ZEITSCHRIFT
1/1 n»
ETHNOLOGIE.
Organ der Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Sechsunddreissigster Jahrgang.
1904.
Mii » ; Tafeln und : ; Kartenbeilageti.
BERLIN.
Verlag von A. As her & Co.
1904.
Für den Inhalt der Abhandlungen und Vorträge
sind die Autoreu allein verantwortlich.
THE GLIi/ CENTER
I IRDADV
( hronolo^isclies Inhaltsverzeichnis
der einzelnen Hefte.
Heft I.
Seite
Verzeichnis des Vorstandes, des Ausschusses und der Ehrenmitglieder S. 1. — der
korrespondierenden Mitglieder S. 2. — der ordentlichen Mitglieder (einschliesslich
der immerwährenden) 5
l'bersicht der durch Tausch, Ankauf oder als Geschenk zugehenden periodischen
Veröffentlichungen U
1. Abhandlungen und Vorträge.
I. K. H. Mathews: Langnage, Organization and Initiation Ceremonies of the Kogai
Tribes, Queensland 28
2 Wilke- Grimma: Archäologische Parallelen aus dem Kaukasus und den unteren
Donauländern (120 Textabb.) ^
II. Verhandlungen.
Sitzung uim '.). Januar 190-1. Begrüssung der Mitglieder durch den Vorsitzenden
S. KG. — J o 1 1 y und Zittel t S. 105. — Dankschreiben Seiner Excellenz des Herrn
Generaldirektor Dr. Schöne S. 1U5. — SOjähriges Doktorjubiläum des Herrn Professor
Dr. Möbius S. 105. — Tu Gebnrtstag des Herrn Dr. Strebel S. 105. — Neuwahl des
Ausschusses S. 106. — Neu«' Mitglieder S. 106.— Einladung zum Geographenkongress in
Neapel S. 106. — Ernennung des Herrn Waldeyer zum auswärtigen Mitgliede der Societe
I ■ Biologie in Paris und zum Elirenmitgliede der Universität Jurjew S. 106. — Anerkennung
des Herrn W. v. Landau seitens der Hohen Pforte S. 106. — Begrüssung der Gäste
S. 106. -■ Der Bronzesichelfund von Oberthau, Kr. Mersebung, H. Schmidt S. loG. —
Brettchenweberei in Karthago (2 Tcxtabb.) W. Liidtke S. loti — Ausgrabungen in Sieben-
bürgen, E. Lemke S. L07. — Feuersteinknollen vom Wohlenberge, K. Audree S. 1<»7. —
Ein eigentümliches Hügelgrab aus der Bronzezeit (1 Textabi'. ). Kofier S. 108. — Monolith-
gräber 5 Tcxtabb. \ A. Götze S. 112.— Böschungsmesser 1 Textahb.), A. Gölze S. 115.
— Brettchenweberei im Altertum, A. Götze S. 117. — Fossile Knochen aus der Heinrichs-
höhle bei Sundwig, 11. Klaatscb S. 117. -■ Di«1 Bedeutung der Funde in der Grvpo-
theriumhöhle bei Ultima Esperanza in anthropologischer Beziehung, Hauthal S. 11 1.
K. von den Steinen, Hauthal, Hätschle, Neuniann, Klaatscli, K. von den Steinen,
llnutbal S. 128.
Sitzung vom 20. Februar 1904* v. Djfalvy, F. Ascherson, Kosenthal r
s. 185. — Ernennung der Herren Beinach, Koganei und Tsuboi zu korrespon-
dierenden Mitgliedern S. 135. — Neue Mitglieder S. 185. — Dankschreiben von Strebel
und von der archäologischen Sektion des Museums in Prag S. 135. -* Jubiläum des
Coppemikus- Vereins in Thorn s. 136. Versammlung der Folkloristen In Leinaig. —
II. Internationaler Kongress für Allgemeine Roligionsgeschichte in Basel. — Betro-
jpektive Ausstellung über das Transportwesen iu Mailand S. 136 — Forschungsreise des
Herrn Klaatscli nach Australien und des Herrn llul>«Tt Schmidt nach Russisch Turkestan
— IV —
g i.;i; — Wahl des Herrn v. Kaufmann zum Obmann des Ausschusses S. 136. — Dank
der Gesellschaft ar. die Kgl. Generalverwaltung für die Aufstellung eines neuen Bibliothek-
Sclirankes S. 136. — Dank an Herrn Koehl in Worms für die Übersendung zweier Skeletc
S. 13G. — Mongolenflecke bei Indianern, Herrmann S. Ü'>7. — Aufbewahrung der Nephrit-
platte zu Leiden in Rijks Ethnographisch Museum, Schmeltz S. 1:17. — Prähistorische
Brettchenweberei in Russland (l Textabb.), Schnippe! S. 137. — Die Lage der Ahaus bei den
Mayas, Förstemaun S. 138. — Zur Nepliritfrage, 0. Schoetensack S. 141. — Keramik
der makedonischen Tumuli bei Saloniki und Troja-Mykene-Ungarn, Hubert Schmidt
g( i (.;. _ Some Initiation Ceremonies of the Aborigines of Victoria, Mathews S. 143. —
Ausgrabungen von Hügelgräbern bei Seigenau, Zedliu und Rowen, Götze S. 14.'j. — Prä-
historische Funde im Kreise Beeskow-Storkow, Donmick S. 143. — Ethnologische Objekte
ans Japan, F. W. K. Müller S. 144. — Die spätneolithischen Ansiedelungen mit bemalter
Keramik am oberen Laufe des Altilusses, Hubert Schmidt S. 145. — Über Steinkisten,
Tepetlocalli mit Opferdarstellungen, E. Seier S. 146. — Über den Einfluss der Rachitis
auf die Schädelform, v. Hausemann S. 14G. — Über ein Os praebasioccipitale an einem
Chinesenschädel (2 Textabb.), Paul Bartels S. 147. — Untersuchungen über baltischen Bern-
stein (Succinit) und andere fossile bernsteinähnliche Harze, 0. Olshausen und F. Rathgen
S. i.-,:;. _ Tränkung von Gipsabgüssen zur Konservierung, F. Rathgen und R. Borr-
iiiann S. L63.
III. Literarische Besprechungen.
Ho ein es, Moritz, Der diluviale Mensch in Europa, Braunschweig 1903 S. 1(56. —
KHz, Martin, Beiträge zur Kenntnis der Quartärzeit in Mähren, Steinitz 19U3 S. 168. —
Stratz, C. H., Der Körper des Kindes, Stuttgart 1903 S. 170. — Bellucci, Giuseppe,
La grandine nelP ümbria, Perugia 1903 S. 171. — Maass, A., Quer durch Sumatra,
Berlin 1904 S. 171.
IV. Eingänge für die Bibliothek S. 172
Heft II.
I. Abhandlungen und Vorträge. _
1. F. von Luschau: Einige türkische Volkslieder aus Nordsyrien und die Bedeutung
phonographischer Aufnahmen für die Völkerkunde 177
l'. 0. Abraham und E. von Hornbostel: Phonographierte türkische Melodien . . 20:'>
:•». 0. Abraham und E. von Hornbostel: Über die Bedeutung des Phonographen
für vergleichende Musikwissenschaft 222
I. H. Hess von Wichdorff: Spuren ehemaliger Eisenerzgewinnung und alter Eisen-
schmelzhütten im Kreise Naugard i. Pommern (2 Textabb.) 237
5. !•:. Seier: Über Steinkisten, Tepetlicalli, mit Opferdarstellungen und andere
äbnlichc Monumente (54 Textabb.) 244
II. Verhandlungen.
Sitzung vom 19. März 1904. Siebzigster Geburtstag des Herrn Kollmann S. 291.
— Dankschreiben des Herrn Salomon Reinach S. 291. — Neue Mitglieder S. 291. —
bureige des Herrn Kiessling nach Griechenland S. 291 . — Begrüssung der Gäste S. 291.
— Einladung zum VI. Internationalen Zoologenkongress in Bern und zur 76. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Ärzte in Breslau S 292. — Mitteilung über die Gründung
eines Bundes „Hehnatschutz'' S. 292. — Bildung einer Rethra-Kommission S. 292. —
Aufdeckung einex alten Nekropole in Baku. Rösler S. 292. — Mitteilung über die
Forschungsrei - d< Herrn Theodor Koch in Südamerika, K. v. d. Steinen S. 293. —
Dir Sammlung der „Tertiär-SUex- des Herrn Klaatsch, Lissauer, Keilhack, Hahne,
Wali n schaffe. Jentzgch, Branco, Noetling 8. 299. — Beobachtungen an Kiescl-
iiianutakt.n in Igypten, \. Luschan S 317. Studien in den Ruinen voii Yukatau,
Seier B. 321.
— V —
III. Literarische Besprechungen.
Etapport der Commi.ssic van Advies betreffende "s Rijks Ethnographisch Museum.
Leiden 1903 S. 322. — Hellwig, A., Das ABylrecht der Naturvölker I. Berlin 1903
8. 323. — Nictzold, J., Die Ehe in Ägypten zur ptoleuiäisch-römischen Zeit, nach den
griechischen Heiratekontrakten und verwandten Urkunden. Leipzig 1903 8. 324.
Chalikiopoulos, L., Sitia, die Osthalbinsel Kretas. Berlin L903 8.326. — Preyer, A..
Indo-nialayisclie Streifzüge. Leipzig 1903 S. 326.
IV. Eingänge für die Bibliothek S. 327
Heft III und IV.
I. Abhandlungen und Vorträge.
1. Richard Kandt: Gewerbe in Ruanda (98 Textabb. und Tafel I-IV) 329
2. I). von Hansemann: Über die rachitischen Veränderungen des Schädels
(5 Textabb.) 373
3. Ueinpwolff: Über aussterbende Völker (8 Textabb. und Tafel V) 384
I. Hubert Schmidt: Der Bronzesichelfund von Oberthau, Kr. Merseburg
(34 Textabb.) U6
II. Verhandlungen.
Sitzung vom 23. April 1904. Pudil, Petermanu, Belli f S. 453. — 70. Ge-
burtstag des Frl. Prof. Mestorf S. 453. — Krankheit des Herrn Bartels S. 45:). — Brief
des Herrn Lis sauer aus Mentone S. 45o. — Brief des Herrn Roesler aus Titlis S. 155.
— Nachrichten über Herrn Bastian aus Jamaica S. 456. — Programm über die Ver-
sammlung der Wiener Anthropologischen Gesellschaft in Agram S. 156. — Gäste S. 456. —
Zahnverstümmelungen und ihre Bedeutung für den Lautwandel, Über die Frauensprache.
Die Dorsalen des Sango, Cleve S. 456. — Einige wesentliche Fortschritte in der Technik
der physischen Anthropologie, v. Luschan S. -t»'>5. — Nachrichten über die Kayabi-
Indianer (3 Textabb.). Max Schmidt S. 466. — Handwerkszeug eines tunesischen
Tätowierers (6 Textabb.), Traeger, Mielke S. 169. — Über einen Ausflug nach
Dr. Hahnes diluvialen Fundstätten bei Schönebeck a. E , Olsbausen S. 477. Hahne,
»'ahnschaffe. Krause, Farreau, Götze. Hahne S. 482. — Ethnologisches und Archäo-
logisches aus dem westlichen Persien, Oskar Mann S. 486.
Sitzung vom 14. Mai 1904. Gemellaro, His, Stanley f S. 487. — Wahl der
Herren Capitan und Manouvrier zu korrespondierenden Mitgliedern 8.4^7. — Wahl
des Herrn Maass zum Mitglied der Bibliotheks-Kommission S. 4S7. — Einladung zur
20. Hauptversammlung der Niederlausitzer Gesellschaft in Kottbus, zu dem 8. Internationalen
Geographenkongress in Washington und zu der Exkursion der Wiener Anthropologischen
Gesellschaft nach Agram und Krapina S. 487. — Brief von Herrn Bartels aus Sestri
Levante und von Herrn Klaatsch aus Brisbane S. 487. — Anfertigung einer Gedenktafel
für Schliemann in Fürstenberg in Mecklenburg S. 4S8. — Über neu gefundene chal-
dische Inschriften, ('. F. Lehmann S. 488. — Ein pfriemartiges Knochenstück aus der
Oborniker Kiesgrube, F. v. Chl&pOWSki S. 490. — Beobachtungen in Kamerun. A. Plelm
8. 190. — Ableitung amerikanischer Geflechtmuster aus der Technik des Flechtens
40 Textabb.), Max Schmidt S. 49o. K. v. d. Steinen S. 512.
Sitzung vom 18. Juni 1904. Dankschreiben der Herren Capitan und .Manouvrier
S.513. — 70. Geburtstag des Herrn P. As« herson und 60j&hriges Doktorjubiläum des
Herrn Förstemann S.513. — Begrüssung der Herren Schweinfurth und Boas S. 514-
— Einladung zu der 35. allgemeinen Versammlung der Deutschen anthropologischen Ge-
sellschaft in Greifswald und zu dem 14. Internationalen Amerikanistenkongress in Stuttgart
8. 51 I. — Exkursion nach Fürstenberg in Mecklenburg, Enthüllung und Übergabe der
Gedenktafel für Schliemann 8.511. — Ägyptische Knallpeitsche .Fergille" (l Textabb.'.
— VI —
G. Sohweinfurth S. 517. — Steinskulpturen von der Insel Java (5 Textabb.), Stornier
S. 519. — Knochen aus der Oborniker Kiesgrube. E. Krause. Strauch S. 524. — Studien
in den Ruinen von Yucatan, Seier S. 526.
III. Literarische Besprechungen.
Schumann, H.. Die Steinzeitgräber drr Uckermark. Prenzlau 1904 S. 527. —
Moiitelius, 0., Die ältesten Kulturperioden im Orient und in Europa. I. Stockholm und
Berlin 1903 S. 528. — Schellhas. P., Die Göttergestalteu der Mayahandschriften. Berlin
190-1 S. 528. — Frobenins, L, Geographische Kulturkunde. Leipzig 1904 S. 529. —
Rawitz. D. B.. Urgeschichte, Geschichte und Politik. Berlin 1903 S. 530. — Wilutzki, P.,
Vorgeschichte des Rechts II und III. Berlin 190.! S. 5oU. — Krauss, F. S., Die Anmut
des Frauenleibes. Leipzig 1904 S. 531. — Schnitz, H., Völkerkunde. Leipzig und
Wien 1903 S. 531.
IV. Eingänge für die Bibliothek S. 532
Heft Y.
I. Abhandlungen und Vorträge. geite
1. A. Lissauer: Erster Bericht der von der Deutschen anthropologischen Gesellschaft
gewählten Kommission für prähistorische Typenkarten. (62 Textfiguren und
3 Kartenbeilagen) 5;>7
■J. Hubert Schmidt: Troja-Mykene-Ungarn. (34 Textfiguren) 608
II. Verhandlungen.
Sitzung vom 10. Juli 1904. Nicoluc ci, Hilgendorf f S. G57. — Neue Mit-
glieder S. (157. — Wahl des Herrn Waldeyer zum Mitgliede der Akademie der Wissen-
schaften in Paris und des Herrn Robert Koch zum Mitgliede der Akademie der Wissen-
schaften in Berlin S. 657. — Wahl der Herren Traeger und Ehrenreich als Delegierte
der Gesellschaft zum Amerikanisten-Kongress in Stuttgart S. <>57. — Bewilligung der
Heihilfe durch den Herrn Unterrichts-Minister für das laufende Rechnungsjahr S. 657. —
Beitritt zum Verband deutscher Vereine für Volkskunde S. 658. — Gäste S. 658. — Reise
des Herrn Kiessling in Griechenland S. 658. — Liegen die Tonalamatl der Maya-
handschriften in bestimmten Jahren? Försteuiann S. 659. — Neuere Ausgrabungen in
Skandinavien, Finu S. 668. — Das Schiff von Torsberg, Gustaf'son S. <>70. — Eine
Methode farbiger Konservierung frischer Leichenteile für die Zwecke der somatischen
Anthropologie, C. Strauch S. 671, Waldeyer S. <i75. — Danewerk und Hedeby (2 Karten-
skizzen im Text), Meissner S. r>75. — Reise von Peking nach Rangoon durch China und
Chinesisch-Tibet, Assmy S. G97. — Schädel eines Battakers, Waldeyer S. 697.
Ausserordentliche Sitzung vom 23. Juli 1904 in Zehlendorf. Die Neuerwerbungen
der chinesisch-japanischen Sammlung des Herrn A. Fischer, Fischer S. 698.
111. Literarische Besprechungen.
Stratz, C. H, Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwicklung. ."!. Auflage
Stuttgart 1904 S. 700. — van der Bürgt. .1. M. M., Dictionnaire Francais -Kirundi.
Bois-Le-Duc 1903 S. 7n.;. — Iwanowski. A. A., Über die anthropologische Zusammen-
setzung der Bevölkerung Russlands. Moskau 1904 S. 704. — Wilser, Ludwig. Die
Germanen. Eisenach und Leipzig 1904 S. 706. Haack, Hermann, Geographenkalender.
j. Jahr-. 1904 05. Gotha L904 S. 708.
IV. Eingänge für die Bibliothek S. 709
— VII
Heft VI.
I. Abhandlungen und Vorträge. Seitt.
1. A. Plehn: Beobachtungen in Kamerun. Über die Anschauungen and Gebräuche
einiger Negerstämme (4 Textabb.) 713
2. It. II. Mathews: Language of the Wuddyäwürrn Tribe, Victoria 729
3. Carl .Meinhof: CJber M. Merkers „Masai" 735
II. Verhandlungen.
Sitzung- vom 22. Oktober 1904. M. Bartels, Philippi, A. Nehring, v. Martens,
Abraham, Härche, Meyer Cohn, Robel, Drory, Ratzel, Sixt, F. Plehn f 8.745.
Dankschreiben von Koganei in Tokyo S. 717. — Verleihung der goldenen .Medaille
für Kunst und Wissenschaft an Fräulein Mestorf S. 747. — Neue Mitglieder S. 747. —
Reise dos Hrn. von Le Co<j nach Chinesisch-Turkestan 8. 718. — Wahl der Herren
Lissauer und Kiessling als Delegierte für den Internationalen archäologischen Kongress
in Athen S. 748, — Brettchenweberei, Handtmaun 8. 748. — Tätowieren in Nordafrika.
A. vau Geunep S. 719. — Eolithen von Biere, Brecht 8. 7.">o. — Gräber in Tburow bei
Züssow (4 Textabb.) Peroice S. 752. - Fälschung einer Statuette, Bobriusky S. 758. —
Bericht der Rethra-Kommission (4 Textabb. ) Voss, Oesten S. 758. - Nachtrag über
chaldiscbe Inschriften, C. F. Lehmann S. 765. — Beitrag zur Vorgeschichte des Picenum,
S. Baglioni S. 7(55. — Altpenianische Metallgeräte, Baessler, Weeren S. 765. — Peru-
anische Mumien, Untersuchungen mit X-Strahlen. Baessler S. 7i',;>. - Steinzeitliche
Forschungen in Oberägypten (49 Textabb. und Tafel VI), Schweinfurth S. 766. Lissauer.
Hahne. Jäkel, E. Krause, Favreau S. 825. — Vorlage eines Berichtes über die Schokleng,
K. v. (1. Steinen S. 830. — Über die wilden Waldindianer Santa Catharinas: die Schokleng
(1 Textabb.), Bleyer S. 830. - Schädel eines Schokleng und eines Bugre aus Santa
Catharina, Brasilien (mit 5 Textabb.), Lissauer S. 844. Ehrenreicb S. 852.
Sitzung vom 19. November 1904. Wahl des Hrn. Neuhauss zum Schriftführer
S. 853. — Gruss des Hrn. Traeger aus Kroatien und Serbien S. 853. — Gattel, Ideler,
Stübel r 8. 853. — Neue Mitglieder S. 853. — 60jähriges Stiftungsfest der Prussia S. 853.
- Begriissung der Gäste S. 85:!. — Altpatagonische, angeblich syphilitische Knochen aus
dem Museum zu LaPlata ."»Textabb.), Lehmann- Nitsche S. 854. v. Hausemauu S. 859.
— Zwei Fundstücke aus der Oldenburg bei Hedehy, H. Virchow S. 862. — Sechs Photos
von Westgrönländern, II. Virchow S. 862. — Bericht über den 14. Amerikanistenkongress
in Stuttgart, Ehrenreicb 8. *&2. — Kulturkreise und Kulturschichten in Ozeanien und
Afrika, Graelmer und Ankermann 8. 866.
Sitzung vom 17. Dezember 1904. R. Langerhans, J. Lange, filieck, Vougat
S. 867. — Neue Mitglieder für 1904 S. 867. — Verwaltungsbericht für das Jahr VMH,
Lissauer S. 867. — Rechnungsbericht für das Jahr 1904, Sökeland S. 871. — Bericht
über den Stand der Rudolf Virchow- Stiftung für das Jahr 1904, H. Virchow S. 87.".. —
Wahl des Vorstandes für das Jahr 1905 S.880. - Neue Mitglieder für 1905 S. 880. —
Brief des Hrn. Kiessling aus Arta S.880. — Einladung zum Internationalen Anthro-
pologenkongress in Monaco im Jahre 19<>6 S. 881. — Bericht von Hrn. Klaatsch,
Waldeycr S.881. — Oa tibiale ezternum l'titzner. Waldeycr S. 881. — Canalis cranio-
pharyngeus, Waldeyer 8. 882. — Sammlung Boggiani von [ndianertypen aus dem zentralen
Südamerika, Lehmann-Nitsche 8. 882. - Der Götze'sche Böschungsmesser [3 Textabb. \
Bellmlcb S. 885. Götze S. 890. — Nachtrag zu „Troja-Mykene-Ungarn", Hubert Schmidt
8. 890. — Ober Schädel der Steinzeil und der frühen Bronzezeit aus der Umgegend von
Worms a. Rh. (6 Textabb.), P. Harteis S. 891 — Beitrage zur vorgeschichtlichen
Metallurgie, Götze 8. 897.
III. Literarische Besprechungen.
Matiegka, Heinrich. (Jber Schädel und Skelette von Santa Rosa i Santa Barbara-
Archipel bei Kalifornien). Prag 1904 S. 8! S Krause. Eduard, Die Werktätigkeit
— VIII —
der Vorzeit. Berlin 1904 S. 899. — Behlen, H., Der Pflug und das Pflügen bei den
Eömern und in Mitteleuropa in vorgeschichtlicher Zeit. Dillenburg 1904 S. 900. —
Krause, Eduard, Vorgeschichtliche Fischereigerate und neuere Vergleichsstücke. Berlin
1904 S.901.
IV. Eingänge für die Bibliothek S. 902
Berichtigung S. 904
Alphabetisches Inhaltsverzeichnis S. 905
Verzeichnis der Tafeln und Kartenbeila^en.
Tafel I— IV. Gewerbe iu Ruanda S. 329—372.
V. Typen junger männlicher Eingeborener von Wuwulo (Maty-Insel) S. 384—41").
VI. Austrittsstelle des Hauptarmes der Uadije'n und Lakustre Ablagerungen des
Altdiluviums in der Umgegend von Theben S. 814—825.
Kartenbeilage 1 — 3. Typunkarten der Flach- und Randäxte, der Ruder- und Scheiben-
nadeln und der Radnadeln S. 537 — 6<)7.
Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
l'.mi.
Vorstand, 1. Januar 1904.
Dr. W. Waldeyer, Professor, Geh. Med.-Rat, Vorsitzender.
Dr. A. Lissauer, Sanitätsrat, | Dr. A.Voss, Geh. Regierungsrat, Direktor
Professor. I s< "iu,l't,'eter der vaterländischen Abteilung des
Dr. K. von den Steinen, I Vorsitzenden Königl. Museums für Völkerkunde,
Professor. J Schriftführer.
Dr. M. Bartels, Geh. Sanitätsrat, Professor, Hermann Sökeland. Fabrikant, Schatz-
Schriftführer, meister.
Dr. phil. Paul Traeger, Schriftführer.
Ausschuss, 9. Januar 1904.
Dr. jur. v. Kaufmann, Geh. Regierungsrat, Professor, Obmann.
Dr. phil. A. Bässler, Geh. Hofrat, Professor.
Di-, med. et phil. P. Ehrenreich, Privatdozent.
Dr. med. et phil. F. v. Luschan. Professor.
Dr. jur. G. Minden, Syndikus.
E. Friedel. Geh. Regierungsrat, Stadtrat. P. Staudinger.
Dr. F. W. K. Müller, Direktorial-Assistent
am Königl. Museum für Völkerkunde.
Dr. med. C. Strauch. Privatdozent.
Organ der Gesellschaft: Zeitschrift für Ethnologie.
Redaktions-Kommission: Lissauer. K. von den Steinen und Voss.
Anthropologische Kommission: Lissauer, v. Luschan und C. Strauch.
Bibliotheks-Kommission: Lissauer und Traeger.
Kustos der Photographien-Samndung: Bartels.
Ehrenmitglieder, 1. Januar 1904.
1. Frau Grälin Uwarow, Präsident der Kaiserlieh Russischen Archäologischen
Gesellschaft, Moskau, erwählt den 21. Dezember L889.
2. Fräulein Johanna Mestorf, Professor und Direktor des Museums vaterländischer
Altertümer in Kiel, erwählt den 18. Juli 1891.
3. Ministerialrat, Freiherr Ferdinand v. Andrian-Werburg, Präsident der Wiener
anthropologischen Gesellschaft, Aussee. Steiermark, erwählt den 14. Juli 1894.
4. Prof. Di-. Johannes Ranke, erster Vorsitzender der Münchener Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, General -Sekretär der
Deutschen anthropolog. Gesellsehali. München, erwählt den 8. März li
5. Prof. Dr. Rudolf A. Philippi. Santjago, Chile, erwählt den 17. März 1900.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. 1
Korrespondierende Mitglieder,
mit Angabe des Jahres der Ernennung.
1. Anutschin, D.. Dr., Professor, 1889 119.
Präsident der Kaiserl. Gesell-
schaft der Freunde der Natur- 20.
Wissenschaften, der Anthropo-
logie und Ethnographie, Mos-
kau. 21.
2. Aspelin, J. R., Dr., Staatsarchae- 1874
olog, Helsingfors, Pinnland.
3. Barnabei, Professore, Rom. 1894 22.
4. Baye, Baron Joseph de, Chateau 1890
Baye, Depart. Marne, Frank- 23.
reich.
5. Beddoe, John, M. D., F. R. S. 1871
The Chantry, Bradford-on-Avon
(Wilts) England. | 24.
6. Beliucci, Giuseppe, Prof., Dr.,
Perugia.
7. Blumentritt, Ferdinand, Prof.,
Leitmeritz, Böhmen.
8. Boas, Franz, Dr. phil., Prof.,
New -York.
9. Bonaparte, Roland, Prinz, Paris.
10. Brigham, William, T., A. M.,
A. A. S., Director of the Bernice
Pauahi Bishop Museum of Poly-
nesian Ethnology and Natural
History, Honolulu, Hawaiian
Islands.
11. Brizio, E., Professor, Director
des Museo civico, Bologna.
12. Burgess, J., L. L. D., C. I E.,
Director Gen. oftheArchaeolog.
Survey of India, Edinburgh.
13. Calvert, Frank, Amer. Konsul,
Dardanellen, Kleinasien.
14. Capellini. G. , Prof., Senator.
Bologna.
lö. Capistrano de Abreu, Dr. Joäo,
Rio de Janeiro.
16. Cartailhac, F.. Toulouse.
17. Castelfranco, Pompeo, R. Ispet-
torc dcgli Scavi e Monumenti
di Antichitä, Mailand.
18. Chantre, Erncst, Professor, Sub- 1881
direktor desMuseums für Natur-
geschichte, Lyon. 37.
1881
1900
25
1899
1885
2G
1898
27
28
29
30
1891
31
1887
32
33
1875
1871
34
1895
35
1881
1883
3G.
Costa, Pereira da, Dr., Prof., 1872
Lissabon.
Dawkins, W. Boyd, Professor. 1877
M. A., F. R. S., Woodhurst,
Jallowfleld, Manchester.
Delgado, Joaquim Filippe Nery, 1881
Chef der Geologisch. Landes-
aufnahme, Lissabon.
Delorme, D. Ancien Ministre 1897
d'Haiti, Brüssel.
Dörpfeld, Wilh., Professor, Dr., 1903
erster Sekretär des Kaiserlich
Deutschen Archäologischen In-
stituts, Athen.
Dupont, Ed., Direktor des Kgl. 1871
naturgeschichtlichen Museums,
Brüssel.
Evans, Sir John, D. C. L., L. L. 1874
D., F. R., S., Pres. Num. Society
London, Nash Mills, Hemel
Hempsted, England.
Fewkes, J. Walter, Washington. 1900
Flex, Oscar. Missionär, Karls- 1873
ruhe.
Garson, J. G., M. D., London. 1889
Gemellaro. Direktor des paläont. 1883
Museums, Palermo.
Gerlach, Dr. med., Hongkong. 1880
Gross, V., Dr. med., Neuveville, 1880
Schweiz.
Guimet, Emile, Lyon. 1882
Haddon, A. C., Sc. D., F. R. S. 1903
President of the Anthropolog.
Institute of Great Britain and
Ireland, Cambridge.
Hamdy Bey, Direktor d. Grossh. 1894
Ottomanischen Museums, Kon-
stantinopel.
Hampel, Josef, Professor, Dr., 1884
Kustos am National -Museum,
Budapest.
Hamy, Einest, Dr., Professeur 1882
d' Anthropologie au Museum
d'hist. naturelle, Membre de
l'Institut, Paris.
Hausmann, Professor, Dorpat. 1896
38
10,
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
4 I.
50.
51.
53.
54.
DO.
."'..
w.
Heger. Franz. K. und K. Regie- 1893 5!»
rungsrat, Leiter der Anthropo-
logisch i-E&hnogra phischen Ab-
teilung am K. K. Naturhistor.
Hofmuseum, Wien. 60.
Heierli, J., Dr. hon. <•.. Privat- 1890
Docent, Zürich.
Heibig, Wolfgang, Dr.. Professor, 188:; 61.
Rom.
Herrmann. Anton. Dr. phil.. 1889
Professor, Budapest. 62.
Hildebrand, Hans, Dr.. Reichs- 1872
antiquar, Stockholm.
Hirth, Fr.. Dr., Professor, New- 1886
York.
Holmes,\Villiamll.,HeadCurator 1903 63.
ofthe Unit. States National Mu-
seum, OhiefBureauof American
Ethnology, Washington. D. C. G4.
Hörmann. Konstantin. Holrat, 1894
Direktor des Landes-Museums, 65.
Sarajevo, Bosnien.
Hörnes. Moriz, Dr. phil., Prof.,
Wien.
Houtum-Schindler. A.. General,
Teheran.
Jacques. Victor. Dr..Seeretairede
la Societe d'Anthrop., Brüssel.
Jhering. Hermann von. Dr..
Director do Museo zoologico,
Säo Paulo. Brasilien.
Kate. H. ten, Dr., Batavia, Java.
Kern, H., Prof. Dr. phil., Leiden.
Kollmann, J.,Dr.med., Pro f., Basel.
Lacerda. Dr.. Professor, Direktor
des National-Museiinis, Rio de
•Janeiro.
Lortet. l.dii is. Prof. Dr., Direktor 1883 70.
des naturhistorischen Museums,
Lyon.
Lubbock. Sir John, Bart., M. P., 187] 71.
High Firns. Farnborough. Kent.
England.
Macalister. Prof. der Anatomie. 1893
Cambridge, England. 72.
Makowsky. Alexander. Dr. phil.. 1897
Professor, Brunn, Mähren. 73.
Man. Edward Horace, früher 1885
\.wi sunt Superintendent. Kings-
ton upoii Thames, Surrey, Eng- 74.
land.
1894
66.
67.
1878
1889
68.
1886
69.
1886
1898
1887
1889
Mantegazza, Paolo, Prof., Di- 1871
rector des National -Museums
für Anthropologie, Senator.
Florenz.
Marchesetti, Carlo de, Dr.. Dir. 1887
des naturhistoi im heu Museums,
Triest.
Martin, F. R., Dr. phil., Assistent 1898
am archäologisch -historischen
Staatsmuseuni, Stockholm.
Mason, Otis T., A. M., Ph. D., 1895
Curator of the Department of
Ethnology in the United States
Nat. Mus., Smiths. Institution,
Washington, D. C.
Mc Gee, W. J., Dr , President 1903
of the American Anthropol.
Association, Washington. D. C.
Montelius, Oscar. Dr. phil., Prof.. 1872
Stockholm.
Moreno. Don Francisco, Director 187*
desNational-Museums, La Plata.
Morgan, J. de, z. Z. in Persien. 1897
Morse, Edw. S., Professor Dr.. 1889
Director der Peabody Academv
of Science, Salem, Mass.
Morselli, Enrico, Dr. med.. Pro- 1881
fessor, Direttore della Clinica
Psichiatrica della R. Universitä.
Genua.
Much. Matthäus. Dr. jur.. Re- 1894
gierungsrat, Mitglied und Kon-
servator der K. K. Central-
Kommission zur Erforschung
und Erhaltung der Kunst- und
historischen Denk male. Hietzing
bei Wien.
Müller. Sophus, Dr.. Direktor L882
des Xational-Museums, Kopen-
hagen.
Munro. Hoheit. M. A.. M. D.. 1897
F. R.. S. E . Secretary of the
Society of Antiquaries of Scot-
land, Edinburgh.
Nicolucci. Giustiniano, Prof.. 1871
Dr.. [sola di Sor.i. Neapel.
Noetling. Dr. phil.. Palaeonto- 1894
lo^ist of the Geological Surrey
of India. Caleutta.
Orsi. Paolo, Dr.. K. [spettore 1888
degli seavi. Svracus.
— 4
75. Penafiel. Antonio, Dr., Prof.,
Mexico.
76. Petrie,W. M. Plinders, M.C.L.,
L. L. D., Edwards-Professor of
Egyptology in the University
College, London.
77. Pigorini, Luigi, Prof., Direktor
des prähistorisch-ethnographi-
schen Museums, Rom.
78. Pisko, Leiter des K. und K.
österr.-ungar. General-Konsu-
lates in Shanghai (China).
79. Prosdocimi , Alessandro, Cav.,
Professor, Dr., Este, Italien.
80. Putnam, F. W., Professor, Cu-
rator of the Peabody Museum,
Harvard University , Cam-
bridge, Mass.
81. Radioff, W.. Dr., Akademiker,
St. Petersburg.
82. Retzius, Gustaf, Dr.. Professor,
Stockholm.
83. Riedel, J. Gerard Friedr.,Nieder-
ländischer Resident, Haag.
84. Risley, H. H., President Asiatic
Soc. of Bcngal, Calcutta.
85. Rivett-Carnac, J. H., Colonel,
Aide de Camp of His Majesty
the King, Schloss Wildeck,
Aargau, Schweiz.
86. Salinas, Antonio, Professor,
Direktor d. National-Museums,
Palermo.
87. Schmeltz, .1. D. E., Dr. phil,
Direktor des Ethnographisch
Rijksmuseum, Leiden.
88. Schulze, L. F. M., Kapitän a. D.,
Batavia, Java.
89. Sergi, Giuseppe, Professor Dr.,
Direktor d. anthrop. Museums,
Rom.
90. Stieda, Ludw.. Geh. Medizinal-
rat, Professor Dr.. Königs-
berg i. Pr.
91. Stolpe. Iljalmar. Dr. phil.,
Direktordes ethnographischen
Reichsmuseums, Stockholm.
9-2. Studer. Theophil, Dr.. Prof.
Bern.
1891 93. Stuers, Jonkheer Victor de, 1900
Meester, Referendaris Chef
1897 . der Afdeeling Künsten en
Wetenschapen aan het De-
partement van Binnenlandsche
Zaken, Haag.
1871 94. Szombathy, Josef, Kustos am 1894
K.K. naturhistor. Hofmuseum,
"Wien.
1895 95. Tarenetzky, Dr., Prof., Präsident 1899
der Anthropolog. Gesellschaft
der Kaiserl. Militär-Akademie,
St. Petersburg.
96. Topinard. Paul, Dr., Professor. 1879
Paris.
97. Troll, Joseph, Dr., Wien. 1890
98. Truhelka, Ciro, Kustos am 1894
Bosnisch - Hercegowinischen
1884 Landes - Museum, Sarajevo,
Bosnien.
99. Turner, Sir William, Prof. der 1890
Anatomie, Edinburg.
1871 ! 100. Tylor, Edward, B., Professor 1893
d. Anthropologie, Kurator des
1895 j Museums, Oxford.
101. Ujfalvy de Mezö-Kövesd, Ch, E. 1879
de, Professor, Florenz.
102. Vedel, E., Amtmann, Yize- 1887
Präsident der Königl. Ge-
sellschaft für nordische Alter-
1883 tumskunde, Sorö, Dänemark.
103. Watson, Dr. med., Professor, 1898
Adelaide, Australien.
: 104. Weisbach, Augustin. Dr. med., 1871
General-Stabsarzt, Graz,
i 105. Wheeler, George M., Captain 1876
1898 | Corps of Engineers U.S.Army.
Washington, D. C
1891 106. Wieser, Ritter von Wiesenhort, 1894
Franz, Dr. phil., Professor,
Präsident des Ferdinandeums,
1883 Innsbruck.
107. Wilson, Dr. med., Professor, 1898
Sydney, Australien.
18941108. Zampa, Raffaello, Professor 1891
Dr., Perugia per Bosco.
109. Zichy, Eugen, Graf, Budapest. 1897
1885 110. Zwingmann, Georg, Dr., Med.- 1873
Inspektor, Kursk, Russland.
— .) —
Ordentliche Mitglieder, 1904.
a) Immerwährende (nach ^ 14 der
Statuten).
1. Cahnheim, U., Dr. med., Dresden.
2. Corning, Dr. med., Morillon, Genf.
3. Ehrenreich, Paul, Dr. med. et phil.,
Privatdozent, Berlin.
4. Loubat, Duc de, Exzellenz, Paris.
5. Riegler. ('.. Direktor, Stuttgart.
b) Jährlich zahlende (nach § 11 der
Statuten).
1. Abel, Karl, Dr. med., Berlin.
2. Abraham. Dr. med.. Geh. Sanitätsrat,
Berlin.
3. Adler, E., Dr. med., Sanitätsrat, Berlin.
4. Adolf Friedrich, Herzog zu Mecklen-
burg, Hoheit, Berlin.
5. Ahrens, Dr. med., Berlin.
6. Albrecht. Gustav, Dr. phil., Charlotten-
burg.
7. Albu, Dr. med., Privatdozent, Berlin.
8. Aisberg, M., Dr. med., Kassel.
9. Altertumsverein, Worms.
10. Altrichter. Karl. Gerichts - Sekretär,
Berlin.
11. Andree, Rieh.. Dr. phil., Professor
München.
12. Ankermann. Bernhard, Dr. phil., Direkto-
rial-Assistent am Künigl. Museum für
Völkerkunde. Berlin.
13. Aschenborn, Oscar, Dr. med.. Geh.
Sanitätsrat, Berlin.
14. Ascher, Hugo, Kaufmann, Berlin.
15. Ascherson. P.. Dr. phil. et med., Prof.,
Berlin.
16. Aschoff, Albert, Dr. med., Berlin.
17. Aschoff, L.. Dr. med.. Geh. Sanitäts-
rat, Berlin.
18. Ash, Julius, Fabrikant, Berlin.
19. Audouard.A.. Majora.D., Charlottenburg.
20. Auerbach. Richard, Kaufmann, Char-
lottenburg.
21. Bab, Hans, prakt. Arzt. Charlottenburg.
22. Baelz. E., Dr. med., Geh. Hofrat,
Professor an der Kaiserl. Universität
Tokio, Japan.
23. Bär. Adolf, Dr. med., Geh. Sanitäts-
rat, Berlin.
24. Bässler, Arthur, Dr. phil., Geh. Hof-
rat, Professor, Berlin.
2.">. Barschall. Max, Dr. med., Geheimer
Sanitätsrat, Berlin.
26. Bartels, Max, Dr. med., Professor, Geh.
Sanitätsrat, Berlin.
27. Bartels, Paul, Dr. med., Berlin.
28. Bassermann, Reichtags -Abgeordneter,
Mannheim.
-J9. Bastian, A., Dr. med. et phil., Geh.
Reg. -Rat, Professor, Direktor des
Königl. Museums für Völkerkunde,
Berlin.
30. Bauer, D. Guillermo, Dr., Mexiko.
31. Bauer, Fr., Baurat, Magdeburg.
32. Begemann, Dr. phil.. Gymnasial-
Direktor, Xeu-Ruppin.
33. Behla, Robert, Dr. med.. Medizinalrat,
Potsdam.
34. Behlen, Heinr.. Oberförster, Haiger,
Reg.-Bez. Wiesbaden.
35. Behrend, Adolf, Verlags-Buchhändler,
Berlin.
36. Belck, Waldemar, Dr. phil., Frankfurt
a. Main.
37. Belli, Ludwig, Dr. phil., Frankfurt a.M.
38. Benda, C, Dr. med., Privatdozent.
Berlin.
39. Berendt, G., Dr. phil., Prof., Berlin.
40. Bergmann, Ernst v., Dr. med , Professor,
Wirkl. Geheimer Rat. Exzellenz.
Berlin.
41. Bernhardt. M.. Dr. med.. Prof.. Geh.
Medizinalrat, Berlin.
42. Beuster, Dr. med.. Geh. Sanitätsrat.
Berlin.
43. Bibliothek. Grossherzogliche. Xeu-
Strelitz.
44. Bibliothek, Stadt-, Stralsund.
45. Bicliothek, Universitäts-, Basel.
46. Bibliothek, Universitäts-, Greifswald.
47. Bibliothek, Universitäts-, Tübingen.
48. Bindemann, Hermann. Dr. med.. Berlin.
41'. Blankenhorn. M.. Dr. phil., Privatdozent,
Pankow-Berlin.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
68.
64.
65-
06.
67.
68.
69.
70.
71.
73.
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7.').
76.
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7m.
7!).
80.
Blasius, Wilhelm, Dr. phil., Geheimer 81.
Hofrat, Professor, Braunschweig. 82.
Bleyer, Georg, Dr. med., Tijucas,
Estado de Santa Catharina, Brasilien. : 83.
Bloch, Iwan, Dr. med., Berlin.
Blumenthal, Dr. med., Geh. Sanitäts- «4.
rat, Berlin. 85.
Bohls, J., Dr., Lehe. 86.
Bolle, Dr. med., Alt-Moabit-Berlin. 87.
Bong. Verlagsbuchhändler, Berlin. 88.
Bormann, Alfred, Dr. med., Oberarzt, 89.
Engers bei Koblenz.
Born, L., Dr., Prof.. Corps - Ross- 90.
arzt a. D., Berlin.
Bouchal, Leo, Dr. jur., Wien. 91.
Bracht, Eugen, Landschafts -Maler, 92.
Professor, Dresden. 93.
Bramann, v., Dr. med., Professor, 94.
Halle a. S.
Brand, E. v., Oberstleutnant a. D., Wutzig 95.
bei Woldenberg in der Neumark.
Brandt, v., K. deutscher Gesandter und 96.
bevollmächtigter Minister a. D., Wirk].
Geheimer Rat, Exz., Weimar. 97.
Brasch, Felix, Dr. med., Berlin. 98.
Brecht, Gustav, Dr., Oberbürgermeister
a. D., Quedlinburg. 99.
Bredow, v., Rittmeister a. D., Berlin.
Bredow, Ernst v., Retzow b. Buschow.
Brösike, G., Dr. med., Haiensee b. Berlin. 1 00.
Bruchmann, K., Dr. phil., Berlin.
Brühl, Dr. med., Berlin.
Brunner, K., Dr. phil., Direktorial- 101.
Assistent am Königl. Museum für 102.
Völkerkunde, Steglitz b. Berlin.
Brunnhofer, Hermann, Dr. phil., Biblio- LOS.
thekar a d. Eidgenöss. Centralbiblio- 104.
fchek, Bern.
Buchholz, Rudolf, Kustos des Miirki- 105.
sehen Provinzial-Museums, Berlin. 106.
Busch. Friedr., Dr. med., Prof., Char-
lottenburg. 107.
Buschan. Gr., Dr. med. et phil., Kaiserl.
Marine-Stabsarzl a. I).. Stettin. 108.
Buschke. A.. Dr. med.. Privatdozent,
Berlin. 109.
Busse. Herrn., Woltersdorfer Schleuse L10.
bei Erkner.
Caro. Henry. Dr. med., Berlin. 111.
Cleve. G. L, Pastor, Tandala, Afrika.
Cohn. Uex. Meyer, Bankier, Berlin.
Cohn, William, stud. phil., Berlin.
Cordel, Oskar, Schriftsteller, Nicolas -
see, Post Wannsee bei Berlin.
Croner, Eduard, Dr. med.. Geheimer
Sanitätsrat. Berlin.
Davidsohn, EL, Dr. med., Berlin.
Dempwolff, Dr. med.. Stabsarzt, Berlin.
Diercks, Gustav, Dr. phil.. Steglitz.
Dittmer. Ludwig, Dr. med., Berlin.
Domnick, Pfarrer, Pfaffendorf. Mark.
Dönhoff-Friedrichstein, Graf, Friedrich-
stein bei Löwenhagen, Ostpreussen.
Doutte, Edmond, Professeur d'Arabe,
Algier.
Drory, Ed., General-Direktor, Berlin.
Ehlers, Dr. med., Berlin.
Elkan, Max, Kaufmann. Berlin.
Ende, H., Königl. Baurat, Geheimer
Regierungsrat, Professor, Berlin.
Engel, Hermann. Dr. med., Sanitätsrat.
Berlin.
Eperjesy, Albert von. K. K. Österr.
Gesandterund Kammerherr, Lissabon.
Erdeljanovic, Jovan, Professor, Berlin.
Erdmann. Max. Gymnasiallehrer. Mün-
chen.
Ewald, Ernst, Professor, Direktor
des Königl. Kunstgewerbe-Museums,
Wilmersdorf bei Berlin.
Falkenberg, Wilh.. Dr. med . Oberarzt
a. d. Irrenanstalt Herzberge, Lichten-
berg-Berlin.
Fasbender, H, Dr. med., Prof., Berlin.
Favreau, Dr. jur.. Rechtsanwalt. Neu-
haldensleben.
Felkin, Robert W.. Dr. med., London.
Feyerabend, Dr. phil., Direktor des
Kaiser Friedrich Museums, Görlitz.
Finn, W., K. Translator, Berlin.
Fischer. Adolf, Professor, Zehlendorf-
Berlin.
Fläschendräger. Fabrikdirektor und
Stadtrat a. 1).. < Jassel.
Fliedner, Karl. Dr. med.. Monsheim
b. Worms.
Florschütz, Dr. med., Gotha.
Förtsch, Major a. 1)., Dr. phil.,
Halle a. S.
Foy, Willy, Dr., Direktor am Rauten-
strauch-Joest- Museum (Städtisches
Museum für Völkerkunde), CÖln a.Rh.
112. Fränkel, Bernhard, Dr. med., Professor,
(ich. Medizinalrat, Berlin.
113. Freudenthal, Arnold, Dr. med., Berlin.
11 1. Freund, G. A , Dr. phil., Berlin.
115. Friedel, Ernst, Geh. Regiefüngsrat,
Stadtrat, Berlin.
116. Friedemann. Max. cand. med., Berlin.
117. Friedländer. Benedict. Dr. phil.,
Berlin.
118. Friedländer. Immanuel, Dr. phil..
Neapel.
119. Friedrich. Woldemar, Maler, Prof..
Berlin.
120. Frisch, A., Druckereibesitzer, Berlin.
121. Fritsch, Gustav, Dr. med.. Professor,
Geh. Medizinalrat, Gross-Lichter-
ielde b. Berlin.
122. Fritsch. K.P. ().. Professor. Waren,
Mecklenburg.
123. Fritsche, Dr. med., Generalarzt a. D..
IViedenau-Berlin.
124. Frobenius, Leo, Berlin.
125. Fühner, Hermann, Dr., Strassburg i. E.
12«;. Fülleborn, Dr. med.. Regierungsarzt,
Hamburg.
127. Gaedcke, Karl, Ober-Lebrcr, Salz-
wedel.
128. Gattel. P., Dr
129. Gesellschaft.
(Abteilung
Berlin.
130. Gesellschaft, historische Bromberg.
131. Gessner, Hans, Baumeister, Berlin.
132. Glogner. Dr. med., Stadsgeneesheer,
Samarang, .Java. z. Z. Berlin.
113. Glümer, v.. Leutnant a. D., Sekretär
der Zentralstelle für Arbeiter-Wohl-
fahrts-Einrichtungen, Essen (Ruhr).
134. Görke. Franz, Direktor, Berlin.
135. Götz. (i.. Dr. med.. Obermedizinalrat,
Xeu-Strelitz.
136. Götze, Alfred. Dr. phil., Direktorial-
Assistent am Rönigl. Museum für
Völkerkunde, Berlin.
117. Goldschmidt. Heim-.. Bankier, Berlin.
138. Goldschmidt. Oskar, Dr. jur.. Grune-
wald 1». Berlin.
139. Golm. Bugen, Verlagsbuchhändler,
Berlin.
110. Gottschalk. Sigismund, Dr. med..
Privatdozent. Berlin.
med., Berlin.
Deutsche Kolonial-,
Berlin - Charlottenburg)
141. Grempler. Wilhelm, \)v. phil. hon. c.,
Dr. med., Professor, lieh. Sanitätsrat.
Breslau.
142. Grimm, Theodor, Berlin.
143. Grosse, Hermann, Lehrer, Berlin.
144. Grossmann. Louis. Rabbiner und
Professor am Bebrew Union College,
Cincinnati, Ohio, America.
145 Grubert. Dr. med.. Falkenberg, Pom-
mern.
146. Grünwedel. A.. Prof. Dr.. Direktorial-
Assistent am .Museum für Völker-
kunde, Gross-Lichterfelde.
147. Gudewill. .lohn Carl. Rentner, Braun-
schweig.
148. Günther, Carl, Photograph, Berlin.
149. Güterbock. Bruno, Dr. phil., Berlin.
150. Gusserow, A.. Dr. med., Prof.. Geh.
Medizinalrat, Berlin.
151. Guthknecht. Gustav. Maler. Steglitz b.
Berlin.
152. Gutzmann. H.. Dr. med.. Berlin.
153. Haake, Dr. med.. Braunschweig.
154. Hänisch. Harry, Dr. med., Berlin.
155. Haerche, Bergwerks - Direktor.
SchwTeidnitz, Schlesien.
156. Hagen, B., Dr., Hofrat, Frankfurt a. M.
157. Hagenbeck, Karl, Tierhändler.
Stellingen bei Hamburg.
158. Hahn, Eduard, Dr. phil., Berlin.
159. Hahne, Hans. Dr med., Magdeburg.
160. Hake, Georg v.. Ritterguts- Be-itzer.
Klein-Machnow b. Berlin.
161. Hallgarten. Charles L., Frankfurt a. M.
162. Handtmann, E., Prediger, Seedorf bei
Lenzen a. d. Elbe, Westpriegnitz.
163. Hansemann. David v., Dr. med.. Prof..
Prosektor am Krankenhause Pried-
richshain, Grunewald.
164. Hardenberg. Freiherr v.. Majoratsherr
in Schlöben b. Roda. Sachsen-Alten-
burg.
lti.'i. Hartmann. Herrn.. Dr. phil.. Brot'..
Landsberg a. W.
166. Hartwich. Karl. Dr. phil.. Professor,
Zürich.
167. Hattwich. Emil, Dr. med.. Geheimer
Sanitätsrat, Berlin.
168 Heck. Dr. phil.. Direktor des /."• -
logischen Gartens, Berlin.
169. Hecker. Hilmar. Dr. phil.. Bonn a. Rh.
8
170. Heilborn, Ad. . Dr. med., Steglitz-Berlin. 199.
171. Heimann. Ernst A.. Dr. med.. Char-
lottenburg. 200.
172. Heintzel. C. Dr., Lüneburg. 201.
173. Heibig. Georg. Maler, Berlin.
174. Helff, Albert, Rechtsanwalt. Frank- 202.
fürt a. M. 203.
175. Hellmann. Gustav, Dr. phil., Geh. Re- 204.
gierungsrat, Professor, Berlin. 205.
176. Hennig, Paul. Rechtsanwalt, Berlin.
177. Henning. R.. Dr. phil., Prof., Strass- 206.
bürg im Elsass. 207.
178. Hermann. R.. Berlin.
179. Herrmann. Wilh., Eisenbahn-Ingenieur, 208.
Neuweissensee-Berlin. 209.
180. Heyl, Erwin, Frhr. v., Gesandtschafts-
Attache, Worms a. Rh.
181. Hilgendorf, F., Dr. phil., Professor, 210.
Kustos am Königl. Museum f. Natur-
kunde, Berlin. 211.
182. Hirschberg, Julius, Dr. med., Professor, 212.
Geheimer Medizinalrat, Berlin.
183. Hobus, Felix, Provinzialvikar der Neu- 213.
mark, Dechsel, Kr. Landsberg a. W. 214.
184. Holder, v., Dr. med., Ober-Medizinal-
rat, Stuttgart. 215.
185. Höner, F., Zahnkünstler, Berlin.
186. Hofmeier. .1., Dr. med., Sanitätsrat,
Berlin. 216.
187. Hörn, O., Dr. med., Sanitätsrat, Kreis-
physikus, Tondern. 217.
188. Houzik, Ed., Ingenieur, Architekt beim
Kriegsministerium, Bukarest.
189. Huguenel. E., Apotheker, Potsdam. 218.
190. Ideler, Dr. med.. Geh. Sanitätsrat, 219.
Wiesbaden.
191. Institut. Kaiserlich Archäologisches, 22<».
Berlin.
192. Israel, Oskar, Dr. med., Prof., Berlin. 221.
193. Jackschath, E., Tierarzt, Reinicken- j 222.
dorf bei Berlin.
194. Jacobi, Alfred, Dr.. prakt. Zahnarzt, i 223.
Steglitz, b. Berlin.
195. Jacubowski. Apotheker, Borsigwalde b. 224.
Tegel.
196. Jänicke. Ernst, Kaufmann, Gross- 225.
Ldchterfelde.
197. Jaffe. Benno, Dr. phil., Berlin. 226.
198. Jannasch. R., Dr. jur. ct. phil., Vor-
sitzender des Zentral -Vereins für 227.
Bändelst Geographie, Berlin.
Jaquet, Dr. med., Geh. Sanitätsrat.
Gross-Lichterfelde bei Berlin.
Jentsch, Hugo, Dr. phil., Prof., Guben.
Jumpertz, Dr., Oberlehrer, Gross-
Lichterfelde b. Berlin.
Kandt, R., Dr. med., prakt. Arzt, Berlin.
Katz, Otto, Dr. med., Charlottenburg.
Kaufmann, Felix, Justizrat, Berlin.
Kaufmann, Richard v., Dr. phil., Prof.,
Geh. Regierungsrat, Berlin.
Kaufmann, Dr. med., Professor, Rom.
Kay, Charles de, General-Konsul a.D.,
New York.
Keller, Paul, Dr.. Berlin.
Kieszling, Max, Dr. phil., Assistent
am Seminar für historische Geo-
graphie, Berlin.
Kirchhoff. Dr. phil., Prof., Giebichen-
stein bei Halle a. S.
Klaar, W., Kaufmann, Berlin.
Klaatsch, Hermann. Dr. med., Prof..
Heidelberg.
Koch, Max, Dr. med., Berlin.
Koch, Robert, Dr. med., Prof., Geh.
Medizinalrat, Berlin.
Koch, Theodor, Volontär -Assistent
beim Königl. Museum für Völker-
kunde, Gross-Lichterfelde b. Berlin.
Kofier, Friedrich, Hofrat, Darm-
stadt.
Kollm, Hauptmann a. D., General-
Sekretär der Gesellschaft für Erd-
kunde, Berlin.
Konicki, Julius, Rentier, Berlin.
Kossinna, Gustaf, Dr. phil., Professor,
Gross-Lichterfelde b. Berlin.
Kraemer, Augustin, Dr. med., Ober-
Stabsarzt, Kiel.
Kraemer, Hans, Berlin.
Krause, Eduard, Konservator am Kgl.
Museum für Völkerkunde, Berlin.
Krause, Hermann, Dr. med., Prof.,
Berlin.
Krause. Karl. Dr. med., Stabsarzt.
Berlin.
Krause, L., Versichcrungs-Beamter,
Rostock.
Krause, Wilhelm. Dr. med., Prof.,
Charlottenburg.
Kretschmer, Konrad, Dr. phil., Pro-
fessor, Charlottenburg.
— 9 —
228. Kretschmer. Paul. Dr. phil., Professor, 259.
Wien.
229. Krieget, Friede.. Dr. med.. Berlin. 260.
230. Kronecker, Franz, Dr., Berlin. 261.
231. Kroner, Moritz, Dr. med.. Geh. Sani-
tätsrat, Berlin. "J<i_.
232. Kronthal. Karl. Dr. med., Berlin. 263.
233. Kruse. W.. Dr. med., Prof., Bonn. 264.
234. Kuhnert, Willi.. Tier- und Orient- 265.
maier, Berlin.
235. Kurtz, F., Dr. phil., Prof., Cördoba, 266.
Repübliea Argentina.
236. Kuttner. Ludwig, Kaufmann, Berlin. 267.
237. Lachmann. Georg, Kaufmann. Berlin. 268.
238. Lachmann. Paul. Dr. phil.. Fabrik-
besitzer. Berlin. 2G(J.
239. Lahr. Dr. med., Prof., Geh. Sanitäts-
rat. Zehlendorf. 270.
•J4ti. Landau, H., Bankier, Berlin. 271.
241. Landau. \Y.. Freiherr v.. Dr. phil.,
Berlin. 272.
242. Langay, J.. Architekt, Berlin.
243. Lange. -lulius. Versicherungs-Direktor, 273.
Berlin.
l'44. Langen. Rönigl. Baurat, Berlin. 27 4.
245. Langenmayr, Paul. Rechtsanwalt, 275.
Pinne. Prov. Posen.
246. Langerhans. Robert, Dr. med., Prof., 276.
Prosektor am Krankenhause Moabit,
Berlin. 277.
247. Langerhans. Wilhelm. Landgerichts- 278.
rat. Grunewald -Berlin. 279.
248. Lanz-Liebenfels. .1.. Dr.. Etodaun bei 280.
Wien.
249. Lasch. Richard. Dr. med.. K K.
Bezirksarzt, Hörn, Nieder-Österreich.
250. Laschke. Alexander, Kais. Reichs- 281.
bank-Oberbuchh alter, Berlin.
251. Lassar. ().. Dr. med.. Professor. 282.
Berlin. 283.
252. LeCoq, Albert v., Dr.. Charlottenburg. 284.
253. Lehmann, Carl F.. Dr. jur. et phil., 285.
Professor. < harlottenburg. 286.
254. Lehmann. Walter, cand. med . Berlin. 287.
2'>5. Lehmann- Nitsche. K.. Dr. med. et
phil., La Plata. Argentinien. 288.
256. Lehnerdt. Dr. med.. Geh. Sanitätsrat,
Berlin.
257. Lemcke. Dr. phil.. Prof., Gymnasial-
Direktor. Stettin.
Lemke. Elisabeth, Fräulein. Berlin.
Leonhardi. Moritz Freiherr v.. Gross-
Karben. Grossherzogtum Hessen.
Levin, Moritz, Dr. phil., Berlin.
Levinstein. Walter. Dr. med., Schöne-
berg b. Berlin.
Liebe. Th., Dr. phil.. Prof.. Berlin.
Liebermann, F. v., Dr. med., Berlin.
Liebermann. F.. Dr. phil., Prof., Berlin.
Liebreich. Oskar, Dr. med., Prof., Geh.
Medizinalrat, Berlin.
Lindenschmit, Dirigent dee Germa-
nischen Museums, Mainz.
Lion, Landgerichtsrat a. D., Berlin.
Lippstreu, Otto, Dr., Privatdozent an
der Technischen Hochschule, Berlin.
Lissauer, A. , Dr. med., Professor.
Sanitätsrat, Berlin.
Low, E.. Dr. phil., Oberlehrer, Berlin.
Lohmann. Ernst, Pastor, Freienwalde
a. d. O.
Lucae, Dr. med., Prof., Geh. Medizinal-
rat, Berlin.
Lüdemann, R., Landmesser und
Kulturingenieur, Oebisfelde.
Ludwig. EL, Zeichenlehrer, Berlin.
Luhe, Dr. med.. Generalarzt a. D..
Königsberg i. Pr.
Luschan, F. v., Dr. med. et phil., Prof..
Friedenau bei Berlin.
Maass, Alfred, Berlin.
Maas. Heinrich, Kaufmann, Berlin.
Maas, Julius, Kaufmann, Berlin.
Mac Curdy, George Grant, Lecturer
in Anthropology and Curator of th-
Anthropol. Collection, Yale Univer-
sity, New Haven, America.
Madsen, Peter, Baumeister. Steglitz
bei Berlin.
Magnus, P., Dr. phil., Prof., Berlin.
Majewski. Erasm., Dr. phil-, Warschau
Majewski. Fräul. Xenia. Trapezunt.
Mankiewicz. Otto. Dr. med.. Berlin.
Mansfeld. Dr. med.. Stabsarzt. Berlin.
Marcuse. Louis, Dr. med.. Sanitätsrat,
Berlin.
Martens. E. v.. Dr. phil.. Geh. Re-
gierungsrat, Prof.. Zweiter Direktor
der zoolog. Abteilung des Königl.
Museums für Naturkunde, Berlin.
Martin, A. E.. Dr. med.. Professor.
Greifs wald.
10
290. Martin, Rudolf, Dr. med., Professor
für Anthropologie, Zürich.
291. Maska, KarlJ., Oberrealschuldirektor,
Teltsch, Mähren.
292. Matschie, Paul, Prof. Dr., Kustos am
Zoolog. Museum, Berlin.
293. Maurer, Herman, Revisor, Berlin.
294. Mayet, Lucien, Dr. med., Interne des
Höpitaux, Preparateur ä la Faculte,
Lyon, Prankreich.
295. Meisner, Dr. med., Generalarzt a. D.,
Berlin.
296. Meitzen, August, Dr., Professor, Geh.
Regierungsrat, Berlin.
297. Mendel. E., Dr. med., Professor, Berlin.
298. Merker Hauptmann in der Kaiserl.
Schutztruppe, Militärstation Moschi,
Ostafrika.
299. Messerschmidt. Dr., Assistent an der
Vorderasiat. Abteilung des Königl.
Museums, Berlin.
.100. Meyer, Alfred G., Dr. phil., Prof.,
Direktor des Luisenstädtischen Real-
Gymnasiums, Berlin.
30L Meyer, Eduard, Prof. Dr., Gross-
Lichterfelde.
302. Meyer, Ernst, Pastor, Königsmark in
der Altmark.
303. Meyer, Ferdinand, Bankier, Frank-
furt a. M.
304. Meyer, Hans, Dr. phil., Prof., Leipzig.
305. Meyer, Herrmann, Dr. phil., Leipzig.
306. Michel, Gustav, Dr. med., Hermes-
keil b. Trier.
307. Mielke, Robert, Zeichenlehrer und
Schriftsteller, Charlottenburg.
308. Milchner, M., Kaufmann, Berlin.
309. Milchner, R., Dr. med., Berlin.
310. Minden, Georg, Dr. jur., Syndikus des
städt. Pfandbriefamts, Berlin.
311. Miske, Kaiman, Freiherr v., Köszeg
(Günz), Ungarn.
•;12. Möbius, Dr. phil., Prof., Geh. Re-
gierungsrat, Direktor d. zoologischen
Abteilung des Königl. Museums für
Naturkunde, Berlin.
313. Möller. Armin, Kustos am städtischen
Museum, Weimar.
314. Möwes, Dr. phil., Berlin.
315. Morwitz, Martin, Rentier, Cbarlotteri-
burg.
316. Müller-Beeck, Georg, Kais. Deutscher
Konsul, Nagasaki, Japan.
817. Müller, Carl, Privatier, Berlin.
318. Müller, F. W.K.. Dr. phil., Direktorial-
Assistent am Königl. Museum für
Völkerkunde, Wilmersdorf bei Berlin.
319. Müller, W., Stud. rer. nat., Berlin.
320. Münsterberg, Oscar, Dr. phil., Berlin.
321. Munk, Hermann, Dr. med., Professor.
Geh. Regierungsrat, Berlin.
322. Museum, Gräflich Dzieduszyckisches,
Lemberg, Galizien.
323. Museum. Städtisches. Dortmund.
324. Museum, Grossherzogl. Germanisches.
Jena.
325. Museum für Völkerkunde, Leipzig.
326. Museum für Völkerkunde, Lübeck.
327. Museum, Provinzial-, Halle a. S.
328. Museum, städtisches. Braunschweig.
329. Museum, städtisches, Gera.
330. Muskat. Gustav, Dr. med., Berlin.
331 . Neergaard, Dr.. Inspektor amNational-
Museum, Kopenhagen.
332. Nehring, A.. Dr. phil., Prof., Berlin.
333. Neuhauss. Richard, Dr. med., Gross-
Lichterfelde b. Berlin.
334. Neumann, Alfred. Dr. med., Ober-
arzt am Krankenhaus Friedrichshain,
Berlin.
335. Neumann. II., Dr. med., Privatdozent
Berlin.
336. Neumann, Oskar, Berlin.
337. Neumayer, G.v., Dr. phil., Wirk!. Geh.
Rat, Prof., Neustadt a. Haardt.
338. Nordheim, Jakob. Hamburg.
339. Obst, Dr. med., Direktor des Museums
für Völkerkunde, Leipzig.
340. Oesten, Gustav. Ober-Ingenieur, Berlin.
341. Olshausen, Otto, Dr. phil.. Berlin.
342. Oppenheim, Max. Freiherr v., Dr. jur.,
Legationsrat, Kairo.
343. Oppenheim. Faul, Dr. phil., Charlotten-
burg.
344. Oppert, Gustav, Dr. phil., Professor,
Berlin.
34."). Orth, AI, Dr. phil., Prof., Geh. Ete-
gierungsrat. Berlin.
346. Orth, Joh.. Dr. med., Professor, Geh.
Medizinalrat, Grunewald-Berlin.
347. Osborne, Wilhelm. Rittergutsbesitzer,
München.
— 11 —
348. Ossowidzki, Dr. med., Sanitätsrat, 380.
Oranienburg, Reg.-Bez. Potsdam. 381.
349. Oster, Heinrich, Dr., Berlin.
:VjO. Paetel, Alfred, Verlags-Buchhändler, 382.
Berlin.
351. Palliardi, -laroslav, K. K. Notar, Frain. 383.
Mähren. 384.
352. Palm, Julius, Dr. med., Berlin. 385.
353. Passow, Dr. med.. Professor, Heidel-
berg. 386.
354. Paulus, Adolf, Hofrat, Berlin.
355. Peiser, Felix, Dr. phil., Privatdozent, 387.
Königsberg i. Pr.
356. Pelizaeus, W., Kgl. Spanischer Konsul, 388.
Kairo, Aegypten.
357. Peronne, Prediger, Prenzlau. 389.
358. Petermann, Georg, Apotheker, Frank-
furt a. 0. 390.
359. Pflugmacher, F., Dr. med., General-
arzt a. D., Potsdam. 391.
360. Pfuhl, F., Dr. phil., Professor, Posen. 392.
361. Philip, P., Dr. med., Berlin. 393.
362. Pinckernelle. IL, Dr. med., Breslau.
363. Pinkus, Felix, Dr. med., Berlin. 394.
364. Pippow, Dr. med... Geh. Medizinalrat.
Grunewald-Berlin.
365. Pittier de Fabrega, Dir. des Instituto 395.
Fisico-Geografico, San Jose, Costa 396.
Rica.
366. Platen-Venz, v., Rittergutsbesitzer, 397.
Stralsund.
367. Plötz, AI fr., Dr. med., Schlachtensee 39<s.
bei Berlin.
368. Pöch, Rudolf. Dr. med., Wien. 399.
369. Poll, Heinrich, Dr. med., Berlin. 400.
370. Ponfick, Dr. med., Prof., Geh. Medi- 401.
zinalrat, Breslau. 402.
371. Posner. G, Dr. med., Prof., Berlin. 403.
.172. Preuss, Theodor, Dr. phil., Direktorial-
Assistcnt am Kgl. Museum fürVölker- 404.
künde, Steglitz b. Berlin. 405.
373. Prochno, Apotheker, Blankenburg a.H. 406.
374. Pudil, IL, Baudirektor, Prag. 407.
375. Putjatin, Fürst Paul Arseniewitsch, 408.
St. Petersburg. 409.
376. Rabl-Rückhard. IL. Dr. med.. Prof., 410.
Oberstabsarzt a.D., Berlin.
177. Rademacher. C, Rektor, Köln a. Rh. 411.
378. Reich, Max, Dr. med., Ober-Stabsarzt
der Marine. Leibarzt, Kiel. 412.
379. Reinecke. Paul. Dr. phil., Main/. 413.
Reinecke, Major a. D., Charlottenburg.
Reinhardt. Dr. phil., Oberlehrer, Rektor,
Berlin.
Reiss, Wilhelm, Dr. phil., Geh. Regie-
rungsrat, Schloss Könitz (Thüringen .
Remak, E. -L, Dr. med.. Prof., Berlin.
Richter, Berth., Bankier. Berlin.
Richthofen, F.. Freiherr v. , Dr. phil.,
Prof., Geh. Regierungsrat, Berlin.
Riedel, Beruh.. Dr. med.. Sanitätsrat.
Berlin
Robel, Ernst, Dr. phil., Oberlehrer.
Gross-Lichterfelde b. Berlin.
Rogatz. Hermann. Lehrer, Gross-
Lichterfelde bei Berlin.
Röhl. Baron v.. Dr. jur., Landrichter.
Altona.
Rösler, F., Staatsrat. Tiflis, Kau-
kasus, Russland.
Rosenbaum, Adolf, Dr. med., Berlin.
Rosenstein, Siegmund, Direktor, Berlin.
Rosenthal, L.. Di\ med.. Sanitätsrat.
Berlin.
Rotter, Dr. med., Prof., dirigierender
Arzt am St. Iledwigs-Krankenhause.
Berlin.
Rück, D., Thiendorf bei Grossenhain.
Rüge, Karl, Dr. med.. Sanitätsrat.
Professor, Berlin.
Rüge, Paul. Dr. med.. Medizinalrat.
Berlin.
Runkwitz. Dr. med.. General-Oberarzt
der Marine, Kiel.
Ruprecht, Verlagsbuchhändler,, Berlin.
Salomon, O., Dr., Berlin.
Samson. Alb., Brüssel.
Samter, Dr. med. Berlin.
Sander, \\\. Dr. med., Geh. Medizinal-
rat, Direktor, Dalidorf b. Berlin.
Sander. Marine-Stabsarzt a.D., Berlin.
Sarasin, Fritz. Dr. phil.. Basel.
Sarasin, Paul. Dr. phil.. Basel.
Saude, Emil, stiul. phil.. Berlin.
Scharrer. Viktor. Nürnberg.
Schedel. Joseph, Apotheker, München.
Scheve, Alfred. Prediger, Missions-
Sekretar a. D.. Berlin.
Schilling. Hermann. Dr.med., Sanitäts-
rat, Berlin.
Schlemm, Julie. Fräulein, Berlin.
Schliz. Dr.. Hofrat, Heilbronn a. \.
— 12 —
414. Schmidt, Colmar, Landschaftsmaler, 442.
Berlin. 443.
415. Schmidt, Emil, Dr. med., Prof., Jena. 444.
416. Schmidt, Max, Dr. jur., Direktorial-
Assistent am Kgl. Museum für Völker- 445.
künde, Steglitz bei Berlin. 446.
417. Schmidt, Hubert, Dr. phil., Berlin.
418. Schöne, Richard, Dr. phil., Wirkl.
Geh. Rat, General - Direktor der 447.
Königl. Museen, Exzellenz, Berlin.
419. Schötensack,0.,Dr. phil., Heidelberg. 448.
420. Scholl, Arthur, Dr. med., Berlin. 449.
421. Schütte, Dr. med., Iserlohn.
422. Schütz, W., Dr. med., Professor, Geh.
Regierungsrat, Rektor der tierärztl.
Hochschule, Berlin. 450.
423. Schütze, Alb., Akademischer Künstler,
Berlin.
424. Schultze, Hauptmann, Bischofsburg, | 451.
Ostpreussen. 452.
425. Schultze, Rentier, Charlottenburg. ; 453.
426. Schulze-Veltrup, Dr. phil., Oberlehrer,
Berlin. 454.
427. Schumann, Hugo, prakt. Arzt, Löcknitz, j 455.
Pommern.
428. Schuster, G., Dr. phil., Königl. Haus- | 456.
Archivar, Charlottenburg.
429. Schwabacher, Adolf, Bankier, Berlin. 457.
430. Schweinfurth, Georg, Dr. phil., Prof.,
Berlin, z. Z. auf Reisen. ! 458.
431. Schweinitz, Graf Hans Hermann, 1 459.
Premierleutnant, Berlin.
432. Seier, Cäcilie, Frau Professor, Steglitz
b. Berlin. : 460.
433. Seier, Eduard, Dr. phil., Professor, j 461.
Steglitz b. Berlin. | 462.
434. Siebold, Heinr. v., Baron, Schloss |
Freudenstein, Eppan b. Bozen, Süd- j 463.
Tirol. ! 464.
435. Sieglin, Dr. phil., Professor, Berlin.
436. Siehe, Dr. med., Sanitätsrat, Kreis- 1 465.
physikus, Züllichau.
437. Sierakowski, Graf Adam, Dr. jur., j 466.
Waplitz bei Altmark, Westpreussen.
438. Sökeland, Hermann, Fabrikant, Berlin. 467.
439. Sokolowsky, Alexander, Dr. phil.,
Düsseldorf. 468.
440. Solger, Friedr., Dr. phil., Berlin. 469.
441. Sonnenburg, Dr. med., Geh. Medizinal-
rat, Professor, Direktor am Kranken-
hause Moabit, Berlin. 470.
Staatsschule, höhere, Cuxhaven.
Staudinger, Paul, Naturforscher, Berlin.
Stechow, Dr. med., General-Oberarzt,
Divisions-Arzt, Hannover.
Stegemann, Privatier, Charlottenburg.
Steinen, Karl von den, Dr. med. et
phil., Professor, Berlin, Charlotten-
burg.
Steinen, Wilhelm von den, Maler,
Gross-Lichterfelde b. Berlin.
Steinthal, Leop., Bankier, Steglitz.
Steudel, Dr. med., Oberstabsarzt vom
Oberkommando der Schutztruppen,
Kolonialabteilung des Auswärtigen
Amtes, Berlin.
Stephan, Georg, Mühlen - Besitzer,
Lichterfelder Buschmühle bei Sall-
gast, Kr. Luckau.
Stephan, J., Buchhändler, Berlin.
Stönner, Dr. phil., Berlin.
Strassmann, Paul, Dr. med., Professor,
Berlin.
Stratz, Prof., Dr., Haag, Niederlande.
Strauch, Curt, Dr. med., Privatdozent,
Berlin.
Strauch, Franz, Kontre-Admiral z. D.,
Friedenau b. Berlin.
Strebel, Hermann, Dr. phil. h. c,
Hamburg, Eilbeck.
Stucken, Eduard, Berlin.
Stuhlmann, Dr. med., Kaiserl. Re-
gierungsrat, Dar - es - Salam, Ost-
Afrika.
Taubner, Dr. med., Charlottenburg.
Teige, Paul, Hof-Juwelier, Berlin.
Teutsch, Julius, Likör - Fabrikant,
Kronstadt, Siebenbürgen.
Thilenius, Dr. med., Professor, Breslau.
Thorner, Eduard, Dr. med., Geh.
Sanitätsrat, Berlin.
Thurnwald, Richard, Dr., Friedenau
bei Berlin.
Tillmanns, Dr. med., Medizinalrat,
Professor, Leipzig.
Timann, F., Dr. med., Generalarzt
XIV. Armeekorps, Karlsruhe.
Titel, Max, Kaufmann, Berlin.
Török, Aurel v., Dr. med., Prof., Di-
rektor des anthropologischen Mu-
seums, Budapest.
Tornow, Max L , Montreux, Schweiz.
13 —
471. Traeger. Paul, Dr. phil., Zehlendorf
b. Berlin.
472. Uhle, Max, Dr. phil., Philadelphia.
473. Umlauff, J. F. G., Naturalienhändler,
Hamburg-.
474. Unger, Ernst, Dr. med., Berlin.
475. Urach. Fürst von, Karl, Graf von
Württemberg, Stuttgart.
476. Vasel, Gutsbesitzer, Beyerstedt b.
Jerxheim.
477. Velde, Dr. med., Ober - Stabsarzt,
Charlotten bürg.
478. Verein, anthropologischer, Koburg.
479. Verein, anthropologischer, Hamburg-
Altona, Hamburg.
480. Verein für Heimatskunde. Münche-
bcrg.
4SI. Verein, Museums-, Lüneburg.
482. Vierkandt, A., Dr., Privatdozent,
Gross-Lichterfelde.
483. Virchow. Hans, Dr. med., Professor,
Berlin.
484. Vohsen, Konsul a. D., Berlin.
485. Volborth, Dr. med., Geh. Sanitätsrat,
Berlin.
486. Volmer. Dr. med., Geh. Sanitätsrat,
Berlin.
187. Vorländer, H., Ritterguts -Besitzer,
Dresden.
488. Voss, Albert, Dr. med., Geh. Re-
gierungsrat, Direktor der vater-
ländischen Abteilung des Königl.
Museums für Völkerkunde, Berlin.
489. Voswinkel, Carl, Dr. med., Berlin.
490. Wahl, H., Bergwerksbesitzer, Hamburg.
491. Waiden, Edgar, Halensee-Berlin.
492. Waidenburg. Alfr., Dr. med., Berlin.
193. Waldeyer, W., Dr. med., Prof., Geh.
Medizinalrat, Berlin.
494. Weber, W., Maler, Berlin.
495. Weeren, Julius, Dr. phil., Professor,
Geh. Regierungsrat, Halensee-Berlin.
496. Wegner, Fr., Rektor, Berlin.
497. Weigelt. Dr., Prof., General-Sekretär d.
Deutschen Fischerei-Vereins, Berlin.
498. Weinitz. F., Dr., Berlin.
499. Weissenberg, S., Dr. med., Elisabeth-
grad, Süd-Russland.
50« ). Weisstein, Hermann. Reg.-Baumeister,
Orteisburg, Ostpr.
501. Wendeler, Paul, Ökonom u. Brauerei-
besitzer, Soldin.
502. Wensiercki-Kwilecki. Graf. Wroblewo
bei Wronke, Prov. Posen.
5»>3. Werner, Georg, Dr. med., Stabsarzt.
Thorn.
504. Werner. Job.., Scblachthofdirektor,
Stolp in Pommern.
50."). Wetzstein, Gottfried, Dr. phil., Konsul
a. D., Berlin.
506. Widemann, Wilhelm, Prof., Berlin.
507. Wiechel. Hugo, Baurat, Chemnitz.
508. Wiese, Karl, Berlin.
509. Wilke, Dr. med., Oberstabsarzt.
Grimma i. S
510. Willers, Heinr., Dr. phil., Hannover.
511. Winkler, Hugo, Dr. phil., Privatdozent.
Deutsch -Wilmersdorf bei Berlin.
512. Wittgenstein. Wilhelm v., Gutsbesitzer,
Berlin.
513. Wolff, Max, Dr. med., Geh. Medizinal-
rat, Professor, Berlin.
514. Wossidlo, Dr.phil., Oberlehrer, Waren,
Mecklenburg-Schwerin.
515. Wolter, Carl, Chemulpo, Korea.
516. Wutzer, H., Dr. med., Geh. Sanitäts-
rat, Berlin.
517. Zahn, Robert, Dr. phil., Direktorial-
Assistent bei den Königl. Museen.
Berlin.
518. Zander, Kurt, Dr. jur., Geh. Regierungs-
rat, Generaldirektor der Anatolischen
Eisenbahn, Konstantinopel.
519. Zechlin. Konrad, Apothekenbesitzer.
Salzwedel.
520. Zenker, Wilhelm, Dr. med.. Geh.
Sanitätsrat, Kreis - Physikus a. D..
Bergquell-Frauendorf bei Stettin.
521. Zimmer. Bd., Chemiker. Xeuenheim b.
Heidelberg.
522. Zschiesche. Paul. Dr. med.. Erfurt.
(Abgeschlossen am 19. Januar 1904.)
Übersicht der unserer Gesellschaft durch Tausch, Ankauf oder
Geschenk zugegangenen periodischen Veröffentlichungen.
Das nachstehende Verzeichnis dient zugleich als Empfangsbestätigung der uns im letzten Jahre
zugegangenen Schriften.
l>ie mit * vermerkten Gesellschaften, deren Schriften wir nicht erhalten haben, bitten wir um
gefällige Nachlieferung der etwa erfolgten Publikationen ausschliesslich an die Adresse:
Anthropologische Gesellschaft, Berlin SW., Königgrätzer Strasse 120.
Abgeschlossen am 18. Januar 1904.
I. Deutschland,
nach Städten alphabetisch geordnet.
1. Berlin. Amtliche Berichte aus den Königl. Kunstsammlungen. XXIV. Jahrg.
Nr. 3. XXV. Jahrg. Nr. 1.
*2. ,. Veröffentlichungen aus dem Königlichen Museum für Völkerkunde.
(1 u. 2. von der General-Direktion der Königlichen Museen.)
'■''6. .. Ethnologisches Notizblatt. Herausgegeben von der Direktion des Königl.
Museums für Völkerkunde. (V. d. D.)
4. .. Zeitschrift für Erdkunde. 1903. Nr. 1—10.
5. .. Mitteilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen
Schutzgebieten. Bd. XVI. Heft 1—4.
(4 u. 5 v. d. G. f. E.)
*6. ., Jahrbuch der Königl. Geologischen Landesanstalt. (V. d. G. L.)
7. .. Berliner Missions-Berichte. 1903. Nr. 2— 12. (Von Hrn. M. Bartels.)
8. Die Flamme. Zeitschrift zur Förderung der Feuerbestattung im In-
und Auslande. (V. d. Red.) XX. Jahrg. 1903. Nr. 261— 283.
XXI. Jahrg. 1904. Nr. 284.
*9. Verwaltungsbericht über das Märkische Provinzial-Museum.
10. Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatskunde der
Provinz Brandenburg zu Berlin. XI. Jahrg. 1902. Nr. 7—12.
XII. Jahrg. 1903. Nr. 1— 6.
"11. Brandenburgia. Archiv.
(10 u. 11 V. d. G. f. H.)
12. Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. XI IL Jahrg. 1903. Heft 1—4.
(V. d. V. f. V.)
13. .. Deutsche Kolonial-Zeitung. XVI. Jahrg. Nr. 4—5*2. XVII. Jahrg.
Nr. L— 2. (V. d. D. K.-G.)
15
14. Berlin. Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde. 1902.
Nr. 10. 1903. Nr. 1—9. (Von Hrn. M. Bartels.)
l.i. .. Zeitschritt für afrikanische und ozeanische Sprachen. VI. Jahrg.
Heft 4. VII. Jahrg. Heft 1. (V. d. Red.)
16. .. Mitteilungen aus dem Museum für deutsche Volkstrachten. (V. d.
Vorstand.)
17. .. Die Denkmalpllege: Herausgegeben von der Sehriftleitung des Central-
Blattes der Bau-Verwaltung. V. Jahrg. 1903. Nr. 2— 16. VI. Jahr-.
1904. Nr. 1. (V. d. Red.)
18 Afrika". Herausgegeben vom evangelischen Afrika-Verein. X. Jahrg.
1903. Nr. 1- 4. (Von Hrn. M. Bartels.)
1'.'. .. Korrespondenz-Blatt des Gesamtvereius der deutschen Geschichts- und
Altertums-Vereine, öl. Jahrg. 1903. Nr. 1-12. (Angekauft.)
2t». .. Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft. Jahrg. VIII. 1903.
Nr. 2—6. (Angekauft.)
21. .. Helios. Bd. XX. (V. d. V.)
22. .. Societatum Litterae. (V. d. V.)
2.'i. Berlin-Charlottenburg. Verhandl. der Deutschen Kolonial-Gesellschaft.
(Von Hrn. Dr. Minden.)
24. Berlin-Stuttgart. Mitteilungen des Seminars für orientalische Sprachen.
Jahrg. VI. 1903. (V. d. 0. S.)
25. Bonn. Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden. Heft 110. (V. d.
V. v. A.)
26. Brandenburg a. d. H. Jahresberichte des Historischen Vereins. (V. d. H. V.)
27. Braunschweig. Archiv für Anthropologie. Bd. XXVIII. Heft 3 u. 4. Neue
Folge. Bd. I. Heft 1—3. (Von d. HHrn. Fr. Vieweg & Sohn.)
28 .. Globus. Illustrierte Zeitschrift für Länder- u.Völkerkunde. Bd.LXXXIII.
Nr. 4—24. Bd. LXXXIV. Nr. 1—24. Bd. LXXXV. Nr. 1—3.
(Angekauft.)
*29. Breslau. Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. (V. d. Museum Schlesischer
Altertümer.)
10. Colmar (Elsass). Mitteilungen der Naturhistorischen Gesellschaft in Colmar.
(V. d. G.)
31. Da n zig. Bericht über die Verwaltung der naturhistorischen, archäologischen
und ethnologischen Sammlungen. XXIII. Bericht. 1902. (V. d.West-
preussischen Provinzial-Museum.)
Schriften der Naturforschenden Gesellschaft. (V. d. X. G.)
33. Da rm stadt. Quartal blattet des Historischen Vereins für das Grossherzogtum
Hessen. Neue Folge. Bd. I. Jahrg. 1891— 95. Bd. II. Jahrg. 1896
bis 1900. Bd. III. Jahrg. 1901—03. (Von Hrn. Lissauer.)
34. .. Archiv für Hessische Geschichte und Altertumskunde. Neue Folge.
Bd. I— III. 1*93—1902. (Von Hrn. Lissauer.)
*35. Dessau. Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Alter-
tnmskunde. (V. d. V.)
36. Dresden. Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen
Gesellschaft Isis. Jahrg. 1902, Juli-Dezbr. Jahrg. 1903, Jan.-Juni.
(V. d. G. I.)
7 .. Jahresberichte des Vereins für Erdkunde. (V. d. V. f. E.)
38. Dürkheim. Mitteilungen der Pollichia. 58. Jahrg. 1901. Nr. 14 u. 15.
59. Jahr-- 1902. Nr. 16 u. 17. (V. d. V.)
— 16
*39. Emden. Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische
Altertümer. (V. d. G.)
40. Erfurt. Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde
von Erfurt. Heft XXIV. Jahrg. 1903. Teil I u. II. (V. d. V.)
*41, Flensburg. Bericht über Verwaltung und Ankäufe des Städtischen Kunst-
gewerbe-Museums. (V. d. Direktor des Museums.)
42. Giessen. Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins. (V. d. 0. G.)
■43. Görlitz. Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte
der Oberlausitz. (V. d. G.)
44. Gotha. Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes' Geogra-
phischer Anstalt. Bd. 49. 1903. 1—12. (Angekauft.)
*45. Greifswald. Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft. (V. d. G. G.)
46. Greifs wald und Stettin. Internationales Centralblatt für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte. Jahrg. VIII. Heft 1 — 6. (Von Hrn.
M. Bartels.)
::47. „ Berichte der Gesellschaft für Völker- und Erdkunde zu Stettin. (Von
der Gesellschaft.)
48. Guben. Mitteilungen der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und
Urgeschichte. Bd. VII. Heft G-8. (V d. N. G f. A. u. ü.)
49. Halle a. S. Mitteilungen des Vereins für Erdkunde. Jahrg. 1903. (V. d.
V. f. E.)
50. ,, Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder.
II. Bd. 1903. (V. d. Provinzial-Museum der Prov. Sachsen.)
51. Hannover. Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen. Jahrg. 190-2.
Heft 4. Jahrg. 1903. Heft 1—3. (V. d. V)
52. Kassel. Mitteilungen an die Mitglieder des Vereins für Hessische Geschichte
und Landeskunde. Jahrg. 1901.
53. „ Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde.
Neue Folge. Bd. XXVI.
(52 u. 53 v. d. V. f. H. G. u. L.)
54. Kiel. Mitteilungen des Anthropolog. Vereins in Schleswig-Holstein. 1903.
Heft 16. (V. d. A. V.)
*55. ,, Bericht des Schleswig- Holsteinischen Museums vaterländischer Alter-
tümer. (V. d. M.)
"56. Königsberg i. Pr. Sitzungsberichte der Altertums - Gesellschaft Prussia.
(V. d. A.-G P.)
57. „ Schriften der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft. 43. Jahrg. 1902.
(V. d. Ph.-Ök. G.)
*58. Leipzig. Bericht für das Museum für Völkerkunde. (V. d. M.)
59. .. Der Alte Orient, Gemeinverständliche Darstellungen. V. Jahrg. Heft 1
bis 3. (Angekauft.)
60. Hessische Blätter für Volkskunde. Bd. II. Heft 1 u. 2. (V. d. Hess.
Vereinigung für Volkskunde.)
61. „ Mitteilungen betreffend die Weltausstellung in St. Louis 1904. (Von
der Redaktion.)
62. Lötzen. Mitteilungen der Literarischen Gesellschaft Masovia. VIII. Jahrg.
Heft 8. (V. d. L. G. M.)
63. Meiningen. Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums. Herausg.
v. d. Henneb. Altcrtumsforschenclen Verein. Lieferung 16 u. 17.
(V. d. H. A. V.)
17 —
63. Metz. Jahrbnch der Gesellschaft für Lothringische Geschichte und Alter-
tumskunde. XIV. Jahrg. 1902. (V. d. G.)
*64. München. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. (V. d.
Münchener G. f. Anthr., Ethn. u. U. ß.)
65. „ Altbayerische Monatsschrift. Herausg. vom Histor. Verein von Ober-
Bayern. Jahrg. IV. Heft 1—3.
66. _ Oberbayerisches Archiv.
(65 u. 66 von dem Hist. Verein von und für Ober-Bayern.)
67. .. Prähistorische Blätter. XV. Jahrg. 1903. Nr. 1—6. (Von Hrn. Prof.
J. Naue.)
:68. Münster. Jahresberichte des Westfälischen Provinzial -Vereins für Wissen-
schaft und Kunst. (V. d. V.)
*69. „ Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 60
u. Register zu Bd. 1—50. (V. d. Red.)
*70. Neu-Brandenburg. Jahresbericht über das Museum in Neu-Brandenburg.
(V. d. M.)
*71. Neu-Haldensleben. Aus dem Alier-Verein. (V. d. V.)
*72. Nürnberg. Mitteilungen aus dem Germanischen National-Museum.
*73. „ Anzeiger des Germanischen National-Museums. Jahrg. 1901. Heft 4.
Jahrg. 1902. Heft 1—4. Jahrg. 1903. Heft 1—3.
(72 u. 73 v. d. G. N.-M.)
74. „ Abhandlungen der Naturhistorischen Gesellschaft. Bd. XV. (Von
der Gesellschaft.)
*75. Oldenburg (im Grossherzogtum). Schriften des Oldenburger Vereins für
Altertumskunde und Landesgeschichte. Bd. XL 1902. (V. d. 0. V.)
76. Osnabrück. Mitteilungen des Historischen Vereins. Bd. XXVII. 1902.
(V. d. H. V.)
77. Posen. Historische Monatsblätter für die Provinz Posen. III. Jahrg. 1902.
Nr. 7—12. (V. d. H. G.)
78. „ Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen.
XVII. Jahrg. 2. (V. d. H. G.)
TU. „ Roczniki towarzystwa Przyj. nauk Poznänskiego. Tom XXIX.
(V. d. G.)
80. Prenzlau. Mitteilungen des Uckermärkischen Museums- und Geschichts-
Vereins. Bd. II. Heft 1 u. 2. (V. d. V.)
*81. Salzwedel. Jahresberichte des Altmärkischen Vereins für vaterländische
Geschichte. XXVIII. Jahrg. (V. d. a. V. f. v. G.)
82. Schwerin. Jahrbücher und Jahresberichte des Vereins für Mecklenburgische
Geschichte und Altertumskunde. Jahrg. 68. (V. d. V. f. M. G. u. A.)
*83. Speyer. Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz. XXVI. (V. d. V.)
*84. Stettin. Baltische Studien. Xeue Folge. Bd. VI. Inhaltsverzeichnis zu
Bd. I— XLVI.
85. n Monatsblätter. Herausgegeben von der Gesellschaft für Pommerische
Geschichte und Altertumskunde. 1901. Nr. 1—12.
(84 u. 85 V. d. G. f. P. G. u. A.)
*8(l. Stuttgart. Württemberg. Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. (V. d. V.)
87. „ Fundberichte aus Schwaben. X. Jahrg. 1902. (V. d. V.)
88. „ Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie. Bd. V. Heft 2 u. 3.
Bd. VI. (V. d. Red.)
Zeitschrift für Ethnologie. Jahr-:. 19W. 2
— 18 —
89. Trier. Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst. XXI. Jahrg.
Heft 4. XXII. Jahrg. Heft 1 u. 2.
90. „ Korrespondenzblatt für Geschichte und Kunst. XXI. Jahrg. 1902.
Nr. 12. XXII. Jahrg. 1903. Nr. 1—10.
91. „ Limesblatt. Nr. 35.
*92. .. Jahresberichte der Gesellschaft für nützliche Forschungen.
(89—92 v. d. G. f. n. F.)
93. Tübingenund Leipzig. Archiv für Religionswissenschaft. Bd. VI. Heft 1 — 4.
(Von Hrn. M. Bartels.)
94. Wernigerode. Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertums-
kunde. XXXV. Jahrg. 1902. Heft 2. XXXVI. Jahrg. 1903. Heftl.
(V. d. H.-V.)
95. Wiesbaden. Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und
Geschichtsforschung. XXXIII. Bd. 190.2 Heft 1.
96. „ Mitteilungen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Ge-
schichtsforschung. 1902/1903. Nr. 1—4. 1903/1904. Nr. 1.
(95 u. 96 v. d. V. f. N. A. u. G.)
97. Wolfenbüttel. Braunschweigisches Magazin. Bd. VIII. Jahrg. 1902.
98. ., Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig.
Bd. 1. 1902.
(97 u. 98 vom Geschichtsverein.)
II. Europäisches Ausland.
Nach Ländern und Städten alphabetisch geordnet.
Belgien.
99. Brüssel. Bulletins de l'Academie Royale des Sciences, des Lettres et des
Beaux-Arts de Belgique. 1902. No. 12. 1903. No. 1—10.
100. „ Annuaire de l'Academie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-
Arts de Belgique. 1903.
(99 u. 100 v. d. Ac. R.)
101. M Annales de Musee du Congo . . . Ethnographie et Anthropologie.
Ser. IV. Fase. 1—3. (V. Musee du Congo.)
102. Bulletin de la Societe d' Anthropologie. Tome XIX. 1900/1901.
(V. d. S. d'A.)
103. ., Annales de la Societe d'Archeologie. Tome XVI. 1902. Liv. 3 et 4.
Tome XVII. 1903. Liv. 1—4.
104. „ Annuaire de la Societe d'Archeologie. Tome XIV. 1903.
(103 u. 104 v. d. S. d'Arch.)
105. Lütt ich. Bulletin de 1' Institut archeologique Liegeois. Tome XXXII.
(V. d. I.)
Dänemark.
106. Kopenhagen. Memoires de la Societe Royale des Antiquaires du Nord.
N. S. 1902.
1<>7. „ Aarböger for nordisk Oldkyndighed og Historie. 1902. Bd. XVII.
1!» —
](»8. Kopenhagen. Nordiske Fortidsminder, udgevne af det Kgl. Xordiske Oldskrift
Selskab. Heft 5 u. 6.
(106—108 v. d. N. 0. S.)
109. Reykjavik (Island). Arbök hins tslenzka fornleifafelag. 1903. (V. d. I. f.)
Finnland.
110. Helsingfors. Journal de la Societe Finno - Ougrienne. (Suomalais-
Ugrilaisen Seuran Aikakauskirja.)
•111. „ Memoires de la Societe Finno-Ougrienne. (Suoraalais-Ugrilaisen Seuran
Toimituksia.)
*112. „ Finska Fornminnesföreningens Tidskrift.
•113. „ Finskt Museum. Finska Fornminnesföreningens Mänadsblad.
*114. „ Suomen Museo. Suomen Muinaismuisto-Yhdistyksen Kuukauslethi.
(110—114 durch Hrn. Aspelin.)
Frankreich.
115. Bordeaux. Actes de la Societe Linneenne de Bordeaux. Vol. 57. Tome VII.
(V. d. G.)
116. Grenoble. Bulletins de la Societe Dauphinoise d'Ethnologie et d'Anthro-
pologie. Tome IX. 1902. Nr. 3 u. 4. TomeX. 1903. Xr. 1 u. 2.
(V. d. S.)
117. Lyon. Bulletin de la Societe d' Anthropologie. Tome XXI. 1902. fasc. 2.
(V. d. S. d'A.)
118. .. Archives du Museum d'histoire naturelle. Tome VIII. (V. d. M.)
119. Paris. L'Anthropologie. [Materiaux pour l'histoire de l'homme, Revue
d'Anthropologie, Revue d'Ethnographie reunis.] 1902. Tome XIII.
Nr. 6. 1903. Tome XIV. Nr. 1—5. (Von d. Verleger Hrn. Masson.)
120. „ Le Tour du Monde. Jahrg. 1903. Nr. 3— 52. Jahrg. 1904. Xr. 1 et 2.
121. „ A Travers le Monde. Jahrg. 1903. Xr. 3— 52. Jahrg. 1904. Nr. 1 et 2.
(120 u. 121 von Hrn. M. Bartels.)
122. .. Bulletin de Correspondence Hellenique. Jahrg. 1901. XXV. 7 — 12.
Jahrg. 1902. XXVI. 1—6. (V. d. Ecole Franchise d'Athenes.)
:: 123. „ Memoires de la Delegation Franchise en Perse. (V. M. J. de Morgan.)
124. .. Memoires de la Societe d'Anthropologie. Tome IL Fasc. 3.
125. .. Bulletins de la Societe d'Anthropologie. Tome III. 1902. Fasc. 3— 6.
(124 u. 125 v. d. S. d'A.)
126. .. Revue mensuelle de l'Ecole d'Anthropologie. Jahrg. XIU. 1903.
Heft 1—12. (V. d. Ecole d'Anthrop.)
127. .. Annales du Musee Guimet. Tome XXX, III • Partie.
128. .. Annales du Musee Guimet. (Bibliotheque d'etudes.) Tome XI, XIV. XV.
129. .. Revue de l'histoire des religions. Tome XL VI. Xo. 1— 3. Tome XLVII.
No. 1—3.
(127 — 129 v. d. Ministere de ['Instruction publique.)
Griechenland.
130. Athen. BtjSXto&qxt] rv;; hf 'Advjvatg ap^ats/.oyjxv;; sTxiptctz. (V. d. G.)
131. „ Asknov r-^q Ijropiy.Y,; x.cc: s\\\ :/.:-,.:<; : '=to.ic.-j.z ty: 'E'K't.x'::. (Von der
Historischen und Ethnologischen Gesellschaft von Griechenland.)
— 20 —
r 132. Athen. Ilpa/mx«. rv[q ev 'Advjvaig 'Ap^a.ioXo'yixyjs 'Eroupeiag.
133. „ 'E^vj/xepi; ap^oucXoYtxv;. Jahrg. 1902. Heft 3 u. 4. Jahrg. 1903.
Heft 1 u. 2.
:134. „ 'EneTYipic, IIa,p\>öt.<r<rou.
(132—134 v. d. archäol. G.)
135. „ Mitteilungen des Kaiserlich - deutschen Archäologischen Institutes.
Bd. XXVII. 1!»02. Heft 3-4. Bd. XXVIII. 1903. Heft 1 u. 2.
(V. d. Archäolog. Institut.)
Grossbritannien.
136. Edinburgh. The Scottish Geographical Magazine. Vol. XIX. 1903. Nr. 2— 12.
Vol. XX. 1904. Nr. 1. (V. d. Sc. G. Society.)
137. „ Proceedings of the Society of Antiquaries of Scotland. Vol. XXXVI.
1901—1902. (V. d. S.)
138. London. The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and
Ireland. Vol. XXXII, July-Dec, 1902. Vol. XXXIII, Jan. -June,
1903. (V. d. A. I.)
139. „ The Reliquary and illustrated Archaeologist. Vol. VIII. 1902. Nr. 4.
Vol. IX. 1903. Nr. 1—4. (Angekauft.)
Italien.
140. Bologna. Memorie della R. Accadenüa delle Scienze. Serie V. Tomo VIU.
141. „ Rendiconto delle sessioni della Reale Accademia delle Scienze dell'
Istituto di Bologna. Vol. IV. (1899—1900.)
(140 u. 141 v. d. R. A.)
142. Como. Rivista archeologica della provincia e antica diocesi di Como.
Pasciculo 47. (V. d. Societä Archeologica Comense.)
143. Florenz. Archivio per l'Antropologia e la Etnologia. 1902. Vol. XXXII.
Fase 3. 1903. Vol. XXXIII. Fase. 1—2. (Von Hrn. P. Mante-
gazza.)
144. „ Bollettino di Publicazione Italiane. 1903. Nr. 25—36. (V. d. R.)
145. „ Rivista Geografica Italiana. Vol. X. Fase. 1 — 10. (V. d. Societä
di studi geografici e coloniali.)
146. Neapel. Bollettino della Societä Africana d'Italia. Ann. XXI. Fase. 11
bis 12. Ann. XXII. Fase. 1—2. (V. d. S. A.)
147. „ Rivista mensile di Psichiatria forense, Antropologia criminale e scienze
affini. Anno V. Nr. 11-12. Anno VI. Nr. 1 — 11. (Von der
Redaktion.)
148. Parma. Bullettino di Paletnologia Italiana. Serie HI. Tomo IX. Anno
KXIX. Nr. 1—9. (Von Hrn. L. Pigorini in Rom.)
149. Rom. Atti della Societä Romana di Antropologia. Vol. IX. Fase. 1 — 3.
(V. d. S.)
150. fl Bullettino doli' Istituto. Mitteilungen des luiiserlich Deutschen Archäo-
logischen Instituts. Vol. XVII. li»(»2. Fase. 3— 1. Vol. XVIII.
1903. Fase. 1—2. (V. d. Arch. Inst.)
151. „ Atti della Reale Accademia dei Lincei. Vol. XII. I" Sem. Fase. 1 — 12.
Vol. XII. II" Sem. Fase. 1-12.
— 21 —
152. Rom. Rendiconti della Reale Accademia dei Lincei. Vol. XI. Fase. 11— 12.
Vol. XII. Fase. 1—10.
153. „ Noti/.ie degli seavi di antichitä. 1902. Fase. 10— 12. 1903. Fase. 1—9.
(151 — 153 v. d. R. A. d. L.)
Luxemburg.
\')4. Luxemburg-. Ons Hemecht. Organ des Vereins für Luxemburger Ge-
schichte, Literatur und Kunst. IX. Jahrg. Heft 2. (V. d. V.)
Niederlande.
155. Assen. Verslag' van de Commissie van bestuur van het Prov. Museum van
Oudheden in Drenthe aan de gedeputeerde staten. (V. d. Mus.)
156. 's Gravenhage. Verslag van den Directeur van Rijks Ethnographisch
Museum te Leiden. 1901/1902. (V. d. R. E. Museum.)
157. Haag. Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-
Indie. 1903. 7e volgr. I, 1 — 4. (V. d. Koninklijk Instituut voor
de T.-, L.- en V. v. N.-I.)
158. Leiden. Internationales Archiv für Ethnographie. Bd. XV. Heft 5 — 6.
Bd. XVI. Heft 1—3. (Von dem Kgl. Niederländischen Kultus-
Ministerium.)
Norwegen.
159. Bergen. Beryens Museums Aarsberetning. 2. Jahrg. 1902. Heft 3 — 4.
1!>03. Heft 1—2. (V. d. Mus.)
160. Kristiania. Aarsberetning fra Foreningen til Norske Fortidsmindesmerkers
bevaring. 1902.
161. .. Aarsberetning fra Foreningen for Norsk Folkemuseum. 1902. VI II.
*162. ,, Kunst og Handverk fra Norges Fortid.
(160 — 162 v. d. Universitets Sämling af nordiske Oldsager.)
Österreich- Ungarn.
:: L63. Brunn. Museum Francisceum: Annales. (Von der k. k. Mährischen Ackerbau-
Gesellschaft.)
164. Budapest. Archaeologiai Ertesitö. XXII. Bd. 1902. Nr. 5. XXIII. Bd.
190.!. Nr. 1—5. (V. d. Anthropolog.-archäologischen Gesellschaft.)
lt>5. ., Sammlungen des Ungarischen Xational-Museums. (Von dem Museum.)
* 166. öaslau. Vestnik ceskoslovanskych musei a spolkü archaeologickych. (V.
d. V.)
167. Hermannstadt. Archiv des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde.
Bd. XXX. Heft 3. Bd. XXXI. Heft 1. Bd. XXXII. Heft 1.
168. fl Jahresbericht des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde. Jahrg.
1902.
(167 u. 168 v. d. V.)
169. Innsbruck. Zeitschrift des Ferdinandruins für Tirol und Vorarlberg.
III. Folge. Heft 47. (V. d. F.)
17(i. Krakan. Anzeiger der Akademie der Wissenschaften. bfathem.-natnrwiss.
Klasse. Jahrg. 1902. Nr. 8— 10. Jahrg. 1903. Xr. 1—9. Historisch-
philosophische Klasse. Jahrg. 1902. Nr. 8- 10. Jahrg. 190...
Nr. 1 '.».
— 22 —
171. Krakau. Materialy antropologiczno-archeologiczne. Tom VI. 1903.
*172. „ Rozprawy Akademii umiejetnosci.
(170— 172 v. d. A. d.W.)
173. Laibach. Argo, Zeitschrift für krainische Landeskunde. IX. Jahrg. 1902.
Nr. 1. (V. d. Red.)
174. „ Mitteilungen des Museal- Vereins für Krain. XV. Jahrg. Heft 3 — 6.
175. „ (Ljubjani.) Izvestja muzejskega drustva za Kranjsko. Letnik XII.
Sesit 1—6.
(174 u. 175 v. d. M.-V.)
176. Lemberg. Kwartalnik historyczny. 1902. Jahrg. XVI. Nr. 4. (Von dem
Historischen Verein.)
177. „ Chronik der Uckrainischen Sevcenko-Geseilschaft der Wissenschaften.
Jahrg. 1902. 1903. Heft 1. u. 2.
178. „ Sbirnik [Ruthenisch]. Ethnographische Sammlung. T. 10 — 13.
179. „ Materiaux [ruthenisch] pour l'ethnologie ukraino-ruthene. T. 1 — 5.
(177—179 v. d. Sevcenko-Geseilschaft.)
180. Olmütz. Casopis vlasteneckeho Musejniho spolku Olomuckeho. Roenik XX.
Cislo 77—80. (V. d. V.)
181. Prag. Pamatky archaeologicke a mi'stopisne. Dilu XX. Sesit 2 — 8. (Von
dem Museum Regni Bohemiae.)
1*2. „ Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen.
XLI. Jahrg. (V. d. V.)
183. „ Bericht der Lese- und Redehalle deutscher Studenten. 1902. (V. d.
V. d. L. u. R.)
184. „ Cesky Lid. Roenik XII. 1902. Cislo 4—10. Rocmk XIII. 1903.
Cislo 1— :i. (V. d. Red.)
185. „ Casopis Spolecnosti Pratel Staroznitnosti Ceskych. Roenik IX u. X.
Roenik XI. Cislo 1-3. (V. d. Sp.)
186. „ Narodopisny sbornik Ceskoslovansky. Svazek IX. (Von dem Verein.)
*187. „ Vestnik slovanskych starozitnosti. 1901. Roenik 2. (Von Hrn. L.
Niederle.)
*188. „ Bericht über das Museum des Königreichs Böhmen. Jahrg. L902.
(Von dem Museum.)
189. Salzburg. Jahresberichte des städtischen Museum Carolino-Augusteum.
Jahrg. 1902. (V. d. M.)
190. Teplitz. Tätigkeits - Bericht der Teplitzer Museums - Gesellschaft. 1902.
(V. d. G.)
191. Tri est. Atti del Museo civico di storia naturale. X. Vol. 4. (V. d. M.)
192. „ Bollettino della Societä Adriatica di Scienze naturali. Vol. XX.
(V. d. S.)
193. Ungarisch-Hradisch, Prav<'-k. Üstredni list pro praehistorii u anthro-
pologii zemi Ceskych. 1903. Cislo 2 — 3. (V. d. Red.)
194. Wien. Annalen des k. k. Naturhistorischen Hofmuseums. Bd. XVII. Nr. 3 — 4.
Bd. XVIII. Nr. 1—3. (V. d. M.)
195. „ Mitteilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft. Bd. XXXIII.
Heft 1-5. (V. d. A. G.)
196. „ Mitteilungen der prähistorischen Kommission der Kaiserl. Akademie
der Wissenschaften. Bd. 1. Nr. 6. 1903. (V. d. Pr. K.)
197. „ Mitteilungen der k. k. Central-Kommission zur Erforschung und Er-
haltung der Kunst- und historischen Denkmale. Bd. XXVIII. Heft 1.
X. P. Bd. I. Nr. 1—12. Bd. II. Nr. 1—10. (V. d. k. k. C.-K.)
- 23 -
• 198. Wien. Wissenschaftliche Mitteilungen aus Bosnien und der Herzegowina.
Herausgegeben von demBosnisch-Herzegowinischen Landes-Museum
in Sarajevo. Bd. VIII. (V. d. L.-M.)
199. „ Zeitschrift für österreichische Volkskunde. VIII, Jahrg. 1902. Heft 6.
IX. Jahrg. 1903. Heft 1—4. (V. d. V. f. üsterr. Volkskunde.)
Portugal.
200. Lissabon. 0 Archeologo Portuguez. Vol. \IL Nr. 10—12. Vol. VIII.
Nr. 1 — 9. (V. d. Museo Ethnographico Portuguez.)
201. Porto. Portugalia. Materiaes para o estudo do povo portuguez. Tomo I.
Fase. 1—4. 1899— 1903. (Ton der Redaktion.)
Russland.
202. Dorpat. Sitzungsberichte der gelehrten Estnischen Gesellschaft. Jahrg. 1902.
•203. „ Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gesellschaft.
(202 u. 203 v. d. G.)
*204. Kasan. Mitteilungen der Gesellschaft für Archäologie, Geschichte und
Ethnographie. (V. d. G.)
*205. Moskau. Arbeiten der anthropologischen Abteilung. [Nachrichten der
Kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften.]
(Von Hrn. Anutschin.)
206. ., [Russisch.] Denkschriften der Russischen Gesellschaft 1903. Bd. 27.
(V. d. G.)
207. „ „Erdkunde". [Russisch.] Periodische Zeitschrift der geographischen
Abteilung der Kaiserl. Gesellschaft der Freunde der Naturkunde,
Anthropologie und Ethnographie. 1902. Heft 4. 1903. Heft 2— 3.
(V. d. G.)
*208. „ Kawkas. [Russisch.] Materialien zur Archäologie des Kaukasus und
der östlichen Gouvernements Russlands. (Von der Moskauer
k. archäolog. G.)
209. ., Journal [russisch], Russisches, anthropologisches. Jahrg. 1902.
Nr. 3—4. (V. d. Anthropol. Gesellschaft.)
2 1 0. St. Petersburg. Arbeiten der Anthropol. Gesellschaft der militär-medi-
zinischen Akademie. (V. d. G.)
211. „ Bulletin [russisch] de la Commission Imperiale Archeologique.
Livr. 1—5. 1901—1903. (V. d. k. Archäolog. Kommission.)
212. „ Mäteriaux [russisch] pour servir a rareheologie de la Russie.
Livr. 22—29.
213. „ Compte [russisch] rendu de la Commission Imperiale Archeologique.
1896—1900.
(212 u. 213 d. k. Archäologischen Kommission.)
214. „ Bericht [russisch] der k. Russischen Geographischen Gesellschaft.
Jahrg. 1902. Heft 1—2. (V. d. G.)
215. Warschau. Wisla. Tome XVII. 1903. Nr. 1-6. (V. d. Red.)
-Mi;. „ Swiatowit. (V. d. Red.)
Schweden.
217. Stockholm. Antiqvarisk Tidskrift for Sverige. Del XVII. Nr. I u. 2.
218. .. Akademiens Mänadsblad. Jahrg. L900.
(217 u. 218 v. d. Kgl. Vitterhets Historie ogAntiqvitets Akademien.)
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220. „ Meddelanden frän Nordiska Museet 1901. Stockholm: Norstedt et S.
1903. 8°. (Von dem Museum.)
221. „ Minnen fra Nordiske Museet. Bd. II. Heft 8—12.
*222. .. Handlüigar angäende nordiske Museet.
(221 u. 222 von Hrn. Hazelius.)
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*224. „ Svenska Konstminnen frän Medeltiden och Renässansen.
(223 u. 224 v. d. G.)
225. „ Ymer. 1903. Heft 1—3.
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(225 u. 226 v. d. Universitäts-Bibl. i. Upsala.)
Schweiz.
227. Zürich. Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde. Neue Folge. Bd. IV.
1902/1903. Nr. 4. Bd. V. 1903/1904. Nr. 1.
228. „ Jahresbericht des Schweizer. Landesmuseums in Zürich. Jahresb. 11.
(227 u. 228 v. d. Schweizerischen Landes-Museura.)
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Zürich. (Von Hrn. Heierli.)
230. ,, Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft. Bd. XXVI. Heft 1.
(V. d. A. G.)
*231. „ Mitteilungen aus dem Verbände der Schweizerischen Altertums-
Sammlungen usw. (V. d. Red.)
232. „ Schweizerisches Archiv für Volkskunde. VII. Jahrg. Heft 1 — 4. (V. d.
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III. Afrika.
233. Tunis. Revue Tunisienne, publiee par le Comite de l'Institut de Carthage.
Tome X. 1903. Nr. 38—42. (V. d. Ass. T d. L. Sc. et Arts.)
IV. Amerika.
234. Austin. Transactions of the Texas Academy of Science, for 1899 Vol. III.
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235. Boston (Mass. U. S. A.). Proceedings of the Boston Society of Natural
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'236. Buenos -Aires (Argentinische Republik). Anales del Museo Nacional.
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255. Philadelphia. Bulletin ofthe Free Museum of Science and Art, Dep. ofArcli.
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*257. Rio de Janeiro. Revista do Museu Nacional. (V. d. M.)
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5Tear ending Jnne 30. 1900/1901. (V. d. S. I.)
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:2ti4. .. Special Papers ofthe Anthropological Society. (V. d. S. I.)
265. _ Bulletin of the Bureau of American Ethnology. 26.
266. Publications of the Bureau of American Ethnology of the Smithsonian
Institution. Bulletin 27.
267. _ Bulletin of the V. S. National Museum. Nr. 50. Part II. Nr. 51. 52.
Proceedings of the U. S. National Museum. Vol. 24. 1902. Vol. 25.
1903. Vol. 26. 1003.
('2G~> — 268 v. d. Smithsonian Inst.)
— 26 —
V. Asien.
269. Batavia. Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- enVolkenkunde. Deel XLVL.
Afl. 1—6.
270. .. Notulen van de Algeraeene en Bestuursvergaderingenvan hetBataviaasch
Genootschap van Künsten en Wetenschapnen. Deel XL. 1902. Afl. 4.
Deel XLI. 1903. Afl. 1.
271. „ Verhandelingen van het Bataviaasch Genootschap van Künsten en
"Wetenschappen. Deel LIV. 2. Deel LV. 3.
*272. „ Nederlandsch-indisch Plakatboek.
273. „ J. A. van der Chijs, Dagh-Register. Anno 1675. 1676.
(269—273 v. d. G.)
274. Bombay. The Journal of the Anthropological Society. Vol. VI. Nr. 3 — 6.
(V. d. S.)
*275. „ Report on the search for Sanskrit Mss. in the Bombay Presidency.
276. Calcutta. Epigraphia Indica and Record of the Archaeological Survey of
India. Vol. VII. Part 4—7.
277. „ A descriptive catalogue of Sanskrit Mss. in the Library of the Calcutta
Sanskrit College. Nr. 17—18.
*278. „ Report on the search of Sanskrit Mss.
*279. „ Notices of Sanskrit Mss. pbl. under orders of the Government of Bengal.
(275—279 v. d. Government of India.)
280. „ Proceedings of the Asiatic Society of Bengal. 1902. Nr. 6 — 11.
1903. Nr. 1—5.
281. „ Journal of the Asiatic Society of Bengal. Philological Series. Vol. LXXI.
Part III. Nr. 1—2. Vol. LXXII. Part III. Nr. 1. Anthropological
Series. Vol. LXXI. Part III. Nr. 2.
2x2. Colombo. Journal of the Ceylon branch of the Royal Asiatic Society.
Vol. XVII. Nr. 53.
(280—282 v. d. Gesellschaft.)
283. Hanoi. Bulletin de l'Ecole Francaise d'Extreme- Orient. 1902. Tome II.
Nr. 4. Tome III. Nr. 1—3. (V. d. Ecole Fr. d'E.-Orient in Hanoi.)
"284. Kyoto. The Calendar, Imperial University of Japan. (V. d. I. U. o. J.)
285. Madras. Bulletin (of the) Madras Government Museum. Vol. IV. Nr. 3.
(V. d. M.)
::286. „ Report on a search for Sanskrit and Tamil Mss. prepared under the
orders of the Government of Madras. (V. d. Goverment.)
287. Shanghai. Journal of the China Branch of the Royal Asiatic Society.
N. S. Vol. XXIX. 1894—1895. Vol. XXXIII. 1899 — 1900.
(V. d. S.)
288. „■ Der ferne Osten. Bd. I. 1902. Bd. II. 1903. Heft 1—2. (Angekauft.)
289. Singapore. Journal of the Straits Branch of the Royal Asiatic Society.
Nr. 39. (V. d. S.)
*290. Tiflis. Bericht über das Kaukasische Museum und die öffentliche Bibliothek
in Tiflis.
*291. „ Mitteilungen des Kaukasischen Museums.
(290 u. 291 v. d. Museum.)
292. Tokio. Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde
Ost -Asiens. Bd. IX. Teil 2 u. 3. (V. d. G.)
"293. Wladivostok. Denkschriften der Gesellschaft für Erforschung des Amur-
Gebietes. (V. d. Gesellsch.)
- 27 -
VI. Australien.
294. Adelaide. Memoirs of the Royal Society of South Australia. Vol. II. Parti.
(V. d. R. S.)
2ü5. „ Transactions of the Royal Society of South Australia. Vol. XXVI.
Vol. XXVII. Part I. (V. d. Anthropological Society of Australasia.)
29G. Brisbane (Queensland). Bulletin of North- Queensland Ethnography 190o.
Nr. 5 u. 6. (Von Hrn. W. Roth).
•297. Sydney. Report of the trustees of the Australian Museum.
298. ,, Records of the Australian Museum. Vol. IV. Nr. 8. Vol. V.Nr. 1.
299. B Memoirs of the Australian Museum. Mem. IV. Part 6.
(297—299 v. d. M.)
300. „ Science of man. Vol. V. Nr. 11— 12. Vol. VI. Nr. 1—6. 10. (Von
der Red.)
VII. Polynesien.
301. Honolulu. Memoirs of the Bernice Pauahi Bishop Museum of Polynesian
Ethnology and Natural History. Vol. I. Nr. 5.
302. „ Occasional papers of the Bernice Pauahi Bishop Museum of Polynesian
Ethnology and Natural History.
(301 u. 302 v. d. M.)
I. Abhandlungen und Vorträge.1)
1. Language, Organization ancl Initiation Ceremonies
of the Kogai Tribes, Queensland.
By
R. H. Mathews, L. S.
Synopsis. Introductory — Orthography — Kogai Grammar. — A mystic
Language — Social Organization. — Initiation Ceremonies —
Kogai Vocabulary.
