  rechts  herüber.  Nach  vorn  hin  nehmen  die  Ver- 
änderungen stark  zu,  und  hier  haben  sie  nicht  mehr  den  glatten  ausge- 
heilten Charakter,  sondern  die  etwas  hervorragenden  Knochenränder  setzen 
sich  gegen  die  Defekte  scharf  und  kantig  ab.  Das  gilt  ganz  besonders 
von  einem  direkt  auf  der  Glabella  gelegenen  Defekt,  der  das  ganze 
Schädeldach  durchsetzt  und  auf  der  Innenfläche  zum  Vorschein  kommt. 
so  dass  hier  ein  direktes  Loch  im  Schädeldach  ist.  Daneben  sind  noch 
einige  andere  Stellen,  wo  ebenfalls  die  Erkrankung  das  Schädeldach  durch- 
setzt hat  und  auf  der  Innenfläche  erscheint,  aber  wo  noch  nicht  vollstän- 
dige Löcher  entstanden  sind.  Die  Unregelmässigkeit  der  Knochennarben 
erstreckt  sich  bis  auf  die  Augenränder  und  greift  sogar  noch  auf  die 
Jochfortsätze  des  Stirnbeins  über.  Im  Gegensatz  zu  diesen  ganz  ausge- 
zeichneten Veränderungen  des  äusseren  Schädeldaches  finden  sich  an  der 
Innenfläche  nur  dort  Veränderungen,  wo,  wie  vorher  geschildert,  am  Stirn- 
bein die  Affektion  die  ganze  Dicke  des  Schädels  durchsetzt.  Aber  auch 
hier  sind  die  Ränder  dieser  Defekte  nicht  gewulstet  wie  an  der  Aussen- 
Bäche.  Die  Lamina  interna  des  Schädels  hat  auf  die  Affektion  offenbar 
nicht  mit  Knochenwucherungen  reagiert. 

Das  ganze  Bild  spricht  ganz  unzweifelhaft  für  eine  Syphilis,  denn 
ich  wüsste  in  Wirklichkeit  keine  andere  Erkrankung,  die  einen  solchen 
perforierenden  Defekt  zugleich  mit  so  ausgezeichneten  glatten  Knochen- 
narben  erzeugen  könnte.  Auch  das  ist  charakteristisch,  dass  die  Knochen- 
neubildung an  den  Bändern  der  Defekte  lediglich  auf  die  Lamina  externa 
beschränk!  ist  und  an  der  Lamina  interna  nicht  hervortritt.  Irgend  welche 
eitrigen  Zustände  würden  niemals  imstande  sein,  so  glatte  Knochennarben 
und  eine  solche  Knochenhyperplasie  hervorzubringen.  Auch  die  Tuber- 
kulose des  Schädeldaches    ergibt    bekanntlich    ein    durchaus    anderes   Bild 


—     862     — 

als  liier  vorliegt.  Endlich  kann  man  auch  eine  Geschwulstbildung  mit 
grösster  Sicherheit  ausschliessen,  und  etwas  anderes  z.  B.  Lepra,  Aktino- 
mykose,  traumatische  Veränderungen  usw.  könnten  ja  gar  nicht  in  Frage 
kommen.  Mir  scheint  also  die  syphilitische  Natur  dieser  Veränderungen 
erwiesen  zu  sein,  einmal  positiv  durch  die  genaueste  Übereinstimmung 
dieser  Veränderungen  mit  sonst  als  sicher  syphilitisch  bekannten,  und 
zweitens  per  exclusionem,  durch  Ausschliessung  irgend  welcher  anderer 
Ursachen. 

(7)  Hr.  Hans  Virchow  legte 

zwei  Fundstücke  von  der  Oldenburg  bei  Hedeby 

in  der  Nähe  von  Schleswig  vor,  die  er  im  September  unter  Führung  des 
Hrn.  Dr.  Knorr  besucht  hatte,  welcher  dort  die  vom  Museum  in  Kiel 
veranstalteten  Ausgrabungen  leitete.  Das  eine  dieser  Objekte  ist  ein 
Stück  Trass  (von  einer  Handmühle),  wie  dort  zahlreich  gefunden  wird, 
das  andere  die  abgesägte  Krone  eines  Hirschgeweihes,  wie  sie  gleichfalls 
vielfach  vorkommen.  Übrigens  wurden  die  vorgelegten  beiden  Stücke 
nicht  bei  der  Grabung  gewonnen,  sondern  auf  dem  Acker  gefunden. 

(8)  Derselbe  legte 

sechs  Photos  von  Westgrönländern 

aus  der  Gegend  von  Ivigtut  (einzelne  Personen  und  Gruppen)  vor,  welche 
ihm  Hr.  Fred.  Edwards  schenkte,  der  dort  jahrelang  an  dem  der  dänischen 
Regierung  gehörigen  Kryolith-Bergwerk  erst  als  Angestellter,  dann  als 
Direktor  tätig  war  und  diesem  Umstände  eine  genaue  Kenntnis  der  Be- 
völkerung verdankt.  Die  Aufnahmen  zeigen  die  auch  sonst  bekannte  Tat- 
sache, dass  der  westgrönländische  Typus  in  starker  Weise  und  sehr 
wechselnden  Graden  mit  europäischem  Blute  gemischt  ist,  was  dadurch 
begünstigt  wird,  dass  die  Mädchen  es  als  einen  Vorzug  ansehen,  ein  Kind 
von  einem  Europäer  zu  haben. 

(!))    Hr.  Ehrenreich  erstattet  Bericht  über  den 

14.  Amerikanistenkongress  in  Stuttgart. 

Der  14.  Amerikanistenkongress,  der  vom  18. — 23.  August  d.  J.  in  Stutt- 
gart tagte,  stand  an  wissenschaftlicher  Bedeutung  hinter  keinem  seiner 
Vorsänger  zurück  und  übertraf  vielleicht  alle  durch  den  Reichtum  des 
Anschauungsmaterials  und  die  Mannigfaltigkeit  der  behandelten  Themata. 
Die  Befürchtung,  dass  die  ganze  Veranstaltung  sich  im  wesentlichen  inner- 
halb des  Kreises  der  deutschen  Interessenten  abspielen  würde,  erwies  sicli 
glücklicherweise  als  grundlos.  Die  Beteiligung  ausländischer  Forscher  war 
über  Erwarten  gross,  obwohl  ein  Teil  von  ihnen  der  vielleicht  etwas  zu 
sehr  dominierenden,  deutschen  Sprache  nicht  mächtig  war.  Von  den 
•  ■uropiiischen  Ländern  waren  vertreten: 

Prankreich  durch  Prof.  Harn  y,  den  Mexikanisten  Lejeal,  den  Er- 
forscher Boliviens  Grafen  Crequi  de  Montfort. 

England  durch  einen  seiner  führenden  Geister,  Sir  Clemens  Markham. 


—     863     — 

Schweden  durch  Prof.  Hjalmar  Stolpe  und  Graf  von  Rosen,  den 
Chaco-Forscher. 

Dänemark  durch  Prof.  Nielsen  und  den  Grönlandforscher  Dr.  Thal- 
bit z  e  r. 

Die  Niederlande  durch  Dr.  Panhuys,  Mitglied  der  Surinam-Expe- 
dition und  den  unermüdlichen  Dr.  Schmeltz-Leyden. 

Russland  durch  die  Sibirienforscher  Jochelson,  Bogoras  und 
Sternberg. 

Nordamerika  hatte  unsern  ausgezeichneten  Landsmann  Prof.  Boas 
entsandt,  ausserdem  Prof.  Holmes  und  Dr.  Currier,  Präsidenten  der 
Catholic  seminary  school  in  Washington  u.  a.  und  last  not  least  den  hoch- 
herzigen Förderer  aller  auf  die  altamerikanischen  Kulturen  bezüglichen 
Studien  S.  Excellenz  den  Duc  de  Loubat. 

Aus  Südamerika  waren  erschienen  Dr.  de  .longhe,  Mitglied  des 
Council  of  British  Guiana,  Prof.  Goeldi-Para,  Dr.  Lehmann  Nitsche- 
La  Plata  sowie  Dr.  Pablo  Patron-Lima. 

Die  deutschen  Amerikanisten  im  weitesten  Sinne  waren  natürlich 
ziemlich  vollzählig  anwesend,  namentlich  auch  Geh.  Rat  Reiss-Könitz, 
während  Prof.  Förstemann  und  Dr.  Stübel,  dessen  Ableben  wir 
inzwischen  betrauern  mussten,  leider  vermisst  wurden. 

Ihre  königl.  Hoheit  Prinzessin  Therese  von  Bayern  bekundet»' 
ihr  reges  Interesse  an  der  Amerikanistik  durch  ihre  unermüdlich»'  Teil- 
nahme an  allen  Sitzungen  und  Demonstrationen  bis  zum  Schlüsse,  was 
nicht  jedes  Mitglied  von  sicli  sagen  kann. 

Se.  Majestäf  der  König  Wilhelm  II.  hatte  als  Protektor  die  Gnade. 
den  Kongress  persönlich  zu  eröffnen  und  die  Mitglieder  mit  einem  gast- 
lichen Empfang  auf  der  Wilhelma,  sowie  später  auf  dem  Schlosse  zu 
Friedrichshafen  zu  beehren.  Um  die  äusseren  Arrangements  hatte  sich 
der  unermüdliche  Förderer  geographischer  und  ethnologischer  Interessen 
Kammerherr  ;i  1).  Graf  Linden  als  Vorsitzender  des  wurttembergischen 
Vereins  für  Handelsgeographie,  Hr.  Oberstudienrat  Prof.  Lampert,  als 
Generalsekretär  und  in  seiner  Vertretung  Hr.  Oberbibliothekar  Prof. 
von  Stockmaver  sowie  Hr.  Th.  Wanner  als  Schatzmeister  verdient  ge- 
macht und  sich  den  tiefgefühlten  Dank  aller  Teilnehmer  erworben. 

In  der  Eröffnungssitzung  erinnerte  Prof.  H am y- Paris  an  die  vor 
grade  einem  Jahrhundert  erfolgte  Rückkehr  Humboldts  und  Bonplands 
von  ihrer  denkwürdigen  amerikanischen  Reise,  die  die  wissenschaftliche 
Erforschung  Amerikas  gleichsam  inauguriert  und  gab  eine  Reihe  biogra- 
graphischer  Mitteilungen  besonders  über  das  spätere  Wirken  Bonplands 
in  Paraguay  auf  grund  neuen  .Materials.  Ms  kam  hierbei  eine  auf  Ver- 
anlassung des  Vereine  für  Handelsgeographie  hergestellte  Doppelplaquette 
zur  Verteiluni;-  mit  den  Bildnissen  beider  Reisenden  und  zwei  andinen 
Landschaftsbildern.  Rektor  Kapff-Stuttgart  sprach  des  weiteren  über  den 
Anteil  der  Württemberger  an  der  Kolonisation  Nordamerikas. 

Aus   der  Reihe   der  Streng   Wissenschaft  liehen  Vorträge,   die    vom    19.    ab 

nur    durch    den   Ausflug    nach    Schloss  Lichtenstein    am  21.  unterbrochen, 
einander  folgten,  seien  nur  die  wichtigsten  hervorgehoben. 


—     864    — 

Geologischen  Inhalts  waren  die  Ausführungen  des  Prof.  Fr  aas -Stuttgart, 
der  die  Juraformationen  Amerikas  und  der  alten  Welt  vergleichend  darauf 
hinwies,  dass  diese  in  der  neuen  Welt  den  Charakter  von  Landbildungen 
tragen,  daher  sich  dort  ein  reiches  Kontinentalleben  entfaltete,  zu  einer 
Zeit,  wo  Europa  und  Nordasien  noch  vom  Meere  bedeckt  waren. 

Prof.  Hans  Meyer-Leipzig,  der  einigt'  seiner  interessanten  Land- 
schaftsbilder aus  den  Hochgebirgen  von  Ecuador  ausgestellt  hatte,  besprach 
die  eiszeitlichen  Verhältnisse  jener  Gegenden  und  kam  zu  dem  Ergebnis, 
dasa  die  massenhaften  vulkanischen  Eruptionen  während  der  Diluvialzeit 
dem  Menschen  daselbst  keine  Existenzmöglichkeit  gewährt  haben,  wogegen 
Geh.  Rat  Reiss  die  Unwahrscheinlichkeit  einer  gleichzeitigen  Tätigkeit 
der  dortigen  Vulkane  hervorhob. 

Die  Entdeckungsgeschichte  trat  diesmal  etwas  in  den  Hinter- 
grund. Nielsen-Kopenhagen  und  P.  Fischer  behandelten  die  Grönland- 
uinl  Vinlandfahrten  der  Normannen  und  die  ältesten  kartographischen 
Darstellungen  dieser  Länder  unter  Resumierung  früherer  Arbeiten,  Wolken- 
h  au  er-  Göttingen  beantwortete  die  Frage,  ob  die  magnetische  Deklination 
schon  vor  Columbus  bekannt  gewesen  sei,  bejahend. 

Froidevaux-Paris  machte  auch  auf  unsere  mangelhafte  Kenntnis  der 
Geschichte  der  westindischen  Flibustier  aufmerksam  und  forderte  zu  einer 
diesbezüglichen  Durchforschung  der  spanischen  Archive  auf. 

Lejeal -Paris  besprach  die  historische  Bedeutung  der  Memoriales  des 
Fray  Toribio  Motolinia,  die  die  Urform  seiner  „Historia  de  las  Indias" 
darstellen  und  kürzlich  von  Icazbalceta  in  Madrid  publiziert  sind. 

Iwan  Bloch-Berlin  endlich  fasste  die  Ergebnisse  seines  Buches  über 
den  Ursprung  der  Syphilis  zusammen  durch  Erörterung  aller  Beweise,  die 
für  die  amerikanische  Herkunft  der  Krankheit  und  ihren  Import  durch  die 
Miinnschaft  des  Columbus  sprechen. 

Die  Archäologie  brachte  eine  ganze  Reihe  interessanter  Nova,  die 
meist  durch  Lichtbilder  illustriert  wurden. 

Prof.  Bässler  sprach  über  seine  Analysen  peruanischer  Metallgeräte 
und  wies  nach,  dass  die  sogenannten  Bronzen  keine  künstlichen  Legierungen, 
sondern  natürliche  Mischungen  sind,  da  dem  verwendeten  Kupfererz  Zinn. 
Blei  und  Arsen  beigemengt  sind.  Er  führte  sodann  Röntgenaufnahmen 
peruanischer  Mumienballen  vor,  aus  denen  sich  eine  Menge  neuer  Tat- 
sachen über  die  Bestattungsweise  ergab,  namentlich  dass  manche  Ballen 
zwei  bis  drei  Individuen  enthalten.  Graf  Crequi  de  Montfort-Paris 
berichtete  über  seine  Exploration  bolivianischer  Nekropolen  sowie  über  neue 
Ausgräbungen  auf  dem  Ruinenfelde  von  Tihuanaco,  durch  die  eine  Menge 
bisher  unbekannter  Details,  wie  /..  IS.  ausgedehnte  Kanalanlagen,  festgestellt 
\s  urden. 

Prof.  Seier-Berlin  erläuterte  das  berühmte  Nephritidol  des  Quetzal- 
couatl,  die  „Perle"  der  Stuttgarter  ethnographischen  Sammlung,  und  führte 
eine  Anzahl  interessanter  Steinbildwerke  vom  sogenannten  Castillo  de 
Teayo  im  Distriki  von  Papantla  des  Staates  Veracruz  vor,  die  in  pracht- 
voller  Ausführung    fast    das  ganze  mexikanische   Pantheon  illustrieren  und 


—    865     — 

beweisen,   dass  in  dieser  Provinz  der  gleiche  Kultus  wir-  in  Mexiko  selbst 
bestand. 

Aufsehen  ernste  <lie  Vorlage  neuer,  phantastische  Menschön-  und  Tier- 
gestalten und  Kombinationen  solcher  darstellenden  Steinskulpturen  vom 
Amazonas,  die  Dr.  Goeldi  für  das  Paraenser  Museum  erworben  hat. 
Bisher  war  nur  eins  dieser  völlig  rätselhaften  Objekte  bekannt,  das  vor 
etwa  "J'>  Jahren  von  Fischer  und  Andree  beschrieben  wurde.  Die  vor- 
gelegten Abgüsse  hat  Hr.  Goeldi  gütigst  dem  Berliner  Museum  für  Völker- 
kunde überwiesen. 

Die  Nachbildung  eines  anderen,  seltenen  Stückes  des  Leydener  Mu- 
seums überreicht  Hr.  Schmeltz.  Es  handelt  sich  um  die  berühmte  Maya- 
Nephritstele,  die  das  älteste  Datum  der  Mayakultur  trägt. 

Ein  besonderes  Verdienst  erwarb  sich  Miss  Bretten  durch  Aus- 
stellung eines  Teils  ihrer  auf  die  mühevollste  Weise  hergestellten  Kopien 
von  Maya- Wandgemälden  aus  Yucatan,  deren  nähere  Erklärung  Hr.  Sei  er 
übernahm.  Sie  stellen  Kriegs-  und  Opferszenen,  Feste,  Tänze  u.  dergl. 
dar  und  zeigen  uns  die  künstlerische  Begabung  dieses  alten  Kultur- 
volkes in  ganz  neuem  Lichte.  In  Sicherheit  der  Zeichnung,  Leben- 
digkeit des  Ausdrucks  künstlerischer  Komposition,  die  besonders  die  Per- 
spektive in  trefflicher  Weise  berücksichtigt,  übertreffen  diese  Bilder  weitaus 
alles,  was  uns  z.  B.  der  alte  Orient  an  Leistungen  der  Malerei  und  Zeich- 
nung hinterlassen  hat. 

Die  ethnologischen  Vorträge  in  engerem  Sinne  brachten  Spezial- 
mitteilungen  über  Naturvölker.  Baron  Rosen-Stockholm  sprach  über  die 
Ohorotes  im  nordwestliehen  Chaco  unter  Vorführung  interessanter  Licht- 
bilder. Herrn.  Meyer-Leipzig  behandelte  auf  grund  seines  neuen,  noch 
unedierten   Materials  Kunst  und  Ornamentik  der  Xingu-Indianer. 

Prof.  Regel-Würzburg  machte  Mitteilungen  über  die  indianische  Be- 
völkerung von  Antioquia  und  betonte  die  Wichtigkeit  einer  genaueren 
ethnologischen  Durchforschung  des  Atratogebietes.  Prof.  Sapper-Tübingen 
legte  ein  Manuskript  vor,  enthaltend  die  Beobachtungen  des  Lehrers 
ISTärciso  aus  S.  Christobal  Verapaz  in  (iuateniala  über  die  Poconchi- 
[ndianer.  Dr.  Preuss-Berlin  erörterte  die  Parallelen,  die  /.wischen  den 
Sonnenfesten  der  Mexikaner  und  denen  der  heutigen  Moki  bestehen, 
während  Frau  Soler-Steü'litz  unter  Vorlegung  einer  reichhaltigen  Samm- 
lung  die  Kleidertracht  der  heutigen  mexikanischen  Indianerinnen  besprach 
und  darauf  hinwies,  dass  ihr  Schnitt  im  wesentlichen  noch  der  alte  sei. 
während  die  Muster  unter  Einwirkung  der  Europäer  eine  eigene  Ent- 
wickelung  eingeschlagen  haben.  Von  den  iionlamerikanischen  Theinaten 
seien  nur  die  Bemerkungen  von  Prof.  Boas-Newyork  über  den  Einfluss 
der  sozialen  Organisation  der  Kwakiutl  auf  das  ganze  Leben  dieses  Stammes 
angeführt.  Obwohl  die  Gentilverfassung  hier  ers<  neueren  Datums  ist,  so 
beherrscht  sie  doch  alle  Verhältnisse  des  Rechts,  Religionswesens  und  der 
Sitte  bis  in>  Einzelne. 

Von  aktueller  Bedeutung  waren  diesmal  die  Vertraue  aber  Mytho- 
logie und  Sagenfor8ohung,  sofern  zweien  der  hervorragendsten  Mit- 
glieder   der   Jesup-Expedition,    den    russischen    Reisenden   Bogoras    und 


—     866     — 

Jochelson  Gelegenheit  geboten  wurde,  ihre  in  Ostsibirien  angestellten 
Untersuchungen  über  die  kulturellen  Beziehungen  der  Nordasiaten  zu  den 
Eskimo  und  Nordwestamerikanern  im  Umriss  darzulegen.  Jochelson  be- 
handelte die  in  den  Mythen  der  Korjäcken  und  Tschuktschen  nachweis- 
baren amerikanischen  Bestandteile  und  wies  auf  die  grossen  Unterschiede 
hin,  die  zwischen  den  Traditionen  dieser  Stämme  und  denen  der  übrigen 
sibirischen,  bezw.  uralaltai sehen  Völker  bestehen.  Bogoras  entwickelte  die 
Grundzüge  der  primitiven  Weltanschauung  und  Naturauffassung  nach  Mass- 
gabe der  Mythen  und  des  Folklore  der  Tschuktschen.  Im  Zusammenhange 
mit  den  Ergebnissen  der  neuesten  Untersuchungen  über  den  Zusammen- 
hang der  alt-  und  neuweltlichen  Tradition  führte  der  Referent  aus,  dass 
auch  die  Mythen  Südamerikas  bis  zu  einem  gewissen  Grade  sich  mit  den 
paeifischen  und  asiatischen  verknüpfen  lassen  und  dass  manche  Elemente 
auf  Japan  als  Ausgangspunkt  hindeuten. 

Zur  Frage  der  Märchenwanderungen  lieferte  auch  Dr.  Lehmann- 
Nitzsche  aus  Laplata  einen  interessanten  Beitrag  durch  den  Nachweis 
der  Aufnahme  zahlreicher  Grimmscher  Märchen  in  den  Sagenschatz  der 
argentinischen  Araukanen,  den  für  die  chilenischen  schon  Lenz  in  Santiago 
erbracht  hatte.  Diese  Auswahl  möge  genügen,  um  die  Reichhaltigkeit  des 
wissenschaftlichen  Programms  zu  illustrieren.  Von  den  dem  Kongresse 
überreichten  Publikationen  sei  nur  der  von  Hrn.  von  den  Stein en- Berlin 
herausgegebenen  und  mit  Erläuterungen  versehenen  Sepibo-Grammatik  ge- 
dacht, deren  Manuskript  vor  einigen  Jahren  von  dem  Reisenden  Richard 
Payer  im  Ucayale-Gebiet  aufgefunden  wurde.  Es  wird  uns  damit  zum 
ersten  Male  ein  Glied  der  weit  verbreiteten  Familie  der  Pano-Sprachen 
bekannt. 

In  der  Schlussversammlung  wurde  als  nächster  Kongressort  für  1006 
Quebec  erwählt. 

Den  herzlichen  Empfang  und  die  grossartige  Gastfreundschaft,  die  ihnen 
in  der  schönen  Hauptstadt  des  Schwabenlandes  allerseits  zu  Teil  wurdeT 
werden  alle  Kongressmitglieder  in  dankbarer  Erinnerung  behalten. 

Ein  Ausflug  zum  Bodensee  zur  Besichtigung  einiger  urgeschichtlich 
wichtiger  Stätten  und  Sammlungen  über  Friedrichshafen  nach  Schaff- 
hausen fand  zahlreiche  Beteiligung  und  schloss  die  ganze  Veranstaltung 
würdig  ab. 

(10)  u.  (11)    Die  Herren  Gra ebner  und  Ankermann   sprechen  über 
Kulturkreise  und  Kulturschichten  in  Ozeanien  und  Afrika. 

Beide  Vorträge  werden  später  erscheinen.  — 


Sitzung  vom  17.  Dezember  1904. 
Vorsitzender:    Hr.  Lissauer,  später  Hr.  Waldeyer. 

(1)  Auch  die  letzte  Sitzung  in  diesem  Jahre  müssen  wir  leider  mit 
der  Todesanzeige  zweier  unserer  älteren  ordentlichen  Mitglieder,  der  Herren 
Robert  Langerhans  und  Julius  Lange  und  zweier  anderer  hochverdienter 
Männer  beginnen,  welche  zwar  nicht  unsere  Mitglieder  waren,  aber  durch 
ihre  Arbeiten  uns  sehr  nahe  standen,  des  Hrn.  Stadtrat  Mi  eck  in  Prenzlau 
und  des  Hrn.  Emil  Vouga  in  Marin  am  Neuenburger  See.  Hr  Mi  eck 
war  der  Schöpfer  des  Museums  in  Prenzlau  und  ein  eifriger  Förderer  der 
prähistorischen  Erforschung  der  Uckermark,  während  Hr.  Youga  um  die 
Kenntnis  der  La  Tene-Station  am  Neuenburger  See  sich  die  grössten 
Verdienste  erworben  hat. 

Wir  werden  aller  dieser  Männer  stets  ehrenvoll  gedenken.  — 

(2)  Als  neue  Mitglieder  noch  für  das  Jahr  1904  sind  gemeldet: 

1.  Hr.  Baron  Franz  Nopcsa  in  Szacsal,  Ungarn. 

2.  „     Zahnarzt  Gustav  Schroeder  in  Kassel. 

(3)  Hr.  Lissauer  erstattet  namens  des  Vorstandes  und  im  Auftrage 
des  Hrn.  Waldeyer  den 

Verwaltungsbericht  für  das  Jahr  1904. 

Der  Tod  hat  in  diesem  Jahre  mit  ungewöhnlicher  Strenge  die  Reihen 
unserer  Mitglieder  gelichtet,  —  ein  Ehrenmitglied,  drei  korrespondierende 
und  19  ordentliche  Mitglieder  sind  ihm  zum  Opfer  gefallen,  darunter 
Männer  von  höchster  wissenschaftlicher  Bedeutung.  Wir  haben  ihnen  in 
den  einzelnen  Sitzungen  schon  Nachrufe  gewidmet;  aber  die  tiefe  Trauer, 
welche  ihr  Verlust  hervorgerufen  hat,  besteht  in  unseren  Herzen  noch 
fort.  —  Von  den  Ehrenmitgliedern  verloren  wir  den  greisen  Professor 
Philipp i  in  St.  Jago,  so  dass  deren  Zahl  nun  auf  vier  gesunken  ist. 

Von  den  korrespondierenden  Mitgliedern  starben  im  Laufe  des 
Jahres  die  Herren  Gemellaro  in  Palermo.  Xicolucci  in  Neapel  und 
Ujfalvy  von  Mezö-Kövesd  in  Florenz;  dafür  sind  fünf  neue  Mitglieder 
gewählt  worden:  die  Herren  Capitan,  Manouvrier  und  Rein  ach  in 
Paris,  Koganei  und  Tsuboi  in  Tokio,  so  dass  die  Zahl  dieser  Mitglieder 
nun  113  beträgt, 


—     868     — 

Von  Jen  fünf  immerwährenden  Mitgliedern  ist  zu  unserer  Freude 
kein  Verlust  zu  melden. 

Dagegen  hat  der  Tod  unter  den  ordentlichen  alljährlich  zahlenden 
Mitgliedern  recht  empfindliche  Lücken  gerissen.  Ich  nenne  in  erster  Linie 
unseren  unvergesslichen  Schriftführer  Max  Bartels,  an  dessen  Stelle  der 
Vorstand  Hrn.  Neuhauss  kooptiert  hat.  Sodann  starben  die  Herren 
Abraham,  F.  Ascherson,  Belli,  Drory,  Gattel,  Härche,  Hilgen- 
dorf,  Ideler,  Jelly,  Lange,  R.  Langerhans,  v.  Martens,  Meyer- 
■Cohn,  Nehring,  Petermann,  Pudil,  Robel  und  Rosenthal,  —  im 
Ganzen   19.     Ausgetreten  sind  10.     Neu  eingetreten  sind  38. 

Da  die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder  am  Schlüsse  des  Vorjahres  513 
betragen  hatte,  so  treten  wir  in  das  neue  Jahr  mit  einem  geringen  Mehr 
von  i>,  nämlich  mit  522  und  mit  Hinzurechnung  der  5  immerwährenden 
mit  527  Mitgliedern  ein. 

Auch  unter  den  Forschern,  welche  nicht  unsere  Mitglieder  waren, 
aber  mit  uns  denselben  wissenschaftlichen  Zielen  zustrebten,  hat  der  Tod 
reiche  Ernte  gehalten.  So  sind  Männer  wie  His,  Mieck,  F.  Plehn, 
Ratzel,  Sixt,  Stanley,  Stübel,  Vouga  und  Zittel  im  Laufe  dieses 
Jahres  von  uns  geschiedeu. 

Ich  bitte  Sie,  zu  Ehren  aller  dieser  Toten  sich  von  den  Sitzen  zu 
erheben.     (Geschieht.) 

Sie  wissen,  welche  Ansprüche  an  unsere  Mittel  durch  die  laufenden 
Leistungen  der  Gesellschaft,  insbesondere  durch  die  Publikation  der  Zeit- 
schrift für  Ethnologie  gemacht  werden.  Sowohl  der  Umfang  dieser  Ver- 
öffentlichungen, als  ihr  Reichtum  an  Illustrationen,  welche  uns  in  dem 
Wettstreit  der  Nationen  einen  so  ehrenvollen  Platz  gewonnen  haben,  waren 
nur  möglich,  indem  wir  unsere  Jahreskasse  fast  ganz  erschöpften.  Nun 
werden  für  das  nächste  Jahr  neue  bedeutende  Ausgaben  erforderlich  sein, 
um  das  Generalregister  für  die  Bände  21  —  34,  welches  nach  einem  früheren 
vergeblichen  Versuche  endlich  fertig  gestellt  ist,  drucken  zu  lassen  und 
so  eine  grössere  Brauchbarkeit  dieser  inhaltreichen  Bände  für  das  Studium 
zu  ermöglichen.  Der  Staatszuschuss,  welchen  der  Hr.  Unterrichtsminister 
in  liberaler  Weise  wiederum  bewilligt  hatte,  reicht  bei  weitem  nicht  aus, 
diese  gesteigerten  Bedürfnisse  zu  befriedigen.  Wir  bedürfen  also  nach 
wie  vor  einer  grossen  Hilfe  durch  zahlende  Mitglieder.  Mögen  Sie  daher 
nicht  in  dem  Streben  ermüden,  uns  immer  neue  arbeitende  und  zahlende 
Mitglieder  zuzuführen! 

Wir  müssen  an  dieser  Stelle  zu  unserm  Bedauern  wiederholen,  dass 
der  Hr.  I  nterrichtsminister  aus  Mangel  an  verfügbaren  Mitteln  auch  unser 
zweites  Gesuch,  den  Vortrag  über  das  Erscheinen  der  „Nachrichten  über 
deutsche  Altertumsfunde"  zu  erneuern,  abschlägig  beschieden  hat,  so  dass 
wir  ans  gezwungen  sehen,  dieses  in  weiten  vaterländischen  Kreisen  ge- 
schätzte  Ergänzungsblatt  unserer  Zeitschrift  eingehen  zu  lassen.  Wenn 
nun  auch  die  Bibliographie  und  die  Sammlung  von  Ausgrabungsberichten 
.in-  ganz  Deutschland,  deren  Begründung  der  Minister  von  Gossler  im 
Jahre  1*8!>  als  dir  eigentliche  Aufgabe  dieser  „Nachrichten"  bestimmt 
hatte  nicht   mehr  fortgesetzt  werden   können,  so  werden  wir  doch  bemüht 


—     869     — 

bleiben,    Originalberichte    über    Ausgrabungen    in    Deutschland    in    linser« 
Zeitschrift  für  Ethnologie  aufzunehmen. 

Von  unseren  Mitgliedern  sind  mehrere  in  diesem  Jahre  von  ihren 
Forschungsreisen  zurückgekehrt,  andere  befinden  sich  noch  auf  Reisen  zu 
wissenschaftlichen  Zwecken.  Hr.  Grünwedel  hat  aus  Chinesisch-Tur- 
kestan  wahre  Schätze  heimgebracht,  Hr.  Hubert  Schmidt  hat  an  den 
Ausgrabungen  der  amerikanischen  Expedition  in  Kussisch-Turkestan  regen 
Anteil  genommen.  Hr.  und  Frau  Sei  er  haben  ihre  Forschungen  in 
Mexiko  wieder  fortgesetzt  und  sind  noch  nicht  wieder  heimgekehrt.  Kbenso 
befindet  sich  Hr.  K  laatsch  noch  immer  in  Australien,  wo  er  augenblick- 
lich in  der  Nähe  des  Carpentaria-Golfs  seine  anthropologischen  Studien  fort- 
setzt; ebenso  weilt  Hr.  Kiessling  noch  zu  gleichem  Zweck  in  Griechen- 
land, Hr.  Theodor  Koch  noch  in  Südamerika,  Hr.  Bastian  augenblicklich 
in  Jamaica.  Hr.  von  Le  Coq  hat  sich  ferner  nach  Chinesisch-Turkestan 
begeben,  um  die  von  Hrn.  Grünwedel  begonnenen  Arbeiten  fortzusetzen. 
Hr.  Fritsch  hat  eine  Weltreise  unternommen  und  Hr.  Frobenius  wird 
in  den  nächsten  'Pagen  eine  Forschungsreise  nach  Afrika  in  das  Gebiet 
des  Kassai  antreten.  Wir  wmnschen  allen  diesen  Männern  von  Herzen 
Glück  zu  ihren  Unternehmungen  und  hoffen,  dass  sie  uns  wieder  neues 
Material  für  unsere  Studien  in  reichem  Masse  zuführen  werden. 