The aboriginal tribes who speak the Kogai language are scattered
over an extensive region of Southern Queensland, watered by the
Balonne, Maranoa and Coogoon rivers, and extending westerly towards
^Yallam Creek. On the south-east they are bounded by the tribes speaking
the Yualeai language2). a grammar and vocabulary of which 1 contributed
to the Royal Society of New South Wales last year. The Murawarri
tribes adjoin the Kogai on the south-west, and their language has been
dealt with by nie in a communication to the Royal Geographical Society
of Queensland3). Eastward of the Yualeai is the territory of the Pikumbil
tribe, a grammar of whose speech has also been published by me*). It will
be evident, therefore, that the present article on the Kogai is the fourth
native language of Queensland of which T have explained the grammatical
strueture.
It will be admitted by every one that the study and preservation of
the language« of any primitive and uncultivated people must possess a
high and enduring interest for ethnologists and linguists on all parts of
the world. More especially does this apply to the Australian aborigines.
becausc thev are rapidly dying out before the advancing tide of European
civilization; and unless something shall be done promptly, their languages,
their Initiation ceremonies, ancl their social Organization, will be lost
to science. I have therefore presumed to forward to your Society
thie shori treatise. in the hope that you will publish it, and by that
1) Diese Abteilung enthält nur Abhandlungen und Vorträge, welche in
früheren Sitzungen vorgelegt, bezw. gehalten wurden, aus äusseren Gründen
aber in den V i irhan '1 1 ungen nicht mehr Aufnahme fanden.
2 „The Xualeai Language", Journ. Roy. Soc. N. S. Wales, vol. XXXVI, pp. 1 : *. T — 1 12
pp. 179—190.
3 „The Murawarri Language", Queensland Geographical Journal, vol. XVIII.
I „The Pikumbil Language«, Journ. Roy. Soc. N. S. Wals. vol. XXXVT, pp. 14:'.— 1 l.\
- 29 -
means bring fche Languages and customs of the Australian aborigines
prominently before the linguists of fche germau Empire, and of Hurope
generally. It is niuch to be regretted that very few men have beeo found
capable of learning and recording the Constitution of the native lange
of Australia.
In common with other Australian languages deali with by me, the
Kogai fcongue possesses a double form of the first person of fche <lu;il and
plural, in every^ part of speech snbject to infiection, by means of which
rhu person spuken to inay be included or exeluded. It niay l)e mentioned
that I was the first author to give füll details of this peculiarity in the
aboriginal languages of Australia1). although it liad been observed to a
certain extent in soine of the islands of the Pacific Ocean, and among
fche indians of North America. The Kogai likewise contains a dual as
well as a plural number in all parts of speech.
In the following pages I shall endeavour to record and preserve the
elements of the Kogai grammar, together with a vocabulary of about
335 words. All the materials of the grammar, and of the vocabulary
have been collected by me in the camps of the aborigines, and were
noted down direct from the mouths of the native Speakers.
The usual arrangement of words in a sentence is to place the
subjeet first — then the direct objeet — and lastly the verb. The in-
direct objeet often follows the verb. An adjeetive qualifying either the
noniinative or objeetive, follows its noun. Many assertive sentences
«an likewise be given an interrogative meaning by the tone of the
speaker's voiee.
Ir should, perhaps, be mentioned that Revd. Wm. Ridley8), a Pres-
byterian Missionary, collected a brief vocabulary of 72 words of the Kogai,
but 1 am the first author to deal with the grammatical Constitution of
the language.
Orthography.
The system of spelling adopted in this article is the same as that
recommeiided by the Royal Geographical Society of England; but a few
additional forms of spelling have been incorporated to ineet the re-
quirements of the Australian pronunciation, as follows:
As far as pussible, vowels are unmarked, but in some instances it has
been thought necessary to indicate the long sound of a, e, o, and u as
follows: a. e. ö, ü. In a few cases the short sound of u has been
marked thus, n.
G is hard in all cases. R has a rough. trilled sound, as in the
English word ..hurralr. W always commences a word or syllable.
Ng ai the beginning et' a syllable or word has a peculiar nasal sound.
At the end of a word or syllable it has stib>rantiallv fche sound of ng in
tln- Englisch word „kine".
1) Proc. Amer. Philos. Soc, Pliiladoliiliia, vol. XI . p. 1 I".: Jonrn. Roy. Soc. X. S. Wale.-,
vol. XXXV. p. Yl~\ Queensland Geographical Journal, vol. XVII, p. •>•''.
2) ..Kamilaroi and other Australian Languages- (Sydney, l>7,"> . p. 55.
— 30 —
The so und of the Spanish n is frequent; at the beginniug of a ward
or syllable. I have given it as ny, but when terminating a word, the
Spanish letter is used.
Dh is pronounced nearly as th in the English word „that", with a
slight sound of d preceding it. Nh has also nearly the sound of th in
..that'1', but with a slight initial sound of the n.
T is interchangeable with d; p with b\ and g with k.
Ty and dy at the commencement of a word or syllable has nearly
the sound of the English j, or the Spanish ch; thus, dya or tya closely
resembles ja or eha. At the end of a word ty is sounded as one letter,
closely approaching tch in the English word „watch".
Y at the beginniug of a word has its ordinary value as an English
consonant.
Elements of the Kogai Grammar.
Articles.
There are no words directly corresponding to the English articles a
and the; but the demonstrative pronouns, in their various forms, supply
the place of the definite article, the. For example, a native will say „this
man", „that man", „yonder man", and so on. The English adverb, „here",
in its several native forms, is frequently treated as demonstrative, and is
also a Substitute for the definite article.
Nouns.
Xouns have number, gender and case.
Xumber. There are the singular, dual and plnral numbers, which
are declined by postfixes: thus, Dhangur, an opossum. Dhangurgali, a
couple of opossums. Dhangurburala, several or many opossums.
Gender. — In the human family, gender is denoted by different
words, as, murri, a man. Umbi, a woman. Among animals, however, sex
is distinguished by usiug words signifying „male" and „female", as, Dhangur
m'dabe, a male opossum; dhangur unal, a female opossum.
Case. — The cases consist of the nominative, causative, instrumental,
genitive, accusative, dative, ablative and infinitive.
The Nominative indicates anything at rest, and is without inflection,
ihn-, wangal a boomerang; unna, a yamstick. lt also represents the subject
of an intransitive verb, as, ümbi imbunna, a woman sits.
Cansative. This is used for any action described in a transitive verb,
as, ambindu nguran uddyilla, a woman a dog Struck.
The Instrumental takes the same suffixes as the causative.
Genitive. Murringu wangal, a maus boomerang.
The accusative is the same as the nominative.
The «hitive, ablative and infinitive cases are also shown by means of
Buffixed particles to the noun.
Adjectives.
Adjectives are placed after the nouns they qualify, and take the same
inflections f'nr number and case. Comparison is ettected by two positive
— 31 —
statements, such as, tliis is good — fchat is bad. Examples cannot be
given, for want of space, in a short ;irticle.
Pronou iis.
Pronouns have number person and case, and contain fcwo forma in
the first person of the dual and [dural, one of which includes the person
addressed, and the other excludes him.
The following uro examples of the pronouna in the nominative and
possessive eases.
S i ngu I ;i r.
I Ngaia
Thou Enda
He Ngula
Dual.
I We, incl. Ngulli
I We, excl. Ngullinyilla
2d „ You Yuballa
3d „ They Abangga
Plural.
1 si Person
2d „
3d ..
1 si Person
Ist Person
AVe, incl. Ngunna
r we.
I We,
.Mino
Ngaidyn
Thine
Yunn
Eis
Ngungu
()ni>. incl.
Ngullingu
Ours, excl.
Ngullingangu
Yours
Yubulngu
Theirs
Abanggansru
Ours, incl.
Ngunnangu
Ours, excl.
Ngunnangangu
Yours
Yurangu
Theirs
Dhunnungu
2d „ You Ynra
3d „ They Dhunna
In the objective case of pronouns, there are fornis for all persons
and numbers, but they must be omitted for want of space.
There are also variations of the pronouns meaning „towards ine",
„away t'roni nie", etc., as follow
Singular
Singular
Ist Person
2d
3d
1 st Person
2d „
3d
pronouns.
Ngaddyunda
Yununda
Yabbunda
Xgaddyuri
Sunuri
Yabburi
ngnnni. what for?
Towards me
Towards thee
Towards him
Away from me
Away from thee
Away from him
Interrogative
ngunnigo.
Demonstrative pronouns. This, or liere, yillanggo. Tliat. or there.
yabbanggo. Yonder, ünduaddhi. Demonstratives are very numerous. and
of various fornis, frequently taking the place of pronouns of the third
person, in the singular, dual and plural numbers. By the combination of
simple root-words these demonstratives can be made fco indicate position,
direction, distance, movement, number and si/.e. Tf space permitted,
I could show tables of these demonstratives, which would be most
important for comparative purposes.
Verbs.
Verbs have the singular, dual and plural numbers, with the usual
fcenses and nioods. There is a form of the verb for each tense, which
remains coustant through all the persons aud nunibers of that teuse. Any
required person and number can be expressed by using the proper
pronouu from the table given in the foregoing page.
The following is a short conjugation of the principal parts of the
aboriginal verb, nnaia, to beat.
Indicative mood, pre sent teuse.
Singular
Ist Person
2d „
I beat
Thou beatest
3d „ He beats
and so on through the dual and plural.
Fast Teuse.
Ist Person I did beat
and so 011, as in the last example.
Future Teuse.
1 st Person I will beat
Xgaia
ununna
Inda
ununna
Xgula
ununna
Nü'aia
N^aia
unilla
uuilo;o
Imperative Mood
Beat, unaia.
Reflexive.
I am beating myself Ngaia unillunna
Reciprocal.
We did beat each other Ngulli uuimiulla
There are also conditional, negative, and other forms of the verb,
which will be passed over.
Adverbs.
The following are a few of the more comnionly used adverbs:
Yes, yo, No, urra. Now, dhengura. To-day., ngilla. Yesterday,
muguru. This afteruoon, ündanggo. By and bye, bäma. Long ago, ulirru.
Always, öleyamala. Soon, addyari. Really, wara. Here, yillu. Yonder,
yarranggo. How, ugundhauggo. How niany, ngundharan. Where, indyia.
Prepositions.
In front, urbo-urbo. Behind, ulugu. [nside, barrago. Outside, warrago.
Beside, argangga. Between, agabarra. Down, barroga. Up, ngarranga.
Through, dhargangga. Other side, abambarro. This side, illumbarro. On
the left, wargundha. On the right, yulumbarro.
Conjunctions.
The general absence of conjunctions is attributable to the numerous
modifications of the different parts of speech, by means of which sentences
are brought together without the help of connecting words.
1 n terjections and Exclamations.
These parts of speech are not numerous, and are omitted in this
brief article.
N ii in oral s.
One, wangarra. Two, bularri.
— 33 —
A mystic or Beeret Language.
Before concluding tliis short paper on the speech of tho Australian
aborigines, I wisli fco refer to a secret language, uso<l by the inen at fche
ceremonies of initiation, but which is never spoken in fche presence of
women, ore in fche presence of fchose youths who have not yet entered
lipon the prescribed course of initiation. Wliilst the novitiates are away
in the bush in Charge of the eiders of the tribe, they are taught a mystic
aame for surrounding objeets of their everyday life, for animals, for parts
of the human body, and short sontences of general utility.
I was the first autlior1), to draw attention to this mystic tongue, and
du ring- the past yoar I contributed to the Royal Society of New South
Wales some vocabularies of the secret languages of the Kurnu2) and other
Australian tribes. I consider my discovery of this mystic form of speech
is dt* great linguistic importance, and I invite the reader to peruse the
vocabularies in the book referred to.
In connection with this sul)ject, it may be mentioned that in 1901,
I contributed an article to the Eoyal Geographica! Society of Queensland,
on „Some Songs used at Initiation Ceremonies"8), in which I published
several sacred songs in this mystic tongue, which are the first songs of fche
kind ever set to music.
Social Organization of the Kogai.
In examining the social strueture of an Australian tribe, we find that
fche people are divided into two exogamous intermarrying phratries or
groups, fche inen of each phratry intermarrying with the women of the
opposite one. The phratries are subdivided iuto sections bearing dis-
tinetive names. These divisions liave been called organisations or Systems.
1 have already dealt comprehensively with this subjeet*), and will there-
fore now merely refer to it as far as it concerns the people I am
dealing with.
The Kogai tribes are segregated into two phratries, called Wütheru
and Vüngo. The former phratry is again divided inlo two sections, called
Wungo and Oburu respectively, and the latter inl > two. called Unbe and
Urgilla, tlins making a total of four divisions. The following table shows
which sections may interniarry, and also to w hat section the resulting
progenj belong:
Mother Son Daughter
Unbegun Urgilla Urgillagun
Urgillagun Unbe Unbegun
Wungogum Oburu Oburugun
Oburugun Wungo Wnngogun
1) Journ. Antlirop. Inst., London, XXV, p. 310. Oongres Internat, d'anthrop. et
ifarclirol. prehistoriques, Compte Rendu, L2me Session, p. I'.M,
2) Jonrn. Roy. Soc. N. S. Wales. ?ol. XXXVI. pp. 157—160.
3) Queensland Geographica] Jonrnal, vol. XV 11. pp. 61—63.
I Joum. Roy. Soc. N. S. Wales, vol. XXXIV, pp. liM-Mo.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahr- 1901 3
Phratry
Father
Wutheru
{
Wungo
Oburu
5Tüngo
r
i
Unbe
Urgilla
— 34 —
Iu addition to the above divisions, every man, woman and child in
the Community bears the name of some animal, plant, or otker natural
object, which have been called totems. It is therefore evident that the
tötende animals etc., like the people themselves, are divided into the two
phratries above named. The totems belouging to each of these primary
divisions are common to the two sections of which it is composed. Thus,
the totems attached to Wutheru are common to the sections Wunsro and
Oburu; and the Yüngo totems are common to the Unbe and Urgilla
sections.
As the space at my disposal in this article will not allow nie to
go farther into this highly interesting and important subject, the attention
of the reader is invited to the following papers, dealing with the divisions
and totems of the aboriginal tribes of Queensland, contributed by nie to
different sientific publications:
„Divisions of the Queensland Aborigines", Proc. Am er. Philos. Soc,
Philadelhhia, vol. XXXVII, pp. 327-336.
„Some Tribes of Cape York Peninsula", Journ. Roy. Soc. N. S. Wales,
vol. XXXIV, pp. 131-135.
„Divisions of some ab original Tribes of Queensland", Journ. Roy. Soc.
X. S. Wales, vol. XXXIII, pp. 108-111.
„Divisions of Some North Queensland Tribes1"', Journ. Roy. Soc.
X. S. Wales, vol. XXXII, pp. 250—253.
„Queensland divisions", Journ. Roy. Soc. N. S. Wales, vol. XXXII,
pp. 78—84.
Initiation Ceremonies of the Kogai Tribes.
The male aborigine, on attain ing puberty, reaches the most eventful
period of his life. Hitherto, his place has been among the women and
children, but he now passes through a ceremony admitting him to a
brotherhood with his eiders, and entitling him to the privileges of a
tribesman.
This inaugural rite is known by various names in different parts of
Australia, but among the Kogai it is identical with the initiation cere-
monies of the Kamilaroi tribes, and is called the Bora. As I have given
a detailed description of this ceremony in a paper contributed to the
Royal Society of Victoria, it will not be necessary, to enter upon it in these
pages1). The attention of the reader is also requested to my article on
„The Joara Ceremony of the Dippil Tribes of Queensland"2).
Vocabulary of Kogai Words.
The following vocabulary, containing about 335 of the most important
and useful words in the Kogai language, has been prepared from notes
taken by nie in the camps of the natives. Every word was carefully
written down by myself from the moutlis of old nien and women of the
Kogai tri l>< b.
I, „The Bora <»l the Kamilaroi Tribes", Proc. Roy. Soc. Victoria, vol. IX, N. S.,
pp. 137- 17.'..
_ American Anthropoloirist, vol. XI, N. S., pp. \'.V.) —
— 35 —
English
Kogai
^nglish
Kogai
T1m
• Family.
Man
IM Ulli 1 1
[nitiate
ö-ala
Boy
llll'lll
Pather
yabo
Eider brother
wabburila
Mother
yanga
Solinger brother
dhagundyilla
Womarj
umbi
llushand
arindula
Old woman
murbulgul
Old man
aiarra
Wife
uyerela
Yery old man
wuddhuran
Young woman
mürgun
Clever man
widdhubai
Eider sisrcr
burrindyilla
Ynlltll
birre
Younger sist»M-
mungunela
Novitiate
wominarai
( 'hild of either sex
wamban
The II
um an Body.
Head
dhuugu
Ktiee
mugu
Porehead
balga
Shin
ünggul
lliiir of head
addha
Foot
dhinna
Beard
ogunga
Heart
yulgo
l',\ e
dhilli
1 j i ver
thibba
Nose
ö
Blood
Lima
.l;i\\
dhuggal
Fat
wittlia
Neck
urgu
Bone
ngago
Throat
aua
Penis
bunga
Ear
muuga
Erection
dhanunna
Mnlltll
.lim
Testicles
ora
Lips
biggi
Hair on pudendae
mundyul
Teeth
ira
Sexual desire
ordwaggana
Tongue
dhullaü
Copulation
dhundamelgo
Breast, female
Dgammuu
Masturbation
dhirgabudhanga
Navel
ibbun
Semen
dhirga
Afterbirtb
aggulan
Emission
budhanga
Belly
bandyur
Vulva
dhimban
Back
bürg ii
Clitoris
bilgin
üpper-arm
dhuru
Anus
bundhi
Fore-arin
yurdu
Excremeni
una
Shoulder
wingal
l rine
dhuthar
Hand
murra
Venereal
widdhin
Thigh
dhurra
1 na n i iiüite .
Natural Objecto.
Sun
i Mi uro
Red ochre
dhuribarunbar
.Moini
dhilgan
Fire
buri
Stars
dhandhur
Sl linkt'
dhuga
Sky
burndurra
Food, tlr-h
uri
Sunshine
dhuromirrilinna
Food, vregetable
dhuar
Thunder
ogulundhuuna
Thirst
amungin
Lightning
thigura
Day
thurunggo
Rain
amuwagunga
Night
ündai
— 36
English
Kogai
English
Kogai
Rainbow
mundangarra
Morning
mukar-mukar
Dew
ibu
Evening
ünda-ünda
Storni
yügan
Splinter
mutthan
Fog
dhurbun
Kill
dhanggo
Frost
mitthar
Sand-hill
muba
Hail
balbari
Grass
wutlmn
Water
amu
Leaves of trees
argan
Ground
dhundhi
Nest (of bird)
wagu
Mud
dhunba
Eggs
abun
Stone
banggo
Houey
aba
Sand
urdea
Tale-bearer
wundyangulgan
Light
dhurban
Grub in box-tree
dhumbun
Darkness
ündanggo
Grub in
Heat
obandunna
wattle-tree
mirridhumbuii
Cold
yuggal
Bloom on trees
batthugah
Camp
yamba
Bloom on grass
bagun
Hut
öka
Pathway
yuruin
Whirlwind
bulburrin
Shadow
mallu
Dust-storm
dhurga
Tail
bunga
Mirage
birbirra
Summer
win-ngan
Pipe-clay
muggira
Winter
Mammals.
mitthar
Native bear
ula
Bat, small
ngurrädhan
Dog
nguran
Porcupine
barbirra
Opossum
dhangur
Kangaroo
ngaragu
Kangaroo-rat
bandui
Piatypus
gunnundal
Native-cat
dhigul
Flying squirrel
dhirre
Bandicoot
binbi
Wild mouse
balgudharri
Water-rat
muge
Bat, large
bibaia
Pademelon
bargula
Birds.
Birds collectively
dhibin
Black duck
munnaru
Crow
waddha
Mopoke
ngun-ngun
Laughing jackass
gagulgagul
Bronze-wing
( 'urlew
oilban
pigeon
gurugan
Mallee-hen
wagunga
Conimon-hawk
bigugun
Piain Turkey
bungai
Peewee
guridyal
NativeCompanion
buralga
White cockatoo
thikari
Swaii
birrur
Black cockatoo
iingirril
Eaglehawk
utthalla
Bower bird
dhuril
Emu
nguruin
Plover
baldhurradhurra
Common magpie
olba
( Irane
guraga
Black magpie
dhiboral
Fish.
Cod
uyabur
Prog
baibal
Catfiah
wakan
Silverfish
thirgan
37 —
Englisli
Kog
ai
Re
English
ptiles.
K<>gai
Groimd iguana
thagan
Venomoua snake
ulirri
Tree iguana
warrun
Tiger snake
ogangara
Sleepy lizard
ubil
Carpet snake
äbul
Shingle-back
muruna
1 )eath-odder
mntthäma
Brown snake
dhambul
Jew lizard
bubiiu
Black snake
bümburra
1 nver
Wood lizard
tebrates.
wibbir
Locust
ngullulla
(irasshopper
dhingga
I5I.AV 11 v
ngimun
Spider
munin
Louse
iilin
Mosquito
budhufi
Mother-louse
buluburri
Bee
munu
Nif of louse
wian
Scorpion
marangginggang
Bull-dog ant
addhan
( rreenhead ant
murun
( lentipede
dhulir
Mussei, small
dhulin
Jumper ant
dhumbalbuvra
Mussei, large
biddhägan
Maggot
gummu-gummu
Butterfly
yabilyabil
House-fly
ngimniun
T
rees.
Leaning tree
burra-burr«
i-bukki
ii Brigalow
ugarra
Dead tree
ubal
Kurrajong
Dgüngga
Myall
ibar
Wild willow
dhurri
Wattle
(Ihalli
[ronbark
fimburra
Pine
bümli
Bendee
wuiigur
Oak
unggo
Bottle-tree
mindharrin
( !herry-tree
bunburrian
< larbeen
man
Red- gum- tree
dhöngun
Quandong
yanbar
>\"liit«' l»ox
i miliar
Nipan
yandhar
Sandalwood
dliula
Peruvian bark
bmnhar
Beefwood
munbo
Wea p
Grass-tree
on s etc.
liikun
Tomahawk
ball im
Hunting-club
muru
Koolamin
warru
Boomerang
wangal
Yamstick
unna
Xet bag for child
waigal
War spear
bugga-bugga
Net bag, small
nguru
Hunting spear
immun
Net bag. large
wündur
Spear-le^ er
pikindyal
Headband
dhungudhulla
Spear-shield
bürgo
lieh
birlia
War-club
mityir
Adje
Kilr
ctives.
wöambil
Alive
dhuar
Afraid
iddhilla
Dead
wullan
Ki.uiit
migan
Large
mulgadya
Wrong
ungur
Small
emburrafi
Tired
ündhirrilla
Tal! or long
ürgan
Blum
[arba
Low or short
bundun
Sharp
iardhal
38
Englisli
Kogai
Knglish
Kogai
Good
migangurrin
Fat
witthamoguä
Bad
ungur
Lean
thurta-thurta
Thirsty
ngnliliaii
Hot
obandalla
1 [imgry
äbir
Cold
yuggal
Red
udlii-gndhi
Angry
wabba
White
buddha-budha
Sleepy
wuga
Black
oburgobur
Gl ad
budyirangung
Mad or crazy
wambandhana
Sony
niilla-milla
Füll
wilgin
Greedy
dyilli-ürbaö
Quick
dhaugura
Sick
buddherunga
Slow
wikadyu
Weary
inggil
Blind
nmdyi-mudyi
Stinking
addya
Strong
niiivgir
Pregnant
Verbs.
unabarrun
Die
ngilla
Scratch
barrallea
Eat
yugalga
Tear
mamulgo
Drink
amu-yuganga
Forget
warn b and allo>
Sleep
wugailgo
Voniit
ungurringa
Stand
dhunnalgo
Dance
warralgo
Sit
bindalge
Hunt
wabalgo
Talk
ngalgalgo
Go
mundaia
Teil
uiburrilgo
Come
ugumundeia
Walk
niundalgo
Know
birrulinga
Run
waganilgo
Put down
iddhalgo
Bring
mundaia
Send
dliabbea
Take
umirrilgo
Shine
mirrillina
Make
yammalgo
Suck as a child
dhunbea
Break
unmalgo
Suck a wound
dhundunmea
Strike
udyalgo
Swiui
ngümbirra
Beat
unilgo
Bathe
ngabillea
Arise
burea
Seek
bilbaia
Fall
wnrraia
Spit
ngünilia
See
ngagaia
Smell
ngutthea
Look
ngagalgo
Throw
biddyia
Hear
imbalgo
Roast
waddhulgo
Give
umbaia
Whistle
ubia
Sing
bundyalgo
Pretend
addhia
Weep
barrilgo
Kiss
dhundaia
Cook
waddliuli:
Dive
bünya-arganga
Steal
ündhalgo
Sting
buddhanga
Etequesi
ngulgalga
Burn
ubamaia
Blow with breath woynngga
Tick up
bundhalgo
Cliinl.
wagalga
Lift
wagalmulgo
( lonceal
thuthundalgo
Figl.t
onimelgo
Jump
dhumbaia
Bite
buddhanga
Laugh
yadhilgo
39 -
2. Archäologische Parallelen aus dein Kaukasus
und den unteren Donauländern.
Von
Oberstabsarzi Dr. Wilke in Grimma.
Die Präge nach dein l'rsprung der kaukasischen Metallkultur ist bereits
\un verschiedenen Autoren, namentlich Ohantre, Virchow, Morgan,
LJwaröW, Philimonow. Ilörnes u. a. erörtert worden. Zuletzt hat sie
Utmeister V irchow ') durch eine Analyse der auf den kaukasischen Bronzen
dargestellten, meist phantastischen Tierfiguren zu lösen gesucht. Aus dein
Fehlen der Löwen und der relativen Seltenheit der Stierbilder hat er ge-
folgert, dass assyrisch-babylonische Einflüsse auf die kaukasische Metallkunst
nicht eingewirkt haben können, wie man zunächst aus den eigentümlichen
Doppeltieren vermuten könnte. Andererseits aber sind all«' auf den kau-
kasischen Bronzen dargestellten Tiere, seien dies nun wie die Pantherpferde
Büffelpferde usw. phantastische Doppelgestalten, oder, wie die sehr realistisch
gezeichneten Hirsche wirkliche Tiere; im Kaukasus tatsächlich vorhanden
gewesen, so dass die phantastischen Doppeltiere nicht mit Notwendigkeit
auf ein entlegenes Kultürgebiet hinzudeuten brauchen, sondern vielmehr
auf eine rein lokale Kunstregung hinweisen.
Ist also diese Kunst, deren buhe Entwickelung eine lange voraus-
gegangene Übung in der Metallurgie zur notwendigen Voraussetzung hat
und die deshalb verhältnismässig spät anzusetzen ist, gleich den noch
später zu erwähnenden höchst merkwürdigen Ruder- und Spiegelnadeln,
den eigentümlichen Schläfenringen, der Kunst der Emaillierung u. a. eine
rein örtliche Erfindung der alten Kaukasier, so ist damit die Präge nach
dem eigentlichen Ursprung der kaukasischen Bronzekultur noch um keinen
Schritt der Lösung näher gerückt. Mine deutliche Abhängigkeit von anderen
Kulturgebieten verraten dagegen die im Kaukasus vielfach vorkommenden
durchbrochenen Bronzeglöckchen und ähnlich gestalteten Dolchknaüfe, die
eigentümlichen, meist sein- geschmackvoll ornamentierten, oft ebenfalls
durchbrochenen Zierscheiben, die typischen dreikantigen Pfeilspitzen, die
im heutigen Kin schal noch gegenwärtig fortlebenden dolchförmigen Schwerter,
und endlich gewisse Typen von Bronze- und Eisenbeilen, alles Formen,
die in analoger Weise im ganzen südlichen Russland bis nach Siebenbürgen
und Ungarn einer- und nach dem Ural und Sibirien andererseits ausser-
ordentlich häutig vorkommen. Diesem Kulturgürtel, dessen ürsprungsherd
wir im Üral-Altaigebiete zu suchen haben, müssen also auch die analogen
kaukasischen formen entnommen sein. Freilich gehören auch diese Alter-
L) Übei die kultunresch. Stellung des Kaukasus unter lu>s. Berücksichtigung der
ornamentierten Bronzegürte] aus transkauk, Gräbern, Berlin 1895.
40
tum er, wie Hr. Rein ecke nachgewiesen hat, wenigstens im östlichen
Europa, zum Teil einer verhältnismässig späten Zeit an und dürften kaum
viel über die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends zu verlesen
sein, also in eine Zeit, in der die Metallkunst im nördlichen und südlichen
Kaukasus sich schon längst .zur vollen Blüte entfaltet hatte. Auch diese
Analogien vermögen daher noch keinen Aufschluss über die erste Herkunft
der kaukasischen Bronzekultur zu geben.
Neben diesen auf skythisch-sibirische Einwirkung zurückzuführenden
oder aus rein lokalen Kunstregungen herzuleitenden Formen finden wir
nun aber auch noch eine ganze Reihe typischer Geräte, für die sich
Parallelen weder in dem sibirischen Kulturkreise, noch in den alten Kultur-
stätten im Süden des Kaukasus nachweisen lassen, wohl aber in den
unteren Donauländern im Norden der Balkan-Halbinsel, in denen die
gräko-italischen und illyrischen Völkerschaften, bevor sie in ihre nach-
maligen Sitze, in die klassischen Gefilde Griechenlands und in die sonnigen
Fluren Italiens hinabstiegen, gemeinsam die älteste Phase der Metall-
kultur durchlebten.
In erster Linie gehören hierzu die
Fibeln.
Das charakteristische der kaukasischen Fibel ist der halbkreisförmige,
in der Mitte verdickte und auf dein Querschnitte kreisrunde, meist orna-
mentierte Bügel, der auf der einen
Fig. 1. Seite in die dreieckige zur Auf-
nahme der Nadel bestimmte Falz-
platte, auf der anderen Seite mittelst,
einer, in der Regel nur einfachen
Spiralwindung in die federnde Nadel
übergeht. (Fig. 1). Dieser Fibel-
typus erscheint besonders häufig
in dem Gräberfeld von Koban,
nach welchem Virchow diese Form
geradezu als „Kobanfibel" benannt
hat1), doch findet er sich auch in
anderen Fundstellen des Kaukasus
nicht selten, so in Aul Ataschukin im
Flachlande derKabarda"), in Stepan-
Zminda (Kasbek) an dergrusinischen
rleerstrasse, in Gruriel bei Tschuruk-Tsiche am Schwarzen Meere3), in
Ssamthawro bei Mzcheti unweit der Mündung der Aragwa in die Kura*)
in Cheithan-thagh und Musscyerri 6).
Ähnliche Formen sind vereinzelt auch aus der Troas bekannt ge-
worden. Ein Exemplar bildet Undset8) ab, bei dem der Bügel ebenfalls
Fibel von Aul Ataschukin, Flachland der
Kabarda u. Gr.
Verhandl. 1890, S. 45:5, Fig. (50.)
t) Virchow, das Gräberfeld von Koban im Lande der Osseten, S. 29. — 2) Verbdl.
js'.io, s. 153. — 3) Virchow a. a. 0. — 4) Bayern, Untersuchungen über die ältesten Gräber
und Schatzfunde in Kaukasien, Berlin 1885. — •">) Morgan, Mission scientiibjue auCauease,
Paria L889. I.«. L 17, Fig. 85 u. 87. - 6) Undset in Zeitscbr. f. E. 1889, S. 216,Fig. 22.
— 41 —
halbkreisförmig und verdickt, aber auf dem Querschnitt nicht rund.
sondern oval ist. Eine zweite Fibel von dort hat Yirehow beschrieben,
aber sie erschein! noch weiter ausgebildet, insofern der Bügel bei dieser
drei Anschwellungen belitzt und statt einer einfachen eine doppelte Spiral-
windung vorhanden ist. Bei einer dritten ebendaher stammenden Fibel
ist der Bügel in der Mitte zu einer runden Kugel von 2cm Durchmesser
angeschwollen, die beiderseits von einem um den Bügel laufenden Quer-
wulst begrenz! wird. Die Verbindung mit der Nadel erfolgt durch eine
dreifache Spirale, während auf der anderen Seite der Bügel unmittelbar
hinter dem Querwulst sich abplattet, um so in den Nadelhalter aber-
zugehen. Die Verwandtschaft dieser drei Formen mit der typischen
Kobanfibel springt sofort in die Augen, doch ist die letztere — und dies
ist für die Beurteilung der Herkunft dieser Form besonders wichtig- — die
einfachere, während die troischen Fibeln bereits eine Fortentwickelung
der ursprünglichen Bogenfibel darstellen.1)
Die troischen Fibeln gehen offenbar auf griechische Vorbilder zurück.
Die Grundform derselben zeigt, wie die Kobanfibel einen halbkreisförmigen
verdickten Bügel (z.B. eine Fibel von Mykene, Athen und Olympia2) der
alier ähnlich wie bei den troischen Stücken meist durch wulstförmiee
Verdickungen, kuglige Anschwellungen usw. weiter ausgebaut ist.3) Hierzu
gehören auch gewisse auf Cypern vorkommende Formen4), obwohl dort
auch die ursprüngliche Bogenform nicht völlig fehlt.6)
Sehr häufig findet sich der echte Kobantypus in Italien. Als Beispie]
führe ich eine Fibel von Santa Lucia im Litorale (abgebildet Verhdlg.
1891, S. 691) und eine aus der Campagna (bei Undset a. a. 0. Fig. 40y an.
Ans den Ländern
nördlich derAlpen kennt - £■ -
man von Bogenfibeln
ausser verschiedenen
Stinken unsicherer Pro-
\ enienz je ein Exemplar
ans < lolmar im Elsass,
Oppenheim und Kulm
in Hannover.0) im Ge-
biete der mittleren
Donau sind sie in Hall-
statt und Watsch in
mehreren Exemplaren
I ''achtet. 7) Weiter
,..,,., ,. Bruchstück einer Bron/elibel mit bandförmigem Bügel
ffenort hierher die t\- tri« o* vir-, a in
v"ii Yelem >st. Veit (eigne Sammlung.
pische ( rlasinacfibel 8)
(Bosnien) deren Grundform eine Bogenfibel mit verdicktem halbkreisförmigen
Bügel und einfacher Spirale bildet. Freilich erscheint auch die Glasinacfibel
L) Virchow a.a.O. — 2) Undset a.a.O.. Big. L5, Kg. 23, Fig. 30.— 3] Ebenda,
Fig. Ki. 24-29; Fig. 20. - 4) Ohnefalsch- Richter m Verhandl. 1899, Fig. XXV.ö-14.
Ders.a.a.O. Nr. l. — 5 Obnefalsch-Richter a.a.O. Nr. l. — 6) Verhdl L892, S. 267,
Fig. l. — 7 Nach Vii.liow ebenda.- 8) Hörnes, Urgesch. des Menschen, S. 538, Fig.213.
— 42 —
bereits nach verschiedener Richtung' weiter entwickelt, namentlich in der
Bildung des Nadelhalters, dessen phasenförmige Gestalt sehr an die Formen
von Olympia erinnert. Von Ungarn besitze ich in meiner kleinen Samm-
lung ein Bruchstück einer Bogenfibel aus Velenio St. Veit (Fig. 2); der
ursprünglich wohl ebenfalls halbkreisförmige Bügel ist zu einem 2 mm
breiten, 0,5 mm dicken Bande abgeplattet. Nur unmittelbar oberhalb des
rinnenförmigen '2,5 cm langen Nadelhalters ist er rund. Diese Fibel ist
augenscheinlich aus einem gleichmässigen Draht von ca. 1,5 mm Stärke
hergestellt werden, der durch Hämmern zu dem allgeplatteten Bügel und
dem dünnen Falz getrieben wurde.
Schon Yirchow hat darauf hingewiesen, dass die Kobanhbel trotz
ihrer Primitivheit wegen des verdickten Bügels doch nicht die einfachste
Fibelform darstellen kann. Als diese haben wir vielmehr die in den
Terramaren und namentlich in den unteren Donauländern vorkommenden
Fibelformen anzusehen, die ganz unseren modernen Sicherheitsnadeln
gleichen. (Fig. 3). Beispiele hierfür bieten die Fibel von Waitzen in
Ungarn1), Bodrog-Keresztur, Comitat Zemplen2), Toplic-ia in Kroatien"),
Fisr. 3.
Fibel aus Waitzen, Ungarn, nat. Gr.
(Aus Undset. Z. f. E. 1889, S. 207, Fig. li, u. Hörn es, ürg. d. M., S. 431.)
Glasinac in Bosnien"), Jezerine3) ebendaselbst usw., doch ist dieser Typus
auch in zwei Tholosgräbern von .Mykenä gefunden worden.4) In dieser
einfachsten Form, die übrigens eine gewisse Verwandtschaft mit den
ältesten nordischen Fibeln zeigt, und deren Ursprungsgebiet wohl zweifel-
los in den unteren Donauländern zu suchen ist, haben wir also die un-
mittelbare Vorstufe des Kobantypus zu suchen, der nur eine geringe
und unwesentliche Modifikation d^v ältesten Grundform darstellt. Die
Fibel von Velem St. Veit erscheint als eine Übergangsform zwischen
beiden, insofern sie wie die Fibel von Waitzen noch aus einem gleich-
mässigen Draht gebogen ist, aber durch die halbkreisförmige Gestaltung
des Bügels doch schon die kaukasische Form repräsentiert.
Brillenspiralen.
Ausser den Fibeln verwandte man im Altertum zum Verschluss der
Kleidung auch die Brillenspiralen, die aus zwei hrillenförmig miteinander
verbundenen Spiralscheiben bestehen. Der Verschluss erfolgt entweder
nach Art unserer modernen Heftel, wobei der Bogen der einen Spirale
l HSrnes a. a. 0., S. 431, Fig. L86. — 2) Abgebildet bei Undset a. a. 0., Fig. 7.
— 3) Hörnes Urgesch. der bild. Kirnst in Europa, Tat XIII, Fig. 8. — 1) Verheil. 1890,
S. :;ü7.
— 4:j —
einen Haken bildet, der in den Büge] der weiblichen Schliesse eingehakt
wurde. Oder man verwendete zwei weibliche Formen von Schliessen, die
durch einen Faden oder einen Doppelhaken zusan ingehalten wurden.1)
Die erstere Form scheint im Kaukasus üblich gewesen zu sein, wenigstens
hat man dort eine Reihe von Doppelspiralen mir linken gefunden. Das
\ erbreitungsgebiei «lieser Schliessen umfassl Bowoh] den nördlichen, al>
südlichen Teil des Kaukasus. Sie sind in Koban";. Stepanzminda8),
Tschmy*), Helenendorf5), Artschasdor, dchmachi6), Szamthawro gefunden
weiden, scheinen aber dich auf vielen südlichen Gräberfeldern (Akthala,
Cheithan-thag u. a.) zu fehlen. Wenigstens werden sie von Herrn Morgan
nicht mit aufgeführt.
Piff. I.
Brillenspirale aus Köbölkut, Korn. Gran. (Z. f. Ethn. 1890, S. 81, Fig. 46.)
In Ungarn erscheinen die Doppelspiralen
bereits in der Kupferzeit und sie gehören
nach Hrn. Hampel zu den charakteristischen
Formen dieser Periode. Hr. Hampel führt in
seinen „Neuere Studien über die Kupferzeit"
eine ganze Reihe .lieser Geräte an. und zwar
sowohl weibliche als männliche Schliessen.7) Börnes Urg. d. ST., S 131.;
ausserdem hat der grosse Depotfund von Velem
St. Veit eine grosse Reihe von einzelnen Spiral Scheiben geliefert, die z. T.
von Fibeln stammen mögen, zum andern Teile aber sicher ebenfalls
von Doppelspiralen herrühren.8).
1) Verhandl. lS'.'l S. !<»•'>. — 2) Hörnes: Urgesch. des Menschen, Vollbild S
und S. 535; Yirchow: Koban. S. I.~>. — 3) Führer durch das histor. Museum in Moskau.
2. Ausgabe L893; Saal III No. L849. —4) Verhandl. 1890,8. 125, Fig. L5. —5) Verhandl.
L901, 8. 11. "i, Fig. 36e. — 6) Verhandl. L899, S. 273, Fig. 52. — 7) a. a 0.. S. 80, 81, Fig. l»>
u. 17. — 8) Mitteil, der Anthrop. Gesellsch, in Wien L897, Heft 1, S. L5.
— 44 — ♦
Von hier aus lassen sie sich einerseits nach Westen bis in die Schweiz1)
andrerseits nach Norden bis weit nach Nordddeutschland verfolgen.3)
Ausser als Kleiderschliessen wurden die Doppelspiralen vielfach auch
bloss als Schmuckgerät benutzt. Für Koban hat das bereits Virchow
ausführlich dargetan. Für Europa wird es ausser durch einen mit Spiralen
besetzten Gürtel aus einem Hügelgrabe in der Gegend von Hagenau
(Nesseische Sammlung) durch die Gesichtsurne von Garzigar, Reg.-Bez.
Köslin bewiesen, die als Halsschmuck 8 auf einen Bronzedraht aufgereihte
Doppelspiralen trägt.3)
An die Fibeln und heftelartigen Schliessen reihen sich weiter die
Knöpfe,
die mit Ausnahme von dem Gräberfeld von Lelwar4) und einigen anderen
im Kaukasus sehr häufig und in den verschiedensten Formen vorkommen,
für die es teilweise im Abendland an Analogien fehlt. Yon den auch im
Westen vorkommenden Knopfformen kommen hauptsächlich zwei Typen
in Betracht
1. Runde Hohlknöpfe: Sie sind konvex oder halbkuglig, hohl und
an der Innenfläche mit ein oder zwei stegförmigen Ösen zum Annähen an
die Kleidung versehen. Meist sind sie aus Bronze, bisweilen auch aus
Fisr. 6.
Fig. 7.
Fig. 6. Antimonknopf von Kedabeg. (Im Grassi-Museum in Leipzig bef.)
Fig. 7. Bronzeknopf von Velem St. Veit. (Mitt. der Anthrop. Ges. in Wien ls!>7,
S. 15, Fig. 3, Nr. 37.
Antimon, wie z. B. ein Stück von Kedabeg im Grassi-Museum in Leipzig
(Fig. 6 und 7). Ihre Grösse beträgt gewöhnlich 1 — 2 cm. Diese Form
findet sich sowohl in den nord- als südkaukasischen Gräberfeldern ausser-
ordentlich häufig, in einzelnen Gräbern bisweilen mehrere hundert Stück,
ein Beweis dafür, dass sie nicht nur zum Zuknöpfen der Kleidung, sondern
auch zur Verzierung derselben dienten.6)
Ganz gleichartige Knöpfe hat auch der Depotfund von Velem St. Veit
geliefert und zwar ebenfalls in so grossen Mengen, dass sie auch dort als
Besatzstücke verwendet worden sein müssen.6) Die gleiche Verwendungs-
weise in l'i!L!iini beweist auch noch ein Grabfund in Tolcsva auf dem
1) Hampel a. a. 0., S. 80. — 2) Nachricht enüber deutsche Alt, Heft."», S. 71), Fig. H>
and II. — 3) Abgebildet Verhandl. 1885, S. 175. — 4) Morgan: a. a. 0., I, S. 120. —
5) Virchow: Das Gräberfeld von Koban; das Gräberfeld von Tschmy in Ossetien (Ver-
handlungen 1890), Morgan, a.a.O., Rösler, Verhandl. 1901, S. 99 u.v.a. — 6) Mitteil,
der Anthrop. Gcsellsch. i. Wien von 18!>7, S. 15.
— 45 —
Tokayer Gebirge, der nicht weniger als 392 Stück konvexer, 3/8 — l1/4"
breiter Knöpfe ergab.1)
Noch bedeutendere Mengen sind in vielen (iräbern von Hallstatt zum
Vorschein gekommen, in denen die Zahl ineist /.wischen 200— D»<h>
schwankte, doch fanden sich in einzelnen Gräbern noch viel grössere
Mengen, z. B. in einem weiblichen Skelettgrab 3000, in einem lvinder-
grab 4001) und in einem Brandgrab (Xo- 509) sogar über 5000 Stück.2)
2. Bronzeknöpfe von der Form der Fig. 8: Sie sind ebenfalls rund
und konvex, besitzen aber keine Ösen, sondern sitzen auf einer Art von
Gerüst von drei bis vier Stützen auf, deren Fuss auf einem Bronzering
ruht. Bisweilen ist nur das Gerüst aus Bronze, während die Scheibe
aus Email besteht und in einem Bronzerahmen eingelegt ist, der auf den
Stützen ruht. Diese Form scheint nicht sehr häufig zu sein, wenigstens
wird sie von Herrn Morgan nicht aufgeführt. Sie werden erwähnt von
Helenendorf8), Artschadsor*) u. a. Fundstätten.
Fig. 8.
Fisr. 9.
Fi?. 10.
Figr. 11.
r.ronzeknopf von Üawschanli-Artschadsor, 1/2xmt. Gr. (Verhdl. 1896, S.O."), Fi?. 13.)
Fi?. 9. Gerüst eines Emailknopfcs von Helenendorf, Kauk. (Verhdl. L901, S. 1-17, Fig. 66.
. 10 u. 11. Bronzeknöpfe von Hallstatt, (v. Sacken, Taf. XVIII, Fi?. 11 u. 16.)
Im Abendlande finden sich ganz analoge Formen in Hallstatt, und
ausserdem noch mauche Typen, die sich offenbar aus den ersteren ent-
wickelt haben. So bildet v. Sacken einen ähnlichen Knopf ab, bei dem
jedoch die Basis nicht durch einen Ring, sondern durch zwei parallele
Stangen gebildet wird; auch bildet der Oberteil keine konvexe Scheibe,
sondern ein Kreuz mit buckelartig hervortretendem Mittelstück.5)
v. Sacken meint, dass diese Knöpfe dazu bestimmt gewesen seien,
„kreuzweise durchgezogenen Schmuck an ihrer Durchkreuzungsstelle in
ihrer richtigen Lage zu erhalten und zu zieren" doch finden sich bei den
kaukasischen Stücken oft nur drei oder zwei Stützen. Herr R Osler
hält sie für Teile eines Pferdegeschirres.6)
Nadeln.
K nopfnade I n.
Sie sind sowohl auf den nördlichen wie südlichen Gräberfeldern des
Kaukasus sehr zahlreich vertreten und zeigen in den späteren Epochen die
1 Seip, Dio Zahl and Schmuckringglieder, S. 35. — 2) v. Sacken: Das Gräberfeld
von Hallstatt, S. 81. — 3 Verhandl, 1901, S. NT. — 4) Verhandl. 1897, S. 230;
1696, S.95. — ö v. Sacken a.a.O., Taf. Will. Fig. L6. - 6} Verhandl. 1896 a. 190J
a. a. O.
— 40 —
mannigfachste Form.1) Von den älteren Formen, die uns hier haupt-
sächlich interessieren, sind am häufigsten Nadeln von dem in Fig. 12 — 10
dargestellten Typus. Sie haben entweder nur einen, oder drei bis sechs
senkrecht übereinander stehende Knöpfchen und am Halse in der Regel
• •in kreisrundes Loch.") Die Nadel ist in ihrem unteren Teile häufig
säbelartig gekrümmt.3)
Ähnliche Knopfnadeln finden sich nicht nur in Troja4) und Olympia,
sondern auch in dem Donaugebiete5) und überhaupt im ganzen Abend-
lande sehr häufig. Indessen zeigt sich im Abeudlande überall die Neigung,
den Knopf stärker auszubilden, sei es als Scheibe, sei es als Kugel, sei
es als Knöpfchen, wofür im Kaukasus erst in der oberen Etage von
Ssamthawro Analogien hervortreten.6) Aber gerade in dieser Beziehung
Fig. 12.
Fie. 17.
Bronzenadeln aus dem Kaukasus
und aus Ungarn.
Fig. 12. Helenendorf, 72 nat. Gr.
(Verhdl. 1901, S. 90, Fig. 6c.)
Fig. 13. Chodshali.
(Verhdl. 1896, S. 180.)
Fig. 14. Karra-Schlucht.
(Verhdl. 1898, S. 217, Fig. 3.)
4
Fig. 15. Mussiyerri, nat. Gr.
(Morgan I. S. 122, Fig. 99.)
Fig. 16. Cheithan-thag, nat. Gr.
(Morgan I, S. 119, Fig. 91, 7.)
Fig. 17. Velem St. Veit,
(Mitt. der Anthrop. Ges. in Wien 1897,
Fig. 3 u. 7.)
scheinen mir die ungarischen Formen den Kaukasischen ziemlich nahe zu
stehen, da auch bei jenen die Kopfbildung sich meist in engeren Grenzen
hält und vielfach nur, wie wir es auch im Kaukasus finden, auf eine
keulenförmige Verdickung des oberen Nadelendes beschränkt. Recht
charakteristisch ist auch die Säbelform, die ja auch sonst sehr häufig vor-
1) Morgan a. a. O., Seite (.>lff. — 2) Virchow, Das Gräberfeld von Koban, S. 31,
Taf. I, Fig. 20. — '•'<. Hörn es, Urg. des Menseben, S. 534, Anmcrk.: s. a. Fig. 12 u. 15. —
4) Schlieraann, Troja S. Jus. — 5) Mitteil, der Antbr. Ges. in Wim is<.(7, S. 1.3, Fig. 3,
Nr. 54—59-; Fig. 7, Nr. 22—27; Hampel, Altertümer d. Br. in üng. LTF, LIII; CXV;
CXVII; CXXV1I, u. andere. — 6) Virchow a. a. 0.
- 47
r
kommt, namentlich im Lausitzer Formenkreise, und die schon in der
ältesten Bronzezeit erscheint.
Eeftnadeln. Fig. 20. Fig. 21.
Eine weitere Analogie bilden die sogenannten
Heftnadeln", die gewöhnlich eine sehr scharfe
Spitze und am oberen abgestumpften und in der
Regel etwas verbreitertem Ende ein Längliches Öhr
besitzen (Fig. 20 und 21). Ähnliche Nadeln kennt
man im Kaukasus ausser von Helenendorf1) auch von
anderen Fundplätzen, so von Achmachi, Cheithan-
thag und aus den nordischen Gräberfeldern von Ko-
ban.2) In Ungarn sind ganz analoge Stücke in Pilin3)
in St. Veit4) und in Sajö-Gömör6) gefunden worden,
doch lassen sie sich nach Virchow auch weiter nord-
wärts bis Norwegen und östlich bis zur kaum und
zum Jenisei nachweisen.8) Schon Virchow hat in
Anbetracht der oft sehr bedeutenden Grösse dieser
Nadeln Zweifel ausgesprochen, ob diese Stücke wirk-
lich zum Nähen und Heften verwendet worden seien,
fügt jedoch hinzu: „wozu sollten sie aber sonst ge-
dient haben". Diese Frage hat neuerdings Herr
Voss7) sehr eingehend beantwortet, indem er nach-
weist, wie die Gewandnadeln zur Verhütung des
Herausrutschens aus der Kleidung mit einem Faden
umwunden wurden, zu dessen Aufnahme und Fixie-
rung neben anderen Einrichtungen eben das Ohr
bestimmt war. Dass tatsächlich auch die Heftnadeln
wenigstens /.. T. als Gewandnadeln dienten, scheint
mir sehr deutlich aus den allerdings einer weit späteren I
Zeit angehörigen gekröpften Öhsennadeln hervor- Fig. 20. ohmadeln von
zugehen, die, wenn man sich die Krümmung am Helenendorf, Kauk.
1/ f C —
Halse wegdenkt, den gewöhnlichen Heftnadeln völlig _, 'j °a' ' _ .
, . , £ ° ° (Vrh.1901, S. 93, Fig. 11c.)
glichen. ) _ _ Fi„ 21 öhrnadel von
Als Muster für diesen Typus haben wir die in pjii^ Ungarn, V.nat. Gr.
der Steinzeit vielfach vorkommenden beinernen (Vrh. 1890, S. 573, Fig. 11.)
Heftnadeln zu betrachten, die in Europa bis in den
letzten Abschnitt des Paläol ithicum (z. B. Gudennshöhle in Nieder-
< Österreich ;>) zurückreichen.
Nadeln mit seitl icher < >se.
Den lieft- und Ohrnadeln schliessen sich die ( iewandnadeln mit seit-
licher Öhse an. welche die ziemlich schwierige Durchbohrung der Nadel
1 1 Yrrh.il. l'.'oi. S. 93. - •_') Virchow. Das Gräberfeld von Koban, Tafel VII, Fig. 12. —
Verhdl. L890. — I Mitteilungen dei Anthrop. Gtea. in Wien 1897, Nr. 1. S. 15. —
")) Hampel, Altertümer der Bronzezeit in Ungarn. Tal'. CXV, Fig. 23. — 6] Virchow.
a. a. O. — 7) Verhdl. 1898. S. 216 ff. — 8) Z. B. eine Nadel v. Tenipelhof, Kr. Teltow.
Prov. Brandenburg, Berl.Mus. K. N. II. 6 L01. — 9 Hörncs, ürg. d. Menschen. S. 207.
— 48
ersetzen soll. Als Beispiel hierfür diene Fig. 22 von Besinghy im Ober-
land der Kabarda. Es ist dies eine durchbrochene Scheibennadel, bei der
an dem abgeplatteten oberen Teil der Nadel an der Übergangsstelle in
dem Rand der Scheibe eine ziem-
Fig. 2:?. Fig. 24. lieh starke Öhse angebracht ist.
Neben dieser Nadel fand sich
auf dem gleichen Gräberfelde
noch eine ganz ähnliche, die
ebenfalls eine seitliche Öhse be-
sitzt.1) Ein drittes, sehr ähn-
liches Stück stammt von Tscheg-
hem im Unterlande der Ka-
barda.") Hieran schliesst sich
eine dicke Bronzenadel von Aul
Ataschukin, gleichfalls im Flach-
lande der Kabarda, die an Stelle
des Kopfes eine mit vier Spiralen
verzierte, 2,2 cm breite Bronze-
platte besitzt, von deren unterer
Fläche henkelartig eine öhse
nach dem verdickten Nadelstiel
abgeht.3) Endlich kann ich aus
dem südlichen Kaukasus noch
eine Nadel von Mussiyerri an-
führen (Fig. 23).
Aus Ungarn bildet Herr
Hampel in seinen Altertümern
der Bronzezeit analoge Öhsen-
nadel von Salgö-Tarjän, Com.
Nograd5), von Sajö-Grömör, Cmn.
Gömör8), von Andras-falvä, Com. Lipto7), und endlich ein Exemplar
aus der Sammlung Graffenried, 8) letzteres ohne nähere Fundangabe,
ab. Zu diesen Stücken kommen noch ein Paar von Hrn. Reinecke
wiedergegebene Nadeln aus Ungarn, deren Fundort ebenfalls nicht zu
ersehen ist.9) Ausser vom donauländischem Gebiet sind ähnliche Nadeln
auch aus dem nordöstlichen Deutschland bekannt, so eine Bronzenadel von
Marzahne10), Kr. Westhavelland, und eine ähnliche, die am Halse ge-
bogen, von Prützke11), Kr. Zauch-Belzig. Endlich finden sie sich auch in
Bayern. ia)
Rollnadeln.
Weit häufiger als die verhältnismässig selten vorkommenden Ohsen-
nadeln sind die sogenannten Rollnadeln, bei denen der obere Teil der
1) Virchow, Verhdl. 1899, S. 499. - 2) Ebenda, S. 444. — 3) Ebenda, S. 455. —
I Morgan a. a. 0. I, S. 122, Fig. 98. — 5) Hampel a. ä, 0. LH 1 a. — G) LH 9a
u. c and CXI? LS, II, 15, 17. — 7) LIII, 1. — 8) LH, 7. — 9) Achaeologiai 'Ertesitö
1899, S. 239, VI Täbla, Fig. 17 u. S. 245, IX Täbla, Fig. 2. — 10) Voss. Verhdl. 1898,
S. 217, Fig. G. — 11) Ebenda, Fig. 7. - 12) Kgl. Mus. Berl. KN II c. 659.
Fiff. 21.
Öhsennadeln.
Fig. 22. Bezingby, nat. Gr.
(Verhdl. 1890, S. 449, Fig. 5Ga.)
Fig. 23. Mussiyerri, 8/4 nat. Gr.
(Morgan, S. 122, Fig. 9S )
Marzahne, Kr. W. -Havelland, J/s nat- Gr.
(Verhdl. 1898, S. 217, Fig. 6.)
— 4!)
Nadel breitgehämmert und das Kopfende zu einer Rolle umgebogen ist,
die statt des Öhres und der (Mise der vorhergehenden Nadelformen zum
Durchziehen des Fadens diente (Fig. 25). Sie kommen im Kaukasus
sowohl in der unteren Etage von SsamthawTO1), als
Fig. 25. Fig. i'<;. namentlich in Koban8) and Stepan-Zminda vor.8) In
llissarlik fand sie Schliemann in seiner 1. und
_'. Ansiedelung-4), in Cypera Ohnefalsch-Richter
bereits in Funden der ältesten Schi cht6), in Ägypten
Plinders Petrie.6) Von Ungarn besitze ich selbst
mehrere Exemplare ans St. Veit, von denen eine in
Fig. 26 dargestellt ist. und auch in dem 1 1 a m pe I sehen
Atlas ist sie vertreten.7) Weiter westlich findet sie
sich in Hallstatt8), in der Schweiz und Italien,9) nach
Korden zu in .Mähren10) ((Jräberfeld von (iava) und
Königreich Sachsen11), bis nach der Provinz Preussen
hin.12) Was ihre Zeitstellung betrifft, so erscheint
sie überall bereits in den ältesten Phasen der
Metallzeit, doch reicht sie andererseits bis weit in
die Hallstattzeit hinein.
Eine rein lokale Weiterbildung dieser von
\ irchow als „kleine Rollnadeln" bezeichneten ge-
wöhnlichen Formen, die übrigens bis zu 20 c/// gross
sind und verschiedene Variationen aufweisen (Säbel-
form, Drehung des Nadelschaftes, Weiterbildung der
Nadel zu einer Schleife) bilden die sogenannten Ruder-
nadeln, die bis zu 30 cm lang und in ihrem abgeplatteten
Fig •_'.:». Rollnadel von Teüe o ^ brejt werdeD Sie sind bisher ausser in
koban. (NachVirchow,
Kob. Taf.)
Fig. 26. Rollnadel von
Velem St. Veit,
(eigene Sammlung.)
Koban nur in Kumbulte13) aufgefunden worden und
können daher als rein lokale Erzeugnisse bei unseren
Erörterungen ausser Betracht gelassen werden. Da-
gegen müssen wir noch kurz auf eine andere kuba-
nische Weiterentwickelung der Rollnadeln eingehen.
für die es im Westen wenigstens nicht ganz an Beispielen fehlt; es sind
dies die
Spiegel- oder Scheibennadeln,
bei welchen der oben abgeflachte Teil der Nadel zu einer mächtigen
schaufelförmigen Platte sich erweitert, deren freies Ende wie bei den
einfachen kleinen Rollnadeln und den ruderförmiffen Nadeln röhrenförmig
1) Friedr. Bayern a. a. 0. S. 24. — 2) Virchow, Koban a. a. 0. — :"> E. Chantre,
Recherche« anthropologiques dans le Cauc, T. I. — 4) Schliemann, Troja 1884, S. 54,
Nr. L3 u. S. 152, Nr. 62, 63, Ilios S. 283, Nr. 101 u. 8. i'st, Nr. 114. — 5 Neues über die
auf Cypern äugest. Ausgr., Verhdl. 1899, S.333. — 6) Flinders Petrie, Ballaa ondNagada,
Taf. LXV, Fig. 15. — 7) Hampel, Antiq. prehist. de la Hongrie. pl XXIV. Fig. 43 u.
Alt. d. Bronzez. CXV, 17 u. -J4; s. a. Mitt. d. Anth. Ges. in Wien 1897. — 8 v. Sacken.
Das Gräberfeld von Hallstatt, Täf. XVI. — 9) Hörn es. Urgeach. d. Menschen, S.
— 10) Verhdl 1890. S. 177. — 11) Deichmüller, In Wuttke. Volkskunde u. a. St. —
Voss, in Verhdl. 189s. 8. 217, Fig. 8. — 13) Verhdl. 1890, S. 162.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. [
— 50 —
umgebogen ist (Fig. 27). Diese eigentümlichen Gebilde, die Chantre
epingles spatuliformes bezeichnet, sind im Kaukasus bisher nur in Koban
gefunden worden. Sie sind bisweilen mit kleinen getriebenen Buckeln
verziert, häufig aber ganz glatt und wurden paarweise am Hinterhaupt im
Haar getragen.
Ausser diesen merkwürdigen Schmuckstücken kommen aber auch
noch Scheibennadeln ohne Rolle vor, bei denen die Platte nicht schaufel-
sondern herzförmig oder dreieckig gestaltet ist.1) Dieser Typus ist ausser
in Koban aucli noch in anderen Gräberfeldern, speziell in Kumbulte in
Digorien gefunden worden.2)
Figr. 27.
Fig. 28.
Fiff. 29.
Fk?. 29 a.
Fig. 27. Scheibennadel von Koban. (Nach Hörnes, Urg. d. M., S. 535.)
Fig. 28. Scheibennadel von Lemmersdorf, Kr. Prenzlau, 1/3 nat. Gr.
(Verhandl. 1898, S. 220, Fig. 17.)
Fig. 29. Scheibennadel von Gaya, Mähren, 2/3 nat. Gr. (Verhandl. 1890, S. 173, Fig. 20.)
Fig. 29a. Scheibennadel aus Ungarn. Archäol. Ertersitö 1899, S. 240 VII, Täbla No. 12.)
Schon Virchow hat für die kaukasischen Formen unsere norddeutschen
Scheibennadeln zum Vergleich herangezogen. Doch ist bei diesen die
Scheibe stets kreisförmig oder oval. Auch wird zur Bildung der Rolle,
soweit eine solche überhaupt vorhanden ist, nicht der eigentliche Scheiben-
rand, sondern eine mehr oder weniger breite Fortsetzung verwendet, die
von dem oberen Rande der Platte ausgeht. Die Rolle ist daher in der
Regel nur sehr schmal.3) Als Ersatz der Rolle, die wohl zur Anbringung
von Schmuck- oder ISTutzgerät diente, finden sich bisweilen in dem oberen
1) Hörnes, Urg. d. M., S. 532, Vollbild 1. - 2) Verhandl. 1890, S. 438. — 3) Z. B.
Die Nadeln von Lemmersdorf, Lehrake, Angermünde, Arnimshain; usw.
— 51 —
Peil der Scheibe mehrere Löcher, bo bei dem Schabernacker Exemplar.
Zur Verzierung der Platten dienen gewöhnlich getriebeue Buckel, die
meist in mehreren Reihen den Kam! der Scheibe umsäumen.
Diese Nadeln, deren Scheibendurchmesser 90 — 120 mm beträgt, kennt
man bei uns aus Mecklenburg (Sparov? I». Plau, Lüssow b. Güstow, Zier-
zuw b. Grabow und Heinrichsfelde)1), aus der Uckermark (Lemmersdorf2),
A.ngermünde8), Arnimshain)*), aus Pomniern (Clempenow b. Demmin),
•ms Ostpreussen (Fritzen)6), aus Schabernak (Ostpriegnitz)6), aus dem Elbe-
gebiete (Estorfsche Sammlung) und uns Hannover (Lehmke, Amt Boden-
teich; Marssei, Amt Zesum; Sommerbeck, Amt Blekede.)7)
Zu der nordischen Gruppe rechnet Virchow auch die livländischen
Scheibennadeln, die zwar nicht rund, sondern mehr abgerundet dreieckig
sind and an den Schultern getragen wurden. Ausserdem haben sie nach
Yirchow noch das Eigentümliche, dass an dem Übergange des Stieles zur
Scheibe Ketten mit manchen Zierraten und Nutzgerät aufgehängt sind.8)
Den nordischen Stücken reiht sich zunächst eine Scheibennadel von
Maskovica in Böhmen an, die jedoch als Gürtelbeschlag gedeutet worden
ist.'1) Weiter folgt ein Exemplar aus Gaya in Mähren10), dass zwar an
Grösse sowohl hinter den kaukasischen als den nordischen Stücken
ziemlich beträchtlich zurücksteht trotzdem aber zweifellos dieser Gruppe
zuzurechnen ist. Es ist eine Säbelnadel, deren oberer abgeplatteter Teil
zu einer breiten Scheibe von länglich ovaler Form sich erweitert. Zwei
ganz ähnliche Nadeln mir etwas breiterer Scheibe von rhomboider Gestalt
bildet Herr Keine cke aus Ungarn ab; auch bei ihnen ist das obere Ende
zu einer Rolle umgebogen.11) Diese drei Stücke bilden eine sehr deutliche
Obergangsform von den einfachen Rollnadeln zu den nordischen Scheiben-
nadeln einerseits und den kaukasischen Spiegelnadeln andererseits und
erscheinen dadurch um so bemerkenswerter, als sie auch geographisch
die räumlich so weit auseinander liegenden Formen einander näher bringen.
Endlich sind den nordischen ähnliche Scheibennadelu auch noch in
[strien und besonders häufig in der Westschweiz gefunden worden.1-)
Auch diese Nadeln erscheinen bereits sehr frühzeitig, wie dies
namentlich die Depotfunde von Angermünde und Arnimshain, die etwa
der Periode II Montelius angehören, beweisen.
Radnadel n.
Vis eine Weiterentwickelung der im Abendlande heimischen Rad-
uadeln fasse ich die im nördlichen Kaukasus verschiedentlich beobachteten
Nadeln mit ä jour durchbrochener Scheibe auf. Dieser Typus, der in
Europa von Bosnien bis zur Schweiz und nordwärts von Baiern bis nach
Norddeutschland vorkommt, tritt schon in diesem Gebiete in ziemlich
1) Schumann, Nachricht, aber deutsche Altertumsfunde 1901, Heft 2, S. 30. —
J Yin-liow, a.a.O., und Verhandl. L898, S. IT. — 3) Schumann, a. a. 0.. S. 30,
Fig, l u. 9. — 1) Schumann, ebenda, Heftö, S. 79, Fig. 33— 35. — 5) Schumann, a. a. 0.
— 6) Yirchow, Gräberf. v. Koban. — 7) Lindenschmit: Die Alt. uns. h. Yorz., Bd. II,
I 3, Taf. [V, 2-4. — 8) Virchow: a.a.O. — 9) Richly: Bronzezeit in Böhmen,
Tut. XX, Fig. 26 u. S. 10G. — 10) Verhandl. L890, S. 177. — 11) Arch. Ertesitö 1899, S. 55,
Fig. 11 u. S. 241, Fig. 12. — 12 Schumann, a. a. 0,
4*
— 52 —
verschiedenen Variationen auf. Bei den einfachsten und ursprünglichsten
Formen ist das Rad, in das sich die in ihrem oberen Teil meist ab-
geplattete und verbreiterte Nadel fortsetzt, vierspeichig1) und die vier
Speichen gehen nach der Mitte zu bisweilen in einem kleinen Reifen über, der
wohl ursprünglich den Achsenring des Rades andeuten soll.2) Eine weitere
Variante bilden Nadeln mit acht Speichen, von denen die vier Haupt-
speichen sich bis zum Mittelpunkte des Rades fortsetzen, so die Figur
eines senkrechten Kreuzes bildend, während die vier Nebenspeichen nur
bis an den inneren Ring herantreten.3) Etwas stärker von dem ursprüng-
lichen Radtypus weichen schon die Nadeln ab, bei denen zwar noch vier
Fig. 30.
Fig. 31.
Fig. 32.
Fig. :!0. Nadel mit ä jour durchbrochener Scheibe
von Tschegem, 3/4 nat. Gr.'
Fig. 31. Desgl. von Besinghy, Oberland der Kabardä,
nat. Gr. (Verhdl. 1890, S. 449, Fig. 65b.)
Fig. 32. Eadförmige Nadel von Glasinac in Bosnien,
nat. Gr. (Hörnes, Urg. d. M., S. 539, Fig. 213.)
zu einem stehenden Kreuz zusammenfiiesseiide Hauptspeichen vorhanden,
die vier Quadranten des Rades dagegen in irgend welcher Weise aus-
gefüllt sind.*) Noch eigentümlicher ist die in Fig. 32 dargestellte Nadel
von Glasinac in Bosnien, deren Kopf aus einem halben Rad gebildet
wird, das an seinem äusseren Rande eine kammartige Krönung zeigt.6)
Eine ähnliche Krönung findet sich übrigens auch bei manchen west-
deutschen Radnadeln, z. B. bei der von Westerweihe in Hannover6), einer
1) Lindenschmidt: Die Alt. uns. h. V., Bd. I, Heft 1, Taf. IV, Fig. 1 u. 5; Nachr.
6b. (1. Altertnmsfunde L903, S. 38, Fig. :*». — 2) Z. B.: Die Nadel von Borstel, Kreis
Stendal: Verband!. 1898, S. 220, Fig. 19 und die Nadel von Westerweihe bei Lindenschmit
a.a.O., Fig. 2. — 3) Lindenschmit: a.a.O., Fig. 3; ferner die N. von Pappen-
heim, im Kgl. Mus. zu Berlin, K. N. II 630. — I) Lindenschmit: a. a. 0., Fig. 2 u. 4.
— 5) Hörnes: L'rg. d.M., S. 539, Fig. 21.'!. — 6) Lindenschmit: a. a. 0, Fig. 2. u. 4.
— 53 —
Nadel von Hessen1) u.a. Endlich gehört in diese Gruppe vielleicht noch
eine sein- merkwürdige Xadel von (ilasinac, deren Kopf Btatt von einem
Rade von einer ([uerliegenden fünfsprossigen Leiter gebildet wird.2) Eine
Analogie für diese Leiternadel findet Herr Börnes in einer Nadel ans
Troja, deren ebenfalls leiterförmig geteilter Kopf ähnlich wie die bosnische
Radnadel und die Exemplare von Hessen, Westerweihe und.Würzburg
mit einer kammartigen Krönung verziert ist.
Von den kaukasischen Können dieser ( Jruppe haben wir bereits unter
den Ohrnadeln ein Exemplar kennen gelernt (Fig. 22). Ein zweites
diesem sein- ähnliches ebenfalls aus Besinghy stammendes Stück bildet
Yirchow an der gleichen Stelle ab. Endlich gebe ich noch die Ab-
bildung einer nahe verwandten Nadel von Tscheghem (Fig. 30). Wie bei
den beiden vorgehenden breitet sieb hier die Nadel zu einem grossen
Ring ans. dessen Inneres von drei Balken durchzogen ist, doch sind bei
dieser die Balken glatt und ziemlich schmal, während sie bei den Stücken
von Besinghy stärker und blitzartig geschlängelt sind; auch sind bei
letzteren der Hing und die Balken mit rundlichen Knöpfen besetzt. Alle
Stücke sind mit starken Ohsen versehen.
Die Abstammung sowohl der europäischen Radnadeln als der kauka-
sischen Nadeln mit ä jour durchbrochener Scheibe von den radförmigen
.Medaillons erscheint mir um so weniger zweifelhaft, als letztere eine
ganz ähnliche Entwickelungsreihe, wie erstere aufzuweisen haben. Ins-
besondere steht den kaukasischen Stücken eine Anzahl von Bleimedaillen
von Akthala, Mussiyerri und Cheithanthag sehr nahe, die anstatt von zwei
sich sen krocht im Zentrum kreuzenden Speichenpaaren von vier bogenförmig
gekrümmten exzentrisch zusammenstossenden dicken Balken durchzogen
werden und die so recht deutlich den Übergang von dem einfachen vier-
speichigen Rade zu den durchbrochenen Scheiben von Tscheghem und von
Besinghy \ eranschaulichen.8)
Volutenn ad ein.
Bei dieser Gattung gabelt sich das obere Nadelende in zwei Ösen, die
in eine mehr oder weniger breite Spiralscheibe aufgerollt sind. Aus dem
Kaukasus ist mir diese Form nur aus Koban und Kumlmlte4) in Digorien
bekannt. Im Abendlande ist sie am häufigsten in dem Pfahlbau von Pes-
chiera beobachtet worden, der ihr auch den Namen i Peschieratypus) gegeben
1) Desgl: Bd. II, Heft III, Taf. IV, Fig. 1. — 2) Hörnes: a. a. 0. — 3) Morgan:
a. a. 0., T. I, S. 50, Fig. 10, 3 u. S. 131, Fig. 11!». — Für die Abstammung der europäischen
Formen aus den älteren radfürmigen Anhängseln spricht vor allem die häutig vorkommende
Öhse ;nii oberen Rande, aus der sich dann weiter die verschiedenartige Krönung heraus-
gebildet hat Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass die »Mise zum Durchziehen des
Befestigongsfadens oder zur Anbringung von Schmuck^erät diente, sondern erblicke \iel-
mehr darin lediglich ein Überbleibsel der ursprünglichen Medaillons, bei denen sie ja
zum Anhangen notwendig war. Da die Medaillons bereits in Bfykenae ^ehr häutig auf-
treten und auch in den nordbalkanischen Gebieten in eine sehr frühe Zeit zurück-
reichen, so kann auch ihre Weiterbildung zur Nadel schon sehr früh begonnen
hal'en. obschon diese selbst und namentlich ihre komplizierteren Varianten augenscheinlich
einer »päteren Periode angehören. — H Virchow: Verhdl. 1890, S. 111'.
— 54 —
hat.1) Doch kommen ganz gleichartige Stücke nach v. Sacken auch in
llallstatt, in den Grabhügeln zu Erk bei Yöcklabruck in Oberösterreich,
uud in Ungarn vor.2) Aus Westdeutschland bildet Linden seh mit ein
Exemplar von Geiersbach in Hessen ab3), während das nordöstliche
Fig. 33.
Fisr. 34.
Fig. 3öa.
Fiff. 35 b.
Fier. 36a. Fig. 36b.
Fig. 37.
Fisr. 38.
Fig. 33. Volutennadel aus Kumbulte, Digorien, lj3 nat. Gr. (Verhdl. 1890, S. 419, Fig. 3.
Fig. 34. Volutennadel von Peschiera, Gardasee. (Hörnes, ürg. d. M., S. 426, Fig. 184.)
Fig. 35a. Bronzener Fingerring aus Sadakhlo, ;i/4 nat- Gr. (Morgan, S. 113, Fig. TT.
Fig. 35b. Bronzespirale aus Veleni St. Veit.
Fig. 36a. Bronzene Fingerspirale von Hadrut, 4/n 1)at- Gr. (Verhdl. 1896, S. 164, Fig. 3.)
I'ig. 36b. Bronzene Fingerspirale von 1 Windungen aus Pilin, Ungarn.
(Hanipel, Antiq. prehist. pl. XVI, Fig. I.
Fig. 3T. Bronzene Ohrringe von Utch-Kilissa und Akthala, nat. Gr.
(Morgan I, S. IUI, Fig. 66 u. 67.)
I'ig. 38. Ohrring von Komoxn. (Berl. Mus. II. ,4730; nach 01shausen:.Verh. L886, S. ITI.)
Deutschland durch eine Nadel von Schroda, Prov. Posen4) und ein
Bxemplar von Eichstädt, Kr. Osthavelland, Prov. Brandenburg') vertreten
ist. Letzten' zeigt allerdings insofern eine etwas abweichende Bildung,
1) Hörnes: Orgesch. d. Menschen, S. 126 u. 138, Anmkg. — 2) v. Sacken; Das
Gräberfeld von Hallstatt und Hampel: Altert, d. Bronzezeit LIII, Fig. 7. — 3) Linden-
Bchmit: Altert, uns. heidn. Vorz. Bd. I. H. IX, Tat'. II, Fig. T. — 4) Im Berl. Museum,
K. N. I, 1243. — 5) Berl. Museum K. N. II 5606.
ÜO —
als der Hals in einer kropfartigen halbhohlen Anschwellung besteht und der
Nadelschaft sein' verkürzt ist. Ganz eigentümlich ist eine Nadel von
Szarlej am Goplo-See, die an beiden Seiten je zwei senkrecht über ein-
ander stehende Spiralscheibeii bildet.1)
Als eine diesen N;ideln verwandte Form ist eine l'lattennadel von
Knmbulte aufzufassen, bei welcher die Voluten in Blech ausgeschnitten
Bind.2) Auch für dieses Stück lässt sich aus dein Aheiidlande eine
Parallele aufweisen und zwar in einer Nadel von Sammenthin, Kr. Arns-
wahle, l'rov. Brandenburg,8) nur ist bei dieser, wie bei den typischen
mittel- und norddeutschen Spiralscheibennadeln blos eine spiralförmig
ausgeschnittene Scheibe vorhanden.*)
Fingerringe
finden sich im Kaukasus, wie es scheint, nicht allzu häufig und fehlen
sogar auf einzelnen Gräberfeldern, wie in Lehvar1) vollständig. Von den
verschiedenen Formen sind einfache Spiralringe oder aus mehreren
Windungen bestehende Bronzespiralen am häufigsten, doch kommen auch
breite offene Reifen2) und Siegelringe3) vor.
Als Analogien aus dem Abendlande und insbesondere aus dem unteren
Donaubezirke kommen hauptsächlich die beiden ersten Formen in Be-
tracht, die überall heimisch sind und überall in sehr alte Zeiten zurück-
reichen. (Fig. 35 — 30).
Eine dritte beiden Gebieten gemeinsame Form, die im Abendlande
in Ungarn*), Bayern0) und Norddeutschland6) vorkommt, bilden die soge-
nannten Scheibenringe, bei denen die verjüngten Reifenenden zu zwei in
einer Ebene liegenden Spiralrollen aufgewickelt sind. Dieser Typus ist
mir au- dem Kaukasus nur von Koban bekannt (Wiener Hof -Museum
K -N'o. IS 77-1 und 18 293). Wie in Mitteleuropa erscheint er dort auch
als Armschmftck (vgl. u. Fig. 55).
Ohrringe.
Von diesem Schmiickgerät lässt sich den abendländischen Formen
aus dem Kaukasus ein Typus an die Seite stellen, der zu den sogenannten
Noppenringen der Formel I H. Olshausen gehört. (Fig. 37). Aufgewickelt
würden diese Ringe einen einfachen Haken mit einem kurzen und einem
langen Schenkel bilden. Sie sind bisher nur in Koban. Kamunta, l tseh-
Kilissa und in Akthala7) gefunden worden.
Das gleiche Prinzip liegt gewissen ungarischen Ohrringen zu Grunde,
1) Kohn u. Mehlis; Mat. zur Vorgesch. des Menschen im östl. Europa. Bd. II,
S. 221, Fig. 24. — i' Virchow a. a. 0. — 3) Berl. Museum K. N. I. f. 3120.
*) Diese Nadeln erinnern lebhaft an die schönen Goldspiralen ans dem Schatz von
Bzarvasszd, Comit. Marmaros, obschon diese nicht als Nadelköpfe dienten [vgl. Hampel
a. a. 0. XLVJ, Fig. L— 4).
1) Morgan a. a. 0., T. I, S. 111. — 2) Ebenda, S. L13, Fig. 78, S. 1'.'. Fig. 5. -
'. Verhdl. L896, Taf. VIII, Fig. 16— 19. - h Hampel: AntiM. prob, de la üongrie
pl. XVI 5; All. ,1. Hr. i. 0. \UX 1: Arrh. Eretsitö L899, S. 239, Fig. 1". - 5] Beil.
Museum K. N. EIc li'ol u. K. N. II.- 1150. — 6 Nachr. über .1. Alt. 1901, S.30, Fig.5.
— 7^ Morgan a. a. 0, S. 104, Fig. 66 u. 67.
— 56 —
von denen mehrere Exemplare aus Komorn ') und anderen Fundstellen im
Kgl. Museum in Berlin aufbewahrt werden.2) Ganz ähnliche Stücke sind
auch von Czofälva8) Haromszeker Stuhl, beschrieben.
Gleichfalls als Ohrringe (Pendants d'oreilles) bezeichnet Herr Chantre
jene eigentümlichen, in Koban ausserordentlich häufig vorkommenden Ge-
bilde, die Yirchow für Schläfenringe erklärt, und die nach ihm ähnlich
wie die slavischen Schläfenringe an der Mütze oder an breiten Bändern
befestigt waren/) Auf ihre Zugehörigkeit zu deu Noppenringen (I, S. 3)
hat schon Herr Olshausen in einem Nachtrag zu seiner Arbeit hin-
gewiesen. Wenn auch die gleichen Schmuckstücke' im Abendlande und
speziell im unteren Donaugebiete fehlen, so findet sich doch wenigstens
dasselbe Prinzip dort vertreten, so z. B. bei einem im Königl. Museum
aufbewahrten goldenen Noppenring aus Ungarn.5)
Armringe und Armbänder
als Schmuck- und Schutzgerät kommen im Kaukasus ausserordentlich
häufig und in sehr verschiedenen Formen vor, für die es z. T. im Abend-
lande an Parallelen fehlt. Eine Analogie zu den donauländischen, bezw.
abendländischen oder nordischen Typen lässt sich bei folgenden Ring-
formen nachweisen.
Fi- 39.
Fig. 40.
Fig. 39. Bronzehalsband, rund mit Strich-
ornament, Mussiyerri: 3/8 nat. Gr.
(Morgan, T. I, S. 113, Fig. 75.)
Fig. 40. Desgl., Velem St. Veit.
(Mitt. d. Anthrop. Ges. in Wien 1S97,
S. 17, Fig. 7, 17.)
1. Glatte, offene oder geschlossene Reifen aus rundem, mehrere Milli-
meter starkem Draht; meist mit quer oder schräg verlaufenden Strich-
gruppen oder Sparrenornament verziert. Sie sind nach Morgan in kau-
kasischen Gräbern sehr häufig und wurden teilweise vielleicht erst nach-
träglich durch Anbringung von Ornamenten zu Schmuckstücken umgewandelt,
nachdem sie vorher als Münzringe gedient hatten.") Die gleiche Form in
Europa sehr verbreitet und sehr alt.7) (Fig. 39 u. 40).
2. Ähnliche Reifen mit D-förmigem Querschnitt. 8) Sie sind anscheinend
etwas seltener. als die Ringe mit kreisförmigem Querschnitt. Auch im
Abendlande und insbesondere in Ungarn scheinen sie weniger häufig zu
1) II 4730, zwei Stück, das eine Spiegelbild d. and. und II 5711, ebenfalls ein
zusammengehöriges Paar. — 2) II 5661—63 (vgl. die Arbeit von Olshausen, Verhdl.
1886). -- •'!) Arch. f. Siebenburgische Landeskunde N. P. 13, Taf. 8, 7. — 4) Virchow:
D Graberfeld von Koban. — 5) II 5710 abgebildet bei Olshausen, Verhdl. 1886, S. 140.
— 6) Morgan a. a. 0., S. L12ff. — 7) Vgl. die Abbildungen in den Mitt. d. Anthrop.
Gec in Wien L897, 8. L6 u. 17. — 8) Beispiele: Berti (Verhdl. 1899, S. 289, Fig. 92.),
Schuscha (Verb. ||. 1898, 8.292, Fig. 8), Chodschali (Verhdl. L898, 8. 129. Fig. 18).—
— \n —
sein and speziell treten sie gegenüber den drei- oder vierkantiges Arm-
reifen zurück.1) ( Fig. 41 it. 42).
:;. Gerippte Armreifen, auf dem Querschnitt rund, an der Innenseite
glatt, aussen bald nur ganz flach eingefurcht, bald tief eingeschnitten, so-
dass die einzelnen Segmente zwischen den Einfurchungen perlenartig her-
vortreten. Im Kaukasus kennt man diese Formen aus Koban, Schuscha.
Fiff. II.
I:
Fig. I::.
v\s. \:<
Fij. IC
Fi- II.
Fig.
Olli
Fig.
Fie. I:;.
Fig.
I ig
Fie.
11. Offener Bronzearmreif im Querschnitt, D-förmig. Kerbschnitt u. sparrenähnliches
iment, »/a nat. Gr. Serti, Langesurscher Kr., Kauk. (Verhdl. 1899, S. 289, Fig. 92.)
12. Offener Bronzering mit D-förmigem Querschnitt, Velem St. Veit; l/< nat- Gr-
(a. a. 0., S. 1!), Fig. 5, 23.;
Bronzereif, glatt, offen, am Ausseurande gerippt, Dschebreü, Kauk.: ' , nat. Gr.
(Verhdl. 1896, S. L68, Fig. 10.)
II Bruchstück eines gerippten Armreifes von Velem St. Veit: nat. Gr. (Eigne Samml.
15. Vierkantiger offener Ring von Damgolu, Kauk.: nat. Gr. (Verh. 18%, S. 99, Fig. 56.
16 Bruchstück eines analogen Ringes von Velem St. Veit: nat. Gr. (Eigne Samml.1
i.rtschasdor, Dschebrail und Mussijerri.9) In Ungarn smd ähnliche Stücke
ziemlich häufig gefunden worden, so in Pelsö-Csaj, Blatnitza bei Szebeslo.
Cum. Turöcz, in Debreczin8), und St. Veit bei Grüntz, doch sind sie auch
im Hallstatter Kulturkreis und in Büttel- und Norddeutschland nicht selten.
(Fig. 43 u. 44).
4. Kantige Ajmringe, auf dem Querschnitt drei- oder viereckig, ver-
ziert und unverziert, otlen oder geschlossen. Ein Bowohl im Kaukasus4)
als in Ungarn sehr häufiger Typus.0) (Fig. 45 u. 46).
1) M..I. Anth. Ges. in Wien 1897 a.a.O. — 2 Morgan a. a. O..Yrh. 1896, S. 7 u. Fig. 10.
— 3) Eampel a.a.O. pl. XVI, Fig. 14—16 u. a. - 5) Verhdl. L896, S. 99 u.a. -
Mitt. d. Anth. Ges. in Wien L897 a. a. 0., Bampel: Alt. d. Br. i. ü. LT, I u. 2 u. a.
— 58 —
5. Schwere, dicke Armringe1), offen, auf dein Querschnitt rund oder
D förmig oder kantig'2) mit Querstreifen, Sparrenornament usw., verziert,
oder ganz ohne Ornament. Für die Kaukasischen Stücke hat Herr Morgan
ein bestimmtes Gewichtsverhältnis nachzuweisen gesucht, das dem assy-
rischen System entspricht. Das Gewicht der einzelnen Ringe würde
danach das zwei-, drei-, vier- usw. bis achtzigfache des Gewichtes des
kaukasischen (assyrischen) Schekels darstellen. Diese Form wäre daher
nicht sowohl als Schmuckgerät als vielmehr als Münzgewicht anzusprechen.
Auch dieser Typus ist in Ungarn3) und weiter in ganz Österreich und
Fig. 47,
Fig. 48.
Fig. 49.
Fig. 50.
Fig. 47. Bronzeringe von Helenendorf, Kauk. : 1J2 nat. Gr. (Verhdl. 1901, S. !>0, Fig. Ga.)
Fig. 48. Bronzearmring von Velem St. Veit; 72 n&t- Gr- (Eigne Sammlung.)
Fig. 49. Geknöpfter Bronzering aus Akthala. (Morgan, T. I, S. 129, Fig. 113.)
Fig. 50. Stück eines geknöpften Ringes von Velem St. Veit. (Eigne Sammlung.)
Deutschland im Beginn der Bronzezeit sehr verbreitet4), doch vermag
ich nicht zu sagen, ob sich für diese Stücke ein analoges Gewichts-
verhältnis hat feststellen lassen.
1) Morgan: a. a. S. 110, Fig. Au. 71. Virchow: Koban, Tat'. V,5. Verhdl. 1890,
S. Ii'l. Fig. 7. — 2) Virchow: Verhdl. 1890, S. Ii'o (Kuinbulte Dig.). Hömes: Urgesch.
!. Menschh. 8.534, Bild 2. - 3) Hampel: Antiqu.preb.ist. pl. L6, Fig. II, 17, L9, 20, 23
lind pl. X, Fig. :; u. I. Kaiman Freih. v. Miskc: Mitt. d. Antr. Ges. zu Wien,
Jg. L897, S. 16, Fig. .") ii. 6. — 4) z. B. im Gräberfeld v. Knochenberg bei Niederrödern.
Deichmüller: Mitt. a. d. Kl. min. geol. u. prah. Mus. i Dresd. S. 12.
— 59 —
C). Einfache Spiralringe mit P/gfacher Windung, rund oder kantig,
verzier! und anverziert. Analoge Stücke aus Ungarn vielfach bekannt.
Auch in Mittel- und Norddeutschland häufig. (Fig. 47 u. 48.)
7. Geknöpfte Armringe: auf «lern Querschnitt rund oder Dförmig; an
der Aussenfläche warzen- oder kugelförmige Ansätze. Im Kaukasus Bind
sie in Akthala, Mussiyerri x), Gagdaja8) und Helenendorf 8) gefunden worden.
Im Abendlande kommen sie von Ungarn bis zum Rhein4) und weiter in
Böhmen und Norddeutschländ vor, doch scheinen die europäischen Buckel-
ringe durchweg einer späteren Zeit und zwar der La Tene-Periode an-
zugehören. (Fig. 41) u. 50.)
8. Armbänder: 1— 2 cm hoch, glatt oder mir, Mittelrippe oder wulst-
artigen Keifen verziert (Fig. 51 u. 52), die ihrerseits bisweilen mit Quer-
strichen oder Spurren ornamentiert sind. Sie sind stets offen und verjüngen
Fi- 51.
Fu
Fig. 51. Armband aus dem Unterlage!- von Tschmv, westl. YYladikawkas (Vorhdlg. 1890
S. 124, Fig. 11: vergl. auch Cliautre T. IT, pl. XV, Fig. 11 von Kobau).
I ig. 52. Armband mit dem Sehatz von Rakos-Palota, Com. Past. 3 4 n. Gr. (Hampel,
Alt. d. Br. i. M. LXXXVII, Fig. G.
sieh in der Regel nach den beiden Enden zu. Letztere sind entweder
glatt oder zu einer Rolle oder Spirale umgebogen. Im Abendlande kommen
ähnliche Formen ausser in den unteren Donauländern5), wo sie an-
scheinend seltener sind, im Pfahlbau von Peschiera'), in Este7) Hallstatt.
Süd- und Mitteldeutschland bis Skandinavien vor. Insbesondere sind dieser
Grruppe die der ältesten dänischen Bronzezeit8) angehörigen, auch in
Ungarn9) vorkommenden Goldringe zuzurechnen, die manchen kauka-
sischen Bronzearmbändern sehr ähnlieh sind: nur in der Gestaltung der
Enden unterscheiden sie sich, insofern bei jenen jedes Ende je zwei
senkrecht übereinander stehende Spiralen bildet, während bei letzteren
meist nur eine Spiral., an jedem Ende vorhanden ist (Fig. 53 u. 54).
9. Handbergen: Sie bestehen aus einer einfachen Armspirale oder
einem breiteren, oft mit Mittel- und Randwülsten versehenen Armband.
1) Morgan: a. a. 0. S. 199, Fig. 110. — 2) Verhdl. L890 S. 490. — 3 Yerhdl. L901,
s. L02, Fig. 25 b. — i) Verhdl. L891, S 191 and Lindenschmit: Die Altert, uns. heidu.
Vom. Bd. IV, Taf.13. — 5) Hörnes: Urg. d. bild. Kunst. Taf. XXI und Hampel: Alt.
d.Br. LXXXVII, Fig. 6. — (!) Hörnes: ürg. d. Menschen S. 126, Fig. L84 —7) Ebenda.
S. 574, Fig 236. —8] S. Müller: a. a. 0. I. S. 253, Fig. L16. - 9 Hampel: Alt.
d. Br. KLVIf, Fig. 2.
— 60
das sich nach den Enden zu zu einem runden oder kantigen Draht
verjüngt und zwei mächtige, senkrecht übereinanderstehende Spiralen
bildet. Aus dem Kaukasus J) kenne ich diese Formen nur aus dem
Norden, während sie in Transkaukasien ebenso fehlen, wie fast alle anderen
Spiralgeräte. Ähnliche Stücke kennt man aus der Krim2) (Fig. 55 u. 56),
Ungarn3), Böhmen4), Mittel- und Norddeutschland6) bis nach Skandinavien,
wo sie überall den älteren Perioden der Metallzeit angehören6). Eine
besondere Varietät bilden Ringe mit nur einer Spiralscheibe, die ebenfalls
von dem Donaugebiet bis nach Norddeutschland reichen. Dass es sich bei
Fiar 55.
Fig. 53.
Fig. 50.
Fig. 54.
Fig. 53. Bronzearmring aus Koban. (Nach Hörnes, Urgescb. d. M.. S. 535 n. f.).
Fig. 54. Goldner Armring a, d. alt. Bronzezeit Dänemarks. 2/s n- Gr.
(Nach Soph. Müller, Nordd. Alt. I, 253, Fig. 116).
Fig. 55. Bronzearmring von Koban (Morgan S. 178, Fig. 102).
Fig. 56. Bronzearmspange von Przygodzice, Kr. Adelnau, Posen. (Verhdlg. 1885, S. 7!)).
diesen Stücken nicht, wie Herr Schumann meint, um defekte Exemplare
handelt, „bei denen man das zerbrochene Schleifenende durch Hämmern
verschmälert und ausgetrieben hat"7), gehl daraus hervor, dass sie in
Ungarn vielfach paarweise auftreten8).
1) Virchow a. a. 0.; Morgan I, S. 178. — 2) Mus. zu Kertsch. — 3) Hampel:
Ant. prob. XVI u. X u. Alt. d. Br. LXXXVII, 5. ■ 4) Depotfund von Äehusic
Verlull. 1889, 8. I.V.. - 5) Schumann: Verhdl. üb. d. Ges. 1901, H. 2, S. 31. —
6) Sie sind in Böhmen -wiederholt mit Zonenbechern zusammen gefunden worden; Schneider,
Corresp. ßl. Jg. 1903, No. I. S. 27. — 7) a. a. 0. — 8) Hampel: Alt. d. Br. XXXVII,
I u. 2; CXII 2 u. 3; XC1V 3 u. I.
— 61 —
10. Spiralarmschienen : Sic fehlen gleich den vorhergehenden im
südlichen Kaukasus, sind dafür aber in Koban umso häufiger1). Als
Material für sie wurden breite mit Mittelrippe versehene Bänder oder
starker kantiger Draht vou dreieckigem Querschnitt verwendet. Die Enden
sind stets rollenförmig- oder nocli häufiger zu einer Spirille aufgewickelt.
In Europa finden sich ähnliche Armschienen in Ungarn2), Böhmen8),
.Mittel-4) und Norddeutschland 6), sowie in Dänemark6) and Skandinavien7)
Behr häufig, und ebenso kennt man sie aus Griechenland and Italien, da-
gegen fehlen sie in Hallstatt und den Schweizer Pfahlbauten fast voll-
ständig8). (Fig. 57 u. 58) Die angarischen Formen haben mit den
kaukasischen Spiralen insbesondere die Aufrollung der Enden und die
Verwendung dreikantigen Drahtes gemein und schliessen sich hierin den
Inländischen und uralischen Formen an. In den übrigen Fundgebieten
Fiff. 57.
Fier. 58.
Fig. 57. Armspirale von Koban; V4 n. Gr. (Morgan, T. I, S. 179, Fig. 202).
Fig. 58. Armspirale von Kis-Unyom, Komitat Vas, Ungarn. (Hampel, Antiq. prehist.,
Taf. X, Fig. 10).
linden sich zwar auch Armschienen mit Spiralbändern oder kantigem
Draht, doch dürfte flach gewölbter Draht von D- förmigem Querschnitt die
Regel bilden und erstere Form wohl nur den ältesten Abschnitten der
Bronzezeit angehören9).
Halsringe.
Als Halsschmuck wurden im Kaukasus mit Vorliebe Kolliers von
I 'eilen getragea. Eigentliche Halsringe sind daher im Verhältnis zu der
sonstigen Reichhaltigkeit des Gräberinventars auf den kaukasischen Xekro-
polen ziemlich selten. Am häufigsten begegnet man ihnen noch im süd-
lichen Kaukasus: Akthala, Utsch-Kilissa, Cheithan-thag, Musiyerri10), ob-
wohl sie auch im Norden nicht völlig fehlen. Die typische Form sind
1) Vircho-w a. a. 0.; Hörnes, Urg. d. M. S.
a. 0. XXXVI 1-:'.; CXVI 12 u. 12; CXIII 6, 7 u. 8;
Frbr. v. Miske: Mitt. d. Anthr. Ges. in Wien 1897
ürg. d. M. S. 117, Fig. 17u u. S. 423, Fig. 182. -
Sachs. Volkskunde, 1. Aufl. S. 34. — 5) Kohn u. Me
333, Fig. 155; Nachr. ü. d. Alt. 1901 S. 30, Fig. 6, 8,
6) Hörnes: Urg. d. M. S. 398, Vollb. — 7) Ebenda,
a. a. 0. — 9) In Koban fand sieb nur ein einziger Ring;
scblusses interessant, für den im Abendlande Parallelen
erscheinen. Virchow, Gräberf. v. Koban S. IS. — 10 M
534, Vollb. 2. — 2) Hampel: a.
(IX 28 u. 29 u. a. Kaiman
, S. 15, Fig. 1. — 3) Hörnes:
- I Deichmüller in Wuttkes
blis: Mat. z. Vorg. d. K. I S.
12: S. 79, Fig. 1-6 u. v. a. —
S. 396, Fig. 167. — 8) Virchow
er ist besonders wegen seines Ver-
erst in der römischen Kaiserzeit
organ a. a. 0. I, S. lOlff. Fig
— 62 —
Fig. 59.
grosse, offene, aus runden oder gedrehten kantigen Stäben zusammengebo-
gene Ringe, deren Enden abgeplattet und aufgerollt sind (Fig. 59). Dieser
Typus, der über ganz Europa verbreitet ist, gehört überall der ältesten
Epoche der Metallkunst an. Speziell in Ungarn kommt er schon in
der Kupferzeit vor. So fanden sich in einem kupferzeitlichen Depot-
fund von Ungarisch -Altenburg über 1000 Stück1). Bei der Kleinheit der
Öffnung bei vielen dieser Ringe ist es zweifelhaft, ob sie als Halsschmuck
dienten oder nicht vielmehr als Fussringe.
Wegen ihrer Häufigkeit und besonders in An-
betracht des grossen Depotfundes in Ungar.
Altenburg vermutet Herr Hampel, dass wir
es hier nur mit einer bestimmten Form, in
der das noch seltene Metall in Verkehr ge-
bracht wurde, zu tun haben. Die schleifen-
artige Bildung der Enden würde dazu dienen,
eine beliebige Zahl von Ringen, die auf
Stangen transportiert wurden, zusammenzu-
binden. Für die älteren Stücke mag diese
Erklärung vielleicht zutreffen, doch dienten
sie in späterer Zeit zweifellos als Schmuck-
gerät, wie aus der Ornamentierung erhellt,
die wir sowohl bei den kaukasischen3) als
namentlich vielen donauländischen Stücken
antreffen.
Fig. 59. Halsriug von Dschebrail,
Kauk. (Verh.1894, S. 168, Fig. 9.)
Hängeschmuck.
Bei der grossen Neigung der alten Kaukasier, sich auf alle erdenkliche
Weise zu putzen und zu schmücken, ist es selbstverständlich, dass auch
allerlei Anhängsel, die teils am Halse oder auf der Brust, vielleicht auch
in den Spiegel- und Rudernadeln sowie am Gürtel getragen wurden,
sich einer allgemeinen Beliebtheit erfreuten. Derartige Schmuckstücke
sind daher auf den kaukasischen Gräberfeldern sowohl im Norden als im
Süden in sehr grosser Zahl und in den verschiedensten Formen auf-
gefunden worden, die teils einer rein lokalen Geschmacksrichtung ihre
Entstehung verdanken, z. T. aber auch nahe Beziehungen zu dem skytisch-
sibirischen Formenkreis einerseits4) und zu der donauländischen Kultur-
sphäre andererseits erkennen lassen. Zu letzteren, auf die wir uns hier
allein zu beschränken haben, gehören
1. Kreuze.
Sil finden sich namentlich in Koban5) sehr häufig, sind aber auch in
Kasbek und anderen Fundstationen beobachtet.6) Gewöhnlich ist an einem
1) Hampel: Neuere Studien über die Kupferzeit. Zeit sehr, l'.thn.. Ant. u. Urgesch.
1896, S. 79. — 2) Morgan: a. a. 0. — 3) Hömes; Urgeschichte der Kunst. Taf. XXI,
Fig. 1 ii. 2. — I) Hierzu gehören z.B. Fische; vgl. Führer d. d. bist. Museum in Moskau
S. III, Nr. 1343 u. der Fund von Vettersf'elde. — 5) F. d. d. h. M. i. M. III, 1399—3 106;
Hömes: Urg. d. M., S, 536. - G) Verhdi. L898, S. III, Eig. 51.
— 63 —
der Balken eine Öse and ein Bronzering angebracht, mittelst dessen Bie
aufgehängt werden konnten. Ähnliche Stück.' finde! man anch in Süd-
Russland und der Krim.1) Im nordbalkanischen Gebiet kenni mau sie
von Glasinac in Bosnien,2) weiter westlich von [strien,8) sowie aus Hall-
statt*) im Norden endlich erscheinen sie in litauischen Kurganen.6)
Von Grüneberg, Kr. Ruppin, hm Eerr Bartels zwei kreuzförmige An-
Piff. 60.
Fi<r. 61.
Für. 62.
Fig. 60. Bronzekreuz aus Kobau. (Nach Hörnes, S. 55-2, Vollb. 1.)
Fig. 61. Brouzekreuz aus Glasiuac in Bosnien. (Nach Hörnes, Urg. d. M. S. 539, Fig. 21."..)
Fig. 62. Brouzekreuz aus Hallstatt, (v. Sacken, Hallstadt, S. 81, Taf, XVIII, Fig. 15.)
hängsei beschrieben, die jedoch Hr. Voss für Köpfe von Latene-Nadeln,
wie sie auch sonst vorkommen, erklärt.6) Diese Kreuze sind jedenfalls
als Amulette anzusprechen.*)
1) Z. B. v. Wischenki, Kr. Ostjar, Gouv. Tschernigow. Führer d. d. hist. Mus.
i. M. III. 1122. - 2) Hörnes: Urg. d. bild. K., Taf. 12, Fig. 8. ein Doppelbeil in
Kivuzform, also eine Combination von Kreuz und Beil, wie sie auch sonst vorkommt,
z. B. dem mit einem Kreuz verzierten Hammerbeil von Grossbogendorf, (Kr. Sagan) Ver-
handl, 18%, S. 191. - :: Hörnes: Urgesch. d. Mensch., S. 54«», Vollbild links. —
I v. Sacken: Gräberf. v. Hallst., S. S-'i, dem bei Hörnes, Urgesch. d. Mensch., Voll-
bild 2 von Koban abgebildeten Stücke sehr ähnlich, aber von v. Sacken für einen Knopf
erklärt — .">) Kohn u. Mehlis: Material, z. Vorgesch. d. Mansch, im östl. Europa, S. 320,
Fig. 150. — G) Verhdl. 1892, S. 163, Fig. 1.
*) Dass das Kreuz wenigstens in späterer Zeit tatsächlich ein religiöses Symbol
bildete and insbesondere als Zeichen des Thor galt, scheint folgender, in nordischen
Sagen erzählte Vorgang zu beweisen. Bei den dreimal jährlich stattfindenden hohen
altgermanischen Opferfesten, anderen Feier jeder freie Landesbewohner teilzunehmen ver-
pflichtet war, wurden auch Speise- und Trankopfer gebracht Als nun einst bei einem
solchen (»pleiteste Sigurd Jarl den Becher dem Odin geweiht hatte und ihn dann dem
Könige Hakon, der heimlich zum Christentum übergetreten war, zutrank, machte dieser
das Zeichen des Kreuzes. Seine argwöhnischen Genossen bemerkten das. er aber -
i das Zeichen des Hammers gewesen, das er gemacht habe, um Thor den Becher
darzubringen. (Nach Ballmann, die Ffahlbauten, Greifswald 1866. S.33). Interessant
bei dieser Darstellung ist die Verquickung des Kreuze- mit dem Hammer oder Beil.
;?. Fig. u.).
- 64 —
2. Radförmige Medaillons.
Die Grundform bildet ein vierspeichiges Rad, x) das wohl ursprünglich
ebenfalls irgend eine symbolische Bedeutung hatte und wahrscheinlich mit
dem Sonnenkultus zusammenhängt, doch haben sich im Kaukasus2), wie
übrigens auch anderwärts3) verschiedene neue Formen daraus entwickelt,
die kaum noch ihren Ursprung erkennen lassen. Die südkaukasischen
Exemplare, die den Nekropolen von Akthala, Mussiyerri und Cheithan-
tagh*) entstammen, sind sämtlich aus Blei und stimmen darin mit den
trojanischen5) Stücken überein, doch kommen bleierne neben solchen von
Gold auch in Mykenä6) vor. Im Norden der Balkanhalbinsel, in Bosnien
und Ungarn sind radförmige Bronzeanhängsel in Glasinac7), Bihac, Comit.
Bihac8), Rima Szombat, Com. Gömör9), Velem St. Veit10) gefunden worden,
auch kennt man aus Ungarn eine Gussform zu solchen Rädern, die im
Museum zu Budapest aufbewahrt wird.11) Weiter westlich kommen sie in
den Schweizer Pfahlbauten12) in Bayern13), Böhmen14) bis nach Nord-
Fi£. 64.
Fier. 65.
Fier. GG.
Fig. G3. Radförmiges Medaillon von Cheithan-thag'. (Morgan, S. 50, Fig. 10.)
Fig. 64. Desgl. von Bihac, Ungarn. (Hörues Taf. XII, Fig, 14.)
Fig. G5. Beilförmiges Hängestück aus hellblauem Stein von Chodshali. Auf beiden Seiten
Strichornament. An den Enden der Schneide sind die wagerechten Striche durch je 4 Schräg-
linien durchkreuzt. Das Stiellech dient als Öse für den Faden; n. Gr. 2 Exemplare.
(Verhdlg. 1898, S. 440, Fig. 48).
Fig. 66. Beilförmige Bernsteinperle aus Dänemark. 1/2 n. Gr. (Soph. Müller,
Nord. Alt. T. 1, S. 53).
deutschland15) vor. Ihr Verbreitungsgebiet entspricht daher im wesent-
lichen dem der Radnadeln, die sich, wie bereits oben erwähnt, jedenfalls
aus ihnen entwickelt haben. (Fig. 63 u. 64). Sie reichen bis in den
Beginn der Metallzeit zurück.
1) Z. B. ein Stück von Tscheghem, Verhandl. 1900, S. 111, Fig. 47. — 2) Z. B. ein Stück
vom Scharoj i. Bez. des Terek; Zeitschr. f. Ethn. 1887, S. 159, Fig. 1. — 3) Bronzeanhänger
von Regensburg; Kgl. Mus. in Berlin K. N. II 3180; s. a. Lindenschmit Alt. u. h. Vorz. III, VI,
Taf. 3. — 4) Morgan a. a. 0. T. I, S. 50, Fig. 10 u. S. 131, Fig. 119. — 5) Schliemann,
Ilios S. 631, Fig. 1'253. — 6) Schliemann: Mykenä S. 83, Fig. 120 u. S. 234, Fig. 316.
— 7) Hörn es: Urg. d. Menschen, S. 539, Fig. 213, Nr. 6—8.-8) Hampel: Alt. d. Br.
Taf. LIV, Fig. 2.-9) Hampel: a. a. 0., LIV, Fig. 1. — 10) Mitteil. d. Anthrop. Ges. in
Wien 1897, S. 15 ff. — 11) Hampel: Antiq. prehist, pl. XIV, 7. — 12) Hörnes: Urg. d. M.,
S. 372, Vollbild. — 13) Kgl. Museum in Berlin, K. N. II c, 1070b. — 14) Hörnes: Urg.
(1. b. K. in Europa, S. 460. — 15) Kgl. Museum in Berlin.
— 65 —
3. Beilförmige Anhängsel.
Eine ebenfalls symbolische oder talismanische Bedeutung- haben
zweifellos die beilförmigeu Anhängsel. Sie finden sich im Kaukasus be-
sonders häufig in Chodschali, wo sie sowohl aus Stein als aus Antimon
bestehen.1) Auch diese Anhängsel haben ihre Analogien zunächst in den
Doiiauländern. Sie erscheinen in (ilasinac in Bosnien, hier sowohl in der
Form von einfachen halbmondförmigen Beilen und Doppeläxten, als von
Hohlcelten.") In Ungarn linden wir sie sehr häutig als Gehängeglieder
der Bronzezeit, hier meist zusammen mit Radfiguren3), wodurch ihr sym-
liolischer Charakter noch deutlicher wird. Weiter begegnen wir ihnen in
den bronzezeitlichen Flachgräbern von Gemeinlebarn in Nieder-Osterreich,
die nach Börnes bis etwa 1200 v. Chr. zurückreichen4). In Santa
Lucia6) und der Nekropole von Pesaro6) hat man sie als Fibelanhängsel
gefunden und auch aus den Gräbern von Bisenzio und Picenum7) kennt
man sie. hier als Ton- oder Bernsteinamulette. Endlich gehören hierhin
noch die beilförmigeu Bernsteinperlen der megalithischen Grabdenkmäler
Dänemarks8), die dem jüngeren Abschnitte der neoli thischen Zeit zu-
zurechnen sind und die wir daher wohl als die ältesten Repräsentanten
dieses Typus betrachten müssen.
Übrigens spielen Darstellungen von Beilen auch sonst noch eine grosse
Rolle. Im Kaukasus erscheint es in Koban an Nadeln9) („Beilnadeln")
und in Form von Miniaturbeilen10), im Hallstatter Kulturkreis als Stock-
aufsatz, in Ungarn11) und Dänemark12) in Form kleiner Yotivgaben.
Endlich erwähne ich hier noch die Beilzeichnungen auf den steinzeitlichen
Dolmen der Bretagne, der Normandie und Dänemarks, und weiter eine
Beildarstellung auf dem Leibe einer weiblichen Figur im Innern einer
spätneolithischen Kreidegruft von Courjeonnet im Tale von Petit-Morin
(Champagne18), sowie einige verwandte Steinskulpturen aus dem Departe-
ment Gard, bei denen ebenfalls Beile auf dem Leibe oder der Brust einer
Frauenfigur dargestellt erscheinen. Man wird mit Rücksicht auf die letzt-
erwähnten Tatsachen Herrn Hörnes in der Annahme zustimmen müssen,
dass das Beil ursprünglich nicht, wie es der herkömmlichen Vorstellung
entspricht, ein Symbol einer männlichen Gottheit bildet, sondern dass es
vielmehr ein uraltes Attribut der Frau darstellt1*). Allerdings erscheint
es in der Bronzezeit häufig in Verbindung mit ithyphallischen Figuren
|s. u.), oiler auch, wie bei den Steinbeilen von Gräfenhain und vom
Schlossberg bei Burg im Spreewalde mit einem Kreuze verziert, sodass
man es namentlich mit Rücksicht auf die oben erzählte Sage in den
späteren Perioden wohl als ein Symbol eines männlichen Gottes, und zwar
t) Verhill. L898, S. 440 u. 141, Fig. öle u. f.; S. 130, Fig. 23; Verhdi. L896, S. 171.
Fig. '.»c — 2) Hörnes: Urgesch. d. bild. K., S. 171; Mitteil. d. Authrop. Ges. in Wien
L879, S. 145, Fig. 201; Wissensch. Mitt. Bosinens I, S. 101, Fig. L84f.3 S. L02, Fig. I93f.
— 3) Hörnes: a.a.O., Tat". 12, Fig. 12. — 4) Ebenda, S. 171. — .">) Marchesetti:
Taf. XII, Fig. •_'. — 6) Not. d. Scavi L892, S. L6. — 7) Hörnes: a. a. 0. — 8) Soph.
Müller: Nord.Alt. 1. S. 53 — 9) Hörnes: Urg. d. Mensch., S. 532ff, Vollbild 1 u. 2. —
10 lli. L332 l.'.ll.— ll)Hampel: Alt. d. Br.. Taf I.XX. — 12) Soph. Müller: a.a.O.
L3) Hörnes: Urg. d. M.. S. 299, Fig. 128. - 11 Hörnes: örg. d. bild. K.. S. 173.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahre. 1904. 5
— (>6 —
Fig. 67.
Thors, betrachten muss. Zu dieser Auffassung stimmt auch das mit
zwei S-Figuren verzierte Steinbeil von Schlicht (Fig. 115).
4. Vogelfiguren.
Wenn auch im Kaukasus Vogelfiguren als Anhängsel gegenüber anderen
Tierdarstellungen, namentlich von Widdern und Hirschen, sehr bedeutend
zurücktreten, so finden sieh doch auch diese nicht gar zu selten. Sie
sind im Norden in Koban1), Stepan-Zminda2) und von Tschegem3), im Süden
von Helenendorf4), Chodschali5) und Kedabegü) bekannt. Die aus den süd-
lichen ( iräberfeldern stammenden Figuren sind merkwürdiger Weise mit
dreieckigen, in Zonen angeordneten Öffnungen
verziert, wie wir dies ganz ähnlich bei vielen
Dolchknäufen und glockenförmigen Anhängseln
finden und ebenfalls bei gewissen, auch in Ungarn
vorkommenden Stockaufsätzen beobachten. Die
nordkaukasischeu Vogelfiguren sind dagegen, so-
viel mir bekannt ist, sämtlich undurchbrochen.
Unter den verschiedenen Vogelarten erscheint,
soweit überhaupt eine bestimmte Form erkenn-
bar ist, am häufigsten die Ente dargestellt,
seltener Fasane, deren Heimat ja der Kaukasus
bildet, und andere Vögel. Dagegen scheinen
Tauben, die in der trojanischen und myke-
nischen Kunst eine so grosse Rolle spielen,
gänzlich zu fehlen.
Sehr ähnliche xiuhängsel sind auch in den
unteren Donauländern nicht selten. Man kennt
sie hier von Kroatien7), Bosnien s) und weiter
Krain9). Aus dem Szamosrlusse bei Szasmär in
Ungarn stammt ferner ein schiffchenförmiger
Gegenstand, der in zwei Vogelköpfe ausläuft
und ausserdem zwei Ringe zum Anhängen be-
sitzt.10) Zwei andere ebenfalls als Anhängsel
dienende Doppelvögel lieferte der Depotfund
von Velem St. Veit11) und auch aus dem Borsöder
Komitat1") ist ein analoges Stück bekannt gewordon.
Auf die sonstige Verwendung der Vogelfigur, die sich im Kaukasus
;iii Beilnadeln18), auf Gürteln14) und in der Keramik1"') findet, und die in
Fig. G8.
Fig. 67. Bronzefigur eines
Vogels von Helenendorf, Kauk.
7:, nat. Gr.
Verhol. 1901, S. '.«>, Fig. 21a.)
Fig. 68. Bronzeanhängsel von
Glasinac, Bosnien; nat. Gr.
(Hörnes, U. d. b. K., S. 192,
Fig. L56.
l Hörnes: Org.d.M., S.534, Vollbild 2. — 2) F. d. d. hist. M. i. M. S. III, No. L342
L667, 1688. 3) Verhandl. 1890, S. 143, Fig. 18. I) Verhandl. 1901, S. 99, Fig. 2la.
5) Verhandl. 1896, S. 177, Fig. LI. (>) Grassi-Museum in Leipzig, zwei Stück. —
7) Ljubic: Popis, Taf. XXII, 118, 119. — 8) Mitt. d. Naturf.-Ges. in Wien L889, S. 144,
Fig. 198 u. S. I.;, Fig. 79; Glasnik, Sarajewo 1890, S. 90, Fig. 78. — 0) Hörnes: Urg.
(I. bild. Kunst, S. 190. — 10) Hampel: Alt, d. Br., LXIX 7a u. b. — 11) Verhandl. d. Anthr.
fies, in Wien 1897, S. 15, Fig. ■'!. No. L8 u. 1'.». — 12) Hampel: A bronzkor emlekei Magyar-
honban III, S. L60, Fig.29.— 13) Hörnes: Urg. d.M., S.532, Vollbild 1. — 14)Virchow:
Über d. kult. St, d. Kauk., Taf. IV, N. XIV, XVI, XVIII. - 1."') Morgan: a. a. O., I
S. L55, Fig. 169.
— 67 —
Italien. Mitteleuropa und Dänemark in «Ich verschiedensten Formen, als
Aufsatzstücke an Grefässen, an Ringen, als Vogelwagen und Vogelgefässen
erscheint, will ich liier nicht eingehen. Doch Lässi sich gerade an manchen
dieser Geräte, namentlich an den Vogelwagen und den bronzenen Vogel-
gefässen1), für die übrigens mich aus dem Kaukasus, hier allerdings nur
aus Ton, ganz auffallend ähnliche Stücke vorliegen, der symbolische
Charakter des Vogelmotivs mich weisen2). Dies ^ilt auch von der Kombi-
oation mancher Vogelfiguren und Kaddarstellungen, deren symbolischen
Charakter wir bereits oben kennen gelerni hatten8).
Was die Zeitstellung der Vogelfiguren anlangt, so gehören diese vor-
wiegend der Hallstattkultur und der jüngeren Bronzezeit an, doch lässi
sich ihr erstes Erscheinen im östlichen Europa Ins zum Ausgang der
aeolithischen Zeit zurück verfolgen, in der ja überhaupt die Wieder-
geburt der seit dem Ende *\cv paläolithischen Zeit vollständig verloren
offenen plastischen Kunst vor sich geht. Besonders interessant sind
aus dieser Periode eine Anzahl von Knochenschnitzereien aus dem Jura-
höhlengebiete bei Krakau*), die entweder für Seitenansicht oder gleich
dem goldenen Adler von Troja6) für Scheitelansicht berechnet, sich teil-
weise durch sehr naturtreue Modellierung auszeichnen.
."). Glockenförmige Anhängsel.
Sie sind teils durchbrochen, teils undurchbrochen, teils konisch, teils
konkav oder konvex gewölbt und auch der Klöppel und die am oberen
Ende angebrachte Öhse, die zum Aufhängen bestimmt war. variieren bei
Fig. 69. Fig. 70.
Fig. 69. Bronzeglocken vonTschogem, Kabarda,
mit Ring 1.7 ww, ohne 3,2 ci», Öffnung 2,8: 2,2 cm.
, nat. Gr. (Verhdl. L890, S. 137, Fig. 38.)
Fig 70. Bronzeglöckchen von Velem St. Veit,
L'ngarn; 3,5cm hoch, Öffnung 3,5:2,8 cm. In
den unteren Partien bildet das Glöckchen eine
vierseitige Pyramide mit abgerundeten Kanten,
nach oben zu dachen sich diese allmählich ab.
um schliesslich in die runde Kuppel überzugehen.
Von letzterer ein grösseres Stück herausgebrochen.
I igne Sammlung.' -' nat. Gr.
den einzelnen Exemplaren. Diese Schmuckstücke sind im Kaukasus sehr
häufig. .Man kennt sie von Akthala. Musiyeri. Cheithan-tagh 6) , Art-
schasdor, Gülaplü7), Tschegem8), Stepan-Zminda 9), Koban10) und vielen
amleren Fundorten, also aus Gräberfeldern, die sehr verschiedenen
1) Hampel: Alt. d. Hr.. Tat. LVI1, LVIII, LXVII, LXVIII. u. a. - 2 Morgan:
a. a. 0. — :'■ Die oben erwähnte Figur aus Adamsberg bei Hof in Krain erscheint als
Endstück eines Gehänges mit radförmigem Hauptstück; s. Hörues: Vrg. d. bild. K..
Tat. XV, Fig. I. - I Hörnes: ebenda, S. 255, Fig. 81-83. - 5) Schliemann: Ilion,
No. 924 u. 926. — 6) Morgan: a. a. 0., I, S. 124—127, Fig. 103— 106. — ~r Verhandl.
L896, S. 399. — 8) Verhandl. L890, S. 130. — 9) Bayern: a.a.O.. Taf. III -I: Chantre:
a.a.O., Taf.IIB, XXVII 1,3. - LO) Hörnes: [Jrg. d. M., S. 532, Vollbüd 1.