Wir  haben  im  Laufe  des  Jahres  in  10  ordentlichen  und  einer  ausser- 
ordentlichen Sitzung  Vorträge  aus  allen  drei  Gebieten  unserer  Tätigkeit, 
meistens  von  Lichtbildern  begleitet,  gehört.  Den  Löwenanteil  hat  dieses 
Mal  die  Ethnologie  davongetragen,  —  doch  blieben  die  somatische  Anthro- 
pologie und  Urgeschichte  daneben  an  Bedeutung  nicht  zurück.  Ich  er- 
innere Sie  nur  an  den  ausserordentlich  wichtigen  Vortrag  des  Hrn.  von 
Hansemann  über  den  Einfluss  der  Rachitis  auf  die  Schädelform  und  an 
die  fortgesetzten  Untersuchungen  von  Schweinfurth  über  die  Edithen, 
welche  augenblicklich  zu  den  brennendsten  Fragen  der  Urgeschichte  ge- 
hören, Fragen,  welche  in  unserer  Gesellschaft  durch  Teilnahme  unserer 
ersten  Geologen  an  der  Diskussion  an  objektiver  Beleuchtung  ausser- 
ordentlich gewonnen  haben. 

Frühgeschichtlich,  aber  nicht  weniger  interessant  sind  die  von  der 
Rethra-Kommission  neu  aufgenommenen  Forschungen  nach  den  Über- 
resten *\i>*  alten  Rethra-Tempels,  Forschungen,  welche  Kudolf  Vircliow 
einst  mit  lebhaftem  Eifer  begonnen  hatte  und  nun  mit  Unterstützung  der 
Rudolf  Virchow-Stiftung  auf  Grund  der  von  Hrn.  Oesten  erkannten 
Tatsache  dass  das  Niveau  der  in  Frage  kommenden  Sern  sich  seit  der 
Zerstörung  Rethras  bedeutend  gehoben  hat.  wieder  aufgenommen  sind 
und  nach  den  bisherigen  kleinen  Anfängen  zu  grossen  Hoffnungen  be- 
rechtigen. 

An  dem  Ausflug,  welcher  die  Gesellschaft  dieses  Jahr  am  11.  und 
1l'  Juni  nach  Fürstenberg  i.  Mecklenburg  führte,  nahmen  recht  zahlreiche 
Mitglieder  Teil;  die  daselbst  von  der  Gesellschaft  Heinrich  Schliemann 
gewidmete  Gedenktafel  wurde  bei  dieser  Gelegenheit  unter  Lebhafter  Teil- 
nahme der  städtischen  Bevölkerung  feierlich  enthüllt  und  den  Behörden 
Qbereeben. 


—     870     — 

Von  den  wissenschaftlichen  Kongressen  dieses  Jahres  wurden  zwei 
von  unsern  Mitgliedern  besonders  zahlreich  besucht,  der  Kongress  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft,  welcher  in  Greifswald,  und  der 
internationale  Amerikanisten-Kongress,  welcher  in  Stuttgart  getagt  hat. 
Der  glänzende  Verlauf  beider  Kongresse,  in  deren  Präsidium  unsere  Ge- 
sellschaft so  hervorragend  vertreten  ist,  beweist,  dass  die  Arbeiten  auf 
allen  Gebieten  unserer  Forschung  rüstig  fortschreiten. 

Nach  unseren  Statuten  ist  der  Vorstand  verpflichtet,  in  der  letzten 
Jahres-Sitzung  der  Gesellschaft  auch  einen  Bericht  über  den  Stand  der 
Sammlungen  zu  erstatten. 

1.  Die  Bibliothek  ist  durch  die  unermüdliche  Arbeit  des  Hrn. 
Maass  fortlaufend  in  bester  Ordnung  erhalten  worden.  Als  wir  gegen 
Ende  des  vorigen  Jahres  die  grosse  Schenkung  der  Frau  Geheimrat 
Virchow  erhielten,  konnten  wir  noch  nicht  übersehen,  welche  Bücher 
wir  für  unsere  Gesellschaft  behalten  und  welche  wir  nach  dem  Wunsche 
der  Geschenkgeberin  an  das  K.  Museum  für  Völkerkunde  überweisen 
würden.  Die  gewissenhafte  Prüfung  unserer  Bibliotheks-Kommission,  welche 
durch  die  Wahl  des  Hrn.  Maass  zu  ihrem  Mitgliede  verstärkt  worden 
war,  hat  nun  ergeben,  dass  aus  dieser  Schenkung  781  Bücher  und 
1260  Broschüren  sicli  zur  Aufnahme  für  unsere  Bibliothek  eigneten.  Alle 
diese  Schriften  sind  nun  als  Rudolf  Virchow-Bibliothek  in  einem  be- 
sonderen Schrank  aufgestellt  und  mit  einem  eigenen  „Ex  libris"  bezeichnet 
worden. 

Ausser  dieser  ungewöhnlich  grossen  Vermehrung  hat  die  Bibliothek 
durch  anderweite  Geschenke,  durch  Ankauf  und  durch  Tauschverkehr 
einen  Zuwachs  von  161  Büchern  und  188  Broschüren  erfahren.  Es  konnten 
ferner  1)7  Bände  aus  dem  Bestände  der  Zeitschriften  und  20  Sammelbände, 
104  Broschüren  umfassend,  gebunden  werden.  Demnach  beträgt  der  Ge- 
samtbestand der  Bibliothek  augenblicklich  10  615  Bände  und  2802  Bro- 
schüren. 

Trotz  des  grossen  diesjährigen  Zuwachses  ist  sowohl  der  alphabetische 
wie  der  Fachkatalog  regelmässig  fortgeführt  wrorden,  Dank  dem  ausser- 
ordentlichen Interesse  und  der  grossen  Arbeitskraft,  welche  Hr.  Maass 
der  Ordnung  unserer  Bibliothek  gewidmet  hat.  Ich  spreche  ihm  im  Namen 
der  Gesellschaft  hierfür  unseren  wärmsten  Dank  aus. 

Zu  besonderem  Danke  sind  wir  der  K.  Generalverwaltung  verpflichtet 
für  die  Aufstellung  eines  neuen  Schrankes,  welcher  dem  schnell  wachsenden 
Raumbedürfnis  unserer  Bibliothek,  die  ja  vorherrschend  von  den  Beamten 
der  K.  Museen  benutzt  wird,  zunächst  wenigstens  genügt. 

2.  Die  anthropologische  Sammlung  hat  in  diesem  Jahre  durch 
Überführung  eines  zweiten  Transportes  von  Schädeln  und  Skeletten  aus 
'lein  Rudolf  Virchowschen  Xach'ass  in  dem  alten  Pathologischen  Institut 
in  die  Räume  der  Gesellschaft  mittels  zweier  grossen  Möbelwagen  eben- 
falls einen  grossen  Zuwachs  erfahren.  Wiederum  wie  das  erste  Mal  im 
Jahre  1902  hat  Hr.  Gurt  Strauch  mit  grossen  Opfern  an  Zeit  und  Mühe 
in  den  dunkeln,    nicht    heizbaren,  schmutzigen  Bodenräumen  des  Instituts 


—      871      — 

schon  in  den  Sommermonaten  diesen  Transport  vorbereitet  und  ihn  dann 
im  vorigen  Monat  persönlich  überwacht. 

Der  Transport  unifasst  500 — 550  einzelne  Schädel  und  eine  grosse 
Anzahl  zusammengehöriger  loser  Skelette,  welch»'  einstweilen  in  unseren 
Räumen  nur  magaziniert  werden  konnten. 

Noch  ist  immer  nicht  der  ganze  anthropologische  Nachläse  Virchowa 
aus  dem  Pathologischen  Institut  überführt  worden,  —  nach  ungefährer 
Schätzung  dürfte  noch  ein  dritter  Transport  mit  mehreren  Möbelwagen 
erforderlich  sein.  Durch  die  Hingebung  und  Sorgfalt,  mit  welcher  Hr. 
Strauch  sich  diesen  mühevollen,  unangenehmen  Arbeiten  unterzog,  hat 
er  sich  wiederum  um  unsere  («esellschaft  ausserordentlich  verdien!  ge- 
macht. Im  Namen  des  Vorstandes  spreche  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle 
unseren  besten  Dank  aus. 

Ausserdem  ist  unsere  anthropologische  Sammlung  durch  zwei  vor- 
geschichtliche Skelette  aus  Worms,  einen  Schädel  aus  Friesack  und  einen 
Schädel  aus  Santa  Catharina,  Brasilien,  vermehrt  worden. 

3.  Die  Sammlung  der  Photographien  hat  nach  dem  Tode  des 
früheren  Kustoden,  des  Hrn.  Max  Bartels,  in  Hrn.  Xeuhauss  einen  vor- 
trefflichen Hüter  erhalten,  dessen  ordnende  Hand  bereits  den  Katalog 
vervollständigt  und  mit  den  Beständen  in  Einklang  gebracht  hat.  Nach 
seinem  Bericht  hat  die  Sammlung  in  diesem  Jahre  einen  Zuwachs  von 
343  Blatt  erfahren,  so  dass  sie  jetzt  8089  Nummern  zählt.  Ein  erheb- 
licher Teil  des  diesjährigen  Zuwachses  stammt  ans  dem  Nachlass  Rudolf 
Virchows. 

Ausser  diesen  Einzelblättern  besitzen  wir  noch  fünf  photographische 
Albums  mit  über  500  Einzelauf  nahmen  und  25  photographische  Werke. 

Auch  Hrn.  Neuhauss  spreche  ich  für  diese  seine  verdienstlich«' 
Tätigkeit  den  besten  Dank  der  (i  esellschaft  aus. 

Zum  Schluss  sei  es  mir  gestattet,  meiner  grossen  Freude  darüber 
Ausdruck  zu  geben,  dass  es  uns  gelungen  ist,  für  die  Verwaltung  unserer 
drei  Sammlungen   drei  so    ausgezeichnete    jüngere  Kräfte  zu  gewinnen.  — 

(4)    Der  Schatzmeister  Hr.  Sökeland  erstattet  den 
Kechnuugsbericht  für  das  Jahr  1904. 

Einn  ahmen: 

Bestand 2  094  ML  59  Pfg. 

Verkauf  von  Effekten 27  365     _     65     , 

Zinsen  vom  Kapital  und  Kursgewinn 1 308    „    "2.")    _ 

Depotzinsen 71     _    80    .. 

Beiträge  für  1903 [26     „     —     „ 

."-IT  Mitgliederbeitrage  für  1904 L034OML  —Pfg. 

Darunter  26  zu  23  ML,  also  26x3  extra     ....  78     „    —    „ 

Staatssaschnss 1  ."hhi    „    —    „ 

11918    .    __    B 
Zuechuss    vom    Hrn.    .Minister    für    die    Nachrichten    über    deutsche 

Ä.ltertum8fande  1904 ■ 1000    „    — 

Cliches  und  Korrekturen 275     .     60 

Bestand  und  Einnahmen  zusammen:     44  162  Mk.  89  Pfg. 


—     872     — 

William  Schönlank- Stiftung. 

Zinsen  von  L5  000  Mk.  3  V8  prozentiger  Pfandbriefe 323  Alk.  —  Pfg. 

525  Mk.  —  Pfg. 

Ausgaben: 

Miete  an  das  Völkermuseum 600  Mk.  50  Pfg. 

Ankauf  von  Effekten 27  020     ..     65     ., 

Mitgliederbeiträge  an  die  Deutsche  Anthropologische  Gesellschaft  .    .       1 545     „     —     „ 

Bankgobühren 66     ..     —     .. 

Einladungen  zu  den  Sitzungen 31  <     »     05     .. 

Index  der  Verhandlungen 150     ,,     —     „ 

Porti  und  Frachten 02S     ..     32     ,. 

Buchbinder  für  die  Bibliothek 579     „     20     „ 

Bureau  und  Schreibmaterial 519     „     12    „ 

Remunerationen 'H     » 

Ankauf  -wissenschaftlicher  Gegenstände 230    „     62     „ 

Stenograph 82     „     50     „ 

An  Asher  &  Co.: 

Ankauf  von  Exemplaren  unserer  Zeitschrift  und 

überzählige  Bogen 579S  Mk.  04  Pfg. 

Nachrichten  für  deutsche  Altertumsfunde  inkl. 
Bibliographie  aber  ausschliesslich  der  Ab- 
bildungen       1140     ..     21     „ 

Abschlagszahlung  für  1904 .      4000     „     —     .. 

10938    .,    25    „ 

Bestand  am  1.  Dezember  1904 1074     ;.     <>S     .. 

441G2Mk.  89  Pfg- 

William  Schönlank-Stiftung. 

Für  die  Bibliothek  ausgegeben 398  Mk.  30  Pfg. 

Bestand .  126     „     70     ,. 

323  Mk.  —  Pfg. 

Das  Kapitalvermögen  besteht  aus: 

1.  den  verfügbaren  Beträgen 

a)  Neue  Berliner  3'/2  prozentige  Pfandbriefe  ....  12200Mk. 

b)  31/»  prozentige  Berliner  Stadtanleihe 5  400  „ 

c)  :>V,         „                 „                 „            3  000  „ 

d)  3V2         „                  ..        Stadtobligationen  ....  8  000  .. 

e)  3Va         „                  „        Stadtanleihe 5  200  „ 

f)  3Vj         „           Neue  Berliner  Pfandbriefe     ...  1 500  „ 

2.  dem  eisernen  Fonds,  gebildet  aus  den  einmaligen 
Zahlungen  von  je  300  Mk.  seitens  5  lebenslänglicher 
Mitglieder,  angelegt  in  3'/2  prozentigen  Neuen  Ber- 
liner Pfandbriefen 15<»<>  .. 

:;.  der  William  Schönlank-Stiftung  in  'A1/.,  prozentigen 

Neuen  Berliner  Pfandbriefen .    .    .     löoQo     „ 

Summa    51800Mk. 

Hr.  Lissauer  weist  darauf  hin,  dass  trotz  der  geleisteten  Abschlags- 
zahlung- von  4000  Mk.  an  die  Verlagshandlung  nach  den  Erfahrungen  der 
letzten  Jahre  noch  ein  hoher  Betrag  als  schwebende  Schuld  auf  das  neue 
Jahr  öbertrageB  werden  muss.  Die  Gesellschaft  wird  daher  wiederum 
den  Hin.  Onterrichtsnihi  ister  bitten  müssen,  den  bisher  gewährten  Staats- 
zuschuss  auch  für  das  Jahr  1905  zu  bewilligen. 


—    873     _ 

Die  nach  §  36  der  Statuten  erforderliche  Entlastung  hat  der  \u-- 
schuss  in  seiner  Sitzung  vom  9.  d.  AI.  dem  Vorstände  ausgesprochen,  nach- 
dem zwei  seiner  Mitglieder,  die  Herren  Friede]  und  Staudinger  die 
vorgelegten  Rechnungen  geprüft  und  die  Entlastung  beantragt  hatten. 
Beiden  Herren  sowie  dem  Ihn.  Schatzmeister  dankte  der  Vorsitzende  im 
Namen  des  Vorstandes  für  die  gewissenhafte  Pflichttreue,  mir  der  sie 
ihres  Amtes  Walteren. 

Hr.  Olshausen  erklärt  eine  Änderung  des  §  36  der  Statuten  für  er- 
forderlich, um  die  jährliche  Übertragung  einer  schwebenden  Schuld  auf 
das  neue  Jahr  zu  vermeiden  und  behält  sich  einen  dahin  zielenden  Antrag 
an  den   Vorstand  vor.  — 

('))    Hr.  Hans  Virchow  erstattet  den  folgenden  Bericht  über  den 
Stand  der  Rudolf  Virchow-Stiftung  für  das  Jahr  1904. 

In  meinem  letztjährigen  Bericht  (s.  d.  Zeitschr.  vorj.  Jahrg.  S.  999) 
konnte  ich  bereits  bis  auf  den  Schatzmeister  diejenigen  Herren  nennen, 
welche  dem  Vorstände  der  Gesellschaft  angehören  sollten.  Es  waren  dies 
der  Oberbürgermeister  von  Berlin  Hr.  Kirschner,  von  unserer  Gesellschaft 
Kr.  Lissauer  und  ich,  von  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  Hr.  von  den 
Steinen,  als  Vertreter  der  beiden  Klassen  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften die  Herren  Freiherr  von  Richtlinien  und  Diels.  Am  10.  Januar 
traten  die  Genannten  zu  einer  constituierenden  Sitzung  zusammen  und 
wählten  zum  Schatzmeister  Hr.  Ludwig  Delbrück,  der  die  Wahl  annahm. 
In  derselben  Sitzung  wurde  zum  Vorsitzenden  bestimmt  ich  und  zum 
stellvertretenden  Vorsitzenden  Hr.  von  Richthofen.  Damit  war  den 
Bedingungen  genügt,  an  welche  die  Stiftungsurkunde  die  Tätigkeit  der 
Stiftung  geknüpft  hatte.  Eine  behördliche  Bestätigung  von  dem  recht- 
mässigen Bestehen  der  Stiftung  wurde  seitens  des  Polizei-Präsidiums  erteilt. 
Der  Vorstand  hatte  seine  erste  beschlussfähige  Sitzung  am  24.  Januar. 

Nachdem  durch  die  Ergänzung  des  Vorstandes  und  die  Wahl  des 
Vorsitzenden  die  Stiftung  aktionsfähig  war.  war  es  möglich,  zwei  der 
Stiftung  zugedachte,  aber  noch  nicht  dem  Stiftungsvermögen  zugeführte 
Schenkungen  zu  übernehmen,  die  Ehrengabe  der  Stadt  Berlin  zum  80.  G  - 
burtstage  meines  Vaters  im  Betrage  von  100  00O  Mk.  und  das  in  den  beiden 
letztjährigen  Berichten  genannte  Vermächtnis  aus  dem  Nachlasse  des 
Hr.  Oberstabsarztes  Dürr.  Beides  ist  geschehen  und  es  ging  der  Stiftung 
aus  dem  erwähnten  Vermächtnis  ein  Kapitalzuwachs  von  4900  Mk.  nom. 
in  Wertpapieren  und  333  Alk.  39  Pfg.  in  baar  zu.  wovon  der  letztgenannte 
Betrag  sich  aus  einer  Baarsumme  des  Vermächtnisses  und  inzwischen  fällig 
gewordenen  Zinsen  d('\-  Wertpapiere  zusammensetzte. 

Die  beiden  genannten  Schenkungen  fanden  in  >\rv  Folgenden  Weise 
Verwendung:  von  den  erstangeführten  100 000  Mk.  wurden  110  000  -Alk. 
nom.  preussischer  Oonsols  gekauft,  wozu  von  dem  Baarbestande  der 
Stiftung  498  Mk.  60  Pfg.  Mitverwendung  fanden.  Die  aus  der  Dürrschen 
Erbschaft  stammenden  Papiere  wurden  bis  auf  PJ00  Alk.  3  p<  t.  Deutscher 
Reichsanleihe     verkauft     und     von     dem    Erlös     unter    Hinzunahme    von 

Zeitschrift  Mi  BthDologie.   Jahrg.  l:  m.    Heft  6  5g 


—    874     — 

1186  Mk.  10  Pfg.  aus    dem  Baarbestande  der  Stiftung  5000  Mk.  3  7,pCt. 
Westfälischer  Provinzialanleihe  angeschafft. 

Das  Kapitalvermögen  der  Stiftung  setzt  sich  demnach  zur  Zeit  zu- 
sammen aus  200  600  Mk.,  welche  im  vorigen  Jahresberichte  angeführt 
wurden,  und  116  200  Mk.,  welche  in  diesem  Jahre  hinzugetreten  sind,  im 
Ganzen  316  800  Mk.  Diese  316  800  Mk.  sind  in  folgender  Weise  unter- 
gebracht 

im  Staatsschuldbuch  eingetragen 220600  Mk. 

im  Reichsschuldbuch  „  20200    „ 

bei  der  Reichsbank  niedergelegt 75  (XX)    „ 

Ich  will  hier  anreihen,  dass  Frau  Geheimrat  Bartels  mich  davon  in 
Kenntnis  gesetzt  hat,  dass  sie  zu  Beginn  des  kommenden  Jahres  die 
Summe  von  3000  Mk.  der  Stiftung  in  Erinnerung  an  ihren  verstorbeneu 
Gemahl  zur  Verstärkung  des  Kapitals  überweisen  wird.  Es  wird  auch  im 
Kreise  dieser  Gesellschaft  mit  Genugtuung  und  Dankbarkeit  empfunden 
werden,  dass  der  Name  eines  Mannes,  der  so  lange  Zeit  und  so  unermüdlich 
mit  seiner  ganzen  Persönlichkeit  für  die  Aufgaben  eingetreten  ist,  denen 
zu  dienen  die  Stiftung  berufen  ist,  auch  jetzt  noch  zu  fortdauernder 
Wirkung  mit  der  Stiftung  verknüpft  wird. 

Ich  berichte  nun  über  die  Bewilligungen  aus  der  Stiftung  bezw.  über 
die  Unternehmungen,  zu  welchen  Beihilfen  aus  der  Stiftung  gegeben 
worden  sind. 

1.  Die  Beihilfe  von  500  Mk.,  welche  die  Stiftung  zu  den  Ausgrabungen 
des  Kieler  Museums  im  Gebiete  der  Oldenburg  bei  Haddeby  in  der  Nähe 
der  Stadt  Schleswig  gewrährt  hat,  ist  zwar  schon  im  vergangenen  Jahre 
geleistet  worden,  doch  ist  diese  Summe  zum  grössten  Teile  erst  im  Laufe 
dieses  Jahres  zur  Verwendung  gekommen,  und  es  ist  sogar  noch  ein  Rest 
derselben  für  die  Fortführung  der  Ausgrabungen  zurück  geblieben.  Die 
Ausgrabungen  an  dieser  Stelle  müssen  immer  auf  einen  kleinen  Teil  des 
Jahres  beschränkt  werden,  da  sich  das  ganze  in  Betracht  kommende  Gebiet 
unter  Kultur  befindet  und  einer  Anzahl  von  Besitzern  gehört.  Die  Lokalität 
ist  Ihnen  aus  dem  Vortrage  bekannt,  welchen  Hr.  Generalarzt  Meisner 
in  unserer  Gesellschaft  gehalten  hat  (s.  dies.  Jahrg.  d.  Zeitschr.  S.  675).  Das 
Stadtgebiet  des  alten  Haithabu.  der  jetzigen  Oldenburg,  lehnt  sich  mit 
einer  Seite  an  das  Haddebyer  Noor  und  ist  auf  allen  übrigen  Seiten  durch 
einen  prachtvoll  erhaltenen  Wal]  abgeschlossen.  Die  Ausgrabungen  wurden 
unter  der  Leitung  des  Dr.  Knorr  ausgeführt  und  haben  zur  Aufdeckung 
einer  Reihe  von  Wohnstätten  und  bemerkenswerten  Funden  geführt, 
welche  Schlüsse  auf  die  Handelsbeziehungen  dieser  einstmals  weltberühmten 
Handelsstadt  erlauben.  Eine  wichtige  und  überraschende  Ergänzung  haben 
die  Untersuchungen  durch  die  Aufdeckung  von  über  100  Skelettgräbern 
gefunden,  die  etwa  in  die  Karolingische  Zeit  zurückweisen.  Wie  ich  dem 
Berichte  von  Fräulein  Mestorf  entnehme,  sind  „die  Beigaben  zwar  spärlich. 
aber  für  die  Zeitstellung  der  Gräber  und  der  Stadt  von  eminenter 
Wichtigkeit,  weil  oberhalb  derselben  Wohnungen  liegen  mit  den  Hord- 
plätzen und  massenhaften  sachlichen  Zeugnissen  von  den  einstmaligen 
Bewohnern.     Diese   Erscheinung  ist  von  historischer  Bedeutung,  weil  man 


—     ST.")     — 

die  Existenz  der  Stadt  nicht  länger  als  ins  zwölfte  Jahrhundert  annehmen 
möchte.     Sie  fordert  eine   Portsetzung  der  Untersuchung". 

2.  Dem    ü-esuch    des    Ihn.   Eelbig,    welches    schon    im    vorjährigen 

Berichte  erwähnt  wurde,  ist  entsprochen  worden  und  es  sind  ihm  für 
Zeichnungen,  die  nach  einem  Auftrage  meines  Vaters  von  Fundobjekten 
der  Ausgrabungen  des  Hrn.  W.  Belck  in  Schamiramalti  ausgeführt  worden 
sind,  390  Mk.  gezahlt  worden.  Die  Zeichnungen  sind  in  den  Besitz  der 
♦Stiftung  übergegangen. 

3.  Über  die  Untersuchungen  der  Retlira  -  Kommission,  für  welche 
300  Mk.  bewilligt  worden  sind,  hat  bereits  Hr.  Geheimrat  Voss,  der  Vor- 
sitzende der  Kommission,  einen  gedruckten  Bericht  erstattet.  Es  geht 
daraus  hervor,  dass  die  von  Hrn.  Oesten  geleiteten  Nachforschungen  auf 
einen  zwischen  Tollense  und  Liepssee  gelegenen  Gebietsteil,  den  Nonnen- 
hof, sowie  auf  einige  in  dem  Liepssee  gelegene  Inseln  gerichtet  gewesen 
sind.  Die  Untersuchung  muss  insofern  unter  sehr  eigenartigen  Be- 
dingungen geführt  werden,  da  ein  grosser  Teil  des  Gebietes,  um  welches 
es  sich  handelt,  dadurch  unter  Wasser  gesetzt  worden  ist,  dass  im  Jahre 
1287  in  Xeubrandenburg  eine  Mühlenanlage  gemacht  worden  ist,  durch 
welche  der  AYasserspiegel  des  Liepssees  etwa  1,5  m  gehoben  wurde.  Die 
im  Bereiche  der  Überflutung  im  Laufe  der  Zeit  gewachsenen  Wasser- 
pflanzen haben  zu  Landbildungen  geführt,  d.  h.  zu  Bedeckungen  des 
früheren  Niveaus.  Andrerseits  sind  aber  auch  durch  das  Spiel  von  Wind 
und  Wasser  Teile  des  Ufers  abgespült  worden.  Daher  hat  die  Unter- 
suchung nebenbei  damit  zu  tun,  die  alten  Terrainverhältnisse  festzustellen. 
und  es  bedarf  besonderer  Vorkehrungen,  um  die  Arbeiten  unter  Wasser 
ausführen  zu  können.  Es  ist  daher  begreiflich,  dass  die  ausgesetzte 
Summe  nicht  nur  verbraucht,  sondern  überschritten  ist.  Daher  hat  sich 
die  Rethra-Ivommission  durch  ihren  Vorsitzenden  um  eine  Unterstützung 
von  3000  Mk.  an  die  Stiftung  gewendet.  Diesem  Gesuche  ist  entsprochen 
und  es  sind  bisher  von  dieser  Summe  1000  Mk.  abgehoben  worden.  Die 
Funde  von  Knochen,  Kohle  und  Scherben  aus  der  Wendenzeit  sind  reich- 
lich, auch  einige  andere  Gegenstände  sind  gefunden,  und  die  Leiter  des 
Unternehmens  geben  sich  der  Hoffnung  hin.  über  die  Stätte  des  alten 
Heiligtums  der  Eedarier  bestimmtere  Aufschlüsse  zu  erlangen. 

4.  Hr.  Sanitätsrat  Kohl  in  Worms  hat  400  Mk.  erhalten,  um  seine 
Untersuchungen  über  steinzeitliche  Wohn-  und  Begräbnisplätze  in  der 
Pfalz  fortzusetzen.  Die  Lokalität  ist  denjenigen  Mitgliedern  unserer  Ge- 
sellschaft.  welche  den  Kongress  in  Worms  besucht  haben,  bekannt.  Es 
handelt  sich  um  eine  Gegend,  welche  mit  prähistorischen  Fundplätzen 
dicht  besetzt  ist.  Offenbar  hat  die  fruchtbare  Rheinebene  zu  allen  Zeiten 
zur  Bewohnung  und  Bebauung  eingeladen.  Die  Untersuchungen  des 
letzten  Winters  sind  reich  an  Ergebnissen  gewesen.  Es  hat  sich  bei 
Wachenheim  ein  fränkischer  Friedhof  gefunden,  und  es  ist  zu  bemerken. 
dass  fast  bei  jeder  Ortschaft  in  jener  Gegend  auch  der  zugehörige 
fränkische  Begräbnisplatz  entdeckt  wurde,  es  halten  sich  an  zwei  Stellen 
Gräber  der  La  Tene-Periode,  an  einer  Stelle  Gräber  der  Hallstadt-Periode, 
an   einer  anderen   ein   Gräberfeld   mit   Tumuli     aus    der    älteren    Bronzezeit 


—     876     — 

(Unjetitzer-Typus)  gefunden,  ferner  zwei  Wohnplätze  der  Bronzezeit.  Es 
geht  aus  dem  Bericht,  welchen  Hr.  Kohl  im  Korrespondenzblatt  des  Ge- 
samtvereins  der  deutschen  Geschichts-  und  Altertumsvereine  1904  S.  62 — 79 
gegeben  hat,  ferner  hervor,  dass  die  Funde  aus  der  Steinzeit  nicht  weniger 
reichlich  sind.  Es  fand  sich  ein  Wohnplätz  mit  Keramik  des  Rössener 
Typus,  zwei  solche  mit  Spiralmäander-Keramik,  einige  Wohngruben  mit 
Pfahlbau-Keramik  und  ein  Gräberfeld  mit  Hockergräbern.  Auf  Grund 
dieser  Entdeckungen  und  des  topographischen  Verhaltens  der  einzelnen 
Befunde  zu  einander  vertritt  Hr.  K.  von  neuem  seinen  Standpunkt,  dass 
es  sich  bei  den  aufgefundenen  keramischen  Ornamenten  nicht  um  gleich- 
zeitig bestandene,  sondern  um  aufeinander  gefolgte  Stile  gehandelt  habe, 
er  setzt  jedoch  die  Spiralmäander-Keramik  jetzt  nicht  vor,  sondern  hinter 
den  Rössener  Typus  und  ist  der  Meinung,  dass  die  älteste  Phase  der  neo- 
lithischen  Kultur,  die  Hinkelstein-Periode,  sich  zur  Rössener  Keramik 
weiter  entwickelt  habe  und  dass  in  den  beiden  Perioden  die  gleiche  Be- 
völkerung mit  Bestattungsart  in  gestreckter  Lage  bestanden  habe,  dass 
dagegen  die  Spiralrnäander-Keramik  einer  neu  auftretenden  Bevölkerung 
mit  Hockerbestattung  zuzuschreiben  sei.  —  Ich  will  dabei  erwähnen,  dass 
Hr.  Paul  Bartels  bei  der  Untersuchung  der  in  Worms  aufbewahrten 
Schädel  zwei  deutlich  unterscheidbare  Typen  glaubte  finden  zu  können. 
Seine  Untersuchung  wurde,  wie  er  berichtet  hat,  ohne  Kenntnis  der  Be- 
ziehungen zu  den  einzelnen  keramischen  Funden  gemacht  und  doch  deckte 
sich  seine  Unterscheidung  der  Schädeltypen  mit  den  Unterscheidungen 
der  Kulturperioden,  wie  sie  Hr.  Kohl  auf  Grund  der  Keramik  gemacht 
hatte.  -  Auf  dem  oben  erwähnten  Gräberfelde  mit  Hockerbestattung 
waren  fünf  Gräber  bereits  zerstört,  sieben  weitere  konnten  aber  noch  auf- 
gefunden werden,  von  denen  fünf  mit  Beigaben  ausgestattet  waren.  Von 
einem  dieser  Gräber  sind  in  dem  gedruckten  Bericht  die  Lagerungs- 
verhältnisse  durch  Abbildung  erläutert.  Die  Skelette  lagen  auf  der  linken 
Seite  Für  die  Zeitbestimmung  wichtig  sind  die  gleichzeitig  gefundenen 
Zonenbecher.  Bei  einem  Skelett  wurde  eine  Armschutzplatze  in  der  Gegend 
des  rechten  Vorderarmes  gefunden. 

5.  Hr.  J.  D.  E.  Schmel  tz .  Direktor  des  Rijk's  Ethnographisch 
Museum  in  Leiden  hat  500  Mk.  erhalten  als  Unterstützung  bei  der  Fort- 
setzung einer  Publikation,  von  welcher  eine  erste  Lieferung  bereits  vorlag, 
nämlich  einer  unter  dem  Titel  „Orania  ethnica  Philippinica"  erscheinenden 
mit  25  Tafeln  versehenen  Beschreibung  der  durch  A.  Schadenberg  ge- 
sammelten Schädel  seitens  des  Hrn.  G.  A.  Koeze.  Durch  briefliche  Mit- 
teilung des  Hrn.  Schmeltz  vom  12.  Dezember  habe  ich  erfahren,  dass 
das  Werk  abgeschlossen  ist.  [Nächträgl.  Zusatz:  Dasselbe  ist  mir  in- 
zwischen  zugegangen.  | 

Weitere   Bewi lligungcii   sind    in    letzter  Zeit  erfolgt,   nämlich 

6.  An  Hrn.  Frobenius  zur  Unterstützung  einer  Reise  ins  Gebiet  des 
Kassai   L500  .Mk. 

7.  An  Hrn.  Posen.  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  Breslau, 
welcher  einer  .Mission  des  Deutschen  Reiches  nach  Abessinien  als  wissen- 
schaftlicher  Begleiter  ungegliedert  wird,    1ÖO0  Mk.    zur    Beschaffung   ethno- 


—     877     — 

logischer  Gegenstände.     Diese  Summe    sowie   die   vorige  sind  bereits  aus- 
gezahlt. 

8.  In  Aussicht  gestellt  ist  eine  uoch  nicht  genau  normierte  Summe 
vmi  400  —  T)(>()  .Mk.  zur  Beschattung  einer  ]diotographischen  Ausrüstung, 
welche  «lein  Stabsarzte  Hrn.  Mansfeld  in  Kamerun  leihweise  zur  Ver- 
fügung  ffestellt    werden    Süll. 

Andere,  im  Vorausgehenden  noch  nicht  aufgeführte,  Ausgaben  dar 
Stiftung  sind  die  folgenden: 

für  eine  Mappe 18  Mk.  —  IM _• . 

für  Brief bogen  und  Umschläge 5     „    50     „ 

für  notariell  beglaubigte  Abschrift  der  Stiftungsurkunde      3     ..    'i1'    _ 
Zahlung   an    die    Hauptverwaltung   der  Staatsschulden 

(Gebühren-Vorschuss) 56     _     —     „ 

Zahlung  an   die  Roichsschuldenverwaltung    (Gcbühren- 

Vorschuss) ."•     „     —     „ 

Zahlung    an    das   Kaiserliche    Verkehrssteueramt  II    in 

Strassburg   i.  E.   (in   Angelegenheit    ihr    Dürr  sehen 

Erbschaft) 13    ..     25    ,. 

Dagegen  hatte  die  Stiftung  eine  Einnahme  aus  Bankierzinsen,  ab- 
züglich Spesen,  bis  zum  18.  Dezember  von   17."»  31k.   7(1  Pfg. 

Eine  genauere  Kontoaufstellung  wird  in  einer  Sitzung-  des  Vorstandes 
am  Schluss  des  Jahres  vorgelegt  werden,  wo  eine  solche  erst  definitiv  er- 
folgen  kann,  da  Ins  dahin  noch  Eingänge  an  Zinsen  zu  erwarten  sind. 

Na  ch  trag. 
Es  folgt   hier    die  Jahresrechnung,    welche    durch    den    Schatzmeister 
<\<>v  Stiftung,   Hrn.    Ludwig  Delbrück,   in   der  Sitzung  des  Vorstandes  am 
29.  Dezember  vorgelegt    und    durch    die  Vorstandsmitglieder,    die   Herren 
Lissauer  und  Diels,  geprüft  wurde. 

Jahresrechnung  der  Rudolf  Virchow-Stiftung 

für  das  Jahr   1904. 

Effektenbestand. 
Ende   1903  besass  die  Stiftung: 

a)  bei  der  Reichsbank  deponiert 

37.>proz.  vorm.  4  proz.  preussische  Konsols  .  102500, —  Mk. 

:'. '/■.>     -      preussische  Konsols 6  600, —    _ 

3  proz.  preussische  Konsols L500,—     .. 

:;     ..      Deutsche  Reichsanleihe 20000,—     .. 

3 7s proz.  Berliner  Stadtanleihe 5000,—     .       L35600,— Mk. 

b)  bei  Delbrück.  Leo  \  Co.  deponiert 

.".'/.,  pni/.  Westfälische  Provinzialanleihe 65000,  -     _ 

zusammen  .    .    .  200600, —  Mk. 
Im  Jahre  i;in|  vermehrte  sich  der  Effektenbestand  der  Stiftung  durch 

a    Ankauf  vi'ii  3 proz.  preussischen  Konsols.    .   .   .     L10000,— Mk. 
37sproz.  Westf.  Provinzialanleihe  .        5000, 
aus   dem    Vermächtnis   des    in    Strassburg   i.  E. 
verstorbenen   Hrn.  Oberstabsarztes  Dr.  Dürr 

stammende  3  proz.  Deutsche  Reichsanleihe   .        1200, —     „  L 16  200, —     . 

zusammen  am  31.  Dezember  1904   .   .    .  316800, —  Mk. 


—     878     — 

Von  diesen  Effekten  sind 

1.  in  das  Staatsschuldbuch  eingetragen 

auf  Konto  (3  pCt.)  V.  793:   3proz.  preussische 

Kousols 111500,— Mk. 

auf  Konto  (3%  pCt.  vorm.  4  pCt.)  V.  3510: 
3x/aProz.  vorm.  4  proz.  preussische  Konsols     102500, —     „ 

auf  Konto  (3  ' ,  pCt.)  V.  2105:  3  »/,  proz. 
preussische  Konsols .    .         0  600,—     „      220600,— Mk. 

2.  in  das  Reichsschuldbuch  eingetragen 

auf  Konto  (3  pCt.)  V.  520:  3  proz.  Deutsche  Reichsanleihe    .         21200,—     „ 
:'>.  bei  der  Reichsbank  deponiert 

lt.  Depotschein  1 335934  3l/8  proz.  Berl.Stadtanl.        4000.—  Mk. 

1335935  3 V2     „       „  „  1  ooO,-     „ 

1335936  3VS    „    Westf.  Pr.-Anl.     65000,-    „ 

1369362  31/«    *        „  -  5000,—    .       75000,—    „ 


zusammen   .    .    .       316800. —  Mk. 


Das  Barguthaben    der  Stiftung  bei  dem  Bankhause    Delbrück,  Leo 

&  Co.  betrug  am  31.  Dezember  1903  bezw.  1.  Januar  1904 8580,50 

und  beträgt  am  31.  Dezember  1904 11  892.— 


Im  Rechnungsjahre  19o4  waren  folgende  Einnahmen  zu  verzeichnen: 

1.   Zuwendungen, 
a)  Die  von    der    Stadt  Berlin    als   Ehrengabe  zum 
80.  Geburtstage  des  verstorbenen  Geh.  Medizinal- 
rates   Virchow    zur    Verstärkung    der    Stiftung 
bestimmten,    am   15.  Februar  1904  ausgezahlten     100000, —  Mk. 
1))  Aus  dem  Vermächtnis    des    Oberstabsarztes  Dr. 

Dürr  in  Strasburg  i.  E.  in  bar  (19.  August  19(>4)  333,39  100333,39  Mk. 

2.  Verkaufte  Effekten. 

a)  liora.  300  Mk.  4 proz.  Frankf.  Hypotheken- 
bank-Pfandbriefe (8.  12.  04.) 304,25 

b)  nom.  9<)0  Mk.  :,>1/2Proz-  Bayr.  Hyp.-  uud 
Wechselbank-Pfandbriefe  (8.  12.  04.)    .    .     905.24 

c)  nom.  "2500  Mk.  4  proz.    Preuss.    Zentral- 

Bod.-Kreditbank- Pfandbriefe  (8. 12.  Q4.-)  .  2606,45        3,si5,95Mk.       3  815,95    „ 

3.  Zinsen. 

a)  Von  den  deponierten  und  in  das  Staatsschuldbuch 
bezw.  Reichsschuldbuch  eingetragenen  Effekten 
(21.3.,  22.3.,  2.  1..  20.6.,   21.6.,   20.9.,   21.9., 

21.12.,  23.12.  1904) 10 192,50  Mk. 

b)  Von  Delbrück,  Leo  &  Co.  in  laufender  Rech- 
nung (30.6.,   18.  12.,  31.  12.  1904)  .    .    .    .    .    .    .  191,25     ..        10  383,75 

zusammen  .   .   .     114533,09  Mk. 


Dem  stehen  folgende  Ausgaben  gegenüber: 

1.    Für  Stiftungszwecke, 
a)  Zahlung  an  Hrn.  Sanitätsrat  Dr.  Koehl  in  Worms 

(30.  I.  04) 100,—  Mk. 

Zahlung    an    Hrn.    J.    D.   Schmeltz.    Direktor 
des    Rijks-Ethnographisch     Museum     in    Leiden 

(Holland;    30.1.04) .   ■  5ou,-    „ 

Dbertrafir  .    .   .  900,—  Mk, 


—     879    — 

Obertrag  .    .   .  900,-  Mk. 
c)  Zahlung    an  Hrn.   Zivilingenieur   G.  Oesten    in 

Berlin  (30.  1.  04) 300,—    „ 

dl  Zahlung    an    Hrn.    Leo    Frobenius    in    Berlin 

(8.  1-J.ol.)     1  500,—     „ 

e)  Zahlung  an  Hrn.  Prof.  Kosen  in  Breslau  (8. 12.04.)  1  ö<hi.—     „ 

f)  „  „      „     Geh.    Regierungsrat    Dr.    Voss 

in  Berlin  (15. 12.  04) 1  i wj* i  —    „  :.2<KiMk. 

2.  Gekaufte  Effekten. 

a)  nein.     L10000  Mk.    3proz.    l'reussische    Konsols 

(16.2.04) 100  498,60  Mk. 

b)  noni.    Ö(KM)   Mk.    .l'/aproz.   Westf.   Prov.- Anleihe 

(8.12.04) .   .    .        :>  i.m-j.i  f.  105500,65    - 

3.  Allgmeine  Ausgaben. 

a)  Zahlung  an  Hrn.  Maler  Georg  Hei  big  in  Berlin 

für  Zeichnungen  (3.2.04.) 390,— Mk. 

b)  Zahlung    an    die  Buchbinderei  von  G.  Fangauf 

für  eine  Ledermappe  (9.2.04) 18,—  r 

c)  Zahlung  an   Hrn.  Justizrat  Siinson,    Notariats- 
gebühren und  Auslagen  (.">.  "!.  04) 3,60  „ 

d)  Zahlung  an  die  Gebrüder  Unger  (3.  8.  04) .    .    .  5,50  „ 

e)  „  „     „      Hauptverwaltung      der      Staats- 
schulden (Eintragungsgebühren)  (20. 2.,  11. 3.  04)  5<j. —     „ 

f)  Zahlung  an  die  Rcichsschuldenverwaltung  (Ein- 
tragungsgehuhren) (11.3.04) •"),—     „ 

g    Zahlung  an  das  Kaiserliche  Verkehrssteueramt  II 

in  Strasshurg  i.  E.  (14. 11.  04) 13,25    „ 

h)  Porto   und  kleine  Spesen    bei  Delbrück,    Leo 

&  Co.  (30.6,  12.  L2.  31.  12.  04) .    . 2'j,59    ..  :>?<»■'. M 

zusammen  ...        111  221,59  Mk. 

Barguthaben  am  31.  Dezember  1903 8580,50  Mk. 

Einnahmen  im  Rechnungsjahre   1904 114 533,09     _ 

123113,59  .Mk. 

Ausgaben  im  Rechnungsjahre  1904      111  221,59     , 

Barguthaben  der  Stiftung  am  :'-l.  Dezember  1904    ....       11892,— Mk. 

Das  Gesamtvermögen  der  Stiftung 
besteht  demnach  am  31.  Dezember  1904: 

1.    aus  Effekten  im  Nominalwert  von 316800, —     .. 

_'.    aus     dein     Barguthaben     bei     dem     Bankhause 

Delbrück.  Leo  &  Co.  von 11892,—     _ 

zusammen   .    .    .  328692, —  ML 

Der  derzeitige  Effektenbesitz  der  Stiftung  im  Gesamtbetrage  von  nominal  316800 Mk. 
wird    für    das  Jahr  1905  ein  Zinsertrag   von    zusammen    10  124,50  Mk.  ergeben  und  zwar: 
LH  500  Mk.  3proz.  preussische  Konsols  ergeben  Zinsen  3345,— Mk. 

L09100    ..    37«proa.        ....  .  3818,50    .. 

21200    _    3proz.  deutsche  Reichsanleihe          „  —     _ 

.">iHMi    .,    3l/8proz.  Berliner  Stadtanleihe        -  .  lTJ,—    , 

TmHHi    _     •  i'/._,proz.  westfälische  Prov. -Anleihe  ..  ..  2  l.">o. —     _ 

zusammen    316800  Mk.  ergeben  Zinsen  .    .    .         10424,50  Mk. 

Berlin,  den  29.  Dezember  1904. 


—     880    — 

(6)  Us  folgt  die  Verlesung  des  §  20  der  Statuten  durch  den  Vor- 
sitzenden und  die 

Wahl  des  Vorstandes  für  das  Jahr  1905. 

Dieselbe  wird  auf  Vorschlag  des  Hrn.  Olshausen  durch  wider- 
spruchslose Akklamation  vollzogen  und  ergibt  folgende  Zusammensetzung 
des  Vorstandes: 

Hr.  Lissauer,  Vorsitzender; 

die  Herren  Karl  von  den  Steinen  und  Waldeyer,  stellvertretende 

Vorsitzende; 
die  Herren  Neuhauss,  Traeger  und  Voss  als  Schriftführer  und 
Hr.  Sökeland  als  Schatzmeister. 
Sämtliche  Herren  nehmen  die  Wahl  an. 

Hr.  Lissauer  dankt  für  das  ihm  geschenkte  Vertrauen  und  bittet 
um  Nachsicht  für  seine  Geschäftsführung  und  um  die  Unterstützung  aller 
Beamten  der  Gesellschaft,  da  er  sich  nur  schwer  entschlossen  habe,  diesem 
ehrenvollen  Ruf  zu  folgen,  nachdem  Hr.  von  den  Steinen  erklärt,  dass 
er  augenblicklich  das  Amt  des  Vorsitzenden  nicht  übernehmen  könne.   — 

(7)  Als  neue  Mitglieder  für  das  Jahr  1905  werden  gemeldet: 

1.  Hr.  Dr.  phil.  O.  Richter  in  Berlin. 

2.  ,,  Prof.  Dr.  Erich  Martini,  Marine-Oberstabsarzt  in  Berlin. 

3.  „  Hermann  Schoede  in  Berlin. 

4.  „  Dr.  Schulte  im  Hofe  in  Berlin. 

5.  „  Dr.  Lewitt  in  Berlin. 

(!.     „     Ingenieur  C.  Giebel  er  in  Gross-Lichterfelde  0. 
7.     „     Prof.  Dr.  Wilhelm  Kolle  in  Berlin. 

(S)  Hr.  Dr.  Max  Kiessling  schreibt  uns  aus  Arta  vom  13.  No- 
vember 1904: 

„Eben  bin  ich  nach  mehrwöchentlichen  anstrengendsten  Touren  ans 
«Ion  wildesten  Teilen  des  wildesten  der  europäischen  Hochgebirge,  dem 
Pindos,  wieder  in  kultiviertes  Gebiet  eingetreten  und  finde  in  der  alten 
griechisch-korinthischen  Kolonie  Ambrakia  Ihren  werten  Brief  vor.  Dass 
ich  ihn  erst  jetzt  erhalte,  erklärt  die  verspätete  Beantwortung. 

Selbstverständlich  bin  ich,  unserer  Verabredung  im  Frühjahr  ent- 
sprechend, bereit,  als  zweiter  Delegierter  die  Gesellschaft  auf  dem 
Athener  Kongress  zu  vertreten,  und  bitte  Sie,  dem  Vorstande  der 
Gesellschaft  meinen  wärmsten  Dank  für  die  Ehre  der  auf  mich  ge- 
fallenen Wahl  zu  übermitteln.  Ich  werde  durch  Hrn.  Prof.  Dörpfeld 
(da  ieh  selbst  erst  Ende  dieses  Jahres  nach  Athen  zurückkehre)  bei  Hrn. 
Cawadiaa  einen  Vortrag  über  „die  älteste  ägäische  Kultur  und  die 
II  el  leiien  ■■   anmelden. 

Ich  werde  morgen  die  türkische  Grenze  überschreiten  und  nach  Süd- 
albanien gehen,  wo  ich  etwa  l>is  .Mitte  Dezember  unterwegs  zu  bleiben 
gedenke;  hoffentlich  treibt  es  der  Winter  nicht  gar  zu  arg,  er  hat  mich 
im  Pindos  durch  anhaltenden  Kegen  und  grosse  Kälte  schon  derb  an- 
gepackt. 


—     881     — 

Sie  wissen.  Herr  Professor,  dass  meine  Reisen  zunächst  historisch- 
geographischen  Forschungen  gelten  müssen;  doch  habe  ich  nach  Kräften 
die  Anthropologie  der  Hellenen,  die  seit  längerem  mir  besonders  am 
Herzen  liegt,  berücksichtigt  lind  glaube,  aunmehr  über  das  Wesentliche 
sicher  zu  sein.  Freilich  sind  noch  systematische  Aufnahmen  dringend 
notwendig;  «las  von  mir  gesammelte  kraniologische  Material,  aber 
<l;is  mein  Freund,  Hr.  von  Luschan,  wohl  an  Sic  and  die  Gesell- 
schaft berichten  wird,  wird  den  ersten,  sicheren  Grundstock  dafür 
abgeben.  Doch  hoffe  ich,  dass  es  mir  möglich  werden  wird,  nach 
Jahresfrist  noch  einmal  nach  Hellas  zu  gehen,  um  ausschliesslich  anthro- 
pologisch zu  arbeiten  und  zu  sammeln. 

Spasshafl  ist,  dass  die  griechischen  Zeitungen  spaltenlang  über  >\^n 
deutschen  „xQaviooxonog"  handeln  und  allerlei  Befürchtungen  an  sein 
„gefährliches  Treiben"   hier  unten   knüpfen."   — 

(9)  Der    Internationale   Anthropologenkongress    wird    im    Jahre   1906 

vom  16. — 21.  April  in  Monaco  stattfinden.  Das  Komitee,  dessen  Präsident 
1fr.  Hainv.  dessen  Sekretär  Hr.  Verneau  ist.  versendet  bereits  die  Ein- 
ladungen. — 

(10)  Hr.  Waldeyer  teilt  mit,  dass  er  einen  eingehenden 

Bericht  von  Hrn.  Klaatsch 
über  dessen  ethnologische  Forschungsreise  in  Australien  erhalten  habe. 
Hr.  Klaatsch  befindet  sich  zur  Zeit  in  Queensland  (Nordaustralien)  am 
Carpentaria-Golf,  wo  sich  noch  wild  lebende  Ureinwohner  in  grösserer 
Zahl  finden.  In  der  Januar-Sitzung  wird  Weiteres  ans  dem  Berichte  mit- 
geteilt werden.  — 

(11)  Derselbe  demonstriert  vier  Fälle  von 

Os  tibiale  externum  Pfltzner, 

darunter  einen  ihm  von  Prof.  II.  Virchow  zugewiesenen,  der  mittels 
eines  Röntgogramms  von  Oberstabsarzt  Dr.  Yogtel  (f)  am  Lebenden 
Dachgewiesen  werden  war.  Hier  war  das  Tibiale  externum  doppelseitig 
vorhanden,  ebenso  in  einem  anderen  Falle  aus  der  Berliner  anatomischen 
Sammlung.1)  Zugleich  berührt  der  Vortragende  die  Frage  der  Hyper- 
daktylie  oder  Polydaktylie  unter  Referierung  der  Arbeiten  von  Tornier2) 
und    Ballowitz.8)     Vgl.    auch    die   jüngst    veröffentlichte    Mitteilung    des 


h  Es  handeil  sich  am  das  Skelet  des  Mörders  Bobbe,  vgL  Waldeyer:  Das 
Gehirn  des  Mörders  Bobbe.  Korrcspondenzblatl  der  Deutschen  Anthropologischen  Ge- 
sellschaft L901. 

2  Tornier,  G.,  a)  Über  den  Sängetier-Prähallux.  Arch.  f.  Naturgeschichte  L891 
Bd.  I,  S.  113.  —  b  Entstehen  eines  8chweinefnsses  mit  fünf  Zehen  und  der  B 
erscheinungen.  Arch.  f.  Entwickelungsmechanik,  herausg.  von  W.  Roux.  Bd.  XV,  S.  327. 
IU02.  —  c  Überzählige  Büdungen  a.  die  Bedeutung  der  Pathologie  für  die  Biontotechnik. 
Verhdl.  de  V.  Internat.  Zoologen-Kongresses  zu  Berlin,  1901.  Jena.  Gustav  Fischer.  — 
<li  Entstehen  von  Vordcrfuss-Hyperdaktylie  bei  Cervusarten.  Morphol.  Jahrb.,  XXXI. Bd.. 
S.  153.     L903. 

Ballowitz,  I '...  i  ber  hyperdaktyle  Familien  und  die  Vererbung  der  Vielfingerig- 
keit.     Arch.  f.  Rassen-  und  Gesellschafts-Biologie,  I.  Jahrg..  S.347.    L904.  —  b;   Das  Ver- 


-     882     — 

Vortragenden  an  die  hiesige  Akademie  der  Wissenschaften1),  sowie  die 
Arbeit  H.  Virchows  über  einen  Chinesinnenfuss2),  bei  welchem  sich  ein 
mit  dem  Talus  gelenkendes  überzähliges  Knöchelchen  fand. 

In  der  Diskussion  bemerkt  Hr.  Magnus  unter  Hinweis  auf  eine 
frühere  Mitteilung  von  P.  Albrecht,  der  einen  entfernteren  bis  zu  den 
Fischen  zurückreichenden  Atavismus  annahm  —  so  auch  Kollmann  — , 
dass  man  die  einzelnen  Fälle  wohl  sondern  müsse:  diese  könnten  atavistisch 
erklärt  werden  müssen,  jene  teratologisch.  Hr.  Waldeyer  stimmt  dieser 
Ansicht  zu.3) 

(12)  Hr.  Waldeyer  demonstriert  ferner  mehrere  Fälle  von 

Canalis  craniopharyngeus 

vom  Menschen,  Gorilla  und  Chimpansen  und  berichtet  über  die  den 
gleichen  Gegenstand  behandelnde,  unter  J.  Kollmanns  Leitung  entstandene 
Arbeit  von  Sokolow.4) 

(13)  Hr.  Lehmann-Nitsche  aus  LaPlata  demonstriert  Abbildungen  der 

Sammlung  Boggiani  von  Indianertypen  ans 
dem  zentralen  Südamerika. 

Kurz  bevor  ich  wieder  an  meinen  augenblicklichen  Wirkungskreis 
nach  La  Plata  zurückkehre,  möchte  ich  Ihnen  die  Sammlung  Boggiani 
von  Indianertypen  aus  dem  zentralen  Südamerika  demonstrieren,  welche 
ich  soeben  als  anthropologischen  Atlas  herausgegeben  habe6).  Das  Berliner 
Museum  für  Völkerkunde  hat  ja  gewissermassen  ein  persönliches  Interesse 
an  dem  unglücklichen  italienischen  Forscher,  insofern  sich  dessen  letzte 
ethnographische  Sammlung  zum  grossen  Teil  in  seinem  Besitze  befindet 
(der  andere  Teil  in  Stuttgart).  Boggiani  kam  vor  seiner  letzten  Expedition, 
welche  für  ihn  so  verhängnisvoll  ausfiel,  nach  Buenos  Aires  und  La  Plata, 
und    zeigte    mir    u.  a.    eine    prächtige    Sammlung    selbst    aufgenommener 

halten  der  Ossa  sesamoidea  an  den  Spaltgliedern  bei  Hyperdaktylie  des  Menschen. 
Virchows  Arch.  f.  pathol.  Anat .,  Bd.  178,  S.  164.  11)04—  c)  Das  Verhalten  der  Muskeln 
und  Sehnen  bei  Hyperdaktylie  des  Menschen  im  Hinblick  auf  die  Ätiologie  dieser  Miss- 
bildung. —  d)  Über  die  Hyperdaktylie  des  Menschen.  Klinisches  Jahrbuch,  herausgeg. 
im  Auftrage  d.  Königl.  Preuss.  Kultusministeriums,  Bd.  XIII.     Jena  1904,  Gustav  Fischer. 

1)  Waldeyer,  W.,  Bemerkungen  über  das  „Tibiale  extern  um".  Sitzungsber.  der 
Königl.  Preuss.  Akad.  d.  Wissenschaften,  1904.   II.  Abt.,  S.  1326. 

2)  Virchow,  H.,  Das  Skelet  eines  verkrüppelten  Chinesinnenfusses.  Zeitschr.  für 
Ethnologie,  1903.    S.  2(56. 

'■'<)  Waldeyer,  1.  c. 

4)  Sokolow,  Der  Canalis  craniopharyngeus.  Arch.  f.  Anatomie  und  Pbysiologie, 
Anatom.  Abteilung,  L904.    S.  71. 

."))  Die  Sammlung  Boggiani  von  Indianertypen  aus  dem  zentralen  Süd- 
amerika.  Eerausgegeben  von  Robert  Lehmann-Nitsche,  Dr.  phil.  et  med.,  Buenos- 
Aires  1904.  Verlag  von  R.  Rosauer,  Rivadavia  571.  —  Auch  unter  spanischem  Titel:  La 
Colecciön  Boggiani  de  tipos  indigenas  de  Sudamerica  central.  Publicada  por 
Robert  Lehmann-Nitsche,  Dr.  phil.  et  med.,  Buenos-Aires  1904,  Gasa  Editora  de 
R.  Ro  auer,  Rivadavia  .">71.  — 

Das  Supplement  unter  genau  dem  gleichen  Titel  mit  Hinzufügung  von  „Supplement" 
Im/w.  „Suplemento*  hinter  „Südamerika"  bezw.  „Sudamerica  central". 


—    883    — 

photographischer  Platter  im  Formate  18:24  cm  von  verschiedenen  Indianer- 
typen   speziell  des  Chaco,    welche    er    als  Atlas    zu   publizieren   gedachte, 
womöglich  in  den  Anales  des  Museums  zu  La  Plata.    Wir  korrespondierten 
auch  uoch  darüber,    damals    liess   sich  aber  sein  Plan  nicht  verwirklichen 
und  inzwischen    zog    er    wieder    hinaus   in   die  Wildnis,    wo    er   den  Tod 
finden    sollte.     Das    italienische  Komitee  in  Paraguay,    welches    zu  seine)' 
Aufsuchung  eine  Expedition  unter  dem  Spanier  Cancio  aussandte,  nachdem 
Boggiani    bereits   längere  Zeil  vermisst  war,    hat  jetzt  in  Mailand    einen 
sehr    interessant    geschriebenen  Bericht    über    die  Auffindung-    seiner    und 
seines  Begleiters  ( I  a  v  i  I  a  n  Reste  veröffentlicht,  der  aber  anscheinend  wenig 
bekannt  geworden  ist1).    Nachdem  hinsichtlich  Boggianis  Tod  kein  Zweifel 
mehr  bestand8),   machte  ich  mich  daran,  den  Verbleib  der  photographischen 
Platten  zu  ermitteln,   welche,   wie  ich  wusste,   Boggiani  in  Buenos  Aires 
gelassen    hatte,    um    seinen   Wunsch  zu  erfüllen,   sie  als  anthropologischen 
Atlas    herauszugeben.     Da  ein   genauer  Katalog  von  seiner  eigenen  Hand 
ebenfalls    existierte,    war    betreffs  der  nötigen  Angaben    kein   Zweifel  vor- 
handen.    Es  gelang  mir  ferner,  Hrn.  Robert  Iiosauer  in  Buenos  Aires  als 
Verleger  zu  bewegen,  die  gesamte  Serie  mit  Ausschluss  einiger  weniger 
Platten,   welche  zu  gelungener  Reproduktion  untauglich  waren,    veröffent- 
lichen zu  dürfen,  allerdings  in  zwei  voneinander  unabhängigen  Abteiinngen. 
Die  erste  Abteilung  enthält  rund  100  Tafeln,  ausserdem  als  Extratafel  das 
Bildnis  des  unglücklichen  Boggiani.    In  einer  zweiten  Supplementabteilung 
sind    14  Tafeln   untergebracht,  welche,   da  sie  den  entblössten  Körper  dar- 
stellen, nicht  an   ein  grösseres  Publikum  in  Buenos  Aires  verkauft  werden 
konnten,  deren  gesonderte  Veröffentlichung  aber  im  Interesse  des  Verlegers 
unbedingt  nötig  war.     Durch  Bezeichnung  dieser   14  Supplementtafeln   mit 
Ziffern  und  Buchstaben  können  sie  ohne  weiteres  in  die  Hauptserie  eingereiht 
werden,  ohne  dass  hier  eine  Störung  in  der  fortlaufenden  Xummerierung  ein- 
träte.    Schliesslich  habe    ich  jeder    Abteilung    ein    Vorwort    und    Inhalts- 
verzeichnis  in  Deutsch   und  Spanisch    mitgegeben,    gedruckt  als  Heft  von 
gleichem  Oktavformate  wie  die  Tafeln,  so  dass  alles  zusammen  bequem  in 
dem  gleichen  Karten  untergebracht  werden  kann.  Der  Text  unter  den  Tafeln 
ist  nur  in  Spanisch,  da  der  Hauptabsatz  des  Werkes  doch  für   Buenos  Aires 
und  die  La  Plata-Länder  berechnet  ist.     Line  Sonderausgabe  mit  deutschem 
Text    hätte    die    Herstellungskosten    erhöht    und    sich    ausserdem    nur    in 
wenigen  Worten    (fast    nur    „Indianer"    bezw.    „Indianerin"    statt    ..Indio'' 
bezw.  „India")  von  dem  spanischen  Texte  unterschieden. 

Was  nun  die  in  der  Sammlung  vertretenen  Stämme  anbelangt,  so  sind 

es    die    Sanapanä,    Angaite    und    Lengua    der    Mascoi-    und    die    Caduveo 

Miiaya).    Toba    und    Payagua    der    Guaicurügrnppe,    ferner    die    isolierte 

Gruppe    der    Bororö;    der  Hauptanteil    der    ganzen  Sammlung   aber,    zwei 


1  Alla  ricerca  >\\  Guido  Boggiani.  Spedizione  Cancio  oel  Ciaco  Boreale  (Alto 
Paraguay  .  Relazione  e  Documenta.  Pubblicaiione  fatta  per  cura  de]  Comitato  Pro- 
Boggiani.    MEilano,  k.  Bontempelli,  Editore,  1903         l-\  L08pp. 

2  Robert  Lehinann-Nitsche,  Nähere  Nachrichten  über  die  Ermordung 
des  verdienten  italienischen  Reisenden  Guido  Boggiani.  Globus,  Bd.  83,  Nr.  5, 
29.  Januar  1903,  p.  82, 


—     884     — 

Drittel,  kommt  auf  die  isolierte  Gruppe  der  Ghamacoco.  „Die  Photo- 
graphien", um  die  folgenden  Stellen  wörtlich  meinem  Vorworte  zu  ent- 
nehmen, „sind  so  vorzüglich,  dass  nur  sehr  wenige  nicht  tauglich  zur 
Reproduktion  waren;  was  nur  irgend  ging,  wurde  mitgenommen."  „Die 
Aufnahmen  sind  nicht  nach  den  m.  E.  mit  Recht  herrschenden  anthro- 
pologischen Prinzipien  gemacht  worden;  hiernach  soll  ja  das  zu  photo- 
graphierende  Individuum,  handle  es  sich  um  Brustbild  wie  um  den  ganzen 
Körper,  in  straffer  Haltung,  in  mathematischer  Stellung  nach  vorne,  von 
der  Steite  und  von  hinten  in  gleichem  Masstabe  (1  :  12,5;  1  :  10;  1  :  7  usw.) 
aufgenommen  werden  und  Bertillon  hat  für  sein  System  die  anzuwendende 
photographische  maschinelle  Technik  ersonnen  und  in  unübertroffener 
Vollendung  ausgearbeitet,  ohne  dass  leider  seine  Methode  für  die  wissen- 
schaftliche Anthropologie  bis  jetzt  angewandt  worden  wäre.  In  Boggianis 
Sammlung  sind  derartige  Aufnahmen  wenig  vertreten.  Dafür  aber  kommt 
ein  anderes  Prinzip,  das  künstlerische,  zur  Geltung;  man  sieht  den  danach 
aufgenommenen  Photographien  sofort  an,  dass  sie  von  einem  bedeutenden 
Maler  gemacht  worden  sind.  Bei  manchen  Aufnahmen  ist  das  künstlerische 
Prinzip  ausschliesslich  Ausschlag  gebend  gewesen;  man  vergleiche  z.B.  die 
schönen  Bilder  Nr.  61 — 62,  das  junge  Mädchen  am  Wasser  mit  dem  Zweig 
in  der  Hand,  oder  Nr.  63 — 64,  ein  junges  Ding  lachend  vor  dem  Vorhang, 
oder  den  übers  ganze  Gesicht  lachenden  Millet  (Nr.  45)  oder  die  ver- 
schiedenen Aufnahmen  der  Tiigule  (Nr.  65 — 70).  Wie  starr  muten  dagegen 
solchen  lebenstrotzenden  natürlichen  Photographien  gegenüber  mehr  oder 
weniger  streng  „anthropologische"  Aufnahmen  an,  wie  wir  sie  eben 
charakterisiert  haben,  z.  B.  der  „kleine  Kapitän"  Nr.  14  und  15  oder  die 
beiden  Payaguafrauen  Nr.  27 — 28  bezw.  30 — 31!  Wer  weiss,  ob  nicht  das 
durch  Boggiani  zum  mindesten  für  Südamerika  zum  ersten  Male  befolgte 
künstlerische  Prinzip  bei  anthropologischen  Photographien,  wie  es  in  der 
vorliegenden  Sammlung  zum  Ausdruck  kommt,  der  Anthropologie  und 
speziell  der  anthropologischen  Photographie  ganz  neue  Fingerzeige  geben 
wird ! 

Das  Verzeichnis  der  Tafeln  ist  Boggianis  Originalkatalog;  ich  habe 
nichts  weggelassen  oder  hinzugefügt,  nur  eine  andere  Anordnung  der 
besseren  Übersichtlichkeit  wegen  vorgenommen.  Zunächst  teilte  ich  alles 
in  die  grossen  sprachlichen  Gruppen,  dann  die  Individuen  der  einzelnen 
Stämme  gemäss  Boggianis  Angaben  nach  Geschlecht  —  erst  männlich,  dann 
weiblich  -  und  Alter,  ansteigend  von  den  jüngeren  zu  den  älteren  Personen. 
Waren,  wie  häufig,  von  einem  Individuum  mehrere  Aufnahmen  vorhanden, 
so  kamen  zuerst  die  vom  ganzen  Körper  in  Vorder-,  Seiten-  und  Rücken- 
ansicht, dann  die  Brustbilder  in  gleicher  Reihenfolge. 

Nun  noch  einige  Werte,  warum  die  Veröffentlichung  auf  kleinen  losen 
Tafeln  in  Oktavformal  ohne  weissen  Rand)  erfolgt,  von  denen  jede  nur 
ein  Bild  wiedergibt.  Als  anthropologischen  Atlas  denkt  man  sich  ja  ein 
grosses  gebundenes  Buch  mindestens  in  Quart,  alle  Tafeln  mit  einem 
breiten  weissen  Rande,  die  man  nur  in  seltenen  Fällen  herausnehmen  und 
nebeneinander,  das  Zusammengehörende  zusammen,  ausbreiten  kann,  und 
doch  i.-t  dies  gerade  für  ein  wirkliches  Studium  von  erösster  Wichtigkeit. 