— 68 —
Perioden angehören und teilweise bis in die ältesten Zeitabschnitte der
kaukasischen Kultur hinaufreichen. Ganz gleiche Stücke, z. T. ebenfalls
mit dreieckigen in Zonen angeordneten Öffnungen verziert, sind in Süd-
Russland ziemlich verbreitet; sie sind dort von Alexandropol1), Krasno-
kutsk2), Tschertomlisk3), Ananino4) und anderen Fundplätzen bekannt.
In Ungarn sind analoge Glöckchen in grösserer Zahl und verschiedenen
Formen in Yelem St. Yeit gefunden worden, doch scheinen durchbrochene
Stücke zu fehlen6). Allerdings finden sich auch mit dreieckigen Aus-
schnitten versehene glockenförmige Gebilde, die den kaukasischen durch-
brochenen Anhängseln sehr ähnlich sind, in Ungarn und Siebenbürgen
nicht selten, doch dienten diese nicht als Hängeschmuck, sondern als
Stangenköpfe. Sie sind dementsprechend auch nicht mit einer Ohse aus-
gestattet, sondern tragen auf ihrem Scheitel eine kleine Tierfigur. Diese
Stücke gehören einer viel jüngeren Periode an und sind dem skythisch-
sibirischen Formenkreise zuzuweisen6). Ausser den Funden von Yelem
St. Yeit existiert aus Ungarn auch noch eine Gussform zu Bronzeglöckchen,
die aus der Gegend von Pecs, Kom. Baranya, stammt7).
Ob man die in Hallstatt gefundene drei Zoll hohe Glocke, die in
Form und Ton an die noch jetzt landesüblichen Kuhglocken erinnert,
hierher rechnen darf, erscheint mehr als zweifelhaft8). Dagegen kennt
man glöckchenförmige Anhängsel aus den Schweizer Pfahlbauten9). Diese
Stücke ähneln auffallend einzelnen Exemplaren von Gülaplü und vom
Tscheghem.
6. Durchbohrte Astragali.
Einen recht sonderbaren und auffallenden Schmuck bilden die durch-
bohrten Tierknöchel, die entweder von Schafen oder Ziegen stammen.
Yon diesen primitiven Zierstücken kommen in Kobau ganze Reihen vor,
welche wahrscheinlich als Schmuck um den Hals getragen wurden und
vielleicht als Amulette dienten10). Für eine derartige Deutung scheinen
mir wenigstens die Funde von Hissarlik-Troja zu sprechen, wo sie in
den verschiedenen Schichten in grosser Zahl sich finden, aber undurch-
bohrt sind und noch jetzt werden in manchen Gegenden Deutschlands
die Fusswurzelknochen von Hasen als Schutz- und Heilmittel geführt11).
Aus dem Donaugebiete werden durchbohrte Astragali von dem
Flachgräberfelde aus Gemeinlebarn12) in Niederösterreich erwähnt, das nach
den sonstigen Funden: den einfachen Terramarefibeln, den dreieckigen
Dolchklingen, den schweren offenen Armbändern, Flachbeilen, Goldringen usw.
als der ältesten Bronzezeit angehörig sich charakterisiert und die Über-
reste einer rein arischen oder germanischen Bevölkerung vom Typus der
alemanischen Reihengräber birgt.
1) Eecueil d'antiquites de la Scythie (1886-1873), PI. II, III, IV. — 2) Ebenda,
PI. XXIV, 1,2. — 3) Ebenda, PI. XXVIII, 1—4. — I) Aspelin: Antiquites du Nord
finno ougrien, Fig. 157, 458. — 5) Mitt. d. Anth. Ges. in Wien 1897 S. (15)ff, Fig. '■'>, 4, •">.
6 Beinecke: Die skyth. Alt. in Europa, Z. f. Eth., 1896, Taf. I. — 7) Hampel: Antiq.
prehiat, PL XIV, Fig. 5. — 8) v. Sacken: Das Gräberfeld von Hallstatt.— 9) Hörnes:
. AI., S. 372, Vollbild. — 10) Hörnes: Urg. d. M., S. 422. — 11) German. Museum
in Nürnberg. — 12) Hörnes a. a. 0. S. 421, Fig. 181.
— 69 —
Bronzeröhren
finden sich im Kaukasus in den Gräbern aller
PeriodeD sdir häufig', und zwar ebensowohl auf*
den Gräberfeldern des Nordens1) als des Südens.8)
[hre Bedeutung war lange Zeit rätselhaft, bis es
Herrn Morgan bei einem Grabfunde von Mussi-
\<'iri gelang, das Rätsel zu lösen. Sic waren
nämlich abwechselnd mir einer grösseren Anzahl
von Knochenperlen auf Schnüre gereiht, an deren
unterem Ende ein kleines Bronzeglöckchen hing.
Drei in dieser Weise hergerichtete Ketten von
.">(» C>(\ ci/t Lange liilden zusammen eine Hänge-
Garnitur, dir mittelst eines Bronzeringes an eine
Brustnadel befestigt war.8) Da die Bronze-
röhren und -Glöckchen bei jeder Bewegung
des Körpers aneinander schlugen und klangen,
haben wir es hier also mit einem Klapper-
schmuck zu tun.
Als Gegen st i'ud-; zu den kaukasischen Bronze-
röhren gebe ich die Abbildung einer Bronze-
röhre von St. Margarethen in Krain, die der
ersteren in ihren Dimensionen ziemlich genau
entspricht und nur eine etwas andere Orna-
mentierung zeigt. Auch dieses Stück diente als
Hängeschmuck, trägt aber noch eine Anzahl
(hier nicht abgebildete) Klapperbleche, die mit
vier kleinen Kettchen in Ösen am oberen Rande
der Röhre befestigt sind. Den Abschluss nach
unten bildet eine kleinere, ebenfalls mit Klapper-
blechen garnierte, konisch zulaufende Röhre, die
unten durch eine kreisförmige Scheibe abge-
schlossen wird. Wie beide Röhren miteinander
zusammenhängen, ist aus der Zeichnung nicht
zu ersehen, doch dienten vielleicht auch hier
ein ler mehrere Reihen von Perlen zur Ver-
bindung beider Stücke. (Fig. 71 u. Fig. 72).
Klapperschmuck kommt in den Hallstatt-
zeitlichen Gräbern der Donauländer auch sonst
sehr häufig vor6). Ob jedoch auch diese Bronze-
röhren gleich häufig wie im Kaukasus sind, ist
mir unbekannt. Vielleicht dienten die konischen
Bronzeblechhülsen, die in dem Depotfund von
Velem St. Veit9 in grösserer Menge zum Vor-
Fig. TL.
&1]
V/W
W^
5ö
Fig. 71. Brouzeröhre aus
Sadakhlo, Kauk.: 3/-» uat. Gr.
Nach Morgan I L23, Fig. L02.)
Fig. 7'J. Brouzeröhre aus
St. Bfargarethen; l/s na^- Gr.
(Nach Hörnes, U. d. b. K..
Taf. XI, Fig. 2.;
1 Virchow, Das Gräberfeld v. Kuban, S. ".7. — 2 Morgan a. a. 0. I, S. 124. —
3 Morgan a. a. 0.. Fig. L02. — i) Hörnes, ürgesch. der bild. K., Tafel XL Fig. 2.
5 Hörnes a, a. 0., S. 440ff. — 6) Mitteil. d. Anthrop. Ges. in Wien 1897.
— 70 —
schein kamen, und die auch aus anderen Fundstätten1) bekannt sind,
in ähnlicher Weise wie das Margarethener Exemplar zum Abschlnss solcher
Klappergehänge.
Weiter westlich kennt man Bronzeröhren ans den Schweizer Pfahl-
bauten. So eiue 13,5 cm lange, an beiden Enden offene Röhre von Gresin,
Lac du Bourget"), an der von oben nach unten drei Reihen von ring-
förmigen Ösen angebracht sind, in denen je ein grösserer, einmal ausser-
dem noch ein kleinerer Bronzering befestigt ist. Auch diese Röhren sind
offenbar als Klapperinstrumente aufzufassen, nicht aber als Apparat zum
Befestigen von Angelschnüren, wofür man sie angesprochen hat. Ein ganz
gleiches Exemplar findet sich in Chambery3),
Eine den Bronzeblechröhren nahestehende Form bilden die
Spiralröhren.
Sie sind namentlich in den nördlichen Gräberfeldern des Kaukasus
sehr zahlreich, während sie im Süden zwar nicht völlig fehlen, aber doch,
wie das Spiralgerät überhaupt, weit seltener vorkommen4). Ihre Länge
schwankt zwischen 3 — 4 cm, ihr Durchmesser von 0,5— 1,0 cm. Am be-
merkenswertesten ist die Gestalt des aufgewickelten Bandes oder Drahtes,
der niemals rund, sondern auf dem Querschnitte stets D-förmig oder drei-
eckig ist, sodass die innere Fläche stets glatt, die Aussenfläche dagegen
gewellt oder gerippt erscheint. (Fig. 73 u. 74).
Fig. 7:.').
Fig. ..•;. Spiralröhre von Tschmy, Ossetien; mit, Gr. (Verheil. 1890, S. 426, Fig. 19b.)
Fig. 74. Spiralröhre von Pilin, Ungarn. (Verhdl. 1892, S. 573, Fig. 14.)
Ganz analoge Röhren von gleicher Form und Grösse sind in Ungarn
sehr vielfach gefunden worden, so namentlich in Pilin5). Koni. Nograd,
Veleni St. Veit6), Räkos-Palota T). Com. Fest, Ercsi8), Com. Tejer, Bozsök9),
Com. Baranya, Sajö-Gömör10), Com. Gömör, Orczi11), Com. Somogy und
anderen Fundplätzen, darunter auch eine Goldspirale aus Doppeldraht13)
(II G. Olshausen), doch sind sie auch in Italien (Saltaleoni) sehr
zahlreich, und ebenso kennt man sie ans Mittel- und Norddeutschland 18).
Sehr häufig erscheinen sie endlich in Livland, Kurland und Finland1*)
Hier winden sie, mich einem Grabfund von Leal in Kurland zu scnKessen,
in ähnlicher Weise wie die kaukasischen Bronzeröhren mit Perlen auf
1) Misdroy, [Jos ow, Kammin, Kr. Zarnow in Pommern, ferner in Thüringen,
Böhmen und I ogarn. Nachrichten über d. Altertumsfunde L9U1, H. 5, S. 8ü. — 2) Verhdl.
1890,8. 181, Fig. •">. - 3) Ebenda. 1 \ irchow, Das Gräberfeld von Kuban, S 38;
Gräber von Tschmy, Ossetien, Verhdl. 1890, S. 126. 5 Virchow: Verhdl. 1892,
S. 573, Fig. II. 6) Mitr. d. Antli. Ges. in Wien 1897, S. L3ff. — 7) Hampel: Alt. d.
Br. in i ngarn LXXXVII, Fig. 12.— 8 Ebenda, XCIII, Fig. II u. 12. — 9) Ebenda, C,
10 CXVr, Fig. II q. fXIV. Fig. 38 II) CXVII, Fig. 29. - Vi) XXVIII,
Fig. 7. — 13 Nachr. ab. d. Alt. 1901, H. .">, S. 79, Fig. 5. — I I) Nach Virchow a.a.O.
— 71 —
Schnüre gereiht, als Diadem getragen, in Holstein dienten sie, aus Gold
hergestellt, wie die mykenischen Lockenhalter Schliemanns als Haar-
Bchmuck, in Pyrit/., wo zahlreiche Saltaleoni mir kleinen Torquesringen
und Pferdegeschirren zusammen in einer Urne gefunden wurden, vielleichl
als Pferdeschmuckj doch scheint man sie teilweise ebenfalls bei Klapper-
garnituren verwendel zu haben, wenigstens deuten darauf die anelli
bacchici aus den .Museen von Turin und Parma, die mit Spiralröhren
besetz! waren 1).
In Europa gehen diese Saltaleoni überall in sehr frühe Zeiten, im
Norden wenigstens bis in die Periode II Montelius zurück.
Pinzetten.
Im Kaukasus kommen zwei Formen von Pinzetten vor. Die erste
hat breite geschweifte Branchen, die sich mich oben verjüngen und ohne
Absatz in einen schmalen runden Bügel übergehen. (Fig. 75;. Bei <\<'i
Pig. 7.").
Fig. 76.
^
Fig. .5. Bronzepinzette von Cheitnan-thag
Morgan S. 19, Fig. da u. b).
Fig. 76. Desgl. von Akthala. (Morgan,
S. L31, Fig. na;
Fig. 77. Pinzette aus der Umgebung von
Aszöd, Com. Pest.
Bampel, Alt. d. Br. i. U.. Taf. XVII,
Fig. 9.
/weiten Form sind die Branchen schlanker und - was besonders charakte-
ristisch ist — der Übergang in den Bügel wird durch eine bald nur sanfte
Einbiegung, bald stärkere AJbknickung vermittelt, sodass die Pinzette von
vorn betrachtet, die Gestalt einer 8 zeigt. Pig. 76). Bei dieser Kon-
struktion erhielt man eine bedeutend kräftigere Federung als bei der ein-
fachen Bügelpinzette, die wir wühl als Stammform betrachten dürfen. Für
den älteren Typus, von dem ich als Repräsentanten ans dem Kaukasus
I N.irli V ITC how ;i. a. ( >.
— 72 —
ausser dem abgebildeten Exemplar von Cheithan-thag noch Stücke von
Schuscha und Artschasdor1) anführen kann, liegen Analogien aus Mykenä2)
und namentlich Cypern3) vor, die nur in der Bildung der Branchen ge-
wisse Abweichungen zeigen. Sie treten an letzterem Punkt bereits in
vormykenischer Zeit in der Per. IV Ohnefalsch- Richters auf (2500
bis 1600 v. Chr.) und zwar so massenhaft, dass der genannte Forscher
Cypern geradezu als die Heimat dieses Gerätes ansieht*). In etwas modi-
fizierter Form findet sich dieser einfache Typus auch in Ungarn (Fig. 77)>
doch erscheint hier der Bügel nicht kreisförmig, sondern nach unten ein-
gestülpt5). Weiter nach Westen und Norden hin scheint er zu fehlen.
Dagegen lässt sich die zweite Form, die im Kaukasus in Akthala, Mussi-
yerri, Cheithan-thag6), Damgalu, Serti8) und Koban7) vertreten ist, über
die Donauländer9) hinaus einerseits bis nach Hallstatt10), andererseits bis
nach Skandinavien11) verfolgen. Die glatten geschweiften Formen, welche
unter denen des Typus II am häufigsten vertreten sind, schreibt Sophus
Müller seiner älteren Bronzezeit zu, während er die geknickten Nipp-
zangen in die jüngere Bronzezeit verlegt12). Diese Chronologie dürfte im
Wesentlichen auch für die Donauländischen Formen zutreffen, nur dass
hier die jüngere Bronzezeit der Hallstattperiode entspricht.
Bernstein.
Im Anschluss an die Schmuck- und Toilettengegenstände müssen wir
auch noch kurz des Bernsteins gedenken, der allerdings auf den süd-
kaukasischen Gräberfeldern gänzlich zu fehlen scheint und im Norden
meines Wissens nur in Tscheghem13) in etwas grösseren Mengen beobachtet
worden ist. In dem grossen und an Schmucksachen so reichen Gräber-
feld von Koban fand Virchow14) nur zwei Perlen, von denen die eine die
Gestalt einer dicken, runden, nicht ganz regelmässigen Scheibe16) besitzt,
während die andere, kleinere, eine tonnenförmige Gestalt zeigt. Beides
sind Formen, die auch im Norden wohl bekannt sind und hier dem Ende
der Steinzeit angehören16). Im Donaugebiete finden sich erstere noch
häufig in der Bronzezeit 17), letztere in der Hallstattperiode, und nament-
lich sind sie in Hallstatt selbst in sohr grossen Mengen zur Bildung reicher
Hängestücke verwendet worden18).
1) Morgan a. a. 0., S. 49, Fig. 9, da und b. Verhdl. l.s'.M u. !>.">. - 2) Schlie-
mann, Mykenä, Fig. 169. - - 3) Hampcl. Zeitschr. f. Eth. 1896, S. 87, Fig. 4!). —
4) Neues über die auf Cyp. angest. Ausgrab. Verhdl. 1899, S. .">•"><). — 5) Hampel, Alt.
der Bronzezeit in Ung., XVII, Fig,(J. — <>) Morgan a. a. 0., T. I, S. 128. — 7) Rösler,
Verhdl. L895. — 8) Virchow, Das Gräberfeld von Koban. — !)) Hörnes, Urg. d. M.,
S. 539, Fig. 213. — LO) v. Sacken, Das Gräberfeld von Hallstatt, Taf. XIX, Fig. 17:
allerdings ist in Hallstatt selbst nur ein einziges Exemplar gefunden worden. — 11) Bei-
spiele: Luschwitz, Prov. Posen, Mus. für Volk., Berl. Id. L364; Kleinkatz, Westpreusseu,
ebenda II, 2032; Schwarzenbeck in Dithmarschen, Schleswig-Holstein II, !)525 u. 11,2819;
Kgr. Sachsen, Deichinüller in Wuttkes Volksk., S. 85; Schweden, Hörnes, Urg. d. M.,
8. 396, Fig. L67. — 12) Sophus Müller, Nord. Alt. I, S. 264. — 13) Verhdl. 1899, —
14) Virchow, Koban, S. 100 bis, Fig. 40.— 15) Ebenda, Taf. VI, Fig. I. — Ki) Vgl. die
Abbildungen bei Klebs: Der Bernstuinschmuck d. Steinzeit, Königsberg L882. — 17) Vgl.
Hörnes: üesch. d. bild. K., Taf. XIII, Fig. 6 u. Fig. 8. — 18) v. Sacken a. a. 0.,
Taf. XVII. Fig. 28 u. a.
— 73 —
Eine grössere Mannigfaltigkeit der Form weisen die von Tscheghem
stammenden 12 PerleD auf. Sie sind meist sehr gross und mit sehr
grosser Schonung geschliffen, sodass dadurch höchst sonderbare Formen
entsteheu, die in Bezug auf primitives Aussehen nichts zu wünschen übrig
hl — en l).
Waffen und Werkzeuge.
Steinbeile mit Schaftrille.
Yen Wulfen und Werkzeugen verraten zunächst die Steinbeile mir
Umlaufsrille, die zur Befestigung
an den Schaft bestimmt war.
einen Zusammenhang mit dem
A.bendlande. Sie kommen im
letzteren hauptsächlich in Nord-
end Mitteldeutschland8) und
Dänemark3) vor, lassen sich aber
auch noch mich Böhmen4) und
weiter südlich bis Dalmatien')
verfolgen. Ob sie mich weiter
südwärts vorkommen, vermag
ich nicht bestimmt anzugeben,
doch scheinen sie in Griechen-
land und Italien zu fehlen. Da-
gegen kann ich aus dem unteren
Donaugebiete ein Exemplar aus
der Gegend von Kronstadt6),
Sammlung des Eerrn Teui seh
in Kronstadt) sowie je ein Stück
von Vodastra, distr. Romanatzi,
und Petresti-Patruzeci de ( Iruci,
distr. Vlaska in Rumänien an-
führen (Mus. in Bukarest).
Im Kaukasus sind ganz ana-
loge Stücke ausKulpi amArarat7)
und aus Helenendorf, südlich
von Elisabethpol8) im Tal der
Gandsha, bekannt. HerrRösler
fand sie dort neben gewöhn-
Fie. 78.
Piff. 79.
Fig. 78. Beil mit Schaftrille von Curzola,
Dalmatien; '/a nat- Gr.
(Mitt. d. Anthrop. Ges. iu Wien 1898, Nr. 2,
S. 19, Fig. 22.;
Fig. TM. Beil mit Schaftrille von Helenendorf.
Kauk.; 7s nat- Gr.
(Verheil. 1901, S. 108, Fig. 30b.
1' Virchow, inVerh. 1890, S. 193. — 2) Niedersachsen b. Nordhausen: Verh. 1894,
S.329. Quedlinburg, Prov. Sachsen; Eugwalde b. Halberstadt; Oberjohnsdorf, Schlesien:
I lingen, Schwarzburg-Sondershausen: Wiche a. d. Finne, Thüring.; Cöthen; Grabe, Kr. Mühl-
baasen,Thüring.; Meisdorf. Prov. Sachsen: Erfurt. Thüring.; Ostrowoam Gopsee: Inowrazlaw.
Prov. !' isi n; Insel Rügen (Verh. 1894—1895); Leipzig, Hins. d. Vereins f. Gesch. Leipzigs. —
3) Hörnes. Urgesch. d. M, S. 288, Fig. 25; Soph. Müller, Nord. Altert.. S. 144, —
I Hruälowan bei Leitmerite; Vokovic bei Prag: Liebitz u. a. Fundstellen; (Verhdl. h'.'l
bis 1895. — 5) Mitt. der Antli. Ges. in Wien. Jg. L898 Nr. 2, S. ■-"., zwei Exemplare). —
tl) •Jnl. Tentsch, Präbißt. Funde aus dem Burzenlande, Mitt. der Anth. Ges. in Wien.
Jg. Lönu. 7 Verhdl. 1894, S. 587 (zwei Exemplare), 8) Verhdl. 1901, S. 108.
— 74 —
liehen Steinbeilen und durchbohrten Hämmern aus Diorit und Porphyr,
von denen er aber leider keine Abbildung' gibt, und in Verbindung mit
Feuersteinsägen, Schabern usw. in alten, verfallenen Stollen.
Ähnliche Steinkeulen oder Hämmer sind übrigens noch gegenwärtig
bei manchen Naturvölkern in Gebrauch, so in Britisch-Columbien, bei den
nordamerikanischen Cows, bei den Salawigmut, einem Eskimostamme vom
Kotz ebue- Sund u. a. Bei ihnen hat man auch die eigentümliche Art der
Befestigung keimen gelernt, auf die ich hier nicht weiter eingehen will.
Hammerbeile.
Eine weitere Analogie bilden die Hammerbeile, die auf der einen Seite
eine bogenförmige Schneide besitzen, während das rückwärtige Ende einen
>tumpfen Hammer bildet. Das Stielloch steht mit der Schneide parallel.
Ausser den angeführten gemeinsamen Eigentümlichkeiten ist in Form und
Grösse die grösste Verschiedenheit zu bemerken. Das ungarische National-
Museum besitzt nach Hampel (>6 Exemplare, unter denen nicht zwei
Exemplare einander vollkommen gleichen1).
Figr. so.
Fig. 81.
Fig. 80. Hammerbeile aus Mussiyerri; 1j3 nat. Gr.
(Nach Morgan, T. I, S. 98, Fig. 51 u. 52.)
Fig. 81. Kupfernes Hammerbeil aus Ungarn.
(Nach Hampel, Neuere Stud. u. d. Kupferzeit, Zeitschr. f. Ethnogr. 1896, S. <*>7, Fig. 24.)
Dasselbe gilt auch von den analogen kaukasischen Formen, die im
Süden in Mussiyerri12), im Norden in Koban3) vorkommen. (Fig. SO u. 81).
Da die gleiche Form auch in dem Skytisch-sibirischen Kulturkreis4)
gefunden wird, so ist es möglich, dass beide Kulturgebiete, der Kaukasus
und die Donauländer, diesen Typus selbständig von uralaltai sehen Völkern
entlehnt haben. Doch spricht Aev Umstand, dass die ungarischen Beile
der Kupferzeit, die skythischen Exemplare dagegen einer viel späteren
Periode angehören5), m. E. dafür, dass dieser Typus von den unteren
Donauländern ausgegangen und nach Osten importiert ist. Auch existierten
in Ungarn bereits von der neolithisehen Zeit her gleichgeformte Hammer-
beile ;nis Stein6) als .Modelle für die Metallgeräte.
Doppelbeile.
Ähnlich verhält es sich mit den Doppelbeilen, \mi denen mir aus dem
Kaukasus Exemplare ausTschmy in Ossetien7), vom Tschegem8) und vom
1) Hampel, Neuere Stud. üb. d. Kupferz., Zeitschr. f. E. 189G, S.68. — ■>) Morgan,
a. a. 0., 8. '.is 3) flörnes: Urgesch. d. M., S. 532, Vollb. 1; S. 535, Fig. 212. -
l Aspelin führt vier Stück von Ananino a. d. Kama und zwei aus dorn Gebiet d. Mord-
winen an; Hampel, a. a. 0., S. 69. — 5) Ebenda. — 6) Hampel. Antiq. prehist. pl. IV,
Fig. 9, 11, L3. — 7) Verhdl. L890, S. 132. — S) Ebenda, S. 137, Fig. 34.
— 75 —
Gräberfeld von Besinghy im Oberlande der Kabarda1) bekannt sind.
Charakteristisch für die kaukasischen Stücke ist, dass die Klingen stete
aber Kreuz gestelli sind. (Fig. 82 u. 83).
Das Gleiche gilt auch von den kupferzeitlichen Doppelbeilen aus
den Donauländern, in denen sie ziemlich häufig vorkoi sn. Eerr
Hampel führt von dort 87 Stück ans dem National-Museum in Budapest,
eines aus Galizien und drei aus Serbien auf; ausserdem ooeh je eines aus
der Schweiz und Böhmen. Wie die vorigen sind es typische kupfer-
zeitliche Werkzeuge2).
Fig. 82.
Fig. 83.
Fig. 82. Doppolbeil von Besinghy, Oberland von Kabarda: nat. Gr.
Verhandl. 1890, S. 447, Fig. 52.)
Fig. 8."). Doppelbeil aus Ungarn.
(Hampel, N. Stud. u. d. K : Z. f. E. 1896, S. 68, Fig. 28.
Im südrussischen und uralaltaischen Gebiete bilden Doppelbeile
ebenfalls heimische Erscheinungen, doch stehen hier die Schneiden nicht
senkrecht aufeinander, sondern parallel. Insofern ähneln sie den
iiivkenischen Beilen8), dagegen existiert ans Troja ein Stück, das mit den
ungarischen und kaukasischen Formen übereinstimmt*). Unter den donau-
ländischeii Stücken kenne ich nur ein Doppelbeil von Nagy Enyed, bei
dem die Schneiden wie bei den uralaltaischen und griechischen parallel
stehen6).
Sichelförmige Sägen.
Sie charakterisieren sich durch die gerade Schneide und den bogen-
förmigen Kücken. Erstere zeigt stets, letztere in der Rege] eine sehr
sorgfältige Etetouche, so dass die Kante mehr oder weniger fein gezähnt
erscheint. Aus dem Kaukasus ist mir diese Form bisher nur aus Schuscha
bekannt6), das, in der Mitte zwischen Kura und Araxes anfeinem nach
der Persischen Grenze sich hinziehenden Ausläufer der transkaukasischen
1 Verhdl. L890, S. 117. Fig. 28. — 2 Hampel a. a. 0.. S. (in. — 3) Schliemann,
Mykenä, S. L25, Fig. 17:;. _ n Hampel a. a. 0. - •> Abgebüdet Verhdl. L898, S. 231.
6 FeuersteinsSgen erwähnt Herr Rösler auch von Helenendorf (Verhandl, L901, S. 1"-.
doch eribl er keine nähere Beschreibung und keine Abbildung.
— 76 —
Fiff. 85.
Fip:. 84
Gebirgskette gelegen, zu den am weitesten nach Südosten vorgeschobenen
Gräberfeldern gehört, andererseits aber in seinen Funden viel Anklänge
an Koban aufweist1).
Im Abendlande kommen die
sichelförmigen Messer (hier als
Kreisausschnitte), am häufigsten
im Norden und zwar ganz be-
sonders zahlreich auf der Insel
Rügen vor, doch lassen sie sich
von dort aus über Mitteldeutsch-
land, Böhmen2), Galizien8), Un-
garn bis nach Oberösterreich
verfolgen, wo sie namentlich in
den steinzeitlichen Pfahlbauten
des Atter- und Mondsees in
grossen Mengen gefunden worden
sind4). (Fig. 84 und 85.)
In Anbetracht der sehr
scharf ausgeprägten Form und
der ziemlich eng begrenzten
Verbreitung dieses eigentüm-
lichen Gerätes o-laube ich auf
sein Vorkommen im Kaukasus
Fig. 84. Sichelförmige Feuersteinsägen aus
Schuscha, Gouv. Elisabethpol, nat. Gr.
(Verhdl. 1892, S. 567, Fig. 5.)
Fig. 85. Gezähnte Feuersteinklinge aus Galizien.
(Hörne s, Urg. d. M., S. 221, Fig. 86.)
besonderen Wert legen zu dürfen.
Pfeilspitzen.
Pfeilspitzen kommen in einigen kaukasischen Nekropolen ausser-
ordentlich häufig vor und zwar sowohl aus Metall, als aus Stein, meist
Obsidian.
1. Steinpfeile.
Unter diesen sind mir fünf verschiedene Typen bekannt, die sämtlich
im Abendlande ihre Analogie haben.
a) Dreieckige prismatische schmale Späne mit gerader Basis, ohne
Widerhaken und Schaftzunge. Im Kaukasus aus Mussiyeri, Redkinlager,
Schuscha u. a. Fundstätten bekannt6). Eine in Ungarn6) und auch im
übrigen Europa sehr verbreitete Form (s. Fig. 86).
b) Dreieckige Pfeile mit breiter, abgerundeter Basis, auf dem Quer-
schnitt entweder ein spitz ausgezogenes Oval bildend (Beispiel: Ein
Exemplar vou der Zalka), oder dreieckig oder trapezoid (Mussiyeri,
Schuscha)7). Die gleiche Form findet sich auch in Ungarn8) und Deutsch-
land (Fig. 87).
c) Sehr sorgfältig gearbeitete, dreieckige oder länglich ovale Spitzen,
1 1 Verhdl. L892, S. 566. — 2) Much: Prähist. Atlas, Taf. XIII, Fig. 25. — 3) Hörnes:
Urg. <i. M., 8.221, Fig. 86. — 4) Hörnes: Urg. d. M., S. 254, Fig. 108. Mitt, d. Anth. Ges. in
Wien 1897, 8. 1 Li, Fig. 60. — 5) Morgan: a. a. 0., S. 99. — 6) Hampel: Antiqu. prehist.
d.i. II ., PI. 1,27,33 u. a. — 7) Morgan: a. a. 0 , Vcrhandl. 1892, S. 567, Fig. 4. —8) Hampel:
a. a. 0., PI. I, No.62.
— 77 —
auf dem Querschnitt ein spitz ausgezogenes Oval bildend, an der Basis
mit halbmondförmigem Ausschnitt, dessen Enden zu spitzen, meist etwas
gekrümmten Widerhaken verlängert sind. Diese im Kaukasus1) sehr
häufig vertretene Form findet sich in Mykenä2), in Siebenbürgen (Samml.
T rutsch in Kronstadt) in Ober- und Nieder-Osterreich (Mus. zu Wien)
und in verschiedenen Varianten vielfach in Mittel- und Norddeutschland,
sowie Dänemark8) (Fig. 88 und 89).
d) Pfeile mit Widerhaken und Schaftzunge sind mir aus dem Kaukasus-
gebiete bisher nur von der Zalka bekannt. In Mykenä und Ungarn
scheint diese Form zu fehlen. Sie kommt aber häufig in Mittel- und]Nord-
deutschland und ferner in Butmir in Bosnien vor (Fig. 90 und 91).
Fig. 86.
Fig. 87.
Fig. 92.
Fig. 93.
Fie\ 91.
Fig. 00. Fig. 89. Fig. 88.
Fig. SG u. 87. Obsidianspitzc.il aus Mussiyerri (Morgan, T. I, S. 99, Fig. 55.)
Fig. 88. übsidianspitze aus Helenendorf. (Vcrhdl. 1901, S. 9:j, Fig. 11c.)
Fig. 89. Feuersteinspitze von Neuhaldensleben. (Yerhdl. 1898, S. 600.)
Fig. 90. Obsidianspitze von der Zalka. (Virchov, Koban S. 92, Fig. 35.)
Fig. 91. Dreieckige gestielte Feuersteinspitze aus Angeln, Schleswig-Holstein.
(Berl. Museum KNIm 271.)
Fig. 92. Querscnneid. Pfeil vou Mussiyerri. (Morgan, S. 101, Fig. 61.)
Fig. 93. Oesgl. von Tangermünde. (Verhdl. L889, S. 118.)
e) Querschneidige Pfeile. Sie sind platt und viereckig und im Quer-
schnitt trapezoidal. Die Längsseiten sind meist eingebogen, die Basis
schmäler als die Schneide. Letztere ist scharf und konkav oder konvex.
Im Kaukasus ist diese Form bisher an zwei Punkten gefunden worden.
1) Verhandl. L899, S. 273. Fig. 63, S. 263, Fig. 26 und viele andere. — 2 Schlie-
mann: Mykenä. S. 8;. u. S. 213. — 3) Verhandl. 1890, S. 368, L898 S. 600, 1896 S. 349
u.v. a.: Sophus Müller: Nord. Altert. K.
78
in Mussiyeri1) und Helenendorf2). Im Abendlande ist sie meines Wissens
ausser in der Champagne in Frankreich, wo man sie in einzelnen künst-
lichen Grabgrotten beobachtet hat3), nur im Norden heimisch und zwar
kennt man sie hier aus Schweden4), Oldenburg, Mecklenburg und Branden-
burg und in besonders zahlreichen Stücken von Tangermünde5). Bei der
ganz auffallenden und eigenartigen Gestalt dieser sonst weder in Asien
noch in Europa vorkommenden Gruppe von Pfeilspitzen scheint mir ihr
Auftreten im Kaukasus für die Frage nach alten Kulturbezielmngen zum
Abendlande von .ganz besonderer Wichtigkeit. (Fig. 92 und 93).
2. Bronze- und Eisenpfeile.
Sie erscheinen im Kaukasus z. T. in Formen, für die es anderwärts
an Parallelen fehlt. Von den auch im Abendlande heimischen Typen sind
folgende zu nennen:
Fig. !>ü.
Fig. i>7.
Fig. IM.
Fig. 10( ).
Fig. 101.
Fig. '.U u. !)."». Blattförmige Pfeilspitzen von Serti, Kaukasus (Verhdi. 1899 S. 280).
Fig. 96 u. ".IT. Blattförmige Pfeilspitzen aus den Lac de Bourget
(Verhandl. 1890 S. 481, Fig. 3).
Fig. 98. Blattförmige Pfeilspitze mit Tülle von Mussiyerri; n/4 nat. Gr.
(Morgan S. loo, Fig. 58).
Fig. !»'.». Desgl. aus Ungarn; nat. Gr. (nach Hampel, Ant. pr. pl. XXIII, Fig. 26).
Fig. 100. Zweischn. Bronzepfeil mit Tülle und widerhakenartiger Zacke von der Tschetsclma
(Virchow, Kobau Fig. 32, 2).
Fig. l.oi. Ähnlicher Bronzepfeil von Nagy Enyed, Ungarn
(nach Verhandl. 1801 S. "J.'!l in zweif. Gr. gezeichnet).
a) Einfache blattförmige, dreieckige Bronzespitzen, die wie die Stein-
spitzen in den Schaft eingeklemmt wurden. Sie sind ganz glatt und haben
am hinteren Ende einen halbmondförmigen Ausschnitt, dessen Ecken zu
spitzigen Widerhaken verlängert sind. Auf der Fläche ein kleines Loch
zur Befestigung des Bolzstieles. Analoge Stücke kommen nach Virchow
in Ungarn vor, sind aber auch in der Schweiz, häufig6). (Fig. 94 und 07.)
1) Morgan: a. a. 0., S. LOO. — 2) Verhandl. L899, S. 251, Fig. 9. — 3) Hörnes;
LTrg. d. M., S. 299. h Madsen: Afbildninger, Taf. XXII, Fig. L9. — ö) Verhandl. L884,
S. Ils. — 6) Verhdlg., S. 481.
— 7!» —
1») Dolchblattförmige dreikantige Spitzen mit schwacher Mittelrippe and
•_' Löchern am hinteren Ende. Sic sind im Kaukasus gleich den vorigen
in Ssamthawro und Djelaloglu I bachtet, oh sie auch in anderen Nekro-
I m > 1 ( > 1 1 vorkommen, ist mir Dicht bekannt, doch fehlen sie jedenfalls in
Koban. Im Westen in Ungarn (Virchow a. a. 0.) und der Schweiz
Fig. 95 und 96) bekannt1).
c) Blattförmige Klingen mir stark gewölbter Mittelrippe, die nach
hinten zu in eine Schaftdülle übergeht. Sic kommen in Koban, Ssam-
thawro, Djelaloglu, Mussiyeri, Cheithan-tagh u. a. Fundstätten vor2).
Ein ganz gleiches Stück fand Schliemann im Tumulus des Achilleus
Weiter kennt man sie ans Olympia und vom Schlachtfeld von Platää* .
In Ungarn hat man sie im Komitat Szabolcs6), St. Veit6) und vielen
anderen Orten7), in Böhmen in Blovick und Korunka8) gefunden. Endlich
isi dieser Typus auch aus Dänemark bekannt9). (Fig. 98 und 99.)
d) Eine der vorigen ähnliche Form, jedoch an <\cv Tülle mit einem
Haken versehen. Sie linden sich in Koban, an der Tschetschna, am
Terek, in Cheithan-tagh, Mussiyeri usw.1"). In Ungarn kennt man sie aus
>\i'\- Gegend von Dolany, Szekelyföld, Nagy Euyed u. a.u), doch werden
sie hier als Skythische Formen angesehen und einer ziemlich späten
Periode zugewiesen. (Fig. 100 und 101.)
e) Dreikantige Pfeile mit bolzenförmigen and solidem Vorderteile und
Schaftzung ler -Tülle. Im Kaukasus an der Tschetschna, in Koban
und Cheithan-tagh gefunden12). Sie sind häufig in Olympia, finden sich
ferner sehr zahlreich in Südrussland und d*^- Krim13), weiter in Sieben-
bürgen und Ungarn bis Ost- und Norddeutschland und Dänemark14).
f) Dreikantige Pfeile mir flügelartig eingeschnittenen Kanten. Zeig!
im wesentlichen die gleiche Verbreitung; nach Westen bis Hallstatt18),
und Ohalons sur Saone16) nachweisbar (Fig. 102 und 103).
Lanzen.
Im Kaukasus lassen sich zwei Haupttypen von Lanzen unterscheiden,
die in gleicher Form auch im Ä.bendlande vorkommen.
I. Flache Klingen mit doppelter Schneide und Schaftzunge. Die
Klinge ist entweder weidenblattförmig (Fig. 104, 105) und an der Basis
abgerundet, "der leicht geschweift und am hinteren Ende eckig (Fig. L06,
l(l< l. Eine Mittelrippe fehlt entweder ganz, oder sie ist nur wenig aus-
gebildet.
/-n i\rv ersteren Variante gehören vielleicht einzelne der von Virchow
L) Verhandl. L890, a. a. 0., — 2) Virchow: a. a. 0.; Morgan: Taf. 1. S. L00. —
■"• Schliemann: Troja, S. 278, Fig. 132. r Schliemann: a.a.O. — 5 Hampel:
Antiqu. prehist , PI XXIII. Fig.29. 5) Mitt. d. Auil.r. Ges. in Wien 1897, Beft I. S. L5.
— 7) Hampel: Alt. d. Br. in Ungarn, XXVIII. Fig. 7 u. 8. — 8; Schliemann: a.a.O.
-9) Ebenda. — in Virchow: a.a.O.: Morgan: a.a.O. — 11) Verhandl. L898, S.231
Hampel a.a.O. - 12) Virchow: a.a.O.: Morgan: a.a.O. — 13) Reinecke: Zeitschr.
i. Ethnol. L896, S.21. — 14) Schliemann: a.a.0.und Hampel: a.a.O. — l5)Hampel
a. a. 0.: v. Sacken: S. 38 u. Taf. VII. 10. — IG) Bonsfeetten: Los antiqu. Snisses,
IM. II. 9.
— 80 —
in seinem Kobanwerke1) besprochenen Klingen, die er allerdings sämtlich
für Dolche erklärt. Zwei ähnliche Stücke stammen aus Knmbulte in
Digorien2). Die sehr dünne und glatte Beschaffenheit dieser Klingen
würde ihre Deutung als Lanzenblätter zweifellos erscheinen lassen, wenn
nicht die Bildung des Stieles diese Auffassung wieder in Frage stellte.
Ähnliche Formen sind auch im Abendlande bekannt. Als Beispiel gebe
ich die Abbildung einer 15 cm langen Klinge von Aszod in Ungarn, deren
Charakter jedoch ebenfalls zweifelhaft ist3).
Auch die zweite Variante (Fig. 106 u. 107) lässt eine verschiedene
Deutung zu, obwohl sie von Herrn Rösler ohne weiteres als Lanzen-
spitze angesprochen wird4). Eine sehr ähnliche Klinge, gleichfalls mit
eckiger Basis und flacher Griffzunge bildet Schliemann aus der "2. Stadt
Fig. 102. Fig. 103.
Fig. 105.
Fig. 102. Bronzepfeil aus der Tschetschua,
nat. Gr. (Virchow, Koban, Fig. 32,4.)
Fig. 103. Bronzespitze aus Hallstatt.
(v. Sacken, Tai". VII, Fig. 10.)
Fig. 104. Lanzen(?)spitze von Kumbulte;
Va nat. Gr. (nach Verhancll. 1890 S. 421, Fig. 9.)
Fig. 105. Lanzen(?)spitze von Aszöd, Kom. Pest;
15 cm ohne die umgebogene Spitze und Zunge
(nach Hampel, Ant. prehist. Taf. VIII, Fig. 1).
Troja ab5); er erklärt sie ebenfalls für eine Lanzenspitze, und ebenso
hält er die von Virchow auf Taf. IL Fig. 1, Taf. III, Fig. 8 und V» und
Taf. IV dargestellten, den trojanischen sehr ähnlichen Waffen nicht wie
Virchow für Dolche, sondern für Lanzen.
Als Beispiel aus den Donauländern führe ich eine Bronzespitze aus
Bobröcz vor6). Sie ist in dem Atlas als Dolch bezeichnet, entspricht aber
in Form und Grösse vollständig den kaukasischen und trojanischen
Klingen, so dass sie ebenfalls als Lanzenblatt angesprochen werden könnte.
1 1 a. a. O. S. 76-82; s. a. Taf. X Fig. 8. — 2) Vcrhdl. L890, S. 121. — 3) Hampel:
Antiq. prehist. de La Hongrie, Taf. VI, Fig. I und Alt. d. Br. in (Jng. XVIII, Fig. 1. —
I) Verhdl, L896 S. 95 Fig. 19 u. 50; zwei Bronzeklingen von Dawschanli und Artschasdor,
eine mit spitzem, die andere mit stumpf'zulaiilVudem Ende. Verhdl. lS'.ts S. 139 Fig. 44. —
5) Schliemann: Troja S. 102 u. 105 Fig. :'>'.',. — 6) Hampel: Antiqu. prehist. pl. IX
Pig. '.i.
— 81 —
2. Weidenblattförmige Klingen mit Schafttülle and stark hervor-
springender oft kantiger Mittelrippe. \).\< Blatt ist bald schlank und
schmal, bald breiter und kurz. J)ie Grösse schwankt von (>.17 — 0,65 cm.
sie sind teils von Bronze, teils von Elisen, nur in Lelwar fanden sich aus-
schliesslich eiserne Spitzen1). Diese auf den südlichen Gräberfeldern des
Kaukasus sehr häufig erscheinende Form ist auch aus dem ganzen Abend-
iande2) in so zahlreichen Exemplaren bekannt, dass ich hier nicht weiter
darauf einzugehen brauche. Wegen der völlig analogen angarischen
Lanzenspitzen verweise ich auf die Abbildungen bei Hampel3) und
\ eii M i sk e*).
Dolche und Schwerter.
Einen in Europa wohlbekannten Typus stellt das in Fig. 10s ab-
gebildete Dolchblatt von Tschmy in Ossetien dar. Es ist 15,5 cm lang
und 4..") cm breit, doppelschneidig, ganz glatt und verhältnismässig dünn.
an der llasis flach abgerundet und hier mit zwei starken Xieten versehen.
Im Aheiidlande tritt diese Form überall bereits in der frühesten
Bronze- \n\<\. wo eine existiert. Kupferzeit auf. Wir kennen sie aus
Oypern8), Mykenä6), Ungarn7), Italien, der Schweiz. Niederösterreich8),
Böhmen9), Mitteldeutschland10), Norddeutschland11), Dänemark und Skan-
dinavien. Britannien18) und andererseits aus Frankreich und Spanien18).
Bei einem zweiten 'Typus geht die ebenfalls dreikantig gestaltete Dolch-
klinge in eine breite, glatte Griffzunge über. Hierzu gehören die meisten
der von Yirchow auf den Tafeln II, III und IV dargestellten Exemplare,
soweit sie nicht etwa als Lanzenblätter aufzufassen sind. Ähnliche Stücke
bilden auch die Herren Rösler1*) und Morgan von südkaukasischen
Fundstätten ab, letzterer eine Dolchklinge von Akthala mit einem runden
Loch in der breiten Griffzuuge, in dem ein breiter Bronzering be-
festigt ist").
Auch diese Dolchform ist im Abendlande schon in den frühesten
Metallperioden heim isc h. Ihr Verbreitungsgebiet entspricht im wesentlichen
demjenigen des vorhergehenden Typus, wennschon letzterer weit häufiger
ist. \u> l ogarn sind von dieser Form sowohl Exemplare aus Kupfer als
Bronze bekannt16) (Fig. 110 und 111.)
In der Bildung des Griffes und Knaufes besteht zwischen den nord-
und südkaukasischen Dolchen ein sein- wesentlicher Unterschied. Während
letztere entweder mit einem glöckchenförmig gestalteten, meist durch-
l Morgan: a. a. 0., T. I S. 95f.; Fig. tö, 16, IT N<>. I S; I": S. 51, Fig. 11. 12;
13; S. 55 Fig. 15. — 2 /.. B. \. Sacken: Gräbf. \. Hallst. S. 35 u. Taf. VII u. v. a. —
'■ Antiq prebist., Taf. IX, 1-:., Taf. X, 11. Tat. XV, l, Taf. XVIII, II. — t) Mitteil.
der Anthropol. Gesellschaft in Wien 1897, S. 15, Fig. 3, 9 u. 1". S. 17. Fig. 7. —
6 /. f. E. L89G, S. 87, Fig. I!». Nr. 20 u. 22—25. Schliemann: Mykenä S. —
, Hampel: AntiM prehisl Taf. I.\. Fig. 7; Z. f. E. 1896, S. 71, Fig. 36. - 8) Hörnes:
s. 254, Fig. L08. - 9) Hörnes: ürg. d. M., S. 121, Fig. 181. - 10] Ebenda: S. 369,
F iir. 161. — li Mehrere Exemplare im Dresdener Museum; ich selbst besitze ein Stack
Dechritz b. Bautzen. 12J Soph. Müller: Nord. Alt. T. 1. S. 309. - L3 Hörnes:
Org. d. M., S. IN, Fig. 171. — H Verhdl. 1894 S. 239; 1896 S. 99; 1898 S. -_".'1 u.a.—
a. 0. 8.39, Fig. 2. 16 Hampel: Z. f. E. 1896 S. 7:;.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahr-. 1904. *>
— 82 —
brochenen Knauf1) oder einer Kugel oder ovalen Körper abschliessen
und sich hierdurch teilweise den assyrischen Dolchgriffen nähern2), enden
die kubanischen Dolchgriffe in einer hufeisenförmig fast rechtwinklig auf-
gebogenen Querstange, an deren Enden scheibenförmige Knöpfe aufsitzen.
In dieser Hinsicht stimmen sie vollständig mit den Dolchen von Hallstatt8)
überein, für die sonst nur noch Analogien aus Frankreich4) und den Donau-
Fig. 109.
Fig. 1<>6. Fig. 107.
Fig. 110.
Fig. 106. Bronzene Lanzen (?)spitze aus Chodshali; 2';:
Verhdl. 1898, S. 439, Fig. 44.)
Fig. J07. bronzene Lanzen(?)spitze aus Bobröcz, Com
von der Spitze bis zum Zungenbruch 20 cm.
(Nach Hampel, Antiq. prell. 71, pl. IX, Fig. 9.)
Fig. 108. Bronzedolch von Tschmy, Ossetien.
(Verhdl. 1890, S. 427, Eig. 26.)
Fig. L09. Kn])f'er(?)dolch von Ungarn.
(Hampel, Antiq. preh. Taf. IX, Fig. 7.)
Fig. in». Bronzedolch vom r. Ufer des Chatschondget,
Kr. ÜBchewanschir; a/8 nat. Gr. (Verhdl. L899, S. 250, Fig. 6.)
Fig. III. Kupferdoleh aus Ungarn, nat. Gr. (Z. f. E. L896, S. 71,
71, Fig. 36.)
1) Verhdl. a. d. a. N. — 2) Morgan: a. a. 0., S. 92 ff., Fig. 36—43 u. pl. III. -
3) v. Sacken: Gräberfeld v. Hallstatt S. 30, Taf. V, Fig. LI, L2 n. L3; Taf. VI, Fig. 2,
F,f 13, _ l) Morgan; a. a. 0.. S. 182, bildet, einen eisernen Dolch von St. Foy und einen
ebensolchen von Alesia (Alais, Douhs) ab; vgl. hierzu auch Castau et Delacroix: Tom-
helles d'Alaise pl. I 3, p. '•>.
— 83 —
[ändern ' i existieren. Andererseits aber findet sich die' gleiche Griffbildung
auch bei den Sibirischen Deichen, die eine unverkennbare Ähnlichkeit
mit dem im Kaukasus noch heute gebräuchlichen Bau schal zeigen, nur
sind bei den ostasiatischeii Dolchgriffen die nach aufwärts gebogenen
Stangenenden meist nicht durch einfache Knöpfe oder Scheiben ab-
geschlossen, sendeni in künstlerischer Weise zu oft hervorragend schön
gearbeiteten Tierfiguren umgestaltet2). Die sibirischen Dolche reichen
übrigens bis nach Alaska hinüber8). (Fig. 112 und 113.)
Schwerter fehlen in Koban*) vollständig, und auch von den übrigen
uordkaukasischen Plätzen sind nur ein/eine Exemplare bekannt geworden,
die aber schon jüngere Formen repräsentieren5). Von den für die
ungarische Bronzezeit und die brouzezeitlichen Pfahlbauten so charakte-
ristischen Typen mit lilienblattförmiger schlanker Klinge ist im Kaukasus
meines Wissens bisher nur ein einziges Exemplar in Ssamthawro gefunden
worden, dessen auch Schliemann gedenkt6). Etwas häufiger sind auf
einzelnen südlichen Gräberfeldern gewiss*1 doppelschneidige Kurzschwerter
mit dreieckiger Klinge, breiter Basis und drei bis vier breiten und tiefen.
mich (dien abgerundeten l'dntrinnen 7); sie gleichen hierin manchen IIa.ll-
stätter Dolchen, die ebenfalls eine sehr breite dreieckige Klinge mit
scharfen nicht abgerundeten Ecken und eine grössere Zahl von tief ein-
geschnittenen breiten Blutrinnen besitzen8).
Das Fehlen A^v Schwerter in Koban und die grosse Seltenheit an den
übrigen nordkaukasischen Stationen könnte auffallend erscheinen, doch
hat man auch in Troj.V) keine Spur davon gefunden. Ebensowenig
kommen sie in den italienischen Terramaren10) vor, und selbst in der Akro-
polis von Alba Longa11) fehlen sie noch, owohl dort, wie im Gräberfeld
von Koban, die Fibel bereits sehr häufig ist.
Ornamentik.
Auch in der Ornamentik lassen sich gewisse Analogien zwischen dem
Kaukasus und dem donauländischen Gebiet nachweisen, allerdings nur
bezüglich der geometrischen Motive, da die durchaus bildlose ältere
donauländische Kunst sich ausschliesslich ans den einfachsten dekorativen
Elementen, dem Tunkt und der geraden oder geschwungenen Linie auf-
baut, während der Schwerpunkt der kaukasischen Bronzekunst in der
Darstellung von Tier- und sogar Menschenfiguren zu suchen ist. Neben
1) nach v. Sacken: a.a.O. — 2) Verhaudl. 1893 S. II. — 3) Vorlull. L896, S. 76.
— I Virchow: a a. 0. — 5) So ein eisernes Schwort aus dorn Oberlager von Tschmy,
dessen Einzelheiten aber wegen des starken Rostes nichl erkennbar sind. Es besteht
ans einer anscheinend zweischneidigen Klinge und einer aus demselben Stil«!.
fertigten Griffzunge. (Verhdl. 1890, S. 131, Fig. 28. Ein ganz ähnliches, nur besser
erhaltenes Exemplar bildet Herr Morgan von Mussigerri ab. Es ist ebenfalls zwei-
schneidig, die Schneiden laufen ganz parallel und gehen nur oben in flachem Bogen in die
Bcharfe Spitze über. Die Schaftznnge ist ziemlich breit und zeigl drei Nietlöcher. (Morgan:
a a. 0. S. 90, Fig. 33. — 6) Schliemann: Troja S. L62. — 7 Verhdl. L898 und L901
S. 117. Ein sehr schönes Stück anch im Grassi-Mus. in Leipzig. — 8) Auch in Hörnes
Dfg. d. M. S. 616 in dem Vollbild ein gleicher Dolch dargestellt. — 9 Schliemann:
Troja S. 163. — lo) W. Heibig: die [taliker in der Poebene. [Leipzig is7'.>) S 5. —
11) Ebenda S. 78.
6
- 84 -
diesen der Tierwelt entnommenen und teilweise meisterhaft behandelten
Motiven, die vorzugsweise bei der Dekorierung der prächtigen Bronze-
gürtel Verwendung fanden, wurden aber auch geometrische Verzierungen
in ausgedehnter Weise benutzt, namentlich bei kleineren Schmuckgegen-
ständen, bei denen es zur Darstellung von Tierformen au Platz fehlte,
sowie als Randdekoration bei grösseren Stücken, und hierin lässt sich eine
grosse Ähnlichkeit mit dem abendländischen Kunststil kaum verkennen.
Hier wie dort sehen wir die gleichen Gesetze befolgt.
Die gerade Linie, einfach oder mit mehreren Parallelen vereint,
dient zur Hervorhebung hervorspringender Partien, zur Einrahmung von
Kanten und zur Umsäumung von Bändern1). Bisweilen sind diese Randlinien
in Punktreihen aufgelöst1') oder es sind Punktreihen mit geraden Linien
zu einfachen Bändern vereinigt3). Durch Gruppen quer verlaufender
Parallellinien erhält man mehr oder weniger breite Bänder, durch welche
die Fläche in einzelne Felder abgeteilt wird, die ihrerseits wieder mit ver-
schiedenen Ornamenten ausgefüllt sind, besonders gern mit Gruppen von
schräg gestellten Strichen4). Sehr beliebt ist das Sparrenornament, das
sowohl auf Nadeln und Fibeln wie zur Füllung von Bändern benutzt
wird5). Endlich werden auch sich senkrecht oder schräg kreuzende
Linien verwendet6).
Fortlaufende Reihen von Dreiecken finden besonders als Kantornament7)
und bei runden Flächen zur Bildung von Querbändern8) Verwendung.
Diese Reihen sind entweder einfach oder mehrfach, so dass dadurch je
nach der Anordnung der einzelnen Dreieckreihen ganz neue Figuren
(Zickzacklinien, Rauten usw.) geschaffen werden9). Im Abendlande sind
diese Dreiecke meist dicht schraffiert10); auch im Kaukasus findet sich die
Schraffierung sehr häufig11), doch fehlt dieselbe auch öfter1") oder ist nur
sehr wenig fein. Statt ihrer sind dagegen die Dreiecke nicht selten mit
Punkten ausgefüllt13), wofür es meines Wissens im donauländischen Formen-
kreis an Parallelen fehlt. Ein anderer, im Abendlande ebenfalls nicht
vorkommender Modus die leeren Dreieckflächen zu füllen, besteht in der
Einschachtelung paralleler Dreiecke14).
1) Virchow: Kulturgesch. Stellung des Kauk.; Morgan; Chantre; viele Beispiele
bei Höruos, Sophus Müller. — 2) Virchow: Kult. St. d. K., Tat'. III No. G, 7, 11 und
bes. Morgan I, Fig. 173 u. als Gegenstück zu letzterem die bei Hörne s, Taf. XXI,
Fig. 4 u. Fig. 5 abgebildeten Armbänder (Bosnien) u. Tat'. XXV, Fig. 6 (Beil, Ungarn). —
3) Virchow: a. a. 0., Taf. III, No. 8, No. 6; Hörnes: Taf. XXV, Fig. 9, II u. a. (Waffen
a. Ungarn). — 4) Virchow: Koban (Fibeln us»v.); Morgan: I, 75 (Armbänder), Fig. 90
(Nadeln) usw.; als Gegenstück die ganz ähnlich verzierte Fibel von Bulle (Verhandl. 1892,
S. 276), die ungar. Beile und Schwertgriffe (Hörnes: Taf. XXV), die ungar. (Hampel:
antiqu., Tai'. XVI; und bosnischen (Hörnes: S. 'Mo), Armbänder u. Reifen usw. — 5) Beispiel:
die Nadeln bei Murgan: I, Fig. 90 und die bosnischen Nadeln bei Hörnes: Taf. XXI,
Fig. 2. - G) Morgan: I, Fig. 8G,."., Fig. 9 1,0, Fig. 102 u. a. (Kaukas.) u. Hörnes, Taf. XXV,
Fig. 12 u. 13). -- 7) Virchow: K. St. d. K., Taf. II, No. 5 u. Taf. III, No. S, u. 13.
Hörnes: Taf. XX (bosnische Zierscheiben) u.a. m. — 8) Morgan: I, Fig. 102; (Bronze-
röhren) Fig.91,8, Fig 92-94 (Nadeln), PI. III, Fig. 2 (üolch)u. a. Hörnes: Taf. XXV, Fig 4.
— 9) Morgan: IT. III, Fig. 2; Virchow: Taf. III, No. S. - 10) Hörnes: Taf. XX,
XXI, XXV u. a. — 11) Virchow: Kult. St. d. K., Taf. III, No. 8; Morgan I, Fig. 91.—
12) Morgan: I, Fig. 96; Virchow: Taf. II, No .">. — 13) Morgan: I. Fig. 92-94;
Virchow: Taf. III, No. s. — 14) Virchow: Taf. III, No. XIII.
— 85 —
Sclir selten sind in der kaukasischen Bronzeknnst Kreise1), die in
den Donauländern, namentlich bei der Verzierung von Schwertknäufen
sehr beliebt waren2). Nur Halbkreise8), einfache oder konzentrische,
erscheinen wie auf donauländischen so auch auf kaukasischen Ih-onzen
häufiger iind sind hier, wie die Dreiecke, nicht selten mit Punkten aus-
gefüllt4).
Am meisten aber tritt der Parallellismus in der Bronzekunst beider
Kulturgebiete in der Verwendung der Spirale hervor, und zwar sowohl
der Spiralzeichnung, als des Spiralgerätes. Erstere erscheint auf kauka-
sischen Bronzen hauptsächlich in der Form mehrfacher, mäanderartig fort-
laufender Spiralreihen5), ein echt mykenisches Ornament, das wir in dem
donauländischen Formenkreise schon in der steinzeitlichen Keramik
und später auch an den Bronzen in ausgedehnter Weise verwendet finden6).
Doch verwarf man auch andere Kombinationen von Spiralen, wenn es sich
um Ausfüllung von Flächen handelte7), keineswegs und sogar isolierte
Spirallinien kommen, im Gegensatz zur nordischen Bronzekunst8), im
Kaukasus und den Donauländern bisweilen vor9). Bemerkenswert ist.
dass im Kaukasus die in den Donauländern und im Norden sehr häufige
sogenannte „falsche Spirale", die durch Verbindung einfacher oder kon-
zentrischer Kreise entsteht, völllig fehlt
Wenn dieses Ornament auch schon dem älteren Abschnitte der abend-
ländischen Metallkunst angehört, so ist es »loch wohl jünger als die eigent-
liche Spirale, von der es offenbar eine Nachahmung bildet und die es
vielleicht nur ersetzte, weil seine Ausführung weniger schwierig war.
Freilich kommen ganz ähnliche Motive bereits in Mykenä selbst vor. so
an einem Goldblatt aus dem dritten Grabe, einem schwarzen Achat, einem
reich verzierten Goldband usw.
Das im Mykenäkreise so beliebte Pflanzenornament, das uns dort in
den verschiedensten Gestalten entgegentritt, fehlt im Kaukasus und den
Donauländern vollständig.
Symbolische Zeichen.
Im Anschluss an das geometrische Ornament haben wir noch kurz
einiger symbolischen Zeichen zu gedenken, die ebenfalls auf einen Zu-
sammen hang <\rv kaukasischen Kultur mit dem Abendlande und zwar zu-
nächst mit dem Donaugebiete hinweisen. Es ist dies
1. das Kreuz, dessen symbolischen Charakter wir bereits bei den
Hängestücken kennen gelernt hatten. Wegen seiner Verbreitung im Abend-
lande kann ich auf die eingehenden Arbeiten von .Mortui et10) und E. Senf11)
verweisen. Uns interessiert hier nur die Tatsache, dass es sich bereits
1 1 Virchow: Taf. III, No. XII. — 2) Hörncs: Taf. XXV, Fig. :',, I, 5 Tat'. XXI. —
3) Virchow: Taf. II, No. 3, Taf. III, No. 8, Taf. IV, No. IS; Hörnes: Taf. XXV, Fig. 1.
•_', 5, 7 u.a. - !i Virchow, Taf. III, No. 8. — 5) Taf. I, No. 1, Taf. II, No. .".u.a. —
6) Hörnes: Taf. VI. — 7) Z. ß. eine Nadel von Kumbultc, Verhandl. 1S!M), S. 15.".. —
8) Sophus Müller: Nord. Altertumskunde I, S 261. — 9) Virchow: Taf. I. No. 2 und
Hörnes: Tai. XX, Fig. <;. — 10) Mortillet: Mus. pröhist,, Taf. XCIX. — 11) Arch f
Anthr., Taf. XX
— 86 —
an den steinzeitlichen Grabbauten des Nordens nicht selten findet und
dass es auch im donauländischen Kulturkreis schon in der Steinzeit
sowohl bei der Gefässdekoratioii als in der Plastik eine nicht allzuseltene
Erscheinung- bildet1).
Im Kaukasus kommt es nach Morgan") sehr häufig und in den ver-
schiedensten Variationen vor. Wir sehen es hier ebensowohl an Krügen
und Tellern, als auf den reichverzierten Bronzegürteln, an Agraffen, an
Nadeln usw.
2. Das Hakenkreuz ist im Kaukasus relativ selten. Herr Morgan
fand es nur dreimal, und zwar zweimal an Nadeln und einmal auf einem
Teller3), doch findet es sich ebenfalls im nördlichen Kaukasus4) sowie im
südlichen Russland8). Die Arme sind an den kaukasischen Stücken immer
nach 1. gestellt r~ niemals umgekehrt ' 1 i wie z. B. auf manchen troja-
nischen Spinn wirt ein6).
Über die Wanderung der Swastika in der alten Welt hat Gobles
d'Alviella7) eingehende Untersuchungen angestellt, auf die ich hier hin-
weisen kann. Nach ihm erscheint sie noch lange vor dem XIII. Jahrhundert
in der Troas, dann im XIII. oder XII. Jahrhundert in den Terramaren
und im mykenäischen Kulturkreise, in den es von Norden her gelangt.
Aus letzterem soll sie dann im XL und den folgenden Jahrhunderten
östlich nach Lykaonien und dem Kaukasus, und von diesem im IV. oder
III. Jahrhundert weiter nach Tibet, China bis Japan fortgepflanzt sein8).
Von Wichtigkeit bei dieser Darstellung ist besonders die nordische
(europäisch-troische) Herkunft der Swastika im Mykenä Kulturkreise.
Ist diese Auffassung zutreffend, so würde die Ausbreitung der Swastika
mit dem Einbruch der indogermanischen Gräco-Italiker nach Südeuropa
und der stammverwandten kimmerisch-thrakischen Völker nach Asien in
Zusammenhang stehen.
3. S-Figuren und Doppelvoluten. Auch dieses Zeichen scheint nach
der Art des Auftretens eine symbolische Bedeutung besessen zu haben,
wenn auch diese selbst noch nicht ganz klar ist. Von Haus aus gleicht
das Zeichen, wie Herr Hörn es bemerkt, einer am Boden sich bäumenden,
1) Z. B. An einer Tonfigur v. Cucutcni b. Jassy, abgeb. bei Hörn es: Urg. d. b. K., S. 211,
Fig. 12. An einer Tonfigur vom Laibacher Moor, abgeb. b. Hörnes: Urg. d. bild. K., S. 237,
Vig. 65 ii. 66. Auf einem Torso von Butmir (Bosnien), abgeb. b. Hörnes: Butmir, Taf. IT,
Fi^. IL An Tongefässen u. Topfscherben v. Laibachcr Moor, abgeb. b. Hörnes: Urg. der
bild. K, Taf. VII, Fig. 1, 2, 4, 5. - 2) Taf. I, S. 159; Virchow: Taf. II, III u. a. —
•">) Morgan: a. a. 0. — 4) Führ. d. d. bist. Mus. in Moskau, 1IIS..">1. — 5) Z. B. eine Bronze-
swastika v. Schikaroj am 1. Ufer des Schar-Argun (s. Zcitschr. f. Eth. 1887, S. 159, Fig. 2.
S. a. Verhandl. 1901, S. 140, Fig. &9. - 6)Schliemann: Troja, S. 132f. — 7) La Migra-
tion des symbolcs, Paris 1891, Taf. III. — 8) Herr Max Nabe (Wissensch. Beil. der Leipz.
Zeitg. 1Ü03, No. 67) hat in seinem Aufsatz über die steinzeitliche Station von Eutritsch-
Wieterisch angegeben, dass unter den Ornamenten der dort gefundenen Tonscherben auch
das Hakenkreuz vorkomme. Dies beruht, jedoch, wie ich mich durch Augenschein über-
zeugen konnte, auf einem Irrtum. Es handelt sich hier vielmehr um ein einfaches stehen-
des Kreuz, dessen vier Balken vom Centrum nach der Peripherie zu sich etwas verbreitern
und an ihrem freien Ende durch einen dünnen Querstrich abgeschlossen sind »i*: die
Kreuze und eingefurcht und mit weisser Masse ausgefüllt.
— 87 —
von oben betrachteten Schlange1). Tatsächlich kommt es in dieser Form
mit deutlich ausgeprägtem Köpft; am Boden eines kaukasischen Grefässee
von Besinghy vor"), wie ja überhaupt Darstellungen von Schlangen ein
beliebtes Ornamentmotiv sowohl der Keramik als der Bronzekunst der
Kaukasusläuder bilden''') (Fig. 114). Daneben finden sich aber auch eigentliche
S-förmige Figuren oder Doppelspiralen nicht selten, so an einer Gürtel*-
agraffe ans Koban*), an den Schulterblättern oder dem Bauche von bronzenen
Menschenfiguren aus Kasbek6), auf Bronzegürteln6), auf (iefässon7) usw.
Fi- 112.
Fiff.113.
Fig. 111.
Fi:
Fig. 112. Eiserner Dolch aus Koban. .Morgan, S. 182, Fig. 209, 1.)
Fig. L13. Dolchgriff von Hallstatt. (Nach v. Sacken, Taf. VT, Fig. 7.1
11 I. Napf mit Schlangonfigur. P-esinghy: •/- nat Gr. (Verhdl. 1890, S. 151, Fig. 58.)
Audi dieses Zeichen findet sich im Westen des Schwarzen Meeres
bereits sehr frühzeitig, so an einer bulgarischen weiblichen Tonfigur, die
wohl dem Ende der Stein- oder dem Beginn der Metallzeit zu-
geschrieben werden niuss8). Wir finden sie ferner auf altitalischen Ge-
fässen9) und endlich lüsst sie sich auch im Norden verschiedentlich nach-
weisen10). Besonders interessant aus diesem Gebiete ist ein steinerner
Axthammer von Schlicht bei Feldberg in Mecklenburg-Strelitz, dessen
obere Fläche in schwachem Relief zwei komplementäre Doppelhaken in
zwei diagonal liegenden Quadranten zeigt. Herr Olshausen glaubt in
diesem Zeichen eine Figur des Blitzes zu erkennen und hält daher das
Gera! für ein Symbol 'Thors. (Fig. 115 und 116.)
Email en champ-leve.
lauen der interessantesten Züge *\cr kaukasischen Ornamentik bildet
neben der einfachen Inkrustation der Bronzen mit Fasen, die wohl bisher
l i Urgesch. d. bild. Kunst, S.345. — 2) Verhandl. 1890, S.451, Fig.50.— 3) Virchow:
Kult. St. d. K., Taf. I, No. 2 und Verhandl. 18i)0, S. 155 . . . : Chantre: a. a. 0., PI. VI,
Fig. 1 (Gürtela«; ratio von Kuinunta), s. Armbänder mit Schlangenköpfen. Morgan: S. L13,
Fig. 76, Schlangenköpfe als Armbandenden. - F Morgan: Taf. I, S. 184, Fig. 211. —
5) Führ. iL tl. last. Mus. in Moskau, S. 66, No. 1837—38, — 6) Virchow: a.a.O. —
7) Verhandl. 1901, S. L35, Fig. 55. — 8) Börnes: a.a. 0.,Taf. III, Fig. 1 und 2.— 9) Mon.
am. Acc. I. im-. IV. S. 232f, Fig. 103. — n>) Verhandl. 1886, S, •.'Mit'., bes. Figur auf S.288.
— 88 —
nur im Kaukasus beebachtet worden ist. das Email en champ-leve1)
das neben der orievrerie cloisonne im Abendlande bekanntlich erst in
der Völkerwanderunerszeit als eine »anz neue, dem Orient entlehnte Art
der Dekorierung- erscheint. Aber auch diese «lern Kaukasus eigentümliche
Kunst oder wenigstens das dabei zur Anwendung gelangte Prinzip scheint
in seinen ersten Anfängen auf abendländische Einflüsse zurückzuführen.
Emaillierte Metallgegenstände finden sich im südlichen Russland und
namentlich in der Krim nicht allzu selten ') und wenn auch bei den
meisten von ihnen eine genauere chronologische Bestimmung noch nicht
angängig erscheint, so dürften sie nach den sonst mit ihnen zusammen
gefundenen Altertümern zu urteilen, doch wohl bis zur Mitte des ersten vor-
christlichen Jahrtausends, teilweise vielleicht auch in noch frühere Perioden
zurückreichen. Eine grössere Emailperle mit rothem Email hat auch die
fast unerschöpfliche Fundstelle von Velem St. Yeit in Ungarn geliefert ;
nach den gleichzeitig abgebildeten Fibeln gehört sie der Hallstattzeit an8).
Weit wichtiger aber als diese vereinzelten Funde erscheint mir der
Umstand, dass man auch bereits in der ältesten nordischen Bronze-
kunst ein dem Kubanischen ganz analoges Verfahren kannte, die
glänzenden Bronzegeräte durch farbige Einlagen in wirksamer Weise zu
dekorieren, eine Kunst, die ihrem Wesen nach völlig der kaukasischen
Emaillierung entspricht4). Denn das Prinzip der Ornamentik en champ-
leve besteht ja in der Herstellung grubenförrniger Vertiefungen, die mit
irgend einer andersfarbigen Masse ausgefüllt werden. Nur in dem Stoff,
den man zur Einlage benutzte, unterscheidet sich die nordische Kunst von
der kaukasischen. Jene beschränkte sich auf eine einfache, leicht her-
stellbare Harzmasse, die aus Harz, Birkenrinde und Bernstein bestand.
Die kaukasischen Bronzekünstler dagegen hatten sich bereits zu der un-
gleich schwierigeren Technik emporgearbeitet, die vertieften Felder mit
einer farbigen Glasmasse zu füllen. Bevor sie zu dieser höheren Stufe der
Kunstfertigkeit gelangten, werden wohl auch sie sich mit leichter herstell-
baren Einlagen beholfen haben.
Plastische Kunst.
Aus der plastischen Kunst haben die im Kaukasus sehr ver-
breiteten Phallusfiguren ihre Analogien im Abendlande. Als Beispiel
hierfür gebe ich eine Abbildung von zwei solchen Figürchen, die ich
gelegentlich meiner ersten kaukasischen Reise in Titlis erworben habe,
von denen ich jedoch den Fundort nicht anzugeben vermag. Ganz ähnliche
Stücke habe ich sowrohl im historischen Museum in .Moskau als in Tiftis
gesehen0). Beide Figuren sind sehr roh ausgeführt, der Kopf ist hoch
und von vorn nach hinten abgeplattet, das Gesicht schmal, Nase und Kinn
stark prominierend, die Augen nur angedeutet. Der Körper ist platt und
1) Virchow, Da- Gräberfeld von Koban. S. 7 1: Dber d. Kuli. St. des Kauk., S. 8.
— 2) Führer d. d. histor. Museum in Moskau, III, Nr. L121, ein ä jour durchbrochenes
Bronzebeil mit rotem Email. — o) Mitt. der Anthrop. Ges. in Wien 1897, Nr. I, S. (74),
Kg. 11. — I) Soph. Müller. Nordisch. Alt. I, S. -_'7o. - ."» Führer d.d. histor. Museum
in Moskau, III, Nr. 1211—121(5. (Abgüsse im Museum in Moskau).
— 89
Fi- 115.
Piff. 117
Fiff. 118.
Fig. in;
Fiff.' 119.
Fiff. 120.
Fig. 115. Gürtelagraffe, mit Eisen inkrustiert, Koban. (Morgan, S. 184, Fig. 211.)
Fig. HC. Hammeraxt von Schlicht bei Feldberg. Verhdl. L886, S. 288.
Fig.117. Bronzefjgnr ans Dänemark: , nat. Gr. Ei rnes, (Jrg. d. b. K., S. 169, Fig. 147.)
Fig. HS. Altitalische Bronzefigur ans Cupra marittima; " , nat. Gr.
(Hörnos, l rg. d. büd. K.. S. [68, Fig. i 15.
Fig. L19 u. 120. Bronzefiguren ans Tiflis. (Eigene Sammlung]
— 90 —
noch schmäler als der Hals: etwas unterhalb der Mitte springt vorn ein
konischer Phallus und hinten ein ähnlich geformter etwas längerer Gruss-
zapfen hervor. Die Beine sind nur hinten angedeutet. Der linke Arm
ist im Ellbogen rechtwinklig- gebeugt und vorgestreckt, die Hand durch
eine Verbreiterung des Vorderarmes und an der Volarseite durch eine
kleine Vertiefung angedeutet. Der rechte Vorderarm ist senkrecht er-
hoben, die Hand hält einen plumpen und breiten, etwas nach abwärts
gerichteten Gegenstand, der wohl als Opferbeil oder Opfermesser zu deuten
ist. Die Figur steht auf einem kleinen Bronzeblock. Bemerkenswert ist
noch bei beiden Figuren der Helm. Bei der ersten trägt dieser wie ge-
wisse italische Helme1) in der Mitte einen niedrigen, bogenförmigen
Kamm und zwei hohe bogenförmige Hörner, ähnlich wie bei den auf einer
Mykenävase dargestellten Kriegern"), einer Schardanafigur von Sizilien3) und
der Helmdarstellung auf einer Bronzeciste von Matrei und ganz ent-
sprechend der Besclrreibung. die Herodot von den chalybisehen Helmen
liefert4). Der Helm der anderen Figur hat einen hohen dreieckigen
Kamm, der in eine hohe zapfenartige Spitze ausläuft (Fig. 119 u. 120.)
Als Gegenstück zur ersten Figur gebe ich die Abbildung einer aus
Dänemark stammenden Bronzefigur, die bei der Auffindung in der jetzt
fehlenden rechten Hand ein Beil oder einen Hammer trug. Sie befand
sich, wie die in unserer Abbildung nicht wiedergegebenen Beste einer
Basis zeigen, ursprünglich an einem Gerät und ist knieend dargestellt.
Hierdurch und durch die sorgfältigere Behandlung der Hand, des Gesichts.
einzelner Schmuck- und Kleidungsstücke unterscheidet sie sich etwas von
den kaukasischen Figürchen, denen sie im übrigen, namentlich bei Be-
trachtung von hinten, sehr ähnlich ist. (Fig. 117.)
Für die zweite kaukasische Bronze kann eine aus der Gusswerkstätte
von Maria Csaläd, Neutraer Comit., stammende Figur zum Vergleich heran-
gezogen werden. Auch sie ist sehr roh und plump. Der Kopf ist niedrig,
das Gesicht breit, die Ohren als lappenförmige Ansätze, die Augen als
konzentrische Kreise augedeutet. Der rechte Arm ist ganz ähnlich wie
bei unserer Figur erhoben, aber die Hand hält weder ein Beil, noch einen
Dolch oder ähnliches. Trotzdem müssen wir annehmen, dass diese Stellung
des Armes eine ganz bestimmte Bedeutung hatte. Die linke Hand greift
nach dem Gliede, unter dem die Hoden als kleine Kugeln angedeutet
sind6).
Ein ähnliches Stück"), das seinerseits wieder sehr an eine Yulvarigur von
Zastrow7) erinnert, ist bei Thorn inWestpreusseu gefunden worden. Der Kopf
ist rundlich, die Augen sind lang geschlitzt, die Nase stark vorspringend.
Die breiten und (lachen Arme sind henkelartig gebogen, die grossen
Hände auf den oberen 'Feil des Bauches aufgelegt. Die männlichen Ge-
schlechtsteile sind deutlich erkennbar, die Knie leicht gebogen, die Füsse
nach vorn gewandt.
1) HÖrnes, Urgesch. d. bild. Kunst, S. U8 u. L'l. — 2) Sckliemann, Mykena,
S. 153, Nr. 213. — 3) Hörnes, Urgescb. d. Menschen, S. 203. — I Herodot, VII TG.
— ö) Hampel, Alt. d. Bronzezeit in U. LXIX. Fig. I a u. 1>. — 6) Arch. fürAnthrop. XXI.
S. 69, Fig. 66. - 7) Hörnes, Urg. d. b. K.. S. 164, Fig. 139.
— 91 —
Ans Italien erwähne ich < - i 1 1 < • der Czalader Figur Behr ähnliche
Statuette von Sau Francesco bei Bologna1), sowie mehrere phallische
Figuren aus der Nähe von Este"), «li«- neben bekleideten and bewaffneten
Figuren in dem Qeiligtum «los Fondo Baratela gefunden wurden. Als
Anhängsel trifft man sie im westlichen Europa, hier allerdings erst im
Beginne der La Tenezeit, so ein phallisches und bärtiges Bronzefigürchen
ans Lunckhofen im Aargau. das zusammen mit einem ganz ähnlichen
Frauenfigürchen aus einem Früh - Tenezeitlichen Tumulus gewonnen
wurde3). Hieran schliesst sich ein aus Domevre en Haye, Lothringen,
stammendes bronzenes l'hallusfigiirchen. «las auf <ler Ibust eines Skelettes4
lag, und endlich ein phallisches Bronzemännchen von Saient-Jean-sur-
Tourbe in der Champagne, «las mittelst eines am Rücken angebrachten
Tragringes neben anderen Amuletten an einem Armring befestigt war6).
Auch die eigentlichen Beilträger sind nach Börnes ithyphallisch 6).
..In den schwedischen Felsenzeichnungen der Bronzezeit finden sich Beil-
darstellungen teils isoliert, teils in Verbindung mit einer ithyphallischen
.Menschengestalt, welche dasselbe mit beiden Armen hält, aber so klein
gezeichnet ist, dass man das Beil als Hauptsache, als Heiliges, hier wie
eine Standarte getragenes Zeichen erkennt." l)a> Gegenstück zu dieser
Felsenzeichnung bildet eine auf dem bekannten Judenburger Wagen
■dargestellte Figur. Hier erscheint hinter einem von zwei nackten
Menschen festgehaltenen Hirsch ein nackter ithyphallischer Mann mit ge-
schwungenem Beile, offenbar im Begriff, das Tier zu opfern7). Endlich
verweise ich noch auf eine sehr roh ausgeführte Bronzestatuette von Cupra
marittima, die durch die Stellung des Körpers und den mit hohem dreieckigen
Kamme gekrönten Helm einigermassen unserem zweiten kaukasischen
Figürchen gleicht. Der rechte Arm ist, wie bei den kaukasischen Figuren
der linke, rechtwinklig gebogen, doch hält hier die Hand «'im- Schale,
während die linke Hand ein Beil trägt. (Fig. 118.)
Antimon.
Bis vor wenigen Jahrzehnten glaubte man ganz allgemein, dass «las
regulinische Antimon erst im Mittelalter bekannt geworden sei und «las
ganze Altertum davon nichts gewusst habe. Nur eine Schwefelverbindung
war bekannt, «li«- von den alten Ägyptern als Schminke benutzt und zum
Färben der Augenlider verwandt wurde. Um SO überraschender war es,
als man zuerst in dem Gräberfeld von Redkinlager* südlich von Tiflis
eine Anzahl von Schmuckstücken aus reinem Antimon fand, denen sich
J) Montelius, Civ. prim. I, Taf. 70, Fig. L5. — - Not tl. Scavi L887, Tat'. VII,
Fig. II, -Jl u. Taf. VIII, Fig. t-3. — 3) Rcinach, La Sculpture, S. 84, Fig. 272.
i) Reinach, a. a. 0., S. 86, Fig. 276, — 5) Reinach, a. a. 0. S. 83, Fig. 263. —
6) Börnes, ürgesch. d. bild. Kunst, S. 167 ff. — 7 Hörnes, Ebenda Tafel VIII.
*) Noch Herr Morgan zweifelt daran und sagl (a.a.O. I II : Encitantdes parurcs
d'antimoine, Bayern a commis probablement une erreur, car j'ai rencontree moi-meme
dans des sepultures de la meme epoque des objets scmblables a ceui <[u"il cite, el
ma demontre qu'ils etaienl en plomb, mais que ce metal s'elait, ä longue, entierement
transformü en oxyde.
— 92 —
dann später noch Funde aus anderen Nekropolen Transkaukasieus *), sowie
aus dem nördlichen Kaukasus, insbesondere aus Koban2), anreihten.
Schliesslich wurden auch noch in Tello3), einer der ältesten Städte Baby-
loniens, Bruchstücke von einem Antimongefässe aufgefunden. Doch steht
dieses Stück bisher vereinzelt da und ebensowenig waren bis vor kurzem
aus anderen Gebieten prähistorische Geräte aus Antimon oder Legierungen
ans solchem bekannt geworden.
Von um so grösserem Interesse erscheint es, dass neuerdings auch im
Abendlande das Antimon in einer ganzen Reihe von Fällen nachgewiesen
worden ist. hier freilich bisher nur in Legierungen. An westpreussischen
Fundobjekten hatte Herr Helm in zehn Fällen einen z. T. sehr beträcht-
lichen Antimongehalt festgestellt4). Ferner wurde in einem Grabe bei
Zirnitz in Krain ein kleiner Metallkrug gefunden, der aus einer Mischung
von Antimon mit etwa 10 pCt. Zinn bestand6). In ungarischen Stücken
fand zuerst Herr Loczka eine Anzahl von Antimonbronzen, sodass Herr
Hampel auf Grund dieser Beobachtung schon in seinen „Neuen Studien
über die Kupferzeit''' die Ansicht aussprach, dass in Ungarn und vielleicht
auch anderwärts als Vorläufer der Bronze die Antimonmischung' eine
gewisse Rolle spiele"). Neuerdings hat schliesslich Herr Helm bei einer
grossen Reihe von Funden, namentlich in Bvonzegussklumpen von Velem
St. Yeit einen teilweise sehr bedeutenden Antimongehalt festgestellt, der
bei einzelnen Stücken bis über 18 pCt. beträgt7). Ob die ungarischen
und siebenbürgischen Metallkünstler das reine Metall gekannt oder ob sie
ihre Legierungen nur durch Zusatz von Antimonerzen (Fahlerz) her-
gestellt haben, lässt sich allerdings aus den bisherigen Beobachtungen
noch nicht mit Sicherheit sagen, da Schmuckstücke aus regulärein Antimon,
wie wir sie aus dem Kaukasus kennen, in Ungarn bisher noch nicht ge-
funden worden sind. Doch hat die erste Annahme manches für sich, und
es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Metall durch einen Schmelzprozess
aus dem Schwefel-Antimon mit der in Ungarn in grosser Menge an der
Boden oberfläehe vorkommenden Soda und Kohle dargestellt wurde. Aber
auch wenn diese Annahme nicht richtig ist, wenn man das regulinische
Metall selbst noch nicht rein darzustellen vermochte, so bleibt doch die
Tatsache bestehen, dass die ungarischen Metallurgen die Antimonerze
kannten und sie zur Herstellung von Metallmischungen von grösserer
Härte, als sie das Kupfer besitzt, zu verwerten verstanden. Diese Tat-
sache erscheint um so wichtiger, als Antimon oder Legierungen davon
ausser bei den oben erwähnten westpreussischen Stücken, die vielleicht
importiert oder wenigstens aus importierter Antimonbronze hergestellt sind.
in grösseren Mengen bisher nur in Ungarn und im Kaukasus haben nach-
gewiesen werden können.
I Verhdl. L898, S. llo: 130 u. a. — 2) Virchow, Das Gräberfeld von Koban. —
."., Börnes, Drgcsch. d Menschen, S. 31. — 4) Hampel, Neuere Stud. über die Kupfer-
zeit, Zeitschr. f. Eth. 1896, S. 85. — 5) Helm, Verlidl. L900, S. 365. — G) a. a. 0.. S. 91,
1 'unkt ß. — 7) a. a. 0. S. 359ff.
— 93 —
Dolmen.
Bei einer \ ergleichirog der kaukasischen Kultur mir westeuropäischen
Formen dürfen wir auch die Dolmen nicht vergessen, jene mächtigen
Bauwerke, die man als Ruhestätte für die Toten errichtete. Ihr Ver-
breitungsgebiet! zieht sich von Skandinavien über Norddeutschland, die
Bretagne, Portugal bis nach Afrika, doch kommen sie auch in Palästina
und namentlich Corsika sehr häufig vor. Im Kaukasus finden sie -ich
nur in einem schmalen Gebiet nördlich und südlich vom Elauptkamm x).
Über die Beziehung der einzelnen Dolmengebiete zueinander gehen die
Ansichten weit auseinander. Während Börnes u. a. eine selbständige
Entstehung dieser megalithischen Bauten in den einzelnen Gebieten an-
nehmen und in ihnen nur eine (Jbergangsform von den natürlichen oder
künstlichen Grabgrotten zu den mächtigen unterirdischen Steinkisten er-
blicken, sind sie von anderer Seite einem einzigen Dohnen Volke zu-
geschrieben worden, das sie auf seinen Wanderzügen nacheinander er-
richtete. Auch über die Richtung dieser Wanderung isi man geteilter
Ansicht. Bonstetten lässt das Dolmenvolk von der Malabarküste über
den Kaukasus nach Europa kommen, in der Krim sich teilen und einer-
seits die Mittelmeerländer, andererseits die nördlichen Gebiete Europas
erreichen. Den entgegengesetzten Weg hatWorsaae angenommen2) und
dies ist wohl wahrscheinlicher, da die nordischen Dolmen der reinen
Steinzeit angehören, während die südeuropäischen und kaukasischen in
die Bronzezeit, und die afrikanischen ganz in die Eisenzeit fallen. Be-
merkenswert ist. dass nach Morgan die grossen Steinkistengräber auf
(\vn älteren Nekropolen Ars Kaukasus in ihrem Bau noch sehr deutlich
an die Dolmen erinnern und dass sich zwischen diesen und jenen alle
möglichen Obergangsstufen in fortlaufender Reihe verfolgen lassen. Dies
gilt insbesondere von den Steingräbern von Lelwar und noch mehr von
Etedkinlager, wo der Tote nicht von oben in das Grab gelegt, sondern
von einer Stirnseite, die zu diesem Zwecke offen gelassen und erst nach-
träglich zugemauert wurde, hineingeschoben ward. Die mächtigen Stein-
platten, mit denen diese Steinkisten eingedeckt waren, stehen an Grösse
und Gewicht kaum hinter den Deckplatten uuserer nordischen megalithi-
schen Grabbauten zurück.
Was die An und Weise der Beisetzung im Kaukasus anlangt, so
wurden die Toten meist auf die linke Seite mit angezogenen Beinen und
über die Brust gekreuzten Armen in das Grab gelegt. Diese „liegenden
Hocker" findet man bekanntlich auch in Mitteleuropa am Ausgange
der Steinzeit und in der älteren Bronzezeit, soweit hier nicht schon
Leichenbrand üblich war. ziemlich häufig*). Dagegen kommen „sitzende
Hocker-, die man hei uns in neolithischen Gräbern sehr oft antrifft6),
im Kaukasus verhältnismässig selten und meist wohl nur dann vor. wenn
der Tote in einem grossen Gefässe beigesetzt wurde6), die Raum-
1 Morgan a.a.O. T.I, S. L90, pl. IV. — 2} Hüne-, ürgesch. d. Mensch., S.305f.
— 3) Morgan a. a. 0, 1) /.. B. Lengyel in Ungarn; Börnes, Urgesch. des Mensch.,
S. 278. — 5) Hornes, a. a. 0., S. 307. - (i Morgan, a. a. 0., I. I n. VerhdL L898,
S. .">1T. Fig. 26 (Kala Tapa. Transkaukasien\
— 94 —
beschränkung also diese Stellung bedingte. Doch finden sie sich zuweilen
auch in einfachen Steinkistengräbern, so in (Jülaplü1) und Helenen-
dorf ~) u. a.
Rassenzugehörigkeit.
Was schliesslich die Rassenzugehörigkeit der prähistorischen Kaukasier
anlangt, so sind nach Virchow die von ihm untersuchten Schädel von
Koban vorwiegend dolicho- oder mesokephal, wie sie dem geläufigen
arischen Typus entsprechen3) und in gleicher Form auf dem älteren
(u-äberfelde von Lengyel4) in den kupferzeitlichen Pfahlbauten
des Laibacher Moor6), in den steinzeitlichen Gräbern Böhmens6),
den megalithischen Grabstätten Pommerns7), den Kiesenstuben Dänemarks8)
und Skandinaviens9), im Westen in den neolithischen Gräberfeldern am
Hinkelstein10), vom Rhein gewann11) bei Worms112) und vielen anderen west-
und mitteldeutschen Stationen vorkommen. Zu dem gleichen Resultate
sind für andere nordkaukasische stein- (?) und bronzezeitliche Gräber-
felder Pantüchow13) und Iwanowski14) gelangt, der durch seine
Messungen folgende Schädelindices ermittelte:
Zahl der Schädel. Ort. Mittl. Index.
4 Rutcha 71,2
-I Kamuntii 72,2
3 Saclalysk Nr. 4 74,0
J Sadalysk Nr. 3 80,5
20 Gegend von Pjätigorsk 75.8
10 Dargews 81,3
Doch fanden sich bei den einzelnen Exemplaren sehr grosse Schwan-
kungen von 66 — 88. Nach Topinard waren diese nordkaukasischen
Dolichocephalen blond.
Im Gegensatze zu den Gräberfeldern im Norden des Kaukasus weisen
die Nekropolen Transkaukasiens vorwiegend brachyeephale Schädelformen
auf, obwohl auch dort dolicho- oder mesokephale Schädel von arischer
Form keineswegs fehlen15). Ganz besonders scheint nach Pantüchow
Brachycephalie unter den prähistorischen Anwohnern des Kaspischen Meeres
vorzukommen.
Dieses Vorherrschen arischer Schädelformen im Norden des Kaukasus
und brachycephaler Typen im Süden würde für die Beurteilung der
Richtung, in welcher die arische Wanderung erfolgte, von grösster Be-
deutung sein, wenn das vorliegende Gräbermaterial eine einigermassen
genaue Datierung der untersuchten Cranien gestattete. Da sich aber nicht
1) Verhdlg. L869, S. 398. — 2j Verbal. 1901, S- 101; 106; 110; lls. — 3) Virchow,
Koban, S. 17: Verhandl. L883, S. 339; Über die kult. Stellung des Kaukasus, S. 4. —
I Virchow, Verhandl. L890, S. L03 u. L16. -■ 5) v. Luschan, Mitteil. d. Anthrop.
Ges. in Wien, Bd. X, S. 301. — 6) Verhdl. L889, S. 106 u. S. 790. — 7) Virchow,
Corresp.-Bl. L886, S. 77. — 8) Soph. Müller, Nord. Altert, I, S. 209. — 9) Hörnes,
Urgesdi. d. Menschen, 8. 286 — 10) Ebenda, S. 308. 1 1 1 Verhdl 1895. — L2)Pantüchow,
0. Komükacb. Sapisski kawk. ot. imp. Russk. geogr. obschtschestwa; kn. XYlIf, 81 — 128
— L3) Iwanowskij, Tscherepa is mogilnikow Ossetii Dn. Ant. ol Lmp. o. 1. e. Mos. 189]
wüp. V. — 1 I) X i; in Samthrawo, Schuscha, n. a. Verhdlg, L892, b. oben Seite 7(i „Feuer-
steinsäge".
95 —
selten auf einem und demselben Begräbnisplatze, wie beispielsweise in
der oberen und unteren Etage von Ssamthawro, ganz verschiedene Schädel-
typen linden und ausserdem das bisher gesammelte anthropologische
Material noch ziemlich unvollkommen ist. bo erscheint vorläufig wenigstens
noch eine gewisse Zun'iekhaltunu" geboten.
Aus diesen zahlreichen Parallelen, die sich nicht nur auf A.usserlich-
keiteti erstrecken, sondern bis in kleine Einzelheiten nachweisen lassen,
und die sich insbesondere auch auf gewisse symbolische Darstellungen und
diesen zu Grunde liegende religiöse Anschauungen und Bräuche beziehen1),
geht wohl zweifellos hervor, d;iss ursprünglich eine enge Verbindung
zwischen <\>>v donauländischen und di^v kaukasischen Kultursphäre be-
standen haben niiiss Freilich wäre es ja auch denkbar, dass beide Gebiete
ihre Kultur aus derselben Quelle geschöpft hätten, und zwar vor-
zugsweise ans der Mykenekultur, mit der beide Kulturkreise so mancherlei
gemeinsam haben, und auf die insbesondere die rätselhaften Tierzeich-
nungen auf den transkaukasischen Gürtelblechen hinzuweisen scheinen.
Tatsächlich ist auch von verschiedenen Prähistorikern der Versuch ge-
macht worden, die kaukasische Metallkunst aus dem Mykenekreise herzu-
leiten. Von dort aus sollte sie sich über Kleinasien nach Armenien
und dann weiter über den Kamm des Kaukasus in die Hochtäler seines
Nordhanges ergossen haben. Aber die seit Bayerns grundlegenden
Untersuchungen erschlossenen neuen Gräberfelder des Kaukasus haben
so viel neues Material geliefert, dass trotz der Gleichheit gewisser
Formen in dem Mykenäkreise und Kaukasien eine unmittelbare
Abhängigkeit »les letzteren von ersterein kaum mehr angenommen werden
l. Hier sei auch an das iranische und vcdische A<jvamedhaopfer erinnert. Dass
Pferde, und /war wie bei den Indo-lraniern vorzugsweise Schimmel auch bei den europä-
ischen Ariern, und namentlich den Germanen und Slaven eine sehr wichtige Rolle spielten,
ist eine längs! bekannte, von alten Historikern vielfach bezeugte Tatsache. Neu isl jedoch
der Nachweis, dass das Pferdeopfer im nördlichen Mitteleuropa bereits in der
jüngeren Steinzeit geübt wurde. Diese für die Frage des Ursprungs dieses Kultus
höchst wichtige Tatsache ergibt sieh meines Erachtens mit grösster Wahrscheinlichkeit
aus dem Funde bei [ngestad i. Schonen, wo Sjögren im November 1900 ic einem dem
Schlamme der Ulltorpsä enthobenen Schädel eines jungen Pferdes die abgebrochene untere
Hälfte eines Feuersteindolches, dessen Spitze genau in der Mitte zwischen beiden Scheitel-
beinen feststak, vorfand. (Globus Bd. LXXIX S. 368 f.)
Eine andere ebenfalls sehr interessante und auffallende Übereinstimmung indo-
iranischer Anschauungen mit früheuropäischen Kunden zeigt sieh in der Verehrung des
Hundes, „AVer einen Hund tötet, der das Vieh hütet, oder einen, der aufs Blut geht,
oder einen, der zu Kunststücken abgerichtet ist: fürchterlicher für uns und grauenvoller
gehl dessen Seele hinüber in die jenseitige Well als ein Wolf, welcher umherschleicht in
dem grauenerregenden tiefen Walde", so lautet es in Avesta Vendidad XIII, 8, und unter
den Vedendichtern begegnen wir Namen wie: Qunahccpa, Qunahpucha und Qunahhotra,
Hundementula, Hundeschwanz und Hundeopfer. Zu dieser Heilighaltung des Hund
den asiatischen Ariern stimmt Vorzüglich die liebevolle Bestattung von Hunden, die man
in Mitteleuropa sowohl aus der Bronze- als der neolithischen Kulturperiode
wiederholt beobachtet hat. In einem Grabe von Gross-Czernosek in Böhmen fand Herr
Kitter von Weinzierl sogar eine Doppelbcstattung von Bunden, die, zärtlich an einander
geschmiegt, in das mit einer sorgfältigen Steinsetzung umgebene Grab gebettet waren.
(Mit*, d. Anth. des. in Wien. 1897. S. Gl, Fi{
— 96 —
kann, und die Ähnlichkeit, die in mancher Hinsicht zwischen beiden Ge-
bieten besteht, wird durch ebensoviele tiefeinschneidende Differenzen
wieder aufgehoben. Ja selbst die soeben erwähnten transkaukasischen
Tierdarstellungen, die Herr Hernes gleich analogen Erscheinungen der
mitteleuropäischen Hallstattstufe „in stärkster Anlehnung an griechische
Arbeiten" entstanden sein lässt1), zeigen trotz der nicht zu verkennenden
Verwandtschaft mit der mykenisierenden Kunst Kleinasiens sowohl in
formaler als namentlich in gehaltlicher Hinsicht teilweise recht grosse
Abweichungen, sodass man zwar eine gewisse Beeinflussung der bereits
vorhandenen transkaukasischen Bronzekultur durch die mykenische wird
annehmen dürfen1'), nicht aber eine direkte Entlehnung ersterer von letzterer.
Übrigens fehlen im Süden des Kaukasus alle verbindenden Zwisehen-
sTationen zwischen der Tröas und dem Kuragebiete, während sich im
Norden die kaukasischen Formen fast kontinuierlich über Kertsch und
die Nordwestküste des Pontus bis zur Donaumündung verfolgen lassen,
da wir haben sogar in einzelnen steinzeitlicheu Geräten, wie namentlich
den Steinbeilen mit Schaftrille und den merkwürdigen querschneidigen
Pfeilen sowie den sichelförmigen Sägen, vielleicht auch in den platten
Pfeilen mit Widerhaken und den scheibenartigen Bernsteinperlen, den
beilförmigen Anhängseln und den Vogelfiguren und anderen mehr, Formen
kennen gelernt, die uns noch weit über das Donaugebiet hinaus bis in
die entlegenen steinzeitlicheu Provinzen Norddeutschlands und Dänemarks
hinführen.
Dürfen wir nach alledem einen ursprünglich direkten Zusammenhang
zwischen dem donauländischen und dem kaukasischen Kulturkreise an-
nehmen, so erhebt sich sofort die wichtige Frage:
Welche von beiden Kulturen war die ältere? Ist die Kennt-
nis der Metallbearbeitung vom Kaukasus nach dem Westen
gelangt oder umgekehrt? Die meisten der oben angeführten, beiden
geineinsam Kulturgebieten angehörenden Altertümer, besondersdie Fibeln und
Nadeln, erscheinen im Kaukasus bereits aisfertige Typen. „Nichts von kleinen,
ue wissermassen erst im Werden begriffenen Formen", sagt Virchow,
„überall schon die für den Gebrauch hergestellten Arten". In den Donau-
ländern dagegen treffen wir sehr häufig auf Formen, die sich noch voll-
ständig an die früheren Muster aus der Steinzeit anlehnen, und auch die
Fibel erscheint hier in ihrer allereinfachsten und primitivsten Gestalt. In
noch höherem Masse tritt uns die Priorität der donauländischen Metall-
kultur gegenüber dem Kaukasus in der Verwendung der Spirale entgegen.
Schon Virchow hat in seinem grossen Werke über Koban diese Frage
eingehend erörtert, konnte aber bei den damaligen Kenntnissen von der
Verbreitung der S|iiraldekoration in den frühesten vorgeschichtlichen
Epochen aocli zu keinem bestimmten Ergebnis gelangen. Heute wissen
1) Hörnes: Urg. d. bild. Kunst. S. 635.
•_') Im Gegensatz hierzu hat Virchow in seiner Abhandlung über die kulturgesch.
Stellung d. Kauk. die völlige Unabhängigkeil der transkaukasischen von der südländischen
Bronzekunst betont, wohl aber für beide eine gemeinsame Quelle angenommen, die
irgendwo in Zentrala ien zu suchen sei.
— 97 —
wir aus den Untersuchungen der neolithischen Stationen von Butmir.
Tordos, Lengyel u. a., dass das Bpiralornament, das nach Naue1) in
Ägypten bis in die erste Hälfte des 3. J.T. zurückreicht, und das von dort
aus schon frühzeitig- seine Wanderung- über Kreta nach dem europäischen
Kontinent angetreten haben soll, in den Donauländern bei der Tongefäss-
dekoration bereits während des letzten Abschnitts der jüngeren
Steinzeit eine ausgedehnte Verwendung fand, und auch „die Entartung
der Spiraldekoration, wie sie uns in der Bogenbandverzierung der deutschen
Bandkeramik entgegentritt""), ist mit Sicherheit dem vormetallischen Zeit-
alter zuzuschreiben. Oder sollte vielleicht gar das Verhältnis umgekehrt
sein, und die in den Rheinlanden8] und namentlich im Harz- und Saale-
gebiet*) so häufig vorkommenden, teilweise sehr primitiven S|>iraloiden-
Figuren nicht sowohl das Ziel, als vielmehr den Ausgangspunkt der Wan-
derung des Spiralornamentes bezeichnen, das, je weiter es auf seinem
Wege nach Osten und Süden vordringt, umso mannigfaltiger und voll-
kommener entwickelt und ausgestaltet wird? Reicht doch in West-
Europa das Spiralornament sogar bis in die späteren Perioden der älteren
Steinzeit zurück5), und wenn es auch vermessen wäre, jetzt schon die
neolithische aus der paläolithischen Spiraldekoration herleiten zu wellen.
so wird man doch die Möglichkeit eines genetischen Zusammenhanges
zwischen beiden um so weniger ganz und gar in Abrede stellen dürfen,
als die paläolithische Kunst auch sonst noch Verzierungen aufzuweisen hat,
die lebhaft au gewisse dekorative Motive der jüngeren Steinzeit erinnern0).
Als weitere Ornamente der kaukasischen Bronzekultur, die im mittleren
und nördlichen Kuropa gleichfalls bereits in der Steinzeit Verwendung
finden, hatten wir das Kreuz und die Doppelvoluten kennen gelernt, und
auch manche geometrische Motive, deren sich die Bronzekunst zur Ver-
zierung der mannigfachen Metallgeräte bedient, wie das Wolfszahn-
ornament u. a., finden wir schon in der neolithischen Keramik .Mittel- und
Nordeuropas in ausgedehntem Masse verwendet. Endlich konnten wir
auch noch gewisse Schmuck- und Gebrauchsgeräte, die beilförmigen An-
hängsel und die Vogelfiguren, die Steinbeile mit Schaftrille und die
durchbohrten Hämmer, die Pfeile mit quergestellter Schneide u. a. nach-
weisen, die im Abendlande und im Norden ebenfalls bis in die Steinzeit
zurückreichen, während von den im Kaukasus vorkommenden Metall-
1) Naue: Die Bronzezeit in Oberbayern S. 145 u. 241 f. — -j) Hörncs: Urgesch.
d. bild, Kunst S. -J'.H u 2i>2. — 3) Konen: Gefässkunde in der vorrömischen, röm u.
tränk Zeit in den Rheinlanden, Bonn 1895, Taf. I, Fig. 17c u. 17b. - 4) Reischel: Die
Begräbnisstätte bei Hornsöminern i. Tb. Vorgesch. Alt. d. Prov. Sachsen, Heft IX,
Fig. 9 — Virchovr: in Verhdl. d. Berl. Anthr. Ges. 1874 B 233 (Debüts b. Weissenfels)
u. 1884, S. 398 u. 58J tHoym in Anhalt, Bernburtf) — Krause: Verhdl d B. A. G.
1898 S. 5<J:>> (N'eubaldensleben). — Grüssler: Mansfelder Blätter XII, Taf II (Zaben-
stedt, Mansfelder Seekreis). — Nabe: Wisseusch. Beil. der Leipzig. Zeitung 1903 Nu. 67
(Leipzig-Eutritzsch). — ">) Hörnes: Urgesch d. bild. Kunst, 8 41 u. 45 Anmerkung —
<1 Diesen Gedanken hat in. W. zuerst Herr Mach in seinem an kulturgeschichtlichen Per-
spektiven so reichen Werke: Die Heimat der Indogerinanen. das leider erst nach Be-
endigung der vorliegenden Studie in ineine Hände gelangte, ausgesprochen und näher
begründet.
Zuitsdiritt für Ethnologie. Jahrjr. 1W4. 7
— 98 —
geraten in den unteren Donauländern nicht wenige Formen noch der
reinen Kupferzeit oder dem Schlüsse der neolithischen Zeit angehören.
Kann man angesichts dieser Tatsachen noch im Zweifel sein, welches von
beiden Kulturgebieten das ältere, welches der gebende, und welches der
empfangende Teil war?
Eine weitere, für unsere Untersuchung wichtige Frage ist: Wann
erfolgte diese Kulturströmung von den untern Donauländern
oder dessen Nachbargebieten an der Nordwestecke des Pontus
nach den Nordhängen des Kaukasus und über diesen hinweg in das
Gebiet der Kura und Araxes. Die zwischen beiden Kulturgebieten be-
stehenden Parallelen betreffen, wie wir bereits oben gesehen hatten, fast
durchweg nur Formen, die, wenn sie auch teilweise sich noch in jüngeren
Perioden erhalten haben, den ältesten Abschnitten der Metallzeit zu-
zurechnen sind, ja, zum Teil sogar noch über diese hinaus bis in die
jüngere Steinzeit zurückreichen. Vergeblich suchen wir im Kaukasus
das typische ungarische Schwert, zu dem die Mykeneschwerter das Vor-
bild geliefert hatten. Nirgends auch finden wir hier den Palstab und
Hohlkeit, denen wir sonst in ganz Europa und Russland bis nach Sibirien,
ja selbst in Japan, begegnen. Ebenso fehlen aber in Ungarn und den
übrigen Donauländern die typischen Geräte, die für die kaukasische
Bronzekultur so charakteristisch sind, die Rudernadeln, die Spiegelnadeln,
die Gürtel mit ihren eigentümlichen Tierornameuten, die merkwürdigen
Spiralschläfenringe usw. Wenn also der Kaukasus seine Metallkultur
aus dem Westen erhalten hat, so muss dies bereits zu einer sehr frühen
Zeit erfolgt sein, als sich die Metallkunst in den Donauländern noch nicht
allzuweit über die ersten Anfänge erhoben hatte. Viele Jahrhunderte muss
alsdann, wie dies bereits Virchow ausgesprochen hat, wohl infolge der
besonderen politischen Verhältnisse, die durch das Eindringen fremd-
rassiger, skythisch-altaischer Völkerstämme in die zwischenliegenden nord-
pontischen Gebiete herbeigeführt waren, die Verbindung zwischen Donau-
mündung und dem Kaukasus völlig unterbrochen gewesen sein1), und erst
1) Wenn auch der Überlandverkehr durch das südrussische Steppengebiet nach dem
Kaukasus ruhte, so konnte doch selbstverständlich noch eine Verbindung über Kleiuasien
und zur See nach Transkaukasien und dem Südabfall des Hauptgebirges bestehen. Und
dass dies tatsächlich der Fall war, beweist sowohl die Argonautensage als die schon im
VII. Jh beginnende Gründung griechischer Kolonien, die naturgemäss erst nach einem
länger vorausgegangenen Seeverkehr erfolgen konnte. Auf diese Weise mögen die an
einzelnen Stationen der kaukasischen Küste zwischen Poti und Anapa vorkommenden Ge-
rät»:, die in Mitteleuropa der jüngeren Bronze-, oder der älteren Eisenzeit angehören, und
die im ganzen übrigen Kaukasus fehlen, dahin gelangt sein, und so mögen wohl auch die
südländischen und griechischen Arbeiten, die für den südkaukasischen Kunststil vorbildlich
waren, nach dem Osten gekommen sein. Trotzalledem dürfte aber auch der Seeverkehr
lauge Zeit hindurch nur ein sehr beschränkter gewesen sein. Davon zeugen nicht nur
die Schilderungen der Griechen, die aus jener Zeit nur von den Schrecken des Schwarzen
Meeres zu berichten wissen, und die den nach Strabo selbst noch Homer völlig un-
bekannten Pontus geradezu als äfrvos (Strabo VII, .'!, <>) bezeichneten, sondern auch
die archäologischen Tatsachen, die. trotz einer gewissen Verwandtschaft des südkaukasischen
mit dem kleinasiatischcn und griechischen Kunststil doch im übrigen keine engeren
Kulturbeziehungen erkennen lassen.
— 99 —
in verhältnismässig späteren Perioden lassen sich wieder einige Be-
ziehungen zwischen beiden Kulturländern nachweisen, die auch durch
geschichtliche Zeugnisse bestätigt werden. Nach Strabo nahmen nämlich
die am Tanais, zwischen der Mäotie und dem kaspischen Meere sitzenden
Aorsen, die Vorfahren der späteren Krsanen, zusammen mit dem baby-
lonischen den indischen, über den Oxus, das kaspische Meer, den Cyrus
und Phasis zum Schwarzen Meere1) führenden Transithandel auf, um von
der Rionmündung aus die Güter auf Kameelen unter grossem Gewinn
weiter nach Westen zu fördern"). Durch diesen Handelsverkehr werden
gewiss manche der späteren Hallstattzeit und der La Tene-Periode an
gehörige Geräte oder wenigstens die Vorbilder dazu nach dem Kaukasus,
ja, sogar weiter bis Turkestan gelangt sein.
Über den Weg, den die Kulturströmung von der Donau-
mündung in die Kaukasuslande genommen hat, können kaum
Zweifel herrschen. Schon oben hatten wir gesehen, dass die in Troja
vorkommenden Fibeln nicht mehr den einfachen Bogentypus darstellen,
wie er namentlich für Koban und andere nordkaukasische Stationen so
charakteristisch ist, sondern, dass sie bereits eine auf griechische Muster
zurückzuführende Weiterentwickelung dieses einfachen Typus bilden. Die
Kobanfibel kann daher unmöglich von Troja aus nach dem Norden des
Kaukasus gelangt sein. Noch klarer aber erscheint der Weg, den die
Metallkunst eingeschlagen hat, wenn man die donaulündisehe Kultur mit
der nordkaukasischen einerseits und der südkaukasischen andererseits
vergleicht. Die den Kaukasus mit Ost- und Mitteleuropa verbindenden
Analogien gehören der überwiegenden Mehrzahl nach dem Gebiete des
Terek und Kuban an. Im Süden des Gebirges zeigen zwar die Gräber-
felder von Ssamthawro, Gori u. a. auf dem linken Ufer der Kura noch
eine grosse Verwandtschaft zu den nordkaukasischen Stationen, je weiter
mau sich aber von dort nach Süden und Westen wendet, um so seltener
werden die europäischen Typen, um so häufiger erscheinen Formen, die
auf vorderasiatische Einflüsse zurückzuführen sind. Ganz besonders aber
weist die Verbreitungsweise des Spiralornamentes und Spiralgerätes, das
in Kasbek und Koban in so ausgedehntem Masse Verwendung findet und
sich hier auf das Engste an die ungarischen Vorbilder anschliesst, während
es in Transkaukasien nur sehr wenig vertreten ist und in den südlicheren
Nekropolen sogar völlig fehlt, mit Bestimmtheit darauf hin. dass die
Kulturströmung nicht den grossen Umweg aber Kleinasien gemacht, sondern
1) Strabo, XI, 7, 3: (piyöi de ('AQiozößovXog) xai evjtköw fzdv '<->;<»■) sTveu (xai oSzos
xai 7','iM{r<>oiV.w7/,- naget HazgoxAeovg Xaßwv) xai jzoXXcl zmv 'Tvdixcöv tpogxUov xazdystv «V rr/r
Ygxaviav 9dXaxzav, evzed&sv fi'eüs zijv 'AXßaviav nsgaiovo&ai, xai dia roS Kvgov xai t<~.i-
Ifiys zojzmv eis zov Evg~eivov xazatpegeo&ai.
2) Strabo, XI, 5, 8: xa\ yag knsxgaxovv jzXeiovos ;•'/-". *<</ oxsdöv u ?/}..- Kaamcov
stagaXtas n~/~ Tzksigvrjs '/!_'/<"'. dbgze xai frsjzogevpvzo xafiqXots zov 'Ivdixou tpogxov xai ipv
BaßpXf&yiov, nagoi tt 'Ag/Mviani xai Mrjöotv ötads^ofisvoi, §xQvooq>6ooin> 8i dia zr/v simogiav.
<>i uh- ovv looooi zov Tdvatv naooixovotv y. r. )..
— 100 —
von ihrem Ausgangspunkt sich etwa entlang dem Nordufer des Pontus den
Nordhängen des grossen Kaukasus zugewendet hat1).
Endlich bleibt noch die Frage zu beantworten: Wie erfolgte die*«1
Kulturübertragung? Wenn auch ein Import durch Handel oder eine
langsame Übermittelung von Hand zu Hand an sich nicht ganz ausgeschlossen
werden kann, so bietet doch die Annahme einer Übertragung durch zu-
wandernde Völkerstämme weit mehr Wahrscheinlichkeit dar. Fand diese
Übermittelung von Hand zu Hand oder durch Handel statt, so ist nicht
zu verstehen, warum diese wechselseitigen Beziehungen nicht auch in
späteren Kulturepochen fortbestanden, warum darni nicht ebenso die
ungarischen Schwerter, die Palstäbe, Hohlcelte usw. ihren Weg nach dem
Kaukasus fanden, oder umgekehrt von hier aus die hervorragenden Er-
zeugnisse der kaukasischen Metallarbeiter nach dem Westen gelangten.
Yor allem aber spricht gegen eine allmähliche Einführung der Metallkunst
im Kaukasus der Umstand, dass auf allen Gräberfeldern die Technik
bereits in höchst entwickelter Form erscheint. Wäre die Kunst der
Metallbearbeitung von einer bereits ansässigen, noch steinzeitlichen Be-
völkerung allmählich aufgenommen und erlernt worden, so müsste sich
au den kaukasischen Altertümern die schrittweise Entwickelung der
metallurgischen Technik von ihren ersten Anfängen verfolgen lassen,
und vor allem würden nicht alle Gräber so zahlreiche Bronzebeigaben
enthalten, sondern man müsste auch Gräber antreffen, deren Inventar aus-
schliesslich oder doch vorwiegend aus den bis dahin üblichen Steingeräten
gebildet wurde, und in denen Bronzegegenstände nur vereinzelt oder gar
nicht vorkommen. Aber nirgends hat man bisher im Kaukasus derartige
Mischfunde von stein- und bronzezeitlicher Kultur mit Sicherheit nachweisen
können. Ja, es ist sogar noch nicht einmal sicher, ob der Kaukasus aucli
nur eine reine Bronzezeit durchlebt hat oder ob nicht vielmehr mit der
Bronze zugleich auch schon die Kenntnis des Eisens, das allerdings
anfangs noch sehr spärlich verwendet wird, nach dem Kaukasus gelangt
ist. Nur durch die Annahme einer Einwanderung eines bereits
metallkundigen Volkes lässt sich dieses plötzliche und unver-
mittelte Erscheinen einer bereits entwickelten Metallkultur in
befriedigender Weise erklären.
Mit diesem auf archäologischem Wege ermittelten Ergebnisse lassen
sich nun recht gut die freilich von vielen Forschern für mythenhaft
erklärten Berichte der alten Historiker, vor allem Herodots, über grosse
Völkerbewegungen von der Nordküste des Pontus nach Vorderasien in
Übereinstimmung bringen. Allerdings wissen die Griechen nur noch von
der letzten Phase dieser grossen Völkerwanderung, die sich über viele
Jahrhunderte ausdehnte, zu berichten, wobei Herodot die Sache so dar-
\) Vielleicht können hier auch noch sprachliche Gründe angefahrt werden: „Unter
den hunderte von Namen, sagt Sayce in der Vorrede zu Schliemanns Troja XV, die
der ungeheuren Landstrecke zwischen Medien und dem Halys angehören und die wir auf
den Monumenten Assyriens autreffen, sind durchaus keine, die man einem arischen
Ursprung zuschreiben könnte".
— 101 —
stellt1), dass die Kimnierier, gedrängt von den Skythen, an der Küste des
Schwarzen Meeres entlang ziehend. Sinope erobern (um 700 v. Chr.) und
schliesslich selbst Sardes einnel n. während die sie verfolgenden Skythen
im Kaukasus ihre Spuren verlieren und den oberen Weg verfolgend, den
Kaukasus zur Rechten, schliesslich bis .Medien gelangen. Neben dieser
von Norden nach Süden über den Kaukasus gehenden Kimmerierwanderung
wird uns freilich auch noch von Kimmerierzligen über den Bosporus be-
richtet, die man gegenwärtig mit dem Einbruch der zu thrakisch-phrygisehen
Horden gehörigen Armenier in Anatolien in Beziehung bringt8). Beide
Berichte widersprechen sich übrigens keineswegs, sondern lassen sich, wie
wir noch später sehen werden, recht wohl miteinander vereinigen.
Herr Belck hat nun aus assyrischen und chaldischen Inschriften
sowohl den Beginn als das Ende dieser Kiminerierzüge über den Kaukasus
zu fixieren gesucht3). Für letzteres nimmt er das 9. Jahrhundert v. Chr.
an, während er das erste Erscheinen der Kimnierier im Antikaukasus auf
ungefähr 1150 ansetzt, d. h. um dieselbe Zeit, zu welcher die indogerma-
nischen Dorier unter der pelasgischen Bevölkerung Griechenlands auftauchen.
Vom Beginn des 1 1. Jahrhunderts an machen sich nämlich im Süden des
kleinen Kaukasus grössere Völkerverschiebungen bemerkbar, die offenbar
durch neu ankommende, vom grossen Kaukasus und der Kura aus
gegen den Antikaukasus gerichtete Bewegungen verursacht wurden. Ins-
besondere ergibt sich aus einem Berichte Tiglatpilesar I. (um 1020)
dass die Moscher um 1070 von ihren Wohnsitzen im Gebirge herabstiegen
und die assyrischen Gebiete Alzi und Purrukussu, die wir am Oberlauf
des westlichen Tigris zwischen ihm und dem Euphrat zu suchen haben,
eroberten und besezten. Es liegt nun auf der Hand, dass so bedeutende
und ausgedehnte Einwirkungen nur durch die Einwanderung und Nieder-
lassung sehr grosser Massen hervorgerufen werden konnten, wozu aber
bei den ungeheueren Schwierigkeiten, welche die Überschreitung de-
grossen Kaukasus selbst für einzelne Personen in damaliger Zeit darbot.
sicherlich sehr lange Zeiträume erforderlich waren. Wir werden daher
für die Wanderung der Kimnierier von der Nordküste des Pontus bis zu
den Sitzen der Moscher im kleinen Kaukasus kaum weniger als zwei
öder drei Jahrhunderte ansetzen dürfen, so dass der Aufbruch aus ihrer
einstigen Heimat etwa um 1400 v. Chr.. vielleicht auch noch etwas früher
erfolgt sein inuss. Diese Zeit entspricht genau der Periode, in die wir
die ältesten Phasen der Metallkultur der Donauländer zu verlegen haben
und in der wir aus archäologischen Gründen die östliche Kulturströmung
ansetzen müssen. Auch in chronologischer Beziehung herrscht daher
zwischen den Ergebnissen der historischen und der archäologischen
Forschung vollkommene Übereinstimmung.