—    885     — 

Das  kann  man  mit  losen  Tafeln  ohne  weissen  Rand  bequem  erreichen. 
Die  event.  Anordnung  unter  Glas  and  Rahmen  für  Lehrzwecke  und  zur 
Ausstellung  in  öffentlichen  Sammlungen,  ohne  «lass  übermässig  viel  Platz 
verbraucht  wird  nml  die  Einordnung  neu  zugekommenen  .Material-  isi 
damit  ohne  weiteres  ermöglicht.  Zur  praktischen  Unterbringung  eines 
grösseren  anthropologischen  Bildermaterials  empfehlen  sich  übrigens  in 
Mappen  aufzubewahrende  nicht  zu  dicke  Kartons  von  indifferenter  grauer 
oder  bellbrauner  Farbe  etwa  in  «Im-  Grösse  60:75ctw,  in  welche  die  un- 
aufgezogenen Photographien  oder  Lichtdrucke  usw.  eines  bestimmten 
Stammes  mit  den  vier  Ecken  in  kleine  Einschnitte  festgesteckt  werden. 
Bei  Zuwachs  ist  dann  ein  umstecken  und  Einordnen  sehr  leicht  und  falls 
nötig  kann  der  so  wie  so  nicht  teuere  Karton  erneuert  werden.  So  i-t 
die  Sammlung  fortwährend  geordnet,  das  Zusammengehörige  beisammen  und 
auf  einer  grösseren  Flüche  dein  Auge  zur  l)e<|iieineii  Auf-  und  Zusammen- 
fassung dargeboten.  Viel  leichter  kann  es  so  mit  einem  Blick  die  cha- 
rakteristischen gemeinsamen  Merkmale  und  unterschiede  erfassen  ohne  zu 
ermüden." 

Soweit  aus  meinem  Vorwort.  Zur  bequemen  Demonstration  habe  ich 
alle  Tafeln  provisorisch  in  ein  Leporello-Album  eingesteckt  und  dieses 
.auseinandergezogen  Ihnen  hier  an  der  Wand  aufgehängt.  Ich  hoffe  zum 
Schluss,  dass  der  in  Deutschland  gedruckte  anthropologische  Atlas,  der 
Boggianis  schöne  Aufnahmen  nun  allgemein  zugänglich  macht,  den  An- 
klang der  Fachgenossen  wie  der  winteren  Kreise  finden  möge! 

(14)  Hr.  M.  Hellmich,  Kgl.  Landmesser  in  Glogau,  übersandte  folgende 
Abhandlung: 

Der  Götze'sche  Böschuugsmesser. 

(Siehe  Jahr-     1904,   S.  115  ff.) 

Nachdem  ich  mir  zur  Probe  und  in  ganz  einfacher  Weise  den  von 
Götze  angegebenen  Böschungsmesser  hatte  anfertigen  lassen,  habe  ich 
denselben  zur  Aufnahme  einiger  Schanzen  verwendet  und  für  sehr  praktisch 
befunden.  Wenn  ich  mir  erlaube  hier  an  die  Götzeschen  Ausführungen 
anzuknüpfen,  so  geschieht  es  nur.  um  für  eine  andere  Art  der  Verarbei- 
tung der  gewonnenen  Messungszahlen  einzutreten  mit  Benutzung  einer 
kleinen  Verbesserung  an  dem  Instrument. 

Es  Lsl  nämlich  nicht  zu  leugnen,  dass  das  Instrument,  so  geeignet  es 
für  den  beregten  Zweck  ist  und  so  sehr  auch  die  damit  erzielten  Re- 
sultate befriedigen  mögen,  doch  immerhin  nur  eine  beschränkte  Genauig- 
keit seiner  Ergebnisse  verbürgt.  Es  ist  daher  notwendig,  die  gewonnenen 
Zahlen  so  zu  benützen,  dass  nicht  neue  Ungenauigkeiten  hineingetragen 
werden. 

Dazu  ist  al»er  allein  geeignet  die  Zahlenmethode  im  Gegensatz  zu 
der  mir  unvermeidlichen  Fehlern  behafteten  Zeichenkonstruktion,  die  in 
dem  obenerwähnten  Aufsatz  vorgeschlagen  wurde. 

Ich  gebe  hier  in  der  oberen  Doppelreihe  Zahlen,  wie  sie  mir  dem 
Zirkel  im   Felde  gemessen  wurden: 


—     886     — 

Wesl  -  >-  Richtung;  der  Messung  Ost 

+  37 
1,96    _3 

+  63  g 

2.0     -35  •- 

gl     1.86  ~. 

1,96    __44 

1,80  X 

1.95    _52 


1.93 


-51 

1,93    _44 

1,95 

—  30  +8 

1,96    _o.t  (l       2.0 


Ermittelte 


+  6  — 8      '     Steigungen  und 


1JÄ         1A  2.0       2° 

U      0 

1,99    2.00 


Horizontal- 
abstände 


1  1  ii.,  11.84  12.52  12.8912.86  12.51  12.07  11.55  11.04  10.60  10.30  10.08    9,94    9.94     10,0     10.0   10,0     10.0  Höhe  -^  . 

I.  gä 

i-          t-          —          m          in .          -           ■*          —           X           -•          ty          -                                                                                  .,                     ,     I  "©  3 

-'    Horizontal-  z  — 


~i       —        —       —        —       m 


Entfern  uns 


Die  oberen  Zahlen  sind,  in  Zentimetern  ausgedrückt  und  mit  Vor- 
zeichen (-(-  für  Steigen,  —  für  Fallen)  bezeichnet,  die  fortschreitend  ge- 
messenen Höhen  der  Geländepunkte,  auf  denen  die  Zirkelspitzen  stehen. 
Dabei  ist  für  die  Niederschrift  der  Messungsergebnisse  zu  beachten,  dass 
die  Richtung,  in  welcher  gemessen  wird,  oberhalb  des  Profils  durch  einen 
Pfeil  markiert  werden  muss.  Auch  habe  ich  es  für  zweckmässig  ge- 
funden, die  Zahlen  in  Stufen,  am  besten  auf  quadriertem  Papier  so  an- 
zuordnen, dass  ein  „Steigen"  höher  und  ein  „Fallen"  tiefer  geschrieben 
wird,  als  die  vorhergehende  Zahl:  dadurch  entsteht  gleich  bei  der  Messung 
in  rohen  Umrissen  ein  Bild  des  gemessenen  Profils,  welches  Irrungen  im 
Ansatz  der  Zahlen  bei  der  Messung  und  bei  der  häuslichen  Bearbeitung 
vorbeugt. 

Die  untere  Zahl  in  der  oberen  Doppelreihe  ist  die  horizontale  Ent- 
fernung der  beiden  Geländepunkte,  die  ebenfalls  an  dem  Zirkel  abgelesen 
weiden  kann. 

Dadurch  nämlich,  dass  man  neben  der  Teilung  für  die  Höhenunter- 
schiede auch  noch  die  für  die  Horizontalunterschiede  auf  der  Spannleiste 
anbringt,  erhält  man  neben  der  Kontrolle  für  die  Richtigkeit  der  Ablesung. 
wie  gleich  erörtert  werden  soll,  zugleich  die  Grundlage  für  die  von  hier 
an  fehlerfreie  rechnerische  Konstruktion  des  gemessenen  Profils  im  Gegen- 
satz zu  der  vorgeschlagenen  zeichnerischen  Konstruktion,  die  bei  den 
kleinen  Massen,  mit  denen  gearbeitet  werden  muss,  zahlreiche  Fehler- 
quellen in  sich  birgt  und  alle  ihre  Ungenauigkeiten  summiert. 

Will  man  die  zweite  Teilung  vermeiden,  so  kann  man  sich  eine 
Zahlentafel  entwerfen,  in  der  nach  der  Formel  b=)/ca — a2  (nach  neben- 
stehender Figur  1),  wo  c  die  Zirkelspannung,  ;i  die  Geländeerhebung  (also 
der  Vertikalabstand  der  Zirkelspitzen)  and  b  den  Abstand  der  Zirkel- 
spitzen,  in  der  Horizontalen  genießen,   bedeutet,    die  Werte    dieser  Hori- 


—     887     — 

zontalprojektion,  die  zu  den  gemessenen  Höhen  gehören,  abgelesen  werden 
können. '; 

Nimmt  man  beide  Teilungen  zur  direkten  Ablesung  auf  den  Zirkel, 
dann  übersieht  man  nach  kurzer  Übung  schon  beim  Ablesen,  «»I»  bei  dieser 
Manipulation     etwa    ein    Fehler 

vorgekommen    ist,    da    sich    die  Fig.  l. 

zueinandergehörigeii  Zahlen  sehr 
bald  hinreichend  genau  dem  Ge- 
dächtnis einprägen  und  man  beide 
Teilungen  immer  vor  Augen  hat. 

Aus  der  so  gewonnenen 
Doppelreihe  von  Zahlen  berech- 
net man  nun,  wie  im  Beispiel 
gezeigt,  gleich  darunter  die 
Höhen  der  Geländepunkte  durch 

schrittweises  Summieren  unter  Berücksichtigung  der  -j-  und  -  und  ferner 
die  Entfernung  dieser  Geländepunkte  von  einem  beliebigen  Anfangs- 
punkt. 


Höhe 

Horizontale 

Höhe 

Horizontale 

Höhe 

Horizontal'- 

0,00 
0,16 
0,26 
0,33 

2,1  K  i 
L,99 
L,98 
1,97 

l.'.Mi 

L,95 
L,94 
1,93 

1  92 

0,90 
0,92 
0,94 
0,96 

1,79 
1.7s 
1,77 
1,76 

L,34 
1,36 
1,39 

1.1" 

1,48 
L,46 
1,44 
L,42 

0,36 

0,97 

1.7:. 

1,42 

U" 

0,43 

0,99 

100 

1.74 

1,7:; 

0,47 

0,50 
0,53 

1 .1  >•_> 

L,03 

L,72 

1.71 

0,57 

0,60 

1,91 
1,90 

1,06 

1.7o 

0,63 

1,09 
1,12 

1,68 
L,66 

0,65 

L,89 

0,68 

1 ,88 

1.1.-) 

i.<;i 

0,71 

1.-7 

1,18 

L,62 

0,73 

o,7.") 

L,86 

l  ,2(  l 

L,70 

1 ,8i  i 

0,78 

L,84 

1,23 

1 ,58 

0,81 

L,83 

l  ,25 

L,56 

0,83 

1,82 

1,27 

1,54 

1 1,85 

1.81 

L,30 

1  ..'.L» 

i  >58fl 

1,80 

i..;-j 

1  ..">!  » 

—     888     — 

Mit  den  so  gewonnenen  Massen  erfolgt  dann  die  Auftragung  des 
Profils  fehlerfrei  und  nach  jeder  beliebigen  Verjüngung,  während  man  bei 
dem  zeichnerischen  Verfahren  immer  eiuen  verhältnismässigen  sehr  grossen 
Massstab  zu  wählen  gezwungen  ist,  der  die  gewonnene  Zeichnung  ihrer 
grossen  Ausdehnung  wegen  wieder  unübersichtlich  macht. 

Zur  Erläuterung,  welche  schönen  Ergebnisse  zu  erreichen  sind,  füge 
ich  die  Aufnahme  der  „Schwedenschanze"  bei  Linz,  Kr.  Guhrau,  bei,  eines 
ringförmigen  Walles,  der  an  einem  Nachmittage  ohne  jede  fremde  Hülfe 
von  mir  mit  dem  ersten,  primitiven  Gefäll messer  aufgenommen  worden  ist. 

Es  wurden  dazu  vier  Querschnittslinien  —  N — S,  O — W,  NO — SW 
und  NW  — SO  —  abgesteckt  und  gemessen.  Das  W-  O-Profil  ist  nach- 
stehend im  Masstah   1  :  1000  wiedergegeben  (Fig.  2). 

Von  demselben  ist  ein  Teil  der  Messungszahlen  und  der  daraus  be- 
rechneten Konstruktionsmasse  oben  mitgeteilt  worden. 

Aus  diesen  Profilen  wurden  direkt  die  Entfernungen  der  Horizontal- 
kurven runder  Höllenzahlen  vom  Mittelpunkte  aus  abgegriffen  und  in  die 
Kurvenkarte  übertragen,  ein  Verfahren,  wie  es  einfacher  fast  nicht  mehr 
zu  ersinnen  ist. 

Das  nachstehende  Kärtchen  (Fig.  3)  ist  auf  den  Masstab  1  :  1000 
gebracht.  Bei  der  Zeichnung  1  :  500  geben  die  Kurven  von  2  zu  2  dem 
die  Formation  noch  besser  wieder. 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet,  noch  einiges  über  den  Zirkel  zu 
sagen,  den  ich  mir  nach  den  gesammelten  Erfahrungen  für  die  weiteren 
Aufnahmen  jetzt  habe  machen  lassen. 

Zunächst  ist  mein  Zirkel  1,5  m  lang  und  fasst  für  gewöhnlich  2  m\ 
doch  lässt  sich  auch  mit  einer  zweiten  Spannleiste  eine  Spannung  von  1  m 
erzielen.  Die  Spannung  ist  so  gewählt,  dass  Böschungen  von  fast  45°  noch 
damit  gemessen  werden  können.  Zur  bequemen  Unterbringung  der  Spann- 
leisten ist  die  Spannung  in  2/.-,  d©r  Höhe  des  ganzen  Zirkels  —  vom  Kopfe 
her  gerechnet  —  angebracht.  So  können  beide  Spannleisten  an  einer 
festen  Achse  angebracht  und  an  den  Schenkel  in  eine  Kehlung  eingeklappt 
werden;  wird  dann  der  andere  Schenkel  herangeschlagen  und  so  der 
Zirkel  geschlossen,  so  liegen  die  Spannleisten  im  Inneren  und  sind  mit 
ihren  Teilungen  vor  Beschädigungen  beim  Transport  geschützt.  Je  nach- 
dem nun  mit  1  m  oder  mit  2  m  Spannweite  gearbeitet  werden  soll,  wird 
die  kürzere  oder  die  längere  Spannleiste  horvorgeklappt  und  in  dem 
gegen  überliegenden  Schenkel  durch  einen  Zapfen  mit  Mutter  befestigt. 
Bei  der  Spannweite  von  2  m  hängt  nun  das  Pendel  an  zwei  Fäden,  die 
die  Spannleiste  zwischen  sich  nehmen,  ans  der  Achse  des  Zirkelkopfes 
herab.  Da  die  Spannleisten  auf  beiden  Seiten  geteilt  sind,  so  kann  auf 
jeder  Seite  des  Zirkels  abgelesen  werden.  Die  Teilung  ist  jederseits  in 
zwei  verschiedenen  Skalen  übereinander  ausgeführt;  die  obere,  in  Zenti- 
metern beziffert,  gibt  die  Länge  der  vertikalen,  die  untere  in  Metern  die 
horizontalen  Entfernungen  der  Zirkelspitzen.  Diese  Einrichtung  ermög- 
licht "'S.  in  freiem  Gelände  den  Zirkel  durch  Drehen  um  die  in  der 
Messungsrichtung    vorn    stehende  Spitze  weiterzubewegen,  da,  wie  gesagt, 


—    889 

Fig.  2. 


w. 


& 


esst  «  sr  «s  t  =  V- 


rr^- 


- »  ? 


PIlfTFl5 


M 


'   '    '    •   '    '    ■    ■    '    ■   t    ■    '    ' — '    i    .    i — >   j   i   .   i    i    i    .  .    :    ;    i 

J^:J!>f*y^^•'•'•■|,  '  J?  iri  ;,  s  ;  :  S  ; ;  j  :  5  i  I  {  ;  :  :  ;  :  *  4  f? 


Fiff.  3. 


Zeitschrift  für  Ethnologie.    Jahrg.  ükm.    Heft  6. 


57 


—     890     — 

<lie  Teilung  zu  beiden  Seiten  der  Spannleiste  eine  Ablesung-  in  jeder  Lage 
gestattet. 

Für  die  Spannweite  von  1  m,  auf  die  Bedacht  genommen  wurde,  weil 
in  mit  Wald  oder  Buschwerk  bestandenem  Gelände  und  bei  Anlagen  von 
geringen,  oft  wechselnden  Erhebungen  und  Senkungen,  z.  B.  bei  Lang- 
wällen,  die  Spannweite  von  2  m  manchen  wichtigen  Geländepunkt  über- 
schlagen würde,  müssen  aber  die  Pendelschnüre  in  geringerer  Entfernung 
über  der  Spannleiste  festgehalten  werden,  weil  ja  die  Schenkel  nicht  ent- 
sprechend verkürzt  werden  können  und  sollen  und  dadurch  der  Winkel 
im  Seil  eitel  des  Zirkels  spitzer  geworden  ist.  Dies  geschieht  durch  eine 
Metallschiene  mit  Ausschnitt  für  die  Pendelschnüre  in  der  entsprechenden 
Höhe,  die  bei  Verwendung  der  kurzen  Spannleiste  eingehängt  wird. 

Auch  diese,  sowie  das  Pendel  mit  Schnur  können  im  Innern  der  ent- 
sprechend ausgehöhlten  Zirkelschenkel  untergebracht  werden,  sodass  der 
ganze  Apparat  im  reisefertigen  Zustand  eine  nach  dem  Fusse  sich  ver- 
jüngende Stange  von  etwa  4  cm  zu  G  cm  Stärke  am  Kopfe  darstellt. 

Nimmt  man  hierzu  noch  ein  Winkelprisma  zur  Absteckung  der  Kon- 
struktionslinien und  etwa  noch  einen  Kompass,  die  beide  bequem  in  der 
Westentasche  untergebracht  werden  können,  so  ist  man  für  die  Horizontal-? 
und  Vertikalaufnahme  nicht  allzu  ausgedehnter  prähistorischer  Anlagen 
von  der  Art  der  Burgwälle  ausreichend  gerüstet. 

Hr.  A.  Götze:  Es  freut  mich,  dass  der  „Böschungsinesser"  auch  bei 
technisch-fachmännischer  Seite  Anklang  findet,  vor  allem  aber,  dass  er 
durch  die  Ergänzung  mit  der  zweiten  Skala  leistungsfähiger  geworden 
ist.  Während  ich  das  Summieren  der  Höhenzahlen  in  der  Praxis  schon 
seit  längerer  Zeit  anwende,  fehlte  es  mir  bisher  an  der  Möglichkeit,  in 
gleicher  Weise  die  bei  der  zeichnerischen  Übertragung  entstehenden  Fehler 
bezüglich  der  Horizontaldistanzen  zu  vermeiden.  Diesem  Übelstande  ist 
nun  durch  die  Hellmichsche  Verbesserung  abgeholfen. 

Ich  erlaube  mir  ferner  zu  bemerken,  dass  ich  eben  damit  beschäftigt 
bin,  eine  weitere  Verbesserung  an  dem  Instrument  anzubringen.  Es  handelt 
sich  dabei  um  eine  Vorrichtung,  welche  eine  genauere  Ausführung  der 
eigentlichen  .Messarbeit  im  Gelände  ermöglicht,  namentlich  im  lockeren 
Sandboden,  im  Moos,  im  Gras  u.dgl.  Es  bestand  da  bisher  der  Übelstand, 
dass  die  Zirkelspitzen  unter  die  Oberfläche  des  weichen  Bodens  oder  der 
Vegetation sdecke  eindrangen,  so  dass  man  die  Entfernung  nicht  genau 
abgreifen  konnte.  Für  solche  Fälle  schlage  ich  den  Gebrauch  von  Schuhen 
vor,  au  ileren  zweckmässiger  Ausgestaltung  ich  zurzeit  arbeite.  Sobald 
ein  befriedigendes  Fa-gebnis  gewonnen  ist,  werde»  ich  mir  erlauben,  hier- 
über an  dieser  Stelle  zu  berichten. 

(lö)    Hr.   Hubert  Schmidt  überreich!   einen   Nachtrag    zu   seiner  Al>- 

handlung  über 

„Troja-My  kene-Ungarn". *) 

In   bezug  auf  das  Verbreitungsgebiet    der    ungarischen   Hängespiralen 

(oben  S.  620 ff.)    stelle    ich    auf   grund    eines    freundliehen   Hinweises  des 

1)  Di'   ei  Band  S.  608  ff. 


—      89]      — 

Hrn.  Olshausen  fest,  dass  derselbe  in  dem  ersten  „Nachtrage"  w  seiner 
von  mir  oben  (S.  (516)  zitierten  Arbeit  auf  8.  497  nach  Y  i  rchow  (das 
Gräberfeld  von  Eoban.  Berlin  1883.  8.44,  L30,  153.  Tf.  6,  12;  7.  1—2; 
9,  1 — "2;  11.  1)  den  Kobantypus  (siehe  meine  Figi  20,  Variation  y) 
schon  erwähnt,  seine  Form  bestimmt  und  auch  die  Spiralen  bemerkt  hat; 
auch  beruft  er  sieh  auf  E.  Chantre  (Materiaux  S.  II  T.  XIII  [1882] 
I».  "_?4 1  ff.  Tf.  4),  der  die  Kobaner  Geräte  als  „Ohrringe"  bezeichnet  hat 
(vgl.  meine  Bemerkungen  oben  auf  8.  621  f.)  und  teilt  mir  mit.  dass  er 
die  Bedeutung  „Ohrringe"  für  d;is  Wahrscheinlichere  stets  da  hält,  wo 
ein  Paar  vorhanden  ist.  dessen  einer  das  Spiegelbild  <\e^  andern  ist  (vgl. 
dazu  Olshausens  zweiten  Nachtrag,  Berl.  Verhdl.  1886  8.  640  unten). 
Meinerseits  ziehe  ich  die  Bezeichnung  „Hängespiralen"  vor,  weil  sie  als 
indifferent  für  alle  Fälle  zutrifft.  Meine  erste  Bekanntschaft  mit  den 
kaukasischen  Typen  machte  ich  im  Jahre  1902  in  Ungarn  auf  dort  im 
Privatbesitz  befindlichen  Photographien  von  kaukasischen  Funden  der 
Sammlungen  in   Wladikawkas  und  Tiflis. 

Ferner  bemerke  ich  berichtigend  folgendes: 

Zu  S.  i')l  7 ff.  Anmerkungen:  Das  im  Universitätsgebäude  von  Kolozsvär 
(Klausenburg)  befindliche  Museum  führt  die  Bezeichnung:  „Sieben- 
bürgisches  X  a  t  i  onal-  M  useuin    zu  Kolozsvär". 

Zu  8.618  Anm.  1:  inv.-Nr.  7237,  7238  in  Kolozsvär  haben  keine 
näheren  Fundangaben;  sie  sind  gekauft  und  stammen  wahrscheinlich  aus 
Siebenbürgen.  Das  Komitat,  aus  dem  Inv.-Nr.  1870  desselben  Museums 
herkommt,  „Belsö-Szolnok"  (nicht:  Belsö  Koni.  Szolnok)  führt  nach  der 
neuen   Regulierung  den  Namen  „Szolnok-Doboka". 

(IG)    Hr.   Paul  Bartels  überreicht  eine  Abhandlung:1) 

Über  Schädel  der  Steinzeit  und  der  frühen  Bronzezeit  aus  der 
Umgegend  von  Worms  a.  Rhein. 

Wer  von  Ihnen  das  Paulusmuseum  in  Worms  besucht  hat.  der  kennt 
aUs  eigener  Anschauung  einen  wenn  auch  nur  geringen  Teil  des  .Materials. 
über  das  ich  mir  erlauben  möchte.  Ihnen  hier  zu  berichten.  Hr.  Sanitäts- 
rat Koehl  hat  in  jahrelanger  Arbeit  dort  eine  kostbare  archäologische 
Sammlung  aus  der  Steinzeit  geschaffen,  er  hat  alier  nicht  verabsäumt,  zu- 
gleich auch  in  verständnisvoller  Weise  die  vielen  Schätze  osteologischen 
Materials  zu  bergen,  die  zumeist  noch  in  der  Verpackung,  wie  sie  aus  den 
Grabstätten  ins  Museum  transportiert  worden,  auf  den  Bodenräumen  der 
Pauluskirche  aüfgestapeli  waren,  einer  Bearbeitung  harrend.  Ich  verdanke 
der  freundlichen  Verwendung  von  Hrn.  Professor  Thilenius  die  Er- 
laubnis, diese  Bearbeitung  übernehmen  zu  dürfen,  und  Ich  möchte  ihm 
auch  an   dieser  Stelle  nochmals  meinen   wärmsten  Dank  dafür  aussprechen. 

Das  Material,  welches  mir  von  Hrn.  Koehl  übergeben  wurde,  befand 
sich  zum  Teil  in  keinem  günstigen  Erhaltungszustand.  Nicht,  dass  dies 
hauptsächlich  dadurch  veranlass!  gewesen  wäre,  dass  es  während  der  langen 

i  Nach  einem  auf  der  A.nthropologenversanimlung  in  Greifswald  gehaltenen  Pro- 
jektionsvortrag. 


—     892     — 

Zeiten,  die  es  auf  den  Bodenräumen  aufgestapelt  lag,  in  Säcken,  noch  mit 
der  Erde  angefüllt  und  von  ihr  umgeben,  aus  der  es  genommen  war,  teil- 
weise zerfallen  war,  dass  beim  Transport  und  durch  die  Unvorsichtigkeit 
der  Arbeiter  Beschädigungen  vorgekommen  waren,  —  vor  allem  waren  diese 
Schäden  durch  den  jahrtausendelangen  Aufenthalt  in  den  (iräbern  entstanden. 

Die  Schädel  sind  vielfach  durch  die  Last  der  umgebenden  Graberde 
verdrückt,  die  Knochen  waren  auseinandergetrieben,  zartere  Knochenstücke 
entweder  gänzlich  zerdrückt  oder  überhaupt  völlig  vergangen.1) 

Immerhin  ist  es  mir  gelungen,  eine  Sammlung  von  etwa  50  ganz 
oder  grösstenteils  erhaltenen  Schädeln  der  jüngeren  Steinzeit  und  der 
frühen  Bronzezeit  einzurichten.  In  der  Zeitschrift  „Vom  Rhein"  (Monats- 
blatt des  Wormser  Altertumsvereins)  habe  ich  in  der  Julinummer  1904 
bereits  über  diese  Sammlung  berichtet. 2) 

Die  Methode  der  Präparation.  wie  ich  sie  mir  ausprobiert,  habe  ich  in 
dem  eben  genannten  Aufsatz  bereits  geschildert.  Hier  möchte  ich  nur 
meiner  Genugtuung  darüber  Ausdruck  geben,  dass  die  nach  meiner  Rück- 
kehr aus  Worms  durch  C.  Strauch  veröffentlichte  Methode,  die 
Rud.  Yirchow  zu  verwenden  pflegte,  fast  genau  mit  der  meinigen  über- 
einstimmt. Es  heisst  dort  (Preuss.  Medizinalbeamten-Yerein,  Verh.  1904): 
„Die  umhüllende  Erde  spüle  man  ja  nicht  mit  Wasser  ab,  da  dies  sehr 
häufig  auch  die  Knochen  zum  Zerfall  bringt.  In  die  Schädelhöhle,  Augen- 
und  Nasenöffnungen  eingedrungener  Sand  oder  Lehm  kann  im  allgemeinen 
sehr  vorsichtig  und  zart  mit,  einem  hölzernen  Stäbchen  oder  einem  kleinen 
Borstenpinsel  entfernt  werden,  wenn  die  Knochen  erst  einige  Zeit  an  der 
Luft  gestanden  haben  und  trocken  geworden  sind.  Auch  ein  Eintauchen 
des  mürben  Schädels  in  flüssigen  Leim,  wie  es  früher  Brauch  war,  wird 
heute  nicht  mehr  geübt;  er  wird  sehr  leicht  gerade  in  der  Leimlösung  in 
seine  einzelnen  Stücke  zerfallen.  Erst  wenn  er  nach  einem  oder  zwei 
Tagen  lufttrocken  geworden  ist,  man  die  gröbste  Erde  entfernt  hat,  über- 
streiche man  seine  Oberfläche  mit  flüssigem  Wallrath  oder  Stearin."  Ich 
habe  gewöhnlich  mit  einem  stumpfen  Messer  gearbeitet  und  habe  zum 
Tränken  des  Knochens  Hausenblase  benutzt;  im  übrigen  bin  ich  ebenso 
verfahren,  wie  hier  geschildert  wurde. 

Über  die  Methoden,  nach  denen  ich  die  wissenschaftliche  Bearbeitung 
des  Materials  vorgenommen  habe,  will  ich  hinweggehen,  weil  ich  sie  in 
meiner  ausführlichen  Arbeit  über  die  Steinzeitschädel  genau  zu  schildern 
gedenke.  Nur  betreffs  der  Photographieen  niuss  ich  einige  Worte  sagen. 
Ich  machte  die  Aufnahmen  unter  Verwendung  des  Martin  sehen  Kubus- 
kraniophors,  mit  Hilfe  dessen  es  möglich  ist,  genau  auf  einander  recht- 
winklig stehende  Ansichten  der  vier  Nonnen  zu  erhalten.  Um  Ver- 
zeichnungen möglichst  zu  vermeiden,  wurde  die  Aufnahme  sehr  klein,  in 
genau  ljl0  der  natürlichen  Grösse,  hergestellt,  wobei  ich  als  Massstab  ein 
Schildchen  von  genau  V2  cm  Länge  benutzte,  das  die  Signatur  des  betr. 
Schädels  trug.     So  wurde  zugleich  die  Platte  kenntlich  gemacht.3) 


1)  Proj.-Bild  J— 4  zur  Illustration  des  Erhaltungszustandes. 

■-',  Proj.-Bild  5:   Gesamtansicht  der  kraniologischen  Sammlung  iu  der  Kreuzgang- 
kapelle  des  Paulusmuseums. 

3)  Proj.-Bild  6:  Schädel  Flomborn  No.  T.'i  im  Kiibuskraniophor,  Proiilansicht. 


—    893    — 

Die  Ergebnisse  meiner  Untersuchungen  enthalten  die  Beantwortung 
von  zweierlei  verschiedenen  Fragen. 

Die  erste  Frage,  die  icli  mir  stellen  rnusste,  war  die:  Lassen  diese  ur- 
alten menschlichen  Reste  in  ihren  anatomischen  Eigentümlichkeiten  irgend 
etwas  erkennen,  was  dafür  spräche,  dass  diesen  Menschen  innerhall)  des 
Formenkreises  Mensch  eine  besondere  Stellung  eingeräumt  werden  müsste. 
etwa  wie  sie  dem  Neanderthaler,  demSpy-  und  Krapinamenschen  heute  zu- 
geteilt wird?  Icli  kann  gleich  vorausschicken,  dass  ich  ein  derartiges  Resultat 
weder  erwartet  noch  erhalten  habe:  Die  steinzeitlichen  Bewohner  von 
Worms  und  l'mgegend  sind  Menschen  wie  wir  gewesen,  das  geht  schon 
aus  der  Betrachtung  der  Schädel,  die  ich  bisher  nur  allein  untersucht 
habe,  hervor.  Es  entspricht  dieses  Resultat  völlig  dem,  was  von  anderen  in 
Europa  gefundenen  Menschen  der  jüngeren  Steinzeit  bekannt  ist:  besonders 
Prof.  K  oll  mann  hat  ja  wiederholt  darauf  hingewiesen,  dass  sich  der  Mensch 
seit  der  jüngeren  Steinzeit  in  seinem  Knochenbau  nicht  verändert  hat. 

Im  dies  zu  entscheiden,  dazu  bedurfte  es  zunächst  nur  der  Betrachtung 
des  allgemeinen  Aussehens  der  Schädel.  Ich  zeige  Ihnen  hier  einige  be- 
sonders  charakteristische  von  verschiedenen  Gräberfeldern.1)  Diese  Schädel 
sehen  zwar  zum  Teil  etwas  fremdartig  aus,  doch  unterscheiden  sie  sich  von 
dem  allgemeinen  menschlichen  Typus  durchaus  nicht. 

Noch  mehr  lässt  sich  dieses  Urteil  sichern,  wenn  man  die  individuellen 
Abweichungen,  die  Varietäten,  welche  sich  an  den  einzelnen  Schädeln 
linden,  betrachtet. 

Ich  habe  seit  langer  Zeit  die  Literatur  über  die  Schädelvarietäten 
gesammelt  uud  mich  bemüht,  diejenigen  zusammenzustellen,  welche  sich  vom 
phylogenetischen  oder  vom  ethnologischen  Standpunkte  aus  als  wichtig 
erwiesen  haben;  ich  nenne  als  Beispiele  nur  den  Stirnfortsatz  des  Schläfen- 
beines, das  Inkabein,  das  Os  japonicum  (ainoicum).  So  bin  ich  dazu  ge- 
kommen, für  meine  Zwecke  ein  Beobachtungsschema  zu  entwerfen,  das 
eine  grosse  Leihe  von  Einzelfragen  umfasst  und  habe  die  Beantwortung 
dieser  Fragen  zum  ersten  Mal  an  den  im  Berliner  anatomischen  Institut 
vorhandenen  Rassenschädeln  durchgeführt,  indem  ich  so  eine  Art  An- 
hang zum  Schädelkatalog  lieferte,  in  ähnlicher  Weise,  wie  es  z.  IL  E.Schm  Ld  L 
Mehnert  (bei  Schwalbe).  .1.  Mies  u.  a.  bereits  getan  haben.  Während 
Acv  Schädelkatalog  heut  einheitlich  durchgeführt  ist  in  Bezug  auf  alle 
Punkte,  die  durch  Messung  zu  fixieren  sind,  fehlt  es  leider  noch  immer 
an  einer  einheitlichen  Ausführung  der  Schädelbeschreibungen.  Mau  kann 
sehr  oft  nicht  wissen,  ob  ein  Autor  eine  Varietät  nicht  erwähnt,  weil 
er  nicht  auf  sie  geachtet  hat  oder  weil  sie  nicht  vorhanden  war.  So  ist 
nach  dieser  Lichtung  hin  der  Schädelkatalog  noch  wenig  verwertbar.  Ich 
möchte  es  deshalb  als  ein  erstrebenswertes  Ziel  bezeichnen,  dass  wir  uns 
auch  über  die  Punkte,  die  bei  der  Beschreibung  eines  Schädels  in  der 
Regel  beobachtet  werden  sollen,  einigen  möchten.  Das  von  mir  ver- 
wendete Schema  habe   ich  soeben  in  der  Festschrift  für  Geheimrat  Wilhelm 

l)  Proj.-Bild  7—12:  Schädel  vun  der  Bheingewann,  von  Rheindürkheim,  von 
Flomborn,  vom  Adlerberg  bei  Worms  uml  aus  Wiesbaden. 