1) Hcrodot IV. 12: (patvovzat 81 ol Kiiiui'jioi yevyovxes es rip> 'Aairjv rovs Sxv&as, xa
"/'' %8Qo6vrioov xzioavxes, ir r// irr Sivdoii] TzöXis'EkXäs oixiarat. tpavEQoi de etat y.ni oi 2xv{hn
dicöt-avzeg avzovs xai eaßaXovxss egyfjv ttjv Mrjducip>, a/iaQzövzes rijfg oöov. ol ftkv yaQ Ki/ifiigiot dei
'/'/)■ naga ihu.donar etpsvyov,ot 8e Sxv&au ev öe^ifj zov Kavxaaov e^pnes idlcoxov, es 8 eo&ßalovec,
trjv Mijöixijv yff», &s (tsaöyaiov rijfe oöov rgatpöexves. Vgl. a. Herodot IV. 1. - 2) Vorhandl.
1896, S. 31S. - 3) Verhandl. 1900, S. 45ff.
— 102 —
Schon Herr Belck hat aus dem zeitlichen Zusammentreffen dieser
grossen Völkerbewegungen, zu denen auch noch der Einbruch der Italiker
zu rechnen ist, auf eine gemeinsame Ursache geschlossen, und vermutet,
dass ein von Nordwesten her kommender, auf das Gebiet zwischen Donau-
mündung und Krim gerichteter Völkerstoss diese Verschiebungen bedingt
habe. Freilich hat er für einen aus dieser Richtung wirkenden Druck
weder archäologische Funde noch geschichtliche Überlieferungen als Beleg
beibringen können1).
Dagegen hat vor mehreren Jahren Herr Prof. Hampel in seinen
bereits mehrfach erwähnten „Neuen Studien über die Kupferzeit" eine
Reihe sehr naher Beziehungen der ungarischen Kupferzeit zu dem sibirischen
Formenkreise nachgewiesen, die kaum anders als durch die Annahme zu
erklären sind, dass schon in der allerältesten Metallzeit ein Einbruch ural-
altaischer Völkerhorden in das östliche Ungarn und Siebenbürgen, wo die
sibirischen Funde am dichtesten auftreten, stattgefunden habe2). "Welche
Völkerstämme dies gewesen sind, lässt sich natürlich nicht sagen, doch
ragt der Name eines prähistorischen Volkes in Siebenbürgen, derjenige
der bergbaukundigen Agathyrser, welche die Ethnologen den ural-
altaischen Stämmen zurechnen, bis an die historische Zeit heran :i).
Auch dieses archäologische Forschungsergebnis findet meines Er-
achtens durch die geschichtlichen Überlieferungen volle Bestätigung.
Nach Herodot4) kamen nämlich die skythischen Völkerstämme, welche
jene gewaltigen Kimmerierzüge zur Folge hatten, nicht von Nordwesten,
sondern aus Asien, von wo aus sie gedrängt von den östlich und nord-
östlich vom Kaspischen Meere wohnenden Massageten über den Araxes
nach Europa einbrachen. Selbstverständlich haben wir unter diesem
Flussnamen nicht den im Süden Transkaukasiens fliessenden Strom, der
heute seinen Namen führt, zu verstehen, sondern die Wolga (Rha), die
offenbar auch au einer anderen Herodot-Stelle im 1. Buche6), wo sich der
alte Geograph am eingehendsten über den Araxes, seine gewaltige Grösse,
seine Stromteilungen und Inselbildungen und seine Anwohner ausspricht,
neben dem Oxus und dem heutigen Araxes gemeint ist. Auch diese gewaltige
Invasion ist wohl schwerlich in einem gewaltigen Schübe erfolgt, vielmehr
dürften auch hierbei längere Zeiträume verstrichen sein, bis die Masse der
eingedrungenen Fremdlinge so gross war, dass durch den von ihnen aus-
gehenden Druck die nächstgelegenen Völkerschaften in Bewegung gesetzt
werden konnten. Wenn also der Beginn der Kimmerierzüge nach der
obigen Darstellung auf den Ausgang des 15. Jahrhunderts fällt, so müssen
wir das erste Erscheinen asiatischer Völkerstämme im östlichen Europa
1) a. a. 0. S. IT. — 2) Z. f. Ethn. 1896, S. 72. — :'») Herodot IV, 104, vgl. a.
Ptolem. Geogr. V, '.». — I) Herodot IV, II: "h'an di xai äXXog kdyog l:yon- (ode, rtf
ftäXtaza Xsyofievq) avzös TtgöaxeifMU, Sxv&as tovg vo/tddas obeeovzas sv vfj '4.oCfl .loXifuo
uea&hnas >':T<> MaoaayExsoiv oi'yraOtu diaßdvrag Ttoxapiw 'Agd^tjv hti yPp' t>)v Ki/iftegirp'.
Ebenso berichtet Diodor (II, 13): Die Skythen hätten von ihren Ursitzen am Araxes aus
das ganze Land bis zum Kaukasus, den Mäotis und den Ebenen am Ozean erobert und
einige Zeit später auch noch das Land jenseits des Flusses Tanais bis gegen Thrakien
hin sich unterworfen. Hier ist offenbar ebenfalls mit dem Namen Araxes die Wolga
gemeint. — 5) Herodot I, 202.
— 103 —
noch um ein Erhebliches früher ansetzen. Dann aber gelangen wir bereits
in eine Zeit, die dein Ende der neolithischen oder dem Beginne der
Kupferperiode Fairopas entspricht. Erschein! es unter diesen Umständen
zu gewagt, wenn man die Bioführung der Metallkultur in Europa geradezu
den asiatischen Eindringlingen zuschreibt, die, anfangs noch gering an
Zahl, zunächst nicht als siegreiche Eroberer erschienen, sondern als fried-
liche, aus der Heimat verdrängte Flüchtlinge sich dort ansiedelten, wo
sie ähnliche Lebensbedingungen wie in ihren Drsitzen vorfanden, und wo
sich ihnen vor allen Diugen auch Gelegenheit bot, die aus ihrer Heimat
im Uralaltaigebiete mitgebrachte Metallkunst auszuüben?
Ist diese Annahme Prof. Ilampels und der Berühr Berodpts und
anderer Historiker von diesen frühzeitigen Bewegungen asiatischer Yölker-
stämme — die sich übrigens in späterer prähistorischer Zeit noch mehr-
fach wiederholt haben und als die Vorläufer der nachmaligen Hunnen-
einfälle zu betrachten sind — richtig, so lässt sich damit der Einbruch
der Arier sowohl nach Südeuropa als Vorderasien in einfachster und ein-
heitlicher Weise erklären.
(ledrängt von den in immer grösseren Massen heranflutenden
sibirischen Horden wichen die Italiker in westlicher Richtung nach der
Poebene, die Griechen südlich über den Balkan aus, um in ihren neuen
Gebieten auf der Basis der bereits aus ihrer früheren Heimat mit-
gebrachten Kenntnisse unter phönikisch-ägyptischen Einflüssen jene hohe
Kultur zu entfalten, deren Schöpfungen noch heute unsere tiefste Be-
wunderung erregen. •
Die zwischen der unteren Donau und der Krim wohnenden kimmeri-
schen Arier konnten sich dem mehr von Norden auf sie wirkenden Druck
nicht direkt entziehen, sondern waren gezwungen, nach beiden Seiten des
Pontus auszuweichen. Die mehr westlich sitzenden Stämme wandten sich
über den thrakischen Bosporus nach Kleinasien, indem sie wahrscheinlich
bei ihrem Durchzug durch die Balkanhalbinsel die dort wohnenden
Thraker-, Briger und Mysierstämme mit fortrissen.
Von der östlichen Strömung, die jedenfalls den kimmerischen Bosporus
überschritt und dem Kuban folgte, blieb ein Teil in den engen, schwer
zugängigen Seitentälern des Terek zurück, um hier ungestört und wenig
beeinflusst von fremden Einwirkungen die aus der früheren Heimat mit-
gebrachte, von ihren einstigen Nachbarn iu den unteren Donau-
ländern überkommene Metallkunst in jener eigentümlichen Weise weiter
zu entwickeln, wie uns dies die Funde von Koban und anderen nord-
kaukasischen Stationen zeigen"). Die Hauptmasse aber setzte die Wande-
rung über den Kamm des Gebirges nach Süden feit. Welchen Pass diese
Völker hierbei benutzt haben, ob die schon im Altertum berühmte Darjals-
schlucht oder den jetzt unter dem Namen der ossetinischen Beerstrasse be-
*) Amnkg. : Ihre Nachkommen bilden jedenfalls die heutigen, freilich von fremden
Rasseelementen durchsetzten Osseten, die sieh selbst bekanntlich Ir'on nenucn und die iu
sprachlicher Hinsicht den Indo-lraniern am nächsten st. heu, andererseits aber, namentlich
in der Bildung der Präfixe, auch zu den slavischen Stämmen nähere Beziehungen er-
kennen lassen. Vgl. hierüber A. J. Sjögren: Ossetische Sprachlehre, Petersburg 1844, und
Müller: Studium der Sprache und Herkunft des ossetischen Volkes; Moskau 1882.
— 104 —
kannten, weiter westlich liegenden Weg über den Rokipass1), lässt sich
freilich nicht sagen; nur soviel steht fest, dass sie nicht, wie Herodot
meint, an der Ostküste des Pontus entlang marschiert sein können, da das
steil in das Meer abfallende Gebirge selbst heute noch als ein absolutes
Hindernis für eine derartige Völkerbewegung gelten muss.
Von der Kura aus ergoss sich dann der Strom durch das Akstafatal
(Redkinlager u. a. Stationen), um in der Gegend des heutigen Djelischan
sich zu teilen. Der eine Zweig wendete sich über Alexandropol und Kars
westwärts und eroberte gegen 700 Sinope sowie vorübergehend einen
grossen Teil Kleinasiens. Es sind dies die Gomer der Bibel2) und die
Gimmiri, oder wie Rawlinsen sie nennt, die Tzimri der ninivitischen
Inschriften3). Der andere Zweig behielt die südliche Richtung bei uud-
gelangte schliesslich in die Ebene des Araxes, den er jedenfalls bei dem
heutigen Dschulfa überschritt. Bis dahin reichen die letzten, wenn auch
sehr spärlichen archäologischen Zeugnisse für diese Bewegung. Weiterhin
geht jede Spur verloren, doch macht es die Wanderung geographischer
Namen, die HerrBrunnhofer in seinem freilich mit Recht viel angefochtenen
Werke über die Urgeschichte der Arier nachzuweisen versucht hat, wahr-
scheinlich, dass die arischen Völkerstämme vom Araxes aus im Süden des
kaspischen Meeres weiter bis zum Indus vordrangen4). Diesem Zweige,
der vielleicht durch neue, über Derbend vordringende arische Stämme
verstärkt wurde, ist die Gründung der Mederreiches zuzuschreiben, das
im 9. Jahrhundert zuerst in die Geschichte eintritt und das sich an Stelle
des alten Anzan und Suri, wie das Land im babylonischen Altertum be-
zeichnet wird5), erhebt. Von Medien aus setzen sich dann weiter die Indo-
germanen in dem südlich und östlich davon gelegenen Elam fest, das durch
zahllose wechselvolle Kriege mit den Babyloniern und später den Assyriern
geschwächt, ein Opfer dieser6) und nach der wenige Jahrzehnte später
erfolgenden Vernichtung der letzteren durch Kyaxares der arischen Invasion
geöffnet wird. Damit gelangen wir bereits zum Beginn der Geschichte
des arischen Perserreiches, das sich nach dem Sturze des letzten Meder-
königs Astyages durch seinen Enkel Kyros auf dem Boden des alten Elam
erhebt und dessen Haupt- und Residenzstadt fortab das schon damals auf
eine mehr als 2000 Jahre alte Kultur zurückblickende und aus seinen
Trümmern wieder erstandene Susa bildet. Unter Kyros und seinen Nach-
folgern erfolgt nunmehr die Einigung aller von Westen über den Bosporus und
von Norden über den Kaukasus nach Klein- und Vorderasien eingewanderten
[ndogermanen zu einem mächtigen Reiche, das sich von der Ostküste des
Mittelländischen Meeres bis an die Grenzen des sagenhaften Indien erstreckt.
1) Diesen Weg hält Herr Bclck als den leichter passierbaren für den wahrschein-
licheren, doch legen die grossen Gräberfelder von Stepan-Znrinda am Fusse des Kasbek
und von Ssamthawro an der Aragewa die Annahme nahe, dass der von der jetzigen
grusinischen Heerstrasse benutzte Weg durch das Terektal über den Kreuzberg in das
Tal der Aragwa schon damals bekannt war. — 2) Genes, cap. Xu. Ezechiel XXXVIII, 0.
- 3) Nach Morgan a. a. ()., T. II, S. 11!>. — 4) Urgeschichte der Arier in Vorder- und
Ccntralasien; T. I, Iran und Turan; T. II, vom Pontus bis zum Indus; T. III, vom Aral
bis zum Ganges, Leipzig 1893. — 5) Winckler, Die Völker Vorderasiens. Der alte Orient,
Jg. I, H. I, 's. 30. - 6) Ebenda, S. 34.
II. Verhandlungen.
Sitzung vom '.». .liiminr 10(14.
Vorsitzender: Hr. Waldeyer.
(1) Der Vorsitzende begrüsst im Namen des Vorstandes die Mit-
glieder in der ersten Sitzung des neuen Jahres, indem er ihnen und der
Gesellschaft ein gutes Gedeihen wünscht. —
(2) Wir beklagen den Tod des berühmten Psychiaters, des Geheimen
Medizinalrats Professor Dr. Jolly, welcher seit seiner Übersiedelung nach
Berlin der Gesellschaft angehörte.
Ferner betrauern wir das Hinscheiden des verdienten Geologen und
Paläontologen Prüf. v. Zittel in München, der sowohl früher als Vor-
sitzender der Münchener anthropologischen Gesellschaft, wie später als
Präsident der dortigen Akademie der Wissenschaften stets für die Pflege
der Anthropologie Sorge trug. Wir werden beiden Männern ein ehrendes
Andenken bewahren! —
(3) Auf die Glückwünsche, welche die Gesellschaft Seiner Excellenz
dem Hrn. Generaldirektor Dr. Schöne zu seinem 25jährigen Amts-
jubiläum in einer tabula gratulatoria dargebracht hatte, erwiederte Seine
Excellenz in einem eigenhändigen Schreiben Worte des wärmsten Dankes
und zugleich der höchsten Anerkennung für die Verdienste der Gesellschaft
um die ethnologische Wissenschaft und um die Entwickelung des Kgl.
Museums für Völkerkunde: die Kgl. Generalverwaltung werde dieser Mit-
arbeit der Gesellschaft stets gedenken und bitte um deren Erhaltung auch
für die Zukunft.
Ferner hat unser allverehrtes .Mitglied. Hr. Geheimer Regierungsrat
Professor Dr. Möhius sein '»«»jähriges Doktorjubiläuni gefeiert. Wir
haben ihm hierzu unsere herzlichsten Glückwünsche dargebracht, für
welche derselbe in einem Schreiben an die Gesellschaft seinen besten
Dank ausgesprochen hat.
Fmdlich hat der bekannte Amerikanist, unser geschätztes Mitglied
Mr. Merrntann Strebe! in Hamburg seinen 70. Geburtstag gefeiert. Wir
haben ihn telegraphisch zu diesem Tage beglückwünscht. —
— 106 —
(4) Die Wahl des Ausschusses fmdet in der satzungsmässigen
Weise statt. Es werden die bisherigen Mitglieder wiedergewählt. Der
Ausschuss für 1904 besteht sonach aus den Herren: Bässler, Ehrenreich.
Friedel, v. Kaufmann, v. Luschan, Minden, Müller, Staudinger
und C. Strauch. —
(5) Als neue Mitglieder werden gemeldet:
Hr. .Lüdemann, Kgl. Landmesser und Ingenieur in übist'elde.
Das städtische Museum in Dortmund,
Hr. Lehrer Hermann Rogatz in Gross-Lichterfelde,
Hr. Professor Paul Matschie, Kustos am Kgl. Museum für Natur-
kunde,
Hr. Pfarrer Ernst Meyer in Königsmark bei Osterburg.
(6) Von der Italienischen Geographischen Gesellschaft ist ein Ein-
ladungsschreiben ergangen, an dem Geographenkongress in Neapel, der
am 6. April 1904 in Neapel begonnen wird, teilzunehmen. —
(7) Der Vorsitzende der Gesellschaft, Hr. Waldeyer, ist von der
Societe de Biologie an Stelle des verstorbenen Hrn. Gegenbaur zum
auswärtigen Mitglied und von der Universität Jurjew zum Ehrenmitglied
ernannt worden. Der stellvertretende Vorsitzende spricht ihm hierzu im
Namen der Gesellschaft die herzlichsten Glückwünsche aus.
Hr. Baron Dr. W. von Landau hat für die Förderung der Ausgrabungen
in Sidon, welche durch die Veröffentlichungen der Vorderasiatischen Ge-
sellschaft allgemein bekannt geworden sind, eine besondere Anerkennung von
der Hohen Pforte erhalten. Der Vorstand beglückwünscht ihn hierzu. —
(8) Als Gäste werden begrüsst die Herren: DDr. Th. Müller,
Th. Fürer, Rengel, Keilhack und Hess von Wichdorff. —
(9) Hr. Hubert Schmidt überreicht eine Abhandlung:
Der Bronzesichelfund von öberthau, Kr. Merseburg.
Dieselbe wird später erscheinen. —
(10) Hr. W. Lüdtke übersendet aus Kiel eine Mitteilung über
Brette heu weberei in Karthago.
Delattre hat in punischen Gräbern Karthagos viele durchlöcherte
Plättchen aus Knochen (Elfenbein?) gefunden, die er in seinem Aus-
grabungsberichte (Comptes-rendus de l'Academie des inscriptions 1899, 317)
beschreibt, ohne ihren Zweck zu bestimmen: „Nous avons recueilli benu-
coup de lamelies ressemblant ;i des chevalets d'instruments de musique.
ä cordes. Sur cinq de ces lamelies de meine forme, etroites et longues,
sorties dune meme tombe, quatre sont marquees de caracteres puniqties
tniees ;i l;i pointe seche."
Die Abbildungen auf S. 318 stellen immer nur die eine Hälfte des
durchbrochenen Täfelchens dar; ergänzen wir sie, so erhalten wir eine
Form, die eine gewisse Ähnlichkeit mit einem von Margarethe Lehmann»-
— 107 —
Filhes, Ober Brettchenweberei (Berlin 1901, Fig. 55), veröffentlichten
schwedischen Webebrettchen hat.
Die punischen Täfelchen haben freilich rechteckige Gestalt; die ab-
weichende Anordnung der Locher würde wohl weniger Schwierigkeiten
machen. Das Material, aus dein sie verfertigt sind, hat eine Parallele in
den römischen Knochentäfelchen in Worms, bei M. Lehmann-Filhes,
Fig. 20. Die eingeritzten Buchstaben dienten vielleicht zur Bezeichnung
ihrer Reihenfolge beim Weben.
(ö
o° o °o
bu^^jj
b) Webebrettchen aus Karthago.
a) Schwedisches Webebrettchen.
Ich überlasse es den Kennern der Technik, über die Richtigkeit der
vorgetragenen Vermutung zu urteilen. Schon einmal hat Delattre durch
ein Rasiermesser der Neger ähnliche Instrumente, die er in punischen
Gräbern gefunden, erklärt. Wahrscheinlich ist die altorientalische Technik
der Brettchenweberei auch im heutigen Tunis noch erhalten, so dass durch
ihre Untersuchung die Verwendung der rätselhaften punischen Täfelchen
bestimmt werden könnte. —
(11) Fräulein Elisabeth Lemke übersandte einen Bericht über
Ausgrabungen in Siebenbürgen.
Derselbe wird in den Nachrichten über deutsche Altertumsfunde ver-
öffentlicht werden. —
(12) Hr. R. Andree.in München übersendet folgende .Mitteilung
über einen
Feuersteinknollen vom Wohlenberge.
Als ich den Vortrag des Hrn. Jaekel über Feuerstein-Eolithe von
Freyenstein in der Mark (Zeitschr. f. Ethnol. 1903, S. 830) las, fiel mein
Blick auf einen Feuersteinknollen, der seit dem 11. September 1893 als
Briefbeschwerer auf meinem Schreibtische liegt. An jenem Tage hatte
ich mit Hrn. Grabowsky, jetzt Direktor des zoologischen Gartens in
Breslau, einen Ausflug in die fahle Heide gemacht, die sich im Westen
von Gif hörn erstreckt, wo Aller und Oker zusannnentiiessen. In ihr er-
hebt sich der 94 m hohe Wohlenberg, in dessen l'mgebung das Diluvium
vielfach durch Kiesgruben und Strassen durchschnitte gut aufgeschlossen
ist. Auffallend war uns die grosse Anzahl schwarzer Feuersteinknollen
verschiedener Grösse, die, wenn sie längere Zeil der Luft ausgesetzt und
von der Sonne beschienen waren, oft auseinander splitterten. Die Splitter
lagen manchmal nebeneinander, wie die Teile einer zerlegten Apfelsine
und passten genau ineinander, so dass der Knollen sich wenigstens teil-
— 108 —
weise in seine ursprüngliche Gestalt wieder zusammenfügen liess. Lag
hier also eine natürliche Entstehung vieler Splitter, messerartiger scharfer
Spähne, wenn auch ohne jede Schlagmarke, vor, so verhielten sich viele
andere Knollen ganz anders; sie glichen den jetzt von Hrn. Ja ekel be-
schriebenen und abgebildeten und wir beide, Grabowski sowohl als ich,
legten uns die Frage vor, ob hier nicht etwa an künstliche Bearbeitung
zu denken sei.
Da aber solche nur an einer Stelle Absplitterungen zeigende Knollen
sich ziemlich häufig fanden, glaubten wir davon absehen und die Ab-
splitterungen auf natürliche Ursachen, etwa den Transport und dabei ent-
standene Verletzungen, zurückführen zu müssen. Indessen ich nahm den
hier vorliegenden, die Gestalt eines Fäustlings zeigenden, 10 cm langen
und am dicken Ende etwa 6 cm breiten gut abgerundeten Knollen mit
und heute ist es wohl gestattet, die Frage aufzuwerfen, ob nicht die an
seinem unteren stärkeren Ende befindlichen Absplitterungen auf künstliche
Ursachen zurückzuführen sind. Der gut abgerundete, nach einem Ende
spitzer zulaufende Knollen liegt bequem in der Hand, die Absplitterungen
am dicken Ende sind teils muschliger Art, teils zeigen sie die Entfernung
von schmalen Lamellen.
Sie können entstanden sein, wenn der Stein als eine Art Schlagstein
benutzt wurde, womit ich aber keineswegs die positive Ansicht aus-
gesprochen haben will, dass es sich hier um ein Artefakt handele. —
(13) Hr. Kofier in Darmstadt übergibt durch Hrn. A. Götze nach-
folgenden Bericht über
Ein eigentümliches Hügelgrab aus der Bronzezeit.
In dem zu dem Grossherzogl. Jagdschloss Kranichstein gehörigen
Parke befinden sich zahlreiche Gruppen von Hügelgräbern, von denen in
dem letzten Jahrzehnt auf Befehl und im Beisein des Grossherzogs
sowie der Grossherzogl. Familie eine grössere Anzahl von mir geöffnet
wurden.
Eine Gruppe zum Teil noch ungeöffneter Grabhügel liegt im Wald-
distrikt Diebsfang, dicht an der von Darmstadt nach Frankfurt führenden
Chaussee, bei dem Forsthause Baierseich, etwa 9 km nördlich von Darm-
stadt. Sie besteht aus 19 Hügeln und einigen sehr flachen Erhebungen,
die erst bemerkt wurden, als man im Winter daselbst den Wald abtrieb.
Im Herbst 1901 wurden auf Befehl des Grossherzogs b derselben geöffnet
und darin Skeletgräber der frühen Bronzezeit mit sehr wertvollen Bei-
gaben, als Gürtel- und Kleiderschmuck aus Bronze, eine grössere Halskette,
zusammengesetzt aus Bernsteinperlen und dünnen, röhrenförmigen Bronze-
spirälchen, glatte und spiralförmige Armringe, Nadeln. Celte, Dolche aus
Bronze, sowie eine kleine Zahl verzierter Tongefässe vorgefunden. Im
Vergangenen Eerbste wurden wiederum vier Hügel dieser Gruppe ge-
öffnet und darin Gräber derselben Periode angetroffen. Unter den Bei-
gaben nenne ich einige; Tongefässe, zwei Messerchen aus Feuerstein,
Bernsteinschnmck. Rand- und Absatzeelt, drei Dolche, Armringe, zwei
— 10!) —
ganz enge Handspiralen, mehrere Nadeln usw Aach hier wurden keine
Wandgräber nachgewiesen.
Besonderes Interesse bot ein Hügel, der beinahe am äussersteii Fndr
der von NO. nach SW. ziehenden Gruppe gelegen ist, von dem ich hier
eine eingehende Beschreibung folgen lasse.
Seine Höhe betrug im Mittel 0,73 m, der Umfang 63 vi. — Die Hügel-
gräber werden von mir in der Weise untersucht, dass von der Nähe des
Randes aus 1 vi breite konzentrische Gräben nach der Mitte zu gezogen
werden. Da der Hügel sich gegen den Rand hin stark verflachte, so lag
die Vermutung nahe, dass er nicht nur bei Kulturarbeiten bedeutend ver-
breitert worden, sondern, dass auch bei starken Regengüssen sein leichtes
Material (Flugsand) abgeschwemmt worden sei. ESs wurde aus diesem
(J runde der erste kreisrunde Graben etwas über (>■//* von der Mitte ent-
A
t'ernt ausgehoben. Am äusseren Kande dieses Grabens zeigten sich in
dem weisslichen Sande des Urbodens fast allerwärts beinahe kreisrunde.
30 — 40 c?« im Durchmesser haltende Flecken ganz dunkler Erde in 4»>
bis 80 cm Abstand von einander. Da sich in diesen regelmässigen dunklen
Flecken, die noch 25 cm tief in den gewachsenen Boden verfolgt werden
konnten-, auch ganz kleine Kohlenstückchen zeigten, so war anzunehmen.
dass diese Flecken von 30 — 40 cm starken Holzpfählen herrührten, welche
vor Zeiten rings um den Hügel aufgestellt, aber bis auf die angebrannten
Teile verwest waren. Dies Anbrennen oder Verkohlen war wohl nicht
geschehen, um die Pfühle vor Fäulnis zu bewahren, sondern um sie mit
der Steinaxt, dem einzigen Geräte des Arbeiters der frühen Bronzezeit
leichter bearbeiten zu können.
— 110 —
Auf der Strecke A, B des beigegebenen Planes fehlten die Spuren
der Pfähle. Dies mag wohl daher kommen, dass hier der Urboden aus
sehr festem Rotliegenden besteht, in das man mit den Werkzeugen der
frühen Vorzeit nicht eindringen konnte und genötigt war, die Pfosten oben
auf das Gestein zu setzen, weshalb ihre Überreste auf dem über dem Rot-
liegenden befindlichen Kulturboden nicht wahrgenommen wurden. Etwa in
der Mittte zwischen W- und S-Punkt, bei C des Planes, zeigte sich eine 2 m
breite Lücke in der Pfahlstellung, die aber durch zwei weiter nach innen
stehende Pfähle geschlossen war; eine gleich breite Lücke zeigte sich bei D
des Planes.
Da ich in dieser Pfahlstellung Merkmale einer Wolmstätte zu er-
kennen glaubte, wie ich sie (vergl. Archiv für hess. Geschichte usw.,
N. F., Bd. III, S. 243) bei den Gräbern der Hallstattzeit in der Koberstadt
gefunden hatte, so liess ich, um eine ganz genaue Untersuchung zu er-
möglichen, von den Pfählen aus nach der Mitte des Hügels zu, in kon-
zentrischen Gräben vorschreitend, alle über dem gewachsenen Boden
lagernde Erde, welche keinen Anhalt für besondere Untersuchungen gab,
über den äusseren Rand des ersten Grabens werfen.
Bei dieser Arbeit stiessen wir im südlichen und südwestlichen Teil
des Hügels, etwa 5 m von der Mitte entfernt, dicht bei den Pfählen auf
mehrere Grabstätten. Weiter im Innern fanden sich im Urboden mehrere
mit dunkler Erde ausgefüllte Stellen, welche muldenförmig, meist in
der Richtung NO. nach SW. 30 — 40 cm tief eingesenkt waren. Ihre
Länge betrug durchschnittlich 2,40 m, die Breite 1,15 m, die Tiefe
30 — 45 cm, bei einer sogar 0,65 m im gewachsenen Boden. Da diese
Vertiefungen weder Knochenreste noch Beigaben enthielten, so ist es
fraglich, ob wir sie für Grabstätten halten dürfen. Ich habe jedoch
wiederholt bei Grabungen und auch in einem der im letzten Herbst
geöffneten Hügelgräber ähnliche Vertiefungen angetroffen, die keine
Knochenreste enthielten, in deren Tiefe aber Gefässe aufgestellt waren,
die sie mit Gewissheit als Grabstätten kennzeichneten, in denen die nieder-
gelegten Leichen vollständig verwest waren. Es ist ja auch wiederholt
vorgekommen, dass ganze Hügelgräber wohl einzelne Tonscherben und
Kohlen, aber weder Knochenreste noch Beigaben enthielten. So berichtet
Naue „Die Bronzezeit in Oberbayern" von vielen Hügeln, welche er leer
vorgefunden hat.
Wie schon bemerkt, waren aber 5 m von der Mitte, im süd-
und südwestlichen Teile des Hügels, wirkliche Grabanlagen gefunden
worden. Die erste lag etwa 1,30 m westlich von der Linie N. — S.,
10 cm unter der Oberfläche, auf welcher Höhe l>ezw. Tiefe wir wohl die
ehemalige oder ursprüngliche Bodenoberfläche annehmen dürfen. Us
/»•igten sich hier nur 'wenige Kinderzähnchen, die durch eine darunter
liegende kleine röhrenförmige Bronzespirale grün gefärbt waren. Andere
Leichenreste wurden nicht vorgefunden. Die Spirale scheint den Hals-
schmuck des Bestatteten gebildet zu haben.
1,80 TW westlich davon und auf gleicher Höhe, auch ebenso weit von
der .Mitte des Hügels, zeigten sich in dunkler Erde, in der Richtung von
— 111 —
s\\. nach NO., eine Menge stark verwester Knochenteilchen und 5»« von
der Mitte entfernt lag ein stark verbogener Armring aus Bronze. Die
grosse Verbreitung der Knochenteilchen lässt auf «las Grab eines Er-
wachsenen schliessen.
1,30 w östlich vorn ersten zeigte sich rings von gewachsenem Boden um-
geben, ein drittes Grab als eine dunkle muldenförmige Stelle, <lie sich gegen
1.40 m tief unter die Oberfläche verfolgen liess, wo ausser einigen Ton-
scherben zwei ganz enge Handspiralen (?), die nur von einem Kinde getrauen
werden konnten, aufgefunden wurden.
Kennzeichnete sich der Hügel so weit als Grabhügel, so fand sich
darin doch keine Hauptbestattung, die im allgemeinen in der Mitte oder
in deren Nähe angetroffen wird. Statt dieser stiess man daselbst auf eine
von ONO. nach WSW. ziehende 2,60 m lange, 2 — 2,20 m breite und gegen
20 — 25 m hohe Schicht tiefschwarzer Erde, vermengt mit einzelnen Kohlen-
stückchen. Knochenreste wurden weder in gebranntem noch ungebranntem
Zustande darin wahrgenommen, doch fanden sich mehrere Scherben von
Tongefässen in der nördlichen Hälfte der dunklen Schicht. Etwa in der
Fortsetzung der Längsrichtung dieser Schicht von C nach NO des Planes
fanden sich je vier Pfahle res}), deren Merkmale im weissen Urboden
welche den Gesamtraum in zwei ziemlich gleich grosse Hälften zu teilen
schienen.
Die Unregelmässigkeit der Pfahlstellung bei C veranlasste mich, nach-
dem die ausgeworfene Erde wieder über dem Innern des Hügels angehäuft
war. nochmals einige Einschnitte von aussen her in der Richtung gegen
die Pfähle zu machen und ich fand allerwärts eine zweite Pfahlstellung
in etwa '_'() — 25 cm Abstand von der ersten. Dass die Pfahlstellung
möglicherweise von einem Graben umgeben gewesen sei, ein Gedanke,
den mir Herr Direktor Schumacher in Mainz nahe legte und der meiner
.Meinung nach sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich hatte, ist durch diese
Grabungen nicht bestätigt worden.
Was nun die Bedeutung dieses eigentümlichen Hügels betrifft, so
gaben die sorgfältigsten Untersuchungen keinen sicheren Aufschluss. Der
Doppelkranz von Pfählen von ca. 34—35 m innerem Umfang und das
Auffinden eines bearbeiteten, obschon stark beschädigten Reibsteins aus
Quarz im Innern des Raumes scheinen auf eine Wohnstätte von grosser
Ausdehnung hinzuweisen, der alter die charakteristischen Merkmale der
Wohnstätten für dauernden Aufenthalt fehlten. /.. B. eine mit Lehm
oder Letten festgestampfte Tenne, die Überreste der Lehmbekleidung der
aus Stangen und Reisig hergestellten Wände, die mit Steinen umstellte
Feuerstätte, wie ich «lies bei anderen Wohnstätten, selbst der neolithischen
Zeit, vorgefunden habe.
Auch muss man den Gedanken abweisen, dass man in einein Wohn-
hügel eine Grabstätte angelegt habe ..nach Analogie afrikanischer und
anderer Volksstämnie". worauf z. B. Geheimrat Wagner-Karlsruhe auf
der Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Speier 1896
bei Besprechung von neolithischen Funden, mutmasslich aus Wobnstätten,
in denen auch Menschenknochen vorkamen, hinwies. (Korresp.-Blatt der
— 112 —
deutschen Gesellschaft für Anthropologie usw ., Jahrg. XXY1I, 189G. S. 132.)
Hierzu erwiderte damals Rudolf Virchow (a. a. 0., 8. 134): „Die
Gewohnheit, die Toten in ihren Hütten zu bestatten, schliesst ein, dass
die Hütten nachher verlassen, nicht mehr weiter bewohnt, sondern ge-
schlossen werden, und so verbleiben bis zu einem gewissen Termin, wo
die Knochen wieder ausgegraben und in anderer Weise verwendet werden.
Es ist dies keine definitive Bestattung, sondern nur ein temporärer Akt."
Es wäre dies also eine Maceration und Virchow hatte dabei vielleicht
die roten Höhlen bei Mentone im Auge, wo man nach Cartailhac
Knochengerüste in den Höhlen beisetzte die nach wie vor auch von den
Lebenden bewohnt worden seien. „Wohnstätten ähnlich" sind nach
Herodot, Buch IV, 71, auch die Grabstätten der Könige der Skythen.
Doch weisen wieder die im südlichen Teile des Hügels gefundenen
drei Gräber und vier muldenförmigen Vertiefungen auf einen Grabhügel
hin, in welchem eine Hauptbestattung fehlt, die sich in dem Innern des
von Pfählen umschlossenen 113 qm messenden Raumes hätte vorfinden
müssen. Sollten in diesem Hügel vielleicht nur arme Leute des Stammes
bestattet sein und der grosse Brandplatz im Innern als Opferstätte ge-
dient haben?
Die Pfähle konnten ebensowenig einen Verbrennungsplatz umschlossen
haben, wie man nach der grossen in der Mitte liegenden Brandschicht
vermuten könnte, da sich in den bis jetzt geöffneten Hügeln und nament-
lich in verschiedenen Brandmassen, die sich an manchen Stellen des
Innern zeigten, nirgends Spuren von gebrannten Knochen vorgefunden
haben.
Schliesslich könnte man noch auf den Gedanken geraten, dass es nur
eine Opferstätte gewesen sei, die man als Heiligtum vor der Umgebung
abgeschlossen habe. Doch hat auch dies seine Bedenken, da man nicht
weiss, was man in diesem Falle von den drei Gräbern am Rande der
Pfostenstellung zu halten hat.
Es bleibt meiner Meinung nach nur die Hoffnung, dass die Unter-
suchung der 8 resp. 15 noch unberührten Hügel der Gruppe den ge-
wünschten Aufschluss über die Bedeutung der Anlage bringen wird.
PS. Leider ist diese Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen, denn
bei der Öffnung der unmittelbar angrenzenden Grabhügel, welche in diesem
Sommer im Beisein und unter Beteiligung Sr. Königl. Hoheit des Gross-
herzogs stattfand, sind keine weiteren Aufschlüsse gewonnen worden.
(14) Hr. A. (iötze spricht über
Monolithgräber.
Bei Ausgrabungen, welche ich vor einiger Zeit bei Pinnow im Kreis
Angermünde vornahm, fand ich neolithische Gräber, deren Form mir noch
unbekannt war, welche aber einen besonderen' Typus darzustellen scheinen.
Zunächst seien meine Pinnower Beobachtungen mitgeteilt.
1. Im Jahn; 1897fand ich mitten meinem hallstattzeitlichen Gräber-
leide einen grossen Findling, dessen Oberkante 0,55 ra unter der Ober-
— 113 —
LÄ/v\aaaJyi\. vom -o-6-e-i*.
^4/ia^-vc^-t v-o™ &%
■CM/1 ■C-O-C'Vl
fläche lag (Fig. 1), er bedeckte ein menschliches Skelett, und zwar einen
auf der linken Seite mit dem Kopf nach Süden liegenden Hocker, dessen
Oberschenkel rechtwinklig zur Körperachse gerichtet waren. Der Stein
bedeckte das Skelett nicht vollständig, sondern reichte nur vom Hals
bis auf das Becken.
Beigaben wurden Fig. 1. Fig. 1.
nicht beobachtet, wes-
halb ich dem Grabe
mangels jeglicher Da-
tierbarkeit zunächsl
keine grosse Bedeu-
tung beimass. Nur
we»;en der eigentüm-
liehen Lage des
Schädels zitierte ich
das Grab als Parallele
zu einem andern neo-
lithischen Grabe bei
Ketzin (Zeitschrift f.
Ethnol. 1900, S. 146). Der Schädel befand
sich nämlich nicht in seiner natürlichen
Lage, sondern stand auf der Schädelbasis
und blickte nach Süden, also in die Ver-
längerung der Längsachse des Skelettes.
Im Jahre 1902 setzte ich die Aus-
grabungen auf jenem Uräberfelde fort,
wobei ich etwas südlich von dem oben er-
wähnten Grab noch zwei ähnliche Anlagen
(Nr. 2 und 3) fand.
2. Grosser, randlicher Findling, Ober-
kante 0,15 m tief. Unter dem Stein be-
findet sich in einer Tiefe von 0,80 m eine
Schicht gemischten Sandes von 2 m Lunge
und 1 m Breite; und in dieser unter der westlichen und nördlichen Kante
des Steines je ein Tongefäss (Fig. 2 — 4). Beide Gefässe bestehen aus grauem
Ton mit einer Beimengung vieler und grosser Steinbrocken; die Aussen-
fläche ist mit feinem braunen Ton über fangen. An (iet'üss Fig 3 befindet
sich der Ansatz zu einem abgebrochenen Henkel oder Zapfen; Fig. 4
besitzt 4 Schnurösen.
3. Grosser, dreieckiger Findling von 0,95 m Länge, 0.75 ;// Breite
und 0,4f> m Dicke, dessen Oberkante im Niveau der Brdoberfläche liegt.
Unter dem Stein befindet sich wiederum eine Beb. wachgemischte Sand-
schicht ohne deutlich abgesetzte Iniramlung. In ihr liegen unter der süd-
lichen Kante des Steines ein Flintmesser und etwas ausserhalb der Nord-
ostkante ein Aschennest mit einigen kleinen roten Tonselierl>en. einem
Flintmesser, einem Hohlschaber und einem geringen Schaber (Fig. 5).
Zeitschrift für Ethnologie. Jahre. 1904. 8
'Z'ssyyy/s: o so
— 114 —
Die Scherben stammen von einem Gefäss aus demselben Material wie die
vorigen; unter dem Rand läuft eine horizontale Kante.
Wenn auch bei Nr. 2 und 3 keine Skelettreste vorhanden waren, so
haben doch die Funde ganz den Charakter von Grabbeigaben; bei der
nur mangelhaften Bedeckung durch einen grossen Stein ist das gänzliche
Verschwinden der Skelette in dem leichten Sandboden leicht erklärlich.
Man hat es hier offenbar mit einem neuen Gräbertypus der neo-
lithischen Zeit zu tun, welcher dadurch charakterisiert ist, dass ein grosser
Findling auf die Leiche (Hocker) gewälzt wurde. Von einem Schutz für
die Leiche, von einer liebevollen Bergung, wie sie sich in der Beisetzung
Fi<r.
Fi- !.
Vis. 5.
beispielsweise in den Steinkisten zeigt, ist hier keine Rede, der Vorgang
verrät vielmehr eine gewisse Brutalität. Man könnte auf den Gedanken
kommen, dass das Aufwälzen des Steines eine Massnahme des Schutzes
weniger für den Verstorbenen als vielmehr für die Überlebenden gegen
das spukhafte Aufstehen des Toten sein sollte.
Ich hatte schon früher darauf hingewiesen, dass die Sitte der hockenden
Beisetzung in gewissen Fällen möglicherweise auf eine Umschnürung der
Leiche zurückzuführen ist, welche das Wiederaufstehen und Spuken des
Toten verhindern sollte.1) Dieselbe Idee des Yainpyristnus liegt nun
1) Über Hockergräber. Centralblatt für Anthrop. 1899 S. 321 ff. Denselben Ge-
danken hat Schötensack zwei Jahre später in den Verhdl. d. Berl. anthrop. Ges. (1901
S. 522ff.) ausgesprochen, ohne meine Arbeit mit einem Worte zu erwähnen.
— 115 —
möglicherweise auch (\on in den Pinnower Gräbern erscheinenden Brauch
zu Gründe, einen grossen Steinblock auf die Leiche zn wälzen.
Das charakteristische Moment für diese Gräber ist jedenfalls der
einzige grosse Steinblock und ich erlaube mir deshalb für diesen Gräber-
typus die Bezeichnung „Monolithgräber* vorzuschlagen.
Ob es sich um eine lokale Erscheinung handelt, oder um eine weiter
verbreitete Sitte, über welche nur noch nicht hinreichend Beobachtungen
vorliegen, wird die Zukunft lehren.
Möglicherweise bezieht sich eine Notiz v. Ledeburs (Die heid-
nischen Altertümer des Regierungsbezirks Potsdam, S. 84) auf ein solches
Monolithgrab. Er sagt von einem Funde bei Sydow, Kr. Oberbarnim,
folgendes: „Auf der Grenze der Hufstücke, den Bauern Freitag und
Hennig gehörig, lag ein Opferstein, der kürzlich gesprengt worden ist.
Auch bei dieser Gelegenheit fand man Urnen und in denselben drei
Schmalmeissel von Feuerstein von 5-6 Zoll Länge mit \lj2 Zoll Breite,
von denen der Schmidt Opitz und Tischler Metzloff jeder einen
besitzt."
Über eine gleiche Anlage, allerdings aus einer sehr entfernten Gegend
berichtet Schaaffhausen (Bonner Jahrbücher, Heft 44, S. 114). Hier-
nach wurde bei Niederingelheim ein Grab gefunden, in welchem die Leiche
in hockender Stellung beigesetzt war; über der Öffnung des Grabes lag
etwa 1 72 Fuss unter der Oberfläche ein runder Stein von 3 Fuss Länge
und 2 Fuss Breite. Dabei fanden sich kleine Feuersteinmesser, ein kleines
3 Zoll langes Beil aus Taunusschiefer (a. a. O., Taf. IV, Fig. 7) und ein
etwa 8 Zoll langer und 1 1/2 Zoll dicker Meissel aus Tonschiefer (a. a. 0.,
Fig. 6).
(15) Hr. A. Götze demonstriert einen
Böschungsmesser.
Das Messen von Höhenunterschieden, Profilen, Böschungen u. dergl.
bei archäologischen Untersuchungen verursacht gewisse Schwierigkeiten.
Man behilft sich entweder mit sehr primitiven, aber darum auch ungenau
wirkenden Hilfsmitteln wie Einvisieren von Latten oder einfacher Schätzung
des Böschungswinkels oder aber man ist gezwungen, sein Reisegepäck
mit Nivellierinstrument oder Tachygraph zu belasten und auf die Messungen
viel Zeit zu verwenden.
In manchen Fällen ist der Gebrauch der Letztgenannten Instrumente
ganz bedeutend erschwert, so beispielsweise bei der Vermessung von
Wallburgen im bergigen und mit Wald und Buschwerk bestandenem Ge-
lände. Aus diesem Bedürfnis heraus habe ich mir nun einen Apparat
konstruiert, der bei leichtem Transport und einfacher Handhabung ge-
nügend genaue Resultate ergibt und dessen Beschreibung nunmehr folgt.
Der „Böschungsmesser" (s. Abb.) besteht aus einem grossen Zirkel,
dessen Schenkel in ihrer Stellung zu einander beim Gebrauche feststehen
und eine gewisse Spannweite haben. Aus dem Scheitelpunkte des Zirkels
hängt ein Fadenlot herab, welches längs einer die beiden Schenkel ver-
— 116 —
bindenden Platte pendelt. Die Platte trägt eine Graduierung, auf welcher
das Fadenlot die Erhebimg des einen Schenkels über die Horizontale
anzeigt.
Die Anwendung des Böschungsmessers geht folgendermassen vor sich:
Der eine Schenkel wird am Fusspunkt der zu messenden Böschung
(Punkt a), der andere Schenkel nach oben auf der Fläche der Böschung
(Punkt b) aufgesetzt. Das Fadenlot zeigt nun beispielsweise eine Er-
hebung des zweiten Schenkels von 0,40 vi, welche Zahl notiert wird.
Hierauf setzt man den ersten Schenkel auf Punkt b ein und greift mit
dem zweiten Schenkel weiter nach oben, nach Punkt c. Die Erhebung
des zweiten Schenkels über dem Fusspunkte des ersten soll jetzt 0,30 m
betragen.
Man fährt so fort und ermittelt eine Reihe Zahlen, vermittels
welcher nun die Böschung auf Millimeterpapier in verkleinertem Mass-
stabe eingetragen werden kann. Gesetzt den Fall, dass die Spann-
weite des Böschungsmessers lV2 m beträgt, so nimmt man dieses Mass
in entsprechender Verkürzung in den Zirkel, beschreibt von Punkt a'
aus einen Kreisbogen, welcher die 0,40 m - Horizontale über der a'-
Horizontale in Punkt b' schneidet. Hierauf beschreibt man von diesem
Schnittpunkt aus wiederum einen lx/2 »»-Kreisbogen (in entsprechender
Verkürzung), welcher die 0,40 -f- 0,30 m - Horizontale im Punkt c'
schneidet. Wenn man so fortfährt und dann die Schnittpunkte mit ein-
ander verbindet, erhält man die entsprechend verkleinerte Zeichnung der
in kleine, gradlinige Abschnitte zerlegten Böschung sowohl nach ihren
Neigungswinkeln wie nach ihrer Länge. Zugleich kann man die Höhe
der Böschung an jedem einzelnen Punkt und ihre gesamte Länge und
jeden Teilabschnitt auf dem Millimeterpapier ablesen.
Für das Bedürfnis grösserer oder geringerer Spannweiten kann der
Böschungsniesser in verschiedenen (J rossen angefertigt werden. Es kann
al.cr auch der einzelne Böschungsmesser so hergestellt werden, dass er je
nach Bedarf für grössere oder geringere Spannweiten benutzt werden
kann. Hierzu ist erforderlich, dass die beiden Schenkel in einem Scharnier
— 117 —
beweglich sind und dass die graduierte Platte, um eine grössere oder ge-
ringere Spreizung der Schenkel zu verursachen, in grösserer oder ge-
ringerer Länge beim Gebrauch eingezapft wird. Kim- jede derartige Ver-
änderung der Spannweite bedingt nun eine verschiedene Gxaduierung, es
müssen also auf jeder Platte verschiedene Graduierungen angebracht sein.
Durch angestellte Versuche habe 1 <-l i eine Spannweite von \ll2m für unsere
Zwecke als praktisch erfunden; ausserdem ist das Instrument zum Ein-
stelleu auf 1 m Spannweite eingerichtet.
Die Verbindung der Schenkel auf einem Scharnier und der lose Ver-
band der graduierten Platte mit den Schenkeln ermöglichen einen be-
quemen Transport des Instrumentes, indem man die Platte an dem einen
Ende auszapft, an den Schenkel lieranklappt und die beiden Schenkel zu-
sammenklappt.
Die Hauptvorteile des Instrumentes sind: einfache Handhabung (es
kann von einer einzigen Person bedient werden), schindle Arbeit, leichte
Anwendung in unübersichtlichem Gelände, bequemer Transport, billige
Herstellung. In manchen Fällen, in denen es auf grosse Genauigkeit an-
kommt, wird man freilich das Nivellierinstrument nicht entbehren können.
Es dient namentlich zur Aufnahme und Herstellung des Grundrisses
von Wallburgen und ähnlichen Anlagen, bei denen es auf die Darstellung
etwaiger Niveau-Unterschiede ankommt und bei denen diese Unterschiede
so gross sind, dass ein einfaches Ausmessen mit «lern Bandmass oder der
Kette keine genügenden Resultate geben würde. Hierbei steckt man sicli
zunächst eine Linie in der langen Axe und rechtwinklig auf diese Quer-
linieu in genügender Anzahl ab.
Eine weitere Verwendung des Böschungsmessers ist die, dass er in
ebenem Gelände als einfacher Erdzirkel zum schnellen Ausmessen von
Entfernungen in der Horizontale benutzt werden kann und so immer noch
sicherere Resultate ergibt als Abschreiten. —
(lt)) Hr. Götze spricht über
Brettchenweberei im Altertum.
Der Vortrag wird später erscheinen. —
(17) Hr. Klaats eh -Heidelberg demonstriert eine Sammlung
fossiler Knochen aus der Heiurichshöhle bei Sundwig.
Es ist an die Anthropologische Gesellschaft ein Material von fossilen
Knochen gesandt worden, welche aus dem westfälischen Sauerlande stammen.
und zwar aus einer Höhle in der Nähe von Sundwig, der berühmten
Heinrichshöhle. Da ich im vorigen Jahre selbst in dieser Gegend war und
einige dieser Höhlen besucht habe, hat mich Hr. Lissauer gebeten, diese
Funde hier vorzulegen. Wir verdanken die Funde und ihre Obersendung
dem Hm. Dr. .Macholl in Hemer bei Iserlohn, der den Gastwirt in
Sundwig veranlasst hat, die Knochen hierher zu schicken. Die Knochen
sind recht gut erhalten und es ist ohne weiteres leicht, ihre Zugehörigkeit
zu bestimmen. Sie gehören fast durchweg dem Höhlenbären an. von
— 118 —
welchem zwei Schädel vorliegen. Der eine ist ziemlich intakt, der andere
ist verletzt, es fehlen die oberen Teile ganz, auch die vorderen Partien
sind nur unvollkommen erhalten. Ferner sind eine Reihe von Humeri
vorhanden, eine Ulna, einige Wirbel und auch der Unterkiefer vom
Höhlenbären. Sehr schön ist ein fast ganz erhaltener Schädel der Höhlen-
hyäne, nur auf einer Seite ist ein Stück herausgebrochen. Auch ein
Epistropheus gehört zu diesem Skelett. Dann liegt vom Mammut ein
Fragment des Oberarmknochens vor. Diese Stücke müssen stets im Auge
behalten werden für weitere prähistorische Forschungen. Die Gegend, aus
der die Funde stammen, hat schon manches geliefert, und es ist wohl
nicht unmöglich, dass dort noch Funde gemacht werden, die für den
Menschen von Bedeutung sind. Die Heinrichshöhle selbst, in der diese
Knochen gefunden worden sind, hat bisher keine Spuren der Anwesenheit
des Menschen geliefert. Es lagen diese Knochen, wie der Bericht mit-
teilt, unter einer dicken Tropfsteinschicht. Es sind auch früher schon
Höhlenbärenskelette in dieser Höhle aufgedeckt worden; eins derselben
ist nach London gekommen.
Die Heinrichshöhle liegt nicht weit vom Hönnetale, und gerade dieses
Hönnetal hat durch die Baiverhöhle seine Berühmtheit erlangt. Die
Hönne ist ein Nebenfluss der Ruhr, der sich von Süden her in diese er-
giesst. Nicht weit von Iserlohn entfernt liegt das Örtchen Hemer, und in
der Nähe liegt Sundwig. Sundwig ist vom Hönnetal durch einen Höhenzug,
die Baiverhöhe, getrennt. Unmittelbar in der Nähe von Sundwig liegt die
Heinrichshöhle. Auf dem Wege von Balve abwärts im Tale liegt die grosse
Baiverhöhle, und es kommen noch eine Reihe von Höhlen hinzu, unter
denen namentlich die Klusensteiner und die Feldhofshöhle bekannt ge-
worden sind, die schon durch Virchow untersucht wurden. Wir müssen über-
haupt hier der Untersuchungen Virchows gedenken, die er im Jahre 1870
in dieser Gegend gemacht und in der Zeitschrift für Ethnologie veröffentlicht
hat. Ferner haben diese Höhlen erforscht von Dücker und Nehring,
der im Anschluss an Virchow eine Mitteilung über die Funde der Tier-
knochen gemacht hat. Die Baiverhöhle ist zweifellos die interessanteste
von allen diesen Höhlen, die in Betracht kommen, und auch landschaftlich
ist sie die schönste in Deutschland. Es ist eiu grosses Portal dort frei-
gelegt, sodass viele hundert Menschen dort Platz haben und die Schützen-
feste dort gefeiert werden können. Die Grotte ist vollständig ausgeräumt
bis auf die hintersten Partien, wo vielleicht noch etwas gefunden werden
kann. Das Material ist teils nach London, teils nach Balve selbst
gekommen. In diesem kleinen Örtchen befindet sich ein Museum, das
eigentlich dort deplaziert ist; denn es wird sehr selten besucht. Als ich
nach Balve wanderte, um das Museum zu besuchen, war der Beamte, der
es verwaltete, sehr erstaunt, dass ein Gelehrter sich darum kümmerte.
Und das ist sehr unrecht. Denn die Schätze dort sind bedeutend; es
sind viele Knochen vorn Höhlenbären dort aufbewahrt. Es sind in der
Baiverhöhle Dicht nur Spuren der Anwesenheit des Menschen überhaupt,
sondern auch Feuersteinartefakte gefunden worden. Virchow hat damals
eine genaue Beschreibung der Schichten gegeben. Aus dieser Beschreibung
— L19 —
ergibt sich nach den jetzigen neueren Vorstellungen soviel, dass eine
bestimmte Stratigraphie dort vorhanden gewesen ist und dass unter einer
oberflächlichen Schicht, die zweifellos zusammen gemischt neolithische
Funde mit späteren Kulturfunden birgt, eine Schicht lag, wo Renntierfunde
gemacht wurden. Hier hat Virchow keine Spuren menschlicher Einwirkung
finden können, wohl aber Kohlenreste. Darunter ist eine Schicht gefunden
worden, wo Mammutzähne Lagen. Über diese Schicht macht Virchow in
seiner Originalarbeit folgende Bemerkung1): „Auch fand ich in der Mitte
dieser Schicht, unter einem grossen Stosszahn von Mammut einen glatten.
scharfkantigen Kieselschiefer, dessen Kanten allerlei Ausbuchtungen wie
Schlagmarken darboten. Ich erwähne dies, ohne den Fund für entscheidend
zu halten/' Ich weiss nicht, wo diese Stücke hingekommen sind. Einige sind in
Balve, andere liegen I »est i mint in Bonn, wie mir Hr. Hahne gesprächsweise mit-
geteilt hat; sie befinden sich in der archäologischen Sammlung im Provinzial-
museum in Bonn. Nach seiner Meinung dürften sie einer späteren Periode
angehören. Es ist wohl möglich, dass sie aus der Kenntierschicht stammen;
näheres ist darüber nicht bekannt. Nun hat Virchow in der Klusensteiner
Höhle bearbeitete Knochenstücke vom Höhlenbären gefunden, so dass wir
die Hoffnuno' nicht aufgeben dürfen, dass im Hönnetal noch andere Funde
gemacht werden. Zum Besuche des Hönnetales veranlasste mich eine
landschaftliche Beschreibung desselben. Es führt ein landschaftliches
Bild vor die Augen, das an die Gegend der belgischen (I rotten erinnert.
Wenn ich irgend ein Tal in Deutschland mit dem Tal der Lesse ver-
gleichen kann, so ist es das Hönnetal mit seinen aufragenden Kalkwänden.
Wir haben also allen Grund, die Untersuchungen, die in dieser Gegend
gemacht wrerden, zu unterstützen, und in diesem Sinne glaubte ich diese
Knochen vorlegen zu sollen, um für die Fortführung der Untersuchungen
in der Heinrichshöhle und in den anderen Grotten zu wirken. —
(18) Hr. Hauthal-La Plata spricht über
Die Bedeutung der Funde in der Grypotheriumhöhle bei Ultima
Esperanza (Südwestpatagonien) iu anthropologischer Beziehung.
Eine Stunde östlich vom Puerto Consuelo am Fjord Ultima Esperanza
erhebt sich ein isolierter Höhenzug bis zu (500 m Meereshöhe. An dem
steilen, nach Südwesten gewandten Abhänge dieses Höhenzuges befindet
sich in der Höhe von 160 m über dein Meere eine Terrasse, und im
Niveau dieser Terrasse sind mehrere Höhlen, nischenartig in den Berg
hinein sich erstreckend. Sie sind sehr wahrscheinlich Wirkung der Meeres-
brandung; dafür, dass das Meer früher hier bedeutend höher stand, sind
zahlreiche Spuren vorhanden.
In den beiden grössten Höhlen sind vor einigen Jahren Funde ge-
macht worden, die die Aufmerksamkeil in hohem Masse auf sich zogen.
da sie geeignet erscheinen, einiges Licht auf die mich in so tiefes Dunkel
gehüllten prähistorischen Bewohner Südpatagoniens zu werfen.
Vor allen Dingen kommen in Betracht die in der grössten Höhle _
ii Diese Zeitschrift" 11. L870, 8. 364.
— 120 —
machten Funde, deren Bedeutung aber nur dann richtig erkannt werden
kann, wenn zuvor erst die örtlichen Verhältnisse in der grossen Höhle
klargelegt worden sind.
Die grosse Höhle erstreckt sich 180 m tief in den Berg, ist 80 m
breit und vorn 30 — 40 m hoch.
Das Gestein des Berges ist ein Konglomerat mit dünnen Lagen eines
feinen Sandsteines, es bildet einen flach gewölbten Sattel.
Von der Decke herabgefallene Trümmer bilden einen Schuttwall,
welcher die Höhle in zwei Räume teilt. In dem kleineren, hinteren
Räume ist der Boden mit mehr oder minder lehmigem Sande bedeckt,
seine Mächtigkeit ist bisher nicht festgestellt worden. Grabungen, die
hier im hinteren Räume vorgenommen wurden, haben bisher keine Aus-
beute ergeben.
Ganz anders verhält sich der vordere, grössere Raum; die hier vor-
genommenen Grabungen haben eine reiche Ausbeute von Resten lebender
und ausgestorbener Tiere sowie von Gegenständen ergeben, die darauf
hinweisen, dass dieser Teil der Höhle dauernd von Tieren und Menschen
als Wohnung benutzt wurde, und zwar lebten dieselben in getrennten
Räumen.
Die Verhältnisse in dem vorderen Räume sind die folgenden: Ein
etwa 5 m hoher Hügel erhebt sich in der vorderen Hälfte; zwischen dem
hinteren Fuss dieses Hügels und dem vorhin erwähnten Schuttwall ist ein
30 — 35 m breiter, ebener Raum, der sich dadurch von den zu beiden
Seiten des Hügels befindlichen Räumen unterscheidet, dass er mit einer
bis 2 m mächtigen Mistschicht bedeckt ist, in welcher Schicht regellos
zerstreut Knochen und Fellstücke von lebenden und ausgestorbenen Tieren
liegen; in diesem Räume hielten sich hauptsächlich die Tiere auf.
Betrachten wir nun die beiden Räume, welche zu beiden Seiten des
Hügels gelegen, so ergibt sich, dass die Mistschicht nur noch in den linken
Seitenraum etwas hineingreift, aber schon bald von einer Aschenschicht,
von Feuerstellen der alten Höhlenbewohner herrührend, bedeckt wird.
Wo diese Aschenschicht die Mistschicht bedeckt, da ist erstere stets zu
einer dunklen Aschenerde verkohlt.
In dem rechten Seitenraume ist keine Spur einer Mistschicht vor-
handen; hier besteht der Boden aus einer Aschenschicht, gemischt mit
Höhlenschutt und zwar bis zu einer Mächtigkeit von über 1 m.
Die Bodenbeschaffenheit sowie die gleich näher zu betrachtenden
Funde weisen darauf hin, dass beide Seitenräume (zunächst der rechte,
später auch der linke) ausschliesslich den Menschen zum Aufenthalte
dienten.
Die Ausgrabungen, welche in dem zwischen Hügel und Schuttwall
befindlichen, mit der aus zertretenen Exkrementen bestehenden Mistschicht
angefüllten Räume vorgenommen wurden, haben, wie schon oben erwähnt,
fast ganz ausschliesslich Reste von Tieren ergeben; von lebenden Tieren
wiegen vor Hirsch und Guanako, und unter den neun ausgestorbenen Tier-
arten, ein grosses Huftier, zwei grosse Nager, Arctotherium, Macrauchenia
patagonica, Canis avus, Felis Listai, Onohippidium Saldiasi. Scelidotheriuni,
— 121 —
Grypotherium Darwini, sind es besonders die Reste des letzteren Tieres,
die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Reste dieses Tieres sind
identiscli mit dem schon früher aus der Pampasformation der Provinz
Buenos Aires bekannten fossilen and von Reinhard beschriebenen Grypo-
therium Darwini; ein Edentat von der Grösse einer Kuh, der sich dadurch
auszeichnet, dass in der Haut viele kleine, etwa bohnengrosse Knöchelchen
eingebettet sind, die eng- aneinander liegen und reihenweise geordnet sind,
etwa so wie die Steine einer gepflasterten Strasse. Von diesem Grypo-
therium sind gefunden worden mehrere Schädel, Unterkiefer, Beinknochen,
Rippen, Schulterblätter, Klauen und andere Knochen, ganze Kotballen
sowie mehrere grössere Hautstücke; das grösste vom Verfasser gefundene
misst J.10X 1 m und ist an den Rändern stark zusammengefaltet. Dieses
Fellstück lag, mit der Haarseite nach oben unter einem grossen Blocke,
etwa. 1 vi tief in zerstampfter Mistschicht. In etwa 50 cm Entfernung
davon fanden sich ein Schädel, ein Schulterblatt und einige kleinere
Knochen. Die weitaus grösste Anzahl der Knochen, sowohl von Grypo-
therium als auch von den anderen Tieren sind künstlich zerschlagen und
aufgespalten, auch die Schädel von Grypotherium zeigen deutlich Schlag-
spuren, und das grosse Fellstück zeigt am Rande Spuren der Bearbeitung
mit einem scharfen schneidenden Instrument; es ist sehr beachtenswert,
dass auch die anderen zu Grypotherium gehörenden Fellstücke deutlich
Spuren der Bearbeitung durch Menschenhand zeigen.
In der Nähe des von mir gefundenen Fellstückes fand ich einen
Knochenpfriemen sowie etwas höher einen Haufen trockenen Grases, das
nur von Menschenhand hierher gebracht sein kann. Dieses Heu war aber
wieder von einer 80 cm mächtigen Mistschicht bedeckt.
In den beiden Seitenräumen (zu beiden Seiten des Hügels) fanden
sich nur sehr wenig Tierknochen, meist Guanaco und Hirsch, die aber
zum Teil viel jünger als die anderen Reste sind. Hier fanden sich in
zum Teil noch von Heu umgebenen (alte Lagerstätten) Aschenhaufen
viele Reste menschlicher Tätigkeit, mehrere Knochenpfriemen. Knochen-
nadeln, dünne Hautstreifen, die, wie mehrere in der Höhle gemachte Funde
beweisen, von den Höhlenbewohnern zum rohen Zusammenheften von
Fellstücken dienten. Ausserdem lagen hier verkohlte Holzstücke. Schalen
von Mytilus, die ja noch heute den in den Kanälen lebenden Indianern
als hauptsächliche Nahrung dienen, sowie auch Kieselsteine und Obsidian-
srücke. die Spuren der Bearbeitung von Menschenhand tragen.
Die Funde sowie die Verhältnisse der Höhle ergeben also eine räum-
liche Trennung der Aufenthaltsorte für Mensch und Tier: die Tiere, vor-
nehmlich Grypotherium, lebten in dem dunkleren Räume zwischen Hügel
und Schuttwall, während die Menschen in den vorderen helleren Räumen
zu beiden Seiten des Hügels ihren Aufenthalt harten.
Es erhebt sich die wichtige Frage, war diese Trennung nur eine
räumliche oder auch eine zeitliche, d. h. lebten die .Menschen gleichzeitig
mit dem ausgestorbenen Grypotherium in der Hohle?
Dr. Erland Nordenskiöld, welcher im Jahre 18U9 Ausgrabungen in
der Höhle veranstaltete, ist der Ansicht, dass eine Gleichzeitigkeit von
— 122 —
Mensch und Grypotherium in der Höhle nicht angenommen werden könne.
Das Grypotherium habe lange vor dem Menschen in der Höhle gelebt
und sei von grossen Raubtieren ausgerottet worden. Und zwar begründet
Nordenskiöld seine Ansicht damit, dass sich deutlich in der Höhle
folgende drei dem Alter nach verschiedene Schichten unterscheiden lassen.
Zu unterst die Schicht C mit vorwiegend Resten von Grypotherium.
Nachdem dieses ausgestorben war, bildete sich die Schicht B mit vor-
wiegend Resten von Onohippidium und darüber folgt als jüngste Schicht A
mit Resten von Mensch und Guanaco.
Gegen diese Dreiteilung der Schichten sprechen aber Nordenskiölds
eigene Beobachtungen; fand er doch in seiner Schicht C (Grypotherium-
schicht) Reste von Mensch und Guanaco, die eigentlich nur in der obersten,
jüngsten Schicht A vorkommen dürfen, und fand er doch in Schicht B
Grypotheriumknochen. Er erklärt das dadurch, dass eine nachträgliche
Verschleppung der Reste sowohl von unten nach oben als auch von oben
nach unten stattgefunden hat. Nach ihm wurde die Höhle erst von
Menschen bewohnt, nachdem Grypotherium längst ausgestorben war.
Nach meinen Beobachtungen kann man nur zwei Schichten unter-
scheiden :
1. die Mistschicht mit Resten von Grypotherium, Onohippidium, Felis,
Guanaco usw., die aber nicht bestimmte Horizonte einhalten, und
2. die Kulturschicht; beide Schichten haben sich gleichzeitig neben-
einander gebildet.
Nur mit dieser Ansicht lassen sich die Verhältnisse, wie sie tatsächlich
in der Höhle herrschen, ungezwungen in Einklang bringen.
Ausser der räumlichen Getrenntheit der Aufenthaltsorte für Mensch
und Grypotherium spricht vor allen Dingen die Art, wie die Grypotherium-
reste gefunden worden sind, für meine Ansicht.
Wichtig ist da besonders der Fund des ersten grossen Fellstückes im
Jahre 1895. Dasselbe lag nicht etwa unten in der Mistschicht (Schicht C),
wo es nach Nordenski öld hätte liegen müssen, nein, es lag ganz oben
noch über der Kulturschicht (Schicht A) am rechten Abhänge des Hügels,
bedeckt nur von einer 10 — 15 cm mächtigen Staub- und Schuttschicht.
Diese Schicht bedeckt übrigens ziemlich gleichmässig den ganzen vorderen
Höhlenraum (auch die Mistschicht); zu ihrer Bildung, die lange Zeiträume
in Anspruch genommen haben muss, konnten lediglich der Wind und die
Langsam vor sich gehende Verwitterung der Höhlendecke beitragen.
Das erste Fellstück lag also oben am Hügelabhang. Es hatte eine
regelmässige rechteckige Gestalt, war über 1,50 m lang und 0,80 m breit,
hatte also eine Form, die wohl darauf hinweist, dass es als Unterlage
gedient haben mag. Lönnberg, welcher einen von Dr. Otto Norden-
skiöld L898 nach Stockholm gebrachten Teil dieses Fellstückes untersucht
und beschrieben hat (ein anderer Teil ist im Museum South Kensington
London), erklärt, dass dasselbe durch Menschenhand von einem getöteten
Tiere abgezogen und nachher mit einem nicht sehr mit schneidenden
Instrumente (Steinniesser) zurechtgeschnitten worden ist.
Genau denselben Eindruck machte auf mich ein anderer Teil dieses
— 123 —
Fellstücks, den ich 1*'.'* in Ultima Esperanza fand und < 1<t jetzt im South
kensington Museum in London ist. Nordenskiöld isl sich der Schwierig-
keiten, welche dieser erste Pellfund seiner Ansicht bereitet, wohl bewusst,
et Lässt es unentschieden wie dieses Stück auf den Bügel gekommen, er
meint, es könnte ja in neuerer Zeit von Menschen dorthin geschleppt sein,
die es in der Mistschicht gefunden, als sie Brennmaterial (!) ;ms dieser
holten, aber wahrscheinlicher sei es, dass ein Raubtier das Pell verschleppt
halte.
Dann, wenn ein Raubtier das Grypotherium getötet, müssten doch bei
dem Pelle Knochen gefunden worden sein. Nordenskiöld verweist auf
die in den Pampas verendenden Tiere, deren Fleisch Raubtiere, Füchse,
Geier usw. fressen und deren getrocknetes Pell dann zurückbleibt.
Dagegen ist einzuwenden, dass in diesen getrockneten Fellen jedesmal
die da/u gehörigen Skelette stecken — aber an keinem der in der
Höhle gefundenen Fellstücke, die mir zu Gesicht gekommen sind, wurden
Knochen (Rippen usw.) gefunden.
Wie bei dem ersten grossen Pellstück vom Jahre 1895, so ist auch
sowohl die Erhaltung wie die Art und Weise, wie das zweite 1,10 m Lange
und l in, (in gefaltetem Zustande) breite Fellstück 1899 von mir gefunden
wurde, sehr bezeichnend. Dasselbe lag 1 m tief in der Mistschicht, die
Haarseite nach ölten. Ein von der Gewölbedecke herabgefallener Block
lag auf demselben, er hatte heim Falle das Fell durchbohrt, die eine Ecke
des Blockes ragte durch das im Felle entstandene Loch in die unter dem
Fidle sieh fortsetzende Mistschicht hinein. Die zackigen, scharfen, sich
verjüngenden Ränder (\r^ Loches unterscheiden sich ganz auffallend von
den glatten breiten Rändern des Fellstückes — erstere sind durch An-
faulen, letztere durch Schneiden mit einem Instrumente, genau wie hei
dem ersten grossen Follstück. entstanden.
Weder unter dem Fellstücke von 1895 noch unter dem von 1899
lagen Knochen — alles weist darauf hin, dass das Fell schon im Gebrauch
war. als es von dem fallenden Block bedeckt wurde. Ich meine, auch
liier deuten alle Umstände darauf hin. dass das Pell durch Menschenhand
einem getöteten Tiere abgezogen worden ist.
Betrachten wir nun die Skeletteile vom Grypotherium, die in der
Höhle gefunden worden sind, so ergehen sich auch hier Tatsachen, die
auf eine Gleichzeitigkeit von .Mensch und Grypotherium in dei Höhle
hinweisen.
Ich halte zwei Schädel gefunden, beide sind stark verletzt, so dass nur
die Schädelkapsel übrig geblieben ist. Der vordere Teil beider Schädel
ist in der Höhe der Jochbögen altgeschlagen: letztere, von denen sich viele
wohlerhaltene linden, sind wohl mit kräftigem Ruck ziemlich glatt abge-
brochen. An der Schädeldecke sind namentlich an dem. dem erwachsenen
Exemplar zugehörigen Schädel viele Spuren von Schlägen mit einem
stumpfen Instrument (Stein) sichtbar, die zum Teil die Schädel. lecke zer-
trümmert haben.
Auch die anderen Mets isoliert in der Mistschicht vorkommenden
Knochen wie Unterkiefer, Oberkiefer usw. zeigen Zertrümmerungen und
— 124 —
Verletzungen, die nicht auf Bisse und Tatzenschläge von Raubtieren hin-
deuten, dann müssten sowohl die Verletzungen selber ein ganz anderes
Aussehen haben, als auch die Zertrümmerung eine viel weitergehende sein.
Alle diese Verletzungen wurden teils dem lebenden Tiere zwecks
Betäubung, Tötung beigebracht, teils fanden sie (Zertrümmerung des
Schädels, Abbrechen der Jochknochen, Aufspalten der Markknochen usw.)
nach dem Tode statt zwecks besserer Abnagung des Fleisches oder Ge-
winnung des Markes.
Zu diesen hier kurz angeführten indirekten Beweisen für die Gleich-
zeitigkeit von Mensch und Grypotherium kommen nun aber noch weitere
direkte Beweise. Und zwar steht hier in erster Linie das Auffinden von
menschlichen Artefakten zusammen mitGrypotheriumresten in derMistschicht.
Die grösste Anzahl dieser Artefakte wird zwar in der Kulturschicht
im vorderen hellen Räume der Höhle gefunden, aber sowohl Norden-
skiöld als auch ich haben Produkte der menschlichen Tätigkeit auch in
der Mistschicht angetroffen.
Diese Artefakte beschränken sich bezeichnenderweise auf:
1. Knochenwerkzeuge wie Pfriemen, Nähnadeln und
2. Steinwerkzeuge wie Steinmesser, beschlagene Steine (meist Quarzit,
Porphyr und Obsidian); merkwürdigerweise sind alle diese Stein-
werkzeuge klein.
3. Streifen getrockneter Haut, wie sie zum Zusammenheften von
Hautstücken gedient haben, und zusammengenähte Hautstücke.
Nordenskiöld fand Hautstreifen in der Mistschicht und ich einen
Knochenpfriemen, eine Knochennadel sowie Obsidiansplitter.
Ausserdem verdient besondere Beachtung der Fund von getrocknetem
Grase in der Mistschicht, den ich in der Nähe des grossen Fellstückes
machte. Ich deutete dieses Heu, das doch nur durch Menschenhand unten
in den Wiesen am 1/a Stunde entfernten Bach abgeschnitten oder abgerupft
und in die Höhle geschafft worden sein kann, als Futter für die Grypo-
therien (Winterflitter), eine Vermutung, die in der Beobachtung von
Spencer Moore, welcher in den Exkrementen der Grypotherien scharf
abgeschnittene Grashalme fand, wohl eine Bestätigung findet.
Suchen wir für alle diese hier angeführten Tatsachen eine natürliche
ungezwungene Erklärung, so ergibt sich nach meinem Dafürhalten die
nahezu an Gewissheit streifende Wahrscheinlichkeit, dass hier Mensch und
Grypotherium gemeinsam gleichzeitig in der Höhle lebten.
Mir persönlich scheinen immer noch die Funde der beiden grossen
Pellstücke (1895 und 1899) Hauptbeweise zu sein.
Beide wurden in solcher Beschaffenheit und in solcher Lagerung
gefunden, dass sich die meines Erachten s unabweisliche Folgerung ergibt,
die Tiere wurden von den Menschen getötet und das Fell abgezogen.
Besonders wichtig ist bei diesen beiden Fellfunden, dass sich so an Grypo-
theriumreste gebunden die Spuren des Menschen von den untersten Teilen
der Mistschicht l>is in die obersten Lagen der Kulturschicht nachweisen
lassen. Mensch und Grypotherium müssen also doch mindestens so lange
— 125 —
in der Höhle zusammengelebt haben, als die Bildung beider Hellichten in
Anspruch nahm.
Nordenskiöld glaubt diese Zeit auf einige Jahrhunderte veran-
schlagen zu können; nach meiner Ansicht ist das etwas niedrig gerechnet.
Die Tiere werden nicht das ganze Jahr hindurch, sondern wohl nur zeit-
weilig im Winter in der Höhle zugebracht haben, die Zunahme der Mist-
schicht ging also nur langsam von statten, aber vollzog sich naturgemäss
rascher als die der gleichzeitig sich bildenden Kulturschicht, daher die
verschiedene, den Verhältnissen genau entsprechende Mächtigkeit derselben.
Aus der Gleichzeitigkeit von Mensch und Grypotherium in der Höhle
und aus der räumlichen Abgrenzung der Aufenthaltsorte beider ziehe ich
nun die weitere Folgerung, dass das Grypotherium von den Menschen als
Haustier gehalten wurde und zwar nur des Fleisches wegen.
Ich stütze mich dabei ausserdem noch auf folgende Tatsachen. Zu-
nächst der Fund von Heu an einer Stelle wie oben ausgeführt, wo es nur
als Futter zu erklären ist. Ferner auf Eigentümlichkeiten, die an den
Resten der Grypotherien selber vorhanden. Schon Roth, Nordenskiöld
und Smith-Wood ward ist es aufgefallen, dass die Grypotheriumreste von
den sechs erwachsenen Individuen, die wir im Museum haben, Individuen
repräsentieren, die sich ganz bedeutend an Grösse unterscheiden. Wir
haben Knochen, die zu einem Tiere gehören, das kaum halb so gross war
wie ein dreijähriges Rind, während andere Knochen von Tieren stammen,
die beinahe die Grösse eines Lestodon armatus erreichten, ein Gravigrad,
der bedeutend grösser als ein Nashorn war.
Eine solche Grössenvariation ist aber bisher bei wildlebenden Tieren
nicht beobachtet worden, dagegen ist sie gerade für domestizierte, durch
längere Zeiträume hindurch gezüchtete Tiere eine sehr charakteristische
wohlbekannte Erscheinung. Prof. Nehring hat darauf hingewiesen, dass
nach R. Hartmann und M. Wilkens nur diejenigen Tiere als Haustiere
zu bezeichnen sind, die sich im domestizierten Zustande regelmässig fort-
pflanzen.
Darüber ob dieser letztere Umstand ein notwendiges Erfordernis für
den Haustierzustand eines Tieres ist, kann man gewiss verschiedener An-
sicht sein — ich möchte hier nur an ein Tier erinnern, das doch gewiss
als Haustier zu betrachten ist, an das Maultier, das in bestimmten Gegenden
unter den Haustieren den ersten Rang einnimmt, sich aber nicht fort-
pflanzt. — Aber sehen wir einmal ganz ab hiervon, so bieten uns die
Höhlenfunde auch Anhaltspunkte, um diese Frage bejahend beantworten
zu können.
An einzelnen Knochen linden sich nämlich scharf ausgeprägte indi-
viduelle Unterschiede, so sind z. B. vier Jochbögen, obwohl von er-
wachsenen Individuen herrührend, unter sich verschieden. Das ist aber
eine Erscheinung, wie sie sich gerade bei domestizierten Tieren heraus-
zubilden pflegt.
Es ist ja gewiss eine schwierige Sache, aus den Resten in einer
Höhle zu beweisen, dass Tiere, die dort, längere Zeiträume hindurch
lebten, sich dauernd fortpflanzten. Beweisend ist hier doch wohl schon
— 126 —
der Nachweis, dass Tiere verschiedener Altersstufen hier gemeinsam
lebten. Dieser Nachweis wird aber sowohl in den Exkrementen, die von
jungen und alten Tieren vorhanden, als auch besonders dadurch geliefert,
dass ich in der Mistschicht Reste eines Grypotheriumembryo fand — dieser
Fund beweist doch wohl unzweifelhaft die Fortpflanzungsfähigkeit. —
Besonderes Gewicht möchte ich dieser meiner Ansicht, dass das Grypo-
therium in einem haustierähnlichen Zustande als Schlachttier (lediglich
zur Fleischgewinnung) gehalten wurde, zwar nicht beilegen, ich glaube
aber, dass nur diese Annahme den besonderen in der Höhlevorhandenen
Umständen am besten gerecht wird.
Es sind ja andere Erklärungen aufgestellt worden. Dr. Lehm an n-
Nitsche glaubt, dass die Tiere in der Höhle gelebt haben, dass umher-
streifende Indianerhorden dieselben antrafen, töteten, verzehrten und dann
weiter zogen. Nach Verlauf einiger Zeit kamen dann wieder Indianer nach
der Höhle, töteten wieder die dort angetroffenen Tiere usw.
Viel Wahrscheinlichkeit kann diese Erklärung nicht für sich bean-
spruchen. Die Indianer werden doch gewiss alle ihnen irgend wie er-
reichbaren Tiere getötet haben, da das Fleisch ja, nach den heute lebenden
Verwandten zu urteilen, ein sehr schmackhaftes war, bedeutend besser
als das der viel schwerer erjagbaren Guanacos. Woher sind dann immer
wieder die frischen Tiere gekommen, die doch wieder erscheinen mussten,
um eine so mächtige Dungschicht zu bilden. Die Mächtigkeit der Kultur-
schicht ist auch mit zeitweiligem Aufenthalt nomadisierender Indianer
schwer vereinbar.
Eine andere von Prof. Nehring aufgestellte Erklärung sucht den
Tatsachen dadurch gerecht zu werden, dass er annimmt, die Menschen
hätten die Tiere gejagt, dann in die Höhle geschleppt, dort abgezogen
und zerlegt und aus dem Darminhalt der geschlachteten Tiere habe sich
dann die Mistschicht gebildet. Gelegentlich hätten die Menschen auch
wohl ein gefangenes Tier längere Zeit in der Höhle aufbewahrt.
Diese Erklärung scheitert ja von vornherein an der Mächtigkeit der
Dungschicht, aber sie bildet doch die Brücke zu meiner Deutung. Nehring
nimmt an, dass die Indianer zeitweilig ein gefangenes Grypotherium längere
Zeit in der Höhle lebend hielten, da bedarf es ja nur noch eines kurzen
Schrittes, um zu meiner Erklärung zu kommen. Unter den Tieren, die
die Indianer in der Höhle gefangen hielten, wird gewiss auch dann und
wann ein trächtiges Weibchen gewesen sein. Durch die zur Welt ge-
brachten Jungen werden die Indianer darauf aufmerksam geworden sein,
dass sie sich sehr leicht eine Quelle für gutes Fleisch schaffen könnten,
wenn sie mehrere Tiere verschiedener Geschlechter dauernd in ihrer Nähe
hielten. In der ganzen Höhlengegend ist aber kein Ort geeigneter, um
dauernd Tiere zu halten, als eben die grosse Grypotheriumhöhle, in der
ja alle Funde darauf hinweisen, dass hier Mensch and Grypotherium lange
Zeiträume hindurch dauernd miteinander Lebten.
Es ist doch sehr auffallend, dass in der nur l/9 Stunde entfernten
zweirgrössten Höhle bisher nur Hoste gefunden wurden, die auf die An-
wesenheit des Menschen und Onohippidium (von den ausgestorbenen Tieren)
— 127 —
hinweisen — nur die grosse Höhle bot hinreichend Bequemlichkeit and
Raum, um .Mensch und Grypotherium gleichzeitig zu beherbergen.
Wenn die Tiere freilebend im wilden Zustande die Höhle aufgesucht
hätten, so ist schwer zu erklären, warum sie das nicht auch bei der zweit-
größten Höhle getan haben, die für die Tiere allein noch besser zugänglich
ist als die grössere Höhle.
Auf die Unhaltbarkeit der Ansicht Dr. Erland Norden s k iölds. dass
die Grypotherien lange vor dem Menschen durch grosse Raubtiere ver-
nichtet worden sein sollen, habe ich schon wiederholt hingewiesen — es
wäre doch sein- sonderbar, dass die Tiere immer und immer wieder Jahr-
hunderte hindurch in den Schlupfwinkel ihrer Feinde zurückgekehrt sein
sollten.
Es erübrigt nun noch mit kurzen Worten auf die Zeit zu sprechen
zu kommen, wann die Tiere ausgestorben, wann dieselben hier mit dem
Menschen zusammengelebt haben.
liier gehen die Ansichten sehr weit auseinander.
Angesehene Forscher glauben, dass das Grypotherium noch heute
lebend vorhanden sei und dass die Reste in der Höhle von Tieren her-
rühren, die erst vor wenigen Jahren getötet worden sind.
So wurde von England aus eine Kommission ausgesandt vor drei
Jahren, mit dem Auftrage, ein lebendes Grypotherium einzufangen — die
Kommission kehrte nach England zurück ohne Spuren eines Grypotheriums
gesehen zu haben -- und das war vorauszusehen. Wenn' ein so grosses
Tier noch lebend vorhanden, so müssten doch in dem in den letzten
Jahren so gut durchforschten Patagonien irgendwie die Spuren des Tieres
gesehen worden sein — aber bisher ist das nicht der Fall gewesen und
kann auch nicht der Fall sein, da das Tier wie die anderen mit ihm vor-
kommenden ausgestorbenen Tiere wenigstens so lange schon ausgestorben
ist, als die 10— 15 cm mächtige Schuttschicht, die oberflächlich alles im
vorderen Teile der Höhle bedeckt, zu ihrer Bildung brauchte, und das
müssen lange Zeiträume gewesen sein. Dass diese Zeiträume sehr lange
sein müssen, die weit in die prähistorische Zeit zurückreichen, geht auch
daraus hervor, dass in den Sagen der Indianer keine Spuren, keine An-
klänge vorhanden sind, die auf Grypotherium hindeuten. Dr. L eh mann -
Nitsche hat sich eingehend mit diesem Gegenstände beschäftigt und ver-
weise ich auf seine einschlägigen Arbeiten.
Ich habe schon früher an einem anderen Orte die Ansicht geäussert,
dass die Zeit, da die Höhle einer sesshaften Bevölkerung (ich betone das
sesshaft) zur Wohnung diente, vielleicht in die letzte luterglazialzeit
Patagoniens fällt — dass die Höhle durch Eis von der Aussenwelt zeit-
weilig abgeschlossen war. Manche Anzeichen sprechen dafür, so ist eine
kleine, etwa 50 in oberhalb dieser Höhle und einige IUI» >n weiter nach
Westen am Berghange gelegene Höhle, deren Lage viel exponierter, mir
feinem tonigsandigem Material, wie es die Gletscherbäche abzusetzen
pflegen, angefüllt.
Erratische Blöcke finden sich ausserordentlich zahlreich an und auf
dem Höhlenberge. -- Alles zeigt darauf hin. dass die Eismassen auch
— 128 —
zur Zeit ihres letzten (dritten) grösseren Yorstosses weit über die Gegend
des Höhlenberges nach Osten hinaus vorgedrungen waren. —
Der Vorsitzende eröffnete hierauf die Diskussion.
Hr. Karl von den Steinen: Frhr. Erland von Norde nskiöld, der
vor einer Woche in Berlin verweilte, hat am 6. d. Mts. von Southamptou
aus mit zwei Gefährten, Dr. Holmgren und Leutnant Dr. Bildt, eine
neue Reise nach Peru-Bolivien mit dem Endziel des Madre de Dios an-
getreten und war unter diesen Umständen zu seinem Bedauern nicht in
der Lage, an der heutigen Sitzung teilzunehmen. Da ich jedoch mit ihm
bereits über die Grypotheriumfrage korrespondiert hatte, möchte ich nicht
verfehlen, seine von H authals Auffassung abweichende Ansicht nach
unserem Briefwechsel hier mitzuteilen.1)
„Als ich 1899 die Höhle in Ultima Esperanza besuchte, hatte noch
niemand vorher dort methodisch gegraben. Hr. Hauthal selbst, dem ich
meine Funde in Puerto Cousuelo zeigte, und der alsdann seine Grabungen
machte, hatte in dem Argentinischen Wochenblatte geschrieben, dass in
der Höhle nichts zu finden sei.
Ich entdeckte dort eine jüngere Kulturschicht mit Knochen von Auchenia
und Artefakten sowie eine ältere Schicht mit Knochen und Exkrementen
von Grypotherium, Knochen von Scelidotherium, Macrauchenia, Ono-
hippidium, einem sehr grossen Jaguar (dem sog. Felis Listai Roth) usw.
Hierzu kam eine dem Alter nach zwischenliegende Schicht, charakterisiert
durch ihre Knochen von Onohippidium, welche Pferdeart sicher später
ausgestorben ist als Grypotherium. Diese Schichten hat auch Hauthal
nicht voneinander unterscheiden können, was teilweise darauf beruhte,
dass die relativ unbedeutende Kulturschicht von mir durchgraben war.
Glaublich ist, dass sekundäre Mischungen vorgenommen sind, was ja in
Grotten so gewöhnlich ist, und dass Gegenstände von Kulturschichten
dabei in die Fossilien führende Schicht hineingekommen sind. —
Lehmann - Nitsche meint, dass die Knochen von Grypotherium von
Menschen behandelt sind. Um dies zu ermitteln, begab ich mich zu
Winge in Kopenhagen, durch dessen Hände unzählige Knochen von den
dänischen Kjökkenmöddingern gegangen sind, und verglich meine zahl-
reichen Knochenstücke mit Knochen aus den Kjökkenmöddingern, wobei
ich fand, dass sichere Zeichen von Menschenbehandlung, Einschnitte,
Kerben usw. an diesen Knochen nicht vorhanden seien, wohl aber an den
meisten Knochen vom Guanaco der Kulturschicht.
An vielen Knochen von Grypotherium dagegen ist deutlich bemerkbar,
dass sie durch Sand geschliffen sind. Dies kann nicht in der Weise ge-
schehen sein, dass sie im Wasser gerollt worden sind, denn sie sind ja
in einem absolut trocknen Lager gefunden worden. Ich nehme an, dass
die Knochen durch schwere Tiere, die auf sie getreten haben, überall in
1) Erlanrl v. Nordenskiöld hat seine Untersuchungen der Höhle von Ultima
Esperanza veröffentlicht in „Kongl. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar. Bandet 33
No. 3U unter dem Titel: „Iakttagelser och Fynd i Grotten- vid Ultima Esperanza i Sydvesfcra
Patagonien". Mit 7 Tafeln, Stockholm 1900.
— 129 —
den Kies gestampft und auf diese Weise geschliffen und geritzt wurden.
Die Knochen von Grypothcrimn sind auch planlos so geschlagen, dass die
schwächsten Partien abgetreten erscheinen-
Davon, dass die Grypotheriuniknocheii von Menschen bearbeitet worden
sind, lasse ich mich nicht früher überzeugen, als bis di<- Schlagstellen usw.,
die bei Knochenbehandlung entstehen müssen, nachgewiesen sind. Dass
schwächere Knochenstellen abgebrochen sind, lässt sich auf andere Weise
e f klären.
Wenn Hautstücke von (Jrypotherium erhalten sind, so setzt dies nicht
mit Notwendigkeit voraus, dass sie von Menschen abgehäutet worden sind.
Ein Pferd, das auf den Pampas stirbt, wird von den Geiern oft so aus-
geflossen, dass abgerissene grosse Stücke Haut und die Knochen übrig
bleiben. Bei den äusserst eigentümlichen Einbettungsverhältnissen in der
Höhle halte ich es deshalb nicht für unmöglich, dass Stücke Haut von
(jrypotherium in Exkremente, Salze, Kies eingebettet worden sind und
auf diest' Weise konserviert werden konnten. Man darf ja ausserdem
nicht vergessen, dass die Haut von Grrypotherium durch die Hautknochen
gewissermassen gepanzert war. Um zu zeigen, wie widerstandsfähig die
Haut dieser Tiere war, erwähne ich, dass auf den Pampas grosse Haut-
stücke (natürlich ohne Haare) des nahestehenden Mylodon aufgefunden
worden sind. In Kopenhagen werden einige verwahrt. Ähnliche habe
ich im Tarijatal, wto die Einbettungsverhältnisse ja nicht so besonders
günstig waren, gefunden.
Knochen von Grrypotherium mit getrocknetem Fleisch findet man in
der Höhle sehr häufig. Dass sie sich gut erhalten haben, beruht darauf,
dass sie so ausserordentlich trocken gelegen haben, und vielleicht auch
darauf, dass in der Höhle imprägnierende Salze sind. Ich vermag nicht
einzusehen, warum, wenn sich eine sog. falsche Mumie (d. h. ein in eine
trockene Grotte gelegter nicht präparierter Leichnam) 500 — 1000 Jahre
unverändert erhalten hat, sie dies nicht auch 100 000 Jahre tun könnte,
wenn die jährliche Veränderung = 0 ist. In gleicher Weise ist es meines
Erachtens nicht unmöglich, dass die Grypotheriumreste, obschon wohl er-
halten, sehr alt sein können.
Sehr eigentümlich wäre es, dass man in der Grotte so wenig Artefakte
gefunden haben wollte, während doch von Grypotheriuniknochen sehr be-
trächtlicbe Massen gefunden wurden sind, die alle von Mahlzeiten her-
rühren sollen. Und doch hätte der Mensch Jahrhunderte lang in dieser
Höhle mit dem Riesenfaultier zusammengelebt!"
. . . Ich glaube, es haben sich im ganzen etwa drei oder vier Knochen-
pfrieme und zwei Stein artefakte gefunden?
Hr. llautlial (unterbrechend : Es handelt sich um vier Knochen-
pfrieme; zwei halien wir, einen hat Nordenskiöld und einer ist in London.
Es handelt sich ausserdem um zwei Längere Instrumente aus Knochen.
wahrscheinlich Nadeln. Hr. Lehmann-Nitsche hat diese in der herum-
gegebenen Broschüre abgebildet. Ausserdem handelt es sich, glaube ich.
um drei oder vier bearbeitete Sieine. Allerdings i-r es auffallend, dass
alle diese Steinwerkzeuge klein sind. Ausserdem handelt es sich um
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. 9
— 130 —
Hautstreifen, nicht aus der Haut des Grypotlierium, sondern sie sind aus
der getrockneten Haut eines anderen Tieres geschnitten und benutzt
worden, um grössere Fellstücke zusammenzunähen, wie das mehrere Funde
beweisen. Von diesen bearbeiteten Hautstreifen hat Nordenskiöld einen
in der Grypottieriumschicht gefunden, andere habe ich weiter nach vorn
in der Kulturschicht gefunden. Das sind, soweit ich mich jetzt besinnen
kann, alle Reste, die direkt auf menschliche Tätigkeit hinweisen. Dass
allerdings viele verloren gegangen sind, ist mir sehr wahrscheinlich, weil
ja die umwohnenden Estanzieros alle ihre Arbeiter haben, die im Winter
ihre freie Zeit benutzen, um in der Höhle zu graben, und die dann die
gefundenen Sachen an einen Trödler in Punta Arenas verkaufen Denn
diese Leute achten ja nicht auf die kleinen Sachen; um diese zu sammeln,
muss man die Miststücke einzeln in die Hand nehmen und sie mit den
Fingern durchsieben. Die Leute achten nur auf die grossen Knochen,
Schädel, Fellstücke. Daher ist es mir ausserordentlich wahrscheinlich,
dass die grösste Menge der menschlichen Artefakte aus Unachtsamkeit
verloren gegangen ist.
Hr. K. v. d. Steinen: Es bleibt aber immerhin ausserordentlich auf-
fallend, dass bei den Nordenskiöldschen Grabungen nur so sehr wenige
kleine Stücke gefunden sind, während sonst in Südamerika dort, wo sich
der Mensch lange aufgehalten hat, ein sehr reichhaltiges Material namentlich
von Steinartefakten nachzuweisen ist.
„Eigentümlicherweise wird, wenn diese Frage behandelt wird, nur von
Grypotherium gesprochen. Es darf doch nicht vergessen werden, dass
auch Knochen von Arctotherium, Macrauchenia, Scelidotherium, Ono-
hippidium usw. gefunden worden sind, was beweisen würde, dass, wenn
Grypotherium hier in später Zeit gelebt hat, auch alle diese Tiere dies
getan hätten, und dass eine ganze Fauna Riesentiere vor nicht langer
Zeit ausgestorben wäre."
Besonders skeptisch drückt sich Nordenskiöld über die Vorstellung
aus, dass das Grypotherium als Haustier von den alten Einwohnern in
Patagonien mit Gras gefüttert und gemästet worden sei, vor allem, dass
dieses Gras, das man leicht abreissen kann, mit Flintsteinspänen ge-
schnitten worden sei.
„Gar zu gern", schliesst er, „wäre ich nach Berlin gekommen, um
Hauthül zu Innen, aber dann bin ich schon auf dem Wege nach dem
Urwald und dessen Geheimnissen."
Hr. Neumann : Ich wollte nur etwas näheres mitteilen über das
Stink Fell, das ich hierher geschickt habe, nachdem ich erfahren hatte,
dass dieser Vortrag heute gehalten werden würde. Es ist eines der Fell-
stücke, die ein Bruder von mir auf der Rückreise vom Feuerland bei
demselben Händler erworben hat, von dem Hr. Hauthal gesprochen hat,
zusammen mit einem Unterkiefer und einigen Rippen. Das andere Fell-
sttLck und die Knöchel) sind jetzt im Besitz des British Museum. Ich
habe diese Stinke mitgebracht, weil ich glaube, nachdem ich die Londoner
Stücke gesehen habe, dass gerade dieses Fellstück noch mehr wie das
früher im British Museum ausgestellte, so aussieht, als ob es von
— 131 —
Menschen abgehäutet sein müsse. Denn selbst unter den günstigsten
Witterungsverhältnissen ist mir kein analoger Pal] bekannt, dass aus
einem Kadaver, der durch Raubtiere zerrissen wurden ist, »las ganze Fleisch
herausfault und doch die ganze Haut so wunderbar erbalten ist, sodass
eigentlich keine einzige Stelle an dem ganzen Hautstück erkennen lässt,
<lass das Ding verfault ist. Wenn die Witterungsverhältnisse so günstig
gewesen sind, dass sich die Haut so hält, dann inüsste doch eben gerade,
wenn das Tier von Raubtieren zerrissen weiden ist. auch Fleischstücke in
Verbindung mit der Haut sich gut erhalten halten. Ich glaube, dies zeigt
die Unmöglichkeit dass die Hautstücke in die Höhle gebracht worden
sind, dass sie sich in so wunderbarem Zustande erhalten haben. Es sieht
last so aus, als ob das Stück richtig gegerbt worden ist. Ich möchte Hrn.
Hauthal dann noch fragen wegen der Verschiedenheit der Haare. Es
ist ganz eigentümlich, einige der Fellstücke haben gelbliche Haare,
während einige der Ilaare in den Kotballen und die Haare an einem der
Londoner Stücke dunkelrotbraun sind, fast die Farbe eines Orang-Utangs
haben.
Ich weiss nicht, ob man schon daran gedacht hat, dies dem verschie-
denen Alter der Tiere zuzuschreiben, oder ob vielleicht diese rotbraunen
oder die gelblichen Haare sekundär gefärbt sind, oder ob sie vielleicht
von verschiedenen Körperteilen des Tieres stammen. Ich glaube, es wäre
interessant, auch die Ansicht des Hrn. Hauthal darüber zu hören. Der
Punkt, ob sich eine Verschiedenheit der Haare bei den Individuen ge-
zeigt hat, ist ja für die Frage interessant, ob das Tier ein domestiziertes
gewesen ist; denn diese Verschiedenheit findet man ja heute bei allen
Haustieren.
Hr. Matschie: Ich möchte darauf hinweisen, dass Tschudi in seinen
Untersuchungen über die Fauna Peruana. p. '203, auf eine Mitteilung
Bezug nimmt, die aus den zoologischen Manuskripten p. 9 von A. von
Humboldt entnommen ist.
Ich habe bisher die Originalstelle noch nicht einstdien können. Es
soll dort erwähnt worden sein, dass Edentaten von südamerikanischen
Völkern in gewissem Grade gezähmt worden sind. Bei Turbaco hat
Humboldt in den Dörfern Paultiere gesehen, die bei liegen in die Hütten
der Eingeborenen hineingekommen sind. Ich möchte glauben, dass dadurch
bewiesen ist, dass Faultiere vielleicht zu Nahrungszwecken — an dieser
Stelle ist das nicht gesagt — von amerikanischen Völkern gehalten worden
sind. l)
Hr. K. v. d. Steinen: Ich habe kein Faultier in Indianerhütten ge-
sehen, aber ich möchte doch hervorheben, dass. wenn die Indianer in
ganz Südamerika - — ich meine nicht die Kulturvölker — Tiere halten,
wir noch nicht von „Haustieren" sprechen können: es handelt sich eher
um Menagerien, wenn ich einen Ausdruck gebrauchen darf, der unseren
Gebräuchen entspricht. Die Tiere werden jung eingefangen, gewöhnlich
1) Humboldt spricht dorr von den Indianern von Turbaco, „deren Corucos von
Faultieren angefällt sind."
9*
— L!32 —
von den Frauen aufgezogen und alle erfreuen sich an ihnen, aber Haus-
tiere in unserem Sinne sind diese direkt ans dem Walde geholten ver-
schiedenartigsten Geschöpfe keineswegs. Auch pflegt sie der Indianer nicht
zu essen, wie wir unsere Hunde nicht essen, und scheint dies für unmoralisch
zu halten. Wir erhandelten Hühner am unteren Schingü, doch wenn wir
damit zu Suppe oder Braten einluden, lehnte man mit Widerwillen ab.
Ich glaube nicht an das Grypotherium als Haustier — mag es nun
gleichzeitig mit dem Menschen zusammengelebt haben, was ich gern an-
nehme, sobald es wirklich bewiesen wird. Gegen die Haustiereigenschaft,
bei der die Fortpflanzung in der Gefangenschaft vorauszusetzen ist, spricht
meiner Ansicht nach die niedere Kulturstufe, um die es sich hier handeln
muss, und auf der südamerikanische Indianer einen solchen Fortschritt
nirgendwo erreicht haben. Im übrigen wäre uns das Grypotherium dann
auch wohl gerade bis heute erhalten worden. Denn die Fürsorge für
domestizierte Tiere besteht doch eben darin, dass man sie sich erhält.
Hr. Klaatsch: Ich glaube, dass der Hauptstreitpunkt der Begriff des
Haustieres ist. Man muss sich doch überlegen, dass alle Beziehungen des
Menschen zum Tiere allmählich entstanden sind und alle möglichen Stufen
durchgemacht haben. Wenn man dies berücksichtigt, kann für den Begriff
des domestizierten Tieres manches gewonnen sein. Wir können nicht
wissen, ob vielleicht der Diluvialmensch mit dem Mammut in einer solchen
Beziehung gestanden hat, dass er die jungen Tiere gefangen und sie als
Futtermaterial aufbewahrt hat. Es ist auffällig, dass in französischen
Grotten gerade junge Tiere nachgewiesen worden sind. Das ist eben nur
eine lebendige Speisekammer gewesen. In diesem Sinne halte ich es für
möglich, dass die Ausführungen von Hrn. Hauthal zu Recht bestehen.
Ob es richtig ist, die Vorstellungen der heutigen Indianer heranzuziehen,
ist mir fraglich. Denn es handelt sich doch nach Hrn. Hauthal um eino
viel ältere Stufe, und möglicherweise haben die damaligen Menschen mit
den heutigen Indianern wenig zu tun gehabt. Es ist doch aus diesem
Zusammenvorkommen nicht gerade abzuleiten, dass die Fürsorge für das
Grypotherium uns das Tier erhalten hätte.
Es handelt sich möglicherweise um ganz alte Zustände, wo der Mensch
einfach die Tiere hereingejagt und sie nicht wieder herausgelassen hat;
das waren dann durchaus keine freundlichen Beziehungen. Man braucht
die Domestikation durchaus nicht so auffassen, dass der Mensch dem Tiere
wohlgewollt hat; er kann es auch für sich aufbewahrt haben.
Hr. v. d. Steinen: Ich bin damit vollständig einverstanden, dass der
domestizierte Zustand erst allmählich entstanden ist. Ich glaube auch
alles, was Sie gesagt haben. Ich wende mich nur gegen die Art, wie
Hr Hauthal von Haustieren, womit wir einen feststehenden wissenschaft-
lichen Begriff zu verbinden haben, gesprochen hat. Hr. Hauthal legt
doch unbedingt darauf Wert, das Grypotheriiim so aufzufassen, wie eben
ein Haustier heute aufgefasst wird. So hat er auf die Winterfürsorge
hingewiesen. Mir ist es ungeheuer unwahrscheinlich, dass die Indianer
zu diesem Zweck Gras geschnitten und in die Höhle gebracht haben.
— 133 —
Hr. Hauthäl: Zunächst möchte ich darauf aufmerksam machen, dass
der Bemerkung Nordenski ölds, ich hätte im Argentinischen Wochen-
blatte, <las in Buenos Aires erscheint, geschrieben, in der Höhle sei nichts
zu finden, ein Irrtum zugrunde liegen muss; ich entsinne mich nicht, eine
derartige Äusserung getan zu haben.
Nordenskiöld betont dann, dass in der Höhle deutlich eine Schicht-
folge derart vorhanden sei, dass zu unterst die Grypotheriranschicht, darauf
die Onohippidiumschicht und darauf die Kulturschicht lagere.
Ich kann nur wiederholen, dass nach meinen Beobachtungen es sich
nicht um ein Über- und Nacheinander, sondern um ein Nebeneinander
der räumlich getrennten Kulturschicht und Mistschicht handelt. Gerade
die Grabungen Nordenskiölds. die ja in der so grossen Sohle «loch nur
auf einen verhältnismässig sehr kleinen Raum sich beschränkten, haben die
aus meinen eigenen Grabungen sich mir ergebenden Resultate bestätigt.
N erden sk iöld glaubt nicht, dass die Grypotberien und die anderen
ausgestorbenen Tiere von Menschen getötet werden sind, weil an den
Knochen keine Spuren menschlicher Tätigkeit wahrzunehmen seien. Er
führt die Kritzer, die an den Knochen zu beobachten, auf Sandschliff
zurück - aber gerade dort, wo die Knochen in der .Mistschicht lagern,
ist ja Sand nicht vorhanden und Windwirkung ist dort hinter dem Hügel
im Innern der Höhle ausgeschlossen. Die Kritzer sehen genau so aus,
wie dieselben hervorgebracht werden, wenn das Fleisch von den Knochen
mit einem scharfen Instrument (Steinmesser) abgeschabt wird.
Von Raubtieren behandelte Knochen sehen ganz anders aus. Im
Stuttgarter naturhistorischen Museum ist eine reiche Sammlung von Knochen
aus den Höhlen der schwäbischen Alb vorhanden. Die Knochen nun,
welche aus den Hyänenhöhlen stammen, sind sehr charakteristisch. Die
Hyänen zerfleischten ihre Opfer, zerbissen die Knochen und kauten an
denselben, so dass die abgenagte Oberfläche dieser zersplitterten Knochen
mit den Spuren der Zahneindrücke, der Risse usw. ganz bedeckt ist.
Prof. Fraas in Stuttgart machte mich wiederholt auf den augenschein-
lichen Unterschied aufmerksam, der zwischen den Knochen der von Raub-
tieren zerfleischten Tiere und den Knochen aus der (irypotheriunihöhle
vorhanden. Überdies kann ich hier heute Abend einen Knochen aus der
Mistschicht in der Grypotheriumhöhle vorzeigen, der mir mit anderen
Resten aus der Höhle vom Geh. Bergrat Prof. Dr. Branco mit grosser
Liebenswürdigkeit zur Verfügung gestellt worden ist. An diesem Knochen,
dessen Aussehen genau mit den anderen in der Mistschicht gefundenen
übereinstimmt, sieht man Längsrisse, die nur durch Menschenhand hervor-
gebracht sein können, in der Absicht, aus dem Knochen ein Instrument
zu verfertigen.
Ferner muss ich noch einmal auf die grossen Fellstücke zurück-
kommen.
Nicht der (Jmstand, dass überhaupt grössere Fellstücke von Grypo-
therium erhalten worden sind, wie N ordensk jöld meine Ansicht zu
deuten scheint, weist darauf hin, dass sie von Menschen abgehäutet worden
sind, sondern vielmehr die Art und Weise, wie diese Fellstücke
— L34 —
erhalten sind, und die Umstände, wie sie gefunden wurden, und
es ist mir eine gewisse Genugtuung hier heute Abend darauf hinweisen
zu können, dass auch die zwei grösseren Fellstücke, die ich im Oktober
im British Museum zu London sah, sowie das heute Abend hier von Hrn.
Neumann so bereitwillig ausgestellte Fellstück weitere Beweisstücke für
meine Ansicht sind. Übrigens hat Hr. Neumann ja selber vorhin in
klarer, überzeugender Weise hervorgehoben, warum auch er der Ausicht
ist, dass auch dieses Fellstück von Menschen abgehäutet sein muss.
Hr. Neumann hat auf die verschiedene Färbung hingewiesen, die
die Haare der Grypotherien aufweisen. Ich glaube nicht, dass das sekundär
ist, es sind das ursprüngliche Färbungsverschiedenheiten, wie sie ja auch
bei dem Ameisenbär und dem Faultier zu beobachten sind — irgendwelche
Bedeutung hinsichtlich der Frage nach dem Haustierzustand der Grypo-
therien möchte ich dieser verschiedenen Färbung nicht beilegen.
Hr. v. d. Steinen hat darauf hingewiesen, dass manche Indianer-
stämme die Tiere, welche sie in ihrer Umgebung halten, als eigentliche
Haustiere kaun man sie nicht bezeichnen, nicht essen. Ich glaube, dass
man solche Tatsachen doch nicht verallgemeinern kann. Die Araukaner
und Tehuelches, die in Patagonien wohnen, und die ich aus eigener An-
schauung kenne, halten Pferde und Rinder genau ebenso, wie sie von den
dort wohnenden Farmern gehalten werden. Das Fleisch dieser Tiere
schätzen die Indianer aber viel höher als das der Guanacos, und Fremde,
denen sie etwas besonders Gutes vorsetzen wollen, bewirten sie mit dem
Fleische von der Bauchseite der Stuten.
Auch ist mir wiederholt mitgeteilt worden, dass in Bolivien die Faul-
tiere als Leckerbissen hoch geschätzt sind, genau so wie in Argentinien
die Gürteltiere, die von den Kampbewohnern (Indianern und Europäern,
Paysanos und Christianos) lebend in kleinen Spezialverschlägen aufbewahrt
und gefüttert werden. Genau so denke ich mir den haustierähnlichen
Zustand der Grypotherien, die doch wohl ausschliesslich als Fleisch- oder
Schlachttiere benutzt wurden. Haustiere in unserem Sinne waren sie
(und das gebe ich gern zu) allerdings nicht. Aber das sind im
heutigen Argentinien, namentlich im Innern, die Rinder auch nicht. Die
werden ja doch auch nur als Fleisch- oder Schlachttiere gehalten, sie
leben vollständig frei, werden im Frühjahre und Sommer zusammen-
getrieben, dann wird der Nachwuchs markiert, die als Fleischtiere zu
verkaufenden werden ausgelesen und die übrigen führen ihr wildes, freies
Leben weiter.
In den letzten Jahren erst ist man daran gegangen die Rinder zu
zähmen, um einerseits mehr Fleisch andererseits aber auch andere Pro-
dukte so namentlich Milch zu gewinnen.
Sitzung \ .»in 20. Februar 1904.
Vorsitzender: Hr. Lissauer, später Hr. Waldeyer.
(1) Von Florenz traf die Nachricht ein, dass unser langjähriges
korrespondierendes Mitglied, der Baron von Ujfalvy von ßiezö llövesd
daselbst gestorben ist. Er hat sich durch seine wiederholten Reisen in
Zentralasien und durch seine Studien über die Ethnologie und Sprachen
der Turanier, der Magyaren, Finnen und Altaivölker sehr verdient ge-
macht.
Auch ans der Zahl der ordentlichen Mitglieder wurden uns zwei durch
den Tod entrissen, der Professor Dr. Ferdinand Ascherson, früherer
Oberbibliothekar der Kgl. Universitätsbibliothek, und der Sanitätsrat
Dr. Rosenthal, beide in Berlin. Wir werden allen dreien ein treues
Andenken bewahren. —
(2) Der Vorstand hat in Übereinstimmung mit dem Ausschuss in
seiner Sitzung am 12. d. M. die um unser Forschungsgebiet hochverdienten
Herren
Salomon Rein ach, Konservator des Musee de St. Germain
en Laye,
Koganei, Professor der Anatomie in Tokio, und
Tsuboi, Professor der Anthropologie in Tokio und Vorsitzenden
der Anthropologischen Gesellschaft daselbst.
zu korrespondierenden Mitgliedern ernannt. —
(:>) Als neue Mitglieder werden gemeldet:
Hr. Privatier Stegeinann, Charlottenburg.
Hr. Dr. Lanz-Liebenfels, Rodaun bei Wien,
Hr. Professor Ernst Koeber, Historienmaler, Berlin,
Hr. Professor Dr. Ernst Masche, Haiensee,
Hr. Wilhelm .Müller, Salzwedel.
Hr. Julius Knapp, Berlin,
Hr. Dr. Rosenow, Arzt. Eberswalde,
Frau Professor Selenka. München.
Wieder eingetreten ist nach seiner Rückkehr aus Turkestan
Hr. Professor Grünwedel in Berlin. —
(4) Hr. Dr. Strebel in Hamburg sowie die archäologische Sektion
des Museums des Königreichs Böhmen haben für die Glückwünsche der
Gesellschaft zu den von ihnen im Januar gefeierten Jubiläen ihren Dank
ausgesprochen.
— 136 —
Auch der Coppernikus -Verein in Thorn beging am 18. d. M. die Feier
seines 50jährigen Bestehens: der Vorstand hat dem Verein telegraphisch
die besten Wünsche für sein ferneres Gedeihen übersandt. —
(5) Eine Anzahl von Folkloristen in Deutschland haben auch unsere
Gesellschaft zu einer Konferenz über die Bildung eines festen Verbandes
aller volkskundlichen Vereine und Forscher am Mittwoch, den (5. April d. J.,
nach Leipzig eingeladen. Vorstand und Ausschuss haben zum Vertreter
der Gesellschaft Hrn. Sökeland erwählt, der auch das Mandat freundlichst
angenommen hat.
In Basel wird vom 30. August bis 2. September d. J. der II. Inter-
nationale Kongress für Allgemeine Religionsgeschichte tagen. Die Mit-
glieder unserer Gesellschaft werden eingeladen, an diesen gewiss sehr
interessanten Verhandlungen teilzunehmen; der Beitrag ist auf 20 Fr. fest-
gesetzt. Die Anmeldungen nimmt Hr. Prof. Alfred Bertholet in Basel
(Leonhardstrasse 8) entgegen.
In Mailand soll im nächsten Jahre eine retrospektive Ausstellung
über das Transportwesen stattfinden, zu deren Beschickung die Gesellschaft
durch ein vorläufiges Programm aufgefordert wird. —
(0) Hr. Prof. Klaatsch hat Anfangs dieses Monats eine Forschungs-
reise nach Australien angetreten und sendet der («esellschaft noch von
Genua aus herzliche Grüsse. Er reist unter sehr günstigen äusseren Um-
ständen, „da sein Begleiter, Hr. Clotten, der in North Queensland Berg-
werksinteressen vertritt, aber auch für ideale Ziele sich begeistern kann,
ein ungewöhnlich energischer und intelligenter Mann ist und seine viel-
seitigen Erfahrungen und Verbindungen in Australien ganz in den Dienst
der Expedition stellt."
unter gleich günstigen und ehrenvollen Verhältnissen wird sich
Hr. Hubert Schmidt in den nächsten Tagen zur Ausgrabung von Kur-
ganen und prähistorischen Ansiedelungen als Mitglied der Expedition des
Hrn. Pumpelly und im Auftrage der Carneggie Institution in Washington
nach Russisch Turkestan begeben.
Wir dürfen von diesen Expeditionen reiche Ergebnisse für die Anthro-
pologie erwarten und wünschen beiden Forschern den glücklichsten Verlauf
für ihre weiten Reisen. —
(7) Der am !). Januar neu gewählte Ausschuss hat in seiner ersten
Sitzung satzungsgemäss Hrn. von Kaufmann wiederum zum Obmann
gewählt. —
(8) Die Kgl. Generalverwaltung hat auf unser Ersuchen einen neuen
Schrank für unsere stetig wachsende Bibliothek anfertigen lassen, für
dessen Aufstellung wir uns zu grossein Danke verpflichtet fühlen. —
((J) Unsere anthropologische Sammlung hat eine wertvolle Bereicherung
erfahren durch Übersendung zweier Skelette aus der Gegend von Worms,
welche aus römischen bezw. fränkischen (iräbern herstammen und uns
von Ihn. Koehl zum Geschenk gemacht worden sind. Wir sprechen
demselben auch an dieser Stelle dafür unseren besten Dank aus. —
— 137 —
(10) Hr. W. Herrmann übersendet einen Ausschnitt aus dein
argentinischen Wochenblatt in Buenos Aires vom C>. Mai des v. .1., in
welchem das
Auftreten des Mongolenfleckes
bei den Maja-Indianern konstatiert wird Die Stelle lautet:
Auf eine völkerkundliche Merkwürdigkeit, für die eine Erklärung
vorläufig nicht gefunden ist, macht der amerikanische Forscher Frederick
Starr aufmerksam.' Es war schon früher von den Japanern und Eskimos
und noch einigen Völkerstämmen bekannt, dass bei den Individuen von
reiner Abstammung an einer Stelle des Rückens ein eigentümlicher Fleck
vorhanden ist, der dann in späterem Alter verschwindet. Starr erfuhr
nun im Jahre 1901 während einer Keise auf der Halbinsel Yukatan von
einem dortigen Priester, dass unter den daselbst lebenden Maya-Indianern
ebenfalls ein solches Adelszeichen in Gestalt eines blauen oder purpur-
roten Fleckes in der Gegend der Sakralwirbel vorkommt. Es wurde
noch berichtet, dass die Indianer diesem Fleck den Namen Uits (Brod)
geben, und dass es für einen Maya als Beleidigung gilt, von diesem Alt-
zeichen sprechen zu hören. Bei seiner letzten Anwesenheit ist dann
Starr der Sache weiter nachgegangen und hat in der Tat an sieben
Maya-Babies von reinem Indianerblut in jedem Fall den fraglichen
Fleck gefunden. Allerdings scheint bei diesem Indianerstamm das .Mal
mehr im Verschwinden begriffen zu sein als bei den Japanern und anderen
Volkerschaften, da es schon unkenntlich zu werden pflegt, wenn das Alter
von zehn Monaten überschritten ist. Auffallend ist, dass andere Stämme
jenes mittelamerikanischen Gebiets, z. B. die berühmten Azteken, jenen
Fleck nicht aufweisen. —
(11) Hr. Schmeltz -Leiden teilt mit, dass die berühmte Nephrit-
platte zu Leiden (vgl. diese Zeitschrift l!>0o, S. 553) sich jetzt im Rijks
Ethnographisch Museum und nicht mehr wie früher im Museum für Alter-
tümer daselbst befindet. —
(l'J) Hr. Schnippel schreibt aus Osterode i. Ostpr. vom 15. Jan. d. J.:
In dem Berichte der „Nationalzeitung" über die Januarsitzung der
Anthropologischen Gesellschaft lese ich eine kurze Notiz über neue Funde.
betreffend
die prähistorische Brettchemreberei,
von der sich Spuren an sehr verschiedenen Stellen und aus sehr ver-
schiedenen Zeiten finden, die aber richtiger wohl als Gurt- (Gürtel-) oder
Bortenflechterei zu bezeichnen ist. Vielleicht interessiert im Anschluss
daran das beifolgende Bild einer russischen Bäuerin aus Snprasl bei
Bialystok (Gouvernement Grodno), die diese in dortiger Gegend noch
lebendig erhaltene Kunst ausübt, wobei freilich anstatt der Brettchen zwei
Knebel, der eine als Handhabe, der andere, mit kleinen Zwirnenden
versehen, zum Auseinanderhalten der Fäden, benutzt werden.