—     894     - 

Krause  (Internat.  Monatschr.  f.   Anat.  u.  Phys.    XXI,   H.  4 — 6,  1904)  ver- 
öffentlicht. 

Eine  Häufung  im  Auftreten  solcher  Merkmale,  die  wir  als  Merkmale 
niederer  Kassen  zu  betrachten  geneigt  sind,  bei  einem  untersuchten  Volke 
würde  uns  berechtigen,  demselben  eine  niederere  Stellung  in  der  Stufen 
leiter  innerhalb  des  Formenkreises  Mensch  anzuweisen.  Die  Beantwortung 
meiner  Fragen  für  die  Wormser  Schädel  der  Steinzeit  und  frühen 
Bronzezeit  ergibt  aber,  soweit  ich  es  bis  jetzt  beurteilen  kann,  keinerlei 
Anhaltspunkte  für  de  Ansicht,  dass  diese  Menschen  uns  als  Angehörige 
einer  besonders  niedrig  stehenden  Rasse  gelten  müssten. 

Ich  komme  deshalb  zu  dem  Endurteil:  diese  Menschen  waren  Menschen 
so  wie  wir,  und  gehörten  wahrscheinlich  auch  keiner  besonders  ..niedrig"' 
stehenden  Rasse  an. 

Eine  zweite  Gruppe  von  Fragen  betrifft  einen  ganz  anderen  Punkt: 
Lässt  sich  nach  dem  Knochenbau,  speziell  nach  dem  des  Schädels,  schliessen, 
dass  diese  Menschen  einem  bestimmten  Typus  angehörten,  und  wie  ist 
dieser  zu  charakterisieren?  Oder  waren  mehrere  Typen  vorhanden,  und 
wie  können  diese  charakterisiert  werden? 

Ich  muss  vorausschicken,  dass  ich  vollständig  unbefangen  mir  diese 
Fragen  beantworten  konnte,  da  ich  die  archäologischen  Streitfragen,  die 
etwa  hätten  in  Betracht  kommen  können,  nicht  kannte,  und  auch  bis  ich 
mich  entschieden  hatte,  mich  davor  gehütet  habe,  im  Einverständnis  mit 
Hrn.  Koehl,  diese  Fragen,  und  alles,  was  mich  sonst  hätte  beeinflussen 
können,  kennen  zu  lernen. 

Sehr  bald  erkannte  ich,  dass  sich  die  auf  dem  Adlerberg  bei  Worms 
gefundenen  Schädel  unter  allen  Umständen  von  den  übrigen  abtrennen 
Hessen.  Sie  neigen  zur  Brachycephalie,  während  all  die  anderen  in 
geringerem  oder  höherem  Grade  zur  Dolichocephalie  neigen:  auch  die 
Form  der  Gesichter  ist  verschieden,  wie  ich  noch  zeigen  werde. 

Interessant  war  mir  nun,  von  Hrn.  Koehl  zu  erfahren,  dass  ich  damit, 
ohne  es  zu  wissen,  die  schon  der  Bronzezeit  angehörigen  Schädel  von  den 
übrigen  abgesondert  hatte 

Unter  den  steinzeitlichen  Schädeln,  die  die  Bezeichnungen  Rheingewann, 
Flomborn.  Rheindürkheim  trugen,  lernte  ich  allmählich  dann  auch  noch 
zwei  Gruppen  unterscheiden:  die  Plomborner  sahen  anders  aus  als  die  in 
der  Rheingewann  und  die  bei  Rheindürkheim  gefundenen  Schädel.  Letztere 
beide  vereinte  ich  zu  einer  Gruppe,  die  im  allgemeinen  weniger  dolicho- 
cephale,  1110111-  an  der  Grenze  zur  Mesocephalie  stehende  Schädel  mit 
schmaleren  und  höheren  Gesichtern,  mit  heruntergezogenen  Augenhöhlen- 
winkeln  uinfasst,  die  zur  Orthognathie  zu  neigen  scheinen:  während  die 
Plomborner  durch  eine  höhere  Dolichocephalie,  durch  niedrigere  \\n>\ 
breitere  Form  des  Gesichtes,  durch  mehr  gerundete  Augenhöhlen  und 
durch  ihre  Neigung  zur  Prognathie  charakterisiert  sind.  Leider  ist  es  mir 
nicht  möglich  gewesen,  diese  Unterschiede  zahlenmässig  durch  Messung 
festzulegen.  Ich  habe  zwar  alle  Schädel  mögliche!  genau  nach  der  Frank- 
furter Verständigung  zu  messen  gesucht.     Als   ich    aber   nach   Beendigung 


—    895    — 

Uer  Messungen  mein  Material  mir  der  von  mir1)  angegebenen  Methode  der 
Bestimmung  der  Brauchbarkeit  prüfte,  ergab  sich,  «l;i>>  es  nicht  den  An- 
sprüchen genügt,  die  man  stellen  muss,  wenn  man  ein  so  feines  und 
empfindliches  Instrument,  wie  es  <lie  Methode  der  Schädelmessung  darstellt, 
anwenden  will.  Die  Methode  beruht  darin,  dass  man  mit  Hilfe  der 
Wahrscheinlichkeitsrechnung  den  Wert  feststellt,  um  den  <lie  erhaltene 
.Mittelzahl  nach  oben  oder  unten  schwanken  kann,  und  «las  Verhältnis 
dieser  Wertgrösse  zu  der  der  beobachteten  Schwankungsbreite  berechnet; 
so  erhält  man  einen  Index,  den  von  mir  sogenannten  Brauchbarkeitsindex, 
dessen  Höhe  anzeigt,  ob  und  in  welchem  Grade  das  Beobachtungsmaterial 
zu  einer  kraniometrischen  Untersuchung  überhaupt  geeignet  ist. 

Hier  war  nun  die  Brauchbarkeit,  wie  sich  zeigte,  eine  äusserst  geringe, 
und  zwar  scheint  mir,  wie  ich  in  meiner  ausführlichen  Mitteilung  noch 
begründen  zu  können  hoffe,  weniger  die  innere  Ungleichheit  der 
Beobachtungsreihen,  als  vielmehr  der  defekte  Zustand  der  Schädel  daran 
die  Schuld  zu  tragen. 

Ich  musste  also  auf  die  Berechnung  von  Mittelzahlen  und  die  Dar- 
stellung der  typischen  Merkmale  mit  diesem  Hilfsmittel  vernünftigerweise 
verzichten. 

Immerhin  waren  doch  aber  die  Unterschiede  nach  dem  Eindruck,  den 
ich  empfangen,  vorhanden,  wenn  ich  diesen  Kindruck  auch  nicht  in  die 
feste  Form  von  Zahlen  giessen  konnte.  Ich  habe,  allein  und  mit  Hrn. 
Koehl,  so  oft  versucht,  einen  Schädel  muh  den  von  mir  erkannten  Unter- 
schieden zu  diagnostizieren,  und  stets  mit  Erfolg,  und  habe  dann  nach 
meiner  Rückkehr  von  Worms,  als  ich  die  mitgebrachten  Platten  ent- 
wickelte, mich  so  oft  ernstlich  geprüft,  dass  mein  Urteil  sich  immer  mehr 
befestigt  hat. 

Um  nun  auch  Ihnen  denselben  Hindruck  verschaffen  zu  können,  den 
ich  durch  das  fortwährende  Anschauen  und  Vergleichen  der  Schädel  in 
meinem  Gedächtnis  davongetragen,  halte  ich  zu  einem  besonderen  Hilfs- 
mittel gegriffen,  das,  soviel  ich  weiss,  von  Hrn.  Professor  Emil  Schmidt 
herrührt.  Es  gibt  ein  Instrument,  das  so  fein  reagiert  wie  das  Gedächtnis, 
das    ist    die    photographische    Platte.      Ich    habe    versucht,    die    typischen 


1)  Untersuchungen  und  Experimente  au  15O0O  menschlichen  Schädeln  über  die 
Grundlagen  and  den  Wert  der  anthropologischen  Statistik.  X.  t'  Morph,  u.  Anthrop.  VII. 
S.  81— 132,  und:  Über  Vergleichbarkeit  kraniometrischer  Reihen,  Zeitschr.  f.  Ethn.  L903, 
Heft  <">.  —  In  einem  soeben  im  8.  Baude  der  Zeitschrift  Mir  Morphologie  und  Anthropo- 
logie erschienenen  Aufsatz.-  unterzieht  K.  E.  Ranke  meine  Methode  auf  Grund  mathe- 
matischer Erwägungen  einer  Kritik,  die  ihn  zn  einer  völligen  Verwerfung  des  Brauchbar- 
keitsindex führt.  Ich  freue  mich,  dass  damit  eine  Debatte  über  diese  Frage  ins  Leben 
gerufen  ist,  und  werde  die  erhobenen  Einwände  mit  Mathematikern  von  Fach  ein* 
wissenhaften  Prüfung  unterziehen,  deren  Resultat  ich  später  mitteilen  werde.  Gegenüber 
den  mit  grosser  Sicherheil  vorgebrachten  Ausführungen  K.  E.  Haukes  möchte  ich  aber 
Bchon  heute  sofort  bemerken,  das9  ich  selbstverständlich,  wie  ich  am  h  seinerzeit  ange- 
geben, gleichfalls  so  vorsichtig  war,  fachmännischen  Rat  bei  Untersuchung  dieser  Frage 
eu  erbitten,  und  dass  mir  damals,  wie  auch  beut,  noch,  versichert  wurde,  meine  F 
rangen  sein. neu  einwandsfrei  zu  sein,  wenn  auch  .ine  mathematische  Begründbarkeit 
meiner  Methode  nichl  ohne  weiteres  ersichtlich  sei.  Ich  komme  später  ausführlich  auf 
diese   Dinge  zurück. 


-     896     - 

Eigenschaf teu  durch  die  Methode  der  photographischen  Mittelbilder,  wie 
sie  E.  Schmidt  in  seinen  „Anthropologischen  Methoden"  (Leipzig  isss. 
8.  307,  308)  beschrieben  hat,  zu  fixieren.  Sie  beruht  darauf,  dass  man 
eine  Reihe  von  Bildern,  aus  denen  man  ein  Mittelbild  gewinnen  will, 
immer  auf  dieselbe  Platte  photographiert,  jedesmal  aber  nur  einen  ihrer 
Gesamtzahl  entsprechenden  Bruchteil  der  zur  Erzielung  eines  scharfen 
Bildes  notwendigen  Expositionszeit  belichtet.  Wenn  man  also  z.  B.  wie 
ich  21  Sekunden  braucht,  um  von  einer  einzelnen  Photographie  eine  gute 
Aufnahme  zu  erhalten,  und  man  will  aus  sieben  Bildern  ein  Mittelbild 
herstellen,  so  muss  man  für  jeden  Einzelfall  statt  21  Sekunden  nur  den 
siebenten  Teil  dieser  Zeit,  also  drei  Sekunden,  exponieren. 

Wie  aber  der  Histologe  nicht  jede  beliebige  Serie  ohne  weiteres  zum 
Modellieren  benutzen  kann,  sondern  einer  Definierlinie  bedarf,  so  müssen 
auch  bei  der  Herstellung  von  Mittelbilderu  die  Einzelbilder  in  bestimmter 
Weise  orientiert  sein.  Zu  diesem  Zweck  paust  man  alle  Einzelbilder  nach  ein- 
ander auf  dasselbe  Pauspapier  durch,  indem  man  darauf  achtet,  dass  jede 
folgende  Zeichnung  sich  immer  mit  der  vorhergehenden  möglichst  deckt. 
In  dieses  Nebeneinander  von  Linien  zeichnet  man  zum  Schluss  die  mittlere 
Umrisslinie  ein.  Nun  versieht  man  die  Pause  mit  einem  Linienkreuz, 
legt  jede  einzelne  Photographie  so  unter  die  Zeichnung,  dass  sie  sich  mit 
ihr  möglichst  genau  deckt,  und  punktiert  mit  einer  Nadel  die  vier  Schenkel 
des  Linienkreuzes  am  Rande  jeder  Photographie.  Zur  Aufnahme  werden 
die  Photographien,  eine  nach  der  anderen,  dann  so  auf  einem  zweiten 
Linienkreuz  befestigt,  dass  die  vier  Nadelstiche  auf  den  vier  Schenkeln 
des  Kreuzes  liegen.  Dadurch  erreicht  man,  dass  auf  der  photographischen 
Platte  immer  ähnliche  Teile  der  Einzelbilder  auf  dieselben  Teile  der 
Platte  fallen.  Das  Gemeinsame  summiert  sich  auf  der  Platte,  so  dass  ein 
scharfes  Bild  entsteht,  während  * lie  nicht  gemeinsamen  Umrisse  verblassen. 

Es  ist  also  ein  ganz  ähnlicher  Prozess,  wie  er  offenbar  in  unserem 
( redächtnis  sich  abspielt. 

Die  Mittelbilder  der  vier  verschiedenen  Normen1)  zeigen  denn  auch 
in  rech!  deutlicher  Weise  die  Verschiedenheiten  der  drei  von  mir  unter- 
schiedenen Typen.     (Vgl.  die  Abbildungen.) 

Wenn  ich  das  gesamte  in  Worms  vorhandene  Material  durchgearbeitet 
haben  werde,  hoffe  ich  den  Mittelbildern  eine  grössere  Anzahl  von  Einzel- 
aufnahmen  als  jetzt  zugrunde  legen  zu  können. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  nun.  dass  dieselbe  Gruppeneinteilung,  wie 
ich  sie  nach  anatomischen  Gesichtspunkten  getroffen,  auch  auf  Grund 
archäologischer  Forschungen  angenommen  wird,  indem  die  Gräberfelder  von 
der  Rheingewann  and  Rheindürkheim  der  ältesten  Periode  der  jüngeren 
Steinzeit,  der  älteren  Winkelbandkeramik,  angehören  und  gestreckte 
Skelette  zeigen,  während  die  Flomborner  Gräber  einer  jüngeren  Periode. 
der  sogenannten  Spiral-Mäanderkeramik,  zugerechnet  werden  und  Skelette 
enthalten,  die,  auf  der  linken  Seite  liegend,  in  hockender  Stellung  bei- 
gesetzt   sind,     so    erscheint     «Ins    Zusammentreffen    zweier    verschiedener 

l    Proj.-Bild   13     L6. 


—     897     — 

Forschungswege  in  demselben  Endurteil  von  einigem  Werte,  indem  sie 
geeignet  sind,  sich  gegenseitig  zu  stützen. 

Sehr  wertvoll  wäre  es  gewesen,  auch  noch  Vertreter  ans  der  Periode 
der  sogenannten  jüngeren  Winkelbandkeramik  zur  Untersuchung  verwen- 
den zu  können.  In  Worms  wurden  aber  aus  dieser  Kulturperiode  bisher 
nur  Wohnplätze,  noch  nicht  die  dazu  gehörigen  Grabstätten  gefunden. 

Hoffen  wir,  dass  es  der  glücklichen  Hand  von  Hrn.  Sanitätsrat  Koehl 
gelingen  möchte,  bald  auch  diese  Reste  der  Wormser  Erde  zu  entreissen! 


Mittelbilder  der  Norma  facialis. 
Links:    Typus    von    Rheindürkheim    und    der    Rheingewann    (ältere^  Winkelbandkeramik), 
in  der  Mitte;  Typus  von  Flomborn  (Spiralmänderkeramik  ;    rechts:    Typus  vom  Adlerberjr 

frühe  Bronzezeit). 


Mittelbilder  der  Prolilansicht. 
Links:    Typus    vmi    Rheindürkheim   und   der   Rheingewann    (ältere    Winkelbandkeramik] ; 
in  der  Mitte:    rypus  von  Flomborn    Spiralmiianderkeramik):  rechts:  Typus  vom  Adlerberg 

(frühe  Bronzezeit). 

Zum  Schlns-  erlaube  ich  mir  hier  in  allgemeiner  Form  an  alle  die- 
jenigen Herren,  welche  Vergleichsmaterial  besitzen,  die  Bitte  zu  richten, 
die  ich  noch  privatim  wiederholen  werde,  mir  gütigst  eine  Untersuchung 
desselben  gestatten  zu  wollen.  Hrn.  Professor  Dr.  Ritterling,  dem 
Direkter  des  Museums  in  Wiesbaden,  sage  ich  auch  an  dieser  Stelle 
meinen  Ite-ren  Dank  für  die  Liebenswürdigkeit,  mit  der  er  mir  die 
Untersuchung  zweier  bei  Wiesbaden  gefundener  Schädelfragmente  (Periode 
der  Spiral-Mäanderkeramik)  gestatte!   hm. 

(17;    Hr.  Götze  hält  einen  Vortrag  über 

Beiträge  zur  vorgeschichtlichen  Metallurgie. 
Der  Vortrag  wird  später  erscheinen.  — 


III.    Literarische  Besprechungen. 


Matiegka,  Heinrich,  Über  Schädel  und  Skelette  von  Santa  Rosa  (Santo 
Barbara-Archipel  bei  Kalifornien).  Mit  3  Masstabellen  und  IG  Ab- 
bildungen im  Texte.  Prag-:  Fr.  Rivnac  1904.  8°.  (S.-A.  aus  den 
Sitzungsberichten  der  Königl.  Böhm.  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
in  Prag.) 

Wenn  auch  schon  von  den  andern  Inseln  des  Barbara-Archipels,  von  S.  Catalina. 
S.  demente,  S.  Barbara,  S.  Cruz  und  S.  Miguel,  viele  Schädel  von  Virchow,  Carr  und 
Allen  beschrieben  worden  sind,  so  erfahren  wir  doch  aus  der  vorliegenden  Abhandlung 
zum  ersten  Mal.  wie  sich  die  Schädel  der  einstigen  Bewohner  der  Insel  S.  Rosa  verhalten, 
von  denen  15  authentisch  bestimmte  dem  Verf.  für  seine  Untersuchung  zu  Gebote  standen: 
die  4  Skelette  aber,  welche  dazu  gehören,  sind  die  eisten  überhaupt,  welche  von  dem 
ganzen  Barbara-Archipel  veröffentlicht  worden  sind.  Es  ist  daher  ein  Glück,  dass  dieses 
kostbare  Material  in  die  Hände  eines  so  erfahrenen  Anthropologen  gelangte,  wie  Hr. 
Matiegka  bekanntlich  ist.  Mit  grosser  Exaktheit  werden  diese  Überreste  der  längst 
ausgestorbenen  Indianerbevölkerung  von  S.  Rosa  vom  Verf.  gemessen  und  beschrieben 
und  die  Resultate  mit  den  Ergebnissen  der  von  andern  Autoren  veröffentlichten  Unter- 
suchungen über  die  Bewohner  der  anderen  Inseln  desselben  Archipels  und  anderer  mehr 
oder  weniger  entfernter  Gegenden  verglichen. 

Der  Verf.  konnte  so  den  wichtigen  Nachweis  führen,  dass  die  S.  Barbara-Insulaner 
beinahe  in  allen  deskriptiven  und  osteometrischen  Charakteren  den  anderen  Amerikanern 
nahe-  oder  gleichkommen,  d.  i.  wirkliche  echte  Amerikaner  sind.  Indessen  zeigen  sie 
selbst  doch  wiederum  lokale  Verschiedenheiten  von  grossem  lnter*esse. 

Unter  den  Schädeln  der  südlichen  Inseln  S.  Catalina  und  S.  demente  nämlich  über- 
wiegen die  Dolicho-  und  Chamaecephalen,  unter  denen  der  nördlichen.  S.  Cruz  und 
S.  Miguel,  die  Meso-  und  Brachy-Orthocephalen,  dagegen  nehmen  die  Schädel  von  S.  Rosa, 
obwohl  diese  Insel  zu  den  nördlichen  gehört,  eine  Mittelstellung  ein.  Sie  sind  meso- 
seltener  dolichocephal  und  zumeist  orthocephal,  haben  weiter  ein  mittelhohes,  meso-  oder 
prognathes  Gesicht,    mittelhnhe  oder    hohe  orbitae  und  eine  zinneist  schmal',    hohe  Nase. 

Dieses  Auftreten  der  Mesocephalen  kann  man  auf  verschiedene  Weise  zu  erklären 
versuchen,  entweder  als  Mischungsprodukt  der  Brachy-  und  Dolichocephalen  "der  als 
Variation  <\nr  beiden  Grundformen  oder  als  eine  selbständige  Schädelt'orin  überhaupt  oder 
endlich  als  ein  Durchgangsstadium  für  die  Umwandlung  der  dolichocephalen  in  die  brachy- 
cephale  Schädelform.  Der  Verf.  entscheidet  sich  vorsichtigerweise  für  keinen  dieser  vier 
Krklärungsversuche,  glaubt  aber  doch,  dass  die  ersten  beiden  nicht    mit   den  vorliegenden 

Lehen  übereinstimmen.  Anregende  Bemerkungen  über  die  systematisehe  Stellung  der 
amerikanischen  Rasse  überhaupt  beschliessen  die  vortreffliche  Monographie,  welche  sich 
durch  ihre  objektive  Aulfassung  besonders  auszeichnet.  Lissauer. 


—     899     — 

Krause,    Eduard,     Die    Werktätigkeit    der    Vorzeit.      In    „Weltall    und 

Menschheit.      Herausgegeben    von    Hans    Kraem-er,     Band    5.      Berlin: 
Dcutsclies  Verlagshans  Bong  &  Co.  (1904).    4°. 

Das   allgemein  anerkannte   Prachtwerk  der  unternehmenden   Verlagshandlung,    Bans 

Kraemers  Weltall  und  Menschheit,  hat  mit  dem  vorliegenden  ■">.  Bande  seinen  würdigen 
Abschluss  erreicht.  Nach  einer  geistvollen  Einleitung  von  Max  \onEyth,  welche  mir  die 
allgemeinen  Gesichtspunkte  entwickelt,  stellt  Eduard  Krause  das  tatsächliche  Material. 
welches  die  Prähistorie  und  Ethnologie  bereits  über  die  „Anfänge  der  Technik"  erforscht 
hat,  in  knapper  und  übersichtlicher  Darstellung  als  „Werktätigkeit-  der  Vorzeil  zusammen. 
Gewiss  war  Niemand  mehr  hierzu  berufen,  als  der  vieljährige  Konservator  am  K.  Museum 
für  Völkerkunde,  der  an  den  reichen  vorgeschichtlichen  und  ethnologischen  Schätzen 
desselben  seine  Erfahrungen  gesammelt  und  dunh  eigene  Versuche  unser  Wissen  über 
viele  Abschnitte  dieser  frühesten  Technologie  wesentlich  bereichert  hat.  Au»  der  Schule 
Rudolf  Virchows  hervorgegangen,  ist  der  Verf.  überall  bestrebt,  durch  ethnographische 
Parallelen  die  Fragen  der  dunklen  Vorzeit  zu  erhellen  oder  doch  die  gebotene  Erklärung 
über  deren  Hinterlassenschaft  zu  begründen.  So  werden  die  ältesten  bekannten  Werkzeuge 
der  eolithischen,  paläolithischen  und  neolithischen  Zeit  nach  dem  Material,  der  Formfolge 
und  der  Verwendung  ausführlich  behandelt:  so  weiden  ferner  die  Anfänge  der  Fischerei, 
der  Bautätigkeit,  der  Töpferei.  Färberei,  Gerberei,  des  Spinnens,  Flechtcns  und  Webens, 
der  Salzgewinnung,  des  Ackerbaues,  des  Kunstgewerbe.-  und  der  Metallgewinnung  mehr 
oder  weniger  eingehend  dargestellt.  Wir  erhalten  so  einen  vortrefflichen  Leitfaden  der 
prähistorischen  Technologie,  welcher  eine  längst  fühlbare  Lücke  in  der  vorgeschichtlichen 
Literatur  ausfüllt  und  von  jedem  Forsther  auf  diesem  Gebiete  als  willkommene  Gabe 
begrüsst  werden  muss. 

Nur  einige  Wünsche  und  Bemerkungen  seien  für  die  Bearbeitung  einer  zweiten  Auflage, 
welche  bald  erfolgen  dürfte,  hier  ausgesprochen. 

Bei  der  Kürze  der  Zeit  und  dem  beschränkten  Kaum,  welche  dem  Autor,  wie  wir 
wissen,  zu  Gebote  standen,  haben  einzelne  Kapitel  zu  wenig  Berücksichtigung  linden  können, 
wie  das  Weben,  die  Salzgewinnung,  der  Ackerbau,  die  Gewinnung  und  Bearbeitung  der 
Metalle,  welche  wohl  verdienten,  gleich  ausführlich  behandelt  zu  werden,  wie  die  Stein- 
bearbeitung. Wir  bitten  daher  dringend  die  Verlagshandlung,  dem  Autor  den  hierfür 
erforderlichen  Kaum  zur  Verfügung  zu  stellen. 

Bei  dem  Kapitel  über  die  Eolithen  muss  die  geologische  Beurteilung  der  Fundstelle 
noch  mehr  betont  werden,  als  es  geschehen  ist,  da  diese  über  das  Alter  der  Funde  allein 
entscheidet  und  die  technische  Beurteilung  nur  den  Wegweiser  bildet.  —  Das-  aber  die 
Gegenden,  von  denen  die  Gletscher  der  Eiszeit  die  Schwemmschichten  in  die  voreisten 
Läuder  herabbefördert  haben,  also  Skandinavien  und  Finnland,  schon  damals  bewohnt 
gewesen  seien,  weil  in  den  Diluvialschichten  einzelne  Kieselmanufakte  gefunden  v 
ist  doch  eine  zu  subjektive  Ansicht,  um  in  einem  populären  Werk,  wie  das  vorliegende 
doch  ist,  als  wissenschaftliche  Tatsache  hingestellt  zu  werden. 

Auf  S,  84  werden  die  Goten  als  Verfertiger  der  Gesichtsurnen  angesehen.    Dem  wider- 
spricht aber  die  geschichtlich  feststehende  Tatsache,  dass  die  Hauptsitze  der  Goten  gerade 
das  heutige  Ostpreussen   bis  zur  Nogat   und   dem   rechten  Weichselufer   waren,   während 
das  Fundgebiet   der  Gesichtsurnen    fasl    ausschliesslich   auf  dem  linken  Weichsekü 
legen  ist. 

Zum  Schluss  seien  noch  einige  Druckfehler  hier  verbessert,   welche    Leicht    irreführen 
könnten.     Auf  der    farbigen  Tafel  bei  S.  32  moss  es  zu  1  und  2  heissen:    eolithisch    statt 
neolithisch;   ferner  S.  84   bei  der  oberen  Abbildung:    Frögg  in   Steiermark   -tatt   in   K. 
ebendorl  Zeile  IT  von  (dien:  Berendt  statt  Berndl  und  bni  der  uuteren  Abbildung:  Tlukom 
statt  Plukom.  Lissauer. 


—    900    — 

H.  Belileu,  Der  Pflug  und  das  Pflügen  bei  den  Römern  und  in  Mittel- 
europa in  vorgeschichtlicher  Zeit.  Eine  vergleichende  agrargeschicht- 
liche,  kulturgeschichtliche  und  archäologische  Studie,  zugleich  als  ein 
Beitrag  zur  Besiedlungsgeschichte  von  Nassau.  Dillenburg:  Verlag  von 
C.  Seels  Nachfl.  (Moritz  Weidenbach).     1904. 

Verf.  unterscheidet  in  seinem  Werke  zwei  Urformen  des  Pfluges:  den  Haken-  und  den 
Sohlptlug,  wobei  er  jedoch  annimmt,  dass  diese  beiden  Pflugformen  bereits  mit  eiserner 
Pflugschar  verseheu  sind.  Der  Hakenpflug  besteht,  wie  der  Name  schon  stegt,  ursprünglich 
nur  aus  dem  Stabe  und  dem  Blatte,  welche  mit  einander  einen  mehr  oder  weniger  spitzen 
NN  inkel  bilden:  er  dient  ausschliesslich  zur  Auflockerung  des  Bodens  und  zum  Ziehen  der 
Furchen,  zu  deren  beiden  Seiten  die  aufgewühlte  Erde  aufgehäuft  wird.  Der  Hakenpflug 
wird  noch  heutigen  Tages  in  zahlreichen  Abarten  und  mannigfachen  Vervollkommnungen 
allenthalben  angetroffen.  Zu  diesen  Vervollkommnungen  gehört  auch  das  Anbringen  der 
Sohle,  wodurch  die  zweite  Hauptform  des  Pfluges,  der  Sohlpflug,  entsteht.  Während  der 
Haken  bei  seiner  Verwendung  einen  unruhigen  und  unsicheren  Gang  zeigt,  ist  derselbe 
durch  das  Anbringen  der  Sohle  ein  ruhiger,  stetiger  geworden;  die  Schar  nimmt  dadurch, 
dass  sie  sich  vorn  der  Sohle  auflagert,  eine  mehr  horizontale  Lage  an.  Dieser  Sohlpflug 
rindet  sich  am  häufigsten  sowohl  in  alter  wie  in  neuer  Zeit  in  den  Ländern  des  mittel- 
ländischen Meeres.  Auch  die  alten  Römer  besassen  den  Sohlpflug  und  nicht,  wie  Meitzen 
in  seinem  Werke  „Siedlung  und  Agrarwesen"  behauptet,  den  Hakenpflug.  —  Die  Römer 
waren  in  der  Urbarmachung  des  Bodens,  in  der  Bearbeitung  desselben  bereits  weit  vor- 
geschritten. Sie  teilten  das  zu  bebauende  Land  in  drei  Klassen  ein,  nämlich  in  campi, 
Ebenen,  colles,  Hügel  und  montes,  Berge.  Auch  zwischen  den  verschiedenen  Bodenarten 
wird  unterschieden,  ob  derselbe  schwer  oder  leicht,  fett  oder  mager,  trocken  oder  nass 
war.  Dementsprechend  wurden  verschiedene  Pflugschare  angewandt,  grosse  oder  kleine, 
leichte  oder  schwere  Pflüge,  und  zwar  richteten  sich  die  Bebauer  hierbei  nicht  allein  nach 
der  Bodenart,  sondern  auch  nach  der  auszusäenden  Frucht  sowie  nach  der  Jahreszeit,  in 
welcher  die  Aussaat  stattfand. 

Der  römische  Pflug  war  sowohl  mit  einem  Sech  (Schar)  als  auch  mit  einem  Streich- 
brett versehen,  auch  war  der  Bäderpflug  nicht  unbekannt. 

Verf.  führt  sodann  die  zahlreichen  Aufgaben  an,  welche  der  römische  Landmann  an 
seinen  Pflug  stellte.  Da  den  Römern  aucli  die  Anwendung  des  Pfluges  bei  der  Düngung 
des  Bodens  mit  Mist  und  Lupinen  bekannt  war,  bei  diesen  Arbeiten  jedoch  ein  Wenden 
mit  dem  Pfluge  notwendig  ist,  so  ist  dadurch  ebenfalls  bewiesen,  dass  der  römische  Pflug 
nur  ein  Sohlpflug  gewesen  sein  kann.  Denn  wie  der  Verf.  sich  selbst  an  einem  dem  noch 
heute  in  Meklenburg  verwendeten  Hakenpfluge  sehr  ähnlichen  Modelle  praktisch  über- 
zeugte, ist  das  Wenden  mit  einem  Hakenptluge  unmöglich.  Immerhin  ist  es  aber  ziemlich 
wahrscheinlich,  dass  sich  die  Römer,  wenn  es  der  Boden  verlangte,  neben  dem  Sohlptlug 
auch  noch  des  Hakenpfluges  bedienten.  Aus  allem  geht  hervor,  dass  sich  der  Gebrauch 
des  Pfluges  und  die  Lodenbearbeitung  bei  den  Römern  fast  gar  nicht  von  der  deutschen 
noch  heute  angewandten  unterschieden  hat.  Jedoch  nicht  nur  der  römische  Pflug  war 
dem  noch  heute  verwendeten  ausserordentlich  ähnlich,  auch  die  seit  uralter  Zeit  —  in 
der  La  Tene-  und  Kömcrzeit  —  in  ganz  verschiedenen  Gegenden  benutzten  Ptlüge  stimmen 
in  ihrer  Bauart  und  ihrem  (gebrauche  wesentlich  mit  den  heutigen  überein.  Verf.  beweist 
dies  an  der  Hand  einer  sorgfältig  ausgeführten  Übersicht  der  zahlreichen  Funde  von 
Pflugscharen. 

Der  Unterschied  der  alten  Ptlüge  von  den  modernen  besteht  hauptsächlich  darin,  dass 
»gen.  Streichbrett  ursprünglich  zweiseitig  war,  die  Erde  also  nach  beiden  Seiten  der 
gezogenen  Furche  hingeworfen  wurde,  während  man  sich  jetzt  des  einseitigen  Streich- 
brettes  bedient.  —  Verf.  bespricht  sodann  die  sogen.  Hochäcker,  Terrassierungen  und 
Rottein  (d.h.  Steinwälle,  welche  sich  mit  Hochäckern  und  (Jrabhügeln  im  Zusammenhang 
findem  im  südlichen  und  westlichen  Deutschland.  Die  Hochäcker  sind  sicher  mit  einem 
mit  dem  Streichbrett  versehenen  Pfluge  bearbeitet  worden.  Ob  ihre  Bearbeitung  aber  vor, 
während  oder  nach  dem  Entstehen  der  Grabhügel,  welche  sieb  auf  diesen  Hochäckern 
vorfinden  und  der  Hallstattperiode  und  LaTenezeit  angehören,  stattgefunden  hat,  ist  noch 


—      !M)1      — 

unbestimmt,  ebenso  ob  die  Pllugscharspitzen  aus  Holz  oder  Eisen  gefertigt  waren.  Es 
linden  sich  jedoch  auch  Beweise  für  die  Anwendung  eiserner  Pllugscharspitzen  in  prä- 
historischer Zeit  in  Gestalt  der  mit  Pflugsehrammen  versehenen  aufgefundenen  Steine. 
Verf.  hat  selbst  bei  seinen  Ausgrabungen  im  nassauischen  Gebiete  zahlreiche,  mit  solchen 
Furchen  versehene  Steine  gefunden.  Dabei  gemachte  Funde  entstammen  der  Mittel-  bis 
Spät-La  Tenezeit,  mithin  ist  das  Vorhandensein  der  eisernen  Pflugschar  in  jener  Zeit  als 
erwiesen  zu  betrachten.  Auch  hier  hat  sich  Verf.  durch  sorgfältig  ausgeführte  Studien 
der  dortigen  Gegenden  bemüht,  festzustellen,  ob  die  hier  zahlreich  anzutreffenden  Hügel- 
gräber zeitlich  in  irgend  einen  Zusammenhang  zu  bringen  sind  mit  den  Ackerrainen, 
jedoch  auch  hier  ist  er  zu  keinem  bestimmten  Resultate  gekommen.  —  Aus  allem  geht 
jedoch  hervor,  dass  der  Ackerbau  in  prähistorischer  Zeit  in  höchster  Blüte  stand  während 
der  La  Tenezeit,  dass  jedoch  auch  bereits  in  früheren  Perioden  derselbe  auf  einer  ver- 
hältnismässig hohen  Stufe  gestanden  haben  muss,  wofür  u.  a.  die  zahlreichen,  der  jüngeren 
Steinzeit  angehörigen  Funde  von  Getreidemahlsteinen  Zeugnis  ablegen.  Dementsprechend 
iniiNS  aber  auch  schon  vorher  Ackerbau  getrieben  worden  sein,  wodurch  allerdings  die 
Angaben  von  Caesar  und  Tacitus,  dass  ganz  Germanien  von  undurchdringlichen  Urwäldern 
bedeckt  gewesen  sei,  sich  als  falsch  herausstellen.  Verf.  vermutet  unter  hauptsächlicher 
Bezugnahme  auf  Nehrings  Werk:  „Tundren  und  Steppe  der  Jetzt-  und  Urzeifj  Berlin 
1890,  dass  die  ersten  Bewohner  unserer  Gegenden  vielmehr  eine  waldlose  Steppe  oder 
Lössboden  vorfanden,  auf  dem  sie  dann  die  ersten  Ackerbauversuche  machten. 

W  er n er. 


Krause,  Eduard,  Vorgeschichtliche  Fischereigeräte  und  neuere  Vergleichs- 
stücke. Eine  vergleichende  Studie  als  Beitrag  zur  Geschichte  des 
Fischereiwesens.  Mit  648  Abbildungen  auf  16  Tafeln  und  im  Text. 
Berlin:    Gebr.  Borntraeger  1.904.    8*0 

Die  vorliegende  Monographie  des  Hrn.  Ed.  Krause  schliesst  sich  zum  Teil  an  das 
bekannte  Werk  von  Charles  Rau,  Prehistoric  iishing  in  Europe  and  North  America  an, 
bildet  aber  eine  wesentliche  Erweiterung  desselben  besonders  nach  der  ethnologischen 
Seite  hin  und  auf  dem  Gebiete  der  modernen  Fischerei.  Die  Abschnitte  über  die  Zu- 
bereitung der  Fische  für  Nährzwecke,  über  die  Schnellwage  und  über  die  sogenannten 
Fischotter-  oder  Biberfallen,  welche  endgültig  als  Entenfallen  bestimmt  werden,  verdanken 
besonders  den  eigenen  Erfahrungen  und  Studien  des  Verf.  ihre  Entstehung. 

Das  darin  verarbeitete  Material  ist  ein  so  reichhaltiges,  wie  es  bis  jetzt  noch  in 
keinem  anderen  Werke  gesammelt  ist,  und  ein  grosser  Vorzug  dieses  mit  so  grossem 
Fleiss  und  so  vieler  Sorgfalt  verfassteu  Werkes  beruht  zu  nicht  geringem  Teil  darin,  dass 
nicht  nur  die  Literatur,  sondern  auch  das  im  Königlichen  Museum  für  Völkerkunde  hier- 
selbst  vorhandene  einschlägige  Material  benutzt  ist  und  dass  ein  sehr  grosser  Teil  der  in 
dem  Werke  erwähnten  und  abgebildeten  Originalstücke  den  Interessenten  in  der  hiesigen 
Sammlung  jederzeit  zur  Ansicht  und  Kontrolle  zugänglich  ist. 

Die  Einteilung  des  Stoffes  ist  eine  klar  übersichtliehe  und   ungezwungen! . 
leicht  ist,  sich  zu  orientieren. 

Sicherlieh  wird  dieses  Werk,  dem  die  weiteste  Verbreitung  zu  wünschen  ist,  höchst 
anregend  und  befruchtend  wirken.  Es  wird  sicherlich  auf  lauge  Zeit  hinaus  für  die  ein- 
gehendere wissenschaftliche  Betrachtung  eines  für  die  Ernahrungsfrage  des  Menschen- 
geschlechtes zu  allen  Zeiten  so  bedeutsamen  Stoffes,  wie  es  die  Fischerei  i-t.  einen  der 
hervorragendsten  Beiträge  bilden  und  wird  voraussichtlich  zahlreiche  Monographien  über 
einzelne  seiner  Abschnitte  veranlassen. 

Prähistoriker,  Ethnologen,  Fischereifreunde  und  Gewerbetreibende  werden  in  dem 
Werke  Genuas  and  Heiehrung  in  reichem  Masse  finden.  A.  Voss. 


IV.   Eingänge  für  die  Bibliothek.1) 


1.  Macnaniara,  N.  C,  The  craniology  oi'  man  and  anthropoid  apes.    Washington  lUlC. 

8°.    (.Aus:    Smithson.  Rep.  for  1902.) 

2.  Gaudry,   Albert,    The  Baousse-Rousse    explorations:    A  study  of  a  new  human  type, 

by  M.  Verneau.     Washington  1903.    8".     (Aus:    Smithson.  Rep.  for  1902.) 
:!.    Holmes,  W.  H,   Fossil   human   remains  founds  near  Lansing,   Kansas.     Washington 

1900.    8".    (Aus:    Smithson.  Rep.  for  1902.) 
I.    Skeat,    W.  W.,    The    wild   tribes    of  the   Malay  Peuinsula.     Washington    1903.     8°. 

(Aus:    Smithson.  Rep.  for  1902.) 

5.  Johnston  Harry,  H,  The  pygmies  of  the  great  Congoforest.     Washington  1903.  S°. 

(Aus:    Smithson.  Rep.  for  1902.) 

6.  Safford,    W.  E.,    Guam    and    its    people.      Washington  1903.    8".     (Aus:    Smithson. 

Rep.  for  1902.) 

7.  Jacob,    Georg,  Oriental  elements  of  culture  in  the  occident.     Washington  1903.     8°. 

(Aus:    Smithson.  Rep.  for  1902.) 

Nr.  1 — 7  vom  Smithson.  Institut. 
s.    Strebel,  Hermann,  Über  Ornamente  auf  Tongefässen  aus  Alt-Mexiko.     Hamburg  und 

Leipzig:    L.  Voss  1904.    4°. 
9.    Rutot,  A.,    Note  preliminaire  sur   les    nouvelles    decouvertes   faites    aux  environs  de 

Ressaix,   pres   Binche    (Belgique)    Bruxelles  1904.    8°.     (Aus:    Mem.    de  la  Soc. 

d'anthrop.  de  Bruxelles  tom.  XXII.) 
L0.    K'utot,  A.,    Sur  les  gisements  paleolithiques   de    loess    eolien    de   l'Autricbe-Hongrie. 

Bruxelles  1904.    8".     (Aus:    Mem.  de  la  Soc.  d'anthrop.  de  Bruxelles  tom.  XXII.) 
11.    Kutot,  A.,  Sur  la  cause  de  Teclatement  naturel  du  Silex.     Bruxelles  1904.    8°.    (Aus: 

Mem.  de  la  Soc.  d'anthrop.  de  Bruxelles  tom.  XXIII.) 
li-'.    Rutot,  A.,  A  propos  du  squelette  humain  de  Galley-Hill  (Kent).     Bruxelles  190 1 .    8°. 

(Aus:    Mem.  de  la  Soc.  d'anthrop.  de  Bruxelles  tom.  XXIII.) 
13.    lliitot,  A.,  Essai  d'evaluation  de  la  duree  des  temps  quaternaires.  Bruxelles  1904.  8°. 

(Aus:    Bull,  de  la  Soc.  Beige  de  Geologie  tom.  XXIII.) 
L4.    Stasi,    Paolo  Emilio   e    E.  Regälia,  Grotta  Komanelli  (Castro,  Terra  (TOtranto). 

Stazione  con  faune  interglaciali  calda  e  di  steppa.     Firenze  1904.     8°. 
Nr.  8—14  Gesch.  d.  Verf. 
1">.    Juraschek,    Fr.  v.,  Otto  Hübner's    geographisch-statistische  Tabellen   aller  Länder 

der  Erde.     .").;.  Ausgabe    für    das    Jahr   1901.     Frankfurt  a.  M.:    H.  Heller    1904. 

8°  quer.    Vom  Verleger. 
16.    Schoetensack,  Otto,  Beiträge  zur  Kenntnis    der    neolithischen  Fauna  Mitteleuropas 

mit    besonderer    Berücksichtigung    der     Funde     am    Mittelrhein.      Heidelberg: 

C.   Winter   1904.     8°. 

1)  Die  Titel  der  eingesandten  Bücher  und  Sonder-Abdrücke  werden  regelmässig  hier 
veröffentlicht,  Besprechungen  der  geeigneten  Schriften  vorbehalten.  Rücksendung  un- 
verlangter Schriften  findet  nicht  statt. 


—    903     — 

17.  Ilirtli,  Friedrich,  Chinesische  Ansichten  über  Bronzetrommeln.    Leipzig:  0  Harrasso- 

witz  1904.  s".  (Ana:  Mitteil.  d.  Seminar-  für  orient.  .Sprachen  zu  Berlin. 
Jahrg.  VII  i 

18.  Steinen,  Karl  v.  d.,  Diccionario  Sipibo  ...  Abdruck  <ler  Handsclu-ift   eines  Franzis- 

kaners mit  Beiträgen  zur  Kenntnis  der  Pano-Stämme  am  Ucayali.  Berlin: 
1).  Rei r  L904.     I  . 

L9.  Stahr,  Hermann,  Ober  die  Ausdehnung  der  Papilla  foliata  and  die  Frage  einer  ein- 
seitigen „kompensatorischen  Hypertrophie"  im  Bereiche  des  Geschmacksorgan>. 
Leipzig:  W.  Engelmann  1903.  8°.  ^Aus:  Archiv  für  Entwickelungsmechanik  der 
Organismen,  Bd.  XVI.) 

-_'<>.  Stahr,  Hermann,  f:her  die  Papilla  foliata  heim  wilden  und  heim  domestizierten 
Kaninchen.     Jena:    G.Fischer    1902.    8°.     (Aus:    Anatom.  Anzeiger,    Bd    XXI. 

21.  Stahr.  Hermann,  Zur  Aetiologie  epithelialer  Geschwülste.   I  u.  II.    Jena:  G.Fischer 

1903.  8°.      Aus:  Ccntralhl.  f.  allg.  Pathol.  u.  Pathölog.  Anatomie,  Bd.  XIV.) 

22.  Kiau<e,  Eduard,   Der  Fund  von  Höckricht.    Kreis  Ohlau.     Breslau  <>.  J.     I  .      Aus: 

Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift.     N.  F.  Bd.  III.) 

23.  Schmidt,  Hubert,    H.  Gutscher.    Vor-    und    frühgeschichtliche    Beziehungen    Istriens 

und  Dalmatiens  zu  Italien  und  Griechenland.  Berlin  1904.  I".  (Aus:  Berliner 
Philulog.  Wochenschr.,  Jahrg.  24.) 

Nr.   IG     23  Gesch.  d.  Verf. 

24.  Klonhaus.    Theodor,   Kants   Rassentheorie    und   ihre    bleibende    Bedeutung.      Ein 

Nachtrag  zur  Kant- Gedächtnisfeier.     Leipzig:   W.  Kugelmann  1904.    8°. 

25.  Cataloguej    A  descriptive,    of   the   Sanskrit    manuscripts    of  the    government   oriental 

manuscripts  library,  .Madras  hy  the  late  M.  Seshagiri  Sastri  vol.  T  Vedic  litera- 
ture  part  I.     Madras  1901.     8°. 

Nr.  24  und  25  geschenkt  vom  Verleger. 

26.  Squier,  K.  George,  Peru.     Reise-  und  Forschungserlebnisse  in  dein  Lande  der  Incas. 

Ins  Deutsche  übertragen  von  Prof.  i>r.  J.  Hcinr.  Schmick.     Leipzig:   M.  Spohr 
1893.    8°    Gesch.  d.  Frl.  Schlemm. 
■_'T.    Kossinna,    G.,    Referat   über  Wilser,    Die  Germanen.     Berlin:    Archiv-Gesellschaft 

1904.  8".  (Aus:  Archiv  f.  Rassen-  u.  Gesellsch. -Biologie,  Jahrg.  I.)  Gesch. 
1.  Verf. 

28.  Ambrosetti,    Juan  B..    Apuntes   sobre  la   arqueologia  de  la  Puna  de  Atacama,     La 

Plata   1904.     I".     (Ans:  Revista  del  Museo  de  la  Plata    Tom.  XII. 

29.  Hunter,  W.  W.,  The  Imperial  Gazetteer  of  India.     2.  edition  Vol.  I— XIV.  London: 

Trübner  et.  Co.  1885-1887.     8°. 

30.  Baessler,    Arthur,    Peruanische  Mumien.     Untersuchungen    mit  X-Strahlen.     Berlin: 

A.  Asher  et  Co.  1904.    2°. 

31.  Baessler,    Arthur,    Altperuanische    Metallgeräte.     15  Tafeln   mit   erläuterndem  Text. 

Berlin:  A.  Asher  et  Co.  1904.    2°. 

■'!"_'.    Chantre,  Kniest,  Les  Soudanais  orientaux  emigres  en  Egypte.     Lyon:  A.  Rej 
1904.    8°.     (Aus:  Bulletin  de  la  Soc.  d'Anthropologie  de  Lyon.) 

33.    Prietze,  Rudolf,  Haussa-Sprichwörter  und  Haussa-Lieder.    Kirchhain  N. L.  1904,   8  . 

:'.l.  Matiegka,  Heinrich,  ('her  Schädel  und  Skelette  von  Santa  Rosa  Santa  Barbara- 
Archipel  bei  Californien).  Prag:  F.  h'ivmu-  1904.  8°.  [Aus:  Sitzungsber.  der 
Königl.  Böhm.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  in  Prag. 

•"..">.  Grünwedel,  A.  [Russisch],  Szenen  aus  dem  Leben  Buddha's  in  „Trai-Pum". 
St  Petersburg  1904.  8°.  (Aus:  Schriften  der  Orientalischen  Sektion  der  K.  Russ. 
Archäologischen  Gesellschaft  XVI.) 

36.  Giuffrida-Ruggeri,  0.,  Partecipazione  della  donna  al  progresso.    Napoli  1904.   8°. 

(Aus:   Rivista  popolare  anno  \. 

37.  Giuffrida-Ruggeri,  0.,   II    canale   infrasquamoso    di  Gruber  e  altre    particolarita 

morfologiche  nella  regione  temporale  canale  Interstiziale  e  processo  ensiforme). 
Firenze  1904.    8°.    (Aus:    Monitore  Zoologica  rtaliano  anno  X\ 

38.  Giuffrida-Ruggeri,  Etat  actuel  d'une  question  de  paletnologie  russe.    Paris  1903. 

Aus.-    Comptes  rendus  de  l'Associat.  Kran«;,  p,  L'Avanc.  des  Sciences. 


—     904     — 

39.  Lehmann-Nitsche,  Robert,  Etudes  anthropologiques  sur  lcs  indiens  Takshik  ;groupe- 

Guaicuru)    du    Chaco    Argentin.     La  Plata  1904.    8°.    (Aus:    Revista   del  Museo 
de  la  Plata.   Tom.  XI.) 

40.  Orsi,   Paolo,    Siculi    e  Greci   a  Caltagirone.     'Roma  1904.    4°.     (Aus:   Notizie   degli 

scavi.) 

Nr.  28—41)  Gesch.  d    Verf. 

41.  Sokolow,    Paul,    Der  canalis  crauio-pharyngeus.     Leipzig:    Veit  &  Comp.  1904.    Sü. 

(l)iss.)     Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Kollmaun. 
12.    Rygh,   0.,    Norske  elvcnavne.     Udgivne  .  .  .  af  K.  Rygh.     Kristiania:    Cammermeyer 
19U4.    8°.     Von  der  Universitäts-Bibliothek  Kristiania. 

43.  Comvcntz,  H.,    Die  Gefährdung   der  Naturdenkmäler   und  Vorschläge    zu   ihrer  Er- 

haltung.    Denkschrift.     Berlin:    Gebr.  Borntraeger    1901.    8".     Vom  Ministerium 
d.  geistl.  usw.  Angelegenheiten. 

44.  Festschrift  [Cechisch],  Jubilejni  sboruik  pamätek  cäslavskych.    V.  upominku  na  40.  rok 

cinnosti  musejniho  spolku  „Vcela  cäslavska"  V  Caslavi   L904.    8°.     Vom  Museum 
in  Caslau. 

45.  Hernändez,   Fortunato,    Las    Razas    Indigenas    de    Sonora  y  la  Guerra  del  Yaqui. 

Mexico  1902.     4".     GpscIi.  d.  Hrn.  Konsul  M.  Diener. 

4i>.  Müller,  Josef,  Das  sexuelle  Leben  der  christlichen  Kulturvölker.  Leipzig:  Th.  Grieben 
1904.     8".     Vom  Verleger. 

17.  Stratz,  C.  H.,  Naturgeschichte  des  Menschen.  Grundriss  der  somatischen  Anthro- 
pologie.    Stuttgart:  F.  Encke  1904.    8°.     Vom  Verleger. 

48.  Friedlaender,    Heinrich,    Die  Bissarten  und  einige  andere  anthropologische  Eigen- 

schaften bei  1500  Berlinern.     Wien  1904.     8°.    (Diss.) 

49.  Fiset,  Franz.    Da>    altfranzösische  jeu-parti.     Kap.  I  u.  IL     Erlangen:  Junge  &  Sohn 

1904.    8".     (Diss.) 

50.  Haenisch,    Erich,    Die    chinesische    Redaktion    des    Sanang    Setsen    Geschichte    der 

Ostmongolen,   im  Vergleiche  mit  dem  mongolischen  Urtexte.     Berlin  1904.     8°, 
(Diss.) 

51.  Junker,  Hermann,  l'ber  «las  Schriftsystem  im  Tempel  der  Hathor  in  Dcudera  (Teil  1 

u.  2).     Berlin:  A.  Schaefer  1903.    4".    (Diss.) 

Nr.  48-51   Gesch.  d.  Hrn.  Prof.  Magnus. 

52.  Boman,  E.,  Groupes  de  tumulus  prehistoriques  dans  la  vallee  de  Lerma  (Re publique 

Ar  gentine).  Paris:  C.  Reinwald  1904.  8".  (Aus:  L'Homme  Prehistorique.  Annee2.) 

53.  Münsterberg,    Oskar,   Japanische  Kunstgeschichte.     I.     Braunschweig:    G.  Wester- 

mann o.  J.    4". 

54.  Bcrtholon,  Origines  neolithique  et  mycenienne  des  tatouages  des  indigencs  du  Nord 

de  l'Afrique.     Paris:    Masson  et  Cie.   o.  J.     8°.     (Aus:    Archives   d'änthropologie 
criminelle  .  .  .  N.  S.    Tom.  III.) 

55.  Treptow,  Emil,    Der  altjapanische  Bergbau  und  Hüttenbetrieb,  dargestellt  auf  Roll- 

bildern.     Freiberg  in  Sachsen:  Graz  &  Gerlach  1904.    8".     (Aus:   Jahrbuch  f.  <L 
Berg-  u.  Hüttenwesen  im  Königreiche  Sachsen.) 

56.  Doigneau,   A.,   Nos   ancetres   primitifs.    Preface  par  le  Docteur  Capitan.     Paria: 

C.  Clavreuil  1905.     8°.     (Aus:    Notes  d'Archeologie  prehistorique.) 

57.  Götze,    A,    Die    Steinsburg    auf    dem    Kleinen    Gleichberge    bei    Römhild.     Jena: 

G.  Fischer  1904.    8°.    (Aus:    „Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thüringens''.) 

58.  Karplus,  J.  P.,    Über  Familienähnlichkeiten   an  den  Grosshirnfurchen  des  Menschen. 

Leipzig  und  Wien:  F.  Deutickc  1905.     8°.    (Aus:   Arbeiten  a,  d.  Neurolug.  Inst, 
a.  d.  Wiener  Universität   B.  XII. 

Nr.  52-58  Gesch.  d.  Verf. 

(Abgeschlossen  den  15.  Dezember  L904.J 

Berichtigung. 
S.  729  Anin.  1  lies:    Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  20.  Februar  L904. 


Alphabetisches  Inhaltsverzeichnis. 

*  vor  der  Seitenzahl  bezeichnet:  Vortrag,  Abhandlung,  briefliche  Mitteilung. 
f  vor  der  Seitenzahl  bezeichnet:   Literarisches,  Besprechungen. 


A. 


717 


f324 

•517 
*329 

•866 


Abraham,  Berlin  f 

Abraham,  0.  und  E.  v.  Hornbostel,  Über 
die  Bednuturg  des  Phonographen  für 

vergleichende  Musikwissenschaft  *222 

Abraham,  0.  und  E.  v.  Hornbostel,  Fhono- 

graphierte  türkische  Melodien  "203 

Ahsnleissungen  an  Kieselknollen  77:> 

Ägypten,  die  Ehe  in  — .    Johannes  Nietzold 

(R.  Thurnwald) 
— ,  Knallpeitsche  für  Feldhüter 

(Schweinfurth) 
Afrika,  Gewerbe  in  Ruauda  (Kandt) 
— ,     Kulturkreise     und    Kulturschichten 

(Ankermann) 
Agram,  Versaininlung  der  Wiener  Anthro- 
pologischen (I  osellschaft  456,    187 
Ahaus,   die  Lage   der  —  bei  den  Mayas 

(Förstemann)  *138 

Altertuinsfande  in  WestgoÜand  (Finn)  :ü<;8 

Amerika,    Studien    in    den    Ruinen    von 

Yukatan  (Seier)  *526 

Anierikanisten-hongress  in  Stuttgart  G57,  748 
— ,  der  14.,  in  Stuttgart  (Ehrenreich)  *SG"2 
Amiree,  R.,   München.     Feuersteinknollen 

vom  Wohlenberge  bei  Gifhorn 
Anerkennung  Baron  von  Laudaus 
Anhänger,    beilförmige,    aas    dem    Kau 

kasus  usw. 
Aiikermaiin,     Kulturkn  lise     und     Kultur- 

schichten  in  Afrika  ,86G 

Anmut,  die  —  des  Frauenleibes.     Friedr. 

S.  Krauss.    ^Max  Bartels)  t  .">.'.  1 

Anthroaologen-Kengress,  internationaler  — 

L906  in  Monaco  981 

Zeitschrift  fttr  Ethnologie.  Jahrg.  1904.  Heft  6. 


Seite  Seite 

Anthropologie,  Fortschritte  in  der  Technik 

der  physischen  — .    (v.  Luschan)  *4G5 

Antbrouhagie  in  Westafrika  723 

Antimon  aus  dem  Kaukasus  usw.  91 
Arabern,  Metrum  und  Musik  bei    den  — 

(Hartmann)  21 15 

Arbeitsweisen,  eolithische  u.  paläolithische  7s; 

Archäologen-Kongress  in  Athen,  Delegierte  7  ls 

Archäologie  Amerikas  864 
— ,    Parallelen  aus  dem    Kaukasus  und 

den  unteren  Donauländern  (Wilke)  *B9 
Armorica-Typus  der  Äxte                        544,  553 

Armspiralen  aus  Gold  G14 

—  von  Mykene  614 
Armringe  und  Armbänder  aus  dem  Kau- 
kasus usw.  ÖG 

Artefaktnatnr    der  Funde  von  Schönebeck 

a.  E.  (Olshausen)  *477 

—  (Halme)  182 

—  (Bracht)  *4SÖ 
Aschenkisten,  altmexikanische  275 
Ascherson,  Ferdinand.  Berlin  f  L35 
— ,  P.  70.  Geburtstag  513 
Issmy,  Reise  von  Peking  nach  Rangoon 

durch  China  und  Chinesisch-Tibet  697 

Astragali  aus  dem  Kaukasus  usw.  68 

Asjlrechl,  das  —    der  Naturvölker.     Mit 

einem   Vorworte   von   J.    Kohler.    A. 

Hellwig.    Max  Schmidt)  t:;-:; 

Ausflug  der  Gesellschaft  51 1.  869 

Ausgrabungen  in  den  Balzi  Bossi  (Iissaner    '  \'<-> 

—  in  Bosnien  und  Dalmatien 

—  zu  Füratenberg,  Mecklbg.   (Lissauer)  *514 

—  von  Hügelgräbern  bei  Selgenan,  Zedlin 
und  Bowen  (A.  GöteeJ  "l  )•"• 

—  in  der  Pfalz  875 

58 


li>7 
106 


65 


90Ö     — 


Seite 

*107 

*668 

1 

106 

L36 


Ausgrabungen  in  Siebenbürgen  (Lemke) 

—  in  Skandinavien  (Finn) 
Ausschuss 

—  -Wahl 
— ,  Obmannwahl 
Aussterbende  Völker  in  Neu-Guinea 

(Dempwolff) 
Australien,    Forschungsreise    des    Herrn 

Klaatsch  136,  *881 

— ,  Kogai-Stämme  (Mathews)  *2S 

Auszeichnung  des  Hrn.  Koch  657 

—  Fräulein  Prof.  Mestorfs  747 

—  des  Hrn.  Waldeyer  657 

B. 


*292 

*455 

634 

•453 

fl71 


Bab,  Phonograph  und  Kinematograph      *236 
Baessler,  A.    Altperuanische  Metallgeräte  *765 
— ,   Peruanische  Mumien.   Untersuchun- 
gen mit  X  Strahlen  *765 
Baglioni,    Silvestro;    Göttingen.     Beitrag 

zur  Vorgeschichte  des  Picenum  *765 

Baku,    Aufdeckung    einer    alten    Nekro- 

pole  in  —  (Rösler.) 
— ,    Gräber  mit  arabischen  Schriftresten 

(Roesler). 
Balkanländei,  neolithische  Kultur 
Bal/.i  Knssi,  Ausgrabungen.     (Lissauer) 
Bartels,  Max,  Bellucci:  La  grandine  nell' 

Umbria 
— ,  Krauss,  Friedrich  S. :  Die  Anmut  des 

Frauenleibes  f531 

— ,  Axel  Preyer:    Indomalayische  Streif- 
züge f326 
— ,  Rapport   der  Commissie  van  Advies 
betreffende,    's    Ryks    Ethnographisch 
Museum  f322 
— ,  Stratz:  Der  Körper  des  Kindes            fl70 
— ,  Berlin  f  745 
— ,  Paul.  Über  ein  Os  praebasioccipitale, 
Sergi   (Os    basioticum,    Albrecht)    an 
einem  Chinesen-Schädel 
— ,    Über  Schädel  der  Steinzeit  und  der 
früheren  Bronzezeit  aus  der  Umgegend 
von  Worms  am  Rhein 
Bastian,  A.     Brief  aus  Jamaica 
Battaker-Schädel.     (Waldeyer) 
Bauernbiirgen  bei  Hadeby 
Baiilnsrhrirt  des  Menuas  (Raynolds) 
Bi'cskiiw-Stiirkow.      Prähistorische    Funde 

(Uoinnick) 

Befestigungen,  mittelalterliche  in  Hedeby67.">,  682 
Begräbnisse  der  Schoklöng  842 

Begriissiing   der  Herren  G.   Schweinlürth 
und  Boas  514 


Seite 

Behlen,  H.  Der  Pflug  und  das  Pflügen 
bei  den  Römern  und  in  Mitteleuropa 
in  vorgeschichtlicher  Zeit.  Eine  ver- 
gleichende, agrargeschichtliche,  kultur- 
geschichtliche und  archäologische 
Studie,  zugleich  als  ein  Beitrag  zur 
Besiedelungsgeschichte  von  Nassau 
(Werner)  *900 

ßeiltypen  des  Kaukasus  39 

Belluici,    Giuseppe.      La    grandine    nelL 
Umbria,   con   note  esplicative  e  com- 
perative  e  con  illustrazioni 
(Max  Bartels)  fl71 

Belli,  Ludwig,  f   Frankfurt  a.  M.  453 

Beiualuug  der  Kayabi-Indianer  467 

Beobachtungen  in  Kamerun  (A.  Plehn)  *713 
Bericht  über  die  Tätigkeit  der  von  der 
Deutschen  anthropologischen  Gesell- 
schaft gewählten  Kommission  für  prä- 
historische Typenkarten  (A.  Lissauer- 
Berlin)  *537 

Bernstein     aus     einem     Hügelgrab     der 

Bronzezeit  108 

—  aus  dem  Kaukasus  usw.  72 

Bernsteinuntersuchungen      (Olshausen     und 

Rathgen)  *153 

Bevölkerung    Russlauds,    anthropologische 

Zusammensetzung,  Iwanowski  (Wilke)  f704 
Beweisspuren    menschlicher    Existenz    im 

Interglacial  771 

Bewilligungen    aus    der    Rudolf  Virchow- 

Stiftung  874 

Bibliothek  der  Gesellschaft  870 

— ,  Eingänge  für  die  —  172, 327,  532,  709, 902 


117 


*891 
•456 
"697 

678 

*488 

"143 


— ,  Neuer  Schrank  136 

Bibiiiithekskuuiuiisslun  487 

llichromle  bemalter  Keramik  640 

Biere,  die  Eolithen  von  —  (Brecht)  750 

Blejer.     Die  wilden   Waldindianer  Santa 

Catharinas:   die  „Schokleng". 
Blick,  böser,  in  Kamerun 
Itlutnpfer  bei  den  alten  Mexikanern 
Bobrinsky,   Graf,  Smela,   Russland,   Über 

die  Fälschung  einer  von  Hrn.  Wilke- 

Grimma  erworbenen  Statuette 
Bodstrln    in    Cuyaba.     Nachrichten   über 

Kuyabi-Indianer 
llöschungsinesscr  (Götze)  *115, 

— ,  der  Götzesche  (Hellmich) 
Bogenschaber,  neolithische,  von  Theben  798,804 
BogKlani.     Sammlung   von  Indiauertypen 

(Lehmann-Nitsche)  *882 

Bootsbau  in  Ruanda  345 

Bornnann.      Tränken    von    Gypsabgüssen 

zur  Konservierung  *163 


*830 
720 
244 


758 

IliC, 

890 

885 


—     907 


in      Suprasl,     Russland 


Bortpüfleehterel 

(Schnippel) 
Bortenweberei 
Botociidos  s.  Schokleng. 
ltranco,  Tertiär-Silex 
Brecht,   Quedlinburg.     Die  Eolithcn 

Biere 
Brettefcenweberel  (B.  Haudtmann) 

—  im  Altertum  (Götze) 

—  in  Karthago  (Lüdtkc) 
Brief  des  Hrn.  M.  Bartels 

—  des  Hrn.  A.  Bastian 

—  des  Hrn.  Kiessling 

—  des  Hrn.  Klaatscli,  Brisbane  lsT, 

—  des  Hm.  Lissauer 

—  von  Frau  Schliemann 

—  d<s  Hrn.  Hubert  Schmidt 

—  des  Hrn.  Waldeyer 
Brillenspiraleii  aus  dem  Kaukasus  usw. 
Bronze- .ixte,  Typenkarten  (Lissauer)  *537, 

—  -runde  des  Kaukasus  (Wilke) 

—  •Rubren  aus  dem  Kaukasus  usw. 

—  -Schmuck    aus  einem    Hügelgrabe  bei 
Darmstadt 

—  -Schwert  von  Thurow 
Bronzesichelfund,  der,  von  Oberthau,  Kreis 

Merseburg  (Hub.  Schmidt)  *106, 

Bronzezeit-Schädel  von  Worms  (P.  Bartels) 
Bronze-  und  Eisenpfeile    aus    dem   Kau- 
kasus usw. 
Brücke  aus  der  Steinzeit,  Dänemark 
Brunnen  auf  der  Maty-Insel 
Bugre,    ethnologiuehe    Stellung    der   — , 

Ehrenreich 
— ,  Schädel  eines  —  aus  Santa  Catharina 

(Lissauer) 
— ,  s.  Schokleng. 
Bukowina,  prähistiorisehe  Keramik 
van  der  Bürgt,  J.  M.  M.:  Dictionuaire  Fran- 
rais-Kirundi  (Meinhof) 

C. 

Canalis  craniopharyngeus  vom  Menschen, 

Gorilla  und  Chimpansen  (Waldeyer) 
Castriim  in  Mogorello,  Dalmatien 
Chaldcr- Inschriften,  neugefundene 

(C.  F.  Lehmann) 
Chalikiopoulos,  L. :    Sitia,  die  Ostlialbinsol 

Kretas  {K.  Kretschmer) 
China,  Reise  durch  — 
China-   und   Japan-Sammlung  des   Hrn. 

Fischer  (Lissauer) 


Seite 

»137 

Tis 

313 


•750 

*748 

*117 

106 

453,  487 

156 

•880 

*881 

*453 

*513 

45(1 

153 

!_> 

*540 

*39 

69 

108 
7.35 

*416 
*891 

78 
668 
406 

*X.YJ 

*847 

643 

f703 


*88"2 
658 

►765 

f326 
697 

•698 


Seit.' 