Der Name derartiger Borten ist russisch: Moncb, die Landschaft bei
Suprasl bildet aber das interessante triplex confinium, wo russische —
— 138 —
die am weitesten nach Westen vorgeschobenen — , polnische und auch
noch litauische Bevölkerungen zusammenstossen (vgl. z B. die Kiepertsche
Völkerkarte), und bemerkenswert ist, dass jedes Dorf hier seine
eigenen Muster hat. Eine schöne Probe von einer derartigen Flechterei
besitzt übrigens die Sammlung des hiesigen Gymnasiums.
Russische Bäuerin aus Suprasl bei Bialystok, Borten flechtend.
Es mag Vorstehendes zugleich auch eine nützliche kleine Ergänzung
zu dem bekannten Werkchen von Frl. Margarete Lehmann-Filhes ent-
halten. —
(13) Hr. E. Förstemann übersendet eine Mitteilung über
die Lage der Ahaus bei den Mayas.
Sei er hat in seiner Abhandlung „Die wirkliche Länge des Katun der
Mayachroniken" (in den Verhandlungen der Berliner anthropologischen
Gesellschaft 1895, S. 441 — 449, neu herausgegeben in seinen gesamten
Abhandlungen I, 577 — .r)87) zu beweisen gesucht, dass der mit Katun be-
zeichnete Zeitabschnitt derselbe ist wie der als Ahau bezeichnete, das
heisst eine Dauer von 7200 — 20 • 360 Tagen.
Diese Ahaus .wurden aber mit dem Tage der dreizehntägigen Woche
versehen, mit dem sie beginnen, und da 7200 = 553- 1 H — | — 1 1 ist, so
musste dieser Wochentag bei jedem folgenden Ahau um 2 sinken. Es
folgen also die Ahaus 13, 11, 9, 7, 5, 3, 1, 12, 10, 8, 6, 4, 2 aufeinander,
so dass also XIII ahau nur der Dreizehn-Ahau, nicht der dreizehnte Ahau
zu lesen ist, wie zuweilen irrtümlich gemeint wird.
Ich stimme in dieser Auffassung der Dauer der Ahaus vollkommen
mit Sei er überein, bin jedoch nicht darin ganz sicher, ob wirklich die
Gleichsetzung von Katun und Ahau für alle Zeit und für das ganze JVIaya-
gebiet gegolten hat. Man hat auch (und ich bin darin eine Zeitlang ge-
folgt) den Katun für 24 • 305 = 87G0 Tage angenommen, ja es ist mit
dem Worte zuweilen auch die grosse Periode von 52 • 365 = 18 980 Tagen
bezeichnet, wie das sechsfache davon 113 880 als ahaukatun.
Doch alles das ist für das folgende gleichgültig, da wir es hier mit
— 139 —
den Ahaus von 7200 Tagen zu tun haben, dem zwanzigsten Teile des
Cyklus von 144 000 = 400 • 360.
Eieran knüpft sich nun die mich seit, einiger Zeii besonders anziehende
Präge: Wie verhält: sich die Lage der Ahaus zu unserer Zeitrechnung?
eine Frage, deren sichere Beantwortung uns jedenfalls sehr wichtige Er-
gebnisse herbeiführen nniss.
Nun ist auch Seier dieser Innige näher getreten und hat in der Zeit-
schrift der anthropologischen Gesellschaft 1895, 8.446 und in demselben
Jahre in einem andern verdienstvollen Aufsatze ((Jlobus, Bd. 68, Nr. 3),
beide abgedruckt in seinen gesammelten Abhandlungen 1, S. 584 und 591,
folgenden Versuch gemacht, diese Beziehungen festzustellen, wobei ich
nur die von ihm gebrauchten Namen der Uinal durch die ihre Stelle im
Jahre bezeichnenden Zahlen ersetze, wie wir das mit unsem .Monaten
auch öfters tun:
VIII 17; 7,9 (11 ix) = 14:3C.
VI 17; 7,4 (5 &0 = 1455.
IV 17; 12,17 (11 muluc) = 1475.
II 17; 12,12 (5 muhte) = 1495.
XIII 17; 12,7 (VI muluc) = 1514.
XI 17; 12,2 (6 muluc) = 1534.
IX 17; 17.15 (12 kan) = 1554.
VII 17: 17.10 {in kan) = 1574.
V 17; 17,5 (13 Ana) = 1593.
Ich habe gegen diese Aufstellung dreierlei einzuwenden:
1. sie beruht auf einigen Angaben der Bücher des Chilam Balani.
einer nach Seiers eigener Äusserung sehr trüben Quelle.
2. sie geht davon aus, dass die Uinal mit den Tagen kan, muluc, ix,
cauac (1, 6, 11, 16) beginnen, während doch sowohl im Dresdener
Codex als in dem grössten Teile des Mayagebietes, wie auch Sei er
anerkennt, die Tage ben, ezanab, akbal, lamat (10, 15. 20, 5) diesen
Anfang bildeten, so dass der Tag ahau nur an den Stellen 3, 8,
13, 18 des Uinal, nicht in 2, 7, 12, 17 stehen kann. (Vgl. Gates,
the Maya and Tzental calendars, Cleveland 1000);
3. sie hat anscheinend nur einen rein zufälligen, keinen irgendwie
sonst bedeutenden Tag zur Grundlage, das heisst beim Anfange.
Denn rechneu wir von Seiers VIII Ahau zurück 3*7200 = 21600
= 59 • 365 -f- 65 Tage, so finden wir I Ahau; :'>, 6 (4 cauac).
Nun aber liegt mir weniger daran, gegen Seier als vielmehr gegen
mich selbst mich auszusprechen, wenn sich nicht unser beider Ansichten
vereinigen lassen, was ich allerdings glaube. Ich habe nämlich denselben
Versuch gemacht wie er, und zwar in meinem Aufsatze „Der zehnte
Cyklus der Mayas", im (Jlobus, Bd. 82, Nr. 9 (1902). Ich ging dabei von
der jedenfalls berechtigten Ansicht aus. dass es am natürlichsten s.d.
wenn sich die zwanzig Ahau eines Cyklus so an den letzteren anschlössen,
dass der Cyklus mit dem ersten Tage eines Ahau beginnt und mit dem
letzten eines andern endet. 80 ergab sich mir folgende Tabelle:
- 140 —
VIII 17; 13,12 (11 muhte), 1 296.000 = 1138.
VI 17; 13,7 (5muluc), 1303 200 = 1158;
IV 17; 13,2 (VI muhte), 1310400 = 1178.
II 17; 18,15 (5 kan), 1 317 600 = 111)7.
XIII 17; 18,10 (12 kan), 1 324 800 = 1217.
XI 17; 18,.") (6 kan), 1332 000=1237.
1X17; 23,18 (12 cauac), 1339*200 = 1256.
VII 17; 3,14 (6 cauac), 1 34G 400 = 1276.
V17; 3,9 (13 cauac), 1 353 000 = 1296.
III 17; 3,4 (7 cauac), 1360 800=1316.
117; 8,17 (13*.»), 1368 000=1335.
XII 17; 8,12 (1 ix), 1375 200=1355.
X17; 8,7 (l ix), 1382 400=1375.
VIII 17; 8,2 (Six), 1389 600=1395.
VI 17; 13,15 (Ivnuluc), 1396 800= 1414.
IV 17; 13,10 (Smuluc), 1404 000=1434.
II 17; 13,5 (2 muluc), 1 411 200 = 1454.
XIII 17; 18,18 (ß kan), 1418 400=1473.
XI 17; 18,13 (3 kan), 1 425 600 = 1493.
1X17; 18,8 (9 kan), 1 432 800 = 1513.
Für meine Aufstellung- spricht es jedenfalls, dass sieben A^on den hier
mitgeteilten Millionenzahlen (s. meinen „zehnten Cyklus") auch auf den
Denkmälern vorkommen, die sich oft an die Ahaus und deren Viertel an-
schliessen. Dagegen vereinigen sie sich nicht mit den verworrenen Daten
der historischen Quellen, von welchen Daten ich die fünf glaubwürdigsten
ebendaselbst angeführt habe, die aber alle erst von 1500 ab erscheinen.
Xun muss ich noch ferner etwas höchst Merkwürdiges und noch nicht
g-anz Erklärliches anführen:
Im Dresd. Bl. 24 finden wir (s. Kommentar S. 50) die Zahl 1 364 360
bei dem Datum I 17; 18,17 (3 kan), welches ich (zehnter Cyklus der Mayas)
in das Jahr 1325 setze. Dasselbe Datum kehrt erst nach 52 Jahren oder
18 980 Tagen wieder im Jahre 1377 und hat hier die Zahl 1383 340.
Hiermit vergleiche man meine obige Angabe über den I ahau: 1 368 000
I ahau; 8,17 £13 ias) = 1335. 1383 340—1368 000 ist aber = 15 340
= 59 • 260= 42 ■ 365 -j- 10 und genau nach 42 Jahren nimmt Seier
„Korrekturen der Jahreslänge" (Zeitschr. f. Ethnol. 1903, S. 29), den Ein-
schub von 10 Tagen an.
Dies wunderbare Zusammentreffen hat mich auf den Gedanken ge-
bracht, dass überhaupt die Lage der Ahaus zusammenhängen könne mit
jenem Datum des Dresd. I 17; 18,17 (3 kan), das allen dortigen astro-
nomischen Rechnungen zu Grunde liegt, z. B. denen auf den Blättern
46 — 50. Dann würde sich die Folge der Ahaus so gestalten:
I 17; 18,17 (ßkan), 1 383340 - 1377.
Xu 17; 18,12 (10 kan), 1 390 540 = 1397.
X 17: IS.7 (4 kan), 1397 740= NI7.
VIII 17: 18,2 (II kan\ 1 loi 940 = 1437.
— 141 —
VI 17; :;.Hi (-icauac). 1 1 1 _' 1 40 = 1456;
IV 17: 3,11 (11 <■„„,„■). l il'.i :;io = U76.
II 17; :;.(i (:> cauac). 1 126 540 = 1496.
XIII 17; 3,1 (12 cauac . I !:;:) 7 1«) L516.
XI 17; 8,14 (5 w), 1 11' »'.140 - L535.
IX 17: 8,9 (12 ia\ L 448 140 = L555.
VII 17; 8,4 (6 ix), 1 455340 = L575.
V 17; l:;.17 (lZmuluc), 1 t62 540 = L594.
III 17; L3,12 (<omuluc), 1464740= 1614.
Nach dieser Reihe habe ich bereits in meinem Aufsatze über die
Stela .1 von Copan den Anfang des II Ahau angesetzt und in meiner Ab-
handlung über die tnsehriften von Yäxchilan mich darüber ausgesprochen,
dass mein früheres Ausgehen vom Anfange des zehnten Cyklus in 1138
wirklich die frühere, das hier aber Mitgeteilte, von 1377 ausgehende, die
spätere Bezeichnungsweise betraf. Diese zweite Art stimmt auch nahezu
mit der Rechnung Seiers, denn dass ich von ihm um ein einziges Jahr
abweiche, beruht wohl nur darauf, dass das Mäyajahr anders anfing als
das unsrige, welches leicht in ein vorhergegangenes und leicht in ein
folgendes .Maviijahr eingreifen konnte.
.Meine frühere Aufstellung wies aber auf eine stets um 42 Jahre
frühere Zeit hin als die jetzige und das stimmt auffallend zu Seiers
Korrektur der Jahreslänge. Wann mag das ..Pop set in order" erfolgt
sein? —
(14) Hr. Otto Schoetensack in Heidelberg berichtet folgendes
zur Nephritf rage :
Von den mir durch Hrn. J. Heier] i zur Untersuchung übergebenen
13 mehr oder weniger bearbeiteten Gresteinsstücken aus einem Pfahlbau
des Zuger Sees erwiesen sich drei als Nephrit, deren genaue Beschreibung
unten folgt.1) Die übrigen von bedeutend niedrigerem spezifischen Ge-
1) Diese Abhandlung wurde von mir im April 1900 au Hrn. J. Heierli in Zürich
eingeschickt nebst -_"J Dünnschliffen, die ich bat bei den Steinen zu lassen, gleichviel ob
diese in seinem Privatbesitz bleiben oder in eine öffentliche Sammlung übergehen, damit
eine Kontrolle über meine Untersuchung ausgeübt werden könne. Hr. Heierli zeigte
mir den Empfang meiner Abhandlung an mit den Worten: „Es ist nun mit Ihrer Unter-
suchung ein wichtiger Schritt zur Lösung der Nephritfrage gethan, wie ich glaube.
Nochmals Dank!" Mein Wunsch, dass ein in der Schweiz ansässiger Petrogruph durch
die für meine Rechnung von Voigt & Hochgesaug in liöttingen vortrefflieh aus-
geführten Dünnschliffe angeregt werden möge, der Nephritfrage in umfangreicherem Blasse
nachzugehen, ging in Erfüllung, indem Hr. A. Bodmer-Beder in Zürich in dankens-
werte" Weise eine gründliche petrographische Untersuchung darüber im Neuen Jahrb. f.
Min. 1H02 S. 166 198 veröffentlichte. Hr. .!. Heierli gab einen Auszug daraus in dem
Anzeiger f. Schweiz. Altertumskunde Nr. 1, 1902, indem er archäologische Bemerkungen
hinzufügte. l>a aus keiner der beiden Arbeiten zu ersehen i-t. welche Vorarbeit von mir
in dieser Sache geleistet wurde, worüber ich übrigens Niemandem einen Vorwurf machen
will, so halte ich es zur Wahrung der Priorität für geboten, den Teil meiner im April
1900 abgeschlossenen Untersuchung, der jetzt uoch ein allgemeines Interesse in Anspruch
nehmen dürfte, hier nachträglich zu veröffentlichen.
— 142 —
wichte und geringerem Härtegrade zeigen unter dem Mikroskop ein äusserst
dichtes Gemenge von Serpentin- und chloritartigen Substanzen mit
schwacher Doppelbrechung. Da sie aller Wahrscheinlichkeit nach
dem von den Centralalpen stammenden Gletscherschutt ent-
nommen sind, so ist anzunehmen, dass die Nephrite die gleiche
Herkunft haben, insbesondere spricht dafür das Fragment eines
geschliffenen Beiles (Nr. 11), dessen Material als eine Art
Bindeglied zwischen Nephrit und Aktinolithschiefer bezeichnet
werden kann. Wie Hr. Professor A. Sauer, der so liebenswürdig
war, mir seine reichen petrographischen Erfahrungen bei dieser Unter-
suchung zur Verfügung zu stellen, mir mitteilte, sind die Alpen in petro-
graphischer Beziehung noch keineswegs gründlich erforscht, es werden
vielmehr beständig, sowohl für ein engeres Gebiet wie auch für die Alpen
überhaupt, neue Gesteine aufgefunden. So gelang es ihm in der Nähe
einer sehr begangenen Strasse am Sustenpass „Wollastonit" festzustellen,
der bisher aus den Alpen überhaupt nicht bekannt war. Es ist daher zu
hoffen, dass auch noch Nephrit anstehend in den Centralalpen aufgefunden
werde.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, dass ja auch durch
die Auffindung anstehenden Nephrits in Schlesien (bei Jordansmühl
in Verbindung mit Granulit und Serpentin, bei Reichenstein zusammen
mit Serpentin, serpentinhaltigem Kalkstein und Diopsid sowie auch Tremolit
und Chlorit)1) und durch die von F. Berwerth und A. B. Meyer (vgl.
Globus vom 6. Mai 1899) veröffentlichten Funde von Rohnephrit in Steier-
mark die Annahme, dass dieses Mineral überhaupt nicht in Europa heimisch
sei, als irrig erkannt ist
Hinsichtlich des schlesischen Vorkommens ist noch zu bemerken, dass
nur ein Beil daher, dasjenige von Ohlau, welches ich als Nephrit erkannte
und beschrieb (Zeitschrift f. Ethnol. 1891, Verh. S. 596), sowie eine
Nephriteinsprengung an einem Serpentinbeile von Gnichwitz (Zeitschrift
f. Ethnol. 1884, Verh. S. 358) bekannt geworden siud. Das schlesisclie
Nephritvorkommen hat also in prähistorischer Zeit keine Rolle gespielt,
„dagegen beweist — wie H. Traube, der Entdecker des Jordansmühler
und Roichensteiner Nephrits gelegentlich der Besprechung des letzteren
im Neuen Jahrb. f. Min. 1887 II, S. 278 bemerkt — der erneute Fund,
der wiederum an einem sehr besuchten und öfters mineralogisch und geo-
logisch durchforschten Orte erfolgte, wie leicht er übersehen werden kann,
und die Wahrscheinlichkeit, dass er auch in der näheren oder weiteren
Umgehung der Gebiete anstehend vorkommt, wo er im verarbeiteten Zu-
stand angetroffen wurde, liegt sehr nahe."
Beschreibung der Nephritartefakte aus einem Pfahlbau
des Zuger Sees.
Nr. 8. Fragment eines sorgfältig geschliffenen Nephritbeils, dessen
Gestalt und Grösse nicht mehr feststellbar ist. Zwei zum Teil noch er-
lj H. Traube, Leopoldina XX, 1884 Nr. 7-8; Neues Jahrb. f. Min. 1884, Bd 111
und 1885, Bd. II.
— 143 —
haltene Flächen lassen auf einen oblongen Querschnitt schlieesen. Das
Bruchstück ist AI mm lang, 21mm breit und 7 mm dick.1; Die Farbe ist
grüngrau, wolkig (Radde 37 k—n), 11= 6—7, spez. Gewicht = 2,98. Der
makroskopische Habitus des .Minerals ist schieferig, blätterig. Im Dünn-
schliffunter dem Mikroskop zeigt dasselbe ein feinfaserig filziges Gewebe von
farbloser Hornblende mit bald divergent Btrahliger, bald verworren ge-
stauchter Anordnung dm- Faserelemente. Aus diesem Gewebe leuchten
/.wischen gekreuzten Nicols hier und da einige grössere Hornblende-
stengelehen hervor, die eine Ä-uslöschungsschiefe ron 15—17° aufweisen.
Enterpositionen, wie opake Erze u. dergl. fehlen.
Nr. 10. Splitter eines sorgfältig geschliffenen Nephritartefaktes.
Länge 30 mm, Breite 26 w, Dicke 3 mm. Die Farbe ist einheitlich gras-
grün (Radde I4f), H = 6— 7, spez. Gewicht = 3,04. Bruch splitterig,
zum Teil auch schieferig sieh absondernd. Das Mineral wird vor dem
Lötrohr weiss gebrannt und schmilzt in dünnsten Kanten schwer zu Glas.
Es erscheint äusserlich homogen und weist nach der Mitte ein äusserst
dichtes faseriges Gefüge auf. Das optische Verhalten spricht für Nephrit.
Nr.ll. Fragment eines geschliffenen Nephritbeils. Das noch er-
haltene <S7 mm lange Stück ist unregelmässig gestaltet, ölten 39, unten
nur noch 29 mm breit und ca. 14 mm dick. Es zeigt noch auf zwei Seiten
Schliffflächen, die auf einen oblongen Querschnitt schli essen lassen, im
übrigen nur Bruchflächen. Die Farbe ist zum Teil gelbgrün (Radde 10g .
meist aber viel heller. H = ca. 6, spez. Gewicht = "_\!>7. Das Gestein
besitzt äusserlich eine sehr ausgeprägte Schieferung und erinnert an einen
feinfaserigen Aktinolithschiefer. Nach der Mitte zeigt es eine verworren
und gestaucht faserige Struktur. Die Faserung wird einerseits zu einem
äusserst feinfaserigen Gewebe, andererseits geht sie in eine mehr oder
weniger parallel-stengelige Anordnung über.
(15) Von Hrn. Hubert Schmidt sind zwei Abhandlungen über
die Keramik der makedonischen Tumuli bei Saloniki, sowie
Troja-Mykenae-Ungarn.
Archäologische Parallelen
feiner von'
(16) Hrn. Mathe ws aus New Süd-AVales eine Abhandlung
Some Initiation (Jeremouies of tlie Aborigines of Victoria
eingegangen, welche später erscheinen werden. —
(17) Hr. Götze überreicht einen Bericht über
Ausgrabungen von Hügelgräbern bei Seigenau, Zedlin und Rowen
und
(18) Hr. Domnick in Pfaffendorf einen Bericht über
Prähistorische Funde im Kreise Beeskow-Storkow,
welche in den Nachrichten über deutsche Altertumsfunde veröffentlicht
werden. —
1) D i e Masse geben jeweils die grösste vorhandene Lange, Breite und Dicke der
Gegenstände an.
— 144 —
(1!») Hr. F. W. K. Müller demonstriert
ethnologische Objekte aus Japan,
welche von Hrn. Prof. Dr. K. Florenz in Tokio als Geschenk an das
Kgl. Museum für Völkerkunde in Berlin übermittelt worden sind. Der
Wortlaut der Original-Liste ist der folgende:
Nr. 1—24 aus dem Universitätsmuseum; Notizen dazu nach Angaben
von Prof. S. Tsuboi aufgenommen.
No. Xames of objects:
1. „Haniwa" Image. Warrior (copied from
the original in possession of Mr. Negishi).
2. „Haniwa" Image, Woman (copied from the
original in possession of Mr. Negishi).
3. Head of a „Haniwa" Image, discovered near
a sepulchral mound.
4. „Iwaibe" Pottery, made by the Ancestor
of the present Japanese.
5. Stone-Age Pottery.
6. do.
7. do.
*. do. Mat impressiou is to
be seen on the lower surface of the bottom.
9. do.
10. Pottery, made by the aborigines of Kötö-sho,
or Botel-Tobago. Xow in use.
11. Model of a boat . . .
1*2. Sword, used by the Paiwan, the Southern
Natives of Formosa.
15. Body Cover, used by the Northern Natives
of Formosa.
1(5. Necklace, ■ made of Agate Cylinders. .Manu-
factured by the Chinese and used by the
Eastern Natives of Formosa.
17. Basker. niade by the aborigines of Kötösho
or Botel Tobago.
18. Bat . . .
19. Tobacco Pipe, made of Baniboo, used by
the Buniin the Southern Natives of Formosa.
20. Ear Ornaments worn l>y the Northern Na-
tives of Formosa.
21. „Haniwa" Cyjindor, discovered near a se-
pulchral mound.
Localities:
Kami-Chfijö-Mura, Sai-
tama-Göri, Musashi.
Öya - Mura, Hiki - Göri,
Musashi.
Higashi -Yajima, Kuai-
Mura, Nitta-Göri, Köt-
suke.
Kuroda - Mura, Miyako-
Göri, Buzen.
Kamegaoka, Nishi-Tsu-
garu-Göri, Mutsu.
V
?
Shiizuka, Inashiki-Göri,
Hitachi.
Fukuda-Mura, Inashiki-
Göri, Hitachi.
Kötösho, or BotelTobago.
an island, situated on
the south east of the
Main Island of Formosa.
do.
Formosa.
do.
do.
Kötösho or Botel Tobago.
do.
Formosa.
do.
llitaclii.
— 145 —
No. Names of objecto: Localities:
•_'•_'. Chipped Stone-Axes, made by the Btone- Near the river Tama,
Age People of Japan. Musashi.
23. <lo. Nozawa-Mura, Kawachi-
Göri, S 1 1 i 1 1 1 r > r s u k o .
J4. Stono Arrow-Heads, made by the Stone- Sakurakawa-Murajzawa-
Age People of Japan. Göri, Rikuchu.
25. Polished Stone A\, made by the Stone-Age Shimotsuke.
People of Japan.
2<!. do. Hokkaidö or the Island
of Yezo.
Weiter Nr. '27 — 32. bezeichnet als Nr. 1-4. von einem Hin. Nunaka
verschafft.
Nr. 1: iwaibe aus alter Zeit. Provinz Bitchü, Kayö göri, Takamatsu-
mura. Takeda.
Nr. 2: kleines iwaibe, unterer Teil (zum Hineintun von shokumosu,
ohne Deckel). Provinz Suruga, Abe-göri, Fukuori-mura.
Nr. 1 und 2 sind alte japanische Gegenstände!
Nr. 3: grosses dassei sekifu aus Provinz Shimotsuke, Kawa-uchi göri,
Nozawa-mura.
Nr. 4: 5 kleine dito, aus Provinz Musashi. Tamagawa-engan.
Xr. 5: Kawa-hagi-dögu aus Provinz Mutsu, Käme ga oka.
Nr. 3 — 5 stammen aus der Steinzeit!
(20) Hr. Hubert Schmidt spricht über
die spätneolitkischen Ansiedelungen mit bemalter Keramik am oberen
Laufe des Altflusses.
Hr. Julius Teutsch hat im letzten Jahre in der Nähe von Kronstadt
an beiden Ufern des Altflusses Ausgrabungen gemacht und an mehreren
Stellen neolithische Ansiedelungen gefunden.
Es sind zwei Gesichtspunkte, die mich veranlassen, die Sache hier
zur Sprache zu bringen. Einmal sind höchst merkwürdige Tonstempel
gefunden worden, die etwa die Form von Kegeln haben, mit Durch-
lochungen zum Durchziehen eines Fadens. Diese Tonstempel sind mit
Mustern versehen, und zwar sind sie plastisch aufgesetzt. Die Abbildungen
zeigen, dass es entweder einfache oder S-förmige Spiralen sind. Hr.
Teutsch nimmt ganz richtig an, dass diese Geräte zum Tätowieren, zum
Körperbemalen gedient haben. Er zieht dabei Stellen aus der antiken
Literatur heran, die uns über die Tätowierung der Thraker und Thrake-
rinnen überkommen sind. Wir werden uns also den Vorgang so zu denken
haben, dass diese Stempel mit einer Farbmasse eingerieben und dann auf
den Körper auf gedrückt wurden. Je Dach <\w Beständigkeit der Farbe
kann man annehmen, dass die Farbe selbst die Tätowierung darstellt oder
aber die Vorzeichnung war für die eigentliche Tätowierung. Diese Stempel
sind deshalb interessant, weil dadurch die Ansicht bestätigt wird, dass die
Spiralornamente überhaupt mit der Körperbemalung zusammenhängen und
Zeitschrift fttr Ethnologie. Jahrg. 1904. j^i
- 146 -
also wohl eine Übertragung' von dem Körper auf das Gefäss statt-
gefunden hat.
Ein weiteres Interesse bieten die Gefässe mit bemalter Keramik und
zwar deshalb, weil Hr. Teutsch diese als barbarische Nachahmung der
mykenischen Vasenmalerei bezeichnet. Das ist meiner Meinung nach aus
zwei Gründen nicht richtig. Einmal ist die Entwickelung der mykenischen
Vasenmalerei sicherlich jünger als die hier vorliegende; der zweite Grund
liegt in der Technik.
Ausser der gewöhnlichen rohen Ware, die man überall findet, ist eine
sehr feine monochrome Ware gefunden worden, die sich durch aus-
gezeichnete Glättung hervorhebt. Die bemalte Keramik knüpft technisch
an diese monochrome an. Die einfachste Gruppe ist die mit Weissmalerei;
hier wird eine weisse matte Farbe auf den monochromen polierten Unter-
grund gesetzt. Eine zweite Gruppe verwendet weiss und rot. Nach den
Stücken, die ich hier vor mir habe, dient die weisse Farbe in dem Falle
als Unterlage für das Rot, vielleicht um das Rot besser auf dem polierten
Untergrunde haften zu lassen. Möglicherweise sind aber nach dem, was
Teutsch darüber sagt, auch solche Stücke vorhanden, die das Rot auf
monochromem Untergrunde verwenden.
Dann kommt die polychrome Gattung. Hier können wir nach der
Technik eine Reihe von Untergruppen unterscheiden. Bei der ersten
Gruppe wird zunächst das Gefäss farbig überzogen und dann die Malerei
aufgesetzt und zwar schwarz und weiss auf einem bunten, d. h. rotbraunem
oder gelbem Untergrunde. Hier also wird das Weiss auf die braune
Farbe aufgesetzt. Bei einer zweiten Gruppe wird weiss und braun neben-
einander gesetzt, oder sclnvarz auf braun neben weiss. Bei einer dritten
Gruppe werden diese Farben ziemlich gleichberechtigt nebeneinander ver-
wendet, und bei einer vierten Gruppe werden 4 Farben verwendet.
Wir haben nur ein Fragment davon, wo braun, creme oder weiss
nebeneinander gesetzt werden und dann eine schwarze und eine weiss-
graue Farbe als Randfarbe daneben gesetzt ist.
Es geht aus dieser Technik hervor, dass die Gefässe garnichts mit
dem, was man im Mittelmeergebiet unter mykenischer Vasenmalerei ver-
stellt, zu tun haben. Dagegen sind die Beziehungen zu der ägäischen
Kultur wichtig, wrelche in der Weissmalerei der einfachsten Gruppe ge-
geben sind. Diese finden wir sowohl in Troja wie in einer Nekropole
bei Smyrna, weiterhin in Gefässgruppen aus Südrnssland, Rumänien,
Galizien, Mähren und Niederösterreich, ferner in einer Gruppe von Ge-
fässen, welche in jüngster Zeit aus Ostrumelien vorliegen. —
(21) Hr. E. Sei er spricht
über Steinkisten, Tepetlocalli mit Opferdarstellungen und andere
ähnliche Monumente
und
(22) llr. von I hin sc mann
über den Einfluss der Rachitis auf die Schädelform.
Beide Vorträge werden später erscheinen. —
— 147 —
(23) Hr. l'aul Bartels spricht
über ein ös praebasioccinitale, Sergi (Os basioticum, Albrecht)
an einein Chinesenschädel.
Es sind bisher erst sein- wenig Fälle einer Bildung, wie sie AI Iure In
(L 1) zuerst unter dein Namen: Os basioticum, später Sergi (L 1$)
unter der Bezeichnung: Os praebasioecipitale beschrieben haben, be-
kannt geworden, und so erschien es mir von Interesse, einen ähnlichen
Fall, den ich gelegentlich in der anthropologischen Sammlung unseres
anatomischen Institutes aufgefunden hatte, genauer zu beschreiben. Meinem
verehrten Chef, Hrn. Geh. Rat Waldeyer, bin ich zu grossem Dank
verpflichtet für den Hat und die Erlaubnis, eine sagittale Durchsäguiii;-
des Schädels vorzunehmen, wodurch ein neues Moment in die Betrachtung
eingeführt werden konnte.
Indem ich für das folgende auf die beiden Abbildungen verweise,
geba ich zunächst eine Beschreibung der in Betracht kommenden Ver-
hältnisse.
Der Schädel trägt die Nummer 10 543 des alten Kataloges und ist
als der eines Chinesen bezeichnet. Er gehörte offenbar einem noch jugend-
lichen Individuum an (die Angabe des Kataloges: „Knabe von 12 Jahren"
muss aber wTohl auf einem Irrtum beruhen; auch Brösike versieht sie
mit einem Fragezeichen; der Träger war entschieden kein Kind mehr),
wie die geringe Abnutzung der Zähne, die noch nicht eingetretene Ver-
knöcherung der Sutura sphenobasilaris, sowie der übrigen Schädelnähte,
ferner der Umstand, dass die dritten Molaren noch tief in ihren Alveolen
stecken, anzeigen. Der Schädel macht im ganzen einen normalen Ein-
druck, ein Verdacht auf Rachitis, Hydrocephalus und ähnliche patho-
logische Verhältnisse lässt sich nicht begründen. Es liegen keine Naht-
anomalien vor, nur von der linken Lamina papyracea ist vorn eine kleine
Knocheninsel abgespalten. Von der Stirnnaht ist ein ca. !• mvi langer
supranasaler Rest erhalten, ein Torus frontalis markiert die Stelle der
ehemaligen Stirnnaht!
Die Aussenfläche der Pars basilaris des Hinterhauptbeines
ist von normalen Dimensionen: ilu-e Länge, gemessen von der Bütte
des Hinterhauptloches bis zur Sutura sphenobasilaris. beträgt 24 mm, ihre
allgemeine Form wTeicht von der gewöhnlichen trapezförmigen (Jestalt in
nichts ab. Sehr auffallend dagegen ist ein tiefer Einschnitt, der jederseirs
symmetrisch bis fast zur Mittellinie vordringt, so dass nur eine schmale
Knochenbrücke die Verbindung zwischen den beiden so entstandenen Teilen
der Pars basilaris herstellt. Eis schneiden diese lncisuren zwei ziemlich genau
gleich lange Teile der Pars basilaris ab. Die Knochenbrücke bildet ana-
tomisch das Tuberculuni pharvngeum, den Ursprung für den Schlundkopf;
dieselbe ist ca. 7 mm breit. Die Einschnitte gehen durch die ganze Dicke
des Knochens, verengern sich aber nach der Schädelinnenseite zu: auch
ist der linke Einschnitt weiter als der rechte, welch letzterer sich nach
dem Schädelinnenraum hin immer mehr zu einem feinen Späh verengert.
Die einander zugewandten Flächen der Teilstücke sind glatt, ebenso die
10*
— HS —
proximale und distale (Innen- bezw. Aussen-) Fläche derselben. Dagegen
sind die Seitenflächen und die dem Keilbein zugewandte Vorderfläche des
vorderen Teilstückes rauh, im übrigen ist die Aussenfläche der gesamten
Pars basilaris gut modelliert; das schon erwähnte Tuberculum pharyngeum
Fig. 1.
Os pracbasioccipitale (nat. Gr.).
Fi- 2.
Sagittalschnitt der l'ars basilaris (nat. Gr.).
ist gut ausgebildet und setzt sich nach hinten in eine mediane Crista
fort, die sich alsbald in zwei zu den Gelenkhöckern verlaufende Schenkel
teilt, so dass /.wischen ihnen und dem Rande des Hinterhauptloches ein
dreieckiger Kaum entsteht, der einen Leichten Eindruck, wohl vom Zahn
des Epistropheus herrührend, aufweist. Die Muskelleisten der Uecti ante-
— 149 -
riores scheinen gebildet zu werden durch Leichte transversale Erhebungen,
die jederseits unmittelbar am hinteren Rande der [ncisur Liegen; Erwähnt
mag noch werden, dass an der übrigen Aussenfläche des Einterhaupt-
beines jederseits ein Processus paramastoidens zu erkennen ist, und dass
sich die Scliuj)])e des Hinterhauptes mit einem zungenförmigen Fortsatz,
dem Residuum eines Schaltknochens der kleinen Fontanelle, zwischen die
beiden Scheitelbeine hineinschiebt.
Die Ennenfläche der Pars bäsilaris ließe sich oach Durchsägong
des Schädels überldicken. Da die Durchsägung aus dem angegebenen
Grunde in sagittaler Richtung, so dass die die beiden Teilstücke ver-
bindende Rnochenbrücke medial durchschnitten wurde», vorgenommen worden
war. so sind die im folgenden gegebenen Massangaben durch Addition der
Masse der beiden Hälften gewonnen; die Grössen der Teilstücke sind in
Klammern beigefügt, und zwar immer die des rechten zuerst. Die Form
der Pars bäsilaris, vom Schädelinnenraum aus gesehen, ist die eines
Trapezes mit abgerundeten Ecken. Die grösste Breite beträgt 28 (13— j- 15) »ton;
die vordere Grenzlinie ist 11) (10 -(- '0 mm-> die hintere 25 ( 1 3 -f- 1 2) mm
hing. Die vordere Begrenzung wird gegeben durch die Fissura spheno-
occipitalis, die alter hier nicht so klafft wie auf der Aussenseite; ebenso
liegt die seitliche Grenze hier näher an der inneren Kante der hinteren
Fläche der Felsenbeinpyramide als wie auf der Aussenseite. Vollends
anders gebildet ist, besonders rechts, der Einschnitt, welcher das vordere
Knochenstück vom übrigen Hinterhauptbein trennt; zwar ist links der
Einschnitt ähnlich gebildet, wie auf der Aussenseite, nach vorn konkav,
doch ist der Spalt hier enger, die Ränder sind nicht so abgeglättet, sondern
mit kleinen zahnförmigen Rauhigkeiten besetzt. Rechts ist diese Rauh-
heit der Ränder noch mehr ausgesprochen; der Verlauf der Furche ist
fast geradlinig, der Spalt ziemlich eng; nach aussen zu, im äusseren Drittel
der ganzen Incisur, ist sie fast völlig verschlossen, nur durch einen feineu
Spalt markiert, dessen Verlaufsrichtung zwar auch quer, aber nicht die
direkte Fortsetzung der bisherigen ist, sondern mittels eines nach hinten
gellenden Knickes sich aus der ersten, mehr medialen Incisur fortsetzt.
Die Fläche ist leicht konkav, wie es für die Anlagerung des Pons cerebri
nötig ist. Hechts und links seitlich liegt eine tief eingeschnittene Furche.
die wohl für den Sinus petrosus inferior bestimmt war. Dieselbe hat im
allgemeinen eine ungefähre Breite von ca. l/a cm und setzt sich nach
hinten auf das Hinterhauptbein fort, um am Foramen jugulare zu enden.
Die Knochenbrücke, welche die beiden Teilstücke der Pars bäsilaris ver-
bindet, ist auf der Schädelinnenfläche viel schmaler wie aussen, nur
•'> (1 -f- 2) mm breit.
Der Sagitta Ischnitt, welcher auf Veranlassung von Hrn. Geh. Etai
Waldeyer durch den Schädel gelegt wurde, deckt interessante Verhält-
nisse im Innern der Pars bäsilaris auf. Da bisher meines Wissens kein
derartiger Fall beschrieben wurde, bo gebe ich auch hiervon eine Ab-
bildung (Fig. 2). Man sieht deutlich, dass die Spongipsa des Knochens
nicht überall gleiohmässig angeordnet ist. Entsprechend der Stelle der
lvnochenbrücke. die beide Peilstücke verbindet, linder sich nämlich eine
— 1 50 -
Art von Scheidewand, die aus dickeren Knochenplatten gebildet wird und
den ganzen Knochen in zwei Stücke zerlegt. Im Innern dieser beiden
Teilstücke ist die Spongiosa lockerer als an der Peripherie. Es besteht
also auch in der inneren Architektur der Pars basilaris eine
deutliche Sonderung in zwei Teile.
Zu erwähnen wären nun noch die seitlichen Flächen des vorderen
Teilstückes, die den Spitzen der Felsenbeinpyramiden gegenüber liegen.
Sie sind rauh, ihre Richtung ist schief, und zwar sind sie so gerichtet,
dass sie sich in der Verlängerung vorn und distalwärts schneiden würden.
Während sie auf der cerebralen Seite dicht an das Felsenbein heran-
reichen, klafft zwischen ihnen und der Spitze des Schläfenbeines auf der
basalen Seite eine weite Lücke, das Foramen lacerum anterius.
Ausser dem vorliegenden Falle kenne ich1) vom Menschen nur noch
sieben mit Sicherheit als ähnlich zu bezeichnende, die in der Literatur
niedergelegt sind. Fünf davon sind von Albrecht beschrieben (L. 1 — 4);
dabei ist der Fall von Ideler mit eingerechnet, den dieser in einer vor-
läufigen Mitteilung (L. 8), die man bei Albrecht (L. 3 S. 6 u. 7) wörtlich
zitiert findet, beschrieben hatte; die weitere Bearbeitung dieses Falles,
der am Schädel einer 21jährigen Idiotin beobachtet wurde, hatte dieser
Albrecht überlassen, der auch den Namen „Basioticum" gegeben und
eine vergleichend anatomische Deutung versucht hatte. Die übrigen vier
Fälle von Alb recht sind beobachtet 1. an einem „Foetus cyclope et hemi-
cephale d'environ 8 mois"; 2. an einem „Hemicephale non cyclope" aus
Virchows pathologischer Sammlung; 3. an einem normalen menschlichen
Fötus von ungefähr 8 Monaten; 4. an einem normalen Schädel eines Neu-
geborenen, gleichfalls aus Virchows Sammlung. Sergis Fall (L. 13)
betrifft einen antiken römischen Schädel, den er aber für einen überhaupt
anormalen hält. Den Fall von Legge (L. ',)), den Sergi in einem Nach-
trag als gleichzeitig mit dem seinen publiziert erwähnt, konnte ich, weil
jede nähere Literaturangabe fehlt, leider nicht auffinden; es handelt sich
nach seiner Anmerkung um einen ähnlichen Fall, doch ist weiteres nicht
mitgeteilt.
Ganz vor kurzem hat dann noch G. Paravicini (L. 10) einen Fall
mitgeteilt, den er an dem Schädel eines im Irrenhause von Mombello
Verstorbenen beobachten konnte. Dazu kommen wenig klare Angaben
von Geoffroy St.-Hilaire (L. 7), von Schwegel (L. 12) und von Ram-
baud und Renauld (L. 11), die nach Albrecht vielleicht ähnliches schon
gesehen haben.
(Nicht mitgezählt ist der von Albrecht (L. .") und 6) veröffentlichte
sehr unklar geschilderte Fall.)
1) Einige Tage nach der Sitzung erhielt ich das soeben erschienene Werk von
Le Double: Traite des variations des os du crane de rhomme, Paris, Vigot Freies.
welches auf S. 80—83 auch die hier vorliegende Varietät bespricht. Dort werden 10 Fälle
vollständiger Abtrennung des Os praebasioccipitale (davon 1 an einer Chinesin, 1 an
einem alten Peruaner beobachtet), genannt, und auch sonst interessante Nachweise, meist
aus der bei uns weniger bekannton italienischen Literatur, angeführt. Ich denke auf die
Kasuistik bei späterer Gelegenheit zurückzukommen.
— 1 .") 1 —
An normalen Schädeln existieren also nur zwei kindliche bezw. fötale,
die diese Bildung aufweisen — die beiden Fälle von Albrecht — , und
einer eines Erwachsenen, der vorliegende.
Dass das vordere, von Albrecht als Basioticum, von Sergi als
Praebasioccipitale bezeichnete Knochenstück gänzlich von der übrigen
Pars basilaris abgetrennt war, wurde nur an den beiden von AI brecht
beschriebenen Missgeburten gesehen. Bei allen anderen Fällen besteht
eine mediane Knochenbrücke, die beide Teilstücke zusammenhält.
Aus dem Tierreiche liegen bisher nur Beobachtungen von Albrecht
vor, der von einer zyklopischen .Missgeburt eines Schweines (aus der Kieler
Sammlung) und von einem normalen Schädel eines jungen Schweines (aus
der Königsberger Sammlung) die Abschnürung des vorderen Teiles der
Pars basilaris des Hinterhauptbeines durch zwrei (im letzten Fall durch
eine) seitliche Incisur beschrieben hat (L 2 S. 8—18 u. S. '24, 25).
Ich selbst habe etwas ähnliches an Tierschädeln bisher nur gesehen
an einem mir gehörigen Schädel eines Halbaffen, mit Wahrscheinlichkeit
Lemur catta, der ziemlich in der Mitte zwischen Foramen magnum und
Sut. sphenobasilaris, gleichfalls in der (legend des Tuberculum pharyn-
geum, die Reste einer gezähnelten Naht erkennen lässt, die also früher
eine vollständige Trennung der Pars basilaris in zwei Teile bewirkt haben
musste; doch scheint der Schädel pathologisch zu sein.1) Auf Albrechts
vergleichend-anatomische Theorien einzugehen, ist nach dem vorliegenden
Material kein Anlass; und so adoptiere ich lieber Sergis weniger prä-
judizierende Bezeichnung Os praebasioccipitale für die beschriebene
Bildung.
Das letzte Wort spricht hier zweifellos die Entwicklungsgeschichte,
uud erst muh entsprechenden Untersuchungen werde ich auf die von
Albrecht augeregten Fragen zurückkommen.
Ich füge anhangsweise nun noch die Messzahlen des Schädels, nach
der Frankfurter Verständigung genommen, hinzu, und bemerke, dass sich
in dem von Brösike bearbeiteten Schädelkatalog der Berliner Sammlung
S. 28 Nr. 10 543 eine den Zwecken des Kataloges entsprechende ganz
kurze Beschreibung des Schädels sowie die Angabe der hauptsächlichsten
Masse findet, welch letztere freilich von den meinen etwas differieren
(Gr. L. 185; (ir. Br. 131-, Höhe 136; Gesichtshöhe LOS).
1. Gerade Länge ISO
•_'. Grösste Länge 186
3. Intertub. Länge 185
4. Grösste Breite 130,5
•"). Kleinste Stimbreitc 94
6. Höhe 140
7. Hilfshöhe 13(5
5. Ohrhöhe 117
9. Hilfs-Ohrhöhe 124
1". Länge der Schädelbasis 1<>1
LOa. Breite „ „ 99
1) Nach Hrn. v. Hansemanns freundlicher Mitteilung in der Sitznng ist derselbe
stark rachitisch.
— 152 —
11. Lauge der Pars basilaris 24
12. Länge des For. magn 36
13. Breite „ „ 31
14. Horizontal- Umfang 506
15. Sagittal- „ 379
16. Vertikaler Quer-Umfang 312
17. Gesichtsbreite (Virchow) 89
18. Jochbreite 121
19. Gesichtshöhe 107
20. Obergesichtshöhe 63
21. Nasenhöhe 44
22. Nasenbreite 24
23. Grösste Augenhöhlen-Breite 38
25. „ „ Höhe 33
27. Gaumenlänge 46
28. Gaumenmittelbreite 36
20. Gaumenendbreite 48
30. Profillänge (Kollmann) 98
31 . Profilwinkel 85
32. Kapazität (von ßrösike mittels Hirse
bestimmt) 1550 cem
Literatur.
1. P. Albrecht, Über das zwischen dem Basioccipitale und dem Basipostsphenoid
liegende Basioticum. Vorlauf. Mitteil. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878, Nr. 33, S. 593.
2. P. Albrecht, Memoire sur le basiotique, un nouvel os de la base du eräne, situe
entre Toccipital et le sphenoide, presente ä la societe d'anatomie pathologique
de Bruxelles. Bruxelles, G. Mayolez, 1883. (Mit Abb.).
3. P. Albrecht, Sur le eräne remarquable d'une idiote de 21 ans. Bruxelles,
A. Manceaux, 1883. (Mit Abb.).
4. P. Albrecht, Uemonstration des Basioticum. Congres periodique Internat, des
sciences medicales, Copenhague 1884.
."). P. AI brecht, Epiphysen zwischen Hinterhauptbein und Keilbein des Menschen.
Korr.-Bl. d. deutsch. Ges. f. Anthr. 1884, S. 183, 184. (1 Abb.).
6. P. Albrecht, Epiphyses entre l'occipital et le sphenoide chez l'homme. Extr. du
Bull, de la Soc. d' Anthr. de Bruxelles, T. III, Fase. 5. 1885. (1 Abb.)
7. E. Geoffroy St.-Hilaire, Philosophie anatomique. Des monstruosites humaines,
Paris 1822, p. 68—73.
8. Ideler, "Westphals Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, B. VI, S. 60<S. 1876.
'.». Legge s. nachträgliche Notiz bei Sergi.
10. G. Paravicini, Prebasioccipitale in cranio adulto appartenente a mentecatto. Estr.
dalla Gazzetta del Manicomio dclla Prov. di Milano in Mombello. Milano 1903.
(Ohne Abb.)
11. Rambaud et Renauld, Origine et developpement des os. Paris 1864, p. 108.
12. Schwegel, Zeitschr. f. rationelle Medizin, 3. Reihe, V S. 283.
L3. G. Sergi, Prebasioccipitale o basiotico (Albrecht) Bull. d. R. Accad. medica di
Roma, Anno XII, No. 4, 1886. (1 Abb.)
(24) Das chemische Laboratorium der Kgl. Museen (am Lustgarten)
übersendet uns die folgenden Abhandlungen zur Veröffentlichung in unserer
Zeitschrift.
1. von den Herren Otto Olsliausen und Friedrich Rathgen:
Untersuchungen über baltischen Bernstein (Succinit) und andere fossile
bernsteinähnliche Harze.
1. Schmelzpunkt- Bestimmungen1).
Der Eine von uns (0.) hatte gelegentlich archäologischer Studien
über den alten Bernsteinhandel Anlass, zu prüfen, oh die bisher ange-
wendeten Verfahren zur Unterscheidung des baltischen Bernsteins (Succinits)
von fossilen bernsteinälmliehen Harzen anderer Herkunft hinreichend zu-
verlässig seien. Die dazu nötigen Arbeiten wurden gemeinsam von uns
im Laboratorium der Kgl. Museen hierselbst, C, Kleine Präsidentenstrasse 7.
ausgeführt, nachdem die Kgl. Generalverwaltung gütigst die Erlaubnis
dazu erteilt hatte, wofür hier der verbindlichste Dank ausgesprochen wird.
Die Frage, ob ein Rohstück oder ein Artefact nordischer Succinit2) sei
oder nicht, wurde bisher fast ausnahmslos durch qualitative und quantitative
Feststellung eines etwaigen Bernsteinsäuregehalts desselben beantwortet,
da nach vielfachen Beobachtungen fast nur der Succinit erhebliche Mengen
dieser Substanz liefert, andere fossile Harze, mit wenigen Ausnahmen,
dagegen nur einen geringen Gehalt dieser Säure aufweisen oder gänzlich
frei davon sind. Nur einige wTenige Forscher, welche eine ganz genaue
Kenntnis der Rohbernstoine der verschiedensten Orte und Länder haben,
konnten hoffen, auch auf anderem "Wege, insbesondere durch Feststellung
der physikalischen Eigenschaften der Materialien, sowie durch Untersuchung
der Einschlüsse pflanzlicher und tierischer Art mit Erfolg eine Sonderung
des Succinits von anderen ähnlichen Produkten zu versuchen. Hier sind
namentlich zu erwähnen Otto Helm, IL Couwentz und P. Dahms in
Danzig, sowie R. Klebs in Königsberg i. Pr. Die meisten Anderen waren
auf den oben bezeichneten Weg angewiesen und so wurde auch eine Anzahl
Rohbernsteine und antiker Artefacte von uns auf ihren Gehalt au Bernstein-
säure geprüft, worüber später, nach Abschluss der Arbeit, berichtet werden
soll. Immerhin wrar es wünschenswert, noch einen zweiten, von allen
( 'hemikern beschreitbaren Weg aufzufinden, um so die Ergebnisse der
üblichen Methode nachprüfen zu können, aber auch um mit geringeren
Mengen Materials, als zur Bernsteinsäure-Bestimmung erforderlich sind,
zum Ziele zu gelangen. Aus diesem letzteren Grunde schien die, nur sehr
1) Abkürzungen für die hier am baldigsten angeführten Werke: A. d. Pli. = Archiv
der Pharmacie, Halle a. S., später Berlin. — D. Sehr. = Schriften dir Xaturforschenden
(Gesellschaft zu Danzig, Neue Folge. —
2) Der Succinit, Harz vou pinus succinifera, ist hellgelb bis orange und hvaciuthrot.
seltener braun, violett, grünlich, wasserhell; durchsichtig bis durchscheinend, bisweilen
undurchsichtig, milchig bis kreide weiss. Sein Bruch ist glänzend und muschelig. Seine
Härte beträgt 2— 279 und fast 3; er lässt sich leicht und gut bearbeiten. Man erhält
aus ihm im Durchschnitt 5-GpCt. Bernsteinsäure. Die äusserst» Yerwitterungsschieht i-i
gelblichbraun, matt, etwas rauh, fest anhaftend. — Mit ihm zusammen kommen andere
Harze vor, so namentlich Gedanit: „mürber" oder „unreifer- Bernstein; Krauzit
(selten); Glessit; Stantienit (Schwarzharz; Beckerit (Braunharz), von denen allen die
Stammpfläuze noch nicht, oder nicht sicher bekannt ist. Das Verbreitungsgebiet des
Succinits in Europa zeigt die Karte bei I>alim> in Zeitschrift für praktische (Geologie,
Berlin L901, S. 207.
— 154 —
geringe Mengen Substanz erfordernde Bestimmung der Schmelzpunkte
der Harze besonders geeignet, und dies um so mehr, als sich herausstellte,
dass der Schmelzpunkt des Succinits selbst weit höher liegt, als fast
allgemein angenommen wurde, so dass man hoffen durfte, im Succinit eines
der oberen Endglieder der Reihe hier hauptsächlich in Betracht kommender
fossiler Harze vor sich zu haben.
Als Schmelzpunkt des Succinits galt bisher fast allgemein eine Tem-
peratur von höchstens 300° C. Helm, welcher sich um die Beantwortung
der Frage der Herkunft antiker Bernsteinfunde ganz besondere Verdienste
erwarb, hatte 1877 als Schmelzpunkt nahezu 300° angegeben (A. d. Ph.
211, 242); dann 1891: 250-300°, (D. Sehr. 7, 4, 191); endlich 1895:
287—300° (ebenda 9, 1, 53). Wie er den Schmelzpunkt bestimmte, teilte
er nicht mit. —
E. Aweng, ein Mitarbeiter des Prof. A. Tschirch in Bern, ver-
öffentlichte eine grosse Arbeit über den Succinit im A. d. Ph. Bd. 232,
(1894). Daselbst heisst es S. 664: „Schmelzpunktbestimmungen im Kapillar-
rohre gaben nicht völlig übereinstimmende Zahlen, welche sich zwischen
290° und 300° bewegten." Das untersuchte Material war durch Conwentzs
Vermittelung vom Bernsteinwaren-Fabrikanten F. Jantzen in Danzig be-
zogen worden und von Aweng äusserst fein gepulvert.
Helm und Aweng stimmten also überein; auch sonst fanden wir
nirgends den Schmelzpunkt über 300° liegend angegeben; nur Klebs
setzte ihn, ohne weiteres darüber zu bemerken, auf 375°, also nicht weniger
als 75 — 80° höher, wie seine Vorgänger. (Jahrbuch der Kgl. Preuss.
Geolog. Landesanstalt usw. für 1896, Bd. 17, 207). Er benutzte bei der
Schmelzpunktbestimmung drei verschiedene Medien zur Erwärmung des
Thermometers mit dem daran befestigten Substanzröhrchen, nämlich
Schwefelsäure, oder Luft, oder endlich eine Umhüllung mit Ton. Wie
die so erhaltenen Zahlen untereinander übereinstimmten, wird nicht au-
gegeben; Klebs scheint aber die Verwendung von Ton bevorzugt zu
haben, weil er glaubte, so eine grössere Konstanz der Temperatur zu er-
zielen. Dabei kann er jedoch das Schmelzen nicht direkt wahrnehmen,
weil er ja die Substanz nicht sieht, kann vielmehr nur nach Entfernung
der Tonhülle prüfen, ob bei einer bestimmten Temperatur schon
Schmelzung eingetreten war oder nicht. Für jede andere Temperatur
und für jeden einzelnen Versuch muss stets die Tonhülle erneut werden.
Das Rohmaterial für unsere eigenen Untersuchungen (200 g) hatten
wir 1902 durch gütige Vermittelung der Verwaltung des Danziger Prov.
Museums von der Firma H. L. Perlbach in Danzig erhalten, die dasselbe
mit der grössten Liberalität zur Verfügung stellte, so dass wir ihr, ins-
besondere auch dem Prokuristen, Herrn Gompelsohn, zu lebhaftem
Dank verpflichtet sind. Die prächtigen hellgelben klaren Stücke von
grosser Härte wurden in kleinen Portionen in einem sehr grossen hohen
Kruppschen Gussstahlmörser mit schweren) Pistill zerstampft und zer-
rieben, das Peine beständig abgesiebt usw., bis unter ausserordentlichem
Aufwand von Kraft und Zeit alles in einen sehr feinen Gries verwandelt
— 155 —
war, der freilich von Awengs Pulver an Feinheit noch erheblich Qber-
troffen wurde.
Ein Bad ans gewöhnlicher englischer Schwefelsäure mit wenig über
300° liegendem Siedepunkt versagte völlig; die Bubstanz kam nicht zum
schmelzen. Wir versuchten es dann mit einem eigens konstruierten Luft-
bade, unterbrachen von Zeit zu Zeit den Versuch, Hessen das Elöhrchen
erkalten und prüften den Inhalt mit der Lupe. Diese Vorsicht war not-
wendig, da der Succinit sich beim Erhitzen stark bräunt, namentlich, wenn
man mit oben offenem Substanzröhrchen arbeitet. Dies führt leicht zu
Täuschungen; man wähnt die Masse geschmolzen, wenn sie noch aus
ein/einen, obgleich etwas zusammengebackenen Körnchen besteht. Glän-
zende Pünktchen an der Wand des Röhrchens bestärken den Eindruck er-
folgter Schmelzung, wenn auch von einer solchen, wenigstens für die ganze,
doch immerhin sehr kleine Masse Substanz noch nicht die Rede sein kann.
Wegen der Schwierigkeit, eine konstante Temperatur im Luftbade zu er-
zielen, gingen wir übrigens bald zum Paraffinbade über, welches die
Temperatur bis 380° und vielleicht noch etwas darüber zu steigern ge-
stattet, obgleich eine genaue Beobachtung in dieser Höhenlage sehr er-
schwert wird durch die starke Entwickelung von Dampfblasen innerhalb
des flüssigen Paraffins. Die störende Einwirkung der Luft zu vermeiden,
verwendeten wir auch meist im weiteren Verlauf der Arbeit zugeschmol-
zene Substanzröhrchen; in ihnen bleibt der geschmolzene Succinit
rein gelb. Die Handhabung der nur wenige Centimeter langen ge-
schlossenen Itöhrchen ist auch weit bequemer, als die der offenen, welche
wegen der Höhe der Paraffinsäule eine bedeutende Länge haben müssen.
Für Harze dürfte sich dies Verfahren ferner noch deshalb empfehlen, weil
sie ja nicht eine einheitliche Substanz darstellen, sondern Gemenge sind,
so dass einzelne Bestandteile derselben, z. B. Bernsteinsäure aus offenem
Röhrchen entweichen können. Die durch das Schliessen bewirkte Druck-
erhöhung von etwa l1/2 atm in der Substanzröhre kann auf das Ergebnis
keinen wahrnehmbaren Einfluss haben; der Schmelzpunkt wird dadurch
nicht merkbar hinaufgerückt.
Zu den Temperaturmessungen benutzten wir ein unter hohem Druck
mit Stickstoff gefülltes und unter Einschmelzen eine> Schellackpfropfens
in den obersten Teil seiner Kapillare geschlossenes Quecksilber-Thermo-
meter, dessen Teilung bis 450° reichte. Eine Prüfung auf der physikalisch-
technischen Reichsanstalt zu Charlottenburg ergab, dass es von 0— 300 D
einen Grad zu hoch, von 350—376° aber völlig richtig zeigte, mithin ein
für unsere Zwecke durchaus brauchbares Instrument war.
Vorläufige Versuche nun, im Luftbad und mit offenem Substanzrohr,
ergaben, dass unser Succinit sicher über 352 schmolz. Da aber Aweng, der
doch ein gleich einwandfreies Material besass. von diesem Ergebnis so völlig
al»wich, erbaten wir uns von Hrn. Prof. Tschirch eine Probe Arv
Awengschen gepulverten Substanz, und fanden nun zu unserer Über-
raschung, dass auch diese über .".Vi schmolz. Herr Tschirch prüfte
dann die Probe ebenfalls nach und beobachtete im Paraffinbade mit
Niehlschem Thermometer den Schmelzpunkt 352—- 58 . Danach stand
— 156 —
unbedingt fest, dass alle Beobachter, Klebs ausgenommen, sich völlig
getäuscht hatten, vermutlich wegen der oben angedeuteten Schwierigkeit.
Wir bestimmten jetzt erneut in offenem Rohre, aber im Paraffinbad,
<len Schmelzpunkt des Awengschen Succinits zu 355—59° und den des
unserigen zu 358 — 63°.
Als wir später im Verlauf unserer Arbeit mit anderen Materialien
uns überzeugten, dass ganz konstante Resultate bei so hoch schmelzenden
Harzen kaum zu erlangen seien, nahmen wir die Versuche mit Awengs
und unserem Succinit wieder auf und fanden dann leider auch bei ihnen
diese Erfahrung bestätigt. Unser Succinit L>ab einmal ohne Abänderuno;
der Versuchsanordnung 373 — 75°; dann bei verschlossenem Substanz-
rohr: 375—80°; 368 — 71°, also immer wesentlich höher, als früher. —
Alle Versuche waren bis dahin ohne Korrektur durch ein Kontroll-
thermometer ausgeführt, d. h. es war nicht Rücksicht genommen auf die
niedrigere Temperatur, welche «las Paraffin im Kolbenhalse gegenüber
dem in der Kugel selbst zeigt, so dass die hier erhaltenen Zahlen noch
eine Erhöhung erfahren mussten. Der Betrag dieser letzteren wird natürlich
verschieden ausfallen, je nachdem das Paraffin im Kolbenhalse höher oder
niedriger steht. Es ist aber sehr schwer, hier immer ein gleiches Niveau
herzustellen, da das Paraffin sich mit steigender Temperatur ganz un-
gemein ausdehnt und daher geringe Differenzen in der ursprünglichen
Füllung sehr ins Gewicht fallen.
Man muss auch wegen der raschen Niveauänderung beständig die
Stellung des Kontrollthermometers ändern, was für die scharfe Beobachtung
der Vorgänge im Substanzröhrchen störend wirkt. — Die verwendeten
Kolben mit zylindrischem Halse hatten etwa folgende Abmessungen:
Kugeldurchmesser 6,5 cm, Inhalt 125—150 ccm\ Öffnung des Halses 2^2 cm,
Länge desselben 20 cm. Sie standen in einem (möglichst kleinen, halb-
kugeligem) Sandbade, um plötzliche Temperaturänderungen des Paraffins
tunlichst zu vermeiden.
Die Korrektur, wie sie sich aus 5 Versuchen mit unserm eigenen
Succinit ergab, ist aus nachstehender Zusammenstellung ersichtlich, wo
hinter dem -(--Zeichen der berechnete1) Zuschlag steht:
a) offenes Substanzrohr: 362 bis 365 -f 8,5 =372; 579,5 + 4,8
= 384,3.
b) geschlossenes Substanzrohr: 357,5 -f- 8,0 = 365,5; 371,5 -f- 2.<>
= 373,5; 372,5 + 5,0 = 377.5. -,
1) Nach der Formel . , -, wie sie die physikalisch-technische Reichsanstalt an-
6300 ' J
wendet, wohei die scheinbare Ausdehnung des Quecksilbers in Glas für je 1° zu 0,000158
- 763oo angenommen ist. T ist die abgelesene Temperatur des Hauptthermometers;
t die mittlere Temperatur des zu kalten Teils des Quecksilberfadens: n die Länge dieses
Teils in Graden des Hauptthermometers.
2) Um die Korrektur auf ein Minimum zu reduzieren, dürfte es sich empfehlen,
zunächst durch ein Normalthermometer mit voller Skala, wie wir es anwandten, den
Schmelzpunkt zu ermitteln, dann einen endgültigen Versuch unter Anwendung eines
möglichst kurzen Partialthermometers mit Skala von etwa 300—400° anzustellen. Leider
stand uns ein solches Instrument nicht zur Verfügung.
— i 57 —
Man sieht, dass selbst bei geschlossenen Röhrchen Schwankungen um
volle 12° vorkommen.
Die höchsten Zahlen: 384,3 und .177..". wurden erhalten bei schneller
Temperatursteigerung, die niedrigeren: 365,5, 372, 373,5 bei langsamem
Vorgehen. Ob dies so zu erklären ist, dass bei schnellem Hinaufgeben
das Harz weniger zersetzt wird, oder vielleicht so, dass die Substanz im
Röhrchen nicht so schnell die höhere Temperatur annimmt wie das Thermo-
meter, sei dahingestellt. Sicher ist, dass das im Röhrchen erhitzte Harz-
pulver häutig vor dem Schmelzen ein deutliches Zusammensintern1) zeigt
derart, dass es, sich von der Glaswand fast überall zurückziehend, einem
Skelet vergleichbar in dem Röhrchen beinahe frei zu stehen scheint, wo-
durch wohl eine geringe Verzögerung in der Wärmezufuhr entstehen
könnte. Allerdings lieforte uns ein Versuch mit Awengs Succinit in ge-
schlossenem Substanzrohr gerade umgekehrt eine niedrigere Zahl, nämlich
348 -(- 0,6 = 348,0 (gegen 355 bis 59), obgleich die Temperatur schnell
gesteigert wurde; wir möchten aber glauben, dass hier ein Irrtum in der
Beobachtung vorlag.
Die vorstehenden Versuche mit Succinit haben also in Übereinstimmung
mit Klebs gezeigt, dass der Schmelzpunkt desselben um etwa 75° höher
liegt, als früher angenommen wurde. Da nun aber Helm auch noch für
andere fossile Harze die Schmelzpunkte angegeben hatte, war Vorsicht
am Platze, um so mehr, als wiederum von Klebs bei einem derselben
ein weiterer Irrtum Helms behauptet worden war, nämlich bei dem
Gedanit.
Gedanit ist unter allen fossilen Harzen der häufigste Begleiter des
Succinits, ihm auch, wenn frisch, sehr ähnlich, meist rein gelb und durch-
sichtig, erhält aber durch eine schneeweisse, zum Teil abwischbare Ver-
witterungsschicht ein Aussehen wie bestäubt und abgerieben. Seine Härte
ist 1,5 — 2,0, der Bruch muschlig und stark glänzend.
Er kann tierische und pflanzliche Einschlüsse enthalten; die Stamm-
pflanze ist aber noch unbestimmt. — Gedanit ist leicht zerrerblich und
deshalb kaum verarbeitbar, so dass er nicht zu grösseren Gegenständen
benutzt wird, sondern nur zu Perlen, wie uns Hr. Prof. Conwentz mit-
teilt; seine archäologische Bedeutung kann danach nicht gross sein. Er
enthält nach Helm keine oder nur geringe Mengen Bernsteinsäure.
Für dieses Harz harte Helm früher angegeben, es werde bei (140 bis)
180° blasig und schmelze bald darauf |.\. d. Ph. --'11 (1877) S. 243ff., wo
aber der Name Gedanit nicht gebraucht ist; D. Sehr. 4,3 (1878) 215, wo
Gedanit mit „mürbem" (»der „unreifem" Bernstein identisch angenommen
wird]. Die untersuchten Proben gaben keine Bernsteinsäure. — D. Sehr.
9,1 (18!»5) S. 7)3 — 55 heisst es dann, der (iedanit schmelze (nach Auf-
1) Hier mag- auf die Tatsache hingewiesen werden, dass der Succinit bei L40— 160°
unter Lnftabscbluss so weich wird, dass er sich biegen und unter hohem Druck (bis
zu 3000 Atmosphären) wie ein Brei durch ein Sieb pressen L&sst Man benutzt diese
Eigenschaft zur Herstellung grösserer Stücke von Pressbernstein oder Ambroid aus
kleinen minderwertigen Brocken Dahms a.a.O. S. 210). Vielleicht hangen die hier
oben und auf S. 155 besprochenen Wahrnehmungen mit diesem frühen Erweichen zusammen.
— 158 —
blähung bei 140-180°) bei 260— 270°, und hier wird der Gedanit nur
noch zum Teil = mürbem Bernstein gesetzt, aber im allgemeinen als
Tora Succinit mehr abweichend bezeichnet. Unter mürbem Bernstein
im engeren Sinne (soweit er nicht = Gedanit) wird ebenda ein bei
280 — 287° schmelzendes Harz verstanden, das Helm u. a. wegen seines
Gehaltes an Bernsteinsäure (von 1,13—1,70 pCt.), nur als eine Abart des
Succinits ansieht.
Klebs versteht unter Gedanit nur ein bernsteinsäurefreies Harz, das
ihm nie unter 300° schmolz, vielmehr erst bei 3-48°. *) Helms Arbeit
von 1895 war Klebs, wie es scheint, noch unbekannt.
Aweng, dem keine andere Arbeit Helms als die von 1877 oder 78
vorlag, bezog von der Firma Jantzen in Danzig 1 kg „Gedanit oder
mürben Bernstein", fand darin „unzweideutig" Bernsteinsäure und be-
stimmte seinen Schmelzpunkt zu 180— 183°. 8)
Da uns eigenes Material nicht zur Verfügung stand, wandten wir uns
an Hrn. Prof. Conwentz mit der Bitte, uns aus dem in den Besitz des
Danziger Provinzialmuseums übergegangenen Nachlass Helms ein
Pröbchen Gedanit zu überlassen. Hr. Conwentz entsprach aufs bereit-
willigste unsern Wünschen, wie er auch noch andere, weiter unten zu er-
wähnende Harzproben aus Helms Nachlass zwecks Untersuchung zur Ver-
fügung stellte. — Das Pröbchen Gedanit war hellgell», durchsichtig wie
Succinit, gepulvert weisslich. Wir fanden den korrigierten Schmelzpunkt
bei geschlossenem Substanzrohr zu 340,3°, bei offenem zu 356,1°. Im
oberen Teile des geschlossenen Pohrs zeigten sich nach dem Erkalten
viele Kryställchen, im offenen war die geschmolzene Masse massig ge-
bräunt. Beide Male trat lange vor dem Schmelzen (etwa bei 170°) starkes
Sintern oder Erweichen ein (das „Aufblähen" Helms?).
Die Xatur der Kristalle war nicht festzustellen; handelte es sich hier
um Bernsteinsänre, so lag vermutlich „mürber Bernstein" im engeren
Sinne Helms vor. Die Probe war nicht datiert; es bleibt also zweifel-
haft, ob sie von Helms Versuchen in den 70er Jahren herrührte, oder
von 1895, wo er schärfer unterschied.
Aber so bedauerlich auch wieder die Differenz zwischen unsern
eigenen beiden Versuchen ist, das steht doch fest: Helm hat abermals
weit fehlgegriffen. Vermutlich reichte seine Sehkraft für solche Beob-
achtungen nicht aus; denn seine Gewissenhaftigkeit ist nicht anzuzweifeln.
Nach <li<'sen Erfahrungen schien es geboten, alle von Helm, zum
Teil allerdings nur nach den Angaben Anderer, mitgeteilten Schmelzpunkte
fossiler Harze nachzuprüfen. Soweit wir ermitteln konnten, sind dabei
zu berücksichtigen:
1. Glessit. ein seltenerer Begleiter des Succinits. meist braun und
undurchsichtig, mit geringer, etwas hellerer Verwitterungsschicht (daher
wohl von Helm mich einmal als feuersteinfarbig bezeichnet), fettglänzend,
mir muschligem Bruch, leicht zerreiblich. Härte 2. Zeigt unter dem
1) Jahrbuch <]. Kgl. Preuss. geolog. Landesanstalt für 1896, Bd. 17. 207, Note 1.
2 A. d. PL 232 (1894), 8. 685.
— 1 59 —
.Mikroskop viele kugelrunde, zellen artige Gebilde mit körnigem Inhalt.
Ist ohne tierische oder pflanzliche Einschlüsse; Stammpflanze anbekannt.
Keine Bernsteinsäure; scheint, trocken destilliert, nur Ameisensäure zu
liefern. -- Bei 120° sich schaumig aufblähend, bei etwa 200 dickflüssig,
endlich bei fortgesetzter Erhitzung wie geschmolzener Bernstein fliessend.1)
Aweng prüfte ein Stück aus Holms Sammlung und fand den Schmelz-
punkt wie heim Succinit, d. h. also 290 — .')<><> . Undeutliche Bernsteinsäure-
Reaktion; ein geringer Bernsteinsäuregehalt scheint ihm nicht aus-
geschlossen 8)
2. Kotin it aus der Braunkohlenformation Sachsens und Thüringens,
sowie am Rhein bei Bonn, frei von Bernsteinsäure; zum Teil dem Succinit
an Farbe, Härte usw. sehr ähnlich, schmilzt alter leichter.3)
3. Siegburgit von Siegburg, frei von Bernsteinsäure; dem Retinit
verwandt; schmilzt „leicht".4)
4. Gali zischer Bernstein, „Schraufit" aus der Bukowina, von W'amma
bei Suczawa. in der südöstlichsten Spitze Galiziens, aus Sandsteinöchiefer.
Wenig Bernsteinsäure.
Schmilzt nach v. Schröckinger bei 326°, „während alle anderu
fossilen Harze schon zwischen 270—21)0° zur Schmelzung gelangen",
v. Sehr, unterscheidet das Harz vom eigentlichen Bernstein unter anderem
„des so viel höheren Schmelzpunkts wegen".5)
.'>. Rumänit, in Rumänien vorkommend in Wasserläufen bei Valeni
di Muntije, nördlich von Plojescht in der grossen Walachei, und an
einigen anderen Orten. Unter Ausscheidung der schwarzen Stücke, die
eine Lignitpechkohle sind, berücksichtigt Helm nur den sogen, gelben,
der aber selten gelb, meist bräunlichgelb bis braun ist. Durchsichtig bis
durchscheinend, bisweilen undurchsichtig. Stets voller Sprünge und Risse,
dennoch meist gut bearbeitbar. Härte 21/9 — 3, also grösser selbst als die
des Succinits. Bernsteinsäuregehalt schwankend; 4 Proben aus ver-
schiedenen Bezugsquellen ergaben 0,3—3,2 pCt. Schmilzt, ohne sich vor-
her aufzublähen, bei 300° und darüber.6) — Klebs hält das von Helm
untersuchte Material nicht für genügend zuverlässig, fand im Rumänit
keine Bernsteinsäure und auch die physikalischen Eigenschaften ab-
weichend; den Schmelzpunkt bestimmte er zu 359° (a. a. O. S. -<>7.
20!)— 10).
6. Istrischer Bernstein von Carpano unweit Albona, nahe der
<>>tküste, sogen. Trinkerit: hyazinthrot bis kastanienbraun, durchsichtig
1) Holm in A. d. Ph. 218 (1881) 307; D. Sehr. 5, 1-2, 1881. S. 292. — 2) A. .1.
PL --':•>-_', C86. — :'-) Holm in 1). Sehr. 7. I (1891), 1'.'.".. - I Holm ebenda. — 5) Ver-
handlungen der geologischen Reichsanstalt, Wien 187"), 8. 134 ff.; Bestimmung der Born-
steinsäure durch G. H. Dietrich. — v. Schröckinger stellt das Harz von Wamma in
eine Gruppe zusammen mit solchem von Mizun in Galizlen und vou Höflein a. Donau
iu Niederösterreich, deren Schmelzpunkte über 300 liegen; all.' •"> Haue nennt er
„Schraubt". Kr führt ferner noch an Harz aus der engeren Umgebung von Lemberg,
bei 290° schmelzend, und von Podhorogysze, ■'• Meilen von Lemberg, 8ohmelzpunkt
295 . beide mit sehr wenig Bernsteinsäure. Vgl. I». Sehr. 7, -1, ü>4. — 6] D. Sehr. 7. I.
ist und 193-94; .">, 1 -2 ;1881 296.
— 160 —
bis durchscheinend, mit ausgezeichnetem Fettglanz, leicht zerreiblich.
Härte 1,5—2,0. Schmilzt nach G. Tschermak bei 1(58— 180°. Bei
weiterem Erhitzen erhält man ein nicht saures Destillat, mithin scheint
Bernsteinsäure zu fehlen.1)
7. Apenninen-B ernstein von 3 Fundorten, darunter einer mit
•_' Varietäten, also 4 verschiedene Proben, frei von Bernsteinsäure. Schmolzen
nach Helm alle vier, ohne sich vorher aufzublähen, zwischen 280 — 300°. 2)
8. Sizilianischer Bernstein (Simetit): dunklere, rötliche Farben-
töne, bisweilen fast schwärzlich. Fluorescierend. Frei von Bernsteinsäure
oder nur sehr geringe Mengen davon enthaltend. Schmilzt, ohne sich
vorher aufzublähen, wie Succinit, wird ganz dünnflüssig.3)
!). Spanischer Bernstein von Oviedo, Prov. Asturien, am Bis-
cayischen Meerbusen. Unreine Farbtöne, honiggelb, gelbbraun bis dunkel-
braun, mangelhafte Durchsichtigkeit. Weicher als Succinit, Härte etwa 2.
Bernsteinsäurefrei. „Schäumt beim Erhitzen auf, ehe er vollständig
schmilzt."4)
10. Birmit aus Oberbirma; meist dunkelbraune unklare Farbtöne,
seltener rot oder weingelb und klar. Fluorescierend. Härte 2V2 — 3. Frei
von Bernsteinsäure. Den Schmelzpunkt konnte Helm nicht ermitteln,
weil schon vor dem Schmelzen Zersetzung eintrat.5)
Soweit Helm. Hier sei noch angefügt nach Aweng:
11. Allingit, „sogenannter schweizerischer" Bernstein6), weingelb bis
rötlich, frei von Bernsteinsäure, auch in anderer Beziehung verschieden
von Succinit, Gedanit, Glessit. Schmilzt bei 300°.
Von diesen Sorten konnten wir bisher nur untersuchen: Harz aus der
Bukowina, Rumänien, vom Apennin, von Sizilien. Dazu kommt noch
solches aus dem Libanon, das auch schon von Helm untersucht wurde.
dessen Schmelzpunkt er aber nicht bestimmte. Hier die Ergebnisse:
a) Schraufit von Wamma, aus Helms Nachlass, eines von 14 uns-
vorgelegten Stücken, dem durch Verwitterung gedunkelten, glas-
glänzenden Succinit sehr gleichend, rötlichbräunlich, pulverisiert
gelblichbraun. Ein Versuch im geschlossenen Substanzrohr er-
gab den Schmelzpunkt 354,1 (korrigiert), mithin 28° höher, als
v. Schröckinger angab.
b) Rumänit aus Helms Nachlass, 3 Proben, bezeichnet Nr. 2, 4, 8.
Nr. 2, von Dr. Kleefeld in Görlitz, „nur wenig Bernsteiiisäure
enthaltend", ziemlich hellfarbig, Pulver hell und schmierig.
Geschlossenes Substanzrohr: 369,3 korrigiert. Ein zweiter
Versuch mit schnellerer Steigerung der Temperatur, alter
1) Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt Wien, 20 (1870) S. 27!); 1). Sehr. 7,4, 107.
- -2) I). Sehr. 5, :; (1882), S. 12 — 3) Helm in D. Sehr. 5, 1—2(1881), 294; Malpighia,
anno I, Fase. II, Messiaa 1886, estratto i> 2. - ■ 4) Helm in D. Sehr. 7, I (1891) L98.
— 5) I) Sehr, 8, ;; l, (1894) <;.">. — 6) A. d. l'h. 232, 687. Woher der Name stammt,
ist uns nicht bekannt. Handelt es sieli vielleicht um ein Harz von Allinges bei
Thonon am Genfer See. französ. l)ep. Ilante-Savoie? Das Material war geliefert von
Lender in Genf.
— 161 —
ebenfalls verschlossen, ergab ankorrigieri 375 als Beginn
des Schmel/.ens. obgleich die Substanzschicht nur dünn and
kurz war.
Nr. 1, aus Wien bezogen, mit „3 pCt. Bernsteinsäure", sehr
klciuc Probe, Pulver bell, geschmolzen dunkel, trotz Ver-
schlusses der Substanzröhre; 347,7° korr.
Nr. 8, von Valehi di Muntije. durch Prof. A. B. .Meyer in
Dresden. 0,3 p Ct. Bernsteinsäure enthaltend. Braun, miss-
farben, nur durchscheinend, Succinit nicht ähnlich. Puft er hell-
bräunlich, dunkler als das von Nr. 4. Verschlossen: 358,2° korr.
Mittel der 3 Proben: 358,3° korr., also mir Klebs" Angabe
übereinstimmend.
c) Apenninen-Bernstein aus Helms Nachlass, drei Proben, be-
bezeichnet Nr. 1, 2, 3.
Nr. 1, von Scanello, Beni Loup. Bräunlich, Pulver gelblich, hell.
Verschlossen: 358,7° korr. Ein zweiter Versuch mit schneller
Temperatursteigerung gab ebenso, aber nicht korrigiert, 359,5°.
Nr. 2, von San Clemente, Valle di Sillaro. Das Stückchen
bestand aus zwei Schichten, einer braunen, glänzenden,
durchsichtigen, und einer braungelben, matten, undurch-
sichtigen. Beides wurde zusammen verrieben; das Pulver
war dunkler, als von Nr. 1. Verschlossen: 302,3° korr.
Nr. 3, vom Valle di Setta, Carbonaro. Schmutzig braun
wenig durchscheinend; Pulver ziemlich dunkelbraun. Ver-
schlossen: 362,8° korr. Bei schnellem Vorgehen, ver-
schlossen, aber unkorrigiert: 3 »8°.
Das Mittel unserer korrigierten Versuche ist 359,6°,
Helms Angaben sind also durchweg rund 60 — 80° zu niedrig.
d) Simetit aus Helms Nachlass:
a) hellere Varietät, rötlich durchscheinend, erbsen- bis hasel-
nussgrosse Stücke (Gerolle?).
ß) dunkle, schwarzbraune Stücke, in Grösse und Perm wie a.
e) Simetit, 1894 erworben durch Generalleutnant Bernhart Etathgen
von dem Händler Angelo Leone in Catania auf Sizilien.
y und ö, zwei grössere Stücke der dunklen Seite, mit intakter
Oberfläche.
Die Angaben der Farbe beim Simetit beziehen sich nur
auf die äusserste Schicht, deren intensive Färbung auch bei
sehr «•erino-er Dicke derselben ein Stück fast undurch-
scheinend macht, selbst wenn die Masse unmittelbar darunter
nur ganz licht gelblich, ja sogar wasserhell ist.
a) Kines der Stücke wurde ganz zerrieben. Offenes Substanz-
rohr: unkorrigier< [355 bis] 360 .
ß) drei der Stücke zusammen ganz verrieben; Pulver
hellbräunlich. Offen; ankorrigiert [350 bis] 358°; verschlossen.
korrigiert: 345,5°.
Zeitschritt für Ethnologie. Jahrg. 1904. 11
— 162 —
ß1) Das schwach gelbliche Innere eines Stückes; Pulver gelblich-
weiss; verschlossen: 357,5° korr.
;') Von dem 5,25 g schweren Stück die äusserste, abgeschabte
Schicht. Offen, unkorrigiert: beginnt bei 850° deutlich zu
sintern, schmilzt bei 354°. Verschlossen ebenso: 355 — 60°'
d) Von dem 8,6 g schweren Stück der fast farblose Kern;
Pulver weiss. Verschlossen: 362,6° korr.; 370,5° korr. —
Mittel 366,5° korr. Die geschmolzene Masse war gelb,
f) Syrischer Bernstein aus dem südlichen Libanon, der Um-
gegend von Saida (Sidon). Wird auch als „Schraufit" bezeichnet
(siehe oben S. 159, Note). Honiggelb bis bräunlichgelb, orange-
farbig bis hellblutrot, durchsichtig bis durchscheinend. Gesammelt
durch Prof. Oskar Fraas, Stuttgart1). Helm fand in einem dieser
Stücke keine Bernsteinsäure2), auch Ph. Lebert in Basel nicht3),
während Bronn er in der braunroten Varietät die Säure gefunden
haben will4). — Das Harz ist im Aussehen dem Succinit ähnlich,
aber sehr spröde und zerbrechlich, deshalb nur in kleinen Stücken
zu Perlen verarbeitbar. Den Schmelzpunkt hat Helm nicht
bestimmt. Uns überliess Prof. Eberhart Fraas gütigst einiges
Material in zwei Varietäten: einer trüben, braunen, sehr weichen,
deren Pulver bräunlich, und einer durchsichtigen, schmutzig gelben,
weichen, mit gelblich weissem Pulver.
Wir fanden in je einer Bestimmung bei verschlossenem Rohr
den Schmelzpunkt der trüben Sorte zu 344,1° korr., den der durch-
sichtigen (nach vorhergegangenem starken Sintern bei 348°) zu
363,4° korr.
Die vorstehenden Versuche ergaben also, dass, wo bestimmte Zahlen-
angaben von Helm vorlagen, dieselben durchweg zu niedrig waren. Der
geringste Fehler, beim Bukowina-Schraufit, erreichte immer noch den
Betrag von 28°, beim Rumänit war er schon grösser, machte beim Gedanit
mindestens 50° aus und beim Apenninenbernstein vielleicht mehr als 60°.
Hierdurch aber wird der Wert der Schmelzpunktbestimmungen für die
Erkennung der wichtigsten fossilen einschlägigen Harze leider bedeutend
herabgesetzt. Denn wenn auch wohl beim Succinit die Abweichung von
der Wahrheit am grössten war (75°), so sind doch die Unterschiede der
Schmelzpunkte der einzelnen Harze unter sich meist nicht gross genug,
um darauf sichere Schlüsse zu bauen, wozu noch die Ungleichheit der
llarzprobon, selbst gleicher Herkunft, und die Schwierigkeiten der
Beobachtung hinzukommen. Zur Unterstützung der durch die Bernstein-
säurebestimmungen gewonnenen Ergebnisse wird sich aber immerhin
die Schmelzpunktfeststellung bisweilen nützlieh erweisen können, wie
dies in einer Veröffentlichung über die Untersuchung antiker Bernstein-
1) O. Fraas, Drei Monate am Libanon, Stuttgart 1876, S. G7 und 94, Note 2; Aus
dem Orient, II, Stuttgart L878, S. 60-64. - 2) A d. Ph. 211, 21.".; D. Sehr. 7,4, 198—99.
- .'!) Bei Fraas, Orient II, S. 62, Note 26. — I) Jahreshefte des Vereins für vaterläud.
Naturkunde in Württemberg, 34, Stuttgart 1878, S. 81-90.
— 163 —
artefaote dos Näheren ausgeführt werden boII. Eier Bei nur kurz bemerkt,
dass äusserlich schon stark verwitterte antike Bernsteinsachen bisweilen
im Inneren noch einen, dein Anschein nach wenigstens, gesunden Kein
enthalten. Von diesem wird man erwarten dürfen, dass er einen Schmelz-
punkt zeige, der dein >\i's Snccinits gleich kommt oder sehr nahe Liegt,
seihst Wenn der Verwitterte Teil des Stückes eine grÖ886re Abweichung
aeigen sollte.
II. Nun den Herren Friedr. Rathgen und Et. 15 <>r ini ;i n n :
Tränkung von Gipsabgüssen zur Konservierung.
Von den vielen Mitteln aar Tränkung von Gipsabgüssen hat ausser der
Darstellung der sogenannten Elfenbeinmasse wohl nur das v. Dechendsche
Härtungsverfahren, die Tränkung mit Kaliumborat und Barythydrat grössere
Verbreitung gefunden.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass durch das v. Dechendsche Verfahren
die Härte und damit die Widerstandsfähigkeit At^ (lipses gegen vorsich-
tiges Abspülen und selbst Abwaschen mit weichen Bürsten erhöht wird;
aber wie fast alle auch sonst noch empfohlenen Tränkungsmittel hat die
Methode den Nachteil, wässerige Lösungen anzuwenden. Dabei ist es
nicht zu vermeiden, dass durch die, wenn auch nur geringe Löslichkeit des
Gipses in Wasser, die Konturen des Gegenstandes beeinflusst werden.
Das kommt allerdings wenig oder garnicht in Betracht bei grossen
glattflächigen Gegenständen, wie Husten und Statuen, wohl aber bei solchen,
die feinere hochliegende Ornamente besitzen. Hier werden die scharfen
erhabenen Kanten und Punkte immer etwas angegriffen werden. Bei dem
Vergleich eines getränkten Stückes mit einem ungeträukten ist dies schon
mit unbewaffnetem Auge deutlich zu erkennen und tritt bei Benutzung
eines Yergrösserungsglases, ich möchte sagen, in fast überraschender Weise
hervor. Da an den scharfkantigen Stellen sich häutig viele kleine Hohl-
räume mit dünnen Wandungen befinden, herrührend von feinen Luft-
bläschen, die bei dem Eingiessen des Gipses in die Form nicht entwichen
sind, so werden gerade diese dünnen Wände durch Wasser leicht auf-
gelöst, oder durch den Auftrieb der Luft im Wasser zerstört.
So hat von vornherein ein nicht wasserlösliches Tränkungsmittel,
wenn es sonst die Bedingungen erfüllt, die an ein solches zu stellen sind,
einen grossen Vorzug. Nach den nun seit einiger Zeit im Laboratorium
der Königl. Museen vorgenommenen Versuchen halte ich »las Zapon für
ein solches Mittel. Dieses von Hrn. Oberstabsarzt Dr. Schill zuerst für
die Erhaltung von Archivalien in die Kxmservierungspraxis eingeführte und
auch von ihm schon für Gipsabgüsse empfohlene Präparat ist eine fast
farblose, in dicker Schicht etwas trübe Ä-uflösung von Celluloid in Amvl-
aeetat Gleich nach dem Gebrauch verdunstet das Amylaeetat und das
Celluloid bleibt als eine unsichtbare, dünne Schicht zurück. Um diese
geschmeidig zu machen, erhält das Zapon oft gewisse Zusätze, die meistens
Geheimnis der Fabrikanten sind, die Zapon in verschiedener Art und ver-
schiedener Güte herstellen, wobei auch noch andere Lösungsmittel als
Amylacetat, z. B. Aceton benutzt werden. Da es zu weit führen würde.
11*
— 164 —
ausführlich auf die Zusammensetzung- und Herstellung dieser auch wohl
Tauchlacke genannten Präparate einzugehen, sei hier nur auf die be-
treffenden Veröffentlichungen x) verwiesen.
Die Anwendung des Zapons für Gipsabgüsse ist eine höchst einfache.
Wenn die Gegenstände völlig trocken sind, werden sie, wenn es sich um
kleinere Stücke handelt, nur kurze Zeit in eine vierprozentige Lösung ein-
getaucht, während man grössere Sachen mit einem weichen Pinsel, von
oben nach unten gehend, anstreicht. Sammelt sich dabei in tiefliegenden
Stellen einmal etwas zu viel Flüssigkeit an, so entfernt man sie durch
Aufsaugen mit einem trockenen, reinen leinenen oder baumwollenen Lappen.
Der Pinsel ist nach dem Gebrauch sofort in mehreren kleineren Mengen
von Amylacetat nacheinander gut auszuspülen.
Gleich nach dem Auftrage haben oft manche Stellen des getränkten
Objektes ein etwas glänzendes Aussehen, aber nach kurzer Zeit ver-
schwindet der Glanz gänzlich, und wenn der Zaponüberzug nicht zu dick
aufgetragen ist, so ist er dann fast unsichtbar. Höchstens zeigt ein zaponierter
Gips einem nicht getränkten gegenüber einen ganz schwach gelblichen Ton.
Durch organische, in Amylacetat lösliche Farbstoffe lassen sich gleich-
zeitig beliebige Tönungen erzielen, die allerdings nicht dieselbe Farb-
echtheit besitzen als Färbungen, welche durch Beimengung anorganischer
Farbstoffe direkt zum Gips vor dem Formen erzielt werden.
Da nun zaponierte Gegenstände wässerige Flüssigkeiten nicht ein-
saugen, so lassen sie sich sehr gut mit Wasser, auch mit Seifenwasser
reinigen. Doch sollen dazu möglichst weiche Bürsten, sogenannte Silber-
bürsten, benutzt werden, um keine Verletzung der die Oberfläche
bedeckenden Celluloidhaut herbeizuführen.
Auch kann sich diese Konservierung nur auf solche Gipssachen
erstrecken, die unter Dach und Fach stehen. Im Freien aufgestellte, der
Witterung ausgesetzte Objekte werden nicht durch Zaponierung geschützt,
sondern gewähren sogar nach einiger Zeit ein schlechteres Aussehen als
ungetränkte. Der Tropfenfall des Regens, die Ausdehnung durch die
Wärme bei Sonnenbestrahlung usw. lösen nämlich die Zaponhaut an vielen
Stellen, so dass eine teilweise Abblätterung eintritt. Während nun noch
die mit der Celluloidschicht versehenen Teile der Oberfläche stehen bleiben,
wird rund um sie herum der freiliegende Gips vom Regen ausgewaschen,
und die Folge ist eine ganz warzige, höckerige Oberfläche, während
ungetränkte Gegenstände im ganzen mehr gleichmässig abgewaschen werden.
Die Kosten des Verfahrens sind sehr geringe. Mit einem Liter Zapon,
das etwa ?> Mark kostet, kann man ungefähr 10 </m bestreichen. Kommt
es bei der Gipstränkung auch nicht auf ein so reines Präparat wie bei der
Archivpraxis an, so wird man doch bei den geringfügigen Mehrkosten
dem besten Zapon den Vorzug geben, und da kann ich nur mit Schill
das Zapou der Firma Dr. Perl & Co., Berlin, Scharnhorststrasse Nr. 7,
empfehlen. (Friedrich Rathgen.)
1) E Schill, Anleitung zur Erhaltung und Ausbesserung von Handschriften durch
Zaiiohiinpräj-nierung. Dresden .1899. — Sello im Korresnondcnzblatt des Gesamtvereins
der deutschen (ieschiclits- und Altertumsvereine 50 (1902) S. 19.").
— 165 —
Das Zaponieren von Gipsabgüsse d zum /weck der Konservierung ist
in der Gipsformerei derKönigl. .Museen au mehreren grösseren und kleineren
Stücken verschiedener Art versucht worden. < ; • • w ;i 1 1 1 1 wurden für diese
Versuchszwecke eine lebensgrosse Gewandfigur, eine grössere Ornament-
platte von starkem Relief, sowie kleinere, reich detaillierte Ornament-
fällungen.
Als am besten geeignet für die Tränkung hat Bich eine 4prozentige
Zaponlösung erwiesen; stärkere Lösungen verleihen, wie frühere Versuche
dartaten, den Gipsen, neben einem leicht gelblichen Schimmer, bald
etwas Öliges und Fettiges. Zur Ergänzung des bereits (S. 164) über das
Aufbringen des Tauchlacks Bemerkten sei noch hinzugefügt, dass ea Bich
empfiehlt, bei Behandlung grösserer Stücke immer nur eine geringe .Menge
Zapons auf einmal in ein Gefäss zu tun, da die Lösung an der Luft schnell
trocknet und dann dick und zähe wird. Die gleich nach dem Auftrage
an einzelnen, besonders dichten Partien der Gipsoberfläche als hörend
bemerkbaren Glanzstellen verschwanden nach wenigen Stunden, auch hat
sich bei der gewählten Lösung bis jetzt die Befürchtung nicht bewahr-
heitet, dass Farbänderungen eintreten und dass der Gips durch den Auf-
trag einen gelblichen Ton erhalten möchte. Die Farbe des Gipses ver-
änderte sich nicht und nur bei einem Nebeneinanderstellen von getränkten
und nicht getränkten Stücken Hess sich — bei hellem Lichte — ein
geringfügiger Unterschied im Ton erkennen. Derselbe kommt jedoch für
grössere Stücke und vollends für getönte Gipse nicht in Betracht. So ist
beispielsweise bei einem kürzlich von der Formerei der Koni gl. Museen
in den Sammlungen der Königl. Kunstakademie aufgestellten Abgüsse des
Manlichschen Grabmals von Schlüter, das einen dem Original ent-
sprechenden grauen Steinton erhalten hat, nichts von der Tränkung durch
Zapon zu bemerken.
Als ein Hauptvorzug des Zaponierungsverfahrens kann die Möglich-
keit angesehen werden, dass die Gipse sich leicht durch NN asser abwaschen
und reinigen lassen. Einzelne Stellen der probeweise mit Zapon behan-
delten Gipse in der Formerei der Königl. Museen, welche versuchsweise
mit der warmen Hand angerieben und dadurch leicht beschmutzt wurden,
konnten mit Wasser abgewaschen werden, da der Schmutz nirgends ein-
gedrungen war. Allerdings ist zu befürchten, dass bei Tränkungen mit
dünner Lösung auf die Dauer durch mehrfach wiederholte Reinigung mit
Wasser die schützende Zaponhaut leidet. Immerhin darf angenommen
werden, dass, da das Zapon die Poren der Gipshaut schlieast, die in Gips-
sammlungen so gefürchtete Gefahr des Einstaubens der Abgüsse erheblich
durch das Tränkungsverfahren gemildert sein wird.
Obwohl die Probestücke in der Museumsformerei absichtlich in einem
Kaum untergebracht sind, wo sie Schmutz und Staub leicht ausgesetzt
bleiben, so halten sich doch bei der Kürze der Zeit noch keine Erfahrungen
bezüglich >\rv Staubempfänglichkeit der zaponierten Gipse gewinnen Lassen.
K Bo rr in an n.)
I. Literarische Besprechungen.
Hoernes, Moriz, Der diluviale Mensch in Europa. Die Kulturstufen
der älteren Steinzeit. Mit zahlreichen in den Text eingedruckten Ab-
bildungen. Braunschweig, Friedrich Vieweg & Sohn, 1903. 4°. (Gr.-8°.)
Seitdem Gabriel de Mortillet versucht hat, die Überreste der paläolithischen Kultur
nach der allmählichen Vervollkommnung' der Manufakte oder, wie die Franzosen sagen,
der „Industrie"' zu klassifizieren, ist sein System vielfach bekämpft, ergänzt und verbessert
worden, ohne jedoch sich allgemeine Anerkennung verschaffen zu können. Die Charak-
terisierung seiner verschiedenen Epochen ist zwar scharf und bestechend, — führt aber
sofort zu den gröbsten Irrtümern und tatsächlichen Unrichtigkeiten, sobald man sie für
eine relative Chronologie verwerten will. Dies haben schon französische Forscher, wie
Quatrefages u. a., erkannt; dies empfand Mortillet selbst, indem er bekanntlich seine
Industrie-Perioden durch Verbindung mit geologischen und paläontologischen Befunden
sicherer zu begründen suchte.
Mehr Anerkennung fand das System seines Nachfolgers Piette, trotz seiner grösseren
Kompliziertheit; allein iu Deutschland stiess dasselbe auf die gleichen Schwierigkeiten,
wie das System Mortillets, und zwar aus den gleichen Gründen. Einmal ist das vor-
liegende Material in Deutschland viel zu gering und lückenhaft, um die reichen französischen
Funde mit ihnen parallelisieren zu können: dann aber gewann man bei uns schon sehr
früh die Überzeugung, dass die verschiedene Form der Werkzeuge wesentlich auch von
dem verfügbaren Material, von der individuellen Geschicklichkeit abhängt und sich nicht
gut zur Grundlage einer Chronologie der diluvialen Kulturstufen eignet.
Es war daher keine geringe Aufgabe, welche sich Hoernes stellte, als er das oben
angezeigte Buch schrieb, um die Grundanschauuugen der französischen Systematiker auch
auf die östlichen Verhältnisse Mittel-Europas zu übertragen und beide gleichsam in ein
System zu bringen, eine Aufgabe, die noch dadurch erschwert wurde, dass während der
Ausarbeitung des Buches fortwährend neue Funde und Berichte auftauchten, welche die
vorher gefassten Ansichten stark erschüttern mussten.
Um so dankbarer müssen wir dem Verf. sein, dass er alleu Bedenken und Schwierig-
keiten zum Trotz den Versuch gewagt hat, uns eine Übersicht über das ganz«; bisher be-
kannte Material der diluvialen Kulturepochen und der darüber erschienenen Literatur zu
geben, freilich nicht in objektiver Darstellung, sondern nach seinem neuen System geordnet.
Hoernes hat nämlich, um die oben bezeichnete Aufgabe zu lösen, das System von
Mortillet wiederum abgeändert. Die hohe Stellung, welche der Verf. mit Recht in den
Fachkreisen des In- und Auslandes einnimmt, macht es uns zur Pflicht, dieses neue System
einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.
Das Buch zerfällt seinem Inhalte nach in 2 Teile. Im ersten Teil wird die Aufstellung
dreier paläolithischer Kulturstufen für Westeuropa begründet, nämlich einer unteren,
mittleren und oberen. Die untere Stufe identifiziert der Verf. als Chclleo-Mousterien mit den
ersten beiden Perioden Mortillets und setzt sie in eine erste Interglacialzeit, in welcher
der Homo antiquus von Spy und Ncanderthal, sowie der Elephas antiquus und Rhinoceros
Merkii, daneben aber auch Mammut, Rhinoceros tichorhinus und in den Höhlengegenden
167 —
der Höhlenbär gelebt haben. Hierzu zählt er ausser den bekanuten französischen Fund-
orten noch Taubach, Rübeland, die Sipka-Höhle, Wierzchowie und Krapina.
Die Zusammenfassung des Chelleen und Monsterien von Mortillet in eine Epoche,
ist wohlbegründet; allein gegen die Zusammcnfaßsung verschiedener paläontologischer
Horizonte in eine Epoche müssen wir doch Bedenken erheben. Taubach mit seiner un-
gestörten Elephas-antiquus-Stufe und die Hermanns-Höhle mit ihrer sekundären Höhlen-
bärenschicht in eine Periode zu bringen, nur wegen der Ähnlichkeit der Silex -Werkzeuge,
ist nicht zu billigen, da Moustier- Typen, um welche es sich bandelt, in allen Epochen vor-
kommen, wie Verf. selbst an zahlreichen Beispielen anführt, daher keine Gleichzeitigkeit
beweisen. Ebensowenig darf die Sipka-Höhle mit Taubach nur wegen der angeblichen
Identität der Menschenrasse in eine Zeit gesetzt werden; denn, abgesehen davon, da
zu gewagt ist, aus den beiden Zähnen von Taubach auf die Zugehörigkeit zur NeanderthaJ-
Rasse zu schliessen, würde doch die Gleichheit der Rasse nimmer die Gleichzeitigkeit der
Stationen beweisen, bei der grossen Verschiedenheit der geologischen und paläontologischen
Horizonte. Die Fauna ist aber in der Sipka-Höhle eine viel jüngere als in Taubach. Das
letztere gilt ebenfalls von Wierzchowie. Pehck unterscheidet scharf die Antiquus-Stufe als
frühe Periode der Riss-Würm-Interglacialzeit mit Waldklima von der späteren mit Mammut
und Steppenklinia: die Kalktuffe von Taubach aber setzt er in die zweite, also in die
Mindel Riss-Interglacialzeit, dagegen die Mammut-Stationen sämtlich in die dritte, die
Riss-Würm-Interglacialzeit.
Wir müssen daher die reine Antiquus-Stufe von der reiueu Maminutstufe chronologisch
trennen. Denn wenn wir auch zugeben, dass ge^-en Ende der ersteren, warmen Epoche
sich neben der „warmen Fauna ' auch allmählich die Tiere der „kälteren Fauna-* einfanden,
so müssen wir doch die Fundstätten, welche eine rein ..warme" Fauna zeigen, als die
ältesten von denen, welche Reste einer viel jüngeren rein „kalten" Fauna oder auch nur
die Reste von beiden Faunen gemischt enthielten, streng unterscheiden, wenn auch die
gleichen Manufakte von Stein und Knochen sich hier und dort finden, da diese Formen in
allen Epochen auftreten.
Die zweite oder mittlere Periode von Hoernes entspricht teils dem Solutreen
Mortillets, teils der älteren Periode von Piettes äge glyptique, dem Papalien. Der
Verf. hat sie aber trotzdem Solutreen genaunt, weil ihm die passendere Bezeichnung
Moustero-Solutreen zu schleppend erschien. Wir können hier die Besorgnis nicht unter-
drücken, dass diese neue Nomenklatur noch zu grösserer Verwirrung der Begriffe führen
werde. Diese Stufe ist charakterisiert durch ein mildes Klima, durch Lössbilduug, Vor-
herrschen von Mammut, Rhinoceros tichorhinus und Wildpferd, zuletzt Auftreten des Ben,
Anwesenheit einer afrikanischen (negroiden und steatopygen) Menschenrasse, welche elfen-
beinerne Rundfiguren schnitzt, auch Moustier- und Solutre-Typen (die letzteren allerdings
nur selten) aus Stein anfertigt. Hierher gehören u. a. die Fundorte: Brassempouy, Laugerie
baute, Mentone, Brunn und Pfedmost.
Auch hier bilden wiederum die ..Industrie" uud die Menschenrasse das wesentliche
Band, welches die Funde dieser Gruppe vereinigt. Die Menschenrasse dieser Epoche
soll die Grimaldi- Rasse von Mentone gewesen sein, welche Verneau auf Grund
zweier in einem Grabe gefundener Skelette neu geschaffen und für negerähnlich er-
klärt bat. Da nun in Afrika steatopyge Frauen vorkommen und die bekannten, plumpen,
geschnitzten Figuren aus den obigen Stationen ebenfalls stark steatopyg erscheinen,
so sah Hoernes in diesen Figuren die Bilder jener dargestellt. — Nun hat Gaudry
kürzlich nachgewiesen, dass der eine, besser erhaltene Schädel aus dem Doppelgrabe
der „Grimabli-Rasse" in Mentone schlagende Ähnlichkeit mit dem Typus der recenten
Australier hat, — also von einer afrikanischen Rasse nicht mehr die Keile sein kann. Dass
aber aus so rohen Schnitzereien, wie die Elfenbein-Figuren von Brassempouy. Lourdes,
Brunn u. a. anthropologisch- ethnographische Schlösse gezogen werden, dagegen hat
Manouvrier mit Recht schon protestiert. Die charakteristischen Lorbeerblatt- und
Schaftzungen- Spitzen vom Solutrö-Typus findet mau aber gar nicht häutig auf den hierher
gehörigen Stationen. Es bleibt also als wesentlicher Charakter dieser Epoche auch hier
die reine „Steppen-Fauna" übrig, welche durch das Auftreten des Ken mehr auf die An-
näherung einer neuen Eiszeit, als auf ein mildes Klima hinweisen dürfte.
— h;s —
Die dritte oder Oberstufe identifiziert der Verf. mit dem Magdalenien. Das Rentier
herrscht vor, die Crö-Magnon-Rasse tritt auf, welche künstlerisch beanlagt ist und haupt-
sächlich Werkzeuge aus Knochen und Geweih verfertigt. Hierher gehören Laugerie-basse,
Mas d'Azil, Kesslerloch, Schweizersbild, Schussenried, Gudenushöhle u. a.
Über die Periode der Eiszeit, in welche diese Stufe zu setzen ist, drückt Hoernes
sich mit Recht unbestimmt aus — ..keine Eiszeit, sondern Nach-Eiszeit oder frühe Zwischen-
Eiszeit", — da Pcnck das Magdalenien gerade in die letzte, die Würm-Eiszeit, wenn
auch nicht in deren Maximum setzt.
Es folgt nun der Abschnitt über die Übergangsstufen oder den Hiatus zwischen der
älteren und jüngeren Steinzeit, über welche die französischen Forscher in den letzten
Jahren bekanntlich ganz neue Ansichten gewonnen haben. Hoernes prüft mit grosser
Sorgfalt alle von den Franzosen aufgeführten Beweise für die Existenz von Übergangs-
Kulturstufen, des Tourassien von G. de Mortilet, des Asylien und Arisien von Piette,
des Campignien von Salmon, sowie des Tardenoisien von A. de Mortillet bis zum
Robenhausien, und kommt zu dem Schluss, dass in Frankreich und einigen Gebieten
Italiens allerdings ein Übergang vom Palaeolithicum zum Neolithicum nachweisbar ist, dass
aber die neolithische Kultur dort nicht entstanden ist, wie in Frankreich vielfach gelehrt
wird, sondern die sitzen gebliebene alte Bevölkerung nur von den ncolithischen Ein-
wanderern gewisse neue Formen kennen gelernt und nachgeahmt hat. — Dieser Abschnitt
verdient unsere volle Anerkennung.
Der zweite Teil behandelt die paläolithische Kulturstufe Österreich-Ungarns. Das zu
Grunde liegende Material kommt in grossem Umfange zur Darstellung.
Den Schluss des Werkes bildet ein Anhang, in welchem die neu erschienenen Ar-
beiten in Gestalt von Exkursen und Nachträgen besprochen weiden. Wir beschränken
uus hier auf die folgende Bemerkung.
Die neuen Untersuchungen über die Eolithen werden schroff abgelehnt. Dies erklärt
sich wohl daraus, dass der Verf. noch nicht Gelegenheit hatte, sich persönlich eine
genügende Kenntnis des Materials zu erwerben, und daher den französischen Forschern
folgt. -
Eine objektive Darstellung der Funde, nach den paläontologischen Horizonten geordnet,
wäre bei dem heutigen Stande unseres Wissens allein richtig gewesen, da weder die
geologischen noch die anthropologischen Verhältnisse in allen glacialen Gebieten bisher
sicher genug erforscht sind, um auf dieselben eine Chronologie der „Industrien" zu be-
gründen.
Trotz dieser Bedenken müssen wir das von der Verlagshandlung schön und reich aus-
gestattete Buch jedem, der mit dem behandelten Material vertraut ist — aber nur
diesem — zum Studium empfehlen, da die deutsche Literatur noch keine ähnliche zu-
sammenfassende Darstellung des gesamten Stoffes besitzt. Lissauer.
Kiiz. Martin, Beiträge zur Kenntnis der Quartärzeit in Mähren. Mit
180 Illustrationen. Steinitz, Selbstverlag-, 1903. 8°.
Unter diesem bescheidenen Titel veröffentlicht der Herr Verf. die Ergebnisse seiner
langjährigen, mit grossen Opfern und nach streng wissenschaftlichen Methoden ausgeführten
Untersuchungen des berühmten Lösshügels von Pfedmost und der zahlreichen Höhleu iu
Mähren, welche bisher nur zum kleineren Teil in Fachjournalen erschienen waren. Die
vielen exakt festgestellten Profile und Horizonte der untersuchten Schichten, die ausser-
ordentliche Menge der sorgfältig bestimmten Tierreste, die stete Berücksichtigung der prä-
historischen und historischen Kulturreste erheben das Buch über das Niveau von blossen
Beiträgen zur Kenntnis der Quartärzeit Mährens. Nur in dem Sinne sind es Beiträge, die
hier vorliegen, als der Verf. ausschliesslich seine eigenen Untersuchungen mitteilt: ebenso
bildet die Quartärzeit den wesentlichsten Inhalt des Buches. Dasselbe zerfällt in zwei
Hauptteile, welche wiederum in je einen geologischen, paläontologischen und archäologisch-
anthropologischen Abschnitt gegliedert sind.
Der erste Teil betrifft die Untersuchung des Lösshügels llradisko in Predmost bei
l'ierau. flu den ganzen Aufbau des Hügels zu erforschen, wurden in und um denselben
— 109 —
55 Schächte getrieben. Die einzelnen Grabungen norden, an fnhrlich mitgeteilt und er-
gaben als schliessliches Resultat, dass der Hügel aus einem festen Gerippe am Devonkalk
besteht, um welchen sich der Löss, nach den in den verschiedenen Schichten vorkommenden
Tierresten, sowohl in präglacialer, wie glacialer and postglacialer Zeit angelagert hat.
Glaeiale Phänomene sind in Mähren überhaupt nur im Odertale hi> zur baltisch-pontischen
Wasserscheide bei Mährisch- Weisskirchen Dachweisbar, und zwar nur von einer Eiszeit
In allen Schichten des Lösshögels kommen vor: Mammut, Pferd, Bos primigenius, der
Höhlenbär, auch schon in den untersten Schichten, in denen noch keine menschlichen Kultur-
reste gefunden wurden. Diese letzteren kommen erst zusammen mit den Resten einer
borealen und glacialen Fauna vor; der Mensch tritt liier erst mit den nordischen Tieren,
wie Eisfuchs, Moschusochse, Ken usw. auf, d. h. zur Eiszeit, während die erstgenannten
Tiere, Mammut usw., bereits in präglacialen Schichten nachweisbar Bind. Zeitweise wurde
aber der Hügel auch vom Löwen, Leopard und der Hyäne besucht.
Am auffallendsten ist das Verhalten des Mammuts zum Menschen. Dasselbe lebte hier
schon präglacial; — es existierte dann mit dein Menschen zusammen während der Eiszeit,
und erlitt, nach den Funden in der Kulturschicht, in dieser Zeit eine grosse Katastrophe,
in welcher durch Schneestürme oder Krankheit eine Herde von etwa -"">» m i Individuen den
Tod fand; — es überdauerte dann noch, allerdings nur in geringer Zahl, die Anwesenheit
des Menschen auf dem Hügel.
Der Mensch dagegen lebte hier schon vor der grossen Katastrophe und auch lange
nachher, aber immer nur im Sommer, während er im Winter wahrscheinlich in den Höhlen
hauste.
Von der grossen Menge der gefundenen Tierknochen seien hier nur folgende an-
geführt: 5 vom Rhinoceros tichorhinus, 46 vom Höhlenbären, 600 vom Ei- fuchs, » »~ »< > vom
Schneehasen, 208 vom Ken. 50 vom Höhlenlöwen, 140 vom Wildpferd, 2000 vom Wolfu. a.
An Überresten des diluvialen Menschen selbst fanden sich vor, ausser zerstreuten Feuer-
stätten, .'!"_'.'! I Geräte aus Stein, viele aus Knochen, Kentiergeweih und Elfenbein: ferner
Schminke in einem Gefäss von rotem Sandstein, eine mit Zickzacklinien verzierte Mammut-
rippe, Dentalien und Knochen von <> menschlichen Individuen.
Nachdem der Hü^el von dem diluvialen Menschen verlassen war, wurde derselbe lange
Zeit nicht mehr bewohnt, bis im Anfang unseres Jahrtausends slavische Ansiedler wiederum
sich dort niederliessen.
Nicht weniger grossartig sind die Grabungen des Verf. in den mährischen Höhlen.
mit welchen sich der zweite Teil des Buches befasst. Um das genaue Nivellement der
verschiedenen Schichten aufnehmen zu können, wurden im ganzen -?CM> Schächte und
32 Stollen getrieben, ferner 8 freie Felder ausgehoben, so dass jeder Fundort sorgfältig in
vertikaler und horizontaler Richtung bestimmt werden konnte. Nach einer übersichtlichen
Topographie aller mährischen Höhlen werden die ausgeführten Arbeiten und gehobenen
Funde einzeln mitgeteilt, so dass der Leser die Ausdauer und Gründlichkeit des Verf. bei
allen diesen Arbeiten bewundern muss.
Von den vielen Höhlenforschungen wollen wir hier nur die wichtigsten anführen. Die
Kulna, eine der Slouperhöhlen im Gebiet der Punkwa. zeigte noch vollständig unge>törte
Schichten. Die sorgfältige Untersuchung derselben ergab folgendes Bild: In der untersten
gelben Schicht von 14,80 m fanden sich nur Reste von rein diluvialen Tieren 18 Spezies)
oder solchen, welche schon mit diesen zusammen gelebt, aber sich bis in die historische
Zeit hinein erhalten haben, wie Pferd u.a. (39 Spezies); in der oberen, schwarzen, allu-
vialeu Schicht von L,20 m treten dann plötzlich Reste von Haustieren (5 Spezies] in gl
Menge auf, und erst in der obersten Schicht noch Reste der f» jüngsten Tierspezies, zu
denen auch die Hauskatze und die Hausratte gehören.
Was nun die Reste menschlicher Kultur betrifft ^Holzkohle, Werkzeuge usw. . ao reichen
dieselben nur bis I m Tiefe hinab, von denen also 1,20« der schwanen, alluvialen und
noch 2,80 in der gelben, diluvialen Schicht angeboren. Die untersten 12 m waren schon
vor Ankunft des Menschen abgelagert und enthalten nur Herreste.
Aus den Kulturschichten dieser Höhle stammen auch geschnitzte und gravierte Aite-
Fakte, deren Deutung aus den beigegebenen Zeichnungen indessen nicht immer ver-
ständlich ist.
— 170 —
Ganz ähnlich sind die Resultate aus der Kostelikhöhle im Gebiet des Hadekerbaches.
Die berühmte Byciskalahöhle im Gebiet des Rickabaches, welche so schöne Funde aus
der Hallstattzeit ergeben hat, war in der Diluvialzeit weder von Tieren noch von Menschen
bewohnt, wahrscheinlich, weil sie mit Wasser augefüllt war.
Zum Schluss spricht der Verf. noch seine Ansicht über das Erscheinen und Ver-
schwinden des diluvialen Menschen aus, nach welcher derselbe im hohen Norden ent-
standen und mit den diluvialen Tieren zuerst nach Süden und dann wieder nach Norden
zurückgewandert sei, um dort als Eskimo und Lappe noch heute sein Leben zu fristen.
Dieses sind indessen Fragen, deren Beantwortung uns mindestens verfrüht erscheint.
Die kurze Inhaltsangabe beweist wohl, dass das vorliegende Buch für das darin be-
handelte Gebiet ein unentbehrliches Quellenwerk ist. Lissauer.
1
bis 4 Jahren.
5
„ 7
s
.. 10 „
11
„ 15 „
15
„ 24 „
Stratz, C. H., Der Körper des Kindes, für Eltern, Erzieher, Ärzte und
Künstler. Mit 187 in den Text gedruckten Abbildungen und 2 Tafeln.
250 Seiten. Gross -8°. Stattgart, Ferdinand Enke, 1903.
Seinen bekannten Werken über die Schönheit des Weibes fügt der Verfasser hier neue,
eingehende Studien über den Körper des Kindes, und damit zugleich über dessen Anmut
und Schönheit an. Es wird hier der Versuch gemacht, „des Kindes Fehler und Vorzüge
vom objektiv-wissenschaftlichen Standpunkt aus zu beleuchten-'. Zuerst wird eiu allgemein
verständlicher Überblick über die ontogenetische und die embryonale Entwickelung des
Menschen gegeben. Dann werden die körperlichen Veränderungen geschildert, welche das
Kind in den verschiedenen Stadien seiner körperlichen Entwickeluug zu durchlaufen hat.
Indem er die von dem Ref. als besondere Abschnitte im kindlichen Leben aufgestellten
Perioden der ersten und zweiten Streckung anerkennt, teilt der Verf. das Kindesalter in
folgende Abschnitte:
1. Periode der ersten Fülle von
2. „ „ „ Streckung. . . „
3. „ .. zweiten Fülle „
4. „ „ ., Streckung. . . „
.">. „ „ Reifung. .. . „
Schon beim Neugeborenen können durch den Akt der Geburt mancherlei Störungen
normaler Entwickelung hervorgerufen werden, welche mehr oder weniger lange Zeit un-
ausgeglichen bleiben. Auch die im späteren Leben die normale Entwickelung des Kindes
beeinträchtigenden Faktoren werden erläutert. Die Ergebnisse seiner Körpermessungen
weichen von denjenigen anderer Autoreu ab. Das erklärt sich dadurch, dass der Verf. die
Masse nur an einem Materiale genommen hat, das er für seine Zwecke besonders aus-
wählte, und das er als „möglichst rein" betrachtete. Seine Masse können daher allgemeine
anthropologische Gültigkeit nicht beanspruchet). Als untunlich muss auch bezeichnet
werden, dass mehrfach auf Masse Rücksicht genommen wird, welche an photographischen
Aufnahmen gewonnen wurden, welche nicht die richtige anthropologische Aufstellung,
sondern öfters körperliche Verschiebungen wiedergeben. Schalten wir diese Dinge aus, so
verdient Stratzs Arbeit aber doch unsere volle Anerkennung. Die körperlichen Ver-
änderungen der gesamten Lebensabschnitte im kindlichen Alter werden eingehend durch-
gesprochen; auch die sekundären Geschlechtscharaktere, sowie ihr Auftreten und ihre Ent-
wickelung linden ihre eingehende Berücksichtigung. Eine grosse Reihe autotypischer Ab-
bildungen, welche das Gesagte erläutern, sind dem Werke beigegeben. Auch die Kinder
aussereuropäischer Rassen sind in die Betrachtung mit einbezogen worden. In der Spär-
lichkeit des zu Gebote stehenden Materials ist es begründet, dass hier noch manche Lücke
auszufüllen ist. Es wird daher noch längere Zeit dauern, bis wir zu abschliessenden Ur-
teilen gelangen werden. Auf ein paar Druckfehler mag noch hingewiesen werden (^S. 80
scropha und S. 215 der säugende Feuerländer); wahrscheinlich hat sie der Verf. schon be-
merkt. Weitere Kreise werden aus dem Buch ernste Anregung und Belehrung schöpfen
können. Max Bartels.
— 171 —
Bellucci, Giuseppe, La grandine aell' Umbria , con nute esplicative e
comparative e con illustrazioni. Tradizioni popoläri [taliane. No. 1.
Perugia 1903. ünione Tipografica Coop. Editrice. 136 Seiten. Kl. -8°.