Chlapowskl,  v.,  Pfriemenartiges  Knochen- 
stück von  Obornik  *490 
Chronologie  der  Bronzesicheltypen  1:17 

—  der  Fundgruppen  der  Doppelspiralen  624 
Cleve    in    Tandala,    Ostafrika:     Zahn  Ver- 
stümmelungen und  ihre  Bedeutung  für 

den  Lautwandel  156 

Colin,  Alex.  Meyer,  Berlin  t  7  17 

Conservierung  von  Holzaltertümern  670 

— ,  farbige,  von  Leichenteilen  (Strauch)  *671 

—  von  Leichenteilen  (Waldeyer)  675 
Coppernikus-Verein  in  Thorn,  Jubiläum  136 
Cottbus.     Hauptversammlung  der  Nieder- 

lausitzer  Gesellschaft  187 

Cranla  ethnica  Philippinica  876 


D. 


Dämonen-Skulptur  aus  Java  521 

Dänemark,  Steinalterfund  668 

Danewerk  und  Hedeby  (Meisner)  675 
Dankschreiben    der    Herren    Capitan    und 

Manouvrier  *513 

—  des  Hrn.  Koganei  *747 

—  des  Hrn.  J.  Kollmann  291 

—  des  Hrn.  Salomon  Reinach  *291 

—  des  Hrn.  Schöne  1 1 6 

—  des  Hrn.  Strebel  135 

—  des  Museums  des  Königreichs  Böhmen  L35 
Delegierte  zum  Amerikanisten-Kongress  !'>•">  7 
Ki'uipwolll':    Über  aussterbende  Völker  in 

Deutsch-Neu-Guinea  *:'.si 
Dictionuaire  FranQais-Kirundi,  v.  d.  Bürgt. 

(C.  Meinhof)  *703 
Diluvial -Fundstätten   hei  Schönebeck  a.  E. 

(0.  Olshausen)  *477 

—  -Mensch,    der    —    in    Europa,     Moriz 
Hörnes.     (Lissauer)  |166 

—  -Silex  von  Hundisburg  (Favreau)  töö 
Dolche    und    Schwerter    aus    dem    Kau- 
kasus usw.  81 

Dolmen  im  Kaukasus  usw.  93 
Domnlck:  Prähistorische  Funde  im  Kreise 

Beeskow-Storkow  *i|:; 

Donauländer,  Archäologie  (Wilke  *.">'.» 

— ,  neolithische  Kultur  634 

Doppelbelle  aus  dem  Kaukasus  usw.  7  I 

Dopprischaber  von  Theben  805 
Doppclspiralrn  aus  Golddraht  usw.         (ins,  612 

Dorsalen,  die  —  des  Sango  (Cleve)  '  163 

Drahtzieherei  in  Ruanda  362 

Drorj,  E.  t  Berlin  717 

Dualla,  Geheimbünde  der  713 

*5S 


—     908 


Seite 


E. 


Ehe,  die  —  in  Ägypten,  Johannes  Nietzold 

(R.  Thumwald) 
Ehrenmitglieder 
Ehrenmitglied  (Philippi)  f 
Ehrenreich,   P.,     Der   14.  Amerikanisten- 

Kongress  in  Stuttgart 
— ,  Die  ethnologische  Stellung  derBugres 
— ,  Wilser,  Ludwig:  Die  Germanen 
Ehrungen  der  Herren  Waldeyer,  Koch  10G,  G57 
Eiseiierzgettinnung,   Spuren  ehemaliger  — 

und  alter  Eisenschmelzhütten  im  Kreise 

Naugard    in    Pommern    (H.  Hess  von 

Wichdorff) 
Eiszeit  in  den  Hochgebirgen  von  Ecuador 
Elephas  antiquus  und  Steinwerkzeuge  in 

den  Balzi  Rossi 
Elfenbein  mit  Nagespuren    (v.  Luschan) 
Email  aus  dem  Kaukasus  usw. 
Entdeckung,    erste    —    der   Eolithen    von 

Biere  (Brecht) 
Entdeckungsgeschichte  Amerikas 
Eolithe 

—  der  Arbeitsweise  der  Tertiärzeit,  und 
von  Reutel,  aus  Ägypten  (Schwein- 
furth) 

— ,  die  —  von  Biere  (Brecht) 
Eolithenfrage,  Zur  —  (Olshausen) 

—  (Hahne) 

—  (Wahnschaffe) 
Ethnologisches  aus  Abessinien 

—  und  Archäologisches  aus  dem  west- 
lichen Persien  (Oskar  Mann) 

Exkursion  nachFürstenberg  in  Mecklenburg 
(Lissauer)  *514 


1 

S67 

*862 
*852 
t706 


!237 

864 

526 

87 

750 
864 
869 


*787 
"750 
*477 

«482 
*484 
877 

"486 


F. 

Fälschung    einer    kaukasischen     Bronze- 
Statuette  (Graf  Bobrinsky)  *758 
Pavrean,   Diluvial -Silex  von  Hundisburg  *48ö 
— ,    Eolithenfunde    bei  Neuhaldensleben  *830 
Fergille,  ägyptische  Knallpeitsche 

(Schweinfurth)  *Ö17 

Feste  auf  der  Maty-Insel  410 

Feuererzeugang  bei  den  Schokleng  834 

Peaerstelnknollen  von  Gif  hörn  (Andree)  *107 
Feuerstelntnesser  aus  einem  Hügelgrab  der 

Bronzezeit  108 
Fibeln  ;nis  dem  Kaukasus  usw.  I1» 
Fingerringe  aus  dem  Kaukasus  usw.  55 
Elnii,    Neuere  Ausgrabungen    in  Skandi- 
navien *668 


Seite 
Fischereigeräte,  vorgeschichtliche  —  und 
neuere  Vergleichsstücke.  Eine  ver- 
gleichende Studie  als  Beitrag  zur  Ge- 
schichte des  Fischereiwesens.  Mit  648 
Abbildungen.  Eduard  Krause  (A.  Voss)  f90l 
Fischfang  der  Schokleng  837 

Flach-  und  Randäxte,  Typenkarte  538 

Flachäxte  aus  Bronze  540,  550 

Flechtarbeiten  in  Ruanda  348 

Flechtens,  Technik  des  —  (Max  Schmidt)  *490 
Flibustier,  Geschichte  der  westindischen  —  864 
Flöten  der  Schokleng  835 

Förstemann,     Die   Lage    der   Ahaus   bei 

den  Mayas  *138 

— ,    Liegen    die  Tonalamatl    der  Maya- 

handschriften  in  bestimmten  Jahren?  *659 
— ,  60 jähriges  Doktorjubiläuni  513 

— ,    Schelhaas,  P. :   Die  Göttergestalten 

der  Mayahandschriften  f528 

Folkloristen-Verband  136 

Formen  der  Bronzesicheln  416 

Formengebung,  beabsichtigte  —  au  Kieseln  806 
Forschungsreisen  869 

Forschungsreise   des   Hrn.   Gustav  Fritsch    748 

—  nach  Australien  (Klaatsch)  136 

—  des  Hrn.  Th.  Koch  nach  Südamerika 

(K.  v.  d.  Steinen)  *293 

— .  des  Hrn.  v.  Le  Coq  nach  Turkestan  748 
Fraueukleidung,  die  —  und  ihre  natürliche 

Entwicklung,    C.  H.  Stratz     (Fritsch)  f700 
Frauenleibes,  die  Anmut  des  — ,    Friedrich 

S.  Krauss.    (Max  Bartels)  f531 

Frauensprache,  die  —  in  Ostafrika  (Cleve)  *460 
Frauentreue  bei  Krunegern  720 

Freien- Bunde  in  Kamerun  715 

Fritsch,  Forschungsreise  des  Hm.  —  748 

— ,  Gust.,  Stratz,  C.  H.:  Die  Frauen- 
kleidung und  ihre  natürliche  Ent- 
wicklung f700 
Frobenius,  Leo:  Geographische  Kultur- 
kunde (Alfred  Maass)  "529 
Fürstenberg  in  Mecklenburg,  Schliemann- 
Feier  und  Ausgrabungen  (Lissauer)      *51  I 

G. 

Gäste  106,  291,  456,  658,  853 

Gallzlen,  prähistorische  Keramik  643 

Sattel,  Berlin  f  .853 

Geburtstag,  70,  des  Hrn.  P.  Ascherson  513 

,  70.,  des  Em.  J.  Kollmann  393 

— ,  70.,  des  Hrn.  Strebel-Hamburg  105 

-,  7."),  der  Fr.  J.  Mestorf-Kiel  168 

(iefässformen,  wichtige  vorgeschichtliche  —  654 

(jefässgruppen  in  Troja-Mykenc-Ungarn  638 


909     — 


Seite 

GehVchtmuster,  südamerikanische  —  (Max 

Schmidt)  *490 

Gebelmbuiidwesen  der  Dualla  713 

Geheimsprache  der  Kogai  (Malhews)  33 

„Geknickte"  Bandäxte 
Gemellaro,  Palermo  t 
Gfonep,   A.  van.     Tätowieren   in   Nord- 
afrika 
Geographenkalender,    Dr.  Hermann  Haack, 

(Traeger) 
Geographenknngress  Neapel 
—  zu  Washington 
Germanen,  die  — ,  Ludwig  Wilser 

(P.  Ehrenreich) 
Gewerbe  in  Ruanda  (Richard  Kandt) 
Gipsabgüsse,    Tränkung  der  —    zur  Kon- 
servierung (Rathgen  und  Borrmanu) 
Glockeiianhäiiger  aus  dem  Kaukasus  usw. 
Godfred  und  Karl  der  Grosse 
Göttergestalten,    die    —    der    Mayahand- 
schriften,    P.    Schellhaas.     (E.  Förste- 
mann) 
Götze,  A.,  Ausgrabungen  von  Hügelgräbern 

bei  Seigenau,  Zedlin  und  Rowen 
— ,    Beitrag  zur  vorgeschichtlichen  Me- 
tallurgie 
— ,  Böschungsniesser  *115, 

— ,  Brettcheuweberei  im  Altertum 
— ,  Monolithgräber 
Goldspirale     aus     einem     Hügelgrab    bei 

Thurow 
Grabstätten    mit  arabischen    Schriftresten 

in  Baku  (Roesler) 
Graebner.    Kulturkreise  u.  Kulturschichten 

in  Ozeanien 
Grammatik  der  Kogai  (Mathews) 
Greifswald,  Versammlung    der  Deutschen 

Anthropologischen  Gesellschaft        514,  748 
Grenzwall  Godfreds  gegen  Sachsen  684 

Grönland,    Sechs  Photos   von   Westgrön- 
ländern (H.  Virchow) 
Grosse,  Knallpeitschen  aus  Europa 
Grypotherium-Ilöhle  bei  Ultima  Esperanza, 

Patagonien  (Hauthal) 
Gnstafson,  Gabriel,  Christiania.  Das  Schiff 
von  Tönsberg 


Uäuser  auf  den  Hermit-Inseln 
—  der  Maty-Insel 
Hagel,    der    —    in    Umbrien, 
Bellucci  (Max  Bartels) 
34G,  566    Hahne,  Zur  Eolithenfrage 
l.sT 


Ginseppe 
182, 


*749 

f708 
L06 

487 

f70G 
*329 

lii.", 

67 

(IST 


f528 

*143 

::s:i7 

*890 

*ii7 

•112 


155 

866 
*30 


Seite 

391 

I '  i.". 

t!71 

825 

303 

61 

71 

•488 

*189 

"748 

331 


ll. 


Haack,   Hermann:      Geographenkalender 
(Traeger 

Haddebv  und  Hedeby 

Hlngescbiuuck  aus  dem  Kaukasus  usw. 

Hingesplralen  aus  Gold 

Härcbe.  Bnd.,  Prankenstein  t 


— ,  Tertiärsilex 

llalxringe  aus  dem  Kaukasus  usw. 

Hammerbelle  aus  dem  Kaukasus  usw. 

Hamparlsiim,  Kanalinschrift  des  Klennas 

— ,  Inschrift  Rusahinis 

Handtinann,  Ed.,  Brettchenweberei 

Handwerk  in  Ruanda 

Hansemann,  von,    Über    den  Einiluss    der 

Rachitis  auf  die  Schädelform  1  16 

— ,  Über  die  rachitischen  Veränderungen 

des  Schädels  *373,    383 

— ,  Zu  den  altpatagonischen,    angeblich 

syphilitischen  Knochen  s.v.i 

Hanuiiian-Relief  von  Java  520 

Hartmann,    Metrum    und    Musik    bei   den 

Arabern  235 

Hausflelss  in  Ruanda  331 

Haustlerzustand  des  Grypotherium  12.~> 

Hautbal  -  La  Plata,  Die  Bedeutung  der 
Funde  in  der  Grypotheriumhöhle  bei 
Ultima  Esperanza  (Südwestpatagonien) 
in  anthropologischer  Beziehung  11!  > 

— ,  Grypotheriumhöhle  129,  133 

Hautstreifen,  bearbeitete  —  von  Grypo- 
therium 124 
Hedebv  und  Danewerk  (Meisner)  675 
— ,  Zwei  Fundstücke  von  der  Olden- 
burg bei  —  (H.  Virchow)  *862 
lieft  nadeln  aus  dem  Kaukasus  usw.  47 
Heimatsehutz,  Bund  für  —  292 
Heinrichshölile     bei     Sundwig,      Knochen 

(Klaatsch)  *117 

Hellmich,    M.,    Glogau,     Der    Götzesche 

Böschungschungsmesser  885 

Hellwig,  A.,  Das  Asylrecht  der  Natur- 
völker. Mit  einem  Vorworte  von 
J.  Kohler.    I  (Max  Schmidt)  f323 

Helouan,    Ägypten,    Kieselmannfakte 

(F.  v.  Luschan  :;i; 

— ,    Steingerätesammlung  iu  Rom  320 

*670    Herkunft    und   A'erbreitung   der   Bronze- 

sicheltypen  )■_>> 

Herrmann,  \\\,    Starr:  Auftreten  des  Mon- 

golenfleckes  bei  hfaya-Indianern  137 

Hess  von  Wirhdurf,  H.,   Spuren  ehemaliger 
f708       Eisengewinnung     und     alter    Eisen- 
694       schmelzhntteo   im  Kreise  Naogard  in 
<>l'       Pommern  237 

615    Hilgendorf,  Franz.  Berlin   f  657 

7  17    Hlmmelpfort.  Klosterruine  517 


|1862 
*519 

*119 


—     910     — 


Seite 

Hindumusik,  Oppert  *233 

His,  Leipzig  f  "187 

Hüblenfunde  117 

—  in  den  Balzi  Rossi  (Lissauer)  *453 
Hoernes,  Moriz:  Der  diluviale  Mensch  in 

Europa  (Lissauer)  fl66 
Hobburg,  Ringwall  bei  Schleswig  GTT 
Hohlfüsse  an  Tellern  und  Schalen  65-1 
Hohlschaber,  eolithische  —  von  Theben  T90 
Hollingstedt,  Friede  zu  —  G8T 
Holzgefässschnitzerei  in  Ruanda  343 
Holzschnitzerei  in  Ruanda  340 
Honigwein  der  Indianer  833 
Hornbostel,  E.  v.  Phonographierte  tür- 
kische Melodien  (mit  0.  Abraham)  *"203 

—  (und  0.  Abraham).  Über  die  Be- 
deutung des  Phonographen  für  die 
Musikwissenschaft  *222 

Hügelgrab  der  Bronzezeit  bei  Kranichstein, 

Darmstadt  (Kofier)  *108 

Hügelgräber   in   Thurow    bei  Züssow    (Er. 

Pernice)  *T52 

Hütten  der  Schokleng  832 

Hjperdaktjlie  oder  Polydaktylie  881 

I. 

Ideler,  Berlin  f  853 

Indianerjagden  in  Südamerika  838 
Indianertvpen     aus     dem    zentralen    Süd- 
amerika.    Sammlung  Boggiani   (Leh- 

mann-Nitsche)  *882 

Indices  des  Schoklengschädel  852 
Indo-inalajische    Streifzüge,    Axel  Preyer 

(M.  Bartels)  f326 
Initiation    Ceremonies    of  the  Aborigines 

of  Victoria  (Mathews)  *143 
Inschrift   Menuas   und   Rusahinis    (Ham- 

partsum)                                          *488,  *489 
Inschriften,  chaldische,  Raynolds  *488 
— ,  neugefundene  chaldische  (C.  F.  Leh- 
mann) 765 
Inselkultur  650 
Iwanowski,  A.  A.:    Über  die    anthropolo- 
gische Zusammensetzung  der  Bevölke- 
rung Russlands  (Wilke)  jTul 

J. 

Jäkel,  Zur  Eolit.-nfrage  *827 

Jakrearechuuuf  ihr  Rudolf  Vichow-Stiftung  K77 

Jamaika-Steinbeil  156 
Japan,     Ethnologische    Objekte     (F.    W. 

K.  Müller  in 

Jentueb,  Tertiar-Silex  31 1 


Seite 

Jolly,  Berlin  f  105 

Jubiläum  des  Coppernikusvereins  in  Thorn  136 
— ,    60 jähriges   Doktor-   —    des   Hrn. 

Förstemann  513 

—  des  Hrn.  Möbius  105 

—  der  Altertumsgesellschaft  Prussia  853 

—  des  Hrn.  Generaldirektor  Schöne  105 
Juraformation  Amerikas  864 

K. 

Kamerun,  Beobachtungen  in  —  (A.  Plehu) 

Kanalinschrift  des  Menuns   (Hampartsumj 
Kandt,   Richard,    Gewerbe    in    Ruanda, 

Afrika 
Karl  der  Grosse  und  Godfred 
Karthago,  Brettchenweberei  (Lüdtke) 
Kassai,  Reise  in  das  Gebiet  des  — 
Kassenbericht,  Sökeland 
Kasteiungen  bei  den  alten  Mexikanern 
Kataloge  der  Bibliothek 
Raukasus,    Fälschung  von  Bronzen  (Graf 

Bobrinsky) 

—  und   untere    Donauländer.     Archäo- 
logische Parallelen  (Wilke) 

Kavabi-Indianer  (Bodstein  und  Max 

Schmidt) 
Keilhack,   Die    „Tertiär- Silex"    des    Hrn. 

Klaatsch    und    die    neueren    Tertiär- 

Silex-Funde 
Keramik    der  makedonischen  Tumuli  bei 

Saloniki  (Hubert  Schmidt) 
— ,  bemalte,  der  Steinzeit 
— ,  neolithische 

Kerbschaber,  eolithische  von  Theben 
Ketzin  a.  H.,  Monolithgrab  (Götze) 
Kieselmanufakte  in  Ägypten,  Beobachtungen 

an  —  (F.  v.  Luschan) 

—  von  Theben 
Kieselpressung 

Kieselsprengung,  manuelle,  beabsichtigte 
Kieselverletzungen,  natürliche 
Kieselwerkzeuge 
Kiessling,  Brief  aus  Arta 
— ,  Reise  im  Peloponues 
Kind,    C.    H.    Stratz:    Der    Körper    des 

Kindes,    für    Eltern,    Erzieher,    Ärzte 
und  Künstler  (Max  Bartels) 
Kiuderraub  bei  den  Schokleng 
Kiiundi-IHctioiinaire,  v.  d.  Bürgt  (Meinhof) 
Klaatsch,  Bericht  über  seine  Forschungs- 
reise in  Australien 
— ,  Fossiler  Knochen  aus  der  Heinrichs- 
hölile  bei  Snndwig 


*4!)0 
*T13 

*488 

*329 

687 
*106 

876 

*872 

244 

8T0 

*T58 

39 

*466 

•303 

*143 

145 

634 

803 

*113 

*:ilT 
TOT 
769 
771 
77:; 
T66 
*880 
*658 


flTO 

841 

fT03 

•881 

117 


—     911     — 


Seite 

Klaalscb.  Zur  Grypotherium-Höhle  *132 

— ,  Reise  nach  Australien  136 

Kleidertracht    der  mexikanischen  Indianer     865 
Klettergürtel  der  Schokleng  *:'>■*! 

hnallpeitsrlie  der  Feldhüter  Ägyptens 

(Schweiufurth)  5 1 1 

Knallpeltscben,  europäische  (Grosse)  *519 

Knochen  aus  der  Heinrichshöhle 

(Klaatsch)  "117 

—  von  Obornik  mit  Nagespuren  (Ed. 
Krause)  *1'.»0  *524 

(v.  Chlapowski)  *490 

Knochenwerkzeuge     aus     der    Höhle     von 

Ultima  Esperanza  124 

Knö|ife  aus  dem  Kaukasus  usw.  II 

Knopfuadeln  aus  dem  Kaukasus  usw.  45 

Kobulde  in  Kamerun  71(5 

Kocb,  Th.     Forschungsreise   nach   Süd- 
amerika *293 
Köeberschnltzerei  in  Ruanda  342 
Koehl.    Skelette    aus    der    Gegend    von 

Worms  130 

Körbe     uud    Geflechte    aus    Südamerika 

(Max  Schmidt)  *490 

Körper,  der  —  des  Kindes,  für  Eltern, 
Erzieher,  Arzte  und  Künstler,  C.  H. 
Stratz.     (Max  Bartels)  flTO 

Körperschmuck,  vorgeschichtlicher  608 

Kotler -Darmstadt,    Ein    eigentümliches 

Hügelgrab  aus  der  Bronzezeit  *108 

Kogai-tribes  (Mathews)  *28 

Kongress,  geographischer,  Neapel  106 

Kongresse  870 

Konservierung,  farbige  —  frischer  Leichen- 
teile (Strauch)  *G71 
Kranicüstein,    Darmstadt,    Hügelgrab   der 

Bronzezeit  (Kotier)  *108 

Krankheiten  der  Schokleng  842 

Kraplna,  Versammlung  der  Wiener  Anthro- 
pologischen Gesellschaft  IST 
Krause,  Eduard,  Zur  Eolithenfrage               829 
— ,      Vorgeschichtliche    Fischereigeräte 
und    neuere   Vergleichsstücke.     Eine 
vergleichende  Studie    als  Beitrag  zur 
Geschicbte   des  Fischereiwesens.     Mit 
648  Abbildungen    auf   16  Tafeln   und 
im  Text  (A.  Voss)                                       v'.nil 
— .   Das   Knochenstfick   aus    der  Obor- 

niker  Eiesgrabe  mit  Nagespuren  *490,  *524 
— ,  Pflanzliche  Reste  aus   den  Diluvial- 
schichten von  Biere  *48ö 
— ,  Die  Werktätigkeit  der  Vorzeit 

(A.  Lissauer]  f899 

Rrauss,  Friedrich  S.,  Die  Anmut  des 
Frauenleibes  (Mai  Bartel-  f53] 


Seite 

Kreta  Inner,  K.,  Leonidas  Chalikiopoulos: 

Sitia,  die  Osthalbinsel  Kretas  f326 

Kreuz  in  nordafrikanischen  Tätowierungen    749 
Kreuze  aus  dem  Kaukasus  usw.  62 

—  in  tunesischen  Tätowierungen 

(11.  Mielke)  ITT 

Kreuzzeichen  aus  dem  Kaukasus  usw.  85 

Kriegsbauteu  und  Kriegsführung  der  alten 

nordischen  Völker  und  im  Mittelalter  682 
KJI2,  Martin:  Beiträge  zur  Kenntnis  der 

Quartärzeit  in  Mähren  (Lissauer  fl'J8 

Kriuniuwall  bei  Hedeby  675 

Kultur  der  Thraker  (Hubert  Schmidt)  626 

Kullurkrelse  und  Kulturschichten  in  Afrika 

(Ankermann) 

—  und  Kulturschichten  in  Ozeanien 
(Graebner)  *866 

Kulturkunde,  geographische,  LeoFrobenius. 

(Alfred  Maass)  t529 

Kulturperioden,   die  —  im  Orient    und  in 

Europa,  Oskar  Montelius.  (Lissauer;  ;.">•> 
Kunstgewerbe  in  Ruanda  332 

Kwakiutl,  Verfassung  der  — 


Landwehr  bei  Hedeby  ''>>' ' 

Lange,  Julius,  Berlin  f  867 

Langerbaus,  Rob.,  Berlin  f  867 

„Langgestielte"  Äxte  5iT,  Ö68 

Language,  Organization  and  Initiation- 
Ceremonies  oftheKogaiTribes,  Queens- 
land (Mathews)  *28 

—  of  the  Wuddyäwfirru  Tribe,  Victoria 

(R.  H.  Mathews)  '729 

Lanzen  aus  dem  Kaukasus  usw.  79 

Lautwandel  und  Zahnverstümmeluug 

(Cleve)  156 

Legende  zu  der  Typenkarte  der  Äxte  *Ö50 

—  zur  Typenkarte  der  Radnadeln  *Ö93 

—  zur  Typenkarte  der  Ruder-  und 
Scheibennadeln  *578 

Lehmann,  C.  F.,  Neu  aufgefundene  chal- 
dische  Inschriften 

— ,  Nachtrag  zu  seiner  Mitteilung  über 
neugefundene  chaldische  Inschriften      *765 

Lehni.inn-Mtsche,  Altpatagonische.  angeb- 
lich syphilitische  Knochen  aus  dem 
Museum  zu  La  Plata  *S54 

— ,  Die  Sammlung Boggiani  von  Indianer- 
typen aus  dem   zentralen  Südamerika    '-- 

Leichenöffnung  b>'i  Negern  722 

Leichenteile,  farbige  Konservierung 
Strauch] 


—     912    — 


Seite 

Lemke,  Frl.  Elisabeth,  Ausgrabungen  in 
Siebenbürgen  107 

Le  Coq,  v.,  Reise  nach  Turkestan  7  ls 

Lissauer,  A.  Ausgrabungen  in  den  Balzi 
Rossi  *453 

— ,  Erster  Bericht  über  die  Tätigkeit 
der  von  der  Deutschen  anthropolo- 
gischen Gesellschaft  gewählten  Kom- 
mission für  prähistorische  Typen- 
karten *537 

— ,  Die  chinesisch-japanische  Sammlung 
des  Hrn.  Fischer  *698 

— ,  Zur  Frage  der  Tertiär-Silex        *299,  316 

— ,  Zur  Eolithenfrage  *825 

— ,  Gedenkrede  auf  Schliemann  *514 

— ,  Gedenktafel  für  Heinrich  Schliemann 
in  Fürstenberg,  Mecklbg.  *488 

— ,  Moriz  Hörnes:  Der  diluviale  Mensch 
in  Europa  flGG 

— ,  Zum  Kassenbericht  f872 

— ,  Krause,  Eduard:  Die  Werktätigkeit 
der  Vorzeit  -J-899 

— ,  Kfiz,  Martin:  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  Quartärzeit  in  Mähren  flGS 

— ,  Matiegka,  Heinrich:  Über  Schädel 
und  Skelette  von  Santa  Rosa  (Santa 
Barbara-Archipel  bei  Kalifornien)  f89S 

— ,  Montelius,  Oskar:  Die  ältesten 
Kulturperioden  im  Orient  und  in 
Europa  f528 

— ,  Die  Sammlung  der  Tertiär-Silex  des 
Hrn.  Klaatsch  *299 

— ,  Schädel  eines  Bugre  aus  Santa 
Catharina  *847 

— ,  Schädel  eines  Schokleng  aus  Santa 
Catharina,  Brasilien  *8  1  1 

— ,  Schumann,  Hugo:  Die  Steinzeit- 
gräber der  Uckermark  f527 

— ,  Typenkarten  der  prähistorischen  Äxte, 
Radnadeln,  Rudernadeln  usw.  *538 

— ,  Verwaltungsbericht  für  das  Jahr  1901  "867 

Lohnarbelt  in  Ruanda  •'!•">  1 

Lüdlke,  W.,    Kiel.     Brettchenweberei   in 

Karthago  *106 

Luschan,  F.  v.,  Beobachtungen  an  Kiesel- 
manufakten in  Ägypten  *317 
— ,    Fortschritte    in    der    Technik    der 

physischen  Anthropologie  *465 

— ,  Nageepuren  an  Elfenbein  "522 

— ,  Einige  türkische  Volkslieder  aus 
Nordsyricn  und  die  Bedeutung  phono- 
graphischer Aufnahmen  für  die  Völker- 
kunde *177 


Reite 


M. 


Maass,  Alfred,  Frobenius,  Leo:  Geogra- 
phische Kulturkunde  f529 
— ,  Quer  durch  Sumatra,  Reiseerinne- 
rungen (Stönner)  fl71 
Masse  der  Schoklengschädel  851 
Mähren,  Neolithische  Keramik  044 
Märchenwanderuiigeii  in  Amerika  8G(> 
Märkte  in  Ruanda  332 
Magnus,  Zu:  Os  tibiale  externum  (Pfitzner)  882 
Mailand,  Ausstellung  für  Transportwesen  136 
Mainoten  058 
Malerei  auf  Tongefässen  von  Troja  -  My- 

kene-Ungarn  038 

Maltechnik  von  Troja  047 

Mann,  Oskar,  Ethnologisches  und  Archäo- 
logisches aus  dem  westlichen  Persien   *486 
Markgrafenburg,  Ringwall  Schleswig  077 

von  Martens,  Berlin  f  747 

Masai,  Über  M.  Merkers  —  (Carl  Meinhof)  *735 
Mathews,   R.  H.,    Some    Initiation   Cere- 

monies  of  the  Aborigines  of  Victoria    *143 
— ,    Language,   Organization  and  initia- 
tion  -  ceremonies    of  the  Kogai-tribes, 
Queensland  *28 

— ,  Language  of  the  Wuddyawurru  Tribe, 

Victoria  *729 

Matiegka,    Heinrich,    Über   Schädel    und 
Skelette  von  Santa  Rosa  (SantaBarbara 
Archipel  bei  Kalifornien).   Mit  3  Mass- 
tabellen und  16  Abb.  (Lissauer)  f898 
Malschie,  Zähmung  von  Edentaten  in  Süd- 
amerika *131 
Maty-lusel,  Ethnologisches  399 
Mauern  des  Danewerks  676 
Mavahandschrifleu,  die  Göttergestalteu  der, 

P.  Schellhaas  (E.  Förstemann)  f528 

— ,    die  Tonalamatl   der  —  (E.  Förste- 
mann *659 
Medaillons  aus  dem  Kaukasus  usw.  04 
Meinhof,  Carl,  van  der  Bürgt,  J.  M.  M.: 

Dictionnaire  Fracais-Kirundi  f70.'! 

— ,  Über  M.  Merkers  Masai  *735 

Meisner,  Danewerk  und  Hedeby  *675 

Melodien,    phonographierte    türkische    — 

(0.  Abraham  und  E.  v.  Hornbostel)       *203 
Mensch  und  Grypotherium    in  der  Höhle 

von  Ultima  Esperanza  120,   124 

Menschen-  und  Tiergestalten  in  Steinskulp- 
turen vom  Amazonas  865 
—  und  Tierdarstellungen    auf   südrussi- 
scher Keramik  643 
Menschenjagd  der  Schokleng                            838 


—    913    — 


Seite 

Menschenopfer  in  Westafrika  724 

llcl.ill.ii ■heilen  in  Ruanda  359 
Metallgeräte,    altperuanischc  (A.  Baessler) 

766,  864 

tlclallknltui  im  Kaukasus  96 

Metallurgie,  alte  —  des  Kaukasus  39 
— ,    Beiträge  zur   vorgeschichtlichen  — 

(Götze)   ^  897 
Metrum     und    Musik    bei     den    Arabern 

(llaitiuann)  *235 

Mexiko,     Steinkisten,     Tepetlicalli,     und 

ähnliche  Monumente  (Ed.  Seier)  *244 

Mieck,  Prenzlau  t  867 
Mlelke,  R.,    Kreuze   in  tunesischen  Täto- 

wierungei]  *477 

Mitglieder  der  Gesellschaft,  auswärtige  153 

— ,  korrespondierende              2,  L35,  487,  8G7 

— ,  Ehren-  1 

— ,  immerwährende  8G8 
— ,  neue   103,    L35,   291,   657,  747,  853, 

867,  880 

— ,  ordentliche                                            5,  868 
Mittelbilder  vorgeschichtlicher  Schädel  von 

Worms  897 
Monaco,    internationaler    Anthropologen- 

kongress  1906  881 

— ,  Museum  in  15  I 

Mondverehmng  bei  Krunegern  720 

Mongolen  Heck  bei  Maya-Indianern  J  *  1 7 

—  s.  Sacralileck. 

Monolilhgräber  (Götze)  *112 

Montellus.  Oskar,  Die  ältesten  Kultur- 
perioden im  Orient  und  Europa.  I.  Die 
Methode  (Lissauer)  f52S 

Müller,  F.  W.  K..    Ethnologische  Objekte 

aus  Japan  III 

Mumien,  peruanische  —  mit  X-Strahlen 

untersucht  (A.  Baessler)  *765,    864 

Muniieiibündel,  altmexikanisches  262,  280 

Museum     des     Königreichs    Böhmen, 
Jubiläum  135 

—  in  Monaco  15  I 
Musikwissenschaft,     Die    Bedeutung    des 

Phonographen  für  die  vergleichende  — 
(0.  Abraham  und   E.  v.  Hornbostel)         222 
Mythologie,  amerikanische  865 

N. 

Nachrichten  über  deutsche  Altertumafunde    868 

Nadeln  aus   dem   Kaukasus  usw.  I."i 

—  mit  seitlicher  Ose  aus  dem  Kaukasus       IT 

—  s.  Radnadeln,  Rudernadeln. 