Der gründliche Kenner italienischer Folklore macht uns hier mit einem engumgrenzten
Gebiete aus der Volkskunde Umbricns bekannt, nämlich mit den dortigen Anschauungen
und Gebräuchen, die sich an das Hagelwetter knöpfen. Wie frachtbar dieses scheinbar so
kleine und einfache Thema ist, das erweist allein schon der Umstand, dass des Verf. Mit-
teilungen und Erörterungen 136 Seiten fällen. Es werden zuerst die Anschauungen an-
geführt", welche das umbrische Landvolk über die Ursachen von dem Entstellen des Hagel-
wetters hegt. Teils wird der Zorn und der Unwillen Gottes, teils die Bosheit und Tücke
des Teufels, teils aber auch werden die neidischen und feindseligen Machenschaften von
Hexen und Zauberern verantwortlich gemacht. Interessant ist es, zu erfahren, dass die
Landleute in Umbrien fest davon überzeugt sind, man könne an der Form und dem An-
sehen der Hagelkörner erkennen, welcher dieser Ursachen sie ihre Entstehung verdanken.
Je nach der einen oder der anderen Deutung richten sich auch die Abwehrmittel, zu denen
die Bauern ihre Zuflucht nehmen. Sie sind ausserordentlich mannigfaltig, und der Verf.
spricht sie sämtlich eingehend durch, und er weist dabei auf Vergleichungspunkte aus
anderen Teilen Italiens hin. Eine besondere Aufmerksamkeit widmet er dem Wetter-
schiessen, das in verschiedenen Formen vorkommt. In dem letzten Kapitel werden noch
einmal die vielseitigen Massnahmen überblickt, welche man in Umbrien anwendet, um sich
vor dem schweren Unglück des Hagelschlages zu bewahren. Er ist dabei aber bemüht,
jedesmal dem Gedankengange nachzuspüren, welcher zu dem betreffenden Handeln ge-
führt hat.
So entrollt sich vor unseren Augen ein interessantes Stück Völkerpsychologie. Für
die Zähigkeit und Dauerhaftigkeit, mit welcher solche Gedankengänge im Volke haften,
lernen wir charakteristische Beispiele kennen. Da der Verf. das Werk unter dem Haupt-
titel ,Tradizioni popoläri Italiane, No. 1' herausgibt, so können wir hoffen, dass wir bald
aus seiner Feder auch noch andere Kapitel der italienischen Volkskunde erhalten werden.
Max Bartels.
.Maass, A., Quer durch Sumatra Reiseerinnerungen. 3lit 33 Vollbildern
und zwei Karten. Berlin 1004, bei W. Süsserott. 8°.
Das anspruchslos auftretende Buch, das des Verfassers Reise von Padang nach
Palembang schildert, verdient es, über das Gros der gewöhnlichen Reiseliteratur empor-
gehoben zu werden. Nicht nur hat es der Verfasser verstanden, seine Beobachtungen an
Land und Leuten auch während einer nicht Forschungszwecken gewidmeten Reise zu
machen, sondern er hat auch, und das ist die Hauptsache, eifrig photographiert. Das
Ergebnis dieser photögrapkischen Tätigkeit ist dem Buch, das selbst nur 1 13 Seiten zählt,
in 33 Vollbildern beigefügt. Zwei Karten vervollständigen das Bild dieser Reise. Von
den eingestreuten ethnographischen Bemerkungen erwähne ich die Beschreibung des
Festes der Einkleidung eines Hadji, das ist eiues mohammedanischen Priesters; Unter .Ich
hervorragend guten Bildern, die grösstenteils ethnographische Darstellungen bringen, hebe
ich besonders das Bild der Braut, ferner den Hochzeitszug und das Rödjangbaus heran.-.
Zum Schluss noch eine Bemerkung: das holländische „Bovenlanden" mit „Oberländer"
zu übersetzen, um das Adjektiv „oberländisch" zu erhalten, ist ungebräuchlich. Warum
nicht bei dem alten „Padangschen Hochland" bleiben? Stornier.
IV. Eingänge für die Bibliothek1).
1. Ujfalvy, Carl von, Zur anthropologischen Geschichte Indiens. Eisenach und Leipzig.
Thüringische Verlagsanstalt o. J. 8°. (Aus: Politisch - anthropolog. Revue.)
Gesch. v. Verf.
2. Salinas, Antonino, Breve guida del Museo nazionale di Palermo. 3:l edizione, Palermo
1901. 8°. Gesch. v. Verf.
•'!. Haushofer, Max, ßevölkerungslehre. Leipzig. B. G. Teubner 1904. 8°. (Aus: Natur
und Geisteswelt, Bd. 50) Vom Verleger.
4. Almeras, Henri de, Le mariage chez tous les peuples. Paris, Schleicher fr. et Cie.
8°. 1903. Angekauft,
ö. Annuaire international des Societes Savantes par H. Delaumay. Introduction de
C.-M. Gariel. 1903. Paris, A. Lahure. 1904. 8°. Angekauft.
G. Koganei, Y., Messungen an chinesischen Soldaten. Tokio 1903. 8°. (Aus: Mitteil.
der medizin. Fakultät der K Japanischen Universität, Tokio VI.) Gesch.
v. Verf.
7. Melius, C, Neolithische und spätzeitliche Silex- und Kieselware. Braunschweig 190.!.
4". (Aus: Globus, Bd. 84.) Gesch v. Verf.
8. Hagen, K., Museum für Völkerkunde. Bericht für das Jahr 1902. Hamburg 1903.
8°. (Aus: Jahrbuch der Hamburgischen Wisscuschaftl. Anstalten XX). Vom
Museum in Hamburg.
9. Wittmack, Die in Pompeji gefundenen pflanzlichen Reste. Leipzig, W. Engelmann
1903. 8°. (Aus: Englers Botanische Jahrbücher, Bd. 33.) Gesch. v. Verf.
10. Morton, Samuel George, Crania Americana ... An essay on the varieties of the
human species. Illustr. by 78 PI. and a Map. Philadelphia, J. Penington 1839.
2n. Aus der W. Schünlank-Stiftung.
11. Colini, G. A., Tombe eneolitichc del Viterbese (Roma) Parma 1903. 8". (Aus:
Bull, di Paletnol. Italiana.) Gesch. v. Verf.
12. Hoffmann-Krayer, E., Fragebogen über Volksmedizin in der Schweiz. Basel 1903.
8". Gesch. v. Verf.
13. Schweiger-Lerchenfeld, A. v., Die Frauen des Orients in der Geschichte, in der
Dichtung und im Leben. Lief. IG— 20. Wien und Leipzig, A. Hartleben 1904.
1". Vom Vorleger.
II. Martin, Rudolf, ('her einige neuere Instrumente und Hilfsmittel für den anthro-
pologischen Unterricht München L903. 1". (Aus: Correspond.-Bl. der Deutschen
anthropol. Ges.) Gesch. d. Verf.
15. Rathgen, Friedrich, Konservierung von Altertumsfunden aus Eisen und Bronze.
Cötben L903. 8°. (Aus: Chemiker-Zeitung, Jahrg. 27, S. 703/4.) Gesch. d. Verf.
1) Die Titel der eingesandten Bücher und Sonder-Abdrüeke werden regelmässig hier
veröffentlicht, Besprechungen der geeigneten Schriften vorbehalten. Rücksendung un-
verlangter Schliffen findet nicht statt.
— 173 —
16. Hiller, Arthur, Über die Fossula vermiana des Hinterhauptbeines Fossa oecipitalis
mediana). Königsberg i Pr. 1!)0:>. 8". (Dissertation.)
17. Sturmhöfel, Otto, Über die Eminentia crnciata des Hinterhauptbeines. Königs-
berg i. Pr. 1903. 8". (Dissertation.)
18. Bladt, Oswald, Die Arterien des menschlichen Kehlkopfes. Königsberg i. Pr. L903.
8". (Dissertation.)
16 — 18 vom Anatomischen Institut in Königsberg i. Pr.
I'.l. Ainbrosetti, Juan B., Los pucos pintados de rojo Bobre blanco del Valle de Yocavil.
Buenos Aires 1903. 8°. (Aus: Anales del Museo Nacional de Buenos Aires IX.}
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des environs d'Engis. o. 0. u. J. 8°. (Aus: L'Eveil.)
22. Doudou, Ernest, Etüde geolo^ique et archeologique des environs d'Ombret. Bruxelles:
Hayez 1903. 8°. (Aus: Bull, de la Societe d'Anthropol. de Bruxelles.)
•2."». Doudou, Erni'st, Nouvclles explorations dans les cavcrnes de la Vallee de la Mehaigne.
Soignies 1901. 8°.
24 Doudou, Ernest, Traces laissees par l'Homme prehistorique sur le territoire de
Seraing-sur-Meuse. Soignies o. J. 8°. (Aus: Jadis.)
"25. Doudou, Ernest, Les oi'igines de la legende des Nutons. Paris: L. Lechevalier 1902.
8°. (Aus: Revue des Traditions Populaires de Paris)
26. Doudou, Ernest: 1. A propos d'un troglodyte moderne; — 2. In „logement de
voya^eurs", ä Ben-Ahin, lez-Huy: — '■'>. Une appantion de Nutons; — 4. Les
chasseurs de Rats. o. 0. 1901/02. 8". (Aus: Wallonia IX und X.)
Nr. 21— 26 Gesch. d. Verf.
27. Frobenius, Leo, Geographische Kulturkunde. Eine Darstellung der Beziehungen
zwischen der Erde und der Kultur .... Leipzig: F. Brandstetter 1904 8°.
Gesch. d. Verf.
28. Steere, Joseph Beal, Narrative of a visit to Indian tribes of the Purus river, Brazil.
Washington 1903. 8°. (Aus: Report of the U. S. N. Mus. for 1901.)
29. Hough, Walter, Archeological lield work in North-Eastem Arizoua. The Museum-
Gates expedition of 1901. Washington 1903. 8°. (Aus: Report of the U. S.
Nat Mus. for 1901.)
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at Alton, Indian Territory. Washington 1903. 8°. (Aus: Report of the U. S.
Nat. Mus. for 1901)
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1901.)
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32. Bastian, Adolf, Die Lehre vom Denken. Zur Ergänzung der Naturwissenschaftlichen
Psychologie in Anwendung auf die Geisteswissenschaften. IL Teil. Berlin:
F. Dümmler H»03. 8°. Vom Verleger.
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(Abgeschlossen den 20. Februar 1904.)
I. Abhandlungen und Vorträge.
1. Einige türkische Volkslieder aus Xonlsyrien
und die Bedeutung- phonographischer Aufnahmen für die
Völkerkunde.1)
Von
Felix v. Luschan.
Vor jetzt '!') Jahres hörte ich im Theater des Palais Royal eine Posse,
in der die phonographische Wiedergabe anscheinend unbelauschter Gespräche
den ausgelassensten -In lud der Zuhörer erregte.
Damals schon hatte ich die Vorstellung-, dass der Phonograph einmal
ein wichtiges Hilfsmittel der anthropologischen Forschungsarbeit werden
miisste. Sieben Jahre später wollte ich hier am Museum zum ersten Male
die praktische Brauchbarkeit eines Phonographen für unsere Zwecke er-
proben, aber der Apparat war damals noch technisch sehr anvollkommen,
und ausserdem erklärte man mir in aller Form, solche Dinge gehörten
auf einen Jahrmarkt und nicht ins Museum. Bald nachher legte hier in
unserer Gesellschaft F. Boas seine ersten Ergebnisse mir dem Phono-
graphen vor -- sie waren gleichfalls wenig ermunternd.
So hatte ich den Gedanken wieder fallen lassen und erst wieder auf-
genommen, nachdem ich aus einem Vortrage der Herren Abraham und
v. Hornbostel ersehen hatte, dass mindestens der musikwissenschaftliche
Gewinn aus phonographischen Aufnahmen völlig einwandfrei sei.
Als dann meine Frau und ich Ende 1901 uns zu einer neuen Au>-
grabungskampagne in Sendschirli rüsteten, beschafften wir einen ganz
kleineu phonographischen Apparat, der nur 1<» Taler kostet und weniu
mehr als 1 kg wiegt. Härte er sieh für ernste Zwecke unbrauchbar er-
wiesen, so wäre er immer ein sehr passendes Geschenk für einen der
deii einheimischen Würdenträger gewesen.
Dieser vorläufige Versuch ist indes über jedes Erwarten gelungen.
Wir hatten nie früher einer phonographischen Aufnahme mit einem
modernen Apparate beigewohnt und machten daher im Anfange aus üner-
fahrenheit allerhand Fehler. Rasch aber lernten wir die an sieh ja ganz
1) Erweitert nach einem in der Sitzung vom 20. Juni 1903 gehaltenen Vortrage.
Zeitschrift für Ethnologie. Jabrg. 1904. Heft 2, ]•_>
— 178 —
einfache Technik beherrschen, und so haben wir neben einer Anzahl
kurdischer Texte gegen zwanzig türkische Lieder mitgebracht, die ich
im folgenden veröffentlichen will.
Da muss ich zunächst voraussenden, dass meine Frau und ich im
ganzen nicht mehr als zwei oder drei Stunden an diese phonographischen
Aufnahmen wenden konnten und dass etwa drei weitere Stunden nötig
waren, um die phonographisch gesicherten Texte auch handschriftlich fest-
zulegen. Die Beschaffung des gesamten Materials, das ich hier vorlege,
hat also einen Zeitaufwand von nicht ganz sechs Stunden erfordert. Es
scheint mir richtig, das ebenso hervorzuheben, als wie den billigen Preis
des Apparates und dessen geringes Gewicht. Es ist selbstverständlich,
dass man mit einein besseren Apparate und besonders wenn man mehr
Zeit an eine solche Aufgabe wenden kann, noch ungleich bessere Ergebnisse
erzielen wird, aber unser Erfolg zeigt doch schon an sich, dass man auch
mit einem verschwindenden Aufwände von Zeit und Geld schon auf
Resultate von ernstem wissenschaftlichen Werte rechnen kann.
Unser Apparat war bei Romain Talbot gekauft gewesen; er hat sich
glänzend bewährt, aber es hat sich in der Folge gezeigt, dass die billigen
Apparate dieser Art nur ab und zu, wohl zufällig auch für ernste Zwecke
ausreichen. Ich habe seither etwas solidere Apparate *) kennen gelernt,
die man hier bei A. Wertheim um 50 Mk. kaufen kann. Diese wiegen
allerdings 4,5 kg, aber sie haben einen festen Holzkasten, einen sehr viel
grösseren Schalltrichter und ausgezeichnet gute Membranen, so dass auch
leiser gesungene Lieder und im gewöhnlichen Sprechtone gesprochene
Texte ohne jede Schwierigkeit aufgenommen werden können.
Diese Apparate stehen vollkommen auf der Höhe unserer Zeit, und
ich möchte sie, so lange als nicht noch bessere konstruiert sind, jedem
Reisenden auf das allerdringendste empfehlen.
Auf die technische Seite der Aufnahmen werde ich noch später
zurückkommen; auch die Herren Abraham und v. Hornbostel werden
sie noch eingehend erörtern. Einstweilen möchte ich schon hier fest-
stellen, dass für den gewöhnlichen wissenschaftlichen Reisenden nur kleine
Apparate mit Walzen, also Phonographen im engeren Sinne des Wortes
in Frage kommen können. Die grossen, meist als Grammophon oder
Graphophon im Handel befindlichen Apparate mit Hartgummiplatten leisten
zwar in der Wiedergabe der Aufnahmen oft sehr viel mehr, aber das
Aufnahmeverfahren ist sekret, durch Patente geschützt und vermutlich so
schwierig, dass es nicht ganz leicht zu erlernen ist. Ausserdem sind diese
Apparate sehr gewichtig und auch wesentlich teurer. Die Wiener Akademie
der Wissenschaften hat einen anderen Apparat konstruieren lassen, der
gegen 100 /,■</ wiegen und viele hundert Gulden kosten soll — dass ein
solcher Apparat nur sehr wenigen Reisenden mitgegeben werden kann,
bedarf keiner weiteren Erörterung.
Ich wende mich nun wieder zu den 1902 von meiner Frau und mir
in Sendschirli gesammelten Texten, werde aber hier nur aber die türkischen
1) „Exelsior Phonograph".
— 179 —
berichten and behalte mir vor, in einem anderen Zusammenhange Bpäter
auch auf unsere kurdischen Lieder und Sprachproben zurückzukommen.
Was ich hier an türkischen Texten mitteilen kann, stammt ausnahmslos
von einem armenischen Jungen aus Aintaab, Aved.is. Sohn des Aredia,
der krankheitshalber zu mir nach Sendschirli gekommen war und bis zu
seiner Heilung in unserem Lager zurückbehalten weiden musste. AI-
Sohn eines kleinen Krämers in einer l'iovinzstadt hatte er trotz seiner
Jugend eine grosse Menge von Liedern gehör! und dank seiner zweifellos
nicht geringen musikalischen Begabung auch behalten. Seine angewöhn-
liche Intelligenz, seine wirklich liebenswürdige Gefälligkeit und seine un-
verwüstlich gute Laune Hessen ihn für unsere phonographischen Aufnahmen
besonders geeignet erscheinen, während wir vorher mit mehreren Erwachsenen
nicht gerade sehr ermutigende Erfahrungen gemacht hatten.
Ich gebe im folgenden zunächst als Probe sechs Texte genau in der
Form, wie ich sie nach dem Diktate Avedis niedergeschrieben habe und
absichtlich auch mit all den orthographischen Fehlern die der ersten Auf-
nahme anhafteten. Freilich sind viele dieser Fehler auf mein schlechtes
musikalisches Gehör zurückzuführen (ich kann z. B. beim besten Willen
keinen Unterschied zwischen k und q heraushören) und andere darauf,
dass ich türkisch nur ganz roh empirisch gelernt und auf eine systematisch
richtige Transskription daher niemals geachtet habe. Auf der anderen
Seite hat meine roh phonetische „Privattransskription" den Vorteil allge-
meinerer Verständlichkeit und kann daher dem Laien leichter eine wenigstens
ungefähre Vorstellung von dem wirklichen Klange des Texte- vermitteln,
als irgend eine Art von konventioneller wissenschaftlicher Transskription.
Dem Fachmanne, d. h den wenigen Herren, die sich wissenschaftlich
mit einer Turksprache beschäftigen, fällt bei den sechs hier in meiner
ganz ruhen Transskription mitgeteilten Texten besonders die Menge der
Doppolkonsonanten auf. Eis ist mir nicht möglich, hierfür eine ganz ab-
schliessende Erklärung oder auch nur eine Entschuldigung beizubringen.
In vielen Fällen schreibe ich die Doppelkonsonauten unbewusst und nur.
um dadurch den vorhergehenden Vokal als kurz zu bezeichnen, in anderen
alier glaubte ich mit grosser Sicherheit den Konsonanten wirklich doppelt
zu hören — auch in Worten, von denen ich weiss, dass sie mit einfachen
Konsonanten -.'schrieben und in Stambul auch gesprochen werden. Es
mag sich hier vielleicht um dialektische Lokalformen handeln, wenigstens
hat die Untersuchung meiner Walzen durch Fachleute mit gutem Gehör
in einzelnen Fällen wirklich etwas an Doppelkonsonanten anklingendes
■ergeben. Doch würde ich es für voreilig halten, hierauf schon weitere
Schlüsse zu bauen, (die genauere Untersuchungen vorliegen.
Jedenfalls hielt ich es für nötig, meine sämtlichen türkischen Texte
einem Fachmanne zur Korrektur der orthographischen Fehler vorzulegen.
Hr. Hacki Tewfik Ui-<j;. ein zur Zeit in Berlin lebender Libanese mit
ausgezeichneten Sprachkenntnissen und von angewöhnlicher Bildung und
Intelligenz, hat die Güte gehabt, sich dieser wenig dankbaren Aufgabe zu
unterziehen. Er ist mir auch bei der Revision meiner Übersetzung ins
Deutsche beigestanden und hat sich in vielen Fällen auch um die Wieder-
1 2
— 180 —
Herstellung des oft sichtlich verderbten Textes bemüht. Es ist mir eine
angenehme Pflicht, ihm auch an dieser Stelle für seine vielfache Mithilfe
bestens zu danken. Ebenso bin ich Hrn. Oberleutnant Zeki Beg zu Dank
verpflichtet, der Hrn. Hacki Tewfik bei seiner Arbeit vielfach unter-
stützte und ganz besonders auch Hrn. Prof. Karl Foy und Hrn. Mehmed
Hassan vom hiesigen Seminar für orientalische Sprachen, denen ich viele
interessante Hinweise verdanke.
Im Laufe dieser nachträglichen Arbeit ist mir erst zum Bewusstsein
gekommen, wie verhältnismässig wenig sich eigentlich der in der Gegend
von Sendschirli gesprochene Dialekt von dem Stambuler unterscheidet.
Auf die einzelnen azerbeidschanischen Formen des ersteren werde ich
in den Noten noch besonders aufmerksam machen.
Yin.
Schu jahudy kysy kajjet kirmisi
Amman, ammau, amman da jahudy
Seweris effendim kajjet bejasy (kirmisi)
Amman, amman, amman da jahudy
:,: Ismir ischi kondurassy boyaly, oh, amman da jahudy :,:
Haide Selma, aschyk karagöslü Selma.
:,: Schu jahudy kysy isläm oladschak
Amman, amman, amman da jahudy :,:
Biliris effendim, bana waradschak
:,: Ismir ischi kondurassy boyaly, oh, amman da jahudy :,:
Haide Selma, aschyk, karagöslü Selma.
:,: Schu jahudy kysy hammain gidedschek
Amman, amman, amman da jahudy :,:
Biliris effendim, temis oladschak
Ismir ischi kondurassy boyaly, oh, amman da jahudy
Haide Selma, aschyk, karagöslü Selma.
:,: Iki badschi durmusch, badschadan bakar
Amman, amman, amman da jahudy :,:
Biliris effendim, tschok dschanlar yakar
:,: Ismir ischi kondurassy boyaly, oh, amman da jahudy :,:
Eaide, Selma, aschyk, karagöslü Selma.
XIII.
Yar. yar. yar, ben kima jandym, yar
:,: Istambuldan tschikdim derja jüsüna
.Mail oldum aghaunynyn gösüna. :.:
Uima dedim, iiidum eller sösüna
:,: Arilin« I dalda kysch (?) echahnoda (?) ssallauyr, yar, yar :.:
Eer öpdükdscha kyras dodak ballanyr, oh, oh.
5Tar, yar, yar. heu kima jandym, yar
- 181 -
:.: Istambuldaii getirejim fessimi
Ben ölürssen, kimler tschekssin jassümü, yar, yar
Uinia dedim, uidun eller sössfina
:,: Armud dalda kysch(?) Bchahnoda (?) BBallanyr
Her öpdükdscha kyras dodak ballanyr, oh, oh :.:
XIV.
:,: Uskütara gider ikdi bir mendil(i) buldiim :.:
:,: Mendilin itschine lochum doldurdum :,:
:.: Kiatib benini, ben kiatibim, eller karryschyr :.:
:,: Kiatibinic ssyrmaly tschebgen nede gfigel jakyschyr :.:
Lstemem, istemem, salsanat. kabul etmem
Paituna bindirejim, yar seni gesdirejim
Tschalgyler tschaldyrejim, yar seni eilendirejim
:,: Üskütardan gelir iken tuttu bir jamur :.:
:,: Kiatibimin sytyrassi (sie) usun etteji dschamur :,:
Kiatib benim, ben kiatibim, eller karryschyr
:,: Kiatibinie ssyrmaly tschebgen, nede güsel jakyschyr :,:
lstemem. istemem, salsanat, kabul etmem.
XV.
Ölüm farsma yokssa sünnett
Bir dschan itschün etmem minnett
Deissinlerki ahha dschennet
Girmem yarsyss, haram ollssun.
Ssaharr oldughun düssunlar
Yollara atly koissunlar
Isterlerssa gösüm oissünlar
Girmem yarsyss. haram ollssun.
XV. A.
Nar-aghadschy narsyss olmass
Gül-agbadschy gülsyss olmas
Errgen oghlan yarsyss olma>-.
War basehymdan, airyl Kurschutt.
Kyllyndschym tschekmischem kündaD
Ümüdüm kessmischim dschandan
Ölürüm, airylmam senden.
War basehymdan, airyl Kurschutt.
Kurschutt, B6D olmussun assy
Dschumle jejitlerin hassj
Machejaryn(P) bir tannessy.
War basehymdan, airyl Kurschutt.
— 182 —
XVI.
Amman, dejirmendji, amme
Ujüt boghdamy, boghdamy
Werem saua gerdanemi.
Olmass kadinn, anam olmass
(Terdanenen un .üjünmess
Ortak dujar, kajil olmass
Amman, dejirmendji, amme
Ujüt boghdamy, boghdamy
Werem sana entarymy
Olmass kadinn, anam olmass
Entar ilan un üjünmess
Ortak dujar, kajil olmass
Amman dejirmendji, amme
Ujüt boghdamy, boghdamy
Werem sana altynymy
Olmass kadinn, anam olmass
Altyn ilan un üjünmess
Ortak dujar, kajil olmass
Tokul, dejirmendji, amme
Ujüt boghdamy, boghdamy
Werem sana beu kysyma
Olur, kadinn, anam olur
Kysynanda im üjünür
Per kvryldy, tes japylyr.
Auf diese sechs als Probe für die Art meiner primitiven Transskription
mitgeteilten Texte lasse ich nun das gesamte, nach Ave dis aufgenommene
Material folgen und zwar in derselben ganz zufälligen Reihenfolge, in der
dem Jungen die einzelnen Texte einfielen. Ich will die Reihenfolge nicht
ändern, da die Walzen in derselben Folge fest numeriert sind und es mir
zweckmässig erscheint, die Nummern dieses Berichts mit denen der Walzen
übereinstimmen zu lassen und eine doppelte Numerierung der letzteren
zu vermeiden.
[ch hätte sonst wohl auch wenigstens versuchen müssen, die einzelnen
Lieder ihrer Form und ihrem Inhalt nach zu ordnen und in Gruppen zu
bringen. Vor allem wäre es dann nötig gewesen, eine Teilung in mani
und in schaki zu versuchen. Die ersteren sind schwermütige Weisen, die
meist einer bestimmten Kunstform angehören und oft einem noch per-
sönlich oder namentlich bekannten Dichter zugeschrieben werden. Die
schaki hingegen sind echte Volkslieder im eigentlichen Sinne des Wortes,
[ch fürchte, dass meine türkisch-literarischen Kenntnisse zu einer solchen
Scheidung nicht gereicht hätten. Auch sehen ans «liesein Grunde war es
zweckmässig, die ursprünglich einmal durch Zufall gegebene Reihenfolge
beizubehalten.
— 183 —
Die von Avedis gesungenen Texte hatte ich ursprünglich mit den
Nummern 1 — XX bezeichnet; bei der späteren Durcharbeitung hat Bich
dann ergeben, dass einzelne dieser Texte zwei verschiedenen Liedern an-
zugehören scheinen. Ich kann jetzt nicht hr feststellen, "l, der Fehler
den Sänger oder mich trifft-, für die erste Möglichkeit spricht die absolute
Naivität und Harmlosigkeit des Jungen, der sicher die meisten seiner
Texte nur ganz mechanisch gelernt hatte, ohne aber sie lange nachzu-
denken. Liegt der Fehler bei mir, so kann ich ihn mit der Eile ent-
schuldigen, mit der ich das Material sichern musste. Wenn man eine
grosse Grabung mit 2 — 300 Mann zu leiten hat, kann man nur selten ab
und zu einige Minuten für irgend eine andere Arbeit sparen. Jedenfalls habe
ich diese nachträglich abgetrennten Texte bei den alten Nummern gelassen
und nur durch ein zugefügtes A als wahrscheinlich selbständig bezeichnet.
Die gezwungene Müsse einer Seereise halte ich später dazu benutzt,
eine Übersetzung der sämtlichen Texte niederzuschreiben. Sie ist im
folgenden dem türkischen Wortlaute gegenübergestellt. Ich brauche wohl
kaum zu betonen, dass ich bei meiner Übersetzung ganz allein nur einen
möglichst wörtlichen Anschluss an das Original und eine möglichst genaue
Annäherung an dessen Sinn im Auge hatte.
Mich dabei an irgend ein Metrum zu binden oder gar nach Keimen
zu suchen, hat mir dabei völlig fern gelegen. Ich habe an sich nicht
die allergeringste Begabung zu solchen Versuchen und würde im ver-
liegenden Falle auch deren Wert nicht sehr hoch veranschlagen. Jeden-
falls war mir bei dieser Arbeit allein nur an dem ethnographischen Ge-
winn gelegen, der ja von dem belletristischen Wert der Übersetzung völlig
unabhängig ist. Sogar wenn sich bei einigen der Texte ganz zufällig von
selbst vors- oder reimähnliche Bildungen ergaben, habe ich sie nur bei-
behalten, wenn sie mir dem Charakter des türkischen Originals halbwegs
zu entsprechen schienen, aber sie absichtlich durch höckrige Prosa ersetzt,
wenn sie das nicht taten.
Leider bin ich nicht in allen einzelnen Fällen sicher, den eigentlichen
Sinn jedes Liedes richtig erfasst zu haben. Bei Xr. V habe ich nicht
einmal mit Sicherheit ermitteln können, ob einzelne Verse einem Mädchen
oder einem Manne in den Mund gelegt sind. Bei anderen Texten z. B.
bei Nr. VIII weiss ich nicht, ob sie ernst oder ironisch aufgefasst werden
sollen. Wortspiele und Zweideutigkeiten anstössiger und harmloser Art
spielen eben in der türkischen Poesie eine sehr grosse Rolle, können aber
von dem weniger Kundigen leicht übersehen werden.
bli habe mich gleichwohl zu dieser Veröffentlichung entschlossen, nur
um mit ihr eine erste Anregung zu geben und zu weiteren Arbeiten auf einem
( iebiete zu ermuntern, das bisher sehr vernachlässigt geblieben zu sein scheint.
Es ist gern möglich, dass einzelne der hier mitgeteilten bieder bereits
anderswo publiziert sind: in den mir zugänglichen Quellen habe ich aber
keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden. Ich gebe also im folgenden was
ich habe und wie ich es habe. Es würde mich freuen, wenn meine Nach-
folger es besser machen werden ■ — Weiterarbeit anzuregen ist der einzige
Zweck dieser Mitteilung.
— 184 —
:,: bagha gittym. üzüm joq. :,:
:,: el järynda gözüm joq. :,:
:,: ben järymy küstürdym : :.:
:.: barghnaglia jüziim joq. :.:
:,: ehna attym hawäje, :,:
:.: düstü divanchäneje. :,:
:.: divanckäne /aryldy1): :.:
:,: jar bojnyma saryldy. :,:
:,: hopp-hopp-jaryma-da mtfsüallüh!
barysyryz insäallah! :,:
dam busynda mejchäne.
ben janarym humane.
susman benym olursa:
billah wermem duhmane!
hopp-hopp etc.
qapum iki qanatly.
jai'yni ehna janaqly.
jarym pek güzel, amma
bvr az urum inatly.
hopp-hopp etc.
indym cesme baJsyna.
basym dejdi2) taisyna.
sevd'i nedyr bilmezken\
o-da geldi basyma.
hopp-hopp etc.
In den Weingarten bin ich gegangen,
Trauben gibt es nicht.
Auf eines anderen Geliebte habe
ich kein Auge.
Meinen Schatz habe ich erzürnt,
Mich auszusöhnen, bringe ich nicht
fertig (wörtlich: schäme ich mich).
Einen Apfel warf ich in die Luft
Er fiel auf eine Diele.
Die Diele hat sich gespalten
Mein Schatz hat sich an meinen Hals
geworfen.
Hopp-hopp, wie schön ist mein
Schatz, wunderschön,
Wir werden uns wieder ver-
söhnen, wahrlich.
Auf dem Dache ist eine Schenke,
Ich brenne für die dicken Frauen,
Wenn eine dicke die meine wird,
Bei Gott, ich geh sie nicht dem Feinde
(d.h. wohl: ich gönne sie keinem
anderen).
Hopp-hopp, y.TÄ.
Meine Türe hat zwei Flügel
Mein Schatz hat Wangen wie ein
Apfel
Mein Schatz ist ganz wunderschön,
aber
Ein wenig trotzig, wie eine Griechin.
Hopp-hopp, y.TÄ.
Zum Brunnen stieg ich hinunter,
Mein Kopf berührte den Brunnensteil]
\Y:is Liebe sei, hatte ich nicht
gewusst,
Jetzt ist sie mir an den Kopf geflogen.
Hopp-hopp, xtä.
1) )ary\dy — gespalten — stellt wohl nur des Reimes wegen mit saryldy — umarmt —
>1;l iiml isl an sich ohne inneren Sinn.
2) Stuft baSym dejdi hat eine mir früher einmal in Hhodus bekannt gewordene
Version noch sinnlose)-: sabun koidum = Seife legte ich (auf den Brunnenstein). Hr. Mehmed
M.' jan kennt dieselbe Version auch aus Konstantinopel.
— 185 —
II.
medjbür oldym ben bir gvle1*)
Hin dü&türn dilden dih .
fursat bulsam, varsam jara.
ben sarylsam indje beU!*)
sararym saräyrmam ele.
jylda gelir iki bajram
oldum djemalyna hairän
sekerlenmis bejaz gerddn.
ben sarylsam indje bele!
sararym, sardyrmam ele.
gidijorym sizyn olsun .'
kara-deniz jolum olsun. '
(oder:)
„cajir <-('(j)mt ii jolum olsun!"
:.: benden ghairi jar seversen]
iki gözyn kör olsun8)! :.:
Bezwungen bin ich worden, ich ron
einer Rosenblüte,
Und wieder fiel ich (ins Gerede)
von einer Zunge zur anderen.
Wenn bloss ich (ielegenheit fände.
wenn bloss ich zu meinem Schatz
kommen könnte!
Wenn nur ich umarmen könnte
ihre schlanke Taille
Ich umarme sie; von keinem
sonst lasse ich sie umarmen.
In jedem Jahre gibt es zwei Bairam-
Feste.
Verwundert bin ich über des Mädchens
vollendete Schönheit.
Verwundert über ihren zuckersüsseu
weissen Hals4).
Wenn nur ich umarmen könnte
y.TÄ.
Ich gehe, sie soll euch gehören.
Auf das Schwarze5) Meer will ich
fahren,
liier Wiesen und Auen will ich gehen.
Wenn du mir einen andern
liebst.
Auf beiden Augen sollst du
erblinden!
1) güU ist hier von Hrn. Hacki Tewf'ik eingesetzt: Ich glaube deutlich göüna gehört
zu haben: die phonographische Walze liisst uns da leider im Stich und gestattet keine
ganz sichere Entscheidung, gule entspricht natürlich allein den Anforderungen des Metrums
und des Reimes. Vielleicht kann auch an dialektisches göül gönül gedacht werden??
2) Avedis hat statt indje lieh: indjedschik böile.
•".) Diese letzten fünf Zeilen, die Avedis als zu den swei vorstehenden Strophen
gehörig rezitierte, gehören vielleicht nicht ursprünglich zu ihnen. Mindestens passen sie
nur schlecht — .-oweit ich >ie überhaupt verstehen kann. Jedenfalls scheinen sich die
zweite und die dritte Zeile dieser letzten Strophe gegenseitig auszus« hliessen: entweder
das stürmische Meer oder die lachenden Auen!
I) gerdan heisst allerdings, soviel ich sehe, nicht eigentlich Hals, sondern „Doppelkinn".
5) Das ..schwarze" Meer ist wegen seiner Stürme berüchtigt, im Gegensatz zum
..weissen", dein ägfiischen. Der Gegensatz zu den lieblichen ..Wiesen und Auen"' der
nächsten Zeile ist daher ebenso auffallend als unverständlich.
186 —
III.
'rdigimiz rüql
mezesyn jolla säql
a hhi beni gidijor
hoplt
roza hanymyn merüqi.
vaj . . vaj! nedidem1) vaj!
qapulai 'y qa lyn dyi • .
qomdulary c alymdyr.
ad qapujy qadyn-[ni]-nem2)l
roza benym malymdyr!
vaj . . vaj! nedidem vaj!
aq denizyn ifurnttjam.
balyqlaryu pulujam.
<n- qapujy qadynnem!
ben bir allah qulujam.
vaj . . vaj! nedidem vaj!
xebabet gitti-de elden;
balymdan gitmejor sevdä. 9)
hajätym maho olup gitti;
muhabbet gitmejor haläl9)
ihitsynler bu ferjädi l0)
öln rsemde m ezärymdan .
hajätym mahv olup gitti;
muhabbet gitmejor djandan!
Zum Raki, den wir getrunken haben,
Schicke die Zukost3), oh Schenke4)
Hailoh, rasch! Ich gehe, es hat
mich gepackt
Die Begierde nach Rosa Hamm5).
Ach, ach, die Wunderbare6), ach!
Die Türen sind stark
Die Nachbarn sind grausam.
So öffne doch die Türe, alte Frau7).
Rosa Hanym ist jetzt mein Schatz.
Ach. ach, die Wunderbare, ach!
Ich bin (wie) der Sand im Mittelmeere
Ich bin (wie) die Schuppen der Fische
So öffne doch die Türe, Frauchen,
Ich bin ein Diener Gottes8).
Ach. ach, die Wunderbare, ach!
IV.
Die Jugend ist zwar entflogen (aus
der Hand)
Aber aus dem Sinne weicht nicht
die Liebe.
Mein Leben ist zerstört und dahin
Die Liebe nur ist geblieben.
Man soll hören diese Klage,
Wenn ich sterbe, noch aus meinem
Grabe:
Mein Leben ist zerstört und dahin
Nur die Liebe die ist noch geblieben.
liikm notiert und dazu die
Avedis kannte wohl das
1) So auf Vorschlag von Hacki Tewfik. Ich hatte ne
von Avedis herrührende Bemerkung, es sei gleich ne dedim
.seltene Wort nadide überhaupt nicht.
2) Sprich dreisilbig: quadynnem: das ni der dritten Silbe wird nicht gesprochen.
3 tneze ist die landesübliche Zukost zum Raki (Schnaps), die meist aus Oliven oder
Käse, Pistazien, Mandeln u. dgl. besteht.
I, säqi ist der Junge oder die „Dame", die in ausgelassener Gesellschaft Schnaps
und die dazu gehörige Zukost kredenzt: man könnte statt „Schenke" vielleicht besser
Kellner oder Kellnerin übersetzen; als solche Kellnerinnen sind häufig Zigeunerinnen, aber
auch gescheitert»! Europäerinnen tätig.
."> 1,'osu Hanym etwa „Fräulein Rosau, jedenfalls eine Europäerin, etwa eine
böhmische Musikantin.
(i) D. h. Rosa Hanym. Nadidem wörtlich: Ob meine noch nicht dagewesene!
7; Gemeint ist die „Wirtin" von „Fräulein Rosa".
8) Das heisst: Ein Mensch wie jeder andere.
'.») Ich habe sevdam gehört und am Schlüsse der vierten Zeile djandan. Hacki Tewfik
schlägt aber vor, oben sevdä und dem entsprechend unten hnh, zu setzen. Ich komme
dem Vorschlafe nach, ohne ihn mir zu eigen machen zu wollen.
1<>) Ich selbsl habe ferjädi/n gehört; das m ist von Hacki Tewfik gestrichen
— 187 —
V.
■ki gelen ben olajdym\
atyna nal olajdym;
belinde ki tarabulus
sataghy ben olajdym:
vard nenni-de nenni!1)
sallan gel, gerdani benli!
qar&yda kurd evleri.
jajylyr develeri.
oturmü kojün saghar,
< i ü lermü 2) memeleri.
vara nenni-de nennt!
sallan gel, gerdani benli!
su gelen kimyn kyzi?
janaklar/ kyrmyzü
janaghynda be& ben vor]
sandy in seher jyldyzi!
vara nenni-de nenni!
sallan gel, gerdani benli.
Von jenem' der da kömmt, möchte
ich wohl.
Wahrlich, das Hufeisen von seinem
Pferde möchte ich Bein
Wahrlich, von Beinern bunten < rürtel
aus Tripoli
Möchte ich wohl die Prange sein.
Komm' doch, Kleinchen, oh
Kleinchen!4)
Schwebend komme, du mit dem
Male am Kinne.
Drüben Bind kurdische Häuser
Es zerstreuen sich (weidend) die
Kamele.
„Sie" sitzt und melkt die Schafe
Rosig wird ihr Busen.
Komm doch, Kleinchen, y.i'/..
Jene, die da kömmt, wessen Tochter
ist sie?
Ihre Backen sind rot.
Auf der Wange hat sie fünf Mutter-
male,
Ich dachte es sei der Morgenstern.
Komm «loch, Kleinchen, xtX.
1) Minui. Niiini and Nanni kenne ich als kurdische Mädchen-Kosenamen. Viel-
leicht ist auch nenni als solcher aufzufassen. Värä oder voro isl kurdisch für imperatives
K ein nie.
2) gülernm isl hier von Hacki Tewfik eingesetzt statt terlemisch, das A.vedis
zweifellos gesungen and mir auch dann diktiert hat. Tatsächlich erscheint terlemü
Schweiss geraten) einem gebildeten Türken in diesem Zusammenhange zu derb und fast
unmöglich. In den kurdischen Bergen freilich mag man weniger zart denken. Gleich-
wohl kann gülermix als verfeinerte Version hier stehen bleiben.
3) Ich war der Meinung gewesen, dass dieses Lied zweifellos als von einem Jüngling
gesungen zu verstehen sei, und hatte gemeint, dieser sage, er möchte das Eisen am
Pferde seiner Geliebten sein. Hacki Tewfik will das aber nicht gelten lassen: er meint,
ein Mädchen reite nicht und trage auch keinen Gürtel aus Tripoli. Er lässt daher die
vier ersten Verse von einem Mädchen gesungen sein. Dem entsprechend habe ich hier
völlig gegen meine Überzeugung — „jenem" und „seinem' gesetzt, statt meine- ursprüng-
lichen „jener" und „ihrem".
[) Diese Zeile wäre mir unverständlich, wenn ich sie nicht für kurdisch halten
würde: ich versuche ihren lallenden Charakter auch in der l bersetsung wiederzugeben.
188 —
sirin-edä jaSy-da pek kiu-üdjekdir!
qoqusyna dojuhnaz
bir ricekdir!
amän ne cicekdirf! . .
anne ben hqstajim hekim2) isterym!
haftanyn bdsynda düjün isterym!
aladjaq jarymy bona gösteryn!
anneben vurvldum! <ma junarym\
Tekir-Daghly Djemil-bejden imdäd
umarym3).
.^daradjyq soqaqta buhhnn bei pure.
bu asryn kyzlary olmis zenpäre!
ana ben hastajim. hekim isterym!
haftanyn basynda düjün isterym!"
daradjyk so</aqda?i hoplajämadym ;
silah lyk *) dökü h /i. t< )plajdm adym :
ben dusmanlarymy haqlajamadym;
anneben miruldum! onajanarym;
'/'< Lir-Daghly Djemil-bejden imdad
umarym.
VI.1)
Süss ist ihre Art und jung ist sie
an Jahren.
Ton ihrem Dufte kann man nie satt
werden. ,
Sie ist eine Blume,
Wahrlich was für eine Blume.
VII.
.Mutter ich bin krank, ich brauche
einen Arzt,
Ende der Woche will ich die Hochzeit.
Den Schatz, den ich nehmen soll,
zeige mir.
Mutter, ich bin getroffen; ich
brenne für ihn,
Djemil Beg Tekir-daghly, der
kann mir helfen6).
In einer engen Strasse fand ich fünf
Para (= zehn Pfennige)
Die Mädchen dieses Jahrhunderts6)
sind kokett7)
Mutter ich bin krank, ich brauche
einen Arzt
Ende der Woche will ich die Hochzeit.
In der engen Strasse habe ich nicht
springen können,
Meine Waffe entfiel mir, ich habe
sie nicht aufgehoben.
An meinen Feinden habe ich mich
nicht gerächt.
Mutter, ich bin getroffen, ich
brenne für ihn,
Djemil Beg Tekir-daghly, der
kann mir helfen.
1) Dieses kleine Lied macht mir keinen volkstümlichen Eindruck. Ich vermute,
dass es aus einem grösseren Gedicht stammt.
■J) Avedis hat statt hekim : maryl = Salat!
3) umarym hier von Hacki Tewfik eingesetzt. Avedis hatte itterym, sichtlich mit Un-
recht: umarym hatte er vielleicht gehört, aber wegen der Seltenheit des Wortes nicht
behalten.
I) Avedis hal sitahym.
5) d. h. das i>t der Arzt, den ich brauche.
G) „Dieses Jahrhunderts" ist die wörtliche Übersetzung; der Sinn wäre wohl besser
durch „von heut'" getroffen.
7 zenpäre kenne ich sonst nur von Männern und in der Bedeutung etwa von Don
Juan: von Frauen gesagt, soll es nur die Bedeutung von amor lesöicus haben. Sicheres
darüber i-t mir nicht bekannt: ich habe das Wort daher nur ganz farblos übersetzt.
— 189
Daradjyk soquaqda wurdular heni; In der engen Strasse haben sie mich
»oblagen,
elimde kelepce bojnumda zmdjfr; An den Bänden hat)«- ich Fesseln,
am Hals eine Kette
zendjir sallandyMe bojnum indjinir1)! Die Kette schmerzt bei jeder
Bewegung.
anneben curuldum! onajanaryin; Mutter, ich bin getroffen, ich
brenne i'ür ihn,
Tekir-Daghly Djemil-bejden imdad Dschemil Beg Tekirdahghly,
umarym. der kann mir helfen2).
VIII.
■•<i/ jahüdi qyzfj g"-j<t qyrmyzi;
ii)n(iii"<uiiiiii-ila jahüdi .'
severiz efendym gäjet bej<izi;
amdn~ aman-dd jahüdi!
:.: Iztiur ist qundurasy bojäly~öh!
amün-dä jahüdi ! :.:
Hajd(e) (=,(/, 0 Sein//, äsyq,
qarn ghözlü Selmci!
Dieses Judenmädchen ist wahrlich
blühend,
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne
Jüdin.
Wir lieben, wahrlich, was weise wie
Schnee ist,
Erbarmen. Erbarmen, oh schöne
.1 iidin.
Ihre Schuhe sind Arbeit von
Smyrna3) und gewichst, oh,
Erbarmen, oh schöne Jüdin,
Komm' doch4), Selnia. mit den
verliebten5) schwarzen Augen,
Selma.
1) Von Hacki Tewlik vorgeschlagen. Avedis hatte indjir, wohl eine Azeriform.
2) Ich fürchte, dass der Text dieses Liedes mehrfach korrumpiert ist Jedenfalls
fehlt in der zweiten Strophe eine Zeile: wahrscheinlich hatte auch diese Strophe ursprünglich
dieselben zwei Schlusszeilen wie die drei anderen Strophen: dann würden vermutlich die
zwei ersten Zeilen, die ohnehin keinen rechten Sinn geben, zu streichen und durch eine
einzige auf ym endende zu ersetzen sein. Im übrigen gibl es einen Tekir Dagfa am
Marmara-Meer: mau kann also vermuten, dass der Text in Eonstantinopel anstanden ist.
Um so mehr hoffe ich, dass seine Richtigstellung nicht zu lang' auf sich wird warten
lassen.
3) ,. Arbeit von Smyrna", d. h. besonders fein, etwa wie man bei uns sagen würde
..aus Paris".
I) hajde heisst eigentlich „gehe". Trotzdem fasse ich es hier im Sinne von ,, komme"
auf — etwa in der Art wie in der schmeichelnden Verbindung: Geh', schau, komm*, die
in Süddeutschland eine sehr verbreitet.' Aufforderung zum kommen ist wie „komm,
schau, geh" zum Gehen auffordert.
/, beisst, soviel ich weiss, zunächst verliebt. Es kann hier vielleicht auch
als geliebt verstanden und dann direkt auf Sehn werden j ich .lenke, dass mau
es aber auch im guten Sinne auf die Augen des Mädchens beziehen kann — -..fern über-
haupt meine Auffassung des ganzen Textes, als für das Mädchen schmeichelhaft, nicht
etwa verfehlt seiu sollte.
— 1*10 —
su jahüdi qyzi) islcim oladjnk.
■iinmi amän-dä jahüdi!
biliryz efendym, bana waradjdk
o/man ~ onmn-da jahüdi !
:.: Tzmir isi qunduras// bojäly <>li!
amän-dä jahüdi! :,:
Hajde Selma, äsyk, kam ghözlü
Sehnet!
m jahüdi qyzy hammämä ghidedjSk;
aman amän-dä jahüdi!
biliryz efendym temiz oladjäk,
■amdn^ amän-dä jahüdi !
:.: hmir isi qunduräsy bqjäly^öh!
amän-dä jahüdi ! :,:
Hajde Selmci, ätfyk, kam ghözlü
Selmäl
ihi bädjy durmüs badjädän baqär,
«man ' (imäii-da jahüdi .'
biliryz efendym cbq djanlär jaqdr
■aman amän-dä jahüdi!
:.: hmir isi kundurasy bojäly ~^öh!
amän-dä jahüdi! :,:
Hajde Selmti, äxijk qarä ghözlü
Seim« !
Dieses Judenmädchen wird zum
Islam übertreten.
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne
Jüdin,
Wir wissen, wahrlieh, sie wird mich
heiraten
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne
Jüdin.
Ihre Schuhe sind Arbeit von
Snivrna xtX.
Dieses Judenmädchen geht ins Bad1),
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne
Jüdin,
Wir wissen, wahrlich, sie wird rein,
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne
Jüdin.
Ihre Schuhe sind Arbeit von
Smyrna xrX.
Zwei Damen stehen und schauen
vom Dache
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne
Jüdin,
Wir wissen, wahrlich, vieler Leute
Seelen setzt sie in Brand,
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne
Jüdin.
Ihre Schuhe sind Arbeit von
Smyrna xrl.
IX.
Ijilveli qyzyn elemi,
jiKji'l hütün älemi!
jaqarsan-da beul j<«j!
jaqma bütün älemi!
Oh du niedlich in den Hüften dicli
wiegendes Kind,
In Brand gesetzt hast du die ganze
Welt;
Wenn du schon brennst, so entflamme
doch nur mich allein
Nicht setze die ganze Welt in Brand.
I ) Der Besuch eines hanuiuini, des türkischen Bades, ist für jede Braut am Tage vor
der Hochzeit selbstverständlich und eine Art Pest, auch für ihre Freundinnen.
L9J
in ii seni öptüm, ben seni sevdym,
aman (iiihiii djivanym! ben sana
jandym !
s< ii i sevi n merd olmaz
jiirt'jiihli derd olmaz.
Benin icun: güzelym,
benden eji merd olmaz!
ben seni öptüm, ben seni sevdym,
aman aman djivanym! ben sana
jandym !
Dich hali ich geküsst, dich hab
ich geliebi
Erbarmen, du blühendes Kind,
für dich da bin ich erglüht.
Wer dich liebi (und «'in Held i~r ? - -
(Der hat Kummer, deinetwegen???).8)
A.ber für dich, meine Schönste
Gibi es keinen besseren Schal/, als
mich.
Dich hali ich geküsst, y.i/.-
X.
.\i vdym s< vdym bu kücuk jasta seni
(ji'tl gibi soldum, jazyk! bejim!
diistüm maraz-i-aska! bejim!
bejim'. bin vereine tutuldum!
Dich hah ich geliebt, geliebt als ich
ein Kind noch war!
Wie eine Rose bin ich verwelkt, ich
Arme, mein Beg!
Im Liebeskummer hin ich vergrämt,
mein Beg!
Mein Beg, dahin schwind ich im
Liebessrram.
XI.
:.: bir üift bülbül geldi, qondu qamysa. :.: Zwei Nachtigallen kamen und set/.ten
sich ins Schilf.
:.: benden selam ejlen nazly Menusa!1) :,: Oh grüsset von mir die sich zierende
Menusch.
:.: caghyryn Menusym jaram bagh- Oh rufet mir meine Menusch; meine
lasyn! :.: Wunde die soll sie verbinden,
:.• cjany durmajor melhem2) ejlesyn! :,: Für meine blutende Wunde Arznei
soll sie bringen.
:,: bir eift bülbül geldi, qondu dikene. :,: Zwei Nachtigallen kommen und setzen
sich hin auf die Klette4).
Oh grüsset von mir doch die zier-
liche Jette
Oh ruft doch die Jette, nieine Wunden
va\ verbinden,
Pur meine blutenden "W unden Arznei
soll sie bringren.
:.: benden seläm eplen nazly -letene! :,
:,: caghyryn ■/> /, nym, jaram bagh-
lasyn! :.:
:.: qany durmajor melhem ejlesyn! :.:
I) Menüsch and Jeten sind nach Aredia Mädchennamen. Sir sind mir sonst nicht
bekannt.
•_') Avedis sagt melilem wie fast alle Leute in der Umgegend von Sendschirli.
:; Diese beiden Zeilen sind mir unklar.
I) dik i i der türkische Name für eine Pflanze, die ich mit der mir augenblicklich
verfügbaren Literatur nicht näher feststellen kann: Avedis sagt, es -ei „ein gelbblühender
Strauch". Das Wort steht natürlich hier nur wegen des Reimes auf den Mädchennamen
Jeten. Ich wage deshalb hier. Klette und Jette zu reimen, was jedenfalls canz im Sinne
des Originals ist. wenn man auch die Überset/uni; falsch und trivial nennen mag.
L92 —
XLI.
gelyn qyzlar gelyn ! birlikte aghlan !
alynyz cozyn! qaralar baghlan!
esterli gelindje doghrusyn sojlen!
:,: vurma djana Muslim vurma!
djürmyni söjle!
tedjeilim bu imis anal
dul qaldym jine! :,:
abdülymyn evi vardyr janjana
syrmaly cepheni bulandy1) qana.
Muslim nasyl qyjdyn böjlesi djana f, !
:,: vurma djana Muslim vurma!
y.ii.
abdülyn avraty su Zejnep kadyn
bojnyna taqynyr on bes qor altyn
bahasy aghyrdyr, a/ynmaz satyn.
:,: vurma djana Muslim vurma!
y.il.
abdunun odassy ainaly dschamly
atymy getirim Itasir basch gemly
Kommet, Mädchen, kommet, weinet
alle zusammen,
Legt ab die bunten Kleider, legt
schwarze an
Wenn der Mann mit dem Maultier
kömmt, sagt ihm die Wahrheit.
Töte nicht, Muslim, töte nicht,
Gestehe dein Verbrechen.
Mein Schicksal, Mutter, hat sich
erfüllt,
Wieder bin ich zur Witwe ge-
macht.
Meines Abdul Häuser liegen neben-
einander-')
Die goldgestickte .lacke ist mit Blut
getränkt
Muslim, wie hast du eine solche Seele
vernichten können.
Töte nicht. Muslim, töte nicht.
y.ik.
Des Abdul Eheweib, diese Frau
Zeinep3)
Um den Hals trägt sie fünfzehn
grosse Goldstücke,
Deren Wert ist gross, man kann sie
nicht kaufen.
Töte nicht, Muslim, töte nicht.
y.ik.
Des Abdul Haus ist voll von
glänzenden Spiegeln
.Mein Pferd bringe ich gesattelt und
gezäumt
J) Ich hatte ursprünglich tschepgenner beilandi geschrieben, was sinnlos zu sein scheint.
2) Die Todtenklage ist sehr ergreifend, doch in vielen Einzelheiten mir einstweilen
noch ganz unverständlich. Dass die Häuser des Erschlagenen „nebeneinander" liegen, -wie
Ich glaube übersetzen zu sollen, meint vielleicht, dass er zahlreiche Häuser hatte, also
reich war; dasselbe soll wohl auch die spätere Schilderung des kostbaren Schmuckes
seiner Witwe und die Erwähnung der Spiegel in seinem Hause andeuten.
3) Zeinep, ein Frauenname, vgl. das Lied Nr. XVII. Hier die Witwe des Erschlagenen,
drr, wie ich glaube, das ganze Lied in den Mund gclcgi ist. Zeinep ist übrigens gleich
dem altsemitisclien und arabischen Namen Zenab, was auch der richtige Name der uns
als Zenobia bekannten Königin von Palmyra ist. Zenab hiess auch eine Enkelin von
Mohammed, und so heisst u. a. jetzt eine sehr aufgeklärte Prinzessin aus der regierenden,
Familie, dir Präsidentin des Frauenklub in Kairo.
— l!»:;
Müslimi sorarsan <> Jesid dinni.
:,: vwrma t/jana Muslim ourma!
xxX.
iskeleden txikdi dewenin udschu
ellimde oklaga, odschakda satscky
nl kysyl kana bellendi tschepgenin
udsohü.
:,: ourma djana Muslim vurma!
y.rL
Wenn du den Muslim fraget, o
Jesid-Gläubiger.
Tüte nicht, Muslim, töte nicht,
y.T/..
Von der Landungsbrücke ist (schon)
aufgebrochen die Vorhut der Kamele
In meiner Hand habe ich die Walze1)
und im Ofen den Rost
Von rotrotem Blut ist gefärbt der
Saum des Kleides.
Töte nicht, Muslim, töte nicht,
xxX.
XIII.
jdr . . jdr . . . /">'.' ben kirne jandym
jdr !?
:,: Istämbitlddn ciqdym derju jüzyne :,:
:,: ma'il oldum a hanymym g'özyne :,:
Ujmä dedym . . . ujdyn eller sözyne!
:,: Armud da/da, qua mchynda
sallänyr, jär, jdr!
her öptükdje kirdz duddk ballanyr,
oh, oh! :.:
Schatz, Schatz, Schatz, für wen bin
ich entbrannt, Schatz?
Stambul hab ich verlassen, wohl über
die See.
Verliebt hab ich mich in die Augen
von ? Dir ? 2)
Hör nicht, sagte ich, aber du hörtest
auf die anderen.
Auf dem Zweiglein schaukelt
die Birne sich, auf dem Aste
der Vogel3), Schatz, Schatz!
Mit jedem Kusse werden deine
Kirschenlippen süsser, ach, ach.
1) nklaga ist die Walze zum Ausbreiten des Teiges bei der Brotbereitung: dass die
Witwe diese Walze „in der Hand'' hat, kann im Zusammenhange mit dem vorhergesagten
vielleicht meinen, dass sie zum Aufbruche bereit ist. Jedenfalls pflegen die Kurden
auf der Wanderung oft unmittelbar vor dem Abreiten noch Brot zu bereiten, so dass die
Teigwalzf und der Kost zu den letzten Dingen gehören, die noch aufzuladen sind.
2) Der türkische Text ist hier unsicher. Ich hatte ursprünglich aghaunynyn zu hören
geglaubt und an einen vielleicht persischen Frauennamen gedacht. Hacki Tewfik schlägt
vor, a hanymym zu lesen.
.'») So vielleicht richtig, wenn für das unverständliche si-hahnoda, das ich zu hören
geglaubt hatte, schachynda eingesetzt wird. Danu würde wörtlich zu übersetzen sein:
..Birne am Zweige, Vogel am Aste schaukelt sich." Hr. Prof. Foy schlägt aber eine
andere Auffassung vor: „Armud duldaki Sachynda sallanur" „Hie Birne schaukelt sich
an ihrem am Aste befindlichen Zweige". Aber mit oder ohne Vogel — der Sinn des
Verses bleibt derselbe. Ich vermute, dass Avedis ihn nicht gekannt hat, da Sack persisch
und soviel ich weiss, in Nordsyrien nicht gebräuchlich ist. Wenigstens ist mir das Wort
völlig fremd gewesen und erst jetzt anlässlich der Beschäftigung mit diesem Liede bekannt
geworden. Avedis hat jedenfalls ganz deutlich schahnoda gesagt, hat also, wenn seine
Quelle wirklich eehachytida hatte, diese nicht verstanden und den Vors nur mechanisch
rezitiert.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901 Heft .'. 13
194
jär . . jar . . . jär! ben kirne jandym
järf
:,: Istdmbulddn ghetyre-im fesymi,
ben ölürsem kimler tutsun1) jasym.it
jär . . jär! :,:
Ujmd dedym . . . ujdyn eller sezyne!
:,: Armud daldd, qus hdchyndd
saUanyr,
her öptükdje kiräz duddk ba/lanyr,
oh, oh! :,:
Schatz, Schatz, Schatz, für wen bin
ich entbrannt, Schatz?
Aus Stambul lasse ich meinen Fess
kommen3),
Wenn ich sterbe, wer wird um mich
weinen, Schatz, Schatz
Hör nicht, sagte ich, aber du hörtest
auf die anderen.
Auf dem Zweiglein schaukelt
die Birne sich, auf dem Aste
der Yogel, Schatz, Schatz.
Mit jedem Kusse werden deine
Kirschenlippen süsser, ach, ach.
XIV.
:,: -äsktjddrd ghider^iken bir mendü :,:
bulddm. :,:
:,: mendilyn icyne lokum doldurddm :,:
[kjdtibymi drdr iken kojnwmda buldum;]
kjdtib benym ben kjdtibyn cl ne qdrgsyrf
kjdtibgme setre-jle pdntol ne güsel
jdkgsyr !
istemem' istemem, sa/tanat2) qabiil
etmem
pdjtond bindyre-im, jdr^seni ghez-
dyreim
calgylar caldyrajim, jdr seni ejlen-
dyreim !
Als ich nach Skutari ging, fand ich
ein Taschentuch.
Rahat-lokum4) tat ich hinein ins Tuch
Als ich meinen Kjätib 6) suchte, fand
ich ihn an meiner Brust
Er gehört mir, ich gehöre ihm, was
gehts die andern Leut an;
Meines Kjätib neuer Anzug6), wie
schön er ihm steht.
Ich will nicht, ich will nicht,
solchem Luxus trau ich nicht.
Einen Wagen will ich nehmen,
dich mein Schatz drin 'rum-
zufahren,
Musikanten lass ich spielen, dich
mein Schatz zu amüsieren.
1) jas tulmak oder jas tschekmek heisst trauern, oder die Klage um den Toten an-
stimmen. Avedis hatte hier tscheksin gesagt, Hacki Tewfik kennt das Lied mit tutsun.
2) Statt saltanat hatte Avedis konstant: salsanat, was er mir mit Jmlabalyk" zu ver-
deutlichen suchte.
3) d. h. Ich will mich „fein machen, ähnlich wie iu VIII die Geliebte „Stiefelchen
aus Smyrna" trägt.
1) Rahat-lokum ist das unter dem Namen Sultansbrot auch in Europa bekannte
Zuckerwerk.
5 Wörtlich: Schreiber, d. h. kleiner Beamter.
<i) Avedis hat syrmaly tschebyen - die goldgestickte Uniform — also etwas, was fin-
den kleinen kjätib nicht gut möglich ist. Hacki Tewfik kennt dafür die Version setre jle
pantol - Rock und (europäische) Hose, oder einfach „europäischer Anzug".
— 195 —
:.: uskiidi'irdan ghrlyr ihn aldy-da
bir jn,,iniir :,:
:.: kjntib vjkudän ojänmi^ ghözbri
mdhmär :,:
:.: hjÄtibijmyn stftrSsi Üzun. <><ji
c'imur; :,:
Als wir von Skutari zu nick kamen,
da hat uns dae Wetter erwischt,
Mein Kjätib ist ganz verschlafen and
verkatert auch.
Sein schöner langer K<><:k ist ganz
voll Kot jetzt,
kjdttb li<iu)iit, ben kjdti'byn il n<: >/>in/- Aber er gehört mir, ich gehöre ihm,
Sprf was gehts die andern Leut an;
kjdtibyme köläly ghömlek ne güstH ja- .Meines Kjätib neuer Hemdkragen3),
räajfr! wie schön er ihm steht.
istemeniy istemem, saltanal <jab/d ei- Ich will nicht, ich will nicht,
rneru usw. xr'/..
XV.
ölüm farzmy joksä sünnetf
bir (Ijnn icün etmem minnet1);
desynler ky: „aha djennet!"
girmem2) järsyz; harüm o(sum!
sehei' o/dugun desynler!
jollara atly kojsünlar!
isterlerse ghözüm ojsunlar!
girmem jürsyz; harüm o/snm!
Der Tod, ist er fars oder süunet^4)
Wegen einer Seele werde ich mich
nicht demütigen.
Und wenn es selbst hiesse, hier, tritt
ein ins Paradies —
Ohne mein Liebchen trat' ich nicht
ein, lieber verzieht ich6).
Und wenn es selbst hiesse, die
Morgenröte sei da
Und wenn sie selbst Reiter auf jeden
Weg stellten,
Und wenn man ausstechen wollt" gar
mir die Augen,
Ohne mein Liebchen trat" ich nicht
ein, viel lieber verzieht ich.
1) miauet: vgl. Veli ni'meti bi minnet = der Wohltäter, welcher für seine Wohltaten
keine „Erniedrigung" verlangt, d. i. der Sultan.
•_' girmem = gitmem.
:;) Wörtlich = Hemd mit (europäischem steifen) Kragen. Kola ist aus dem Fran-
zösischen übernommen, ebenso wie oben pantol pantalons Diese Schlussseile der «weiten
Strophe fehlt ganz bei Avedis. Hacki Tewfik kennt sie aus der Stambuler Version dieses
wie es scheint sehr weit verbreiteten Gassenhauers.
L) fars ist das Wort Gottes, sünnet ist die Überlieferung des Propheten. Der Sinn
ist also wahrscheinlich: Ob man wirklich sterben muss oder nicht, mir ist es gleich, nur
ohne meinen Schatz will ich nicht sein, nicht einmal im Paradies.
5) Die richtige Übersetzung von harüm ohun hat mir hier grosse Schwierig^
macht: Avedis schien zu glauben, dass es die Bedeutung hätte, »es soll mir verschlosseu
bleiben". Andere erklärten: .es soll eine Todsünde sein, BC. wenn ich doch einträte-.
Die schliesslich von mir gewählte l berseteung entspricht jedenfalls dem Sinne.
13*
— 196
— när a^ädjy -narsyz ohnuz.
gül a-ädjy gülsyz o/mäz.
erghen Ogldn jarsyz olmäz-,
— var basymdän, ajryl Ckursüt!
— kylydjym cehmisim*) kyndän.
um'idym kesmisem djandän.
ölürüm, ajryjmäm senden;
— var basymdän, ajryl Churmt,
Chursüt, Djumle jejitleryn hassy!
sen olmissyn tisy!
Bu Dijoryn*) bir tänesy;
— vor basymdän, ajryl Chursiit!
— amän dejermendjl am ein!
öjut bö^damy, bö^dämy!*)
verem*) sanä gherddnymy!
XV. A.1)
(Er) Was soll der Granatstrauch
ohne Granatäpfel,
Was soll der Rosen strauch ohne Rosen.
Was soll der Bursche ohne einen
Schatz.
(Sie) Lass mich in Frieden, geh,
Churschüt.
(Er) Aus der Scheide zog ich das
Schwert,
Die Hoffnung schnitt ich aus dem
Herzen 6)
Eher sterb ich, als dass von dir ich
lasse.
(Sie) Gib mir doch Ruhe, geh,
Churschüt.
(Sie) Churschüt, du frevelst gegen
Gott, Gesetz und Sitte,
Du, von allen Helden der herrlichste,
Du dieses Landes der einzigste7) —
Lass mich in Frieden, geh, Churschüt.
XVI.
(Sie): Bitte, Müller, sei so gütig,
Mahle meinen Weizen, meinen Weizen
Ich schenk dir meinen Halsschmuck.8)
1) Avedis saug dieses Lied, ohue es von dem vorigen zu trennen; es scheint mir
aber ganz selbständig zu sein. Der Vorschlag, es in der oben versuchten Art als Wechsel-
rede zwischen einem Manne und einer Frau aufzufassen, stammt von Hacki Tewfik. Ob
dieser Versuch gelungen und ob unsere Übersetznng dem Sinne des Originals entspricht,
muss freilich dahingestellt bleiben. Inzwischen möchte ich wirklich glauben, dass es sich
um eine „verbotene Liebe" handelt. Von Avedis war über den eigentlichen Sinn des
Textes nichts zu erfahren; er ist in dem glücklichen Alter, in dem uns alles harmlos und
selbstverständlich erscheint.
2) cekmiSem oder cekmüym ist azerbeidschanisch für cekdym.
3) Avedis hatte hier etwas, was mir wie machejarym klang, mach = persisch mäh =
türk. nj = Mond, mah paressi = aj tanesi wird als Bezeichnung für ganz besondere
Schönheit gebraucht.
\) bogda anatolische Form für bogdaj. Von Kunos auch für Aidin und Konia bezeugt.
5) verein: aserbeidschanisch für verejim.
6) d. h. vielleicht soviel wie: Ich will mein Leben einsetzen für dich.
7) Vgl. die Anmerkung .') zum türkischen Text. Ist die Version des Avedis richtig, so
würde zu übersetzen sein: Du, der du dem Monde an Schönheit gleichest oder wörtlich,
der du „ein Stück vom Monde" bist.
8) Zu gerdan vgl. die Anmerkung zu Lied II. Wollte man das wörtlich nehmen, so
inüsste man das ganze Med so auffassen, als ob die Frau dem Müller erst sich selbst an-
geboten hätte. Ich erinnere mich aber, einmal in Syrien statt yherdunlykym einfach gher-
danym gehört zu haben, unter Umständen, die jede andere Auffassung auszuschliessen und
nur die Bedeutung „mein Halsschmuck" zuzulassen schienen.
— 197
— olmäz qadyn-anänt olmäz
gherddn ynän1) un öjünmäz (?)
ortak dujär ka^il olmäz.
— amän dejirmendji amän!
öjüt bögdamy, bog dampf
verem mna ent/irymy!
— olmä: qadyn^anäm o/m":
entärtlän un öjünme: (öjütylmßz)
ortak dujär, ko-il olmäz.
— amän dejirmendji, amän!
öjüt ö<v,jdamy bögdamy!
verem sana altynymy!
— olmäz qadyn^anäm olmäz
altyn ylan un öjünmez
ortak dujar, ka-il olmäz,
— Tokul dejirmendji, aman!
öjüt bögdamy, bögdamy!
verem sana ben qyzymy!
— olur kadyn-anäm olur,
häz-ynän-dä ün öjünür,
Per kyryldy, tez japylyr.
(Der Müller): Es geht nicht, .Mütter-
chen, es ist vergeblich,
Mit deinem Halsschmuck kann ich
nicht mahlen;
Mein Bruder2) hört es, er mag ea
nicht Leiden.
(Sic): Bitte, .Müller, sei so gütig,
Mahle meinenWeizen, meinen Weizen
Ich schenk dir meinen Rock.
(Der Müller): Es geht nicht, Mütter-
chen, es ist vergeblich,
Mit deinem Rock kann ich nicht
mahlen:
Mein Bruder hört es, er mag ea
nicht leiden.
(Sie): Bitte, Müller, sei so gütig,
Mahle meinenWeizen, meinenWeizen
Ich schenke dir mein ganzes Gold.3)
(Der Müller) : Es geht nicht, Mütter-
chen, es ist vergeblich,
Mit deinem Gold kann ich nicht
nuthlen;
.Mein Bruder horcht auf, er mag es
nicht leiden.
(Sie): So gib dich zufrieden4). Müller,
ich bitte,
Mahle meinenWeizen. meinenWeizen
Ich gebe dir meine Tochter.
(Der Müller): Dies geht, Mütterchen,
jawohl, dies geht
Mit deiner Tochter kann ich mahlen.
Gebrochen war ein Flügel*), rasch
wird er gemacht.
1) ynan für ylan oder ile.
■_' ortak heisst wörtlich Kompagnon oder Sozius.
.">) Gemeint ist wohl das mit Goldmünzen benähte Stirnband.
4) tokul sieht an> wie ein Imperativ von einem nicht vorkommenden Verbum tokul-
HKik sich zufrieden geben. Vielleicht soll es totj ol heissen = werde satt, d. h. nachdem
ich dir jetzt gerdär^ entary und altyn vergeblich angeboten habe, werde ich dir jetzt meine
Tochter anbieten, damit du dich endlich zufrieden gibst
5) per ein wenig gekanntes Wort = Flügel einer Windmühle, per ist nach Prof. Foy
persisch und verwandt mit meQOV.
198 —
Zeinep, bi< güzellik vardyr1) sojynda!
elvän elvän güller qoqar qojnynda 2)
arifes) gedjesi bajram ajynda.
:,: Zeinebym, Zeinebym, all//*)
Zeinebym !
üc köjyn icinde sanly Zeinebym :,
Zeinebym oturmus taiyn üstüne,
doldwrur döldürur, veryr dostyna,
Zejnep selam salmys, basym üstüne!
:,: Zeinebym, Zeinebym, bala
Zeinebym !
üc köjyn gü:eli, ally Zeinebym ! :,
Zejnebe japtyrdym alfyndan 5) tan«/,
tatet, zülüfleryn, gerdanyna braq!
janyna varmagha jollarym iraq.
:,: Zejnebym Zejnebym, pullu
Zejnebym !
üc köjyn güzeli, ally Zejnebym!
XYII.
Zeinep7), wie bist du die schönste
in deinem Stamm,
Wie duftet dein Busen wie bunt
bunte8) Rosen
Inder heiligen Nacht im Monat Bairam.
Oh meine Zeinep, meine Zeinep,
meine schöne kleine Zeinep
In drei Dörfern hochgerühmte
schöne Zeinep.
Meine Zeinep hat sich auf den Stein
gesetzt.
Sie schenkt ein, sie schenkt ein,
schenkt dem Freunde ein.
Sie hat mich grüssen lassen; wie
mich das wohl freut.
Oh meine Zeinep, meine Zeinep,
Meiner Zeinep lass ich machen
einen goldnen Kamm
Kämme deine Locken, lass sie fallen
in den Nacken
Zu Zeinep will ich gehen, mein Weg
ist gar weit.
Oh meine Zeinep, meine Zeinep,
meine schöne kleine Zeinep
In drei Dörfern hochgerühmte
schöne Zeinep.
XVIII.
baghcelerde ytyrmh. ü)
boji uzun, kendi sah.
iki gönül bir oläa
ajyramaz padisah !
Im Garten wächst Ytyrschah9),
Schön und prächtig, wie der Schah,
Wenn zwei Herzen richtig einig sind
Kann nicht sie trennen, selbst der
Padiscliah.
1) Statt vardyr hat Avedis varmy.
2) Diese Zeile ist nur auf der phonographischen Walze fixiert, fehlt aber im Diktat
des Avedis. Sie geht wohl etwas über den sprachlichen Horizont seiner Heimat.
3) Avedis hat statt arife: mübarek, was dem Sinne nach gleichbedeutend ist.
I) Avedis hat hier das azerbeidschanische bala stat ally.
")) Hier richtig, statt dem grammatikalisch anfechtbaren „bir altyn tarak" von Avedis.
G) ytr-y-h'ihr. „Sorte de plante grimpante"(Samy). Also irgend eine wohlriechende Kletter-
pflanze, denn die wörtliche Übersetzung des persischen Wortes ist: „Wohlgeruch desSchalr'.
7) Mädchenname, Zenab = Zenobia, vgl. die Anm. :; zu Lied XII.
8) elvän, Plural von teven = Farbe.
9) Vgl. die Anmerkung zu diesem Worte im türk. Text.
— 1!>!) —
qyjydan, qyjydan, qyjydan gel!
örtasy camur jandan yel!
:,: sen benymsyn, bana yel!
efendym akßama yel!
istersen sabaha gel!
baghcelerde enginar,
:,: enginar yn rengi1) var. :.:
ben jarymy ianyrym,
:.: janaghynda beni var! :,:
qyjydan, qyj. . . . etc.2)
Komm auf dem Fusssteig, Schatz,
auf dem Pusssteig ;
Auf der Strasse ist es schmutzig,
komme auf dem Steig.
.Mir -chörst du, komm zu mir
Komm am Abend Schatz,
Wenn <lu willst Schatz, oder
komm am Morgen.
Im Garten8) gibt es Artischoken,
Artischoken gibt es vielerlei (?)
Meinen Schatz den kenn ich,
Am Hals hat er ein Mal.
Komin auf dem Fusssteig. Schatz,
auf dem Fusssteig, xt/..
XIX.
hacalar bulandy, qarmy jaghadjaqf | Das Wetter wird trüb jetzt, 's gibt
wohl bald Schnee,
so/ gözyrn ojnajor, jarmy geledjekP) Im linken Aug' zittert's mir, heut
kömmt wohl mein Schatz.
XIX. A.
Tzmiryn icinde wurdular beni,
al qyzyl qanlara qojdylar beni!*)
In Smyrna in der Stadt, da haben
sie auf mich geschossen,
Im Blute, im rotroten Blute haben
sie mich liefen lassen.
1) Avedis hatte dengi.
L2) Hierzu kennt Hacki Tewfik noch die folgende Strophe:
baghcelerde filbäri.
:,: i/alq git elleryn jdril :,
sen bana jar olmazsan:
:,: jüzyme gültne bäri! :,:
qyjydan, quj, . . . etc.
Im Garten gibt es Filbari
1 Steh auf und geh, du Schatz von anderen,
I Wenn du nicht willst mein Schatz allein sein
Brauchst mir nicht zu lächeln ins Gesicht.
Komm auf dorn Fusssteig, Schatz, auf dem
Fusssteig, y.r'/..
Filbari: eine mir nicht bekannte Pflanze — wörtlich Elefanten - Frühling. Natürlich ist
das Wort nur des Reimes willen gewählt.
3) Hierzu kennt Hacki Tewfik eine nicht ganz reinliche Fortsetzung:
aksam gelindje neler ofadjag!
:,: jar yelup sarylup, jan jatadjaq. :,:
I) Avedis scheinl diese letzten zwei Zeilen als direkt mit deu vorhergehenden zu-
sammengehörig betrachtet zu haben — sicher mit Unrecht; ich habe sie auf den Rat von
Hacki Tewiik ganz abgetrennt. Ob sie wirklich selbständig sind, möchte ich trotzdem
nicht glauben; sie gehören vielleicht zu einein grösseren I.iede. vgL daradjyk soqaqda
wurdular beni in dem oben mitgeteilten Liede Nu. VII.
5) Wörtlich: „In Garten".
— 200 —
XX.
Mehmedym Mehmedym, gel jat dizyme!
sürmeler cekejim ela, nazik, kibar
gözyne !
ujma dedym; iijdyn, eller sözyne!
hajdy hajdy Mehmedym! jandym
elinden !
bir mastiqa doldur ver nazik elinden!
Izmiryn jolynda qandyr gecilmez,
bu güzel Mehmedde7i hie vaz gecilmez,
Mehmedi seceriler hisabe ge/mez.
Mehmedym Mehmedym ! jandym
elinden !
bir mastiqa doldur ver nazik elinden!
O mein Mehmed, oh mein Mehmed,
komm leg dich auf meine Kniee,
Mit sürme1) will ich malen deine
braunen2) grossen süssen Augen.
Höre nicht, bat ich, und doch hast du
gehört auf die Rede der andern.
Komm doch, oh so komm doch, ohmein
Mehmed, du hast mirs angetan.
Reiche Mastika mir, ein volles Glas,
mit deiner feinen Hand.
In Smyrna die Strasse ist blutig, man
kann gar nicht gehen3).
Auf diesen schönen Mehmed kann
man nicht verzichten
Und die in den Mehmed verliebt sind,
die kann man gar nicht zählen.
Oh mein Mehmed, oh mein Mehmed,
du hast mirs angetan.
Reiche Mastika mir, ein volles Glas,
mit deiner feinen Hand.
Der ethnographische Wert derartiger Texte springt in die Augen und
braucht nicht näher erörtert zu werden. Er wird sich freilich noch sehr
erhöhen, wenn es erst einmal möglich sein wird, die grosse Menge der in
Vorderasien volkstümlichen Lieder bequem zu übersehen und die allgemein
verbreiteten von den nur lokal bekannten zu trennen.
Natürlich wird beim Sammeln dieser Texte der Phonograph auch für
die linguistische und rein dialektische Seite der Aufgabe immer von sehr
grosser und stets zunehmender Bedeutung sein; ganz unentbehrlich ist er
aber für die musikwissenschaftliche. Wie die Herren Abraham und
v. Hornbostel gleich zeigen werden, ist es möglich, nach den Walzen
die Höhe jedes einzelnen Tones genau festzulegen. Dadurch sind wir in
den Stand gesetzt, jedes phonographisch aufgenommene Tonstück mit
objektiver Sicherheit in Noten zu setzen und uns so von den subjektiven
und oft bedenklich europäisch beeinflussten Niederschriften auch musi-
kalisch hoch begabter Reisender völlig zu emanzipieren.
1) sürme ist die schwarze Farbe, mit der die Orientalen schon seit den ältesten
Zeiten die Lidräuder schminken.
2) Hacki Tewfik macht mich aufmerksam, dass die Wörterbücher ein mit blau zu
übersetzen pflegen, während es braun heisse.
'■>) Ob hier etwa eine unreinliche Zweideutigkeit vorliegt oder nur eine harmlose
Reimspielerei, muss ich unentschieden lassen.
— 201 —
Für die Erforschung- der „exotischen" Musik sind un> also durch den
Phonographen ganz neue und grossartige Perspektiven eröffnet. Was
von den Herren Stumpf, Abraham, v. Hornbostel u. a. in den letzten
Jahren auf diesem Gebiete geleistet wurde, lässt schon jetzt mit Sicherheit
erkennen, dass die vergleichende Musikwissenschaft in kurzer Zeit eine
der wichtigsten und interessantesten Disziplinen der Völkerkunde werden
wird.
Inzwischen genügt es mir, heute die Aufmerksamkeit der anthropo-
logischen Gesellschaft auf dieses neue und bei uns noch wenig bekannte
Arbeitsgebiet zu lenken. Das Berliner Museum wird in Zukunft bemüht
sein, möglichst viele Reisende wie für andere Beobachtungen so auch für
phonographische Aufnahmen vorzubereiten. Hoffentlich gelingt es uns,
genügende Mittel auch für die Ausrüstung der Reisenden mit Apparaten,
Membranen und Walzen flüssig- zu machen.
Ebenso ist es selbstverständlich, dass wir nunmehr beginnen müssen,
innerhall) des Museums eine besondere phonographische Abteilung einzu-
richten — eine Art Archiv, in dem man noch in kommenden Jahrhunderten
die Musik von Stämmen wird studieren können, die dann vielleicht längst
schon ausgestorben sein werden.
Für diesen neuen Zweig unserer Tätigkeit ist bei vielen Völkern und
Stämmen die letzte Stunde bereits angebrochen. Dies gilt nicht nur von
jenen „Wildstämmen", die man als mehr oder weniger rasch aussterbend
erkannt hat. Es gilt in gleichem Masse auch für alle jene Gebiete, in
denen sich europäische Einflüsse jetzt mit unheimlicher Raschheit aus-
breiten. In Japan sehen wir europäische Musiker tätig, und nach Honolulu
hatte schon König Kalakaua einen Berliner Militär-Musikanten berufen,
der ihm u. a. eine hawaiische Nationalhymne komponiert hat und sicher
auf seine Verquickung einheimischer und fremder Motive nicht wenig
stolz war.
Am allergefährlichsten ist aber wohl das Vorgehen der Missionare,
die häufig ganz systematisch einheimische Melodien zu kirchlichen und
anderen Zwecken „adaptieren". Dies wird besonders in Indien in aller-
grösstem Massstabe betrieben, so dass wir von dort bereits eine grosse
Literatur in diesem Mischstile kennen. So entstehen überall hybride
Formen, die sich mit grosser Zähigkeit erhalten und unter günstigen Um-
ständen auch ihrerseits wieder selbständig weiter entwickeln können.
Dadurch muss es in vielen Gegenden rasch zu einer fast unentwirrbaren
musikalischen Verwirrung kommen, und es ist völlig klar, dass die
Schwierigkeit die ursprünglichen und primitiven Verhältnisse, Beziehungen
und Verwandtschaften zu erkennen, mit jedem Jahre wachsen muss.
Neben der Schaffung eines rein wissenschaftlichen Archivs für phono-
graphische Aufnahmen erwächst den Museen für Völkerkunde aber jetzt
noch eine weitere Aufgabe. Neben unseren rein ethnographischen Schau-
sammlungen stellen wir schon lange Photographien aus: im nächsten Jahre
werden wir anfangen, dem Publikum auch Stereoskopbilder zu zeigen und
schon das Museum der allernächsten Zukunft wird sicherlich auch durch
Projektionsbilder und sogar durch unentgeltliche kinematographische Vor-
— 202 —
führungen dem Bildungstriebe der breiten Schichten des Volkes entgegen-
kommen müssen — da darf dann auch das Grammophon nicht fehlen.
Indische, chinesische, arabische Musik z. B. ist so durchaus eigenartig,
dass es mir direkt als eine Pflicht eines ethnographischen Museums er-
scheint, sie durch das Grammophon auch all denen nahe zu bringen, die
sonst niemals und auf keine andere Weise auch nur eine annähernde
Vorstellung von ihr erhalten könnten. Ebenso liegt es nahe, auch
charakteristische Proben von afrikanischer und amerikanischer Musik, von
polynesischen Liedern nun einem grösseren Kreise zugänglich zu machen;
ganz dasselbe aber gilt auch von Sprachproben. Das Publikum hat ein
Recht zu fragen, wie wohl die Sprachen der Menschen klingen, deren
Waffen und Geräte, Schmucksachen und Kleider wir ihm vor Äugen
stellen.
So wird ein grosses ethnographisches Museum künftighin neben dem
wissenschaftlichen Archiv für phonographische Aufnahmen auch eine Reihe
von Grammophonzellen vorsehen müssen, die auch dem grossen Publikum
zugänglich sind. Wie solche Zellen einzurichten und vor allem akustisch
genügend zu isolieren sein werden, wird die Erfahrung bald zeigen.
Selbst Versuche, phonographische und kinematographische Aufnahmen
desselben Vorganges gleichzeitig vorzuführen, sind schon mehrfach gemacht
worden. Sie sollen einstweilen noch nicht vollkommen befriedigend aus-
gefallen sein, aber es unterliegt doch gar keinem Zweifel, dass uns in
einer solchen Kombination in vielleicht nicht allzuferner Zukunft ein
Unterrichtsmittel allerersten Ranges geboten sein wird.
203 -
2. Phonographierte türkische Melodien.1)
Von
O. Abraham und E. von Hornbostel.
(Aus dem psychologischen Institut der Universität Berlin.)
Das Material zu vorliegender Untersuchung bildet eine Anzahl von
phonographierten türkischen Liedern, welche Hr. v. Luschan 1901 in
Sendschirli aufgenommen und uns freundlichst zur musikwissenschaftlichen
Bearbeitung überlassen hat. Der Sänger dieser Melodien war Avedis
oghlu Avedis, ein 12 jähriger armenischer Knabe aus Aintab, dessen
frische und jugendlich hellt» Stimme durch den Phonographen sehr gut
reproduziert wird. Das eine der 20 Lieder (XIII) wurde noch von einem
zweiten Sänger, einem 21jährigen Mbhamedaner , Ali aus Manisch
phonographisch fixiert. Eines der Lieder des Avedis (\ III) existiert in
zwei Aufnahmen. Wir haben also Gelegenheit, zu vergleichen, wie ein
Lied sich im Munde desselben Sängers verändert und welchen Varianten
es in verschiedenen (legenden unterliegt.
Die Melodien wurden abgehört und in europäischer Notenschrift auf-
geschrieben-, völlig korrekt wäre diese Notation nur, wenn das türkische
Tonsystem mit unserem europäischen Tonsystem völlig übereinstimmte.
Obwohl dies in Wirklichkeit nicht der Fall ist, glaubten wir doch die
Verständlichkeit der Notenbeispiele nicht durch eine besondere Zeichen-
sprache erschweren zu dürfen und begnügten uns daher, die auffallendsten
Abweichungen von unserer Stimmung durch - - und — (Erhöhung und
Vertiefung) anzudeuten.2) Ebensowenig sollen unsere rhythmischen und
taktlichen Einteilungen etwas über die Auffassung des Sängers besagen;
sie sind lediglich bestimmt, das Lesen der Melodie durch Zusammen-
fassungen in Gruppen zu erleichtern und wurden uach unserem subjektiven
Gutdünken gewählt. Massgebend für diese Wahl waren uns rhythmisch
besonders prägnante Stellen und Wiederholungen einzelner Phrasen.
Die auffallend reine Intonation des Sängers ermutigte uns. nicht
nur den subjektiven Gehörseindruck wiederzugeben, sondern auch objektive
Tonhöhenbestimmungen zu versuchen. Im allgemeinen wird man bei
Gesangsstücken mit der Auswertung tonometrischer Bestimmungen sehr
vorsichtig sein müssen, und es ist misslich, aus der musikalischen Produktion
eines, noch dazu so jugendlichen. Sängers wie Vvedis Schlüsse auf die
1) Vorgetragen in der Sitzung vom 20. Juni L903.
2) In Nr. III gibt das Notenbild ohne Vorzeichnung den Melodieeindruck wieder;
das (I?) sollte nur die Übereinstimmung mit der durch Messung gefundenen Leiter her-
stellen.
— 204 —
Beschaffenheit des Tonsystems zu ziehen. Nur die sehr gute Überein-
stimmung der einzelnen Intervallmessungen sowie die Kongruenz der
beiden Aufnahmen desselben Stückes (Villa und b), welches von Avedis
an verschiedenen Tagen in den Phonographen gesungen wurde, endlich
die gute Übereinstimmung des einen Liedes (XITI) mit der Wiedergabe
des zweiten Sängers Ali (A) Hessen es berechtigt erscheinen, die ge-
wonnenen Resultate vorsichtig zu verwerten.
Wir schlugen bei der Bestimmung der Tonhöhen folgenden Weg ein.
Da die Umdrehungsgeschwindigkeit der Phonographenwalze bei der Auf-
nahme nicht genau zu reproduzieren war, so richteten wir uns ungefähr
nach der Tonhöhe der gesprochenen Titel. Die absolute Tonhöhe kommt
ja auch weniger in Betracht als die relative. Wir suchten uns die ein-
zelnen Töne in jedem Stück an besonders deutlichen Stellen, womöglich
langgehaltene Noten, aus. Wir sind imstande, an unserem Phonographen
den Hebel, der die Reproduktionsmembrane trägt, so einzustellen, dass
zwar der Stift die Walze berührt, die Schraubenführung aber, durch die
die Membran parallel der Rotationsachse verschoben wird, ausgehoben ist.
Der Stift springt also, sobald er einen Schraubengang der Schallkurve
durchlaufen hat, über den Rand der Furche in die Anfangsstellung zurück
und briügt den gewünschten Ton kontinuierlich oder in beständiger AVieder-
holung zu Gehör.
Die so erzeugten Töne wurden mit Hilfe des Appunn sehen Ton-
messers und des Stern sehen Tonvariators gemessen; die gefundenen
Schwingungszahlen, der Tonhöhe nach in Reihen geordnet, geben die den
einzelnen Melodien zugrunde liegenden Tonleitern. Um diese verschiedenen
Skalen auf eine vergleichbare Form zu bringen, bedienten wir uns zweier
verschiedener Methoden.
Die Leitern wurden auf ein und denselben Grundton (401) umge-
rechnet, indem wir mit diesem den jeweiligen melodischen Schwerpunkt
des Stückes identifizierten.1) Die Wahl eines melodischen Schwerpunktes
seliliesst allerdings eine gewisse Willkürlichkeit ein, doch ist sie unver-
meidlich, wenn man überhaupt zu einer Yergleichsbasis gelangen will;
auch unterscheidet sich die türkische Melodik nicht so sehr von der
unsrigen wie etwa die japanische, wo eine derartige Auswahl viel ge-
waltsamer und schwieriger ist. (Der melodische Schwerpunkt ist in den
einzelnen ToDreihen, welche wir in den Notenbeispielen am Schlüsse
jedes Stückes notiert haben, durch eine Yierviertelnoto bezeichnet.)
Die zweite .Methode, unsere Resultate auf eine vergleichbare Form
zu bringen, bestand in der von Ellis2) vorgeschlagenen Umrechnung in
Cents, d.i. Hundertstel unseres temperierten Halbtones. Dieses Verfahren
bietet den Vorteil, dass an Stelle einer geometrischen eine arithmetische
Reihe, an Stelle von Verhältnissen Differenzen treten, was die Übersicht-
lichkeit und Bequemlichkeit der Rechnung bedeutend erhöht. Die
1) In XI. wurden wir durch die Eigenart der Melodie veranlasst, den Schlusston
zu wählen.
2) Alexander [. Ellis, On the inusical scales of various nations. Journal of tbe
Society of Arts 1885.
— 205 —
Genauigkeii der Centsberechnung ist eher ein Zuviel al> ein Zuwenig:
1 Cent cnt spricht in der eingestrichenen Oktave etwa 0,2 0,3 Schvs ingungen.
Wir haben für jedes einzelne Stink eine Spezialtabelle aufgestellt and
bringen zur Illustration unseres Verfahrens die Binzelwerte zweier Beob-
achtungsreihen (Tab. 1). Wir wühlen dazu die beiden Aufnahmen derselben
.Melodie, einmal von Ä.vedis (XIII). das andere Mal von Ali aue Marasch \
gesungen, weil die Vergleichung derselben von besonderem [nteresse ist.
Tabelle I.
]
II.
III.
IV.
V.
VI.
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Der erste Ton. Grundton, füllt mit dein melodischen Schwerpunkt
zusammen; von ihm aus berechnen sich die anderen Töne der Leiter als
Summen der gefundenen Blinzelintervalle. Der Vergleich mit den Inter-
vallen unserer sogenannten reinen Stimmung (Rubrik IV) zeigt, dass
Avedis alle Intervalle etwas scharf. Ali dieselben ausser der rein ge-
sungenen Quarte und Quinte etwas zu tief intoniert hat. Bei beiden findet
sich eine neutrale Terz. d. h. eine solche, die ungefähr die Mitte hält
zwischen unserer Dur- und .Mollterz.
In der Generaltabelle (IIa) sind sämtliche von uns durch Messung
gefundenen Schwingungszahlen auf den einheitlichen Grundton 401 umge-
rechnet. Die eingeklammerten Werte beziehen sich auf Töne, die in den
Stücken selbst in anderen Oktaven liegen und vergleichshalber transponiert
werden mussten; an manchen Tönen, die so innerhalb desselben Stückes
doppelt vorhanden erscheinen, lässt sich die ausserordentlich grosse Ge-
nauigkeit der Oktavenintonation erkennen. (Vgl. die durch ) verbundenen
Werte.) Die Auswahl der Werte, die zu einem Mittel zusammengefasst
wurden, wurde durch die innere Übereinstimmung einiger Beobachtung-
reihen, die uns besonders auffiel, und durch die Frequenz der einzelnen
Intervalle geleitet. Bei den Sexten verzichteten wir auf die dreiteilige
Gruppierung, die bei den Terzen notwendig erschien, und begnügten uns,
diejenigen Werte, die einer neutralen Sexte (bereehnet= 656 Schwingungen)
nahekommen, mit einem * zu bezeichnen. Aus den Mittelwerten (Tab. IIb)
wurden dann die Intervalle in( 'ents ebenso w ie in Tabellel berechnet. Die Ver-
206
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der ersteren aus. Die Übereinstimmung ist im allgemeinen überraschend,
nur die grosse Sexte weicht von der reinen (884 Cents) erheblich ab und
nähert sich der natürlichen Septime (969 Cents). Die kleine Ter/, liegt
zwischen dem Intervall 6:7 (267 Cents), und unserem reinen Intervall
ö : 6 (316 Cents). Der reine grosse Ganzton (204 Cents) isr ui.dit
vertreten; an seiner Stelle finden wir meist eine An Dreiviertelton
(169 Cents), daneben das harmonische Intervall 7:8 (231 Cents), das als
übermässiger Ganzton zu bezeichnen wäre. Neutrale Terzen kommen weil
häufiger vor als kleine und grosse. (Auf die gelegentlich neutrale In-
tonation der Sexte wurde schon hingewiesen.
Bin Blick auf die Rubrik 2 der Tabelle (üb), in der das Gewicht
notiert ist, mit dem die beobachteten Werte in den .Mittelwert eingetreten
sind, belehrt uns über die Frequenz der einzelnen Intervalle: Die türkischen
Melodien bevorzugen in auffallender Weis,' die Quarte; in einem Stücke
jedoch (XVI II) nähert sich die Intonation der Quarte dem Triton us.
Nächst der Quarte kommt der Quinte, den beiden Sexten, der neutralen
Terz und dem Dreiviertelton überwiegende Bedeutung zu, Der Tritonus,
welcher in der japanischen .\ln>ik eine hervorragende Rolle spielt, fand
— -208 —
sich in den türkischen Liedern nur ganz vereinzelt; die kleine Septime
kam niemals vor.
Aus den gewonnenen Resultaten dürfen deshalb weitgehende theo-
retische Folgerungen nicht gezogen werden, weil sich unser Material auf
Gesangsstücke aus einer einzigen Gegend beschränkt. Erst die Vergleichung
mir Messungen an Instrumenten mit festen Tönen würde die Fehlerquelle,
die in der schwankenden Intonation eines noch so guten Sängers immerhin
liegen könnte, auszuschliessen gestatten. Mir möchten daher der allerdings
auffallenden Übereinstimmung unserer Mittelwerte mit den Intervallen des
alten arabisch-persischen Musiksystems keine allzugrosse Bedeutung bei-
messen; umso weniger, als die alten Theoretiker ihre Spekulationen fast
ausschliesslich auf das Studium der Lautenmusik gestützt haben. *) Un-
zweifelhaft intendiert sind die neutralen Terzen (355 Cents), die häufiger
vorkommen als grosse und kleine. Dieselben finden sich ausser im
arabisch-persischen Tonsystem auf den altschottischen Sackpfeifen; auch
in der japanischen Musik sind sie gelegentlich zu beobachten (ca. 340 Cents),
doch sind sie hier wohl anderen Ursprungs.2)
Es darf nicht vergessen werden, dass die bisher angeführten Intervalle
von einem Grundton aus rechnungsmässig gefunden sind; über das tat-
sächliche Vorkommen nicht-diatonischer Intervalle können nur die Melodien
selbst Aufschluss geben. Wir finden die Septime, den Tritonus und die
Oktave niemals sprunghaft gebraucht; ein einziges Mal die Sexte, dreimal
die Quinte in auffallend unreiner Intonation. Quartensprünge erscheinen
dagegen sehr häufig, meist in reiner, gelegentlich auch in erhöhter oder
vertiefter Intonation. Von Terzen sind wieder die neutralen überwiegend,
lassen sich aber deutlich in zwei Gruppen sondern (335 und 362 Cents).
Neben ihnen sind kleine Terzen häufiger als grosse. Die folgende
Tabelle III gibt die Mittelwerte der nicht-diatonischen Intervalle in Cents.
Aus dieser Uebersicht folgt unmittelbar die Abnahme der Frequenz
der Tonschritte mit der Zunahme ihrer Distanz. Der Gebrauch nicht-
diatonischer Intervalle ist im Vergleich zu den Halb- und Ganztonschritten
auffallend gering. Die türkische Melodik fliesst meist ruhig dahin, grössere
Sprünge bleiben dem Ausdruck besonderer Lebhaftigkeit vorbehalten.
(Vergl. beispielsweise die Stelle „hopba" in Stück III).
Die Gebrauchsleitern unserer Stücke (d. h. die Tonreihen, die wir
erhalten, wenn wir die Töne eines Stückes der Höhe nach ordnen) zeigen
1) Ausser den neutralen Terzen finden wir folgende Übereinstimmungen:
169 Cents — 1G8 Cents = Zalzals near index (Chord. I)
ancient middle (Chord. I)
= ancient near index (Chord. IV)
Persian middle (Chord. IV)
- Persian near Index (Chord. V)
Persian middle (Chord. V)
Der übermässige Ganzton 231 Cents findet sich auf dem Tambour von Bagdad
(cf. Ellis, p. 500).
'-') cf. 0. Abraham und E. v. Hornbostel: Studien über das Tonsystem und die
Musik der Japaner, Sammelbände der Internat. Mus.-Ges. IV, '2, p. 328 f.
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194.)
— 209 —
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keinen einheitlichen Typus. Bemerkenswert ist aber, dass einerseits nur
die /.weite und fünfte Stufe (einzeln oder zusammen) fehlen, andererseits
die dritte und sechste; ein gleichzeitiges Fehlen der 2. und b\ oder 3. und
.">. Stufe im seihen Stück kommt niemals vor. Am häufigsten fehlt die
Septime (in 13 von den 22 Stücken).
Die türkische Melodik erscheint unserem europäischen Ohr nicht
fremd, da sie sich zwischen ähnlichen Eauptpunkten bewegt, wie die
nnsrige. Die melodischen Schwerpunkte stehen zu einander fast ausnahms-
los in Quarten- und Quintenintervallen. Eäufig bildet ein aufsteigender
Quartschritt (g — c) den Beginn des Stückes. Bei vielen Stücken fällt der
Schlusston mit dem melodischen Schwerpunkt zusammen, die anderen
enden auf der Quinte oder Terz der mutmasslichen Tonika. Nur bei
einem Stück (XXi fanden wir einen Schluss auf der zweiten Tonstufe.
Bei einem anderen Stück (V) könnte man im Zweifel sein, oh nicht
ebenfalls ein Schluss auf der zweiten Stufe anzunehmen wäre ; doch haben
wir wegen ihres häufigen Vorkommens diese Stufe als melodischen Schwer-
punkt unserer Berechnung zu Grunde gelegt.
Wenngleich uns dieMelodien buhl ausgesprochenen Dur-, bald reinen
Mollcharakter zu haben scheinen, so ist eine derartige Subsumierung unter
Kategorien, die nur in unserer harmonischen Musik einen vernünftigen
sinn Indien, bei den türkischen Melodien um so weniger zulässig, als die
nach unseren Messungen häufigen neutralen Terzen (sowie Dreivierteltöne
und übermässigen Ganztöne) unsere Auffassung irreführen. Wir werden
je mich dem melodischen Gefüge eine Stelle bald als Dur, bald als Moll
beurteilen können, aber bei besonders darauf gerichteter Aufmerksamkeit
dieselbe Stelle willkürlich bald im einen, bald im anderen Sinne deuten.
Stück X beispielsweise fasste der eine von uns als Dur auf, indem er
statt des erhöhten ges ein g, anstatt des vertieften 1> ein a heraushörte.
1) Einzelworte: 700, 720. 754 C.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904 Heft 2.
II
— 210 —
Im Gegensatz zu anderen orientalischen Melodien fällt bei den unseren
die Seltenheit von Verzierungen auf; Vorschläge und Mordente sind
äusserst sparsam verwendet. Die Melodien sind einlach im Aufbau, be-
stehen aus mehreren Teilen, welche einzeln und in Gruppen, zuweilen
mit kleinen Varianten, wiederholt werden.
Tn der Mehrzahl der Fälle scheint uns ein zweiteiliger Rhythmus
durch die ganze Melodie festgehalten. Zwei Stücke (III und IX) schienen
uns ganz im Dreivierteltakt, eines (VII) im Sechsachteltakt gedacht zu
sein ; bei anderen (I, V, XV) schieben sich mehrfach dreiteilige; Gruppen
zwischen die vierteiligen ein ; bei XV.1I waren wir im Zweifel, ob wir
einen drei- oder fünfteiligen Rhythmus anzunehmen hätten.
Das Tempo wird durch das ganze Stück festgehalten, gelegent-
lich gegen Schluss gesteigert; es ist meist frisch und lebhaft (j = 140
bis 170). Einige Melodien (IV, XII, XV) sind durchaus rezitativisch ge-
halten ; bei diesen ist eine taktliche Gliederung schwer möglich. Gerade
diese Stücke haben im Gegensatz zu den übrigen einen ausgesprochen
melancholischen Charakter. Im allgemeinen sang Avedis fröhliche Liebes-
lieder.
Bei Stück IV fanden wir eine äusserst schwankende Intonation, sodass
wir auf die Messung verzichten mussten; auch ist dieses Lied sehr frei im
Rhythmus. Der Text enthält vorwiegend persische Worte und es ist
wahrscheinlich, dass wir es mit einer besonders alten Melodie zu tun
haben.
Die Texte, welche wir den Noten der Lieder beifügen, zeigen be-
merkenswerte Eigentümlichkeiten in ihrem Verhältnis zu der Musik. Von
der auffallenden musikalischen Rhythmisierung der Worte, welche der
sprachlichen Metrik der Verse zuweilen ganz zuwiderläuft, wird noch
gesprochen (s. S. "223). 1)
Fremdartig berührt uns weiterhin die musikalische Betonung einzelner
klingender Konsonanten (f, m, n, 1, r). Dieselben erhalten nicht nur ganze
Taktteile für sich allein, sondern werden öfters sogar mit musikalischen
Figuren, Koloraturen, ausgeschmückt (vgl. Stück VI, in welchem das r
mehrfach in dieser Weise behandelt wird).2)
J = 170 L
Ba-gha git - ti - m ü - süm yok, el ja- — — ryn-da gö- süm yok,
el ja- — — ryn-da gösüm yok, ben ja- - ry - my kü- stü- r-düm ben
1) Vgl. auch M. Hartmann, Metrum u. Rhythmus. L896.
2) Die Texte der folgenden Notenbeispiele halten sich an die erste (phonetische)
Niederschrift Herrn v. Luschans. In XII hören wir aber deutlich zwischen „kyslar"
und „gelin" eine Silbe „da". Die Worte „elvan etc." in XVII hat Avedis gesungen
nachher aber zu diktieren vergessen. Ebenso den Text der Coda von XV.
— -JU —
ja-
— ry- my kü- >tii - r- dum, ba - ry
schma-
gha jii-süni
mmism\^smsmmmm=^
yok, ol - ma ;i — tym ha- — wa- ja,
l*i— ,«■»—
du - schtü
di-
mwm&$m\^mmmmMm0M
wan lian- nc — ja, di - wan lia- ne ja- r- il- ili, jar boi — nu
glissando
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ma sa - ril- — di hop liop
ja- ri — ma-di ma- schal- lab.
Leiter.
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Leiter wegen schwankender Intonation nicht bestimmbar.
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XI.
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XII.
Recitativ.
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Fffp — i ! J-- 3 w — S^=» — -^Z? — ä — — * — ^~*$~*Z*^M
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— ka- ra- — lar — bagh-lan.
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348 40 1 455 500 583
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387«5 401 457 494 544 617
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V.
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218
XIV.
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tschi - - ne lo- chuni dol - dur-dum.
kia-tib be- nim ben kia - ti - bim
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j=ff— 1. J-jzzy^qr— f— £=j »— 3E]zzj=:
kia - ti - bi - me
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ssyr - ma - ly tscheb-gen
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ne - de gü - sei ja- ky- schyr, kia - ti - bi - me ssyr-maly tscheb-gen
nede güsel ja- ky- schyr. i- ste- men, i- ste- men,
_ + - ^ +— ^_ +_
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XVII.
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Mü- ba - rek ged-sches-si bai-ram ai- jin-da.
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XVIII.
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Bagbt-sche-ler-de ü - tür(i) - scha — bo-ju u- sun ken- di schall
I - ki gö- nül bir(i) ol- ssa — aj- i- ra- mass pa- di - schah
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XIX.
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3. Über die Bedeutung des Phonographen für vergleichende
Musikwissenschaft. ')
Von
O. Abraham und E. von Hornbostel.
Wie die Philologie zuerst die einzelnen Sprachen in ihrem Wort-
schatz, ihren Flexionsgesetzen und ihrer Syntax jede für sieh getrennt
erforschte, so hat sieh die Musikwissenschaft bis in die jüngst«1 Zeit aus-
schliesslich mit der Geschichte unseres europäischen Tonsystems und
der europäischen Kompositionsformen beschäftigt. Während aber die ver-
gleichende Methode sich die Sprachwissenschaft binnen kurzem vollständig
eroberte, hat die Musikwissenschaft auf dem neuen Wege erst ein paar
schüchterne Schritte gewagt, und es wäre verfrüht, von einer vergleichenden
Musikwissenschaft als einem gesicherten Kulturbesitz zu sprechen. Zwar
findet sich in den Gesamtdarstellungen der Musikgeschichte wohl meist
auch eine flüchtige Skizzierung exotischer Musikverhältnisse; doch stellt
sich die Betrachtung vorwiegend auf einen künstlerischen, subjektiv-
ästhetischen Standpunkt und das Streben nach wissenschaftlicher Objek-
tivität gehört der allerjüngsten Zeit an.
Die Problem«', die von einer vergleichenden Musikwissenschaft in
Angriff zu nehmen wären, sind, wie bei allen Grenzwissenschaften, mannig-
facher Arr. Die Musikpflege nimmt innerhall) der Kultur eines Volkes
einen Raum ein. dessen Breite nicht leicht überschätzt werden kann.
Musikalische Äusserungen sind als Ausdruck des Volkscharakters nicht
geringer zu bewerten als andere Kunstformen. Wo wir uns aus dem ge-
samten Kulturbild bereits den Begriff eines speziellen Stammes- oder
Rassentypus abstrahiert haben, da empfinden wir auch die Übereinstimmung
desselben mit den Volksweisen und den musikalischen Kunstformen des
Landes. Es genügt, die Namen Bizet, Grrieg oder Mascagni zu nennen.
um anzudeuten, was unter französischer, skandinavischer oder italienischer
Musik zu verstehen sei. wenn wir auch weit davon entfernt sind, die ein-
zelnen Charakteristika genau angeben zu können. Immerhin besitzen wir
t'üi- Europa ein genügendes Induktionsmaterial, um der heiklen Frage nach
den kulturellen und psychologischen Rassenmerkmalen auch auf
musikwissenschaftlichem Gebiet näher treten zu können. Bin hinreichendes
Material an exotischer Musik würde uns aber nicht nur einen Rückschluss
auf das Temperament eines Volkes gestatten: denn da die Musikpflege,
wie jede k (inst lerische Äusserung, auch zu den wirtschaftlichen Verhält-
nissen in funktionaler Abhängigkeil steht, könnte aus der Art des Musi-
1) Nach den in der Sitzung vom 20. Juni L903 gehaltenen Vorträgen.
— 223 -
zierens, Bowie namentlich aus der Ausbreitung und Höhe des musikali-
schen Dilettantismus auch auf die Kulturstufe eines Volkes geschlossen
werden; allerdings nur mit grösster Vorsicht.
Die .Musik ist mit den anderen Kulturäusserungen auf's Innigste ver-
webt, und ihr Studium vermag zahlreiche Probleme anderer spezieller
Forschungsgebiete in ein neues Licht zu rücken. Die Verknüpfung der
Musik mit der Sprache ist eine so enge, dass die Präge nach dem l r-
sprunge der einen wie der anderen stets von dieser Wechselbeziehung
anseesan&ren ist. Man hat bald, wie Spencer in seiner Speechtheory,
den Gesang als ein durch Emphase gehobenes Sprechen erklärt, bald um-
gekehrt, die durch Gebärden unterstützte Verständigung in musikalischen
'röneii «lein gewöhnlichen Sprechton vorangehen lassen (Darwin).
Endlich suchte man im Sprechgesang die gemeinsame Wurzel sprach-
licher und musikalischer Äusserungen (Rieh. Wagner). Wie immer sich
die Wissenschaft zu diesen Eypothesen stellen mau. an der Untrennbarkeit
der Dicht- und Gesangskunsi in primitiven Kulturen wird sie unbedingt
festhalten müssen. Die Bedeutung des Sprechgesanges als primitive
Kiinstform wird uns an vielen exotischen Weisen klar; und wer einmal
dem Singsang- unserer Kinder Aufmerksamkeit geschenkt hat, dein werden
die eigentümlichen Übergänge von voller Tongebung zu blossem rhyth-
mischen Sprechen nicht entgangen sein. Ein merkwürdiges Verhältnis
scheint bei türkischen und arabischen Liedern zwischen Text und
Musik zu bestehen. Der Rhythmus der Melodie nimmt anscheinend auf
das Metrum der Dichtung keine Rücksicht.1) Beispielsweise erst heim die
Vufanu'szeile eines türkischen Liedes in folgender Akzentverschiebung:
gesprochen: w/w^w/^r / u • j /
Lskütara gider iken bir mendil(i) buldum
gesungen: /w'^/^rw / ^ / ^ /
Auls engste verwachsen mit Musik- und Dichtkunst sind auch die
primitiven mimischen Äusserungen: der Tanz. Hier liegt für die ver-
einigte Forschung des Ethnologen \\\\^\ Musikers noch ein weite- Fehl
offen. Ls sei uns gestattet, nebenbei auf ein Hilfsmittel der modernen
Technik hinzuweisen, das den Forschungsreisenden hier gute Dienste
leisten könnte, den K i n ein a togra ph e u. Simultane kinematographische
und phonographische Aufnahmen würden ein vollkommenes und bequemes
Studium der Kindheit des Dramas ermöglichen; doch sind dies vorderhand
Zukunftsträume, deren Ausführbarkeit die weitere Vervollkommnung und
Verbilligung der Apparate zur Voraussetzung hat.2)
Auch das der Tanz-. Dicht- und Gesangskunst gemeinsame Element,
der Rhythmus, isl vielfach als Wurzel aller musikalischen Kunst erklärt
worden. Hans v. Bülows geflügeltes Wort: ..Im Anfang war der Rhythmus"
1) Vgl. M. Hartmann, Metrik und Rhythmus. Giessen 1896.
•2) Immerhin sind einige Vorsuche schon gemacht worden: Prof. Baddon (Edin-
bourgh) nahm einen Kinematographen auf seine Expedition nach den Inseln der Ten-, e
Strasse mit; die erwähnte akustisch - optische Kombination wurde auf einigen Varietr-
bnhnen vorgeführt.
— 224 —
ist auch das Leitmotiv von Billroths1) Studie über das Wesen der musi-
kalischen Begabung. Karl Bücher") stellt in seinem auf vergleichend-
ethnologischer Untersuchung ruhenden Werk über „Arbeit und Rhytnms"
die Dreieinigkeit von rhythmischer Körperbewegung, Ton und Wort an den
Anfang der Entwicklung. Es ist hier nicht der Ort, auf die vielen inter-
essanten Detailfragen einzugehen, die sich für die Völkerkunde,
Psychologie und Physiologie, für die Ästhetik, Sprachwissen-
schaft und Sociologie an das Rhythmusproblem knüpfen. Es liegt
hier eines der Hauptarbeitsgebiete für die vergleichende Musikwissen-
schaft.
Die starke Gefühlsbetonung, die aller .Musik anhaftet, erklärt die
bedeutende Rolle, die sie in allen, auch primitiven Kultgebräuchen
spielt. Eine wissenschaftliche Fixierung und Untersuchung der religiösen
Musik, die. nebenbei bemerkt, mit grosser Zähigkeit älteste Formen be-
wahrt, ist nicht nur für die genaue Beschreibung der Kultzeremonien
unerlässlich, sondern wird auch vielfach wertvolle Fingerzeige zu deren
Erklärung geben können.
Die wissenschaftliche (metaphysische, astronomische und mathe-
matische) Spekulation, die von religiösen Anschauungsformen ihren Aus-
gang nimmt und von diesen lange Zeit ihren Nachdruck erhält, bemächtigt
sich bei fortschreitender Kultur bald auch der musikalischen Formenwelt
und wirkt später wieder auf diese zurück. Wie in Europa können wir
bei den orientalischen Kulturvölkern die Beobachtung machen, wie die
Theorie als Privilegium auserwählter Geister die Fühlung mit der
Praxis verliert, um später ihre unabhängig von der kontrollierenden
Empfindung gewonnenen Ergebnisse dem Ohr aufzunötigen.
Als Beispiel für diesen Vorgang, der zuweilen die wunderlichsten
Gebilde zeitigt, erwähnen wir ein in China und Japan gebräuchliches
Saiteninstrument, das Kin. Wenn wir die Saiten dieser Zither an den
durch Marken vorgezeichneten Punkten niederdrücken, gelangen wir zu
Intervallen, die keine psychologische oder physiologische Akustik zu er-
klären vermöchte. Den Schlüssel zum Verständnis dieser rätselhaften
Tabulator vermag uns nur der Zollstab zu geben: Die Tastknöpfe sind
vom Ealbierungspunkt der Saite aus nach beiden Seiten symmetrisch an-
geordnet und die Grösse und Reihenfolge der Distanzen ist vielleicht
zum Teil in der chinesischen Zahleiimystik begründet.
D;is Kin kann uns gleichzeitig als Beispiel dafür dienen, wie mit <\i'n
Instrumenten auch Intervalle und musikalische Gepflogenheiten überhaupt
von Land zu Land wandern. Alan kann fast alle japanischen Musik-
instrumente auf chinesische und koreanische Formen zurückführen und
auch in Theorie und Praxis der japanischen .Musik ist der chinesische
Ursprung unverkennbar, wenn auch die weitere Fortentwicklung zu ganz
neuen, voii den chinesischen abweichenden, können geführt hat.
Wenn man die Musik exotischer Völker insofern als primitiv auf-
1) Wer ist musikalisch?
2) Arbeil und Rhythmus. L902.
225 —
fassen darf, dass man sie mit früherei] Eiitwickluiigsstufei] der euro-
päische!] in Parallele stellt, so würde sie uns Anhaltspunkte dafür geben,
wie wir uns die praktische Musik in der Antike vorzustellen haben.
Immerhin ist es fraglich, eh ein solcher Anschluss der vergleichenden
Musikwissenschaft an die Musikgeschichte im engeren Sinn zulässig ist,
da erst die Gleichheil der Keimzellen und die Analogie der Entwicklung«-
bedingungen sicher gestellt werden müsste. Es sei uns gestattet, mit'
eine sehr auffallende, sozusagen wörtliche, Übereinstimmung hinzuweisen
die eine in der japanischen Melodik besonders häufig wiederkehrende
Phrase mir Stellen aus altgriechischen Gesängen aufweist.
Die vergleichende Musikwissenschaft hätte aus dem gesammelten
und kritisch gesichteten Materia] die Gemeinsamkeiten und Zu-
sammenhänge der Musikentwicklung in allen Teilen der Erde
bioszulegen, die Unterschiede aus den besonderen Kultur-
verhältnissen /. ii erklären, schliesslich durch Extrapolation auf
die Ursprünge zurückzuschliessen.
Wir haben in aller Kürze die Aufgaben anzudeuten versucht, die
sieh eine vergleichende Musikwissenschaft zu stellen hätte. Sie stehen
mit den allgemeinsten Fragen der Musikgeschichte, der Ethnographie
und Psychologie in engstem Zusammenhang und ihre Lösung kann Hin-
durch das Zusammenwirken dieser Wissenschaften angebahnt werden. Die
Geschichte dessen, was bisher in dieser Richtung geleistet werden,
ist kurz, und greift seihst in ihren bescheidensten Anhingen kaum zwei
Dezennien zurück. Was der Einführung moderner Methoden voranging,
beschränkte sich einerseits auf rein historische Studien, andererseits
auf ethnographische Beschreibung.
Die Kenntnis der Musik der orientalischen Kulturvölker fusste
bis auf unsere Tage auf der Wiedergabe und [nterpretation altehrwürdiger
theoretischer Traktate, an denen namentlich die chinesische, indische
und arabisch-persische Literatur reich ist. Die chinesische Musiktheorie
hat 1780 I'. Ami et1) in der grossen Encyklopädie der Pekinger
französischen Milien ausführlich dargestellt; scheu 10 Jahre früher hatte
der gelehrte Abbe Roussier2) in seinein Werk über die altgriechische
Musik auf die Parallele des pythagoräischen und altchinesischen Systems
aufmerksam gemacht. L842 veröffentlichte der Wiener Musikhistoriker
Kiesewetter seine ..Musik der Araber", nachdem er mit Hammer-
Purgstall IS arabische und persische Originale studiert hatte. Aus
dieser Quelle schöpfte noch Belmholtz; seither hat der Leydener Orien-
talist Land 8) uns ein.- wertvolle Studie /ur arabischen Mu^ik geschenkt,
während wir aber indische Musik Ins vor kurzem nichts Zusammenhängen-
des besassen ausser der Monographie von Jones übers. vonDalberg 1802).*)
1 I'. Amio! Memoire sur la musique des Chinois ; Memoires enncernant les
Sciences etc. des Chinois, paz los missionaires de Pekin. Paris, L780.