Nagespnreu  an  Elfenhein  iv.  Luschan)  526 

—  an   Knochen  (Kd.  Krause)  *490,   '">JI,  *526 


Seite 

Nagospuren   an   Knochen    und    Knochen- 

fundin    Strauch)  524 

Naturforscher,      Versammlung     deutscher 

Nuturforscher    und   Ärzte    in    Breslau  *292 
Nalurknollen      und     manuell     beeiuflusste 

Kiesel  769 

Naturvölker  Südamerikas,  Chorotes  866 

Neapel,  Geographen-Kongress  106 

Nchring,  A.,  Berlin  f  746 

Nekropele,    Aufdeckung    einer    alten    in 

Baku  (Rösler)  292 

Nephritfrage,  zur  (Otto  Schoetensack)  *141 

Nephritidol,    amerikanisches    in    Stuttgart    864 
Nephritplatte  zu  Leiden  137 

Nephritstele,  Maya-  in  Leyden  866 

Ncu-Gulnea,  aussterbende   Völker  (Demp- 

wolff) 
Neuhauss,  cooptiert  als  Schriftführer  853 

Neujabrsgruss  106 

Neiimaiin,  0.,  Grypothcrium-Fellstück  von 

Ultima  Esperanza  *130,  134 

—,H.,  über  die  rachitischen  Veränderungen 

der  Zähne  *381 

Nlcolucci,  Giustiniano,  Neapel  f  657 

Niederingelheim,    Bheinprovinz,    Monolith- 
grab 115 
Niederlausitz  s.  Versammlung. 
Nietzold,  Johannes:    Die  Ehe  in  Ägypten 
zur  ptolemäisch-römischen  Zeit,    nach 
den     griechischen     Heiratskontrakten 
und  verwandten  Urkunden  (R.  Thurn- 
waldt)                                                        t.-.l'I 
No-Theater,  Abbildung                                      698 
Nötling,  Tertiärsilex                                      *315 
Nonnenhof    bei   Prillwitz,    Mecklenburg, 
Arbeiten      der      Rethra- Kommission. 
(G.  Oesten)  758 
Nordafrika, Tätowieren  in  —  (A.  v.  Gennep"     7  19 
Norddeutscher  Typus  der  Äxte                  544  556 
Norrland,  Funde  aus  dem  arktischen  Stein- 
alter                                                            669 


0. 


Ober-Agypten,  steinBeitliohe  Forschungen 
(G.  Schweinfurth) 

Oberthau,  Kreis  Merseburg,  Bronzesichel- 
fund   Buh.  Schmidt;  *106, 

Obornik.  Knochenstück  mit  Narben  (v.  Chla- 
powski  ''490.   (Ed.  Krause)  *490,    524, 

Obsldianspitzcii 

Oesten,  <}..  Bericht  über  die  Arbeiten  der 
Rethra-Kommission 

Österreich,  Nieder-,  neolithische  Keramik 

Ohrrinte  aus  dem  Kaukasus  usw. 


766 
U6 
52<  I 


Tr- 
eu 
55 


—     914     — 


Seite 

Oldenburg  bei  Hedeby,  2  Fundstücke  von 

der  —  (H.  Virchow)  *862 

— ,  Ausgrabungen  675.  874 

Oleburg,  Halbkreiswall,  Schleswig  677 

Olshaaseii,  0.    Die  diluvialen  Fundstätten 

bei  Schönebeck  a.  E.  *477 

— ,  Statutenänderung  *S73 

—  und  Friedr.  Rathgen,  Untersuchungen 
über  baltischen  Bernstein  (Succinit) 
und  andere,  fossile,  bernsteinähnliche 
Harze  *153 

Opperl,  Hindumusik  *233 

Organ  der  Gesellschaft  1 

Organization  of  the  Kogai-tribes  (Mathews)  *33 
Ornamentik,    vorgeschichtliche,    des  Kau- 

kausus  usw.  83 
Os  präbasiocripitale   von    einem    Chinesen- 
schädel (P.  Bartels)  *147 

—  tibiale  externa»]  Pfitzner  (Waldeyer).  *881 
Ostafrika,  Zahnverstümmelung  und  Laut- 
wandel 456 

„Ostbaltischer"  Typus  der  Äxte  549.  571 
Oslerwall,  Erdwerke,  Schleswig  677 
Ozeanien.        Kulturkreise      und  Kultur- 
schichten (Graebner)  *866 


P. 


Peking,    Reise    von   —    nach    Rangoon 

(Assmy)  *697 

Pernice,   Erich,    Greifswald,   Die   Gräber 

in  Thurow  bei  Züssow  *752 

Persien ,     Ethnologisches    und    Archäo- 
logisches (Oskar  Mann)  *486 
Peru,    Alte  Metallgeräte    (A.  Baessler)      *765 
—     Mumienballen,     Untersuchung    mit 

X-Strahlen  *864 

Petermann,  Georg,  Frankfurt  a.  0.  f  453 

Prahlbauten  von  Dubica  an  der  Save  658 

Pfahlstellurigen     um     ein    Hügelgrab     der 

Bronzezeit  109 

Pfeil  der  Kayabi-lndianer  468 

Pfellinacber  in  Ruanda  33 1 

Pfeilspitzen  aus  dem  Kaukasus  usw.  76 

Pflanzenreste    aus    Diluvialschichten    von 

Biero  (Ed.  Krause)  *485 

Pllug,    der,    uud    das    Pflügen   bei    den 
Römern     und     in     Mitteleuropa     in 
vorgeschichtlicher    Zeit,    H.  Behlen. 
(Werner)  f.MM) 

Pfrlemspitzen,  neolithische  von  Theben  T'.is 

Pblllppi,  Bnd.,  Santiago  de  Chile  f  746 

Phonogramme,  Archiv  für  —  (Stumpf)        *'_'.">  I 


Seite 

Phonograph,  Anleitung  zur  Handhabung 
des  Phonographen  für  Forschungs- 
reisende  und  Missionare  (0.  Abraham 
und  E.  v.  Hornbostel)  *232 

—  und  Kinematograph  (Bab)  *236 
in  Amerika  (K.  v.  d.  Steinen)         *236 

—  und  Musikwissenschaft  (Stumpf)  *234 
— ,    Bedeutung     für     die    Völkerkunde 

(F.  v.  Luschan)  *177 

—  und  Völkerkunde  (Waldeyer)  *236 
Photographien- Sammlung  der  Gesellschaft  871 
Photos  von  Westgrönländern  (H.  Virchow)  *862 
Picenuin,  Beitrag  zur  Vorgeschichte  des  — 

(Baglioni)  *765 
Plniiow,    Kreis    Angermünde,    Monolith- 
grab (Götze)  *112 
Pinzetten  aus  dem  Kaukasus  usw.  71 
Plastik  aus  dem  Kaukasus  usw.  88 
— ,  neolithische  635 
Plehn,  A.  Beobachtungen  in  Kamerun  *490,  *713 
— ,  Fritz  t  747 
Poconchi-Indianer  865 
Polichroinie  bemalter  Keramik  639 
Polydaktylie  881 
Pommern,    Alte    Eisenerzgewinnung    und 
Eisenschmelzhütten  (H.  Hess  vonWich- 
dorff)  *237 
Preyer,  Axel:  Indomalayische  Streifzüge 

(M.  Bartels)  f:»26 
Priesterhügel  bei  Brenndorf  und  von  Erösd, 

Ungarn,  Bemalte  Keramik  637 
Prussia,    Jubiläum    der  Altertumsgesell- 
schaft 853 
Pubertätsweihe  der  Kogai  (Mathews)  *34 
Pudil,  Johann,  Prag  f  453 

Q. 

tyuartärzeit  in  Mähren,  Kfiz  (Lissauer)  flG8 
Querschneide  an  Pfeilspitzen  derSchokleng   836 


B. 

Rachitis,  Einüuss  der  —  auf  die  Schädel- 
form,    (von  Hansemann)  "146 
— ,   Veränderungen    des  Schädels  durch 
(von  Hansemann)  :'>7:'> 

der  Zähne  (Neumann)  3*1 

Badnadeln  586 

—  aus  dem  Kaukasus  usw.  51 

Randäxte  541,  553 

— ,  goknickte  546,  566 

— ,  langgestielte  547,  568 

— ,  Typen  .">ll 


—     915 


Seite 

Rangoon,     Reist;    von    Peking     nach    — 

(Assmy)  697 

Rapport   der  Commissie   von  Advies   be- 
fnlfende  's  Kijks  Ethnographisch  Mu- 
seum (M.  Bartels)  f322 
Rassenzugehiirigkeit  des  Kaukusus  usw.  94 
Rathgen,  Friedr.  und  R.  Bornnann,  Tränken 

von  Gipsabgüssen  zur  Konservierung    *163 
—   und    0.  Olshausen,   Untersuchungen 
aber    baltischen    Bernstein    (Succinit) 
und    andere  fossile,    bernsteinähnliche 
Harze  *153 

Ratzel,  Frieflr.,  Leipzig  f  717 

Rawltz,  Bernhard:  Urgeschichte,  Geschichte 

und  Politik  (K.  Thurnwald)  fbBO 

Ravnolds,  Chaldische  Inschriften  *488 

Rechnungsberichl  für  das  Jahr  1904  (Söke- 


*871 
Paul  Wi- 
tzln 
522,  523 
291,  *658 
*697 
293 

74G 

l;  ic- 
si:; 


land) 
Rechts,  Vorgeschichte  des 

lutzki  (Max  Schmidt) 
Regeulraufen  aus  Java 
Reise  des  Hrn.  Kiessling 

—  von  Peking  nach  Rangoon  (Assmy) 
Reisebericht  aus  Südamerika  (Th.  Koch) 
Reisen     der     Herren    Traeger,    Voss, 

Waldeyer 
Religionsgeschichte,  Kongrcss  zu  Basel 
Rellgiousvorstellungen  der  Schokleng 
Rethra-Koiniulsslon  292,  869 

— ,  Hrn.  Oestens  Bericht  über  die  Ar- 
beiten der  —  (A.  Voss)  *758 
— ,  Untersuchungen  der  875 
RindeiistoH'  in  Ruanda  .171 
Ringscbaber  von  Theben  S<>4 
Ritztecbnik  und  Bemalung  auf  Tongefässen  639 
Robel,  Ernst  t  7  17 
Rüsler,  C,   Tillis,    Die  Aufdeckung  einer 

alten  Nekropole  in  Baku 
— ,    Grabstätten  mit  arabischen  Schrift- 

zeicheu  in  Baku 
Rösten  und  Braten  bei  den  Schokleng 
Rnllii.idelu  aus  dein  Kaukasus  usw. 
Rusentbal,  Berlin  f 
Ruanda,  Gewerbe  in  —  (R.  Kandt) 
Rudernadeln 

—  aus  dem  Kaukasus 
Rumänien,  prähistorische  Keramik 
Rinnelleii,  neolithisehe  Keramik 
Russland    und    Rassisch   Turkistan,    For- 
schungsreise des  Hrn.  Hubert  Schmidt 

— ,  Prähistorische  Keramik 

— ,  Über  die  anthropologische  Zusammen- 
setzung  der   Bevölkerung   — ,    A.  A. 
Iwanowski  (Wilkei  f7n| 


292 

I.V. 
833 

IS 

135 

*:'.2ii 
."•7:'..  578 

643 
644 

136 
643 


Seite 

Rutots  System  der  eulit  bischen  und  paläo- 
lithische'u  Epochen  7^:; 

s. 

SacralHeck,  der  blaue  —  bei  Indianern  B31 
„Sächsischer"  Typus  der  Äxte  546,  563 

Sägen  aus  dem  Kaukasus  usw.  7"> 

Sageiiforschung,  amerikanische  8G5 

Sammlungen  der  Gesellschaft  B7<  I 

Schaber,  eolithische  von  Theben  78V) 

Schädel,  altpatagonischcr  —  mit  Osteo- 
myelitis des  Schädeldaches  857 

—  eines  Battakers  (Waldeyer)  c697 

—  eines  Bugre  aus  Blumenau,  Santa 
Catharina,  Brasilien  (Lissauer) 

—  eines  Schokleng  840 

—  eines  Schokleng  aus  Santa  Catharina 
(Lissauer)  *844 

—  der  Steinzeit  und  der  früheren  Bronze- 
zeit aus    der   Umgegend  von  Worms 

am  Rhein  (P.  Bartels)  891 

—  und  Skelette  von  Santa  Rosa  (Santa 
Barbara  -  Archipel  bei  Kalifornien), 
Heinrich  Matiegka  (Lissauer)  f898 

Schädels,  rachitische  Veränderungen  des. 
(v.  Hansemann)  *14G  *373 

Schaiulrainalll,  Zeichnungen  von  Fund- 
gegenständen der  Ausgrabungen   von     875 

Scheibennadelu  574,  580 

— ,  ostbaltische  ">77,  .">>! 

—  aus  dem  Kaukasus  usw.  49 
Scheibenscbaber  von  Theben  804 
Schellhas,    P.:    Die    Göttergestalten    der 

Mayahandschriften  (E.  Förstemann)  \b2S 
Schenkungen     für     die    Rudolf    Virchow- 

Stiftung  B73 

Schläger,  eolithische,  von  Theben  78  I 

Schlagbuckel  77m 
Scblleiuann-Feler  in  Fürstenberg  i.  MeckL 

(Lissauer)  "'1  l 

—  -Gedenktafel  (Lissauer)  188,  869 
Schiueltz- Leiden.    Die    Nephritplatte    zu 

Leiden  137 

Schmidt,  Hubert,  Brief  156 

— ,    Der  Bronzesichelfund  von  Oberthau, 

Kreis  Merseburg  L06,  *416 

— ,    Die    Keramik    der    makedonischen 

Tunmli  bei  Saloniki  1  13 

— ,  JnngneolithiBche  Parallelen  634 

— ,  Reise  nach  Südrusslaud  uud 

Ru-Mseh-Turkestan  136 

— ,  Spätneolithische   Ansiedelungen    mit 

bemalter  Keramik    am    oberen    Laufe 

des  Alttli;  1 1"» 


916 


Seite 

Schmidt,  Hubort,    Troja-Mykene- Ungarn 

*143,  *608,  *890 
Schmidt,    Max,     Ableitung    südamerika- 
nischer Geflechtmuster  aus  der  Technik 
des  Flechtens  *490 

— ,    A.    Hellwig,     Das     Asylrecht    der 

Naturvölker  f2QS 

— ,  Nachrichten  über  die  Kayabi-Iudianer, 

Matto  Grosso  *466 

— ,    Wilutzki,   Paul,   Vorgeschichte   des 

Rechts  f530 

Schmuck  der  Schokleng  835 

Schnippe),  Die  Brettchenweberei  und  die 
Bortenflechterei  in  Suprasl  bei  Bialy- 
stok,  Russland  *137 

Schnitzereien   an  dem  Wikingerschiff  von 

Tönsberg  (Finn)  *699 

—  (Gustafson)  *670 

Schönebeck  a.  E.,    Diluvial  -  Fundstätten 

(0.  Olshausen)  *477 

Scbönlank-Stiftung  872 

Schoetensack,  Otto,  Zur  Nephritfrage  "141 

Schokleng-Indianer  in  Brasilien 

(K.  v.  d.  Steinen)  *830 

— ,  wilde  Waldindianer  Santa  Catharinas 

(Bleyer)  *830 

— ,  Schädel  eines  —  aus  Santa  Catharina 

(Lissauer)  *844 

Schrammen  an  Kieselknollen  773 

Schriftenaustausch  14 

Schriftführer-Kooptation  853 

Schumann,    Hugo:     Die    Steinzeitgräber 

der  Uckermark  (Lissauer)  f527 

Schurtz,  Heinrich:  Völkerkunde 

(H.  Vierkandt)  |531 

Schweinfurtb,  G.,  Ägyptische  Knallpeitsche 

„Fergille"  *517 

— ,  Steinzeitliclie  Forschungen  in  Ober- 
ägypten *76G 
Schwerter  aus  dem  Kaukasus  usw.  81 
Seelenwanderung  lebender  Neger                     722 
Seier,  Eduard,  Über  Steinkisten,  Tepetlo- 
calli,  mit  Opferdarstellungen  und  andere 
ähnliche  Monumente                      ■IIU.     _' I  I 
— ,  Studien  in  den  Ruinen  von  Yukatan  *321 

*526 
8eoche08cbnti  in  Kamerun  717 

Sichelsägen  aus  dem  Kaukasus  usw.  75 

Siebenbürgen,  Ausgrabungen  (Lemke)  "107 

Signale  der  Schokleng  836 

Silex,  Tertiär  und   Diluvial  (Lissauer)       *299 

•316 
— ,  (Keühack)  301 

— ,  (Hahne)  "-303 

— ,  (Wahnschall.-,  *310 


Seite 

*311 
*313 
*315 


Silex,  Tertiär  und  Diluvial  (Jentzsch) 

— ,  (Branco) 

-,  (Nötling) 

Sitia,    die  Osthalbinsel  Kretas,   Leonidas 

Chalikiopoulos  (K.  Kretschmer) 
Sitzungen  und  Vorträge 
Sixt,  Stuttgart  f 

Skandinavien.    Ausgrabungen  in  —  (Finn) 
Skelette  aus  den  Balzi  Rossi 

—  von  Worms 
Sklavenbünde  in  Kamerun 
Sökeland,  Rechnungsbericht  für  das  Jahr 

11)04 
Sonnenfeste  der  Mexikaner  und  der 

heutigen  Moki 
Spiegelnadeln  aus  dem  Kaukasus  usw. 
Spiralornamentik,  neolithische 
Spiralröhren  aus  dem  Kaukasus  usw. 
Spiralschieber,  trojanische 
Sprache  der  Maty-Insulaner 
— ,  neuentdeckte,  in  Südamerika 

(Th.  Koch) 

—  ostafrikanischer  Völkerstämme 
Stanley  f 

Statutenänderung  (Olshausen) 
Staudinger,     Ethnologisches    aus    West- 
afrika 

Steinalterfund  in  Dänemark  (Finn) 
Steinalterl'unde,  arktische,  in  Schwedisch- 

Norrland 
Steinaxt  in  der  Bronzezeit 
Steinbeil  von  Jamaika 
Steinen,  K.  von  den,   Die  Forschungsreise 

des  Hrn.  Th.  Koch  nach  Südamerika  *293 
— ,  Zur  Grypotherium-Frage      *128,  131,  132 

134 
— ,  Zur  Kunst  des  Flechtens 
— ,  Phonograph    und  Kinematograph  in 

Amerika 

— ,  Die  Schokleng-Indianer  in  Brasilien   "830 
Steinkiste,  altmexikanische  bemalte  —         26S 
Steinkisten,    Tepetlicalli,    mit    Opferdar- 
stellungen und  andere  ähnliche  Monu- 
mente (Ed.  Seler) 
Steimnessergott,   Opfergott  der  Mexikaner 


f326 
869 
747 

*668 
454 
136 
715 

*S71 

865 

49 
G35 

70 
610 
400 

*295 
330 
487 

"873 

'72ö 

G68 

6<W 
10!) 
45G 


"512 


•236 


Steinpfcile  aus  dem  Kaukasus  usw. 
Stelnskulptiiren  von  der  Insel  Java  (Stornier) 
Steinwerkzeuge    mit    Elephas  antiquus    in 

den  Balzi  Kossi 
—  aus  der  Höhle  von  Ultima  Esperanza 
Steinzeit,  Jungneolithische  Parallelen 

(Hubert  Schmidt) 
Ansiedelungen  mit  bemalter  Keramik 

am   oberen  Altfluss    (Hubert  Schmidt) 


*244 
246 
251 
76 

*519 

454 
121 

*145 


917     — 


Seite 

Steinzeit-Forschungen  in  Oberägypten 

(G.  Schweinfurth)  766 

—  -Funde  aus  Japan    (F.  W.  K.  Müller)  *144 

Gräber,  die  —  der  Uckermark,  Hugo 

Schumann  (Lissauer)  f527 

Schädel  von  Worms  (P.Bartels)  891 

Slm-kliiilin.  Urnengräber  669 

Stornier,  A.  Maass:  Quer  durch  Sumatra  flTl 
— .  Steinskulpturen  von  der  Insel  Java  *319 
Stratz,  C.  H.:    Die    Frauenkleidung    und 

ihre  natürliche  Entwicklung  (Fritsch)  f7O0 
— :  Oer  Körper  des  Kindes,  für  Eltern, 
Erzieher,    Arzte    und   Künstler    (Max 
Bartels)  fl™ 

Strauch,      Eine    Methode    farbiger    Kon- 
servierung   frischer   Leichenteile    für 
die  Zwecke   der   somatischen  Anthro- 
pologie *671 
— ,  Nagespuren  an  Knochen                      *524 
Strebet,  Hamburg,  Jubiläum  135 
Studien  in  den  Ruinen  von  Yucatan 

(Ed.  Seier)  *321,  *526 

Stübel,  Alfons,  Dresden  f  853 

Stumpf,  Der  Phonograph  und  die  Musik- 
wissenschaft 23  I 
Stuttgart,  Der  1  1.  Amerikanisten-Kongress 

in  —  (Ehrenreich)  *862 

Südamerika,    Getlechtmuster  und    Flecht- 
technik (Max  Schmidt)  *490 
„Süddeutscher"  Typus  der  Äxte              545,  561 
Sumatra,  A.  Maass.  Quer  durch  — ,  Reise- 

erinnerungen  (Stönner)  flTl 

Sydow,  Kr.  Oberbarnim,  Monolithgrab  115 
Symbole  aus  dem  Kaukasus  usw.  85 

Syphilis,  angebliche  —  an  altpatagonischen 

Knochen  (Lehmann-Nitsche)  *S54 

— ,  präkolum  bische  8G<i 

Swastika  aus  dem  Kaukasus  usw.  SC 


T. 


19 


Tätowieren  in  Nordafrika  (A.  van  Gennep) 
Tätowierers,     das     Handwerkszeug     eines 

tunesischen  —  (Paul  Traeger) 
Tätowierungsmesser 
Tätowieruniisinuster 
Technik     der     physischen    Anthropologie 

(v.  Luschan) 
—  der  Bronzesicheln 
Tepetlicalli  uml    ähnliche  Monumente    1  16,  •_'  I  I 
Tertlär-Silet,  Sammlung  des  Hrn.  Klaatsch 

(Lissauer)  »299,  *:'>U; 

„Tertiär^,    und    Diluvial-Silex    (Lissauer) 

(Keilhark  :>.  :',oi 
(Hahne)  303 


169 
170 

IT:; 

165 
126 


Seite 

rTerllä^  und  Diluvial-Silex  (Wahnschaffe)   '310 

(Jetzsch)  *311 

(Branco)  »313 

(Nötling)  315 

Theben,  Ägypten,   Kieselmanufakte  (F.  von 

Luschan)  ;'>1T 

Thraker,  Kultur  der  —  626 

Thtiruwald,    R.,    Johannes    Nietzold:    Die 

Ehe  in  Ägypten  f324 

—  Rawitz,  Bernhard:  Urgeschichte,  Ge- 
schichte und  Politik  f530 

Thurow  bei  Züssow,  Pommern,  Hügel  mit 
Skelettgräbern  der  Bronzezeit  (Erich 
Pcrnice)  752 

Tibet,  Reise  durch  —  697 

Tibien,  altpatagonische,  mit  Auftreibungen     855 
Tierornamente  im  Kaukasus  "•'.» 

Tierreste  in  den  Diluvialschichten  bei 
Schönebeck  a.  E.  (Wahnschaffe)  *484 

—  in  der  grossen  Höhle  von  Ultima 
Esperanza  1  _'' » 

Tönsberg,  Norwegen,  Wikingerschiff  (Finn)    669 
— ,  Wikingerschiff  (Gustafson)  *670 

Töpferei  in  Ruanda  565 

Tonalainatli,  liegen  die,  der  Mayahand- 
schriften  in  bestimmten  Jahren 
(E.  Förstemann)  *659 

Tonsystem,  türkisches  203 

Topfpjramiden   im  Totenkultus  der  Neger     721 
Tordos  bei  Broos,  Siebenbürgen,  Bemalte 

Keramik  637 

Totenbestattung  in  Wohnstätten  112 

Traeger,  Reise  nach  Albanien  Tb; 

—  Herrn.  Haack:  Geographenkalender       f708 

—  Das  Handwerkszeug  eines  tunesischen 
Tätowierers  *46!>,  4T7 

Tranporlwesen-Ausstellung  in  Mailand  136 

Troja  -  .üykenae  -  l 'ngarn ,  Archäologische 
Parallelen  (Hubert  Schmi  Li  *143, 

-,  Nachtrag  (Hubeit  Schmidt) 
Tunis,    das    Handwerkszeug    eines    Täto- 
wierers (Paul  Traeger)  *b'.;i 
Türkei,    Phonographierte    Melodien 

(0.  Abraham   und   E.   v.    Hnrnbostel)     *-'"•". 

—  Phonographierte  Volkslieder  (F.  von 
Luschan  *177 

Typen  der  Br<>nzesicheln  418 

Tjpenkurte,  der  prähistorischen  Äxte 
(Lissauer 

—  der  Ruder-  und  Scheiben  -  Nadeln 
(Lissauer] 

—  der  Radnadeln  (Lissauer  587 
Txpciikiirteii,  prähistorische  (Lissauer) 
Tjpenrelhe    der    eolithischen    Manufaktc 

von  Theben  (G.  Schweinfurtb 


—     918 


Seite 

u. 

Uckermark,    Die    Steinzeitgräber    der    — , 
Hugo  Schumann  (Lissauer)  f527 

Ulvalfy,  Baron  v.  U.  von  Mezö  Hövesd, 
Florenz  f  135 

Ultima  Espeninza,  Patagonien,  Höhle  mit 
Eesten  ausgestorbener  Tiere  und  mit 
Spuren  menschlicher  Bewohnung (Hau- 
thal) *119 

Unsterblichkeit  bei  Weinegern  720 

riiterrichtsmlnister,  Zuschuss  657 

Urgeschichte,  Geschichte  und  Politik, 
Bernhard  Rawitz  (R.  Thurmwald)  f530 

Urne  aus  einem  Grabhügel  bei  Thurow 
(Erich  Pernice)  *757 

Urnengräber  auf  Älsten  bei  Stockholm 
(Finn)  669 

lischer,  Van,  Chaldische  Inschrift  *489 


Y. 

Vasenmalerei  636 

Versammlung,  allgemeine,  der  Deutschen 
Anthropologischen  Gesellschaft  in 
Greifswald  514,  748 

—  deutscher   Naturforscher    und   Arzte 

in  Breslau  292 

—  der  Niederlausitzer  Gesellschaft  zu 
Kottbus  4S7 

—  der  Wiener  Anthropologischen  Gesell- 
schaft in  Agram  456 

Verwallungsherlcht  für  das  Jahr  1904 
(Lissauer)  *867 

Vierkandt,  H.,   Schurtz,  Heinrich:    Völker- 
kunde fö-">l 

Vikinger  s.  Wikinger. 

Virehow,  Hans,  Zwei  Fundstücke  von  der 
Oldenburg  bei  Hedeby  *862 

—  sechs  Pliotos  von  Westgrönländern      *862 

—  Stand   der    Rudolf  Virchow  Stiftung 

für  das  Jahr  1904  *873 

Voiabular  der  Kogai  (Mathews)  *34 

Völkerkunde,   Heinrich    Schurtz    (H.  Vier- 
kandt) *531 
— .    Bedeutung    des   Phonographen    für 

die  (F.  v.  Luschan)  *177 

Vngflligiireii  aus  dem  Kaukasus  usw.  <i<i 

Volkskunde,    Verband    Deutscher  Vereine 

für  Volkskunde  658 

— ,   Zirkular    des    Hrn.   A.  Voss   an  die 

Museen  *748 

Volkslledt-r,  türkische,  aus  Nordsyrien  und 
die  Bedeutung  pornographischer  Auf- 
nahme für  die  Völkerkunde  *177 


Seite 

Volutermadeln  aus  dem  Kaukasus  usw.  53 

Vorgeschichte   des   Rechts,  Paul  Wilutzki 

(Max  Schmidt)  f530 

Vorstand  der  Gesellschaft  1 

—  der  Rudolf  Virchow-Stiftung  873 

Vorstandswahl  880 

Voss,    A.,    Zirkular    an    die    volkskund- 
lichen Museen  *748 
— ,    Hrn.    Oestens     Bericht     über    die 

Arbeiten  der  Rethra-Kommission  *758 

— ,    Eduard    Krause:   Vorgeschichtliche 
Fischereigeräte  und  neuere  Vergleichs- 
stücke.    Eine  vergleichende  Studie  als 
Beitrag  zur  Geschichte  des  Fischerei- 
wesens.   Mit  648  Abbildungen  f901 
— ,  Reise  746 
Vouga,  Emil,  Marin  f                                    867 
Vulkane,  tätige,  in  Afrika                               329 


W. 


Waffen  und  Werkzeuge  aus  dem  Kau- 
kasus usw.  73 
Wahl  des  Vorstandes  für  das  Jahr  1905  880 
Wahnschaffe,  Tertiär-Silex  *310 
— ,  Zur  Eolithenfrage  *484 
WalJejer,  Battaker-Schädel  *697 
— ,  Bericht  von  Hrn.  Klaatsch  *881 
— ,  Canalis  craniopharjngeus  vom  Men- 
schen, Gorilla  und  Chimpansen  882 
— ,  Konservierung  von  Leichenteilen  *675 
— ,  Os  tibiale  externum  (Pritzner)  *881 
— ,  Phonograph  und  Völkerkunde  *236 
— ,  Reise  nach  Amerika  746 
Waldindianer,  die  wilden  —  Santa  Catha- 

rinas:  die  „Schokleng"  (Bleyer)  *830 

Wallanlage  auf  dem  Nonnenhof  762 

Wandgemälde,  Maya aus  Yucatan  865 

Washington,  Geographenkongress  487 
Watussi,  Regierende  in  Ruanda  330 
Weercn,  Zu  den  altperuanischeu  Metall- 
geräten "765 
Wegeverhältnisse  bei  Hedeby  680 
Wflssmalerei  von  Keramik  641,  647 
Werktätigkeit,  die  —  der  Vorzeit,  Eduard 

Krause  (A.  Lissauer)  fS99 
Werner,   Hehlen,  H  :    Der  Pilug  und  das 
Pflügen  bei  den  Römern  und  in  Mittel- 
europa in  vorgeschichtlicher  Zeit  f900 
Westafrika,  Ethnologisches  (Plehn)  *713 

(Staudinger)  *725 

Westgolland,  Altertumsfunde  668 
Wien,     Versammlung    der    Anthropolog. 

Gesellschaft  in  Agram  und  Krapina  487 


—     1)1!)     — 


Seite 

Wikinger  in  Schleswig  678 

Schiff  von  Tönsberg  (Finn)  *G69 

,  das  —  bei  Tönsberg  (Gustafson)      670 

Wildgruben  der  Schokleng  837 

Wilke,  Archäologische  Parallelen  aus  dem 
Kaukasus     und    den    unteren    Donau- 
ländern *39 
— ,  Iwanowski,  A.  A.:  Über  die  anthro- 
pologische Zusammensetzung  der  Be- 
völkerung Russlands                               f704 
Wilser,   Ludwig:    Die  Germanen    (Ehren- 
reich)                                                          f70G 
Wilulzki,  Paul:  Vorgeschichte  des  Rechts 

(Max  Schmidt)  f5:',0 

Wohlmbcrg  bei  Gifhorn,  Feuersteinknollen 

(Andree)  *107 

Wohnstätten,  Totenbestattung  in  112 

Worms  a.  Rhein,    Schädel    der    Steinzeit 

und  der  frühen  Bronzezeit  (P.  Bartels)  *891 
— .     Skelette  aus  der  Gegend  von  136 

Wudd>awurru  -  Tribe,    Victoria,   Language 
of  the  (Mathews)  *729 


Seite 


X. 


\iiigu-lndianer,  Kunst  und  Ornamentik  der     B65 


V. 

Vukafan,    Studien  in  den  Ruinen  von  — 
(Ed.  Seier)  »321 

Z. 

Zähne,  rachitische  Veränderungen  der  — 
(Neumann)  *381, 

Zahnverstüinmelung  und  Lautwandel  (Cleve) 
Zauber  in  Kamerun 

Zauberglaube  bei  Todesfällen  der  Neger 
Zeitstellung  des  Grypotherium 
Zeltschrift  für  Ethnologie,  hohe  Kosten 
v.  Zittel,  München  f 
Zoolngenkongress,  VI.  internationaler 
Zuschuss  des  Unterrichtsministers 


"526 


»383 
156 
716 
723 

L27 

868 
105 
292 

657 


Eduard  Krause. 


Druck  Ton  Gebr.  Unger  in  Berlin,  Bernburper>tr.  SO. 


Zeitschr.  f.  Ethnologie.     Band  XXXVI. 


Taf.  1. 


Fig.! 


Fig.  2 


Fig.  3 


Fig.  1 


a.  b.  c.  d. 

Fig.  5 
Richard  Kandt:    Gewerbe  in  Ruanda.    (Abschnitt  „Köcherschnitz» 


Zeitschr.  f.  Ethnologie.    Band  XXX  I X 


laf.  IL 


Fig.  1 


Fig.  2 


Fig.  3 


Fig.  4 


Fig.  5 
Richard  Kan.lt.    Gewerbe  in  Ruanda.    (Abschnitt  „Hilchgefäss 


Zettschr.  f.  Ethnologie.     Band  A'.YA  17 


Taf.  111 


Fig.  1 


Fi- 


Richard  Kaiult :    Gewerbe  in  Ruanda.     (Abschnitt  -Bootsbau-.' 


/jit sehr.  f.  Ethnologie.     Band  XXXVI. 


Taf.  I  V. 


Fig.  1 


F 

g.  2 

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Fig. 


Fig.  I 


Fig. .') 


*•*»     .«...V  >.>*•;, 


Richard  Kandt:    Gewerbe  in  Ruanda.    (Abschnitt  „Töpferei".) 


Zeitschrift  für  Ethnologie.     Band  XXXVI. 


Inf.    V. 


Dempwolff:    Über  aussterbende  Völker 
Typen  junger  männlicher  Eingeborener  von  Wuwulo  (Maty- Insel). 


Zeitschrift  für  Ethnologie.     Band  XXXVI. 


Taf.  VI. 


X 

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A-str;rtS3lello  dos  Hauptarms  der   Uadi|*-n,  Loc    XXIX 


Lakustrc  Aidagenuigea  des  Altclilmiuins  in  <lrr  l  Bgcgead   »ob  Tlu-Iicii. 
<i.  Schweinfurth:    Steinzeitlichc  Forschungen  in  OberSgyptcn. 


DEUTSCHES   REICH 


Flach -und  Randäxte  aus  Bronze 

Zeichenerklärung  der  Typen. 


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