2) Abbe Etoussier, Memoire bui la Musiqae des Ancions. Paris. 1770.
.".] Recherchee sur L'histoire de la gamme arabe. Leyden, L884.
I Jones, On the musical modea "1' the Hindu-. Asiat. Eteas. III. 1799; F. H. Dal-
berg, Die Lieder der [ndier asw. Erfurt L802.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Hefl 2, 15
— 2-26 —
Auch diese philologischen und musikhis torischen Forschungen werden
zu ihrem Rechte kommen, sobald ein genügendes Vergleichsmaterial an
moderner orientalischer Musik vorhanden sein wird. Ohne dieses letztere
wird vielfach die Übertragung alter Notationen und die Deutung der
termini technici sehr unsicher bleiben.
Tu den ethnographischen Berichten der Reisenden und Missionare ist
ein grosses Material von Beschreibungen der Instrumentalformen, Auf-
zeichnungen von Gesängen nach dem Gehör, Skizzierungen des allgemeinen
Gefühlseindruckes bei fremder Musik aufgespeichert. Auch dieses bedarf
sehr der kritischen Sichtung, wird aber mit der nötigen Vorsicht oft heran-
zuziehen sein.
Besonders beachtenswert sind uoch die Aufzeichnungen von intelli-
genten Eingeborenen oder Leuten, die sich lange Zeit im Land aufgehalten
haben. Zu ersteren gehört der bekannte Radjah Tagore1), der fast alle
europäischen Museen mit wertvollen Sammlungen indischer Instrumente
beschenkt und als hochgebildeter Amateur mehrere musikwissenschaftliche
Arbeiten veröffentlicht hat, deren Zuverlässigkeit noch durch genauere
Untersuchungen zu kontrollieren sein wird; dem Leibarzt des Mikado,
Dr. Müller2) war es vergönnt, die sonst unzugängliche japanische Hof-
musik, die sogenannte Gagakku, eingehend zu studieren.
Auch die rein ethnographische Bearbeitimg des Museumsmaterials
an Musikiustrumenten, wie sie Ankermann3) für die afrikanische Samm-
lung dieses Hauses durchgeführt hat, bildet eine wertvolle Vorarbeit für
die vergleichende Musikwissenschaft. Endlich wird diese auch die Er-
forschung der prähistorischen Funde zu berüksichtigen haben. Wir
erinnern au die iu den dänischen Torfmooren und auf Kullen gefundenen
Luren*)6), sowie an die grotesken Tonpfeifen aus Peru, Mexiko und
Costarica, denen Wead6) eine eigene Monographie gewidmet hat.
Mit der Einführung physikalisch-akustischer Methoden ist die
vergleichende Musikwissenschaft in eine neue Aera eingetreten. Das
frühere Verfahren, auf den Forschungsreisen Musik zu hören, den Gefühls-
eindruck zu schildern und über Rhythmus und Tonhöhe Aussagen zu
machen, die rein auf dem Gehöreindruck basieren, hat den Übelstand,
dass die Objektivität in der Untersuchung fehlt. Gerade der Musik gegen-
über kommt man aus konventionellen Schranken nicht heraus, und man
verfällt leicht in den Fehler, die Grundlagen unserer europäischen Musik
1) A treasury of the musical instruments of India etc. Calcutta, 1875. — Musical
Scales of the Hindus. Calcutta, 1884 etc.
2) Mueller, Einige Notizen über die japanische Musik. Mitteilungen der deutschen
Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens. Heft 6 (Dezember 1874), Heft «S
(September L875), Eefl 9 (März L876).
3) Die afrikanischen Musikinstrumente. Ethnol. Notizblatt des Museums für Völker-
kunde. Berlin, III, 1901.
Ii A. Hammerich. Die altnordischen Luren. Vierteljahresschrift für Musikwissen-
schaft, X, L894.
5) K. Kroman. Quelques remarques sur les Loures. Kopenhagen, 1902.
6) Charles Kasson Wead, Contributions to the History of Musical Scales. Smith-
sonian Institution U. S. National-Museum. Report L900. Washington, 1902.
— 111 —
als Grundlagen der Musik überhaupt anzunehmen, und so mit einem
falschen Masstab zu messen, unsere Begriffe, „Dur" und „Moll" und
andere haben sich so stark in uns festgesetzt, unser ganzes musikalisches
Denken basiert derartig auf ihnen, dass mau mir mit grosser Blühe sich
von ihnen frei machen kann. Zu allen Melodien »lenken wir uns be-
wusst oder halb bewusst entsprechende Harmonien. Erst nach monate-
langem Studium der japanischen Musik ist es uns gelungen, uns wenigstens
von der harmonischen Vorstellung frei zu machen. Noch schwerer geling!
<las Aufgeben unserer musikalischen Gewohnheiten bei [ntervallen;
wir messen alle Intervalle nach den uns gewohnten Tonschritten, nach
halben und ganzen Tönen. Ter/.en usw. Andere Stimmungen halten wir oft
för Verstimmungen, während sie wirklich von dem Volke intendiert sind.
Da hat nun die exakte Messungsmethode eingegriffen und uns auf
einen objektiveren Standpunkt gestellt. Wir haben jetzt Apparate, mit
welchen wir Töne, deren Schwingungszahlen minimale Unterschiede auf-
weisen, herstellen, und sie in Vergleich zu anderen Tonhöhen bringen
können. Ein solcher ist der Appunnsche Tonmesser, ein Apparat,
dessen Töne durch angeblasene Zungen von zwei bezw. vier Schwingungen
Differenz hervorgebracht werden. Isoch feinere Unterschiede kann man
mit dem Sternschon Tonvariator erreichen, dessen Prinzip darin besteht,
dass eine angeblasene Flasche ihre Tonhöhe mit minimaler Abstufung
verändert, wenn der Boden der Flasche mit mikrometrischer Einstellung
gehoben oder gesenkt wird.
Leider sind diese Apparate noch nicht handlich genug, dass
man sie auf Reisen mitnehmen und an Ort und Stelle die Töne
der Instrumente messen kann, es wäre sehr zn wünschen, dass solch
kompendiöser Tonmesser konstruiert würde; denn die Messung der im
Gebrauch befindlichen Instrumente gibt sicherlich weit bessere Resultate,
als die Messung der Museumsinstrumente. Diese leiden häufig durch den
Transport und trocknen während der langen Zeit *\v^ Lagerns aus. Häufig
haben auch die Instrumente durch ihren primitiven Bau bedingte Fehler,
die die Eingeborenen, welche ihr Tonsystem im Kopfe Italien, bei der
Handhabung zu verbessern trachten. Manche Plötentöne werden leiser
angeblasen als andere, weil das gleiche Anblasen nicht die gewünschte
Tonhöhe ergäbe. Wenn wir nun solch*1 Flöten prüfen und danach erst
das Tonsystem bestimmen wollen und von der Ungleichartigkeit des An-
blasens nichts wissen, dann können wir völlig verkehrte Resultate be-
kommen. So haben wir hier im Museum etwa 30— -40 chinesische und
japanische Flöten geprüft und so widersprechende Ergebnisse erzielt,
dass wir ganz, darauf verzichtet haben, dieselben zu veröffentlichen oder
gar eine Theorie aus ihnen zu bilden.
Die Benutzung experimentell akustischer Methoden beim
Studium der Musik wurde zuerst von Ellis1) mit Erfolg versucht. Seine
l) Alexander I. Ellis. 1. On the musical scales ot' various nations. Journal of the
Society of Arts, for27 March 1885. Vol. XXX1I1 Eteprinted wrfch additions and corrections;
for private circulation only; April L885 . 2. Appendix. Journal of the Society ofthe Arts.
Oct. [ 88.") irepriiited witli additions).
15*
— 228 —
Messungen von Musikinstrumenten vieler Völker sind Muster von Genauig-
keit und Kritik. Jedenfalls ist die Prüfung der Museumsinstrumeute eine
ausgezeichnete Methode, die Musik eines fremden Volkes kennen zu lernen,
wenn man sie in Verbindung mit dem Studium der praktischen Musik
pflegt und nicht mehr von ihr erwartet, als sie leisten kann. Denn
was ist eigentlich aus den Tönen eines Instruments zu schliessen? Bläst
man beispielsweise alle Töne einer Flöte hintereinander an, so bekommt
man eine Skala, Tonleiter. Diese Tonleiter ist aber keineswegs identisch
mit der Tonleiter, welche in der praktischen Musik verwendet wird.
Wenn wir bei unserem Klavier die sämtlichen Töne der Klaviatur
als Reihe betrachten, dann erhalten wir die sogen, chromatische Ton-
leiter, welche ja wesentlich verschieden von der bei uns gebrauchten Dur-
nnd Mollskala ist. Die Instrumentalleiter gibt oft nur das Material,
ans welcher die Gebrauchsleiter ihre Töne auswählt. L. Kiemann1) und
Wallaschek2) hatten den Fehler gemacht, dass sie aus den Tönen der
Musikinstrumente allein auf die verwendeten Intervalle weitgehende
Schlüsse zogen.
Berücksichtigt man aber diesen Umstand, dann erleichtert die Messungs-
methode das Studium der exakten Musik gewaltig; denn Ohr und Auge
kontrollieren sich hier fortwährend und korrigieren die gegenseitigen
Fehler. Saiteninstrumente mit Bünden werden akustisch mit dem Ton-
messer, optisch mit dem Millimeter mass gemessen. Da die Saitenlänge
umgekehrt proportional der Schwingungsanzahl des entsprechenden Tones
ist, muss die optische und akustische Messung parallele Resultate erzielen.
Die Messungsmethode findet Anwendung auf alle Instrumente mit fester
Abstimmung: Flöten, Guitarren, Glockenspiele, Metall- und Holzplatten-
instrumente. Bei (»eigen, bei denen die Tonhöhe durch Pingerdruck,
ohne Hilfe von Saitenbünden hervorgebracht wird, versagt die Messungs-
methode gänzlich; da muss man auf die Untersuchung der praktischen
.Musik eingehen, welche auch stets herangezogen werden muss, wenn man
das Tonsystem eines Volkes völlig verstehen will.
Zwischen den beiden Methoden der Messung und des Studiums der
praktischen Musik liegt noch eine Untersuchungsart, welche ich die
psychologische Methode nennen möchte. Wir haben öfter Gelegenheit,
exotische Musiker bei uns zu sehen; wenn wir uns nun nicht darauf be-
schränken, deren Musik zu hören und zu studieren, sondern auch akustische
Versuche mit ihnen anstellen, dann bekommen wir sowohl über ihr Ton-
system wie ihre musikalischen Eigenschaften interessante Aufschlüsse.
Sehr zweckmässig ist es. den exotischen Musiker selbst Instrumente ab-
stimmen zu lassen; man kann so die Stimmung der Museumsinstrum ente
kontrollieren und auf den [ntervallsinn des Musikers und sein Ton-
gedächtnis schliessen. Hieran hätten sich dann Doch zur Ergänzung Ver-
1 Ludwig ßiemann, Über eigentümliche bei Natur- und orientalischen Kulturvölkern
vorkommende Tonreihen. Essen L899.
2) R. Wallaschek, Die Entstehung der Skala. Sitzungsberichte der kais. Akademie
der Wissensch. in V\ ien, inathem.-naturwisscnsch. Klasse. Bd. CVIII, Aid II, im Juli 1899.
— 229 —
suche anzuschliessen. wie sich das Gefühl des exotisches Musikers unseren
Intervall- und Musikformen gegenüber verhält.
Die praktische AI u si k kann in doppelter Weise exakt studiert werden.
Man kann sie nach dem Gehör notieren, mit allen Abweichungen, welche
die Stimmung von den uns gewohnten Intervallen zeigt; dies ist äusserst
mühsam. Vielemale muss man si<di dasselbe Tonstück vorspielen lassen
und mit angestrengtester Aufmerksamkeit seine Notationen machen. Auch
erfordert eine solche Untersuchung ein vorzügliches musikalisches Gehör.
Stumpf1) hat Lieder der Bcllakula-Indianer in solcher Weise studiert.
Weitere Beiträge zur Indianerniusik lieferten F. Boas, Miss Fletcher und
Fillmore.2)
In neuerer Zeit ist uns die Erfindung des Phonographen zu Hilfe
gekommen. Mit dem Phonographen kann man die Musik fixieren und
mit Müsse im Arbeitszimmer, wo die Aufmerksamkeit nicht soviel auf
optische Nebendinge gerichtet ist, wie bei den Vorführungen fremder
Völkerschaften, studieren. Den- Phonograph hat noch besondere Vorzüge.
Man kann ihn nach Belieben langsam und schnell laufen lassen und kann
so Musikstücke, deren Tempo im Original zu schnell war. um sie analy-
sieren zu können, in ruhigem Zeitmass, in entsprechender Transposition,
zu Gehör bringen.
Weiterhin kann man das Musikstück in kleine Bruchstücke zerlegen,
kann einzelne Takte, ja einzelne Töne allein erklingen lassen und genaue
Notation und Messungen daran anschliessen. Schliesslich hat man in
der Phonographenwalze ein dauerndes Dokument, immer bereit zur Vor-
führung und Vergleichung. Der Phonograph wurde zuerst von Gilman8)
beim Studium von Zuni - ( Jesäugen und chinesischer .Musik verwendet.
Wir haben die orientalische Musik in zwei ihrer Hauptrepräseiitanten.
<\w siamesischen und japanischen, näher kennen gelernt. Der Eine von
uns (A.) war Mitarbeiter bei den Untersuchungen, welche Herr Geheim-
rat Stumpf während der Anwesenheit einer siamesischen Hoftheater-
truppe in Berlin (1900) anstellte.*)
Mit Hilfe des Appuniischen Tonmessers bestimmten wir die einzelnen
Töne aller siamesischen Instrumente und fanden zunächst, das> sämtliche
Instrumente ganz wunderbar untereinander übereinstimmten und die
Oktaven ebenfalls. Die Schwingungszahlen derselben ergaben durchwegs
genau dasselbe Verhältnis 1:2. Sämtliche anderen Intervalle aber er-
schienen uns ganz unrein. Sie stimmten weder mit physikalisch reinen
noch mit temperierten Intervallen überein.
1) Vierteljahrssclmt't für Musikwissenschaft II, S. 405.
2) Siehe Stumpf, Konsonanz und Dissonanz. Beiträge zur Akustik and Musik-
wissenschaft 1898, Beft l. S. 63ff.
.">) Benjamin Ives Gilman. 1. On some psychological aspects of the Chinese tnusical
System. Philosophical Review. Boston 1892. 2. Zuni Melodies. Journal of American
Archaeology and Ethnology. Vol. I. Hierzu vgl. Stumpf, Monographierte Indianer-
mclodien. Vjschr. f. Musikwiss. VIII. L892.
\) C. Stumpf, Tonsystem und Musik der Si&meeen. Beiträge zur Aku-tik und
Musikwissenschaft. Heft :'., 1901.
— -230 —
Innerhalb der Oktave fanden wir 7 Tonstufen. Die Schwingungs-
zahlen der einzelnen Töne sind an folgender Reihe ersichtlich : 423, 407,
516, 570, 629, 695, 767. Die Differenz wächst von Ton zu Ton ; be-
trachtet man aber nicht die Differenz, sondern die Verhältnisse der
Schwingungszahlen, so findet man, dass zwischen zwei benachbarten Ton-
stufen genau dasselbe Schwängungsverhältnis besteht. Die Oktave
ist also in sieben geometrisch gleiche Stufen geteilt, d. h. wir
haben eine gleichschwebende, temperierte siebenstufige Leiter. Keine
Halbtöne, keine Ganztöne sind vorhanden, eine mittlere Stufe, etwa 3/4
Ton ist an deren Stelle getreten, kleine uud grosse Terz, beide Sexten
uud Septimen sind zu einer neutralen Terz, Sexte und Septime geworden.
Die Quarte ist gegen unsere zu hoch, die Quinte zu tief.
Man erhält die Leiter mathematisch, weun man die Schwingungs-
zahleu jedes vorhergehenden Tones mit | — 2~ multipliziert. Die Abstim-
mung der Töne auf allen Instrumenten erweist sich als so geuau, dass die
Differenz zwischen ihnen und den berechneten nur gelegentlich wenige
Schwingungen beträgt, und es ist absolut kein Zweifel, dass diese Stim-
mung intendiert ist. Hier erheben sich zwei fundamentale Fragen:
1. Weshalb teilen die Siamesen ihre Oktave gerade in sieben Ton-
stufen?
2. Wie kommen sie zu den geometrisch gleichen Tonstufen?
Stumpf vermutet, dass die Wahl der Sieben zahl nicht auf musi-
kalischen, sondern auf allgemeinen, in der allverbreiteten Zahlenmystik
liegenden Gründen beruht. Die Siebenzahl gilt dem Buddhismus als
heilig, die Siamesen sind Buddhisten. Dass die Annahme einer heiligen
Zahl nichts Auffälliges an sich hat, sieht man bei Betrachtung der chine-
sischen Musik, bei welcher die Theoretiker die Fünfstufigkeit ihrer Leiter
auf metaphysisch-mystische Gründe stützen.
Die Siamesen haben sicherlich ihre Leiter nicht durch Logarithmen,
Wurzelausziehung und Tonmesser hergestellt. Sie müssen die geometrisch
gleichen Stufen durch die Empfindung oder das Gefühl kontrolliert haben,
und es ist die nächstliegende und wohl einzig mögliche Annahme die, dass
die aufeinanderfolgenden, geometrisch gleichen Tonstufen sich
für die Siamesen in der Empfindung als gleiche Tonabstände dar-
stellen. Ein Analogen zu der 7 stufigen siamesischen Leiter bildet die auf
Java gebräuchliche, ganz ähnlich gebaute 5 stufige Salendroleiter.
Bei den Japanern, deren Musik wir1) bei Gelegenheit des Gastspiels
der Sada Yacco in Berlin studierten, finden sich vorwiegend Intervalle
der physikalisch reinen Stimmung, wie sie durch die Einfachheit der
Schwingungsverhältnisse gegeben sind. Nebenbei kommen auch gelegent-
lich neutrale Terzen und Sexten vor, sowie einige merkwürdige Inter-
valle auf Instrumenten, die aussermusikalischen Prinzipien ihre Entstehung
verdanken. Die Musik ist einstimmig und der Japaner kennt ebenso
1) 0. Abraham und E. v. Hornbostel, Studien über das Tonsystem und die
Musik der Japaner. Sammelbände der internationalen Musikgesellschaft, IV, -.
— 231 —
wenig wie die anderen orientalischen Völker Harmonie. Das einstimmige
Musizieren gestattet weite Freiheiten in den Intonationen und im
Rhythmus. —
In neuerer Zeit hat die phonographische Technik grosse Fort-
schritte gemacht. Dem Phonographen ist das Grammophon gefolgt und
beide Apparate wetteifern miteinander, denn jeder hat seine Vorzüge und
seine Mängel. Bei beiden Apparaten werden Membriin-SehwingunLivn
durch Hebelwirkung auf einen Stift übertragen, welcher seine Bewegungen
in eine wachsartige Masse einschreibt. Beim Phonograph en arbeitet
der Stift senkrecht gegen die Oberfläche einer rotierenden und sich seit-
wärts verschiebenden Wachswalze; es entsteht also eine schraubenförmige
Linie auf der Walze, in welcher die einzelnen Tonschwingungen als Stiche
senkrecht in die Walzenoberfläche hineinpunktiert sind. Das Grammo-
phon verwendet an Stelle von Walzen Platten ; der Stift zeichnet die
Wellenform der Tonschwingungen in der Ebene der Platte auf. Leider
ist die genauere Aufnahmetechnik des Grammophons noch Geheimnis,
sodass es für den Privatmann nicht möglich ist. Aufnahmen zu machen.
In Anbetracht dessen, dass für die Konservierung Platten viel
geeigneter sind als Walzen, ist in Wien ein Apparat konstruiert worden,
«ler die Mitte hält zwischen Phonograph und Grammophon. Ks ist ein
Phonograph, welcher in Platten statt in Walzen seine Schwingungen ein-
graviert, aber, wie beim gewöhnlichen Phonographen, senkrecht zur Ober-
fläche arbeitet; es ist dies der Wiener Archiv-Phonograph, mit
welchem Prof. S. Fxner den Grund gelegt hat für die Errichtung eines
wissenschaftlich-phonographischen Museums. Audi dieser Apparat hat
noch einen Nachteil: sein grosses Gewicht erschwert den Transport.
Deshalb lässt man jetzt die Metallteile des Apparates in Magnalium aus-
führen und hofft damit eine grössere Handlichkeit zu erzielen.
Das Wiener Phonogramm archiv hat bereits in Brasilien und auf
griechischen Inseln Material gesammelt und neuerdings zahlreiche Proben
arabischer Dialekte und Lieder aufgenommen. In Paris hat Hr. Azoulay
gelegentlich der Weltausstellung 1900 von den auf dem Trocadero ver-
sammelten fremden Volksstämmen phonographisehe Aufnahmen gemacht, und
die Societe anthropologique in Paris besitzt ebenfalls ein phono-
graphisches .Museum. In Amerika, der Heimat des Phonographen, hat
Prof. Franz Boas all seine Expeditionen mit Phonographen ausgerüstet
and ein stattliches .Material gesammelt.
Aus Walzen und Platten können auf galvanoplastischem Wege
Metallnegative, in letzter Zeit auch Metallpositive hergestellt werden, so
dass nichts mehr fohlt, .-in Archiv dauerhafter musikalischer Dokumente
exotischer .Musik zu begründen und diesen bisher so arg vernachlässigten
Zwei-- der Ethnologie zu pflegen. Es wäre zu wünschen, dass die wissen-
schaftlichen Institute sich dieser Aufgabe bald annähmen, da die rapide
Ausbreitung der europäischen Kultur die Ursprünglichkerl der exotischen
Musik zu verwischen droht.
— 232 —
Anhang.
Anleitung zur Handhabung des Phonographen für Forschungs-
reisende und Missionare.
A. Ausrüstung.
1. Phonograph oder Graphophon mit Aufnahme- und AYiedergabe-
membran, Schalltrichter, Schlüssel.
2. Reservemembranen oder Reparaturausrüstung.
3. Ölkanne. Stnubpinsel, Lederlappen, Schraubenzieher.
4. AYalzen, tunlichst vor Erschütterung, grosser Hitze, Nässe zu schützen.
5. Stimmpfeife (Xormal-a = 435).
B. Aufnahme.
1. Uhrwerk vor jeder Aufnahme ganz aufziehen.
2. Uhrwerk gewöhnlich mit mittlerer Geschwindigkeit laufen lassen;
bei sehr hoher, sehr leiser oder sehr schneller Musik grosse Ge-
schwindigkeit.
3. Der Apparat ist testzustellen und während der Aufnahme nicht
zu verrücken.
4. Jede Aufnahme hat damit zu beginnen, dass das a des Stimm-
pfeifchens in den Apparat hineingeblasen, dann die Journalnummer
und der Titel der Aufnahme hineingesprochen wird.
5. Schallkörper des Instrumentes, Mund des Sprechers oder Sängers
möglichst dicht an den Schalltrichter bringen, ohne diesen zuberühren.
6. Der Spieler (Sänger) möge, wenn angängig, den Takt durch
Händeklatschen markieren (möglichst nahe der Schallöffnung <les
Trichters).
7. Xach Gesangsaufnahinen ist der tiefste und höchste Stimmton des
Sängers aufzunehmen (Stimmumfang).
Instrumentalmusiker mögen die vollständige Skala ihres In-
strumentes in der bei ihnen üblichen Reihenfolge in den Phono-
graphen hineinspielen; bei Saiteninstrumenten sind die leeren
Suiten besonders aufzunehmen.
8. Jede Aufnahme ist sofort probeweise ganz zu reproduzieren.
9. Notierung der Journalnummer, des Orts und Titels der Aufnahme
auf der Walzenschachtel.
10. .Möglichst sorgfältiges Ausfüllen des Journals.
11. Es empfiehlt sich, gelegentlich von einem Musikstück zwei Auf-
nahmen zu machen (auch von verschiedenen Musikern).
C. Journa I.
1. Portlaufende Nummer di'v Aufnahme:
2. Datum und Ort «1er Aufnahme:
3. Person des Sprechers oder Musikers:
;i) Volksstamm:
b) Name:
c) Alter:
d) Geschlecht:
e) Beruf:
— 233 ■-
4. Gegenstand der Aufnahme:
;i) Sprache (Konversation, Deklamation)?
Gesang (Solo. Zwiegesang, Chor, Instrumentalbegleitung)?
Instrumentalmusik Name Beschreibung. Zeichnung oder
Photographie des Cnstrumentes)?
b) Titel «los Stückes:
<•) Gattung des Stückes (Tanzgesang, religiöser Gesang, Volks-
lied usw.)?
il) Einheimischer Name der Tonart:
5. Toxr dos Liedes oder der Sprachpro'be in möglichst sorgfältiger
Transskription, event. mit Übersetzung (auf der rechten Seite zu
Qotieren)i
6. Existiert eine einheimische musikalische Notation des aufgenommenen
Stückes? (event. Notierung in derselben auf der rechten Seite).
7. Bemerkenswerte Nebenumstände (Haltung, Ausdruck dos Vor-
tragenden; Gebärden, Tanz. Zeremonien):
Fakultativ:
8. Einheimische Theorie? Leitern (5 stufig, 7 stufig? Wie moti-
vieren die Einheimischen die Stufenzahl?) Mehrstimmigkeit in
Gesang und Instrumentalmusik?
!». a) Berufsmusiker (Organisation, soziale Stellung usw.)?
1)) Liebhabermusik (Ausbreitung. Unterricht usw.)?
10. Verhältnis der Einheimischen zur europäischen .Musik?
11. Einheimische ürsprungsmythen und Geschichte der Musik?
Diskussion.
Hr. Oppert: Ich mochte mir nur eine Bemerkung zu dem Vortrage
des Hrn. v. Hornbostel erlauben. Ich glaube, dass wir zu sehr von
unserer europäischen Musik eingenommen sind und deshalb nicht den
musikalischen Geschmack anderer Völker berücksichtigen. So ist z. B.
jeder Hindu auf nichts stolzer, als auf seine Musik. Er ist nicht allein
ein Freund musikalischer Genüsse und schätzt seine nationale Musik sehr
hoch, sondern die Musik wird auch wissenschaftlich als Sangitasästra
von ihm studiert und bildet einen hervorragenden Teil der indischen
Wissenschaft. Ich will hier nur beiläufig bemerken, dass auch ich vor
einigen Jahren (1888) mehrere Stücke indischer Musik mit Noten, welch»'
mir Herr E. Straviot zur Verfügung stellte, veröffentlicht halte. In
Indien, im Norden sowohl wie im Süden, geschieht hierfür jetzt sehr viel,
und vorzugsweise hat in Kalkutta Rajah Surendra Biohun Tagore in dieser
Beziehung sehr viel geleistet. Die Indier besitzen eine ungemein grosse
Anzahl verschiedenartiger musikalischer Instrumente. Ich glaube, eine solche
Sammlung sollte einmal nach Berlin kommen, sie ist abeT schliesslich
nach Dresden gegangen.
Ausserdem möchte ich noch hinzufügen, dass bei dramatischen Auf-
führungen alle Verse gesungen und im Takt dazu getanzt werden.
Deshalb darf bei einer allgemeinen Obersicht älter die Musik
diejenige fremder Völker und besonders die indische Musik nicht
ignoriert werden.
— 234 —
Hr. Stumpf: Ich möchte nur meine grosse Freude ausdrücken
darüber, dass eine Sache, die mir schon viele Jahre lang am Herzen ge-
legen hat, jetzt von meinen beiden jungen vortrefflichen Mitarbeitern so
tatkräftig in die Hand genommen worden ist, und zwar viel besser und
viel exakter, als es früher nur möglich erscheinen konnte. Denn als es
noch keine Phonographen gab, war man auf die in Heise berichten ent-
haltenen, nach dem Gehör aufgenommenen Notierungen beschränkt, und
diese leiden an vielen Ubelständen. Es ist selbst für ein sehr geübtes
Ohr oft unmöglich, solche fremdartigen Weisen sicher aufzufassen und in
Noten zu bringen, umsomehr für einen akustisch nicht besonders vor-
gebildeten Reisenden. Deshalb sind auch die vielen Notizen, die ich mir
im Laufe der Jahre aus solchen Reiseberichten mit Hilfe von Ethnologen
und Geographen gesammelt habe, augenblicklich ziemlich Makulatur ge-
worden — ich sage: augenblicklich; denn wenn wir erst einmal die ge-
nauen Studien mit Hilfe der Phonographen und unserer akustischen
Apparate gemacht haben, dann werden wir ja auch die früheren Notationen
heranziehen, sie mit den phonogrammetrischen Aufnahmen vergleichen
und so das Zuverlässige von dem Unzuverlässigen sondern können. Manches,
hoffentlich Vieles, wird sich dann noch als brauchbar erweisen. Freilich
diese Studien durch den Phonographen können nicht alles leisten, was zu
wünschen ist; das Studium nach der Natur bleibt doch immer unentbehr-
lich, wenn man sich den vollen Eindruck der exotischen Musik verschaffen
will, nicht bloss wegen der Unvollkommenheit der Apparate, die ja mit
der Zeit ganz ausgeglichen werden wird, sondern auch deshalb, weil zum
Eindruck und Verständnis der lebendigen Musik die ganze Vortragsweise
gehört, die Gebärden und die engere und weitere Umgebung, das ganze
Milieu, in dem die Musik erwachsen ist. Der Musikforscher muss daher
jede Gelegenheit benutzen, jeden Besuch, den wir von fremden Völker-
schaften haben, um seine Anschauungen zu bereichern. Besonders er-
wünscht ist es aber, dass Reisende, die musikalisch veranlagt sind, nun
mit diesem neuen Apparat ausgerüstet, Studien machen und über die
Einzelheiten jeder Aufnahme berichten. Zeit wäre es freilich, wie H. v.
Luschan bemerkt hat, dass solche Aufnahmen gemacht und gesammelt
würden; denn immer mehr verwischen sich die Grenzen, teils durch die
Akkommodation der Eingeborenen, teils durch die der Modernen. Ich habe
erst gestern von Herrn Kollegen Münsterberg aus Amerika eine ähnliche
Nachricht erhalten, wie es vorher aus Benares berichtet worden ist. Er
sagt, es sei eine Bewegung entstanden, um die indianischen Urmelodien
;il- Nationalmelodien zu benutzen. Diese eignen sich ja freilich sehr gut
dazu, denn die indianischen Melodien gehören zu denjenigen, die unserem
Ohre am besten liei>en.
Nun möchte ich, \\;is die praktische Seite der Frage anbetrifft, noch
ilie in Letzter Zeit ventilierte Idee zur Sprache bringen, man soll danach
streben, ein Archiv für Phonogramme anzulegen, am besten gewiss
als einen Teil des Ethnologischen Museums. Es nuisste eine grosse Anzahl
von solchen Platten and Walzen gesammelt werden, die auch zu gelegent-
lichen Produktionen für Museunisbesucher verwandt werden würden, vor
— 235 —
allein aber als Material für wissenschaftliche Studien dienen müssten.
denn die Sache kann allein dann vorwärts kommen, wenn wir grosses
Material haben. tch will auch noch bemerken, dass von den Melodien
an Ort und Stelle nach Möglichkeit nicht bloss eine Aufnahme gemacht
werden müsste. sondern mehrere. Es kommt ja oft vor. dass eine Melodie
das eine .Mal nicht genau so gesungen wird wie das andere Mal, dass die
Intonation nicht genau dieselbe ist. Es wäre wichtig, dass in einer
grösseren Anzahl von Fällen einige Aufnahmen gemacht würden, damit
die Schwankungen, die Zufälligkeiten in der Intonation eliminiert werden,
damit die Gesetzmässigkeit richtig erkannt wird. Es wäre sehr erwünscht,
wenn die Autorität und Sympathie der Anthropologischen Gesellschaft
dieser Sache zu gute käme, und wenn mit der Zeit diese Unternehmung,
die sich ja auch auf das sprachliche Gebiet ausdehnen könnte und müsste,
auch von Staats wegen unterstüzt würde. Ich schliesse mit einem herz-
lichen Glückauf für diese Bestrebungen und für die Forscher, die sich
ihnen widmen.
Hr. Hartmann: Wenn Sie mir gestatten, einige Worte vom Stand-
punkt des Philologen, speziell des Arabisten, zu sagen, so möchte ich
einige Tatsachen anführen, die vielleicht von Interesse sein könnten. Es
handelt sich freilich weniger um die Lösung eines Problems als darum,
anzudeuten, wie das Problem aufzufassen ist. Es ist die grosse Präge:
Wie kommt es, dass bei den Arabern — auf diese will ich mich be-
schränken; es ist das einzige Gebiet, auf dem ich eigene Studien gemacht
habe — , scheinbar kein Verhältnis besteht zwischen dem qnantiti er enden
Metrum, in welchem alle ihre Gedichte abgefasst sind, einem Metrum, in
dem wir durchaus das finden, was wir nach unseren klassischen Er-
innerungen als mora zu bezeichnen pflegen — ich sage: wie kommt es,
dass hier scheinbar kein Verhältnis besteht zwischen diesem Metrum und
der Musik. Die Araber haben sich selbst hierüber den Kopf zerbrochen
und haben verschiedene Vermutungen. Es wird von einem älteren
arabischen Schriftsteller berichtet, dass über die Entstehung des ein-
fachsten und gebräuchlichsten arabischen Metrums folgende Meinung um-
gehe: Ein Reisender war vom Kamel gefallen: seinen Schmerzensruf
verwandten die Kameltreiber zu ihrem Gesänge in jambischem Versmass.
Diese Deutung zeigt, wie die Leute sich bemüht haben, «las Rätsel zu
lösen. Ich habe sie in einer kleinen Arbeit mitgeteilt und daran noch
allgemeinere Bemerkungen geknüpft; unter dem Titel „Rhythmus und
.Metrum bei den Arabern" habe ich versucht, einiges zur Lösung des
Rätsels beizutragen. Tatsache ist, dass in i\i'v arabischen .Musik beim
Vortrag der arabischen Gedichte, die quantitierend abgefasst Bind, auf
dieses <piam i i ieiviide Metrum absolut keine Rücksicht genommen wird.
Es ist nun andererseits kurios und ein Beitrag zu dem, was Hr. Abraham
erwähnt hat, wenn mau sieht, auf welche Ideen europäische Forscher ge-
kommen sind, die sich mit diesen Dingen beschäftigt haben.
Es sind nämlich von einem bekannten deutschen Arabisten nach dem
Vorgange des französischen Arabisten Stanislaus Guyard, der sich sonst
grosse Verdienste um die Wissenschaft erworben, sich hier aber getäuscht
— 23(5 —
hat. die arabischen Metren einfach auf eine Stufe gesetzt worden mit
unseren Polkamelodien und mit unserem Walzerrhythmus. Es ist das eine
ganz unglückliehe Idee, die im Wesen des arabischen Metrums und der
arabischen Musik nicht im leisesten begründet ist.
Ich bemerke noch, dass aus den Werken des berühmten arabischen
Philosophen und Musiktheoretikers Farabi sich über das Verhältnis des
Rhythmus in der Musik den- Araber zu den Metren nichts entnehmen lässt.
Hr. Bab: ,Weim Hr. Stumpf ausführte, dass der Phonograph uns
wohl nach der akustischen Seite befriedige, dass dagegen die optische
Seite dabei ganz vernachlässigt werde, da die begleitenden Gebärden- und
Tänze nicht vorgeführt werden könnten, so möchte ich anregen, ob nicht
mit phonographischen Aufnahmen gleichzeitig kinematographische Auf-
nahmen gemacht und wiedergegeben werden könnten. Ich meine das hier
empfehlen und zur Diskussion stellen zu sollen, inwieweit die heutige
Technik imstande ist. diese beiden Apparate zu vereinen.
Hr. von den Steinen: Ich möchte1 noch kurz für Nordamerika zu
Ehren unserer dortigen Kollegen die Bemerkungen der Herren Vor-
tragenden dahin ergänzen, dass nicht nur von JNew-York aus vielfach
phonographische Aufnahmen bei Indianerstämmen gemacht worden sind.
Auf dem Bureau of Ethnology in Washington ist der Apparat seit vielen
Jahren in regelrechtem (iebrauch. Dorsey in Chicago hat ein schönes
Material bei den Pawnee gesammelt.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit ferner wiederholen, was ich in
meinem Bericht über den Verlauf des Amerikanistenkongresses in Xew-
York schon erwähnte, dass wir dort eine sehr hübsche ethnographische
Vorstellung des Kinematographen in Verbindung mit dem Phonographen
hatten. Es handelte sich um den Sonnentanz der zentralamerikanischen
Maya, und ich kann nur sagen, da sich die Szene im hellsten Sonnen-
glanz abspielte und Tänze und Gesänge recht lebhaften Charakter hatten.
so war die Vorführung ausserordentlich wirkungsvoll.
Hr. Waldeyer: Ich benutze diese Gelegenheit, um den Herren
Vortragenden für ihre ausserordentlich anregenden Mitteilungen zu danken.
Ausserdem möchte ich anknüpfen an das, was Hr. Stumpf gesagt hat,
dass wir vor einem Gebiet von einer noch ganz unabsehbaren, von einer
ganz ungeahnten Ausdehnung stehen, und Sie sehen gleichzeitig, wie sehr
unsere Bestrebungen durch solche Untersuchungen an Wert und an Tiefe
gewinnen. Es ist aber auf dev anderen Seite wieder dringend hervor-
zuheben, dass es die höchste Zeit ist. mit derartigen Untersuchungen vor-
zugehen; man glaubt nicht, wie jede Steigerung der ja rapid anwachsenden
Verkehrsmittel dazu beiträgt, alles zu nivellieren und alle Eigentümlich-
keiten /.u verwischen. Wenn jetzt nicht energisch zugegriffen wird, dann
ist vieles unwiederbringlich verloren, was notwendig ist. um die Lücken
in unserer Kenntnis zu ergänzen. Ich spreche den dringenden Wunsch
aus. dass alle, dir an diesen Dingen ein Interesse haben, dahin in ihren
Kreisen wirken mögen, dass bei allen massgebenden Instanzen diese Über-
zeugung recht l'esi und eindringlich wird.
237 —
4. Spuren ehemaliger Eisenerzgewinnung
und alter Eisenschmelzhütten im Kreise Naugard i. Pommern/)
Von
Hans Hess von Wichdorff in Berlin.
Bei den geologischen Aufnahmen im Kreise Naugard fanden sich
häufig schwere Eisenschlacken vereinzelt auf den Feldern verstreut vor,
deren sporadisches Vorkommen sich in allen Teilen des Kreises nach-
weisen Hess. Es ist dies eine nicht nur auch in den übrigen Teilen
Hinterpommerns, sondern ebenso in anderen dem norddeutschen Flach-
land angehörenden Provinzen von Preussen bereits mehrfach gemachte
Beobachtung.
So haben u.a. Keilhack. Muller und Zeise öfters derartige Funde
gemacht. G. Müller veröffentlichte im Jahre 18i)4 einen Aufsatz2), in
welchem er auf -las Vorkommen dieser Eisenschlacken auf wendischen
Burgwällen des Kreises Greifenhagen in Pommern hinwies und zu weiteren
Untersuchungen über ihren Ursprung und ihr Alter Anregung gab.
Das Bestreben, im Kreise Naugard die Herkunft dieser eigentüm-
lichen Bisenschlacken zu ermitteln, war zunächst darauf gerichtet, eine
oder mehrere jener alten Eisenschmelzhütten aufzufinden, aus denen diese
Schlacken ehemals hervorgegangen waren, um durch ihre systematische
Untersuchung und Durchgrabung Aufschlüsse über die damalige Her-
stellungsweise des Eisens und womöglich über die Zeit ihrer Entstehung
zu erhalten. In den Gegenden, wo intensiver Ackerbau im Laufe der
Zeit jede Spur von den den Boden überragenden Zeugen der \ orzeit
längst zerstört hat, waren naturgemäss keine Reste von alten Schmelz-
werken mehr zu erwarten. Auch haben ihrer dort jedenfalls nur wenige
bestanden. Anders in dem gewaltigen Waldgebiet, das sich zwischen
Stargard, Altdamm und Gollnov? ausdehnt und .las. wie bereits eine Ur-
kunde3) ans dem Jahre 1291 bezeugt, schon damals wie jedenfalls über-
haupt immer bewaldet gewesen ist. In diesem Terrain mussten früher
vorhandene Eisenhütten wenigstens noch teilweise nachzuweisen sein.
1) Vorgelegt in der Sitzung am 19. Oktober 1903,
2) Dr. G. Müller, Spuren vorgeschichtlicher Verhüttung von Eisenerzen im Kreise
Greifenhagen. Monatsblätter der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertums-
kunde. Jahrgang L894, Nr. '_'.)
3) In diesem Jahre schenkte Herzog Bogislav der Stadt Stargard den um Priem-
liausen herum gelegenen Teil des Waldes, die sog. Ilaide. als Stadtwald. (Siehe Böhmer,
Geschichte der Stadt Stargard in Pommern, Heft I. S. 52, 65 u. 66.
— 238 —
Hier am quellreichen3) Rande des ehemaligen Haftstausees2), in einem
mächtigen Walde, der die zum Schmelzprozess unbedingt nötigen Holz-
kohlen lieferte, in unmittelbarer Nähe des grössten Raseneisenerzlagers
des ganzen Kreises, waren alle Bedingungen für Eisenschmelzhütten der
Vorzeit gegeben.
In der Tat wurden bei genauer Untersuchung dieses Gebietes einige
noch ziemlich gut erhaltene Schmelzhütten aufgefunden, unter denen die-
jenige von Priemhausen wohl die interessanteste ist.
Der ehemalige Eisenschmelzofen bei Priemhausen liegt an einer geo-
logisch sehr wichtigen Stelle, direkt am Ufer des früheren Haffstausees
und dieser geognostischen Lage verdankt die ganze Anlage ihre Ent-
stehung. Auf der einen Seite steigt als alter Uferrand die 10 — 15 m höhere
flache Hochebene an, auf der in nächster Nähe Dorf und Kirche Priem-
hausen sichtbar sind. Auf der anderen Seite dehnt sich die weite Sand-
ebene des Haffstausees aus, die fast ganz von Wald eingenommen wird.
Unmittelbar am Fusse der Hochebene befindet sich ein starker Quellen-
horizont; auf einer Strecke von wenigen Kilometern entspringen dieser
Zone mehr als 100 starke Quellen. Ehe diese Quellen, wie dies jetzt
zum Teil der Fall ist, zu einem Kanäle gefasst waren, um Mühlen zu
treiben, ergoss sich alles Quellwasser in das Vorland des Haff'stausees und
bildete hier längs des alten Uferrandes ein sumpfig -mooriges Gebiet.
Inmitten dieses zwischen Priemhäuser Mühle und Priemhäuser Ziegelei
gelegenen Moores, welches übrigens als Priemhäuser Moor („Premuseke-
blutu") schon in einer Urkunde3) vom Jahre 1269 aufgeführt wird, liegt
unser Eisenschmelzofen in einem kaum merklich über seine Umgebung
erhöhten Birkenhain. Dieser Punkt heisst bei der umwohnenden Be-
völkerung „das Schloss", weil man in den dort vorhandenen regelmässigen
Erdaufschüttungen und Gräben die rudera eines alten Rittersitzes zu sehen
glaubte. Auch die Sage hat sich in diesem Sinne um den alten Ort ge-
woben. Es ist aber, wie sich aus dem folgenden ergibt, die Stätte eines
alten Eisenschmelzofens.
Aus dem Moore steigt ein nahezu kreisrunder, flacher, etwa 1 m hoher
Wall an, der 280 Schritt im Umkreis misst und von West nach Ost
einen Raum von einem Durchmesser von 68 w, von Nord nach Süd einem
solchen von 74 m Länge einschliesst. Dieser äussere Wall ist aus losen,
zusammengetragenen Feldsteinen, Sand und Erde errichtet und umfasst in
seinem Innenraum den erwähnten Birkenhain. Im Mittelpunkt des
Wäldchens erhebt sich ein genau quadratisch gebauter Wall, dessen Seiten
je etwa 15 Schritt lang sind, \x\% m hoch mit flacher Einsenkung in der
1) Nach Beck ist das Vorhandensein von fliessendem Wasser oder einer Quelle der
wichtigste Punkt bei der Anlage jener alten Schmelzhütten gewesen. Man bedurfte ihrer,
um bei der Arbeit die glühenden Werkzeuge zu kühlen, die Holzkohlen zu löschen, die
Schlacken abzuschrecken und dem Arbeiter einen Trunk zu gewähren.
2) Am Ende der Eiszeiteu entstand in der Gegend zwischen den heutigen Städten
Stettin, Stargard und Gollnow ein weit ausgedehntes Seebecken, als dessen letzte Reste
das Grosse Haff, das Kleine Haff, der Dammsche See und das Papenwasser anzusehen sind.
3) Siehe Pomm. Urk. B. II, p. 21G.
— -rv, ) —
Mitte. Den ganzen zierlichen Wall mit seinen abgerundeten Koken um-
gibt ringsum ein etwa 1 m tiefer Graben l).
Während der äussere Wall nur den Zweck hatte, dem Eindringen
des Wassers in den ganzen inneren Raum bei hohem Wasserstand des
umgebenden Moores, z. B. im Frühjahr, vorzubeugen, diente der im Zentrum
befindliche viereckige Wall als eigentlicher Schmelzofen.
Die Ausgrabungen, welche in dem wie eine kleine Schanze aus-
sehenden inneren Wall vorgenommen wurden, ergaben zunächst, dass der
eigentliche Ofen sich an der Stelle der flachen Einsenkung in der Mitte
befunden hatte. Nach dem Abräumen der Rasendecke stiess man sogleich
auf eine 10—20 cm mächtige Schicht, die aus aufgehäuften grossen und
kleinen Eisenschlacken bestand und den ehemaligen Boden des Ofens
darstellte. Zwischen ihnen standen mehrere fussgrosse Steine, welche zum
Teil wohl das Untergestell des Ofens gebildet hatten.
Jedoch war aus ihrer Stellung, da sie augenscheinlich nicht mehr an
ihrer ursprünglichen Stelle2) lagern, nicht erkennbar, ob sie einen runden
oder viereckigen Kaum eingeschlossen hatten. Andere Steine hatten
wahrscheinlich als Stützen der vorwiegend aus Lehm aufgeführten und
innen mit Lehm ausgefütterten Ofenwölbung gedient. Aon diesem Lehm-
ofen fanden sich noch einige grössere Stücke, welche mehrfach gebrannt,
oft auch auf der einen (inneren) Seite verglast und verschlackt erschienen.
Reste von Holzkohlen, die vielfach aufgedeckt wurden, waren zugleich
Heizmaterial wie Reduktionsmittel bei der Darstellung des Eisens ge-
wesen. Der viereckige Wall um den eigentlichen Ofen herum, der dem
Beschauer am meisten ins Auge fällt, wrurde einst lediglich als Halt und
Stütze für den inneren an sich wenig widerstandsfähigen Lehmofen an-
gelegt und aus festgestampftem Sand und Erde, wozu noch einige zufällig
hineingeratene Holzkohleureste und wenige Eisenschlacken hinzukamen,
aufgeworfen.
Die ganze Anlage, soweit sie sich aus dem jetzigen Zustand erkennen
lässt, ähnelt in allen Punkten ausserordentlich auffallend jenen alten Eisen-
schmelzhütten, die Beck und Cohausen im Jahre 1878 am Dreimühlen-
born in der Nähe des alten Römerkastells, der Saalburg bei Homburg
v. d. Höhe, aufgefunden und beschrieben3) haben.
Dort waren die Schmelzöfen auf genau dieselbe Art gebaut, in allen
Einzelheiten stimmt der tatsächliche Befund in Priemhausen mit der Be-
schreibung der Schmelzöfen am Dreimühlenborn überein.
Interessant ist eine Beobachtung am Dreimülilenborn, die infolge der
Entnahme von Steinen bei Priemhausen nicht mir Sicherheit nachgewiesen
1) Einige Schritte nördlich davon liegt noch eine weitere (auf dem Lageplan eben-
falls angegebene) wallartige Aufschüttung und daneben der durch ihre Ausheilung ent-
standene Graben; jedoch ist der nähere Zweck dieser Einrichtung nicht mehr ersichtlich.
2) Auch sind nach Aussage des Grundstückbesitzers Gantzkow manche von ihnen
zum Bau der Chaussee von Priemhausen nach Massow verwendet worden.
3) L. Heck und Cohausen, Die technischen Ergebnisse der Untersuchung der
Schlackenhalden am Dreimühlenborn zunächst der Saalburg bei Homburg v. d. Höhe, im
Sommer L878.
— 240 —
werden konnte. Am Dreimühlenborn waren nämlich zwischen den unteren
Steineu, auf denen der Ofen ruhte, noch die Lücken erkennbar, welche
als Schlacken- und Ziehloch, andererseits als Windöffnungen zum Ein-
führen des Blasebalges gedient hatten.
Über den Betrieb eines solchen alten Eisenofens machen Beck
und Cohausen folgende Angaben1):
Weil den Alten die Mittel fehlten, einen Hitzegrad zu erzielen, der
hingereicht hätte, die Kohlung und Schmelzung des Roheisens zur Eisen-
gewinnung herbeizuführen, wurde in früheren Zeiten das Eisen nicht in
Mittelalterlicher Eisenschmelzofen am sog. „Schloss" bei Priomhansen
(Kreis Naugard, Pommern).
flüssigem Zustand als Roheisen wie heutzutage aus den Erzen gewonnen,
sondern sogleich als ein hämmerbares, unserm Schmiedeeisen oder Stahl
ähnliches Produkt dargestellt. Dabei war natürlich nur eine unvoll-
kommene Reduktion des Eisens aus den Erzen möglich; ein grossei' Teil
des Eisengehaltes blieb in den Schlacken'-') zurück. Als Schmelzraum
diente ein niedriger Herd oder schachtförmiger Ofen, der jedoch nie über
mannshoch war. Die Öfen bestanden ans einer Lehmmasse, der lose auf-
und nebeneinander gelegte Steine einen inneren Halt gaben; sie selbst
standen auf Fundamentsteinen mit Zwischenräumen für Schlacken- und
l Stark gekürzl wiedergegeben. Vergleiche auch: Beck, Geschichte des Kisen-
hüttenwesens. Bd. I.
2) So erklär! sich die ausserordentliche Schwere und das metallische Aussehen <ler
im norddeutschen Flachland verstreuten Eisenschlacken.
- 241 —
Ziehloch und WindöffnungeD für Blasebälge. An der Anssenseite wurde
der Ofea durch eine Böschung von festgestampfter Erde und Rasen
gestützt
Während ein oder zwei Arbeiter die Blasebälge bedienten, leitete ein
anderer die Schmelzarbeit. Diese begann damit, dass, nachdem Feuer in
den Herd gebracht war. der Ofen mit Holzkohlen gefüllt wurde. Dann
ihn -steii die ausgelesenen und zu Nussgrösse zerschlagenen Erzstücke in
Plan dos alten Eisenschmelzofens am sog. ..Schloss" bei Priemhausen.
Masstab 1 : 750.
Lagen mir Holzkohle wechselnd aufgetragen und der Wind angelass
werden. Durch die erzeugte Glut wurde allmählich das Elisen reduziert und
.'> bildete sich eine zähflüssige eisenreiche Schlacke, die man von Zeit
zu Zeit durch den Schlackenstich abfliessen Hess. Auf dem Boden setzte
sich der langsam sich vergrößernde Eisenklumpen an. Wenn der Kisen-
klumpen die nötige Grösse und Beschaffenheit zeigte, war der Schmelz-
prozess beendet; der Wind wurde abgestellt, Kohlen und Schlacken aus
dem Ofen herausgekratzt und die auf der Sohle liegende Eisenmasse, die
Zeitschrift für Ethnologe. Jahrg. 1904. Heft 2. 1,;
— -24-2 —
sog. „Luppe" oder „Wolf", mit Brecheisen und Zangen herausgehoben
und weiter bearbeitet.
Der Ofen, auf dessen Boden die zähflüssigste, eisenreichste Schlacke
zurückblieb, wurde alsdann durch Ausflicken der Wände mit feuerfestem
Ton zu einer neuen Schmelzung vorgerichtet."
Die Herkunft des bei Priemhausen zu Eisen verschmolzenen Erzes
ist nicht mit absoluter Sicherheit festzustellen, umsomehr als es bisher
nicht gelang, in der Nähe des Ofens Reste des ehemaligen Erzvorrates
aufzudecken. Jedoch ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass
die Erze in dem nahen grossen in der Ebene zwischen Münsterberg und
Friedrichswalde gelegenen Raseneisenerzlager gewonnen wurden. Soweit
die Tradition der älteren Einwohner von Friedrichswalde und Münsterberg
zurücko-eht — bis etwa ums Jahr 1800 — war dort stets reger Eisenerz-
abbau. Aus dem Jahre 1827 ist über diesen Bergbau auch ein Beleg in
der geologischen Literatur1) vorhanden, aus welchem die damalige reiche
Ausbeute an Münsterberger Erz und die Bedeutung dieses Bergbaues für
das zu jener Zeit bestehende königliche Eisenschmelzwerk in Torgelow
in Pommern hervorgeht Dieser Aufsatz enthält unter anderem auch eine
Reihe von Analysen hinterpommerscher Raseneisenerzlager, wonach das
Münsterberger Erz 39,17 pCt. Eisen, dasjenige von Friedrichswalde 30,26 pCt.
Eisen enthält. Der Münsterberger Eizenerzabbau hat erst um die Mitte
des 19. Jahrhunderts aufgehört; wie die geologischen Aufnahmen ergaben,
ist das ausgedehnte Erzlager jetzt fast ganz abgebaut.2)
Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass schon die alten
Schmelzhütten ihr Erzmaterial aus dem Münsterberger Erzlager holten;
finden sich doch in dem jetzt abgebauten Teile des Lagers bei jeder
Grabenräumung und anderen landwirtschaftlichen Arbeiten in grossen
Mengen eiserne Gegenstände aller Art, die nicht den üblichen prähisto-
rischen Funden gleichen, sondern direkt auf eine alte, durch das Erzlager
bedingte lokale Eisenindustrie an dieser Stelle und in näherer Um-
gebung hinweisen.
Bei der Altersbestimmung des Priemhäuser Schmelzofens ist
ausser der uralten Konstruktion, welche indes an sich nur eine sehr vage
Zeitbestimmung zulässt, ein im Innern des Ofens gemachter Fund von
Wichtigkeit. Zwischen den Schlacken wurden nämlich an einer Seite des
Schmelzofens die wohlerhaltenen Bruchstücke eines hohen, schmalen,
grauen Gefässes aus sehr hartem Steingut mit gereifelten Verzierungen
ausgegraben. Es liess sich wieder zu einem fast vollständigen Gefäss
zusammensetzen. Dasselbe hat frappante Ähnlichkeit mit einer Reihe
mittelalterlicher (lefässe3), welche ich just um dieselbe Zeit auf der nur
1) „Über die Erzeugung und Verarbeitung des Roheisens aus Wiesenerzen " |Karstens
Archiv Bd. XV L827), S. 3-69].
2) Aus der letzten Zeit des Münsterberger Bergbaues noch herrührende grosse Rasen-
eisenerzplatten sind zum Andenken an diese vormalige wichtige Industrie jener Gegend
vor dem Wohnhaus des Rittergutes Münsterberg als Erzpyramide aufgestellt worden.
:;, Diese Gefässfragmente unterscheiden sich durch ihr Material (Steingut) und ihre
Ornamente völlig von den an gleicher Stelle vorhandenen ganz anders aussehenden Urnen-
(ton)scherben der wendischen Burgwallzeit.
— 243 —
zwei Stunden entfernteD Stätte der ehemaligen „Wolfsburg" auf «lein
Schlossberge der Stadt Massow gegenüber aufdeckte und deren Alter durch
die kurze Zeit der Bewohnung dieser Burg (1575 bis etwa L600) sehr
genau bestimmt ist. Da es völlig ausgeschlossen ist, dass das unter den
Schlacken des Priemhäuser Schmelzofens in Bruchstücken vorgefundene
typische mittelalterliche Gefäss erst in späterer Zeit zufällig dorthin ge-
kommen ist, so inuss man den Priemhäuser Eisenschmelzofen als
dem Mittelalter angehörig betrachten.
Ob ihm und vielleicht anderen Eisenhütten dieser Gegend ein Doch
höheres Alter zuerkannt werden darf, steht dahin. Merkwürdig ist es
immerhin, dass % gerade rings am Ufer des Moores, in dessen Mitte der
Priemhäuser Eisenofen Liegt, eine Fundstelle wendischer Topf- und Ornen-
scherben neben der anderen liegt, dass fast jede der etwa 1 x/2 — 2 m
hohen Dünen am Rande des Moores als Kern der ehemaligen Sand-
anhäufung eine wendische Feuerstelle mit geschwärzten Steinen. Holz-
kohlen und mit wendischem Wellenornameni versehenen Topffragmenten
enthält und ferner noch vorhandene grosse durchlochte Handmühlen von
einer gewissen Sesshaftigkeit der wendischen Bevölkerung an dieser Stelle
zeugen. Auffällig ist besonders deshalb die eingangs dieser Arbeit er-
wähnte Beobachtung von (i. Müller, wonach Eisenschlacken gerade sehr
reichlich auf wendischen Burgwällen vorzukommen pflegen. Trotz der
hohen Wahrscheinlichkeit des Bestehens solcher Elisenhütten schon in
wendischer Zeit hat sich bis jetzt kein zweifellos aus wendischer Zeit
stammender Eisenschmelzofen oder direkte Beweise für ihre Existenz
feststellen lassen.
Ausser bei Priemhausen1) wurden noch in der Gegend von Puddenzig
und (jfollnow im Kreise Naugard von Hrn. Dr. Wunstorf Reste von alten
Eisenschmelzöfen vorgefunden, denen indes ein jüngeres Alter zuzuschreiben
ist wie der Priemhäuser Eisenhütte.
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, dass die im ganzen Kreise verstreut
auf den Feldern liegenden Eisenschlacken nicht selten ganz dieselben
verschnörkelten korkzieherartigen Eindrücke aufweisen wie viele Priem-
häuser Schlacken. Diese gewundenen Spuren sind jedenfalls beim Heraus-
holen der zähen Schlacke mittels der Brechstange beim Schlackenstich
entstanden und weisen auf eine gewisse Gleichheit des Schmelzverfahrens
und damit auf eine annähernd ähnliche Zeit ihrer Entstehung hin.
1) Auch an der Kreisgrenze, in der bereits zum Kreise Regeuwalde gehörigen Feld-
mark <les Rittergutes Schönen A linden sieh in den Rieselwiesen am Louisenbach an einer
Stelle mächtige Anhäufungen alter Eisenschlacken, ohne dass jedoch Reste der jedenfalls
früher hier vorhandenen Schmelzhütte heute noch erhalten sind.
16
— 244
5. Über Steinkisten, Tepetlacalli, mit Opferdarstellungen
und andere ähnliche Monumente.1)
Von
Professor Dr. Seier.
Anknüpfend an zwei Mitteilungen, die ich seinerzeit in dem Ethno-
logischen Notizblatte über die Opferblutschale der Mexikaner gebracht
habe, möchte ich hier einige Altertümer behandeln, die verschieden ge-
deutet worden sind, und von denen die meisten das gemeinsam haben, dass
auf ihnen auch die Darbringung von Blut zur Anschauung gebracht ist,
allerdings nicht die des Blutes von geopferten Gefangenen, sondern des
\,-.v d.St.
Fig. 1. Steinkiste des Generals Riva Palacio. Vorderseite. ^4 natürl. Grösse.
dem eignen Leibe entzogenen Blutes, mit dessen Darbringung der Fromme
die Gebete, die er an diese oder jener Gottheit richtete, zu unterstützen
suchte.
Darstellungen dieser Art keimt man unzählige, sowohl aus dem
engeren mexikanischen Gebiete, wie aus dem der benachbarten Stämme.
Ich habe im besonderen einige Steinkisten im Auge, die, wie es scheint,
insgesamt dem Tale von Mexiko, vielleicht der Hauptstadt selbst, an-
gehören, alier als interessante und kostbare Stücke in verschiedenen»
öffentlichen und privaten Sammlungen zerstreu! sind.
1) Vorgelegt in der Sitzung vom 20. Februar 1904.
2) Seier, Gesammelte Abhandlungen zur amerikanischen Sprach- und Altertums-
le. Bd. II. Berlin, Asher & Co. 1904. S. 704-716.
— 245 —
\\> erste nenne ich die Steinkiste des Generals Riva Palacio in
Mexiko, von der ich Photographien and Abklatsche meinem Freunde
Dr. Pefiafiel verdanke. Ks ist eine aus dunklem Laragesteine ze-
Fi<r. 2. Relief '1er Seitenflächen der Steinkiste des Generals Riva Palacio.
1 4 natürl. Grösse.
fertigte Kiste, die eine quadratische Grundfläche von .Hl cm Seitenlänge
und eine Höhe von 21 cm hat. Auf der vorderen der vier Seitenflächen
ist das in Fig. 1 wiedergegebene, auf den anderen Seitenflächen das
Relief Fig. 2 zu sehen. Die Innenseite des Bodens zeigt die Fio\ 3.
Auf der Vorderseite (Fig. 1)
sieht man eine mit gekreuzten
Beinen sitzende männliche Ge-
stalt, die mit dem Knochendolche
(omitl), dem zugespitzten Röhr-
knöchensplitter, dem <\cv Gelenk-
kopf als Griff dient, sieh das Ohr
durchsticht (mi$o). Es ist natür-
lich eine göttliche Gestalt, aber
welche, ist nicht leicht auf den
ersten Blick zu sagen. Der eine
Fuss ist leider ;i bgestossen . so
dass man nicht einmal konstatieren
kann, ob nielit etwa der eine
Fuss, wie bei dem Gotte Tezcatli-
poca, abgerissi □ und durch ein» n
rauchenden Spiegel ersetzt ist Die
Arme und Heine sind längsgestreift.
D;^ ist eine Besonderheit Ttauiz-
calpantecutli's, der Gottheit des Morgensterns, und Alixcouatl-Camcuztlis,
iles Gottes der Tlaxkalteken und der Jagd; kommt aber gelegentlich auch
bei Xiuhtecutli, dem Feuergotte, und - ■ in Gestalt von Streifen blauer
Farbe — bei Uitzilopochtli vor. Dagegen ist klar, dass die charakteristische
Fig. :
Relief
Steinkiste des Generals
Riva Palacio.
er Innenseite des Bodens.
— 246 —
Gresichtsbemalung der ersten beiden Götter, und ebensowenig- die des Feuer-
gottes, hier angegeben ist. An der Schläfe ist in besonderer ornamentaler
Ausgestaltung ein sich spiral einrollendes Gebilde gezeichnet, das wie der
rauchende Spiegel aussieht, der das Abzeichen Tezcath'poca's ist, aber
auch eine andere Bedeutung haben könnte. Das Haar der Figur
ist von einem Bande umschlungen, das auf beiden Seiten von Edelstein-
scheiben eingefasst zu sein scheint. Darüber liegt auf dem Scheitel
ein gabelförmiger Federschmuck (aztaxelli), unter dem ein mächtiger Busch
von Quetzalfedern nach hinten fällt. Das auffallendste Abzeichen ist ein
mit Daunenfederbällen besetztes Steinmesserpaar, das der Stirnseite
der Kopfbinde aufsitzt. Ton sonstigem Schmuck ist ein Pflock in dem
Ohrläppchen zu erwähnen, der wohl ein .riuhnacoehtli, ein mit Türkis-
mosaik inkrustierter Holzpflock, sein soll. Die Nasenscheidewand ist von
einem Stabe durchbohrt, dessen Zeichnung die Elemente der Hieroglyphe
chalchiuitl (Smaragd, grüner Edelstein, Jadeit) aufweist. Unter dem mit
Schellen besetzten Halskragen hängen Riemen herab. Hinter dem linken
Beine kommt ein mächtiger Federschmuck heraus. Das ist wohl einer
der Streifen, die in den Götterbildern der Handschriften von einer Rosette
tezcacuitlapilli herabhängen, die dem Knoten des um die Hüften geknüpften
Tuches hinten aufsitzt. An dem rechten Arme endlich hängt die Tasche
für Räucherwerk (copalxiquipilli), die das Gegenstück zu dem Knochen-
dolche (pmitl) ist und zeigt, dass der Gott hier in Kultusübung begriffen
dargestellt sein soll.
Als das wichtigste Merkmal für die Bestimmung der Figur dürfen
wir, neben der Streifung der Glieder, wohl die beiden Feuersteinmesser
ansehen, die über der Stirn aufragen. Das ist eine Besonderheit, die wir
in der Bilderhandschrift der Florentiner Biblioteca Nazionale bei der
Göttin des siebzehnten Jahresfestes (Fig. 4) sehen, die in den gewöhn-
lichen Berichten mit dem Namen llamatecutli „die alte Fürstin" bezeichnet
wird, von dem Interpreten aber an dieser Stelle Ciuacouatl genannt wird,
und zweifellos die alte Erdmutter ist. Ich denke, wir werden der Wahr-
heit nahe kommen, wenn wir den in Fig. 1 dargestellten Gott geradezu
als den Steinmessergott, den Opfergott, deuten. Dazu würde auch
die Körperstreifung passen. Denn die zum Opfer Bestimmten, das sind —
wenigstens bei dem grossen XipeFeste, wo Menschen in Mengen geopfert
wurden — die uauantin „die Gestreiften"; sie wurden weiss und mit
roten Längsstreifen bemalt und erhielten dazu die Gesichtsbemalung des
Morgensterns, der Gottheit des Osthimmels, der der Aufenthaltsort der
Seelen der Geopferten ist. Von der letzteren, der charakteristischen
Gesichtsbemalung des Morgensterns, ist. wie oben schon gesagt, in der
Fig. 1 nichts zu entdecken. Aber es kommt gelegentlich auch anderwärts
vor, dass wir den Repräsentanten der Geopferten, die Seele des toten
Kriegers, ohne diese schwarze Gesichtsbemalung und nur durch die rothe
Streuung auf weissem Grunde charakterisiert sehen. So im Tonalamatl1)
1) Das Tonalamatl der Anbin sehen Sammlung, erläutert von Dr. Eduard Sei er,
Berlin L900, S. 33.
— 247 —
der Au l>i q scheu Sammlung der Gott, der in der Verkleidung der Eule
erscheint (Fig. 5), der sechsten der dreizehn Vogelgeßtalten, die, wie ich
anderwärts auseinandergesetzt habe, vermuthlich die Bechste Tagesstunde
bezeichnet.
Hinter der sitzenden Figur in Fig. 1 sieht man Kopf, Leib und Schwanz
einer Schlange, eines mythisches Wesens, das anter dem Namen anuhcouatl
„Türkisschlange", „blaue Schlange" bekannt ist, und die Erscheinungsform,
die Verkleidung (naualli), des Feuergottes und der ihm verwandten
Fig. 1. Ciuaeouatl oder llamatecutli, Göttin dos 17. Jahresfestps (Tiiitl). Bilderhandschrift
der Florentiner ßiblioteca Nazional«' t 33
Götter ist und deshalb auch die Devise dieser Götter bildet1). Der Leib
dieser Schiauge, der hinter dem linken Arme der Figur zu sehen ist.
bestellt aus winkligen, halb trapezo'iden Absätzen. Der Kopf ist durch
ein nach oben verlängertes und nach hinten zurückgebogenes, mit Augen
besetztes Schnauzenende ausgezeichnet. Der Schwanz zeigt eine Ver-
bindung eines Trapezes und eines dreieckigen Strahls, die nur die orna-
mentalere Fenn einer in den Bilderschriften als Zeichen für xiuitl „Jahr"
gebrauchten Verschlingung von Ring and Strahl darstellt, und die hier
offenbar hieroglyphisch das Element xiuh-, das in dem Namen dieses Wesens
L) Siehe Seier, Gesammelte Abhandlangen zur amerikanischen Sprach- und Ar r-
tnmsknnde, Band II. Berlin (A. Ashcr & Co.) 1904. S. I»''" s. v. yxiuhcoanavcU.
248
enthalten ist, zum Ausdruck bringen soll. Dem gleichen Zwecke dienen
die in kleine Kreise oder Knöpfe endenden Halme, die zu Seiten des
Fig. ö. uauantli,
„Gestreifter".
Seele des toten Kriegers.
Abbild der sechsten der
13 Vogelgestalten, (die
den 13 Tagesstunden ent-
sprechen). Tonalamatl der
Aubin sehen Sammlung.
Fig Ga. Xiuhtecutli, der Feuergott, Regent des
neunten mit ce couatl „eins Schlange'' beginnenden
Tonalamatl- Abschnitts. Codex Borbonious '.).
Fig. 6b. Xiuhtecutli, der Feuergott, und Tlauizcalpan tecutli,
Regenten des neunten, mit c< couatl „eins Schlange" beginnenden Tonalamatl -Abschnitts.
M . der Aubin-G-oupilschen Sammlung
dreieckigen Strahles gezeichnet sind. Diese Halme werden in den Bilder-
schriften mit grüner Farbe, die Köpfchen gelb gemalt, und das ganze
Gebilde soll Grashali larstellen, die im Mexikanischen mit demselben
— -24!» —
Worte xiuitl bezeichnet werden, wie der „Türkis" und das „Jahr". Genau
die "leiche Kombination zeigt das Schwanzende der blauen Schlange, der
Rückendevise des Feuergottes in mexikanischen Bilderschriften, dem
Tonalamatl des Codex Borbonicus (Fig. 6a) und dem Tonalamatl dei
A ii hin sehen Sammlung (Fig. 6b). Die besondere Bedeutung dieses mythischen
Wesens ist in unserem Relief durch die Figur, die man an dem
Nacken der Schlange sieht, ausdrücklich hervorgehoben. Die Figur stelH
nämlich einen Schmetterling (papalotl) dar. der den Mexikanern das Sinn-
bild des Feuers (f/cfl) war. Und es ist wohl klar, dass die mit rother Farbe
gemalte geschweifte Figur, die man an dem Nacken des Drachenkopfes sieht,
dt'v die Rückendevise ^\c> Fcuergottes Fig. 6a bildet, dieselbe Bedeutung
hahen und auch das Feuer bezeichnen muss. — Der Gotl der Kasteiung
alse, die Handlung der Kasteiung und der brennende Schmer/., den die
Kasteiung verursacht, das scheint in dieser Fig. 1, ^a' Vorderseite der
Steinkiste des Generals Riva Palacio, zum Ausdruck gebracht zu sein.
Das Relief, das in gleicher Weise wiederholt, auf den anderen drei
Seiten der Kiste zu sehen ist (Fig. 2), zeigt unten eine aus Flechtwerk
bestehende Halbkugel, die, innen hohl, mit dem hohlen Innern nach
unten gekehrt ist. Darüber sieht man eine geschweifte Zeichnung, ähnlich
der auf dem Nacken der Feuerschlangendevise des Feuergottes Fig. 6,
auf die ich eben aufmerksam gemacht habe. Und darin stecken zwei
Agave-Blattspitzen, sogenannte Maguey-Dornen (uitztli), über deren oberen
Ende eine Figur zu sehen ist, die man als eine Blume, oder richtiger
wohl als die bloss im Kreisausschnitt gezeichnete Hieroglyphe chalchiuitl
(Smaragd, grüner Fdelstoin) deuten muss. Das ganze Gebilde hat seine
Parallele in Bildern, wie Fig. 7 und 8, die dem Codex Borbonicus 18
und 20 entnommen sind, wo man den geflochteneu Ballen mit grüner
Farbe gemalt und (in Fig. 7) am oberen Ende der Agave -Blattspitze
wirkliche Blumen gezeichnet sieht. Diese Figuren sollen die Grasballen
(facatapayolli) darstellen, in die der Büssende die Agave -Blattspitzen
steckte, die nach allgemeinem Usus die Träger des Blutes waren, das *\rv
Büssende durch Einschnitte in die Ohren, die Zunge oder andere Teile
des Leibes herausfli essen Hess. Das Bild der Blüte, und ebenso das der
Hieroglyphe chalchiuitl in unserer Fig. 2, das am oberen Ende der Agave-
Blattspitze zu sehen ist, soll das Blut (eztli) bedeuten, mit dem diese Blatt-
spitzen bestrichen sind, und das auf ihnen den Göttern dargebracht wird.
Die geschweifte Zeichnung, die in Fig. 2 über dem Grasballen zu sehen
ist, vergleiche ich direkt der geschweiften Zeichnung auf dem Nacken der
Feuerschlangendevise des Feuergottes Fig. 6a und deute sie als das Feuer,
das Brennen der Kasteiung und finde mich in dieser Auffassung gestützt
durch die Rauchwolken, die man in der Mitte des Bildes über der ge-
schweiften Zeichnung und unter dem Grasballen sieht.
Die beiden Figuren endlich, die man in Fig. 2 links und rechts neben
dein Grasballen sieht, haben auch im Codex Borbonicus ihre Parallele.
Vgl. Fig. (.>. 10. Sie bezeichnen, wie ich das --■heu in früheren Arbeiten
nachgewiesen habe, die Mitternacht (youalnepantla), die den .Mexikanern
die Zeit der Kasteiung war. das riet ! <•: ! tlapitealizpan „wo
— 250 —
man die Muschelhörner blies und sich den Leib zerschnitt." Das von
krausem Dunkel umgebene Auge, das ist natürlich der Sternhimmel oder
die Nacht. Man sieht dieses einfache Symbol auch in den Fig. 7 und 8
über, bezw. neben dem Grasballen, dem Zeichen der Kasteiung, angegeben.
Die Agave-Dornen und die Blüten, die man in Fig. 9, 10, und auch in
unserer Fig. 2, über dem Bilde der Nacht emporragen sieht, bezeichnen
wieder das Blut, die Kasteiung. Die Blätter, die, im Kreuz gestellt, in
Fig. 9.
Codex Borbonicus IG.
Fig. 7. Hieroglyphe youalnepantla „Mitternacht"'
und gacatapayolli ..Grasballen", in dem zwei mit Blut.
bestrichene Agaveblattspitzen (uitztli ezc/)) stecken.
Codex Borbonicus 18.
Fig. 8. Hieroglyphe youalnepantla „Mitternacht" und
caeatapäyolli .Grasballen". Codex Borbonicus 20.
Fig. 10.
Codex Borbonicus 10.
Hieroglyphe youalnepantla
netetequispan „Mitternacht, Zeit
der Kasteiung".
Fig. 10, und auch in unserer Fig. '2, zu sehen sind, sollen vielleicht wieder
die Blattstreu, oder die Grasballen, bedeuten, auf denen man die Agave-
Donieii deponierte. -Man hat sie in dieser Weise gezeichnet, vermutlich
in Anlehnung an die Art, wie man die Sonne, den Spiegel, den Türkis,
den chalchiuitl und andere leuchtende Gegenstände hieroglyphisch zur An-
schauung zu bringen gewohnt war. Denn die Mitte dieses Bildes der Nacht
bildet ja auch ein &uge, das Leuchtende Auge der Nacht, der am Nacht-
liimmel funkelnde Stern. Vielleicht wollte man auch damit sagen,
— 25 1 —
dieses von Dunkel umgebene Auge die Mitte darstellen soll, nicht einfach
die Nacht, sondern die Mitternacht. Denn «lies«'. die Mitternacht, ist
es, die das t/<i//<ii>if;<dizpan, netetequizpan , die Zeit war. wo man die
Muschelhörner blies und sich peinigte, sich den Leib zerschnitt.
So bringt also dies Relief der drei anderen Seiten der Steinkiste
genau die gleichen Vorstellungen zum Ausdruck, die das ausgeführtere
Bild der Vorderseite, unsere Fig. 1, dem Mexikaner vor Augen stellte.
Wie andere Stücke der gleichen Art, hat auch diese Steinkiste auf
der Innenseite des Bodens noch ein Relief, das ich in Fig. 3 wieder-
gegeben habe. Dies stellt offenbar nichts anderes als den Kopf der Erd-
kröte dar, die auf der Unterseite der Opferblutschalen, die in den beiden
im Mingange erwähnten Aufsätzen beschrieben sind, zu sehen ist, und
bezeichnet, wie diese, vermutlich bloss die Unterseite des Stücks. Es isl
deshalb auf der eigentlichen Unterseite, der Fläche, mit der die Kiste auf
dem Boden steht, kein weiteres Relief angebracht worden.
Was nun aus diesen Verzierungen auf den Zweck und die Bedeutung
der Kiste selbst zu schliessen ist, darüber will ich mich erst äussern, wenn
wir noch ein Paar der verwandten Stücke betrachtet haben.
Der vorigen am nächsten verwandt ist die Steinkiste, die sich im
Besitze des Licenciado Nicolas Islas y Bustamante befindet, von der
ich ebenfalls der Güte meines Freundes Dr. Pefiafiel Photographien und
Altklatsche verdanke. Das Stück ist aus demselben dunklen Lavagestein
gefertigt, hat eine Grundfläche von 34 X 32 cm und eine Höhe vou 20 cm;
der Boden ist 4 cm stark.
Als Vorderseite ist hier, nach der Orientirung, die durch die Reliefe
auf der Innenseite und der Unterseite des Bodens gegeben ist, die Fig. 11
anzusehen. Das ist eine genaue Parallele zu dem Relief der drei Seiten-
flächen der Steinkiste des Generals Riva Palacio, unserer Fig. 2. Auch
hier sehen wir den Grasballen (gacatapayolli) und das Zeichen der Mitter-
nacht, der Zeit der Kasteiung (youalnepantlü netetequizpan). Die geschweifte
Zeichnung über dem Grasballen ist hier noch deutlicher als Zeichen für
Feuer zu erkennen, da man aus ihrer Spitze die Rauchwolken empor-
wirbeln sieht. Die Blüte an dem oberen Ende der Agave - Blattspitzen,
die in der Fig. 2 durch eine Variante der Hieroglyphe chalckkiitl ersetzt
war. ist hier zu einer Scheibe» mit einem Kern in der Mitte reduziert.
Dagegen sind, wie in Fi»-. 2, die Blüten an dem Zeichen der Mitternacht
deutlich und schön, mit ihren zwei Staubkolben, gezeichnet.
Als zweite Seitenfläche ist danach die Fig. 12 anzusprechen, mit der
die beiden letzten Seitenflächen, Fig. 13, 14. in der ganzen Anordnung
übereinstimmen. Fig. 12, die zweite Seitenfläche, ist die unmittelbare
Parallele des Reliefs der Vorderseite der Steinkiste dos Generals Riva
Palacio. unserer Fig. 1. Derselbe, durch ein mit Daunenfederbällen be-
setztes Steinmesserpaar an der Stirnseite der Koptbinde gekenn-
zeichnete Gott, den ich als den Steinmessergott, oder Opfergott, an-
sehe, ist auch hier dargestellt. Nur die Längsstreifung der Glieder ist
nicht so deutlich, wie bei dem (Jette der Steinkiste des Generals Riva
— m —
Palacio. Auch er hat an seinem rechten Arme die Tasche für Räucher-
werk (copalviquipilli) hängen und durchsticht mit einem Knochendolche
(omitV) sich das Ohr. Die Haltung' und auch die Hauptstücke der Aus-
stattung sind durchaus die gleichen, wie in Fig. 1. Die Einzelheiten
Fig. 11.
rrn'T .jji.trwv-.".*
j^'i»WfJjS&ii"w>7r«'-f,-itttVU^fcJ»iP
Fig. 12.
Fig. 11. L2. Erste und zweite Seitenfläche der Steinkiste des Licenciado
Nicolas Islas y Bustamante.
sind schwer zu erkennen, da diese Seite der Kiste stark abgerieben ist,
und hier auch durch die Wand ein Loch getrieben worden ist, vermutlich
weil irgend einer der Vorbesitzer diese Steinkiste als Quellbecken benutz!
hat. Aus dem .Munde kommen sich kräuselnde, rauchwolkenartige Gebilde
heraus, die ein Zeichen der Hede, des Gebets oder des Gesanges sind.
Hinter dem Gotte sind vier A-gave-Blattspitzen (uitztli) angegeben, in
einer Anordnung, der man auch auf anderen Monumenten begegnet, bo
nämlich, dase drei der Spitzen als ein Bündel in ein Loch der vierten
gesteckt sind.
Vor dem Grotte endlich sieht man ein Räucherbecken (tlemaitl), aus
. -:.
• -ar; .*
\ ' 'V. -x
Fier. 13.
Fig 14.
Fig. 13, II. Dritte und vierte Seitenfläche der Steinkiste . Ls Licenciado
Nicolas Islas y Bustamante.
dem Feuer emporlodert. Der Griff des Räucherbeckens ist — genau in
der Weise, wie wir das an verschiedenen in dem Tale von .Mexiko ge-
fundenen Originalstücken selten können. — in Form einer Schlange ge-
bildet, die hinter dem Kopfe mit einer Schleife umbunden ist. Der Boden
der Schale ist deutlich durchlöchert gezeichnet, denn aus ihm schlauen
Rauchwolken nach unten. Der Rand der Schale hat die Gestalt eines
— 254 —
Federkranzes. Vielleicht ist das als der äussere Umkreis der Hieroglyphe
ehalchiuitl aufzufassen und als eine Andeutung, dass dieses Räucherbecken aus
edlem' Gestein gefertigt sein soll. Das aus dem Becken auflodernde Feuer
ist durch die Gestalt eines Schmetterlings (papalotl) deutlich zum Aus-
druck gebracht.
Das Relief der dritten Seite (Fig. 13) ist in der ganzen Anordnung
der der eben behandelten zweiten Seite gleich. Nur die Gottheit ist eine
andere. Es ist ein bärtiger Gott, dessen Haar, mit Daunenfederbällen
besetzt, auf dem Scheitel eine Adlerfeder trägt. An dem Nacken oder
Hinterhaupt ist als Devise, als Helmmaske oder Verkleidung (naualli) ein
Jaguarkopf zu erkennen. Auch die mit Schellen besetzten Wadenbinden
(cotzeuatl) zeigen die charakteri-
stischen, um einen Fleck in der
Mitte sich gruppierenden Flecken
des Jaguarfells. Um den Hals
hängt eine Kette von Steinperlen,
der grössere Perlen, oder viel-
leicht auch Schellen, länglich-
birnförmiger Gestalt angefügt
sind. Als besonders charakte-
ristisch hebe ich hervor, dass
das Haar hinten in einem langen
Zopf geflochten und durch einen
Ring gezogen ist. Letzteres ist
das besondere Kennzeichen
Tepeyollotlis, des Gottes derBerg-
höhlen (vgl. Fig. 17), der bekannt-
lich ebenfalls in der Regel als
bärtiger Gott und als Regent des
dritten Tageszeichens {colli „Haus") und des dritten Tonalamatl-Abschnitts
(cemacatl „eins Hirsch") in Jaguargestalt abgebildet wird. Der Gott Tepoyollotli
wird von den Interpreten als das Echo bezeichnet -- „el retumbo de la
voz cuando retumba en im valle de im cerro ä otro"1). Und zum deut-
lichen Zeichen, dass es sich bei dem Relief der dritten Seite der Islas y
Bustamanteschen Steinkiste, unserer Fig. 13, in der Tat um ein Abbild
Tepeyollotlis handelt, sehen wir hier das vor dem Munde der Figur
angegebene Zeichen der Rede zurückgeworfen hinter der Figur
wiederholt.
Die vierte Seite, Fig. 14, zeigt wiederum ein Bild durchaus der
gleichen Art, wie auf der zweiten und dritten Seitenfläche. Nur ist die
(iottlu'it hier wieder eine andere, und das Bild ist anders gewendet, da
die hier an der rechten Seite anstossende Seite die Vorderseite ist, und
die Figur dieser vierten Seite der Vorderseite nicht gut den Kücken zu-
wenden kann.
Fig. 15. Relief der Innenseite des Bodens der
Steinkiste des Licenciado
Nicolas Islas y Bustamante.
1) Pedro de los Rios, erklärende Legende zu Codex Telleriano Remensis i'ol. 0
verso (= Kingsborough II. 1 1,
•_'.).)
Der Gott dieser vierten Seite i>r durch der abgerissenen and durcb
einen rauchenden Spiegel ersetzten linken Fuss, sowie dnrch den rauchenden
Spiele] im der Schläfe, deutlich als Tezcatlipcca gekennzeichnet. Im Gesicht
ist hier durch eingeritzte Linien eine Bemalung angedeutet. Diese ist
aber nicht das gewöhnliche ixtlan tlatlaan, die abwechselnden gelben und
schwarzen, quer über das ganze Gesicht verlaufenden Streifen, sondern das
ixayac moüatlatlalüiticac, die Fest- und Tanzbemalung der Krieger, die,
wie wir aus Sahagun wissen, in abgebrochenen schwarzen Strichen bestand,
<lie mir schwarzer Farbe aufgelegt und durch Gberstreuen mir Schwefel-
Fig. 16. Relief der Unterseite des Bodens der Steinkiste des Licenciado
Nicolas Islas y Bustamante.
kiespulver leuchtend gemacht wurden. In dieser Weise sehen wir in dem
Göttertrachtenkapitel den Gott Tlacochcalco yaotl, den Krieger im Speer-
hause, OmacatL den Gott der Bankette, und Yacatecuhili, den Gurr der
Kaufleute, im Gesichte bemalt1), von denen die ersten beiden gewiss, und
wahrscheinlich auch der letztere, nur besondere Erscheinungs- und Kultus-
formen Tezcatlipocas sind. — Der Gott trägt über dem Haare eine Krone
ven steifen Federn, die mit Daunenfederbällen besteckt sind, und hat am
Nacken einen gabelförmigen, ebenfalls mir Daunenfederbällen, aber
grösseren, besetzten Federschmuck der Art, die die Mexikaner aztcucelli
nannten. Im übrigen ist die Haltung und Tracht, sowie die ganze An-
1) Siehe Seier. Gesammelte Abhandlungen zur amerikanischen Sprach- und Alter-
tumskunde. Band II. Berlin, A. Asher dt Co., 1904. S. 195, Fig. 11: S. 504, Kj
und S. 153, Fig. L3 und S. 454 s. v. motlatiatlalUi.
>56
Ordnung «los Bildes, der der anderen beiden Seitenflächen gleich. Au der
Pfanne des Räucherbeckens (tlemaid) ist die Wanddurchbrechung in Form
von Dreiecken sehr schön zu sehen, die wir an den tönernen Originalen
solcher Pfannen, die wir in den Sammlungen haben, kennen.
Die vordere dieser vier Seiten der Islas y Bustamanteschen Kiste,
die Anfangsseite, (Fig. 11). werden wir wohl als die östliche ansehen
können. Dann ist die zweite, die mit dem Opfermessergott (Fig. 12),
die nördliche; und das ist eine natnrgemässe
Verbindung, denn in den Norden verlegten
die Mexikaner das Totenreich, er bezeichnete
ihnen also die Vernichtung und das Reich
der Erde, und wird in der Tat in den Bilder-
schriften an verschiedenen Stellen mit dem
Steinmesser und dem Steinmessergotte in Ver-
bindung gebracht. Die dritte Seite (Fig. 13),
die nun die westliche sein muss, ist, nicht
minder naturgeinäss, durch den Gott der
Höhlen gekennzeichnet. Und dass auf der
vierten, der südlichen, (Fig. 14), Tezratlipoca
abgebildet ist, können wir ebensogut ver-
stehen, denn dieser Gott war in der Tat nicht
nur der Tlacochcalco yaotl, der Krieger im
Speerhause, im Nordtempel, sondern auch
der Uitznauac teotl, Uitenäuac yaotl „der
Gott im Südtempel", „der Krieger im Süd-
tempel".
Das Relief der Innenseite des Bodens
(Fig. 15, S. 254) ist dem der vorderen Seiten-
fläche ähnlich. Es ist auch hier der Grasballen
(cacatapayolli) dargestellt, die Flamme darüber
und die beiden in ihn gesteckten Agave-Blatt-
spitzen (uitztli). Nur das Zeichen der Mitter-
nacht, zu beiden Seiten des Grasballens, fehlt.
Und der Grasballen selbst ist hier auf seiner
Oberfläche noch mit Daunenfederbällen be-
steckt.
Da das Relief der Innenseite des Bodens nicht schon, wie bei der Stein-
kiste des Generals Riva Palacio (vgl. oben S. 245, Fig. 3) den Begriff der
l uterseite oder des Bodens, zum Ausdruck bringt, so ist in unserem Stücke
auch die Unterseite der Kiste mit einem Relief bedeckt, das ich in Fig. .1(5,
S. 255 wiedergegeben habe. Es ist eine in ihrer Art einzige Darstellung,
der ich bisher keine andere ähnliche an die Seite stellen kann. Es
ist auch hier das von oben herabkommende Ungeheuer, in der ganzen
Haltung <\>-v Erdkröte ähnlich, die auf der Unterseite der Opferblut-
achalen abgebildei zu werden pflegt. Aber es ist nicht die Erdkröte
selbst, sondern augenscheinlich „der Fisch cipactli", aus dem die Erde
geschaffen wurde. w\e in der „Historia de los Rfexicanos par sus pin-
Fig. 17. Tepeyollotli, der Gott
der Berghöhleu. Achter der
neun Herren der Nacht.
Codex Fejervüry- Mayer 4
(= Kingsborough 41.)
— 257 —
turas"1) erzählt ist. Demi das Wesen ist auf dem Wasser schwimmend
dargestellt, hat einen langen, mit Zackenreihen besetzten Krokodilschwan/.
und einen verlängerten, ebenfalls mit Zackenreihen besetzten Reptilkopf,
dessen Form uns nur sonderbar anmuthet, weil wir nicht gewöhnt sind,
dieses krokodilartige Wesen en face gezeichnet zu sehen. Der Kopf ist
von einer aus drei Elementen bestehenden Binde umschlungen. Darüber
liegt auf dem Scheitel ein gabelförmiger Federschmuck (aztaxelli) und zu
den Seiten des Kopfes ragen breite, gefältelte Stücke hervor, die breiten
Enden der Xackenschleife tlaquechpanyotl der Erd-, Berg- und Wasser-
gottheiten. Der hintere Teil des Leibes scheint mit einer Art Enagua
bekleidet zu sein. Vier breite Bänder ragen von der Mitte des Leibes
nach beiden Seiten hervor, die eine auf der Bauchseite befindliche, also
hier unsichtbare Verknotung vermuten lassen, die vielleicht der Be-
festigung der Enagua dienen sollte. — Das ganze Gebilde scheint auch
hier wieder nur die Unterseite, die Bodenseite, zum Ausdruck bringen zu
sollen. Aber es ist eine interessante Variante, die, wie gesagt, soweit mir
bekannt, bis jetzt einzig dasteht.
Als drittes Stück führe ich die Steinkiste der Hackm ackschen
Sammlung des Museums für Völkerkunde in Hamburg an, von der ich
durch meinen Freund Dr. Streb el eine Zeichnung erhalten hatte, und deren
Reliefe im Original zu studieren mir durch die Zuvorkommenheit der Ver-
waltung des Hamburger Museums ermöglicht wurde. Wo das Stück her-
stammt, weiss man nicht genau. Ein Herr Juan Bajes besass diese Kiste,
von dem Hackmack sie in Mexiko erworben hat. Die Kiste ist zunächst
schon dadurch interessant, dass hier auch der Deckel der Kiste vorhanden
ist, der, wie gewöhnlich, mit einem Falz über den innern, erhöhten Rand
der Kistenwände greift.
Die Kiste ist aus einem harten Silikatgestein graugrünlicher Farbe
gearbeitet und fein poliert. Die Gestalt ist nicht ganz regelmässig. Die
Grundfläche bildet ein Oblong, dessen längere Seiten 33,2 cm und 33,4 cm,
die kürzeren 21 cm und 21,3 cm messen. Die Höhe der Seitenwände, bis
zu dem Falz beträgt 8,8 cm und 8,9 c?». Der innere erhöhte Rand erhebt
sich darüber noch um 1,8 cm. Der über den erhöhten Rand der Kisten-
wände greifende untere Rand des Deckels ist auf einer grösseren Strecke
abgebrochen. Im übrigen ist das Stück in allen Teilen wohl erhalten.
Als Vorderseite ist wohl die eine der beiden Breitseiten anzusehen,
und zwar, wie man aus der Orientierung der das Relief der Innenseite des
Bodens und das der Oberseite des Deckels bildenden Figuren schlie--
muss, die Seite, die ich in Fig. IS wiedergegeben habe. Man sieht eine
mit gekreuzten Beinen sitzende Gestalt, genau in der gleichen Haltung
wie die Figuren auf den beiden zuvor besprochenen Steinkisten, mit der
Tasche für Räucherwerk (copalriquipilli) am Arm und mit dem Knochen-
dolche (pmitV) sich das Ohr zerstechend. Auf dem Scheitel liegt ein Peder-
1) Garcia Icazbalceta, Nueva Coleccion de Documentos para la Historia de Märico.
Tomo III (Mexico 1891) p. 23. — „y hicierou el agua y en ella criaron ;i un peje grande
que se diee cipaquacli, que es como caiman, y desto peje hieieron la tierra."
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft 2. 17
— 258 —
schmuck (azta<relli), der in zwei gabiig auseinanderstehende Federn endet.
Hinten sieht man einen Jaguarkopf, der vielleicht als Rosette (tezcacuitla-
pilli) dem Gürtelknoten aufsitzen soll. Vor dem Munde ist, gross und be-
deutend gezeichnet, das Zeichen der Rede zu sehen. Im übrigen sind
an der Figur keine besonderen Merkmale zu erkennen, die sie uns mit
einer oder der anderen Gottheit identifizieren liesse. Dagegen ist hinter
dem Kopfe der Figur eine grosse Hieroglyphe angegeben, die die Frage
nach der Bedeutung der Figur ohne weiteres zu klären scheint. Sie
Fi sr. 18.
Fisr. 20.
Fig. 19. Fig. 21.
Fig. 18—21. Dier vier Seitenflächen der Steinkiste der Hackmackschen Sammlung
des Museums für Völkerkunde in Hamburg.
enthält nämlich Elemente, die wir als die der Hieroglyphe Motecuhcoma
Xocoi/otzin kennen, so wie wir diese im Codex Mendoza, und ähnlich auch
im Sahagun-Manuskript, gezeichnet sehen. Es ist das von der königlichen
Stirnbmde aus Türkismosaik (xiuhuitzolli) umwundene Haar, ein beil-
förmigor Ohrpnock und ein besonderes Element, in betroff dessen der
alte OrozcoyBerra die Vermutung ausgesprochen hat, dass es ein Aus-
druck des Wortes Xocoyotzin „der Jüngere" sei eine Vermutung, die
allgemein, und auch von mir bisher, angenommen worden ist1). So ist
1) So noch in dem I. Bande meiner „Gesammelten Abhandlungen zur amerikanischen
Sprach- und Altertumskunde". Berlin, A. Asher & Co., 1903;
— 259 —
denn von mir befreundeten Archäologen die Figur <l<-r Fig. 18 immer
ohne weiteres als Motecuhpoma bezeichne! worden. Bei genauerem Zu-
sehen erkannte ich indes, dass in der I Ii»*r<i^-Iyj»li«' hinter dem Kopfe der
Figur (Fig. ls) noch ein anderes Element steckt, der geflochtene Gras-
strick mit den herausstellenden Enden, der — wie wir aus den Biero-
glyphen Nepaualcoyotl and NepaualpiUi [wissen — das Fasten (nepaualli)
bedeutet. Da habe ich denn zunächst an eine vierte Steinkiste gedacht.
IT'
Fig. 29). Bei dieser trägt der Deckel auf
— 260 —
an die, die sich im Museo Nacional de Mexico befindet, und die Penafiel
in dem zweiten Bande seines grossen Werkes „Monumentos del arte
antiguo Mexicano" *) auf Blatt 124 — 126 abbildet (siehe unten S. 268,
der Oberseite das Datum
matlactli ozce tecpatl „eilf
Feuerstein" (unten S. 269,
Fig. 30), auf der Innenseite
eine Hieroglyphe, die mit
der der Figur unserer Fig. 18
sich berührt (unten S. 269,
Fig. 31), die Penafiel,
weil „eilf Feuerstein" =
A. D. 1516 das Jahr ist, in
dem Nefciualpilli, der König
von Tezcoco, starb, und diese
Kiste ausTezcoco gekommen
sein soll, für die Hiero-
glyphe des Königs Necaual-
pilli erklärte. Ich habe
diese Erklärung früher ab-
gelehnt, weil ich in der
Hieroglyphe Fig. 31 nichts
von den Elementen der
Hieroglyphe Ne<;aualpilli er-
kennen konnte, und an-
dererseits die Hieroglyphe
Fig. 31 mit der der Hiero-
glyphe Motecuh^oma Xo-
coyotzin, wie diese auf
Blatt 14 des Codex Men-
doza angegeben ist, in
jeder Beziehung überein-
zustimmen schien. Nach-
dem ich aber die Zeich-
nungen der Hamburger
Steinkiste und die in Fig. 18
wiedergegebene Hierogly-
phe gesehen hatte, musste
ich mir die Frage vor-
legen, ob ich nicht doch
Penafiel Unrecht getan
Fig. 23. Unterseite des Deckels der
Hackmackschen Steinkiste
des Museums für Völkerkunde in Hamburg.
Fig. 24. Innenseite des Bodens der Steinkiste der
Hackmackschen Sammlung
des Museums für Völkerkunde in Hamburg.
hatte, ob nicht etwa die Hieroglyphe Fig. 31 nur als eine unvollständige
Form der Hieroglyphe Fig. 18, die letztere aber in der Tat als Necaualpilli
zu lesen ist. Denn sie enthält ja wirklich, wie wir gesehen -haben, das
Element ne^aualli. Und hat das von Orozco y Berra als Xocoyotzin ge-
1) Berlin, A. Asher & Co., 1890.
— 26]
deutete Element in der Tat diese Bedeutung „der jüngere", „der kleine",
so könnte dieses, zusammen mit der Königskrone, in der Tat den Begriff
päli „Prinz", „Fürstensohn" ergeben.
fcc
i
B 3
c >
£ s
Ich bin nun aber doch zu einer anderen Erklärung gekommen. Ein-
mal weil die Orozco y Berrasche Deutung des Elements als Xocoyotzin
mir ein unlösbares Rätsel bot. Und dann, weil ich inzwischen eine
andere und bessere Deutung gefunden habe, die auch das letztgenannte
- -262 -
Element zur Befriedigung' und einwandfrei erklärt. Dieselbe Kombination
des Grasstricks (inalinalli), der Königskrone (.riuhuitzolli), des beilförmigen
Ohrpflocks (nacochtli) und des rätselhaften, von Orozco y Berra als
Xocoyotzin erklärten Elements haben wir nämlich in dein Bilde vor uns,
das in der Bilderhandschrift der Biblioteca Nazionale von Florenz von dem
tonatiuh ilhuicac yauh oder tonatiuh iivco yauh, der Seele des toten
Kriegers, gegeben ist (Fig. 2(>)1). Nur dass das vorher rätselhafte
Element, das Orozco y Berra als Xocoyotzin erklärte, hier deutlich als ein
in den Nasenflügeln eingesetzter Schmuck besonderer Form zu erkennen
ist, der von dem Interpreten einfach als yacawnätl, als „blauer Nasen-
schmuck" bezeichnet wird. Dieselben Stücke — Königskrone, beilförmigen
Fig. 26- Mumieubündel, für den toten Krieger errichtet, und Opfergaben.
Handschrift der Biblioteca Nazionale in Florenz, Blatt 60.
Ohrpflock und den Nasenpflock besonderer Form — sehen wir auch,
zusammen mit der Schulterbinde aus Papier (amaneapanalli) und dem
blauen Hunde (xolocozcatl) , den der tonatiuh ilhuicac yauh in der Fig. 26
auf der Brust trägt, in dem Codex Borbonicus auf den Blättern an-
gegeben, wo die Götter des Kriegertods — Xiuhtecutli und Tlauizcalpan-
1) Es ist mir in neuerer Zeit bestritten worden, dass dies Bild nicht bloss, wie der
Interpret angibt, die Totenerinnerungsfeier am Feste Tititl, sondern die für einen ge-
fallenen, oder geopferten, Krieger darstellt. Dass ich aber mit meiner Deutung
recht habe, geht nicht nur daraus hervor, dass genau die gleiche Bemalung und der gleiche
Ausputz von Bahagun für den auf der Reise gestorbenen Kaufmann vorgeschrieben wird,
sondern wird noch klarer dadurch bewiesen, dass im Anhange zum dritten Buche Sahaguns
den im Osthimmel wohnenden Seelen der toten Krieger, bezw. den Vögeln, in die sie sich
nach Ablauf von vier Jahren verwandeln, dieselbe eigentümliche Gesichtsbemalung, das
iitixtetlilcomolo, zugeschrieben wird. Im übrigen ist, wo in jener Handschrift das Fest Tititl
selbst beschrieben wird, der Ausputz des Mumicnbündels ein ganz anderer als auf dem
späteren Blatte, dessen Hauptinhalt ich in Fig. 26 wiedergegeben habe.
— 263 -
tecutli — zur Anschauung gebracht sind (vgl. Fig. 27a). und wenn die
gleiche Gruppe Pig. 27a im Codex Borbonicüs auch auf dem folgenden
Blatte, bei dein Sonnengotte and «lein Todesgotte, angegeben ist. so wird
sie auch dort als Kriegertotenschmuck, durch die mit dem Speer be-
waffnete Pigua? daneben, deutlich gekennzeichnet. Dass in der Tat das
von Orozco y Berra als Xocoyotzin gedeutete Element nichts anders als
Fig. 27a. Krieg-ertotenschmuck: —
xiuhuitzolli, Kopfbinde aus Türkismosaik; xiuhnacochtli, blauer
Ohrpflock; yacaxiuitl, blauer Nasenpflock; amaneapanalli, Schulter-
binde aus Rindenpapier: xolocozcatl, der auf der Brust getragene
blaue Hund. Codex Borbonicüs 9.
der yacaxiuitl, der blaue Nasenpflock des der Seele des toten Kriegers
aufgebauten Mumienbündels, ist, ergibt sich klar aus der Stelle und der
Stellung, in der dieses Element in den Hieroglyphen Fig. 18 und 31 und
in den Hieroglyphen des Königs Motecuhfoma, immer neben der Königs-
krone gezeichnet ist, da sie genau der des Nasenpflockes des Mumien-
bündels Fig. 26 entsprechen. Nicht ganz erklären kann ich dagegen,
wie dieser Kriegertotenschmuck dazu kommt, ein,
wenn auch nicht regelmässiges, so doch häufiges
Klement der Hieroglyphe Motecuhcoma zu bilden,
und muss ich meine Leser bitten, sich vorläufig
mit der Tatsache abzurinden.
Dass aber der ijaccuciuitl und alles, was zu
ihm gehört, in der Tat als Kriegertoten-
schmuck aufzufassen ist, wird nicht nur durch
das Vorkommen im Codex Borbonicüs und durch
die Assoziation mit der Maske der Gottheit des Morgensterns in der
Florentiner Bandschrift bewiesen, sondern ergibt sich auch daraus, dass
das Bild des yacaxiuitl im Codex Vaticanus B. bald mit blauer, bald mit
gelber Farbe gemalt (dreimal blau, zweimal gelb), zur Bezeichnung der
immer zu t'ünt'en zusammengestellten Venusperioden dient (Fig. '27b).
Die in dem oberen Teil.' etwas abweichende Form dieser Venusperioden
rindet sich ganz genau ebenso in dem Nasenschmuck des tonatiuh ilhuieac
yauh auf Blatt 27 des Codex Fejervarv- Mayer wieder. Und wenn wir
Pig. 27b. Die fünf
Venusperioden.
Codpx Vaticanus B
(Nr. 3773), Blatt 84,
(= Kingsborough 13.)
— 264 —
nun ausserdem diesen Nasenschmuck im Codex Borbonicus auch von dem
als Jaguar verkleideten Tezcatlipoca, d. h. von Tepeyollotli (Fig. 28 a), im
Codex Nuttall von einem bärtigen, ebenfalls in Jaguarverkleidung er-
scheinenden Gotte, der wahrscheinlich ebenfalls Tepeyollotli ist (Fig. 28 b),
getragen sehen, so werde ich gleich zu erwähnen haben, dass gerade
unsere Steinkiste den Gott Tepeyollotli mit Ce acatl und mit dem Planeten
Venus in Zusammenhang bringt. Über ein anderes Vorkommen dieses
Schmuckes, bei der Chantico des Codex Borbonicus und bei dem Hunde
Xolotl des Codex Vaticanus B, möchte ich freilich vorziehen, mich vor-
läufig noch nicht in bestimmter Weise auszusprechen.
Die Hieroglyphe auf der Vorderseite der Hackmackschen Steinkiste
(Fig. 18, oben S. 258) ist, meiner Auffassung nach, demnach als tonatiuh
ilhuic yauh, die „Seele des toten Kriegers" zu lesen. Die Figur selbst
als der Vertreter dieser Seele des toten Kriegers, als den wir vielleicht
geradezu den im Osthimmel, dem Aufenthalte der Seelen der toten Krieger,
heimischen Gott, d. h. den „Herrn in dem Hause der Morgenröte",
Tlauizcalpan tecutli, den Morgenstern, zu erklären haben.
Nicht minder interessante Aufschlüsse als diese erste Seite bietet auch
die dritte, die gegenüberliegende Breitseite der Hackmackschen Steinkiste.
Die auf dieser Seite dargestellte Figur (Fig. 19, oben S. 258) gibt sich auf
den ersten Blick als die genaue Parallele der dritten Seite der IslasyBusta-
manteschen Kiste (oben S. 253, Fig. 13). Es ist dasselbe bärtige Gesicht,
die Jaguarverkleidung, die hier nicht bloss durch einen Jaguarkopf
hinter dem Kopfe der Figur angedeutet, sondern durch das ganze, Leib
und Glieder bedeckende Jaguarfell zur Anschauung gebracht ist; endlich
hinten am Rücken der Ring, aus dem hier, wie dort ein Paar Riemen-
enden hängen. Nur die Haltuii"' der Figur ist eine andere. Sie ist nicht mit
der Tasche für Räucherwerk am Arm und dem Knochendolche in der Hand
dargestellt, gleich den übrigen bisher besprochenen Figuren, sondern hat
die Tasche für Räucherwerk (copalxiquipilli) in der einen Hand und in
der hoch erhobenen Linken einen Gegenstand, über dessen Natur ich keine
bestimmte Mutrnassung äussern möchte. Vielleicht soll es ein Bündel
Gras, vielleicht aber auch eine Waffe, ein Wurfbrett oder dergleichen sein.
Bei der Figur der Islas y Bustamanteschen Kiste (oben S. 253, Fig. 13)
habe ich die Gründe angegeben, die dafür sprechen, diese Figur als Tepeyol-
lotli^ den Gott der Höhlen, zu deuten. Wir fanden diese Vermutung durch
die Tatsache bestätigt, dass dort neben der Figur der Widerhall der
Stimme, das Echo, gezeichnet war. Ich gebe in Fig. 28a das Bild
dieses Gottes wieder, das der Codex Borbonicus von ihm, als dem Regenten
des dritten Tonalamatl- Abschnittes, entwirft, wo wir ihn, wie die Figur
unserer Fig. 19, ganz in Jaguarfell gekleidet sehen. In dieser Figur des
Codex Borbonicus ist Tepeyollotli augenscheinlich nur als andere Form
Tezcatlipoca' s gedacht. Denn sein einer Fuss ist abgerissen und durch
einen rauchenden Spiegel ersetzt, und er trägt auch an der Schläfe den
rauchenden Spiegel Tezcatlipoca 's. In unserer Fig. ll> dagegen ist hinter
dem Gotte die Hieroglyphe Ce acatl „eins Rohr" angegeben, die diesen
Gott mit Quetzalcouatl, oder richtiger wohl mit dem Planeten Venus,
— 2G5 —
in Zusammenhang bringt. Da wir auf der l: < • m * i n i I »» ■ r 1 i < "_i < ■ 1 1 < 1 en Seite der
Kiste (Fig. 18) den Stern des Morgenhimmels, Tlauizcalpan tecutli, ab-
gebildet fanden, so dürfen wir den Gott dieser dritten Seite Tepeyollotli
genauer wohl als den Abendstern bezeichnen. Und diese Auffassung.
oder diese Gleichsetzung, entspricht ja auch dem, was sonst über diesen
Gott berichtet wird, der nach den Interpreten ein Gott der Bohlen, des
•dunklen Erdinnern, der Erde und der das verschlingende Dunkel repräsen-
tierenden wilden Thiere sein soll.
Fig. 28 b. Chicuei maqatl „acht Hirsch-
(= Tepeyollotli, der Gott der Höhlen).
Codex iS'uttall 70.
Fig. 28a. TepeyoUotli, Regent des dritten
Tonalamatl-Abschnitts ce mäcatl, „eins Hirsch".
Codex Borbonicus 3.
Zu dieser Deutung als Morgen- und Abendstein, die sich uns durch
den Vergleich mit anderen verwandten Stücken, für die Figuren der beiden
Hauptseiten der Hackmackschen Kiste ergab, passt es nun sehr gut. dass
wir auf der Oberseite des Deckels dieser Kiste, der bei diesem Stücke
auch mit aufbewahrt worden ist, die Federschlange Quetealcouatl und die
beiden Daten, die für die Gestalt Quctzalcouatl's, insbesondere in Beiner
Eigenschaft als Vertreter des Planeten Venus, bedeutsam sind — das Datum
■ce acatl „eins Rohr" und das Datum ehioome acatl „sieben Rohr" — an-
gegeben finden (Fig. "J"_\ oben S. 259).
In „eins Rohr", d. h. im Jahre ..eins Kein-, starb, nach dem Inter-
preten des Codex Tellpriano Remensis1), Quetealcouatl; und es wurde in
1) fol. 10 (= Kingsborough TT. 5).
— 266 —
dem Jahre dieses Namens, das natürlich immer erst wieder nach 52 Jahren
eintrat, dem Gotte in Cholula ein grosses Fest gefeiert. Dasselbe ist in
den Anales de Quauhtitlan gesagt *) : — ce acatl yn ipan in xihuitl yn mic-
Quetzalcoatl, auh mitoa {-an ya yn Tlillan tlapallan ynic ompa miquito „im
Jahre eins Rohr starb Quetzalcouatl und man sagt, dass er in dem „Lande
der roten und der schwarzen Farbe" (in dem Lande der Schrift) zu
Tode kam."2). — An derselben Stelle wird dann weiter erzählt, wie der
Gott dort seine Jünger um sich versammelte, seinen Schmuck anlegte und
den Scheiterhaufen bestieg und sich verbrannte. Seine Asche verwandelte
sich in allerhand Yögel von glänzendem Gefieder, sein Herz aber stieg als
Morgenstern am Himmel empor.
Am Tage „Sieben Rohr" wurde, nach demselben Interpreten des Codex
Telleriano Remensis3) Quetzalcouatl geboren, und an diesem Tage ein
anderes grosses Fest in Cholula gefeiert, wo von überall aus dem Lande
her den Fürsten und den Priestern des Quetzalcouatl- Tempels in Cholula
Geschenke gebracht wurden. Es ist nicht recht klar, ob nicht hier auch
wieder, nicht der Tag „sieben Rohr", sondern das Jahr „sieben Rohr"
gemeint ist. Auch steht diese Angabe mit dem Texte der Anales de
Quauhtitlan in Widerspruch, wo deutlich gesagt ist, dass Topiltzin Quetzal-
couatl in „eins Rohr" geboren wurde. Vom Jahre „Sieben Rohr" bis-
„eins Rohr" sind zwanzig Jahre; vom Jahre „eins Rohr" bis zum anderen
Male „eins Rohr" sind 52 Jahre. Beides waren den Mexikanern runde
Zahlen, von denen sehr wohl die eine von der einen Priesterschule, die
andere von der anderen Priesterschule als Zeit für die Lebensdauer
Quetzalcouatl^ angenommen worden sein konnte. Zweifellos ist jedenfalls,
dass das Datum „Sieben Rohr", ebenso wie das Datum „eins Rohr" mit
Quetzalcouatl, und zwar in seiner Eigenschaft als der Stern Venus, in Ver-
bindung gebracht wurde. Und es erscheint mir, für die Beurteilung
dieser ganzen Verhältnisse nicht unwichtig, dass dieser Tag „Sieben Rohr"
dem dritten, mit ce macatl „eins Hirsch" beginnenden Tonalamatl-Abschnitte
angehört, demselben, dem Tepeyollotli als Regent gesetzt ist.
Die Tatsache selbst, dass hier auf der Hackmackschen Kiste der
Morgenstern und der Abendstern, und der letztere in Gestalt Tepeyollotli 's,
der ja offenbar nur eine Form Tezcatlipoca's ist, dargestellt worden ist,
1) Siehe Appendix zu Vol. III der Anales del Museo Nacional de Mexico, p. 17.
2) Von den Weisen (tlamatinime) wird gesagt, dass sie die anderen Stämme ver-
lassend, nach Osten zogen — auh quitquique in tlilli yn tlapalli yn amoxtii yn tlacuilolli
ouituuit/ue in ixquich toltecayotl in tlapilzalli — „und sie nahmen mit sich die schwarze
und die rote Farbe, die Bücher und die Bildermalereien, sie nahmen mit sich das gesamte
Kunsthandwerk und Flöten (und Gesänge)." Tlilli tlapalli, die schwarze und die rote
Farbe ist also die Malerei, die Schrift. Und Tlillan tlapallan „das Land der schwarzen
und der roten Farbe", demgemäss das Land der Schrift. Die Worte „schwarze und
rote Farbe" charakterisieren sehr wohl das Ansehen der Bilderschriften, insbesondere der
Maya-Handschriften. Und das „Land der Schrift" ist ein sehr passender Name für die
Küstenstriche an der Grenze der Maya-Region, wohin der übereinstimmenden Tradition
nach Quetzalcouatl gezogen sein soll. Gegenüber phantastischen und willkürlichen
Deutungen anderer Art, die in älterer und in neuerer Zeit versucht worden sind, ist es
nützlich das hervorzuheben.
3) fol. in (= Kingsborough II, 5).
— 267 —
gibt uns den Schlüsse] für «las Zusammenarbeiten sowohl, wie die Gegner-
schaft, Quetzalcouatl* und Tezcatlipoca' s, der beiden vielgenannten und ins-
besondere in den Kalenderschriften so viel dargestellten Gottheiten, die
ja der Codex Borbonicus auf Blatt 22 geradezu als die beiden Zeit-
gottheiten oder Kalendergottheiten, im Zentrum des Jahreszyklus,
und den beiden alten Kalenderwahrsagern Oxomoco und Cipactonal gegen-
über, uns vor Augen führt. Die barocke Erzählung der „Historia de los
Mexicanos por sus pinturas"1), dass Quetzalcouatl dem (rotte Tezcatlipoca,
der Sonne war, mit einem Knittel einen Schlag gibt, ihn hinabstürzend,
und dass nachher dann Tezcatlipoca seinerseits dem als Sonne leuchtenden
Quetzalcouatl einen Stoss gibt und eine andere Gottheit Sonne werden
lässt, erklärt sich nun ganz einfach durch die Dualität des Gestirns, dessen
beide Formen in diesen beiden Gottheiten verkörpert gedacht wurden.
Auf den beiden Schmalseiten der Hackmackschen Kiste sind keine
Figuren, sondern nur Daten angegeben. Auf der zweiten Seite (Fig. 20
oben S. 258) das Datum ce toclitli „eins Kaninchen", das Zeichen, in dem
die Erde erschaffen wurde, das hier die Region der Erde, den Norden
bezeichnen muss. — Auf der anderen, der vierten Seite (Fig. 21 oben
S. 258) ist das Datum naui tochtli „vier Kaninchen" abgebildet, — ein
Tag, der dem neunten, mit ce couatl „eins Schlange" beginnenden Tonalamatl-
Abschnitte, der Woche der Feuer- und Kriegsgötter, angehört, der demnach
vielleicht als Bezeichnung der Region des Südens aufgefasst werden kann.
Die fünfte Wand, der Boden der Kiste, ist auf der Innenseite, wie
auf der Aussenseite, ebenfalls skulpiert. Auf der Innenseite (Fig. 24, oben
S. 260) sieht man das Datum ce cipactli „eins Krokodil", das Anfangszeichen
des Tonalamatls, das hier wohl für die Regenten des ersten Zeichens und
des ersten Tonalamatl-Abschnitts Tonacatecutli und Tonacaciuatl, die Herren
der Lebensmittel, die Repräsentanten der ernährenden fruchtbringen-
den Erde, der Erdoberfläche, steht.
Auf der Unterseite des Bodens (Fig. 25, oben S. 261) sieht man wieder
das Bild der Erdkröte, des verschlingenden Ungeheuers, das den Mexi-
kanern das Erdinnere veranschaulichte, und das hier, wie auf den Opfer-
blutschalen, die ich im Ethnologischen Xotizblatte und in dem II. Band.'
meiner Gesammelten Abhandlungen2) abgebildet habe, die Unterseite,
die Bodenseite, markiert.
Dieser Bodenwand gegenüber bezeichnet der Deckel der Kiste offenbar
das Oben, die himmlische Region. Darum sind auf der Oberseite des
Deckels (Fig. 22, oben S. 259) die Federschlangc Quetzalcouatl gezeichnet
und die beiden Daten, die wir wohl als Sinnbilder der Verwandlung
dieses Gottes in den Morgen- oder Abendstern anzusehen haben. Den
llimnielslichtern gegenüber endlich, ist auf der Unterseite des Deckels
(Fig. 23, oben S. 260) ein von Augen umgebener Kreis, d. h. der mit
Sternen besetzte Himmel, der Nachthimmel "der die Nacht, abge-
bildet. In ihm ein Totenkopf, der aber aber der Stirn das Steinmesser-
1) Garcia Icazbalceta, Nueva Coleccion de Documentos para la Historia Je
Mexico III (Mexico 1891), p. 231, 233.
2) Berlin (A. Ashcr & Co: 1904, S. 709 und 713, Fig. 11 und :'..
— 268 —
paar trägt, das Abzeichen des Opfermessergottes, wie wir gesehen haben,
aber auch das der Ilamatecutli , der alten Erdgöttin (siehe oben S. 247,
Fig. 4), die zugleich die alte Himmelsgöttin ist, die Nacht, oder der
Sternhimmel, — als Citlalcueye, „die deren Euagua (Weiberhüften tuch) aus
Sternen bestellt", vielleicht geradezu die Milchstrasse, die bekanntlich
mit demselben Namen bezeichnet wird.
Im Anschluss an die drei bisher besprochenen Kisten will ich nun
noch die oben schon erwähnte Steinkiste beschreiben, die sich im Museo
Nacional de Mexico befindet, und die von Penafiel auf Tafel 124 — 126
Fig. 29. Bemalte Steinkiste, mit Deckel. Aus Tezcoco stammend?
Museo Nacional de Mexico.
des zweiten Bandes seiner „Monumentos del arte antiguo Mexicano" ab-
gebildet wird." Die Kiste (Fig. 29) ist aus dem bekannten vulkanischen
Material gearbeitet, hat eine quadratische Grundfläche von 23 cm, eine
äussere Höhe von 14 cm, wozu dann noch ein um 1 cm erhöhter innerer
Rand kommt, der in den Falz des Deckels passt. Der Deckel selbst hat
eine äussere Höhe von 7 cm. Spuren von blauer, rother und gelber Be-
nialung sind an verschiedenen Stellen noch deutlich zu erkennen. Über
die Herkunft des Stückes ist nichts Genaueres bekannt. Penafiel bemerkt
nur, dass zur Zeit der Präsidentschaft des Generals Santa Ana in Tezcoco
zwei Steinkisten mit Deckel gefunden worden seien, und er hält diese
Kiste für die eine der beiden in Tezcoco gefundenen. Es wäre nicht un-
möglich, dass die 1 1 ack in acksche Kiste (oben S. 2.'>s •— 2(51, Fig. 18 — 25)
die andere der beiden ist.
— 260 —
Fisr. 30.
Fig. 31.
Fig. 30, 31. Oberseite (Aussenseitc) und Unterseite (Innenseite) des Deckels der
bemalten Steinkiste des Museo Nacional de Mexico.
— 270 —
Auf den Seitenwandungen (Fig. 29) zeigt die Kiste nur, in roter
Farbe auf blauem Grunde sich abliebend, ein Quincunx-Muster, das unten
durch eine gelbe Farbenspuren aufweisende Federreihe abgeschlossen wird.
In gleicher Weise ist der Hauptteil des Deckels in blauer Farbe gemalt,
der von einem roten Bande umsäumt und unten durch eine mit gelber
Farbe angegebene Federreihe abgeschlossen wird. Diese Verzierung und
diese Farben sollen vielleicht nur Edelstein und gelbe Schmuckfedern, also
kostbares Material, zum Ausdruck bringen. Es sind übrigens auch die Farben,
mit denen der Türkisvogel (jxiuhtototV) im Codex Borgia gemalt wird. Es ist
aber doch darauf hinzuweisen, dass diese Elemente hier in einer merk-
würdigen Reihenfolge — das Federband als unterer Saum — angebracht
sind, und dass wir dieses selbe, aussen von einem Federsaume begrenzte
Band von Quincunx- Figuren auf dem berühmten sogenannten Calendario
azteca als den eigentlichen Körper der Sonnenscheibe angegeben finden.
Jedenfalls ist das gedachte Zentrum dieser Verzierung auf der Oberseite
der Kiste zu suchen. Dann entspricht der untere Saum der Verzierung
dem äusseren Rande der Sonnenscheibe, und das ist in der Tat die Stelle,
&\q der Federsaum auf der Sonnenscheibe des Calendario azteca hat.
Auf der Oberseite des Deckels
(Fig. 30) ist das Datum matlactli ozce
tecpatl „elf Feuerstein" zu sehen. Auf
der Innenseite (Fig. 31), eine Hiero-
glyphe, die mit der Hieroglyphe des
tonatiuh ilhuicac yauh auf der Vorder-
seite der Hackmackschen Kiste
(Fig. 18) in wesentlichen Elementen
übereinstimmt.
Auf der Innenseite des Bodens
endlich (Fig. 32) ist das Datum macuilli
couatl „fünf Schlange" abgebildet.
Die Hieroglyphe Fig. 31 hat Dr.
Penafiei für die des tezkokanischen
Königs Necaualpilli erklärt, eine Mei-
nung, der ich doch nicht beipflichten
kann, obwohl sie, wie wir oben ge-
sehen haben, mehr für sich hat, als
mir früher bewusst war. Ich selbst habe sie früher einfach als Motecuhcoma
oder — dem Wortsinn von Motecuhcoma „Sehor enojado" „erzürnter Herr"
gemäss -- als Hieroglyphe des Feuergotts angesehen. Ich halte es jetzt,
aus gleich zu entwickelnden Gründen, für wahrscheinlich, dass auch sie,
wie die Hieroglyphe auf der Hackmackschen Kiste (Fig. 18) als der
tonatiuh ilhuicac yauh, die „Seele des toten Kriegers" zu deuten ist.
Das Datum matlactli ozce tecpatl „elf Feuerstein" (Abb. 30), das
l'fii afic] für das Jahr 151(5 der christlichen Zeitrechnung ansieht, ist der
elfte Tag in dein zwanzigsten mit ce tochtli „eins Kaninchen" beginnenden
TonalamatJ - Abschnitte, dessen Regenten Xiuhtecutli der Feuergott und
Xipe Totec „unser Herr, der Geschundene", sind. Es ist mir wahrscheinlich,
Fig. 32. Innenseite des Bodens der
bemalten Steinkiste des Museo Nacional
de Mexico.
— 271 —
dass das Datum als Name des einen dieser beiden Götter, vermutlich des
l'Viin-otts, oder als Hinweis auf ihn. zu deuten ist.
Das Datum macuilH couatl „fünf Schlange", das auf der Innenseite
des Bodens abgebildet ist (Fig, 32) ist der fünfte Tag dea ersten, mit ce
cipactli „eins Krokodil" beginnenden Tonalamatl-Abschnittefi und hat ver-
mutlich die gleiche Bedeutung, wie das an derselben stelle in der
Hackmackschen Kiste abgebildete Datum ce cipactli, d. h. ea wird die
Erde, den Hoden, bezeichnen sollen.
Eine in der Verzierung wenigstens des Deckels der Kiste des Museo
Nacional verwandte Steinkiste gehört der alten Doorm an tischen Samm-
lung an und ist durch Eermann Strebel in das Königliche Museum für
Völkerkunde gekommen. Die Kiste hat eine Grundfläche von 48x30 cm
und eine Höhe von 23 cm und ist 16 cm tief ausgehöhlt. Der Deckel ist
14 cm hoch und misst am unteren Rande 52 und 35 cm. Er ist 8 cm tief
ausgehöhlt und greift mit seinem unteren Rande (der innen nur ab-
geschrägt, nicht mit einem Falze versehen ist) über den Rand der Kiste
über. Auf dem Deckel ist unterhalb des oberen Randes (über einer
weissen Tünche) erst ein blauer, dann ein roter Streifen und als unterer
Rand ein Band von Federn gemalt, — also genau wie bei der Kiste des
Museo Nacional de Mexico. Die Fläche des Deckels aber ist unverziert,
und ebenso der Boden der Kiste. Auf den vier Seiten der Kiste ist. in
Relief ausgearbeitet, die Hieroglyphe chalchiuitl (Smaragd, grüner Edel-
stein, Jadeit) angegeben.
Ks erhebt sich nun die Frage nach der Bedeutung dieser Gegen-
stände. Aus der Kistenform, und da sie alle mit Deckel versehen waren
— wie der erhöhte Innenrand beweist, der bei allen ausgearbeitet ist —
muss man schliessen, dass in ihnen etwas aufbewahrt wurde. Lud daa
natürlichste war ja zunächst, an eine Aschenkiste zu denken, da bei den
Mexikanern bei den gewöhnlichen Todesfällen Leichenverbrennung statt-
fand. Daher der Versuch, die Kiste des Museo Nacional in der Weise zu
deuten, wie das Penafiel getan hat. Bei dieser Deutung fragt man
sich denn aber, was für einen besonderen Sinn die Verzierungen haben
können, die man auf diesen Kisten sieht. In den Verzierungen der Riva
Palacio sehen und der Islas y Bustamanteschen Kiste tritt uns aus-
schliesslich eine Opferhandlung, die Darbringung des eignen Blutes, ent-
gegen. Bei der Hackmackschen Kiste aber führt die Eauptseite uns das
Bild des tonatiuh ilhuicac yauh, die Seele des toten Kriegers, vor. Diese
llauptseite wird dadurch als die Ostseite charakterisiert. Wir können in
ähnlicher Weise bei der Islas y Bustamanteschen Kiste die Vorderseite
mit dem Grasballen (Fig. 11) als die östliche, die mit dem Opfermesser-
gott (Fig. 12) als die Nordseite, die mit TepeyolloÜi (Fig. 13) als die
AVestseite und die mit Tezcatlipoca (Fig. 14) ala die Südseite ansehen.
Ea ist nun an sich nicht unwahrscheinlich. das8 das Bild des tonatiuh il-
huicac yauh und die verschiedenen Opferdarstellungen eine unmittel-
bare Beziehung zu dem /.wecke dieser Gegenstände halten. In einer
— 272 —
frühereu Abhandlung über die Knochenrasseln1) habe ich erzählt,
dass die Mexikaner 80 Tage nach dem Tode eines Verstorbenen, wo
die Annahme bestand, dass er nunmehr in die wirkliche Unterwelt
eingegangen sei, ein Mumienbündel zu errichten pflegten, dies durch
Gesänge und Tänze ehrten und es dann, sammt den Geschenken und
der Habe des Toten, verbrannten; sowie dass man dies in derselben Weise
auch für die in der Fremde, oder in den Händen der Feinde Gestorbenen
zu tun verpflichtet war. Diese Nachfeier oder „Totenerinnerungsfeier",
wie sie von den Autoren genannt wird, hatte viel mehr noch, als die
eigentliche Leichenfeier, den Charakter einer Kultushandlung. Und es
lag, namentlich, wenn es sich um die Feier zu Ehren im Kriege ge-
bliebener Freunde handelte, noch viel mehr Veranlassung vor, eine gewisse
Pracht zu entwickeln, die ehrenvolle Anerkennung der Verdienste des
Verstorbenen öffentlich zur Schau zu stellen. Penafiel bemerkt, dass man
in den in Tezcoco gefundenen Steinkisten einige Gegenstände aus Obsidian
und Grünstein angetroffen hätte. Er spricht aber weder von Knochen-
resten noch von Asche. Es ist nun wohl auch möglich, dass man auch
die Reste der Totenerinnerungsfeier, das, was bei der Verbrennung der
Geschenke usw. von festen Körpern noch übrig war, die Obsidianmesser,
die bei der Blutentziehung gedient hatten, die Steinperlen, die man dem
Toten dargebracht hatte, in solchen Steinkisten barg.
In diesem Zusammenhange wird man, das ist meine Meinung, die
Bilder des tonatiuh ilhuicac yauh, die Seele des toten Kriegers, den
Opfermessergott und die Bilder, die die Blutentziehung, die
Kasteiung veranschaulichen, in ihrer Bedeutung für den Zweck der
Gegenstände, auf denen diese Bilder sich finden, gleichsetzen müssen.
Denn die Seelen der toten Krieger, das waren ja die Geopferten. Und
die Darstellungen von Kasteiung und Blutentziehung, die werden hier
vielleicht auch nur ganz allgemein Opfer bedeuten sollen. Es würden
also auch diese Bilder von Kasteiung und Blutentziehung nur ein anderes
Sinnbild, nur ein anderer Hinweis auf die Seele des toten Kriegers sein.
Und das würde denn auch erklären, dass dieses Bild der Kasteiung, ge-
wissermassen ganz unmotiviert, auch in dem Fond der einen Kiste zu
sehen ist. Die Quetzalcouatl-Biläer endlich, die man auf dem Deckel der
Hackmackschen Kiste sieht, würden in den Rahmen derselben Vor-
stellung sich fügen. Denn QuetzalcouaWs Herz ist es ja, das, in den
Morgenstern verwandelt, am Morgenhimmel erscheint.
Wir haben uns nun aber doch zu fragen, ob nicht die Gesamtheit
dieser Vorstellungen auch mit der Deutung sich vereinen lässt, die von
vornherein als die natürlichste erscheint, dass diese kostbaren Steinkisten
Aschenkisten waren, dazu bestimmt, die Reste des verbrannten Leichnams
eines Fürsten aufzunehmen. Und ich glaube, das ist in der Tat der Fall.
Es scheint, dass in den Vorstellungen der alten Mexikaner der Rang-
Unterschied, den sie im Leben zwischen den Fürsten und Königen und
1) Seier, Gesammelte Abhandlungen zur amerikanischen Sprach- und Altertums-
kunde, Band IL Berlin L904, S. 672-^694.
dem gemeinen Volke zu machen pflegten, auch für «las Leben nach dein
Tode festgehalten wurde, und dass man den Seelen der toten Fürsten die-
selbe ehrenvolle Stellung- anwies, wie den Seelen der im Kriege ge-
storbenen, geopferten Krieger. Wenn uns Mendieta erzählt1), dass die
Tlaxkalteken der Meinung gewesen wären, dass die Seelen der Könige
und Häuptlinge sich in Nebel und Wolken, in allerhand Vögel
von glänzendem Gefieder und Edelsteine, die Seelen des gemeinen
Volkes dagegen sich in Wiesel, Mistkäfer, Stinktiere und andere
verachtete Tiere verwandelten, so heisst das doch nur, dass, während
die Seelen des gemeinen Volkes im Schmutz und in der Erde gebannt
waren, man die Seelen der Könige denselben Wandel durchmachen Hess,
zu dem auch die Seelen der Geopferten, der toten Krieger, die in
dem Osthimmel weilten, gelangten. Denn auch von diesen erzählt uns
Sahagun, dass sie. nachdem sie vier Jahre lang die aufgehende Sonne mit
Gesängen und Tänzen begleitet hatten — „sich in allerhand Vögel von
glänzendem und farbigem (ietieder verwandelt hätten und Honig saugend
von Blüte zu Blüte flögen, dort im Himmel und hier auf der Erde,
wie die „tzintzones" es tun". —
auh in iquac onauhxiuhtique, — und nachdem sie vier Jahre so
zugebracht haben,
niman ic mocuepa, tla^ototome — verwandeln sie sich in Schmuck-
vögel,
huitzitzilti, xochitototl, totovoztli mixtetlilcomolo in Kolibri,
Blumenvögel, gelbe Vögel mit schwarzer Grube um die
Augen (d. h. mit der Gesichtsbemalung des Morgensterns),
ticapapa/otl, ivipapalotl, j-icalteconpapalotl — in weisse Kreide-
Schmetterlinge, in Daunenfederschmetterlinge, in Schmetter-
linge gross wie Trinkschalen,
t/achichina in ompa in inonoian — sie saugen (den Honig der
Blüten) dort au ihrem Wohnort,
yoan in nican tlalticpac oalhui — und sie kommen hier zur
Erde nieder.
in quivalchichina, in irquich nepapan xochitl — sie kommen und
saugen (den Honig) aller Arten von Blüten.
in equimitt, ano{-<> tznnpanqaavitl — der Erythrina corallioides-
BlÜtell.
xiloxochitl, tlacoxilohxochitl — und der Carolines princeps und
der ( 'alliandra- Blüten ").
Dass zum mindesten die Tlaxkalteken, und wahrscheinlich mehr oder
minder alle mexikanisch sprechenden Stämme die Seelen der toten Könige
denen der im Kriege gebliebenen oder auf dem Opfersteine getöteten
Krieger gleichsetzten, wird in der Tat auch in der „Monarquia indiana"
Torquemadas berichtet. Er sagt bei der Beschreibung des Festes, das
1) Mendieta, Historia ecclesiastica indiaua. Buch 2, cap. L3.
2) Sahagun, Ruch ;'., App., cap. 3. — Die Bestimmung der Blüten habe icli nach
den im Hornandez gegebenen Beschreibungen gemacht.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901. Heft j. 1>
— i>74 —
die Mexikaner Xocotl uetzi „das Her abkommen des Xocott1-, die Tlaxkalteken
Uei miecailhuitl „das grosse Totenfest" nannten, dass sie — „in diesem
Monate ihren toten Königen und den hervorragenden Personen, die tapfer
kämpfend im Kriege und in den Händen ihrer Feinde gestorben waren,
den Namen „Gott" [teotl] beigelegt, Idole von ihnen angefertigt und sie
neben ihren Göttern aufgestellt hätten, indem sie sagten, dass sie an den
Ort der Seligkeit und der fröhlichen Unterhaltung gegangen
wären, in Gemeinschaft mit den anderen Göttern"1).
Es scheint nun, dass dementsprechend die Mexikaner auch die Leich-
name der gestorbenen Fürsten in solcher Weise behandelten, als ob man
annahm, dass sie auch, wie die toten Krieger, in den Osthimmel zur Sonne
gingen. Darauf lässt wenigstens die Beschreibung schliessen, die im
Tezozomoc-2) von der Bestattung des noch in seinen Jugendjahren ge-
storbenen Königs Tipocic gegeben ist, — eine Beschreibung, die uns auch
für das Vorkommen der Quetzalco uatl -Bilder auf den Steinkisten eine
weitere Erklärung gibt. Es heisst dort, dass man nach der Verbrennung
des Leichnams die Bildsäule des Königs aus Holz gefertigt und nunmehr
die Fürsten zu der grossen Totenfeier eingeladen habe. Nachdem die
ersten Reden an den durch das Holzbild repräsentierten König gehalten
worden, habe man das Holzbild angefangen, mit kostbarer Kleidung zu
bekleiden, habe ihm die königliche Stirnbinde (xiuhuitzolli) auf den Kopf
gesetzt und in ein Loch in der Nase den Stein yacaxiuitl. Und nunmehr
wären die Fürsten der unterworfenen Städte gekommen und hätten ihre
Geschenke gebracht. Danach hätte man die Bildsäule wieder ausgezogen
und sie nunmehr mit blauem Wasser gewaschen, ihr das Haar mit einem
Riemen umwunden, in dem ein kleiner Reiherfederbusch steckte, hätte
ihr ein blaues W'ams angezogen, um die Schultern eine breite Binde ge-
legt, das Gesicht mit blauer Farbe angestrichen und an die Füsse San-
dalen aus vergoldetem und mit Edelsteinen verzierten Leder geheftet, der
Figur in eine Hand einen Strauss Blumen, in die andere Hand die Zigarre
(acayetl) gebend, das vergoldete Rohr, mittels dessen man den Rauch
(von Tabak und anderen wohlriechenden Sachen) schlürfte. Und gleich-
gekleidete, am Hinterkopfe die grosse Papierrosette (cuexcoclitechimalli)
tragende Sänger hätten vor der so gekleideten Statue gesungen. Endlich
hätte man die Statue zum dritten Male mit der Gewandung und dem
Schmucke des Gottes QuetzalcouaÜ bekleidet und den Toten nunmehr auf-
gefordert, nach dem Orte der Toten sich zu begeben. Ein Priester hätte
dann die Statue in den Ann genommen, und vor dem Tempel Uitzil-
opochtWa hätte man sie verbrannt. Die Feier hatte dann mit einem
Menschenopfer, das der Priester Mictlan tecutli's vollzog, geendet. — Die
1) Monanjuia indiana, Buch 10, cap. •'!.">: — j en este les daban nombre de
Divinos, ä, sus Reies difuntos , y ä todas aquellas Personas sefialadas, que havian
muerto Jjacanosamente en las Guerras, y en poder de sus enemigos y les hacian sus
[dolos, y los colocaban, con sus Dioses, diciendo, que avian ido al lugar de sus deleites,
y pasatiempos, en compafiia de los otros Dioses.
2) Crönica mexicana, cap. 60.
ganze Beschreibung ist höchst interessant. Sic beweist, dass <ler König
als Quetzalcouatl zu den Toten gehen sollte.
Unter diesem Gesichtspunkte meine ich nun, würden wir die Stein-
kisten, die mit Bildern der Seele des toten Kriegers und mit Einweisen
auf sie, und mit dem Bilde QiietzalcouatVs verziert sind, auch dann, als in
entsprechender und sachgemäßer Weise verziert betrachten dürfen, wenn
wir annehmen, dass es in der That die Aschenkästen verstorbener Pursten
waren, die nicht im Kriege geblieben, oder auf dem Opfersteine gemordet
worden waren, deren Seelen aber, der Annahme nach, dieselbe bevorzugte
Stellung hatten, derselben Freuden teilhaftig wurden, die Bonst uur den
Seelen der toten Krieger vorbehalten waren.
Auch der Umstand, dass auf verschiedenen dieser Steinkisten die
Hieroglyphe chalchiuiÜ „grüner Edelstein" altgebildet ist — auf der. die
ich aus dem Königlichen Museum für Völkerkunde beschrieb, direkt, und
auf der Steinkiste des Museo Nacional de Mexico (Fig 29—32) mittelbar
durch die Dekoration der ganzen Kiste — , und dass damit zusammen,
wenigstens auf der einen Kiste, die Hieroglyphe der Seele des toten
Kriegers sich findet, spricht dafür, diese mit Opferdarstellungen und mit
Bildern der Seele des toten Kriegers verzierten Kisten geradezu als
Aschenkisten anzusehen. Wir wissen ja aus der Beschreibung, die
Mendieta im dl). Kapitel des zweiten Buches seines Geschichtswerkes von
den Bestattungszereinonien gibt (und die Torquemada Buch 13, cap. 4.~>.
wiederholt), dass man dem Toten einen Edelstein in den .Mund steckte.
von dem man angab, dass man ihn dem Leichnam als Herz einsetzte, und
dass nach der Verbrennung des Leichnams dieser Edelstein sorgsam heraus-
gesucht und mit der Haarlocke des Toten und den Aschen- und Knochen-
resten in der Aschenkiste geborgen wurde.
Ich wende mich jetzt zu einer anderen Klasse von Monumenten, ganz
anderer Form, die aber mit den vorigen das gemein haben, dass wir auf ihnen
denselben Gegenständen der Darstellung begegnen, wie ich sie ausführlich
bei den ersten beiden der oben besprochenen Steinkisten beschrieben habe.
Ich erwähne zunächst ein säulentrommelartiges Stück (Fig. 33) von
44 cm Höhe und 75 cm Durchmesser, das auf der oberen Seite eine -
aber vielleicht erst später angebrachte — nauf- oder kegelförmige Ver-
tiefung hat, und in dem Dorfe Mixcoac als Taufbecken gebraucht wurde.
Der obere Rand zeigt in Relief ausgearbeitet eine Schnurverfleehtung, von
der Enden nach unten hängen. Diese entspricht wohl dem in ähnlicher
Weise mit nach aussen ragenden Enden gezeichneten Grasstrick, durch
den im Codex Borgia (vgl. Fig. 34, 35) die Umzäunung bezeichnet wird.
in die sich der fastende und Büssende zurückzieht, und der auch geradezu
als Hieroglyphe für necaualli „ Fasten u steht, wie die Hieroglyphen, die im
Codex Telleriano Remensis und im Sahaguu - Manuskript, von den
tezkokanischen Königen Necaualcoyotl und NecaualpilH gegeben sind, be-
weisen1). Auf der Fläche ist. viermal wiederholt, das Zeichen youalnepantla
l) Vgl. Seier, Gesammelte Abhandlungen zur amerikanischen Sprach- und Alterranis-
knnde. Band I. Berlin 1902, S. 217.
1-
- 276 -
Fig. 33.
Stein von Mixcouac. Museo Nacional de Mexico.
<Sr <S>r <b<
Fig 34.
Mogauani, der Fastende. Codex Borgia 9 (= Kingsborough 30.)
i'r. 60.
NegolüstU „die Kasteiung* und chalchiuh-atl „das kostbare Wasser der Kasteiung)".
Codes Borgia 10 ( Kingsborough 29).
— La —
neteteqnizpan „die Mitternacht, die Zeit der K;i>t<iungu zu sehen, fast
genau so wie wir es im Codex Borbonicus (vgl. oben Seite 250. Fig. 9
and 10) angetroffen haben.
Als zweites Stück nenne ich ein viereckiges Steinstück, «las wie ein
Sitz aussieht, eine Höhe von 15 cm und eine Grundfläche von 20x35 cm bat,
und das der alten Sammlung des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin angehört. Oberseite und Seitenflächen sind mit Relief bedeckt,
und diese Reliefe sind, in eine Ebne gebracht (aufgeklappt), in der bei-
stehenden Fig. 36 wiedergegeben. Man sieht, dass der obere Rand des
Stücks hier ebenfalls von einer geflochtenen Schnur, von der Enden heraus-
Fig. 3<>. Colotl, Skorpion, das Zeichen der Kasteiung und gacatapayolli, Grasballen, in
dem zwei mit Blut bestrichene Agaveblattspitzen (uitztli ezgö) stecken.
Relief der Ober- und Vorderseite eines Steinsitzes. Kgl. Museum für Völkerkunde, Berlin.
ragen, dem Gras- oder Fastenstrick, umgeben ist. Darunter ist, auf der
Vorderseite, der Grasballen (cacatapayolli) abgebildet, in dem zwei Agave-
blattspitzen (uitztli) stecken, an deren oberen Enden bei dein linken Blatte
die deutliche Figur einer Blüte (aochitl) mit ihren zwei Staubkolben zu
sehen ist, bei dem rechten Blatte aber die Abbreviatur der Hieroglyphe
chalchiuitl (Smaragd, grüner Edelstein, Jadeit), die wir oben bei dem
Grasballen der Steinkiste des Generals Riva Palacio (Fig. 2, oben S. 245)
kennen gelernt haben. Beide, die Blüte und der Edelstein, bezeichnen
das gleiche, die Kostbarkeit, da- Blut (eztli), das auf die Agaveblattspitze
gestrichen ist. und das auf ihr dem Gotte dargebracht wird.
Auf der Ober- und Rückseite diese- Meines aber ist in schöner Aus-
arbeitung das Bild eine- Skorpions (colotl) zu sehen, der mit Scheren
— 278 —
bewaffnet ist, und dessen in charakteristischer Weise umgebogener Schwanz
am Ende ein Steinmesser trägt. Der Skorpion, dessen Stich brennenden
Schmerz verursacht, wird in Bilderschriften dem Feuergotte gesellt. Und
er bezeichnet hier, gleich der Feuerschlange auf der Riva Palacioschen
Kiste, ohne Zweifel das Feuer der Kasteiung, den brennenden Schmerz,
die Pein, die der Büssende, dem Gotte zu Ehren, auf sich nimmt. —
Bemerkenswert ist noch, dass dieser Skorpion mit der durch abgerundete
Enden gekennzeichneten Kopfbinde des Windgottes Quetzalcouatl und mit
Fig. 37 a. Relief der Ostseite des Steins
von Huitzuco.
Fig. 37. Monument von II int: um.
Ostseite. Yo natürl. Grösse.
dessen dornig gekrümmtem Ohrgehänge (epcohlli) ausgerüstet ist. Offenbar
deshalb, weil Quetzalcouatl der Büssende y.m' K<>/ij)\ der Erfinder der
priesterlichen Kasteiung ist.
Als drittes Stück endlich nenne ich den 1,70 m hohen, aber nur in
M'iner oberen Hälfte mit Relief versehenen Stein, der aus dem Orte
Huitzuco im Staate Gruerrero in das Museo Nacional de Mexico gelangt
ist, und von dem wir, bei unserer letzten Anwesenheit in Mexiko, Photo-
graphien haben nehmen können. Der Stein hat zwei Breitseiten von 0,07 m
Breite und zwei Schmalseiten von 0,38 vi Breite. Die Höhe des oberen
skulpierten Teils beträgt 0,80 m.
Der Stein ist auf allen vier Seiten und auf der Oberseite mit Relief
versehen, und er schliesst sich den zuvor besprochenen Stücken an, als
- -J79 —
auch er an seinem oberen Rande von einer geflochtenen Schnur umzogen
i-t. von der Enden herunterhängen. Nur däss der In-ondere Charakter
dieser Schnur durch die Totenschädel, die auf den herunterhängenden
Enden zu sehen sind, noch deutlicher hervorgehoben wird.
Die Sehmalseiten sind an dem Monumente von Hui/z/n-,, diejenigen,
die mit komplizierteren Eteliefdarstellungen versehen und augenscheinlich
auch die interessanteren sind. Die eine der beiden schmalen Seiten,
deren Relief ich in der Fig. 87 vorführe, hin ich auch geneigt als
die Vorderseite — und, wie ich gleich hinzufügen will, als die Ostseite
— anzusehen. Das Relief, «las ich der Wichtigkeit halber in Fig. 37a
noch besonders in Zeichnung habe wiedergeben lassen, haut sich in zwei
gesonderten Abteilungen übereinander auf, die aber im wesentlichen die
gleichen Elemente enthalten.
Die Mitte beider Darstellungen bildet eine schreitende männliche
(lestalt, mit ausgebreiteten Armen, geöffneten Händen, wie in den
Bilderschriften die Götter, wenn sie nicht irgend ein Attribut oder
Werkzeug in den Händen halten, dargestellt zu werden pflegen. Die
I. enden sind, ausser mit der Schambinde, noch mit einem Tuche umgürtet.
Auf dem Rücken hängt das Handwerkzeug und Abzeichen priesterlicher
Würde oiler priesterlicher Tätigkeit, das Tabaktäschchen (yequachtli),
in dem die Priester das Narkotikum, das sie, sich in visionäre Zustände
zu versetzen, brauchten, mit sich führten. In dem Ohrläppchen steckt ein
Pflock. Der Kopf alter ist von der königlichen Stirnbiude aus Türkis-
mosaik (ariukuitzolli) umgürtet, und darüber ragt der Grasstrick mit den
frei emporstehenden Enden, genau wie in der Hieroglyphe tonatiuh ilhuicac
yauh auf der Ostseite der Hackmackschen Steinkiste (oben S. 258, Fig. 18)
und wie in dem Bilde des tonatiuh ilhuicac yauh, das uns die Bilderschrift
der Biblioteca Nationale von Florenz erhalten hat (oben S. 262, Fig. 26).
Es ist kein Zweifel, dass diese Figuren den tonatiuh ilhuicac yauh, die
Seele des toten Kriegers darstellen sollen. Und das wird auch durch
den übrigen Inhalt der Reliefe vollauf bestätigt.
Zunächst sieht man, gerade zwischen den Bänden, das Bündel mit
der Eabe des Toten. Über diesem Bündel, am oberen Rande des Feldes,
liegt quer herüber ein Strick, von dem zwei breite Streifen herabhängen.
Ich möchte diese Figur mit den Gegenständen vergleichen, die man in
Fig. 26 (oben S. ■_)(^-,) unmittelbar vor der Mumie, unter dt'n Schalen mit
den Speiseopfern abgebildet sieht. Sie werden von dem Interpreten als
ein kreuzweis umbundener mit Papier überzogener Stab und als eine
Traglast Papiere erklärt. Ich glaube man muss in ihnen den Wanderstab
und die Papiere sehen, die man den Toten als Reisebriefe oder
Pässe und Schutzmittel (Amulette) auf die lange und gefährliche
Heise zum Totenreiche mitgab. .Man sieht sie auch vor der Figur des
gewöhnlichen Toten, die die Bilderhandschrift der Florentiner Biblioteca
Nazionale gibt (Fig. 38) und hinter dem Bilde des Kriegertodes auf
Blatt 17 des Codex Pejerväry- Mayer (Fig. 39)1). unter dem grossen
1 Dies Rild ist von Preuss, alier schwerlich richtig, als Tlatoc-ToA gedeutet
worden. Als Kriegertod isj das Bild nicht nur durch die Hieroglyphe c< att, das Zeichen
280
Ballen mit der Habe des Toten ist in Fig. 37 ein Bündel unten und oben
in Knöpfen endender Stäbe abgebildet, aus dem ein ähnlicheres schmäleres
Bündel emporragt, und das weiter unten von einer königlichen Türkismosaik-
stirnbinde umgürtet ist. Das könnten brennbare Zweige, Fackeln oder
mit wohlriechenden Substanzen gefüllte Rohre (cicayetl) sein, die hier als
Träger der königlichen Stirnbinde, des xiuhuitzollü die auch zum Krieger-
totenschmucke gehörte, dienen. Hinter dem Kopfe der Figuren sieht man
weiter zwei amaneapanalli, Binden aus weissem Rindenpapier, wie sie das
Mumienbündel der Biblioteca Laurenziana um die Schultern geschlungen
hat. Und unten hinter den beiden Figuren die Fahne mit den flatternden
Bändern (pantoyaualli oder pantololli). Tor dem Bauche der Figur aber in der
Fig. 39. yaomiquizbli,
Kriegertod.
Codex Fejerväry-Mayer 17
(= Kingsborough 28).
Fig. 38. Alumienbündel eines gewöhnlichen Toten, eines
telpochtli (unverheirateten jungen Mannes).
Bildelhandschrift der Florentiner Biblioteca Nazionale.
unteren Hälfte des Reliefs und nach aussen vor dem Bündel mit der Habe in
der oberen Hälfte des Reliefs, sieht man den blauen Nasenpflock (yacaxiuitl)
der charakteristischen Form, wie er unter dem Kriegertotenschmuck des Codex
Borbonicus (oben S. 263, Fig. 27) aufgeführt ist. Endlich fehlt, wenigstens
in der einen der beiden Abteilungen des Reliefs, auch der blaue Hund,
das xolocozcatl, nicht, den das Mumienbündel der Biblioteca Nazionale auf
der Brust hängen hat. Er ist in der oberen Reliefabteilung hinter dem
Kopfe der Figur, in aufrechter Stellung angegeben. Die Liste dessen,
was wir nach dem in den Fig. 26 und 27 Vorgeführten an dieser Stelle zu
erwarten hätten, kann kaum vollständiger sein.
der Götter des Krieges, und durch die Parallele mit der Ciuateotl gekennzeichnet; auch
der xiuhuitzolli, mit den nach oben stehenden Enden des Grasstricks, ist vor der Figur
deutlich angegeben, und man kann die Enden des Grasstricks auch über dem Kopfe des
Toten selbst emporragen sehen. Die mit Kiemen zusammengebundenen Papiere, von denen
hier ein Strickende nach oben lliegt, hat Preuss fälschlich als Rasselbrett gedeutet.
Vgl. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, Band XXXIII, S. 219.
— 281 —
Die rechts austossende Breitseite (Fig. 40), die dem Turnus nach als
die nächstfolgende anzusprechen ist, und die die Nordseite des Monumentes
sein muss, zeigt auf ihrer Fläche einen (Jrasballen mit einem Auge in
der Mitte, von dem Augen ausstrahlen und vier im Kreuz gestellte Blätter
ausgehen. Zwei Agaveblattspitzen (uitztli) stecken in ihm, an deren
oberen Ende eine schön ausgeführte Blüte uns wieder das Blut andeutet,
■dessen Träger die Agave-Blattspitzen sind. Das Ganze ist ein Bild der
Mitternacht, der Zeit der Kasteiung (youalnepantla, netetequizyan). genau
den Figuren entsprechend, die wir auf dem Monumente von Mixcoac
Fig. 40. Monument von Huitzueo. Nordseite.
1/,1 natürl. Grösse.
Fig. 11. Monument von Huitzueo.
Westseite. V« natürl. Grösse.
kennen gelernt haben (oben S. 276, Pig. 33), und in dem Bilde, das ich
oben S. 250, Pig. 1". aus dem Codex Borbonicus kopiert habe.
Nun folgt die zweite Schmalseite (Fig. 41). die die Westseite sein
nmss. Entsprechend sehen wir hier in der oberen Abteilung des Reliefs,
das ich in Pig. 41a noch einmal besonders habe zeichnen Lassen, eine
Höhle (oztotl) dargestellt, einen Berg mit offenem Munde, der durch
Ungeheuer äugen, über dessen Brauen Sternaugen sich erheben, zu einem
Nachtdämongesicht umgestaltet ist. Denn der Westen ist die Region, wo
die Senne in die Bohle geht, wo die Sonne gegessen, verschlungen wird.
Und in der unteren Hälfte zeigt sich uns der Berg mit der gekrümmten
282
Spitze, das Colhuacan oder Colhuatepee, die Urheimat, der Wohnsitz
der Vorfahren, die eben dort im Westen, wo die Erde einen Mund hat,
aus der Erde emporgekommen sind.
Auf der vierten Seite endlich (Fig. 42), die wieder eine Breitseite-
ist, und die die Südseite des Monumentes sein muss, sehen wir einen
Grasballen (cacatapayolli), in dem zwei Agave-Blattspitzen stecken mit
Blüten, dem Zeichen von Blut, an den oberen Enden. Dieser Grasballen
aber steht in einer aus Blattstengeln (Maisstengeln, Rohrstengeln) ge-
bildeten Laube, wie wir sie auf Blatt 18 des Codex Borbonicus unter dem
Grasballen besonders abgebildet sehen (Fig. 43ä). Der Süden ist die
Fig. 41a. Relief dfjr Westseite des
Steines von Huitzuco.
Fig. 12. Monument von Huitzuco. Südseite.
'/n natürl. Grösse.
Region des Feuers, also auch der Pein, der Kasteiung. Und Blatt 18 des
Codex Borbonicus ist das Blatt der Chaniäco, der Feuergöttin von Xochi-
milco, der in dem Tonalamatl herkömmlich erweise der sich Kasteiende,
der Büsser (Fig. 481»), gegenübergestellt wird.
Es bleibt nun noch die fünfte Seite, die Oberseite (Fig. 44), die
natürlich der fünften Weltgegend, der Mitte, der Richtung oben-
unten, entsprechen muss. Diese fünfte Weltgegend ist in den Bilder-
schriften sehr häufig durch eine menschliche Gestalt zum Ausdruck ge-
bracht, die kopfüber (tzontemor) in einem in der Kegel stark stilisierten
Erdrachen stürzt. Hier auf unserem Monumente sehen wir dafür die Toten,
die in das Reich der Erde, in d;is Totenreich Mictlan, eingehen, oder die
Priester Mictlantecutli's, die diesen Toten dienen. Wir sehen hier auch
— 283 —
wieder die beiden schreitenden Figuren, mit ausgebreiteten Armeu, ge-
öffneten Händen. Sie haben auch <lit> Lenden mit einem Tucbe um-
gürtet, auf dem Rücken haben auch sie das Tabaktfischchen yequa<l<<li.
und in dem Ohrläppchen steckt ein rnnder Pflock. Aber die Stirn ist
nicht von der königlichen Stirnbinde umschlossen, mit den darüber auf-
ragenden Enden des (irasstrieks, sondern zeigt den Schmuck Mictlan
terutli's, des Herrn der Unterwelt. — die beiden l'apierrosetten. das Stirn-
schild (ixquatechiTnalli) und das Efinterhauptschild {euexcochtechimalli). Sie
nehmen und bringen keine Gaben. Ihr Reich ist der Tempel, der sich
vor ihnen erhebt, der durch die Blumen an seinem First als «las XocJti-
calco gekennzeichnet ist, das Hans der Erde. Denn die Unterwelt war
den Mexikanern kein Ort der Strafe, wo die Sünder hinabgestürzt wurden, wie
Fig. 43a. Rohistengellaube.
Codex Borbonicus 18.
Fig. d.'ib. Der Büsser, gegenüber der Chantico.
Codex Borbonicus IS.
manche der mönchischen Berichterstatter, in christlichen Anschauungen
befangen, angeben, sondern ein Ort des Ausruhe -
ca ic cen onquiz — denn es ist zu Ende,
ca otonmovicac — du bist dahingegangen,
in quenamieun — nach «lern Orte, den niemand kennt.
& imovaian — dem Orte des Vergessens.
in vilovaian — wohin alle gehen,
in opockquiavaiocan — dem Orte, dessen Türen links (d. h. ver-
schlossen) sind.
in aüecalocan — aus dem keine Pfade hinaus (zu menschlichen
Wohnungen) führen
— heisst es im Anhange zum dritten Buche Sahaguns. Und von den
toten Königen wird in der Oronica mexicana Tezozomocs gesagt, dass sie
dahin gehen, wo ihre Väter und Vorväter auf ihren Betten ausruhen.
— 284 —
Das ganze Monument überhaupt, das ich hier beschrieben habe, ist
eine deutliche Widerlegung der neuerdings von Preuss aufgestellten
Theorie, dass die auf dem Opfersteine ihr Leben gelassen haben, und die
andern Toten im wesentlichen gleich behandelt worden seien, und alle
miteinander im Reiche des Feuergottes im Mittelpunkte der Erde ihren
Wohnort hätten l).
Als was haben wir nun dieses Monument anzusehen? Die vier
Himmelsrichtungen und die fünfte Weltgegend sind auf ihm, wie auf ver-
schiedenen anderen Denkmälern, angegeben, ohne Zweifel. Aber die Art
und Weise, wie diese Himmelsrichtungen hier charakterisiert sind, ist eine
besondere. Und diese muss uns den Schlüssel geben. Die Darstellungen
sind in ihrer Mehrzahl desselben Charakters, wie wir sie auf den zuvor
Fig. 44. Monument von Huitzuco. Oberseite. a/:. natürl. Grösse.
besprochenen Steinkisten, insbesondere den ersten beiden, gefunden haben.
Bei den Steinkisten aber liegt die Präsumption vor, dass sie Aschenkisten
waren oder die Reste der Totenerinnerungsfeier bargen. Auf eine
Toteneriunorunusfeier oder einen Totenkult weisen in der Tat auch die
Darstellungen auf dem Monumente von Huitzoco. Der Osten ist durch
die Seele des toten Kriegers und die Gaben, die ihm gebracht werden,
chiinikterisiert. Der Norden durch die Mitternacht, als die Zeit der
Kasteiung. Der Westen durch d;is Colhuacan, den Ort der Vorfahren.
Der Süden, die Region des Feuers, durch den Grasballen, das Zeichen
der Kasteiung. Die fünfte Weltgegend endlich durch die Toten, die in
das Reich der Erde eingehen.
1) Preuss, die Feuergötter. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in
Wien. Band 23 (der dritten Folge Ban<l 3),
— 285
Das ganze Monument ist augenscheinlich rein mexikanische!]
Charakters, stammt aber aus einem Gebiete, «Ins zum Teil schon fremd-
sprachlich ist, und schon ein ganzes Stück ii 1 »er die zunächst im Süden an
die Mexikaner grenzenden Tlalhuica hinaus liegt, an der grossen Heer-
und Verkehrsstrasse, die in das Tal <\*^ Kio de las Balsas, nach Acapuleo
und in die pazifische Tierra (Ja Heute, führt. Bei den Tlalhuica selbst und
ihren Nachbarn findet man einen ganz anderen, fremdartige Elemente
aufweisenden Kunststil, wie die Pyramide von Xochicalco und der Monolith
von Tenango beweisen1). Das von Mexikanern in lluitzuco errichtete
Monument hat daher vielleicht der Frinnerung einer Heerabteilung oder
einer Karawane reisender Kaufleute gedient, die hier der Hand der Feinde
erlagen. Die besondere Form, die diesem Monumente gegeben ist, und
insbesondere der Grasstrick, den wir hier, wie an den beiden zuvor be-
schriebenen Denkmälern die obere Kante umziehen sehen, weisen darauf
hin, dass diese Stücke eigentlich als Sitz gedacht sind, — wohl als
Steinsitz (momoztli), wie man sie dem Gotte Tezcatlipoca an Wegen und
Wegkreuzungen errichtete, von denen ich in meiner Abhandlung über die
Ausgrabungen am Orte des Haupttempels in Mexico2) einige besondere
Formen beschrieben habe. Tezcatlipoca war der Gott der Krieger und des
Kriegerhauses. Mit seiner Gestalt verbinden sich daher die Vorstellungen
von Tod und Opfertod. Und auf einem anderen bekannten Monumente,
dem guauhadcalli König Ticoc's, erscheinen die Seelen der toten Krieger
geradezu in der Gestalt des Gottes Tezcatlipoca.
.Mir Beziehung auf den Totenkult und die Ausschmückung, die ins-
besondere der Seele des toten (des geopferten) Kriegers, die in den Ost-
himmel einging, zukam, habe ich nun noch einen besonderen Fall zur
Sprache zu bringen, der zu Missverständnissen Anlass gebeu, und ge-
wissermassen als im Gegensätze zu der Auffassung stehend betrachtet
werden könnte, der ich oben an verschiedenen Stellen Ausdruck gegeben
habe. In dem Festkalender des Codex Borbonicus ist das fünfzehnte
Jahresfest, das Fest Uitzitopochtli's, das den Namen Panquetzaliztli „das
\ ii (stecken der Fahnen" führt3), merkwürdigerweise durch das grosse
Feuerfest, „das Fest des neuen Feuers", bezeichnet, mit «lern die
Mexikaner den Beginn einer ihrer 52jährigen Perioden feierten4). In der
Tat, man sieht am oberen Rande des Blattes (Codex Borbonicus 34). das
der Darstellung dieses Festes gewidmet ist, das Zeichen ome acatl „zwei
Rohr1', das Jahr, das die Mexikaner als das Anfangsjahr ihrer 52jährigen
Periode zählten. Und man sieht an der rechten Seite unten die in dem
Hause eingeschlossenen Frauen und Kinder, von den mit dem Speer be-
1) Selcr, Gesammelte Abhandlungen zur amerikanischen Sprach- und Altertumskunde
Hand II. Berlin (Asher & Co) 1904, S. 128ff. und S. 159.
2) Ibidem S. TuTff.
3 Auch Biendieta (Historia Ecclesiaatica indiana Buch 2, cap. L6] hat die Angabe,
dass das Fest des neuen Feuere am Panquetzaliztli stattfand.
4) Das ist in allen Einzelheiten schon von Francisco Del Paso y Troncoso in
seinem Kommentar zum Codex BorbonicuB (Floreni 1898) gana richtig erkannt worden.
Vgl. Torquemada, Monarquia Indiana 10, 33, U, p. 292— 295,
— -JSii —
waffneten, iu der Haustür sitzenden Männern beschützt, und in dem
grossen Tonkruge, dem Maisbehälter (cuezcomatl) eingeschlossen die
Schwangere, die von einem mit Schild und Obsidianschwert bewaffneten
Krieger bewacht wird. Es bestand nämlich die Vorstellung, dass, wenn
in der Nacht vor dem Beginn der neuen Periode es nicht gelänge, das
Feuer neu zu erreiben, die Welt zu Ende sein, vom Dunkel verschlungen
werden, die Menschen von den vom Himmel herabkommenden Finsterkeits-
dämonen, den Tzitzimime, gefressen werden würden, und dass in diesem
Falle die schwangeren Frauen, die ja den Tzitzimime in gewisser Weise
verwandt waren, da die letzteren als die Seelen der im Kindbett gestorbenen
Fig. 45. Die vier Morgenröten, am Feste des neuen Feuers, im Vanquetzaliztli
Codex Borbouicus 34.
Frauen galten, sich auch in Raubtiere, in Tzitzimime verwandeln und,
gleich diesen, die Menschen fressen würden. Und die Frauen und die
Kinder bedeckten sich deshalb auch in dieser ängstlichen Zeit das Gesicht
mit .Masken aus Agavepapier. Wir sehen deshalb in der Tat im Codex
Borbouicus die in den Häusern und in dem Tonkruge eingeschlossenen
Frauen und Kinder, und sogar die Hausväter und den bewachenden
Krieger mit blau gemalten Masken abgebildet.
Über diesen ängstlich harrenden Gruppen der Menschenfamilien aber
ist im Codex BorbonicuB der Akazienberg Uixachtecatl, der Berg von hta-
palapa, auf dem «Ins Feuer neuerrieben winde, in Hieroglyphe dargestellt,
und auf ihm der Feuerbohrer (inamalhuazüi), das Zeichen und das Werk-
zeug des neuen Feuers. Von ihm führen Fussspuren zu einem grossen
Hause, dessen Pfosten und Oberschwelle auf tiefschwarzem Grunde ein
— 287 —
weisses Andreaskreuz aufweisen, und in dessen [nnern in einem von
Zinnen umgebenen Feuerherde ein mächtiges Feuer brennt, dem vier
sonderbare Gestalten, die wir gleich zu besprechen haben werden, grosse
Holzhandel zu tragen (Fig. 4.')). ('her diesem Hause, das wir wohl als
Tlillan oder Tlillwncalco zu bezeichnen haben, und das die Nacht bedeutet,
aus dem das Feuer geboren wird, sehen wir den Gott des Festes TJitzil-
opochtli vor seinem Hause stehen, auf dem dir Fahne (pamitl), das Zeichen
des Festes, aufgepflanzt ist. Unter oder vordem Hause kommen in Langer
Reihe verschiedene Götter, ebenfalls Brennholzbünde] herantragend: —
an ihrer Spitze Qmtzalcoiiatl, der Windgotl and der Priestergott; dann
Tezcatzonrafh der Pulquegott; Tezcat/ipoca', X/pe Toter-, f.rt/ilton; Xnchipilli:
und als letzte Teteo irman, die alte huaxtekische Erdgöttin.
Die vier Figuren nun, die, in ganz gleichartiger Weise gekleidet und
ausgestattet, in Fig. 45 dem Feuer Nahrung zutragend zu sehen sind, von
Fig. 46. Tlaeäuepan, der
jüngere Bruder Tezeattipoca's.
Codex Borbonicus 26.
Fig. Loa.
denen ich die eine, in der Grösse des Originals, in Fig. 4öa, noch einmal
besonders habe abzeichnen lassen, haben offenbar die Tracht und den
Ausputz, den ich oben als den der Seele des toten Kriegers be-
zeichnet habe, and mit dem wir in der Tat in Fig. 26 (oben S. 262)
das Mumienbümlel ausgestattet sahen. Nur die Gesichtsbemalung ist eine
etwas andere, indem statt der tiefschwarzen halb maskenartigen, von
weissen Kreisen umsetzten Bemalung um das Auge, die die typische
„Sternhiminelgesirhtsheinalung" (mixdilalhmlicae) ist, da- Auge von einem
weissen Andreaskreuz auf schwarzem Grunde umschlossen ist. Das -
aber zweifellos kein fundumentaler Unterschied. Die eine, wie die andere
Bemalung bezeichnet den Sternhimmel, den Nachthimmel. Das ist recht
gut auf einem der in der ('alle de las Escalerillas gefundenen Räucher-
inilei zu sehen, den ich in der oben angefahrten Abhandlung über die
Ausgrabungen in .Mexico beschrieben habe. Auf diesem ist nämlich die
Unterseite mit dem Gesichte der fade bemalt, und darunter sieht man auf
•der einen Seite das vom Dunkel umgebene Vu-e. das Zeichen der Nacht
— 288 —
und des Nachthimmels; auf der anderen das weisse Andreaskreuz auf
schwarzem Grunde.
Nur in einer Einzelheit weicht die Tracht und die Ausstattung der
vier Figuren (Fig. 45) noch von der des tonatiuh ilhuicac yauh ab, das
sind die Binden aus Papier, mit denen Oberarme und Unterschenkel um-
bunden sind, und aus denen überall ein Büschel grüner Blätter empor-
ragt. In demselben Merkmale stimmen sie aber mit einer anderen Figur
des Codex Borbonicus (Fig. 46) überein, die auch das mixcitlalhuiticac,
die Sternhimmelgesichtsbemalung der Gottheit des Morgensterns, trägt,
und die, wie aus den Figuren sich ergibt, die im Codex Borbonicus an
dem Toxcatl-Feste auftreten, als Tlaeauepan, als der jüngere Bruder
Tezcatlipoca' s, zu bestimmen ist, vielleicht aber auch in gewisser Weise mit
Painal, dem Begleiter, Stellvertreter und Vorläufer Uitzilopochtlis sich deckt.
Tlaeauepan neben Tezcatlipoca und Painal neben Uitzilopochtli, den
jüngeren Brüdern dieser beiden Hauptgötter, die im Codex Borbonicus
regelmässig auch in kleinerer Grösse abgebildet sind, die als die Begleiter
und Genossen dieser grossen Götter, oder auch als ihre Herolde, ihre
Boten, ihre Vorläufer erscheinen, entspricht in den Bilderschriften kalen-
darischen Inhalts Tlauizcalpantecutli, die Gottheit des Morgensterns, neben
Ixcocauhqui, dem Feuergotte. Ich fühle mich berechtigt, die vier Figuren,
die an dem Feste des neuen Feuers an der Spitze der Brennholz heran-
tragenden Götter die Holzbündel in den Feuerherd werfen (Fig. 45),
'Tlauizcalpantecutli, der Gottheit des Morgensterns, gleich zu setzen, als
dessen Genossen sie durch ihren Ausputz, der der im Osthimmel weilenden
Seelen der toten Krieger ist, sich kundgeben. Ich schreibe ihnen die
Rolle von jüngeren Brüdern, von Genossen, Begleitern, Herolden des Feuer-
gottes zu, neben dem sie, da er der Herr der fünften Weltgegend oder
der Mitte, und damit zugleich auch der Naukyo tecutli, der Herr der Ge-
samtheit der Richtungen ist, in Vi erzähl erscheinen. Eine Stütze für
diese Anschauung finde ich in den sogenannten „vier Morgenröten" (las
quatro auroras), die Duran uns an zwei Stellen in der Tat als Begleiter
des Feuergottes nennt. Bei der Beschreibung des Sacrificio gladiatorio1)
erzählt er uns, dass nach dem mit einem Löwenfell bekleideten Alten
(d. h. nach dem cuetlachu<hi<\ dem „alten Wickelbär", der der Onkel der
Opfer ist) vier Personen erschienen seien, die eine weiss, die andere grün, die
dritte gelb, die vierte rot gekleidet, die man „die vier Morgenröten"
nenne, und mit ihnen wären Ixcocauhqui (der Feuergott) und der Gott Titla-
cauan, (das ist Tezcatlipoca) gekommen. Und an einer zweiten Stelle, bei
der Beschreibung des Opfers durch Krschiessen mit Pfeilen, das man nach
ihm am Ockpaniztli der Maisgöttin Chicome couatl brachte2), berichtet er,
d;iss die Speerwerfer in der Gestalt und der Kleidung der Götter Tla-
cauepan, Uitzilojwchtli, Titlacauan, des Sonnengotts (Tonatiuh), Ixcocauhqui &
lind der „vier Morgenröten" erschienen. Wer die Bedeutung der ver-
schiedenen Einzelheiten in der Tracht der vier Figuren (Fig. 45) kennt, und
sich der Beziehungen erinnert, die die Seele des toten Kriegers mit der Gott-
heit des Morgensterns verknüpfen, wird mir zugeben müssen, dass die „vier
1) Tratado 2°, cap. '.». — 2) Tratado 2°, <ap. II.
— 289 —
Morgenröten", d. h. die vier Tlauizealpan tetecutin, — denn tlauizcalli
„das Haus des Hellwerdens, des Kotwerdens'' ist die Morgenröte — in
den vier Figuren Fig. 45) einen durchaus entsprechenden figürlichen Aus-
druck gefunden haben. Mit der von mir vorgetragenen Auffassung der
Bedeutung des Schmuckes der Figuren auf der einen Schmalseite des
Monuments von lluit~uco (Fig. 37, oben S. 278) und ^w verwandten Dar-
stellungen stellen sie jedenfalls nicht in Widerspruch und sind eben nur
ein Beweis mehr für die Tatsache, dass in der Vorstellungswelt primitiver
Völker Dinge nebeneinander stehen, die uns auf den ersten Blick ganz
unvereinbar erscheinen.
Ich kann nun nicht unterlassen, noch ein Denkmal zu erwähnen, das
schon von Fernando Ramirez und Orozco y Berra, wenigstens be-
züglich des Hauptinhalts der Darstellung, ganz richtig gedeutet worden
ist, und das hierher gehört, weil auf ihm auch eine Darstellung ähnlich
denen der zuvor besprochenen Monumente sich findet. Es ist die 0,885 m
hohe, 0,605 m breite und etwa 30 cm dicke Steinplatte, die ich in Fig. 47
nach der von Orozco y Berra im ersten Bande der Anales del Museo
Nacional veröffentlichten Zeichnung wiedergebe.
In der Mitte der oberen Abteilung sieht man wieder den Grasballen
(cacatapayolli'), der hier, wie auf der vierten Seite des Steins von Huitzuco
in einer Rohrstengellaube steht. In ihm stecken zwei Agave-Blattspitzen,
an deren oberen Enden das Blut in doppelter Weise durch die Abbreviatur
der Hieroglyphe chalchiuitl und durch das Bild einer Blüte (xochül) zum
Ausdruck gebracht ist. Der untere Rand der oberen Abteilung wird von
einem Erdrachen gebildet, von dem spitze Zähne in die Höhe ragen, und
der auf den Wangen mit Sternaugen, die auf nächtlich schwarze Farbe
des Himmels hinweisen, verziert ist. Auf diesem Erdrachen steht links
der König Tigoc, durch die Hieroglyphe hinter seinem Kopfe bezeichnet.
Zur Rechten der König Auitzotl, in gleicher Weise durch die Hieroglyphe
hinter seinem Kopfe, das rattenähnliche Tier mit der Hieroglyphe Wasser
auf dem Rücken, gekennzeichnet. Beide sind in priesterlicher Tracht,
mit dem Wams (ancolli) der Priester bekleidet, das Tabaktäschchen
(yequachtli) auf dem Rücken tragend; und sie sind auf dem Scheitel mit
dem sich gabelnden Federschmuck der Krieger aztcucelli geschmückt. An
den Armen haben sie die Tasche für Räucherwerk (copalaiquipüli) hängen.
und mit dem Knochendolche (omitl) durchstechen sie sich das Ohr, von
dem das Blut in weitem Bogen heraus und unter dem Grasballen hin in
den eqxoc; öddvrcDv des Erdrachens fliesst. Zu den Füssen der beiden
Könige endlich steht je eine Räucherpfanne (ßemaitl), deren Griff wieder
in Gestalt eines Schlangenkopfes gearbeitet ist, und aus deren Becken eine
Rauchwolke sich kräuselnd erhebt. Über dem Grasballen sieht man das
Datum chicome acatl „sieben Rohr", und die ganze untere Hälfte des Steins
wird von dein in ansehnlicher Grösse ausgeführten Datum chieuei acut/
„acht Rohr" gefüllt.
Schon Fernando Ramire/, hat dies Datum „acht Rohr" als Bezeichnung
des Jahres 1487 der christlichen Zeitrechnung angesehen. Es ist das
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft .'. ]<i
— 290 —
zweite Jahr der Kegierungszeit König Auitzotfä, in dem dieser den Neubau
des grossen Tempels, der unter dem alten Motecuhcoma begonnen worden
war, und für den unter dem Vorgänger Auitzotfs unter König Ticoc, als
letztes Stück der grosse quauhxicalli- Stein gearbeitet worden war, feierlich
einweihte. Das Zeichen „Sieben Rohr", das in Fig. 46 über dem Gras-
ballen steht, sah Ramirez als den Namen des Tages an, an welchem diese
Einweihung; stattfand.
Fig. 47. Chicuei acatl „acht Rohr'' = A. D. 1487, das Jahr der Einweihung des grossen
Tempels in Mexiko und die Könige Tigoc und Auitzotl, sich sakriiizierend.
Der ersten Erklärung wird man sich ohne Bedenken anschliessen können.
In bezng auf die Deutung des kleinen, aber dem «H rasballen stehenden
Datums „Sieben Rohr" möchte ich bemerken, dass nach Chimalpain diese
Einweihungsfeier [am Tage naui acatl „vier Rohr" stattfand, und dass
demnach «las Datum „Sieben Rohr" vielleicht auch «las Jahr 1447 der
christlichen Zeitrechnung bezeichnen könnte, «las der Regierungszeit des
älteren Motecuhcoma angehört, und dass damit vielleicht der Beginn des
Neubaus des grossen Tempels gemeint sein könnte.
II. Verhandlungen.
Sitzung vom 19. März 1904.
Vorsitzender: Hr. Lissauer.
(1) Hr. Professor J. Kollmann in Basel, unser verehrtes kor-
respondierendes Mitglied, hat am 24. Februar seinen 70. Geburtstag ge-
feiert. Der Vorstand hat ihm im Namen unserer Gesellschaft die herz-
lichsten Glückwünsche ausgesprochen und der Jubilar dafür in warmen
Worten gedankt. —
(2) Hr. Salomon Rein ach dankt in dem folgenden Schreiben aus
Paris vom 24. Februar 1904 für die Ernennung zum korrespondierenden
Mitgliede:
Messieurs,
Je suis tres sensible ä l'honneur que m'a fait la Societe d'anthro-
pologie de Berlin en nie conferant le titre de correspondant et je la
prie d'agreer Texpression de nies sentiments de gratitude. Fidele lecteur,
depuis vingt ans, de la Zeitschrift et des Verhandlungen, je suis heureux
d'etre uni a une Societe qui a taut fait pour le progres des idees
scientifiques et raffranchissement methodique de la pensee.
Veuillez agreer, Messieurs, mes compliments empresses de nonveau
collegue
Salomon Reinach,
Membre de Hnstitut
Conservateur du Musee de Saint Germain.
(ii) Als neue Mitglieder sind gemeldet:
Hr. Dr. ( I räbner in Berlin,
Frau Syndikus Franka .Minden.
Hr. Dr. Maren, Grnnewald-Berlin.
(4) Unser Mitglied Er. Dr. Kieszling hat sich im Auftrage des
Deutschen archäologischen Instituts nach Griechenland begeben, um sich
dort geographischen und anthropologischen Untersuchungen zu widmen. —
(5) Als (iäste werden begrüsst: die lltiicn Professoren: Branco,
Wahnschaffe, Keilhack, Jentzsch, Reuleaux, W. Hartmann.
Baumeister Kampfmeyer und Dr. Stremme. —
in*
— 292 —
(6) Das Organisationskomitee des VI. Internationalen Zoologen-
kongresses, welcher vom 14. — 19. August d. J. in Bern tagen wird, ladet
die Mitglieder unserer Gesellschaft zur Teilnahme ein. Der Preis der
Mitgliedskarte ist auf 20 Mk. festgesetzt und an Hrn. Eugen v. Büren
et Cie. in Bern zu senden, alle Anfragen und Anmeldungen dagegen sind
„an den Präsidenten des Kongresses" in Bern, Naturhistorisches Museum,
Waisenhausstrasse zu richten.
Die 76. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte wird vom
18. — 24. September d. J. in Breslau tagen und wiederum eine Abteilung
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte bilden, deren Schrift-
führer Hr. Dr. Lustig ist, während die Herren Grempler, Thilenius und
Seger die Einführung übernehmen werden. Anmeldungen zu Vorträgen
und Demonstrationen werden an Hrn. Direktor Dr. Seger erbeten.
Eine Anzahl hervorragender Männer fordert durch einen Aufruf zur
Gründuug eines Bundes „Heimatschutz" auf, dessen konstituierende Ver-
sammlung am 30. März in Dresden stattfinden soll. Vorläufiger Geschäfts-
führer ist unser Mitglied Hr. Robert Mielke in Charlottenburg.
(7) Auf Anregung des Hrn. Oesten hat sich eine Kommission ge-
bildet, um die Stätte des alten Rethra in Mecklenburg-Strelitz aufzusuchen.
Unsere Anthropologische Gesellschaft hatte sich bereits im Jahre 1880
bis 1883 lebhaft mit dieser Frage beschäftigt, aber nirgends gründliche
Ausgrabungen veranstaltet. Hr. Oesten weist nun nach, dass der Wasser-
stand in den Seen, in welchen die Stätte des wendischen Heiligtums nur
gesucht werden kann, sich seit der Wendenzeit sehr gehoben hat und
daher erfolgreiche Forschungen nur durch Baggerung oder Untersuchung
mit dem Visitiereisen zu erzielen sein dürften. Diesen Gesichtspunkt er-
kannte die obige Kommission, welche sich am 6. März d. J. in Neu-
brandenburg als Rethra-Kommission konstituiert hat, als berechtigt an
und beschloss demgemäss, die Untersuchungen zunächst bei Neubranden-
burg an der Lieps und zwar auf dem Hanfwerder zu beginnen. Leitung
und Beaufsichtigung der Arbeiten wurde den Herren Oesten-Berlin und
Schlosser-Neubrandenburg übertragen und die Kosten auf den für diese
Vorarbeiten bewilligten Beitrag der Rudolf Vircho w-Stiftung angewiesen.
Die Kommission besteht aus den Herren: Beltz-Schwerin, v. Buchwald-
Neustrelitz, E. Krause-Berlin, Lissauer-Berlin, A.Meyer-Berlin, Mieck-
Prenzlau, Oesten-Berlin, Schlosser-Neubrandenburg, Voss-Berlin. —
Vorsitzender der Kommission ist Hr. Voss, Schriftführer Hr. Oesten,
Organ derselben die Zeitschrift für Ethnologie. —
(-S) Hr. Rösler in Tifiis berichtet in einem Schreiben vom 29. Januar
über
die Aufdeckung einer alten Nekropole in Baku.
In der Stadt Baku ist vor kurzem eine Entdeckung gemacht worden,
die für die Archäologie Transkaukasiens vermutlich von besonderer Be-
deutung sein wird. Ich kann darüber folgende, der offiziösen Zeitung
„Kawkas" entnommene Mitteilungen machen:
— 293 —
„Nahe der russischen neuen Kathedrale stiess 111:111 bei Vornahme von
Erdarbeiten auf eine unterirdische vorhistorische Begräbnisstätte. In einer
Tiefe von einigen Faden wurden mächtig«' Felsplatten blossgelegt, nach
deren Entfernung ein schachtartiger, treppenloser, aus Stein gemauerter
Eingang zum Vorschein kam. Dieser führte senkrecht 5—6 Faden in das
Innere der Erde. Unten befanden sich an zwei Seiten des Schachtes
(Nord und Süd) geräumige ausgemauerte Gewölbe, die eine Höhe von
zwei Faden hatten. In diesen Katakomben waren viele höhlenartige Wand-
nischen angebracht zur Aufnahme von menschlichen Überresten. Ferner
lagen auf dem Boden der Räume in zwei Reihen gegen ein Dutzend
zerfallener Skelette, bei denen Reste hölzerner Särge vorgefunden
wurden. Die Bestatteten waren mit dem Gesicht nach Osten gewandt.
Die Erde war mit Urnenscherben und Eisenschlacken durchsetzt. Bei
weiterem Aufgraben des Bodens auch an anderen Stellen zeigte es sich,
dass der ganze Platz dereinst ein grosses Grabfeld gewesen war, denn
überall grub man in jener Tiefe Denkmäler und Sarkophage auf. Die
Steinsärge trugen merkwürdige Zeichen in der Art flammender Kerzen
und Fackeln und dazu Keilinschriften. Die Gräber scheinen keinem
christlichen oder islamitischen Volke angehört zu haben, da weder Kreuze
noch arabische Schriftzeichen auf den Denksteinen vorkommen. Wie alt
diese Überbleibsel menschlicher Kultur sein müssen, erhellt schon aus der
bedeutenden Tiefe, in der sie sich befinden, wenn man in Betracht zieht,
dass die oberhalb liegenden Schichten der geologischen Formationen
sämtlich Schwemmland sind, was sich an den Parallelschichten leicht er-
kennen lässt. Der Gouverneur von Baku hat nach Besichtigung der Fund-
stätte einstweilen deren strenge Bewachung angeordnet und zugleich die
kaiserlich archäologische Kommission in St. Petersburg entsprechend be-
nachrichtigt mit dem Ansuchen, Sachverständige au Ort und Stelle zu
entsenden, um eine sorgfältige Untersuchung vorzunehmen."
Zu den vorstehenden Zeitungsnotizen bemerke ich noch: Sollte es
sich wirklich um Epitaphe in Keilschrift und um Feuerkult-Ornament auf
den Grabsteinen handeln, so läge ja die Möglichkeit nahe, anzunehmen,
dass die Nekropole aus der Zeit der zoroastrischen Lranier, der Bewohner
des alten Landstrichs Atropatene, stammt. —
(!>) Hr. Karl von den Steinen macht Mitteilungen aus den Be-
richten des Hrn. Dr. Theodor Koch, der im Auftrage des Kgl. Museums
für Völkerkunde und mit Unterstützung des Ethnologischen Hilfskomitees
eine Forschungsreise nach Südamerika
angetreten hat.
Hr. Koch hat sich zunächst nach Rlanäos begeben, und ist. nachdem
er dem Klima einen Tribut entrichtet harte, den Rio Xegro aufwärts ge-
fahren Ins /u seinem jetzigen Hauptquartier in San Felippe. Dies liegt
in der äusserston Nordwestecke von Brasilien, wo Brasilien. Columbien
und Venezuela znsammenstossen, kaum mehr als l/t-° nördlich des
Äquators. Südlich von San Pelippe mündet von rechts her der Rio Danpes
ein, der namentlich durch die Reise von Wallace bekannt geworden ist.
— 294 —
Ihm einigermassen parallel fliesst aus Nordwest von Sau Felippe der Rio
Icäna ein, dessen rechter Nebenfluss Aiary auf einer Strecke an den Uaupes
ziemlich nahe herantritt. Es folgen hier einige Auszüge aus den Kochschen
Berichten an das Museum:
Abreise mit dem Rio Negro-Dampfer von Manaos am 1. Juli 1903.
Rio Negro, 8. Juli 1903. Am Nachmittag des 6. Juli kamen wir in
Sa. Izabel an, fuhren den anderen Morgen weiter und befinden uns jetzt
gegenüber der schön geformten Serra de Icami. Die Bagage ist zum
Teil in grosse plumpe Batelöes übergeladen worden, die sie über die
Schnellen bringen sollen. Sie haben einen Sonnentoldo und eine Art
Verdeck, von dessen Höhe aus etwa ein Dutzend Ruderer das Fahrzeug
mit langen Rudern und Stangen lenken. Einer dieser Batelöes ist zur
Seite unseres Dampfers befestigt, ein anderer und zwei grosse Kanus
werden hinten nachgeschleppt. Die Besatzung besteht aus Baniwa und
Uerekena vom Rio Icäna. Ich begann gestern von letzteren die Sprache
aufzunehmen und erhielt bereits mit Hülfe ihres „Paträo" etwa 100 Wörter
für menschliche Körperteile. Es ist ein reiner Nu-Aruak-Dialekt und am
nächsten verwandt mit Bare und Baniwa, von denen es jedoch in vielen
Wörtern gänzlich abweicht. Am besten stimmt die Aufnahme überein
mit dem „Baniwa" von Rio Isanna von Wallace (bei Martins: Bei-
träge usw., Bd. II, S. 262/263). Vollendete heute mein Baniwa- Vokabular.
Es sind über 600 Wörter und 33 Sätze, ausserdem genaue zahlreiche An-
gaben über Konjugation und Pronominal-Konstruktionen. — Auch das
Bare -Vokabular geht heute oder morgen seinem Abschluss entgegen. Das
Uerekena-Vokabular hoffe ich in gleicher Weise zu vervollständigen, da
ich mit diesen Indianern noch in den nächsten Wochen auf der Reise
zum Alto Rio Negro-Uaupes zusammen sein werde. Diese Aufnahme
stellt sich insofern schwieriger, als die Leute fast kein Spanisch, sondern
nur Uerekena, Baniwa und Lingoa geral verstehen. Da helfe ich mir mit
meinem Baniwa-Vokabular, oder der Paträo verdolmetscht es ihnen aus
dem Spanischen in die Lingoa geral. Die Fahrt auf dem oberen Rio
Negro ist herrlich! Je weiter wir in die Serren hineinkommen, desto
frischer und gesunder wird die Luft. Welch ein Unterschied zwischen
dem Klima hier und in Manaos!
Rio Negro, 9. Juli. Wir passierten gestern und heute morgen mehrere
brausende Cachoeiras, die jedoch jetzt bei dem hohen Wasserstand leicht
zu durchfahren sind: Massaraby, Tun und heute Juanabäna. Die Gegend
wird immer reizvoller, zumal auch die Ufer jetzt dichter zusammenrücken.
Vor uns im Westen erstrecken sich die blauen Höhenzüge der Serra de
Curicuriari, mehrere Kuppen steil abfallend und spitz, wie Zuckerhüte.
Konnte heute mein Bare -Vokabular vollenden; es ist ebenso gross wie das
Baniwa-Vokabular. Es kostete grosse Anstrengungen, den Indianern die
Konjugation und Pronominal-Konstruktion (z. B. „mein Kopf, dein Kopf»
sein Kopf" usw.) klar zu machen, besonders die zweite Person Pluralis
(euere Köpfe); endlich kapierten sie, was ich wollte, und von da an ging
es flott vorwärts. - Auch mit den Uerekena oder Uareköna bin ich mit
etwa 100 Vokabeln weiter gekommen. Ich hoffe, sie noch am oberen
— 295 —
[cäna in wildem Zustand kennen zu Lernen, da ich vielleicht dorthin
einen Abstecher mache. Als echte Nu-Aruak nennen sie die Sonne:
„kämui" (Bare: ki; Bariwa: asida). In St. Gabriel and weiter oben werde
ich auch den Stamm der ...Maku" (Macüs) kennen lernen, vielleicht Ka-
raiben. (Die Uitoto nannten sich nach Crevaux selbst „Makuschi"
[Maconchi]). Es ist ein weitverbreitetes Volk, das von den übrigen
Stämmen verachtet und vertrieben wird. Auch am oberen Rio Branco
sollen sie vorkommen (nicht die Makusi, .Maknschi von Britisch Guyana).
Die Uitoto, die angeblich am oberen Üaupes-Codiari — ebenso wie die
kaiiyona — zu treuen sind, seilen von den colombianischen Seringueiros
arg dezimiert sein. — Die Kariyona arbeiten in den Seringales. Am
oberen Rio Tiquie* wurde mir ein Anthropophagen-Stamm „Parä" an-
gegeben.
San Feli|»|)e, 28. August 190H. Am 10. Juli kamen wir in Trinidade
an, dem Endpunkt der Dampferfahrt. Vom 10. bis 23. Juli lag ich dort
fest. Ich konnte selbst für gutes Geld kein Boot und keine Leute be-
kommen, zumal damals gerade die „Heiligenfeste" begannen, trotz des
christlichen Mäntelchens eine echt heidnische Komödie der vom Caehaca
arg korrumpierten Caboclobevölkerung. — Zum Glück konnte ich diese
unfreiwillige Wartezeit sehr nutzbringend verwenden. Ich photographierte
einige Bare vom Cariquiare, ebenso wie einige sogenannte „Baniwa" vom
Guaini'a (oberen Rio Negro) und Hess mir von ihnen ein halbes Skizzen-
buch mit interessanten Handzeichnungen füllen. Ausserdem photographierte
ich einen Araiina vom Rio Beni (Madeira), der leider seine Sprache ver-
gessen hatte, und Angehörige der Stämme Uanäna (Rio Caiary) und Maku
(Zuflüsse des oberen Rio Xegro zur Rechten). Von den beiden letzteren
Stämmen gelang es mir auch, umfangreiche Vokabularien aufzunehmen.
Beide Sprachen waren bisher völlig unbekannt. Die Uanäna widmen am
oberen Rio üaupes oder Rio Caiary, wie er hier fast allgemein genannt
wird, ungefähr zwischen den Cachoeiras Carurü und Yutica (vgl. die
Ooudreausche Karte: Cliutes du Rio üaupes), und sind noch sehr wenig
von europäischem Einfluss berührt. Die Sprache ist am nächsten ver-
wandt mit dem Tukano des unteren Rio üaupes und dem Kobewa des
Rio Guduyary (Xebenrluss des Rio Caiary-Uaupes zur Linken). („Cohens"
bei Wallare: Xarrative of travels on the Amazon and Rio Xegro, London.
L853, ]>. ö0!>; zu Tukano vgl. auch H. A. Coudreau: La France equi-
noxiale, Bd. II, und Franz Pfaff: Verhandlungen der Berliner Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Jahrg. 1890, S. 603 ff.).
Mit dem Kobewa oder Kobeua des Kio Cuduyary verbinden das Uanäna
sowohl wie das Tukano nur wenige Anklänge.
In dem Maku, von dem ich ein Wörterverzeichnis nahe der Mündung
des Rio Curicuriari aufnahm, fand ich zu meiner grossen Freude eine
ganz neue Sprache, die — meines Wissens in Südamerika ohne jede
Verwandtschaft dasteht und sehr primitiv zu sein scheint Die Maku sind
ein grosser Stamm von riesiger Ausdehnung, der anscheinend in eine
Menge Subtribus zerfällt, die verschiedene Dialekte sprechen. Sie wohnen
auf dem reohten Ufer des Rio Xegro und wurden mir angegeben an den
- 296 —
Nebenflüssen: Jurubaxy, Marie, Curicuriari, Tiquie (Nebenfluss des Uaupes
zur Rechten), Uaupes und Papuri (Nebenfluss des letzteren zur Rechten).
Ihr Hauptzentrum scheint der Rio Curicuriari zu sein, ein ansehnlicher
Nebenfluss des Rio Negro zur Rechten, der in der Nähe des Rio Uaupes
entspringt, westöstlich etwa parallel dem Hauptstrom fliesst und etwas
unterhalb Triuidade mündet.
Das oben angegebene Gesamtgebiet der Makü, soweit ich es bis jetzt
erfahren konnte, erstreckt sich über fünf Grade westl. Länge von Paris
(nach der Coudreauschen Hauptkarte etwa von 68° bis 73°), doch
scheinen sie bis zum oberen Yapurä zu reichen. Es sind echte Wald-
indianer (Indios do Matto), die von den anderen Stämmen verachtet und
öfters attackiert werden, diesen als Sklaven in der Feldarbeit dienen und
von ihnen wie Haustiere verhandelt werden. Ein Maküjimge gilt eine
Flinte und weniger. Die Makü haben Bogen mit verschiedenen Sorten
Pfeilen, darunter, wenn ich nicht irre, Giftpfeilen mit Taquara-Spitzen.
Blasrohre mit Gaftpfeilchen und Keulen, die Stämme des Inneren auch
noch Steinbeile. Bisher gelang es mir, von einem älteren Makü vom
unteren Curicuriari, zwei jungen Weibern und einigen Kindern von Tiquie
gute photographische Aufnahmen zu machen.
Die Sprache ist sehr undeutlich, die Wörter werden zum Teil kurz
abgehackt gesprochen, wohl auch infolge der vielen Konsonanten-
Endungeu.
Ich fahre nun in meinem Reisebericht fort:
Am 23. Juli konnte ich endlich in einem Bateiao, den mir der Super-
intendente von Säo Gabriel geschickt hatte, von Triuidade abfahren, doch
musste ich ihn bereits am 25. Juli oberhalb Camanäos mit meinem ganzen
Gepäck verlassen, da er in den Cachoeiras ein starkes Leck bekommen
hatte und ich bei einer Reise durch die sehr gefährlichen Cachoeiras
weiter oberhalb nicht die ganze Expedition auf das Spiel setzen wTollte.
So lag ich nun hier wiederum fest, vierzehn lange Tage, in einem elenden,
nach allen Seiten offenen Indianerschuppen, der gegen die jeden Tag und
fast jede Nacht niedergehenden schweren Wetter mit Sturm nur ganz un-
genügenden Schutz gewährte. Der Führer der nach Säo Gabriel zurück-
gesandten lecken Bateläo, der in wenigen Tagen mit einem neuen Boot
mich abholen wollte, hielt sein Versprechen nicht, und so war ich denn
gezwungen, am 6. August im Kanu zum Subprefecto unterhalb Camanäos
zu fahren und ihn auf Grund meiner Empfehlungen vom Gobernador des
Staates Amazonas um ein grösseres Boot zu ersuchen, was ich auch nacli
Überwindung anderer Schwierigkeiten erhielt.
.Mit leichter Bagage, die genau für die voraussichtlich vier Monate
währende Heise nach dem oberen Icäna berechnet ist, fuhr ich endlich
am 8. August ab und gelangte nach glücklicher Überwindung zahlreicher,
zum Teil sehr gefährlicher Cachoeiras nach dem „Städtchen" Säo Gabriel,
das nach der Co u d reauschen Karte unmittelbar ;iuf dem Äquator liegt,
nach Stradelli etwas unterhalb der Linie. — Säo Gabriel ist ein
erbärmliches Nest fast ohne Einwohner; die Häuser sind zum grossen
Teil verlassen und liegen in Ruinen; die wenigen Bewohner haben selbst
— 297 —
nichts zu essen; hier herrscht das umgekehrte Verhältnis wie gewöhnlich:
die Einwohnerschaft nährt nicht die Durchreisenden, sondern wartet, bis
diese ihnen Lebensmittel bringen. Doch — Sau Gabriel ist der Sit/, der
Regierung, eines Superintendenten mit einer Leibwache von fünf Polizei-
soldaten und eines Prüfokteii, der jedoch jetzt nicht anwesend i-t und von
dem Subprefecto unterhalb Camanäos vertreten wird. Die Umgebung des
Städtchens ist sehr reizvoll: dicht dabei erhebt sich eine steile Anhöhe,
eigentlich ein einziger riesiger Felsblock, der von den Ruinen einer
Festung aus alter, besserer Zeit gekrönt wird. Die, wie das Innen', von
äppiger Vegetation überwucherten Umfassungsmauern sind in unregel-
mässigem Fünfeck angelegt und noch bis zu den Schiessscharten wohl er-
halten. Im Innenraum, vom Gestrüpp halb versteckt, liefen an mehreren
Stellen alte, plumpe, eiserne Kanonenrohre, zum Teil vom Rost zerfressen
und zerbrochen, umher, die anscheinend aus dem Ende des 17. oder An-
fang- des 1<S. .Jahrhunderts stammen, zu welcher Zeit hier eine portugiesische
Kolonie bestand.
Die „Fortaleza" muss früher ein strategischer Punkt erster Ordnung
gewesen sein; nach allen Seiten beherrscht sie, an einer scharfen Volte
des Flusses gelegen, weithin die Umgegend.
Die Aussicht von der Höhe ist wundervoll: Im Osten, jetzt in weiter
Ferne verschleiert, erblickt man die schroffen Abfälle der Serra de Curi-
curiari; im Westen hebt sich das sphinxähnlich geformte Cabari-Gebirge
scharf vom Horizont ab. Dahinter erkennt man andere Höhenzüge —
Serren des Uaupes — , am Fuss des Felsens liegen zerstreut die hellen
Häuschen von Säo Gabriel, braune Palmstrohhütten auf den zahlreichen
Inseln im Strom; weit unten braust in gewaltigem Absturz und riesigem
Wogenschwall die Cachoeira da Fortaleza, die bedeutendste und gefähr-
lichste der Stromschnellen des Rio Negro; dazu herrscht hier oben trotz
der Hitze des Äquators eine reine gesunde Gebirgsluft! — In allem ein
herrliches Bild, eine herrliche Gegend!
Am 18. August brachte mich ein Boot des Superintendenten glücklich
durch die letzten Stromschnellen des Rio Negro nach der Populacaö Saö
Pelippe,- dem Sitio des Don Germano Garrido y Otero, wo ich am
22. August ankam und in dem gastfreien Haus des Besitzers, eines leb-
haften älteren Herrn, der eine für hiesige Verhältnisse staunenswerte
Bildung besitzt, die liebenswürdigste Aufnahme fand. Saö Pelippe, etwas
unterhalb der Mündung des Rio Ieana gelegen, bildet eine wohltätige
Ausnahme in den verlotterten Zuständen des Rio Negro. Don Germano,
ein geborener Spanier, hält unter seinen Leuten. Banfwa-Indianer vom
Rio Icana, vortreffliche Disziplin und kann als der Herr in diesem Gebiet
gelten, ohne dessen Zustimmung und Unterstützung ein Findringen in den
[cana und seine Nebenflüsse unmöglich ist. [ch traf es insofern günstig,
als in den nächsten Tagen (den ersten Tagen des September) der eine
Sohn Don (iermanos mit einem grösseren Boot den [cana aufwärts fährt
und ich diese Gelegenheit benutzen kann, um bis zum Beginn der Strom-
schnellen (bis zur ersten CachoeiraTonohy) zu gelangen, wo ich mir hoffentlich
Kanus kauten und Ruderer engagieren kann, tue mich in die Nebenflüsse und
— 298 —
weiter hinauf in die Cabeceiras bringen. Ich wählte den Icäna deshalb
zum Ausgang meiner Operationen am oberen Rio Negro, weil an ihm
seit alten Zeiten eine ganze Reihe Nu-Aruakstämme sitzt, die ihre eigen-
artige Kultur, ihre Sitten und Gebräuche treu bewahrt hat. Was ich bis
jetzt von Erzeugnissen ihrer in den alten Nu-Aruak-Mustern reich orna-
mentierten Keramik gesehen habe, hat mich entzückt, und hoffe ich, von
dieser Reise mit reicher Ausbeute zurückzukehren.
Der letzte Bericht ist datiert von San Felippe 1. Februar 1904.
Am 28. September 1903 brach ich mit meinem deutsch-brasilianischen
Diener von Saö Felippe auf und verfolgte mit Hülfe der Indianer den
Rio Icäna und seinen bedeutendsten rechten Nebenfiuss Rio Aiary, bis
in dessen Cabeceiras zur gewaltigen Yakare-Cachoeira, einem Salto in
zwei Abstürzen von über 10 m Höhe, der zugleich die Grenze des be-
wohnten Gebietes bildet.
Die Indianerstämme des Rio Aiary: Oaliperidäkeni, Huhüteni
und Kobeua traf ich noch sehr wenig berührt von europäischem Einfluss
und in ursprünglicher Ausübung ihrer alten Sitten und Gebräuche, und
konnte bei einem drei Monate währenden, freundschaftlichen Verkehr mit
ihnen zahlreiche interessante Beobachtungen über ihr Leben und ihre An-
schauungen gewinnen.
Tom oberen Aiary unternahm ich, während ich meinen Deutsch-
brasilianer mit der Bagage einstweilen flussabwärts schickte, mit einigen
Indianern eine Überlandtour zum Rio Caiary-Uaupes, der hier sehr
nahe an das Flussgebiet des Icäna herantritt, und hielt mich etwa acht
Tage in den grossen Malokas des noch unerforschten Stammes der Uanfina
auf. Mit Hülfe dieser Indianer durchfuhr ich dann flussabwärts eine
ganze Anzahl zum Teil sehr schlimmer Cachoeiras des Uaupes, so die von
Yacare, Tapira-ierao, Iacamy, Matapy, Uainamby, Tuy, Jandü,
umging die wütende Carurü-Cachoeira über Land — der Uaupes be-
steht grösstenteils sozusagen aus einer fortgesetzten Cachoeira — , und
kehrte auf einem anderen Indianerpfade, der unterhalb der Carurü-
Cachoeira seinen Ausgang hat, zum Aiary zurück.
Am 22. Dezember 1903 trat ich die Rückreise an und gelangte am
8. Januar 1904 wieder wohlbehalten nach Saö Felippe.
Was nun die greifbaren Ergebnisse dieser meiner ersten Reise betrifft,
so gelang es mir, ausser mehreren hundert grösstenteils wohlgelungenen
Photographien von Typen, Szenen und Landschaften, sowie umfangreichen
Vokabularien der Idiome aller von mir besuchten Stämme: Katapolitani,
Oaliperidäkeni, Kumätaminanoi, Kobeua und Uanfina, die sämtlich
bisher unbekannt waren, eine Sammlung von etwa 500 Gegenständen des
indianischen Lebens, darunter über 100 schön gemusterte Töpfe, Schalen
und Körbe, Erzeugnisse der hochentwickelten Keramik und Flechtkunst
der Icäna-Indianer, und über 30 Maskenanzüge der Kobeua zu erwerben,
die aus weichgeklopftem Baumbaststoff höchst originell verfertigt und mit
bunten Mustern bemalt Tiere und Geister darstellen.
Ich wohnte in den grossen Malokas der Kobeua zwei Maskentanzfesten
bei, konnte die meisten dieser Tänze photographieren und ihre tiefere
— 299 —
Bedeutung genauer feststelle!), die «1er Forscher bei einem flüchtigen
Aufenthalt nur zu leicht verkennt. -- Diese Kobena sind vor Zeiten vom
nahen Caiary-Uaupes zum Mary eingewandert, An den oberen linken
Nebenflüssen des Uaupes: Rio Querary und Rio Cuduiary verharrt
nocli jetzt die Hauptmasse dieses grossen Stammes in ihren alten Sitten
und Gebräuchen, unter denen die Maskentänze und ein gewisser Endo-
Kaunibalisinus — sie sollen die pulverisierten Gebeine ihrer verstorbenen
Angehörigen im Kaschiri zu sieh nehmen — wohl die interessantesten
sind. Auch andere Stämme des Uaupes, so die Arapäso. hätten, me
mir erzählt wurde, .Maskentänze, so dass die Ausbeute meiner bevor-
stehenden l'aupesreise eine reichliche zu werden verspricht.
Die Sammlung habe ich hier in Sau Pelippe in 17 grosse Kisten und
Ballen verpackt und hoffe, sie schon in den nächsten Tagen nach Manäos
schicken zu können, so dass sie etwa im April d. J, an das Museum ge-
langt. Bei der Verpackung habe ich die möglichste Sorgfalt angewandt
und hoffe, dass alles in gutem Zustand ankommt,
Morgen (2. Februar) gedenke ich mich zum Rio Curicuriary zu
begeben, einem noch unerforschten Xebenfluss des Rio Negro zur Rechten,
um dort den primitiven Stamm der Makü („indios do matto") näher kennen
zu lernen, von deren Sprache (s. oben) ich bereits im vorigen Jahre eine
Wörterliste aufnehmen konnte. Ich rechne auf diese Reise 172 bis
2 Monate, so dass vor Mai 11)04 keine weitere Nachricht von mir nach
Berlin gelangen kann.
(10) Hr. Lissauer legte
die Sammlung der „Tertiär-Silex" des Hrn. Klaatsch
mit folgenden Worten vor:
Ursprünglich hatte Hr. Klaatsch den dringenden AVunsch, diese
Sammlung heute selbst Ihrer Prüfung zu unterbreiten; da er aber durch
seine plötzliche Abreise nach Australien daran verhindert worden ist, so
bat er mich, diese Aufgabe zu übernehmen.
Schon im vorigen Jahre (Zeitschrift f. Ethnol. 1903, S. 128) hatte
Hr. Klaatsch einzelne Stücke der Sammlung, welche aus Süd-Frankreich.
Dep. Cantal, herstammten, hier vorgezeigt und damals nur sehr schüchtern
und vorsichtig den Ausspruch gewagt, dass durch dieselben die Existenz
des Menschen im oberen Miocän erwiesen werde. Allerdings waren die
Stücke sowohl quantitativ wie qualitativ nicht überzeugend. Seitdem hat
Hr. Klaatsch nicht nur die südfranzösischen Fundstätten in Cantal noch-
mals besucht, sondern auch eine Fundstätte auf dem Kreideplateau von
Kent und Sussex in Süd-England bei Eastburne am Beachy Head selbst
aufgesucht und eine grössere Zahl der primitivsten Manut'akte dort ge-
sammelt, so dass er in seiner früheren Ansicht nur mehr bestärkt worden
ist. In der Tat zeigen diese letzteren viele retouehierte Stücke und auch
solche mit einer Spitze zwischen zwei Einbuchtungen, auf deren Be-
deutung Hr. E. Krause zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt hat.
Beide Fundstätten sind aber nach seinem Bericht zweifellos Tertiär-
schichten, in Cantal liegen sie unter einer Lavadecke erloschener Vulkane
— 300 —
aus der Pliocänzeit, am Beachy Head ausschliesslich auf den Höhen des
Chalkplateaus, während auf den Hängen der erst später durch fluvio-
glaciale Erosion eingeschnittenen Täler sich bereits paläolithische Geräte
vorfinden und die neolithischen Silexmanufakte gleichmässig über Berg
und Tal verbreitet sind.
Ausser diesen Momenten bewog uns noch ein anderer Grund, die
Sammlung heute hier vorzulegen. Seit dem ersten Vortrage des Hrn.
Klaatsch hierselbst hat sich die Stimmung der Gelehrten weit sehr zu
Gunsten der Anerkennung der Eolithen als Manufakte geändert und von
dieser Anerkennung hängt ja in erster Reihe das Ergebnis jeder Prüfung
der Tertiär-Silex ab. Den unablässigen Bemühungen Seh wein furths,
Rutots, Klaatschs und E. Krauses ist es zu verdanken, dass die
Zweifel an dem Manufakt-Charakter der Eolithen immer mehr weichen;
— einen grossen Fortschritt auf diesem Wege haben wir aber in den Be-
obachtungen und Versuchen des Hrn. v. Luschan in Ägypten zu ver-
zeichnen, über welche er uns noch heute selbst berichten wird.
Dagegen sind gerade in der letzten Zeit Bedenken anderer Art auf-
getaucht. Die Herren Ranke und Fritsch haben mit Recht darauf
hingewiesen, dass solche retouchierte Silex zu den verschiedensten Zeiten
bis zum heutigen Tage angefertigt worden sind (Korrespondenzblatt der
deutschen anthrop. Ges. 1903, S. 137 ff.); es hängt daher alles davon ab,
ob die Stücke in primärer Lage sich befanden und ungestörten Schichten
entnommen sind. Das kann aber nur die geologische Untersuchung an
Ort und Stelle lehren und muss in jedem einzelnen Falle festgestellt
werden.
Vom anthropologischen Standpunkte steht ja nichts der Ansicht im
Wege, dass der Mensch oder seine Vorfahren in der Tertiärzeit im Süden
Frankreichs und Englands und auch in der Interglazialzeit nicht bloss am
Rande der Vereisung, wie in Taubach, Thiede, Westeregeln usw. gelebt
hat, sondern dass einzelne Horden auch weiter nördlich vorgedrungen
sind, — allein auf die blosse Möglichkeit kommt es hier nicht an, sondern
auf den wirklichen Xachweis seiner Existenz. Allerdings können wir aus
solchen Funden nicht auf seine körperliche Beschaffenheit schliessen;
allein sie lehren uns doch die erste Stufe in der Entwickelung des „Werk-
zeuges" kennen. Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnen diese Funde
auch für die Anthropologie die grösste Bedeutung. Sie lehren uns aber
nicht nur, welches die ersten Werkzeuge waren, die der Mensch sich ver-
fertigte, sondern auch, wie vielerlei Arbeiten damit ausgeführt werden
konnten und wie dadurch sich eine weitere Differenzierung und Ver-
vollkommnung der Werkzeuge herausbilden musste, ein Studium, mit
welchem die Herren Seh weinfurtli und Krause sich besonders be-
schäftigt haben.
Es sind also wesentlich geologische und technische Gesichtspunkte,
von denen aus diese Silex geprüft werden müssen. Um nun eine ein-
gehende Prüfung zu ermöglichen, haben wir bereits seit einer Woche eine
Ausstellung dieser Feuersteingeräte aus verschiedenen Sammlungen ver-
anstaltet und unsere ersten Fachmänner eingeladen, dieselbe zu besuchen,
— 301 -
um deren Urteil hier zu vernehmen. Hrn. Eduard Krause spreche ich
aber im Namen des Vorstandes unseren besten Dank aus für die grosse
Mühewaltung, der er sich zu diesem Zwecke unterzogen hat.
Diskussion.
Hr. Keilhack: Ich glaube, wir dürfen der Anthropologischen Ge-
sellschaft dankbar sein, dass sie es uns ermöglicht hat, diese verschieden-
artigen als Eolithe gedeuteten Funde im Zusammenhange zu prüfen.
Wenn ich nach dieser Prüfung mein rein subjektives Urteil aussprechen
soll über das, was ich an zwei Vormittagen dieser Woche gesehen habe,
so lautet es dahin, dass ich fest überzeugt bin, dass ein grosser Teil der
von Hrn. Prof. Klaatsch gesammelten französischen Stücke und der aus der
Rutotschen Sammlung stammenden belgischen Stücke Produkte. Werk-
zeuge sind, die von einem denkenden Wesen in bestimmter Absicht er-
zeugt sind. Weniger sicher sind mir die Funde, die ich von dem Plateau
von Kent gesehen habe, und vollkommen skeptisch stehe ich denjenigen
Stücken gegenüber, die in der Umgegend von Berlin, in Britz, Rixdorf
und Rüdersdorf gesammelt worden sind. Ich kann die Funde von diesen
Stellen nicht irgendwie als beweiskräftig ansehen. Dagegen habe ich
noch heute die grosse Freude gehabt, eine Reihe von Sachen zu sehen,
die ebenfalls aus Xorddeutschland stammen, und zwar aus der Magdeburger
Gegend; es sind das die von Hrn. Dr. Hahne gesammelten Eolithe.
Darunter findet sich eine so grosse Zahl von Stücken mit regelrecht
orientierter feiner Bearbeitung, dass man gar nicht zweifelhaft sein kann,
dass sie Produkte menschlicher Tätigkeit darstellen.
Die zweite Frage, um die es sich hier handelt, ist die nach dem
Alter. Ich halte die Altersbestimmung der Schichten, aus denen die Funde
aus dem Departement Cantal stammen, noch nicht für erledigt. Es heisst
dass die Lavaströme, welche diese Lagerstätte überdecken oder vielmehr
in Form einer grossen Scholle, wenn ich recht verstanden habe, ein-
schliessen, plioeän sind. Indessen der Vulkanismus hat in Mitteleuropa,
z. B. in der Eitel, noch bis in die Lösszeit hineingespielt: am Laacher
See finden wir Löss abwechselnd mit Bimsstein. Daher ist es durchaus
nicht ausgeschlossen, dass der Vulkanismus in diesen Teilen Frankreichs
ebenfalls bis in die Zeit des späteren Diluviums hinein angedauert hat,
so dass also die Überlagerung durch eine Lavadecke für die Sicherstellung
des tertiären Alters — wenn ich nicht irre, wurde sogar von mioeänem
Alter gesprochen — in keiner Weise ausreicht.
Dann wird angeführt das Zusammenvorkommen der bearbeiteten
Feuersteine mit einer mioeänen oder altpliocänen Fauna. Das wird in
den meisten Fällen wohl ein genügendes Kriterium sein, aber nicht, wo
es sich wie hier um eine Sache von so enormer Wichtigkeit handelt: da
muss man sicherere Kriterien haben. Denn da die tertiären Säugetier-
reste sieh in einer v<>m Wasser abgelagerten Schicht finden, so ist von
vornherein die Möglichkeit nicht wegzuleugnen, dass sie sich auf sekundärer
Lagerstätte befinden und dass sie aus ihrer primären, tatsächlich tertiären
Lagerstätte in einer späteren Zeit hinweggeführt und an ihrer jetzigen
— 302 -
Stelle wieder abgelagert worden sind. Also für die Funde in Cantal
scheint mir der Beweis des tertiären Alters der sie bergenden Schicht
nicht erbracht zu sein.
Wegen der Lagerstätte auf dem Plateau von Kent bin ich erst recht
im Zweifel. Denn der Umstand, dass diese Funde sich beschränken auf
eine Hochfläche und dass sie in den in sie eingeschnittenen Tälern fehlen,
bezeugt meines Erachtens noch nicht ihr tertiäres, alt-plioeänes Alter.
In einer Frage von so hervorragender Wichtigkeit müssen wir doch un-
bedingt erwarten, dass man uns das Alter in einer etwas sichereren Weise
demonstriert, nämlich durch das Alter von Schichten im Liegenden und
im Hangenden. Hier ist aber nur bekannt, dass das Liegende von Kreide-
schichten gebildet wird, während ein Hangendes nicht bekannt ist. Damit
kann man stratigraphisch nichts anfangen.
Über die belgischen Funde möchte ich mich nicht äussern, weil ich
mit diesen Lagerstätten nicht genügend vertraut bin und diese Verhältnisse
noch nicht hinreichend studiert habe.
Was die in Deutschland gemachten Funde des Hrn. Dr. Hahne be-
trifft, so ist hier das Alter der Lagerstätte dadurch sehr genau fixiert,
dass in ihrem Hangenden sich der Löss mit seiner Steinsohle befindet,
und dass in ihrem Liegenden, unter den die Feuersteinfunde einschliessenden
Sanden eine Grundmoräne folgt; und wenn wir nach der jetzt üblichen
Anschauung die Steinsohle unter dem Löss und den Löss selbst als
Äquivalent der Sedimente der jüngsten Eiszeit betrachten und den darunter
liegenden Geschiebemergel als Produkt der Haupteiszeit, so kommen wir
zu dem Schlüsse, dass die zwischen beiden liegende Schicht dem jüngeren
Interglazial angehören würde; diese Altersbestimmung deckt sich mit früheren
Funden, gegen welche sich nichts einwenden lässt.
Vom geologischen Standpunkt aus käme es nun wesentlich darauf an,
zu erkennen, ob in diesem Komplex von Sanden und Schottermassen, der
sich zwischen zwei glazialen Schichten einschiebt und der selbst ein Ab-
satz von strömenden Gewässern ist, sich tatsächlich eine alte Landober-
fläche befindet in der Weise, dass der untere Teil dieses Schichten-
komplexes vielleicht von Schmelzwässern des sich zurückziehenden Inland-
eises der Haupteiszeit abgelagert worden ist, dass dann auf diesen Sedi-
menten wührend einer Interglazialzeit die Kultur des damaligen Menschen
mit ihren ganz unzweifelhaften Resten sich ausbreiten konnte, dass mit
dem Herannahen der zweiten Eiszeit eine neue fluviatile Sedimentbildung
stattfand, welche diese Reste überdeckte und dass darüber erst die
jetzt verwaschene Rückstandsdecke der Moräne der letzten Eiszeit sich
ausbreitete. Diese Frage wird sich, wenn man erst eine grössere Reihe
von Aufschlüssen hat, mit ziemlicher Sicherheit entscheiden lassen. Wenn
sich wirklich in diesem Komplex von gleichmüssigen Sanden und Kiesen
eine intergla/.iale Oberfläche einschaltet, dann muss man ausser diesen
Feuersteinen auch noch Spuren einer lange Zeit andauernden Einwirkung
der Verwitterung erkennen. Wir werden also auf dieser Oberfläche eine
Zersetzungs/.one der Mineralien feststellen können, die sich an dem Aufbau
der Sand«; und Kiese beteiligen, sowie manche anderen Erscheinungen,
— 303 —
die wir als die Folgen einer lange andauernden Einwirkung der Atmo-
sphärilien berechtigt sind zu deuten. Diese Fragen werden durch Spezial-
untersuchungen jedenfalls gelöst werden können.
Wir halten allen Grund, Hrn. Dr. Hahne sehr dankbar zu sein, denn
er träo-t uns durch seine Funde; ein neues Moment in die Erforschung
unseres fossilarmen Diluviums hinein, welches von dem allergrössten
Interesse zu werden verspricht.
Hr. Hahne: Vor etwa einem Jahre habe ich hier die ersten mut-
masslichen Feuersteinmanufakte aus dem norddeutschen Diluvium vor-
ireleirt, welche ich damals ;nif Veranlassung von Prof. Klaatsch gesucht
und dann auch gefunden habe. Klaatsch war von seiner Reise nach
Belgien und Frankreich nach Deutschland zurückgekehrt mit dem Ge-
danken, auch bei uns im Diluvium müssten doch solche Dinge vorkommen,
die aus den nicht von der Eiszeit berührten Ländern als Eolithen bekannt
sind. Studien bei Kutot in Brüssel hatten den Gedanken in ihm zur Ge-
wissheit erhoben, dass das, was wir bei uns als Interglaziale bezeichnen,
zeitlich und stratigraphisch übereinstimmen müsste mit einer Schicht im
belgischen Diluvium, in welcher Rutot Eolithen einer bestimmten Art ge-
funden hatte. Klaatsch hat zunächst im Anfang vorigen Jahres in
Rüdersdorf und Britz gesucht, teilweise mit mir zusammen. Wir haben
damals sehr wenig gefunden; allerdings einige Stücke von diesem Wenigen
glauben wir doch nach unseren bisherigen Anschauungen als Artefakte
deuten zu müssen, da sie bestimmte Eigenheiten zeigen, die eben nach
unserer derzeitigen Auffassung Artefakte zeigen müssen, um sich von
Naturprodukten zu unterscheiden.
Diese Auffassung ist natürlich zunächst gewonnen an jenen bei uns
noch wenig genau bekannten Eolithen aus „eiszeitlosen" Ländern. Die
Geologen jener Länder haben keine „natürliche" in ihrem Diluvium be-
gründete Erklärung gefunden für jene Eigenheiten; wir sind also berechtigt,
dies zunächst zu akzeptieren. Die Eigenheiten der Stücke lassen sich
nicht in kurzen Worten präzisieren; ich verweise auf Rutots und andere
Schriften. Die Arbeitsweise ist keineswegs identisch mit neolithischen
Artefakten, wenn auch manches übereinstimmt (bulbe de percussion,
eclats etc.). Im anerkannten Paläolithikum andererseits (Chelleen etc.) ist
eine Stufenfolge der Bearbeitungsweise des Steines zu verfolgen, welche
nach abwärts zu der der Eolithen führt. (So zeigt auch /.. B. der Chelleen-
schaber eine „eolithische" Technik gegenüber dem typischen Chelleen-
keil!) Im wesentlichen handelt es sich überall um A.bsplisse, für welche
keine Ursache in natürlichen Vorgängen zu finden ist. Diese Absplisse
linden sich nun aber sehr oft an Stücken, wedche an sich erkennbare
Naturprodukte sind. Die Geologie hat also ein gewichtiges Wort mit-
zureden bei der Erörterung, ob diese und jene Pormveränderung der
Steine (zunächst Feuersteine) und ihrer Fragmente Naturprodukt ist resp.
sein kann, oder ob sie Menschenwerk ist. Keineswegs klar ist es aber,
wie jene für paläolit hischo und eolithische Artefakte charakteristischen
Bearbeitungsspnren entstanden sein können, da die Bearbeitungstechnik
eben eine andere ist, als im Neolithikum, dessen Teehnik wir einiger-
— 304 —
massen verstehen. Endlich gehören noch die Gebrauchs- resp. Ab-
nutzungsmerkmale der betreffenden Kanten hierher und ihre Unterscheidung;
von Abrollungserscheinungen.
Ich selbst habe also als Erster nach Klaatsch in Deutschland damals
angefangen zu suchen, und zwar in einer grossen Kiesgrube im Südosten
von Magdeburg, mitten im Bördebecken, wenn ich so sagen darf. Ein-
schieben möchte ich hier, dass im Jahre 1874 ein Kantor (Rabe) in
der dortigen Gegend (Biere) solche Stücke zur Beurteilung an diese Ge-
sellschaft eingesandt hat, weil sie ihm infolge der Lektüre des Buches
von Lubbock auffielen und dass sie ihm zurückgeschickt worden sind
mit abschlägigem Bescheid. Ich habe mir diese Stücke mit Klaatsch
im vorigen Frühjahr angesehen (sie fanden sich im Magdeburger Museum,
wo uns der Kustos Dr. Wolters dorf auf sie aufmerksam machte), und
es war uus sofort wahrscheinlich, dass die Stücke Rutots Mesvinienformen
ziemlich genau entsprechen, einer, wenigstens nach den Studien Rutots,
scharf umschriebenen Industrie. Da mir natürlich die Funde des Kantors
nicht massgebend sein konnten, habe ich dann selber gesucht und alle
Kautelen zur Feststellung des Fundortes und des Horizontes im Diluvium
angewandt.
Da mir eine gründliche Kenntnis der Originalfunde der bisher
beschriebenen Eolithen, zumal der belgischen, unerlässlich scheint, um
nicht im Dunkeln zu tappen, war ich im vorigen Oktober dann bei Rutot
und habe unter seiner ausserordentlich liebenswürdigen Anleitung seine gross-
artige eolithische und paläolithische Sammlung studiert, mit ihm eingehend
alle einschlägigen Fragen erörtert und auch an einigen 100 Stücken aus
meinen Funden mit ihm die uns hier beschäftigenden Verhältnisse und
Probleme bearbeitet. Er bezeichnete meine Funde als „reutelo-mesvinien
et mesvinien en melange".1) Bei Capitan in Paris habe ich in ähnlicher
Weise im vorigen Herbst meine „Feuersteinstudien" fortgesetzt, zumal auch
an dessen wunderschöner Sammlung tertiärer Silex. In den klassischen
Kiesgruben von Chelles habe ich neben typischen Dingen auch Eolithen ge-
funden, wie schon Rutot und Klaatsch! Auch die Bearbeitungsart (in ein-
gehendstem Sinne) der Silexartefakte anerkannter paläolithischer Industrien
habe ich mit den Genannten studiert in Yergleichung mit ihren und unseren
ja noch immer zum Teil problematischen Eolithen! Diese Reise nach
Brüssel und Paris hat mich überzeugt, dass wir die Eolithen für Menschen-
artefakte halten dürfen! Jedenfalls ist die Beurteilung nicht so einfach,
wie es manchem scheinen mag. Die ganze Frage ist so sehr im Flusse
1) Die deutschen Diluvial-Silexfunde von Taubach usw. haben eine so eingehende
(„technische") Bearbeitung bisher nicht erfahren, wohl weil ihre Werkzeugnatur von jeher un-
bestritten schien, da sie dieselbe dokumentierten durch engen Zusammenbang mit ander-
weitigen Beweisen von Menschendasein, und sie sind auch schwer zugänglich und zerstreut.
Ich habe zunächst die in Jena befindlichen Stücke von Taubach studiert und stimme Rutot
bei, der sie (nach Abbildung, Beschreibung und geologischer Lagerung) seinen Mesvinien im
Ganzen zuteilt; und sie zeigen auch manche auffallende Ähnlichkeit mit meinen Diluvial-
funden, die nach Rutot zumeist derselben Technik angehören; sie können also wichtig
werden für unsere Frage!
— 805 —
und andererseits bisher so wenig gründlich vorgenommen von Seiten, die
mitsprechen müssen, z. B. der Diluvial- und Glazialgeologen der „Eiszeit-
länder", dass wir nur Schritt für Schritt vorgehen können und dürfen, und
jeder Tag neue Gesichtspunkte bringen kann, mit denen wir uns abfinden
müssen.
Was Herr Keilhack vermutet hat, dass nämlich in dem Inter-
glaziale alte Oberflächen angedeutet wären, das glaube ich, wenigstens für
einige Stellen der von mir untersuchten Kiesgruben, bejahen zu könne]].
Es ist mir aufgefallen, dass die Silexe gewisser Formen von feinerer Aus-
führung da liegen, wo Streifen von dunklerer Färbung und eisenschüssiger
Beschaffenheit durch die dort anstehenden grauen Sande mit diskordanter
Parallelstruktur verlaufen.
Ferner glaube ich, gefunden zu haben, dass diese feineren Stücke
dem Mesvinien pure entsprechend an den Stellen, die ich bis jetzt durch-
sucht habe — es sind fünf Kiesgruben in der Nähe Magdeburgs — immer
mehr in den oberen Teilen des „Interglaziales" liegen, aber immer unter-
halb der Steinsohle des Löss. Ferner habe ich in den diluvialen Schichten,
die von feinem bis ganz feinkörnigem Sand gebildet werden, ebenso im
Löss oder seiner Steinsohle bis jetzt keine Eolithen gefunden, sondern
immer nur in den Schichten, die überhaupt gröberes Gesteinsmaterial ent-
hielten und dadurch in Kiesgrubenwänden sofort auffallen, übrigens auch
in Schichten, die der ungestörten oder aufgewühlten unteren Moräne ent-
sprechen.
Einen interessanten Fund machte ich im vorigen Jahre in der Kies-
grube (bei Biere), wo ich die Hauptmenge meiner „Eolithen" gefunden
habe. Xicht ganz 1j2 m unter der Steinsohle suchte ich und fand zunächst
nichts. Da kam ich zu einem grobkörnigen Streifen — die Stelle ist
noch jetzt gut erhalten — ; unter diesem Streifen lag feiner Flusssand,
fein zerteiltes Material, dann kam der Streifen, gröberes Material ent-
haltend und darüber ziemlich grobes Material, wie es dort direkt unter
der Steinsohle sehr häufig liegt, auffallend viel gröber als in den unteren
Schichten. In diesem Streifen fand ich auf einem etwa 1 l/a m breiten
Gebiet der Wand der Grube Feuersteinstückchen; darüber und darunter
keine. Dieser Strich würde also eventuell einer Oberfläche entsprechen.
Von diesen Feuersteinstückchen ist dem Stande meiner bisherigen Er-
fahrungen nach jedes der Einwirkung von absichtlichen Absplitterungen
und Zurichtungen unterworfen gewesen und zeigen reineren „Mesvinien"-
charakter als andere. Die zurzeit als menschliche Werkzeuge anzu-
sprechenden Feuersteine (ich fand bisher ganz wenige Stücke aus
anderem Gestein) finden sich bei uns nicht im Entferntesten so massen-
haft, wie z. B. im belgischen Diluvium, verteilen sich auch viel mehr
unter den sehr reichlichen, natürlichen, rohen Sprengstücken der be-
treffenden „Zonen" der Kiese. Einem solchen nestartigen Vorkommen
begegnete ich bisher nur dieses eine Mal. Einige Stücke aus diesem
Neste, wie ich es einmal bezeichnen will, habe ich als Belege für die
Artefaktnatur dieser ganzen Industrie hier photographiert; die Sachen
selbst können nicht gut herumgehen. Auf dieser Photographie >ind die
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrs- 1904. Heft 2. •_>, ,
— 306 —
Stücke so hingelegt, dass man sofort den springenden Punkt erkennt.
Es sind verschiedene Typen; ich habe nur ein Dutzend Stücke mitgebracht
aus einer viel grösseren Zahl, die ich gefunden habe. Darunter sind so
feine Dingerchen, dass die Herren Geologen, denen ich sie in mehreren
eingehenden Konferenzen während der letzten Tage vorgelegt habe, an
eine Entstehung durch irgend welche natürliche Einwirkung garnicht mehr
dachten. Denn sie sind wirklich auf das Feinste hergestellt. Wenn
Sie sich das kleinste Steinchen (1 cm X 7a cm X V4 <?m), das auf der Photo-
graphie abgebildet ist, herausnehmen und es unter der Lupe prüfen, so
zeigt es darunter ganz dieselbe Bearbeitungsmanier wie ein als typisch
anerkannter belgischer oder französischer Chelleen-Schaber mit den tief
ausgescharteten gleichmässigen Rundungen. Dieses andere kleine Stück
zeigt die betreffende Arbeitsweise bis in das feinste Miniatur übersetzt
zweimal nebeneinander, und dazwischen erkennen Sie eine ausgesparte
Spitze. Bei anderen Stücken sind die Abspellungen mehr flächenförmig,
und darunter sind eclats und andere Formen, die mir besonders charakte-
ristisch erscheinen. Nebenbei bemerke ich, dass ich als wirklich mass-
gebende Abspeilungen zunächst vorsichtshalber nur die betrachte, die an
einer Kante in regelmässiger „systematischer" Anordnung nach einer
Seite gehen, sodass ein scharfer Rand stehen bleibt, der gewissermassen
der Zweck der ganzen Bearbeitung ist. Es ist meiner Meinung nach
sehr wichtig, darauf zu achten, wie die Absplisse angeordnet sind, wenn
man daran denkt, dass ein Stück eines Feuersteins zwischen Steine
oder Blöcke oder sonst in eine natürliche, in unserer Gegend z. B.
auf irgend welchen Gletschereinfluss zurückzuführende Bedrängnis geraten
kann, und dass dabei wohl hier und da mal etwas herausspringt, ja, dass
sogar dabei mal ein Stück herausspringen kann, das eine „Schlagmarke''1
(resp. Druckmarke) zeigt. Das ist meiner Ansicht nach sehr wahrschein-
lich; ich lege deshalb auf Stücke, die nur diese zeigen, nicht soviel Ge-
wicht, wie das von anderer Seite geschieht. Wenn hingegen ein Stück
an einer Kante jene regelmässigen Absplisse zeigt, wenn es aber an
anderen Kanten garnicht mit solchen versehen ist, wenn diese regelmässigen
Absplisse vielmehr nur da vorhanden sind, wo durch sie als charakteristisch
wiedererkennbare Formen der scharfen Kante entstehen, so kann ich —
und viel kompetentere Herren, Geologen und Mineralogen, mit denen ich
die einschlägigen Fragen besprochen habe — das nicht anders erklären,
als dadurch, dass es eben Artefakte sind. Ausser der gewöhnlichen
„Hohlschaberforni", die darin bestellt, dass in einem scharfkantigen Stück
eine rundliche Scharte hergestellt ist durch grosse und dann folgende
viele kleine Absplisse, finden sich jene „Doppelhohlschaber", welche oft
eine mehrweniger spitze „Spitze" zwischen sich fassen, die gerade in dem
vorher erwähnten „Nest" in so feiner „Ausführung" vorlagen, und wie Sie
aus dem Bericht des Herrn Krause (über die Konferenz vom 22. März
1903) lj wissen, in allen tertiären und diluvialen Silexfunden vorkommen.
Dann gibt es in unseren Diluvialfunden noch eine dritte Silexform. Diese
1) Zeitsclir. f. Ethnol. 1903, Heft IV.
— 307 —
ist für mich besonders wichtig, weil sie charakteristisch ist durch ihre
üe8amtform. Sie erkennen an dem flachen Stück eine feiner retou-
chierte obere Kante mit dem Hohlschaber und eine rechts und eine links
heruntergehende, oft weniger sorgfältig hergestellt scheinende. Dies ist
neben jenen Spitzen eine der häufigsten Typen, und ich kenne sie sehr
ähnlich aus Belgien.
Jüngst fand ich in Biere ein kleines derartiges Stück, 2 cm gross.
Die Hauptretouchestelle findet sich hier oben, entsprechend der Oberkante.
Hier und da an den Seitenkanten sind auch ziemlich regelmässige
Absplisse, aber diese verlaufen nicht nach derselben Seite wie die oberen,
sondern entgegengesetzt. Als ich dieses Stück verglich mit allen anderen
der gleichen Grundform, fand ich an vielen dasselbe Verhalten. Ich habe
hier mehrere zusammengestellt. Besonders ausgeprägt ist es an diesen
Stücken hier, von denen ich zwei der besten mitgebracht habe. Die drei
Konturen verlaufen hier ganz geradlinig; die lietouche ist auf der einen
Kante von mir aus gesehen, nach vorn gerichtet, auf den zwei anderen
nach hinten. Das Merkwürdige ist aber, dass ich in der Sammlung
von Klaatsch von Puy Boudieu ein Stück gefunden habe, welches
sozusagen der viel grössere Zwillingsbruder dieser Stücke ist und ihnen
bis in die feinsten Einzelheiten ähnelt; es stammt aus der tertiären
Schicht des Puy Boudieu. Vom Kentplateau kenne icli so etwas bisher
nicht. Diese Art der Stellung zweier (oder mehrerer) systematischen
„retouchierten" Kanten zueinander, wobei die Richtung der Abspellungs-
reihen der einen Kante durchweg entgegengesetzt läuft zu der anstossenden,
bezeichnen die französisch sprechenden Eolithenforscher als „retouches
croisees"; sie legen sehr viel Gewicht auf diese Erscheinung, welche
besonders deutlich „Intention" zu verraten scheint. Ich habe sie bei einer
grossen Zahl unserer Fuudstücke zum Teil sehr schön nachweisen können.
Alles dies scheint auch mir wichtig, wenn es darauf ankommt, zu be-
weisen, dass es, um den Ausdruck Prof. Keilhacks zu gebrauchen,
eine orientierte Arbeit ist, die wir in jenen ersten Menschenartefaktcn
finden.
Eine weitere Form ist diese hier, die ich sehr massenhaft nachge-
wiesen habe. Es ist dies ein Hohlschaber von bestimmter Gesamtform,
mit einem seitlich der Aushöhlung hervorragenden rundlichen Fortsatz.
Ich kann hier ein Dutzend gleich nebeneinander legen. Ihre Überein-
stimmung geht so weit, dass die sämtlichen derartigen Stücke, wenn sie
so schön ausgeprägt sind, feststehende Eigenheiten betreffs Beschaffenheit
des scharfen Randes, seiner Form und Lage u. a. m. haben. An vielen
erkennt man an der einen, sagen wir oberen Fläche, den bulbe de per-
cussion, dann ist unten eine weniger deutliche Fläche mit anregelmässigen
Absplissen und in der einen Kante der Schaber, daneben der Fortsatz.
Soviel zur vorläufigen Bekräftigung unserer Annahme, dass unser
Diluvium ähnliche „Eolithen"- Typenreihen enthält, wie z. B. das
belgische. Von den dortigen Stücken gilt es für ausgeschlossen, dass es
Naturprodukte sind; die unsrigen sind ihnen absolut ähnlich, zum Teil
sogar gleich; der Schluss ist berechtigt, dass auch unsere Eolithen Arte-
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fakte sein werden, solange nicht von kompetenter Seite zwingend er-
wiesen wird, dass sie Produkte von Gletscherwirkung oder dergl. sind.
Rutot und auch andere legen sehr viel Gewicht darauf, dass die
grossen Reutelien-Percuteurs, von denen hier eine Sammlung von Herrn
Bracht liegt, — die Gesellschaft hat sie am 17. Oktober v. J. schon ge-
sehen — ihre Artefaktnatur besonders dadurch dartun sollen, dass sie so
ausserordentlich handlich gewesen wären. Es ist tatsächlich sehr merk-
würdig, dass dort, wo wir die Reutelienkultur linden, und wo diese Feuer-
steinknollen zu Tausenden herumliegen, es sich herausstellt, dass nur
diejenigen als gebraucht gedeutet werden können, die auch wirklich hand-
lich in der Hand liegen. Ferner bemerkt Rutot, bei den späteren
Artefakten, bei einer Industrie, die der unseren entsprechen würde, könnte
sehr oft beobachtet werden, dass die viel gebrauchten Knollen und Stücke
— viel gebraucht gegenüber andern, wohl weil sie aus besonders geeignetem
Feuersteinmaterial bestehen ■ — zum Arbeiten handlich gemacht worden
sind durch ein paar Schläge. Er hat mir das an vielen Beispielen gezeigt,
und er hat mich davon überzeugt.
Ich habe mich dann meinen eigenen Funden von diesem neuen
Gesichtspunkt aus zugewendet und habe zu diesem Zwecke ein Studium
besonders intensiv betrieben, das mir so wie so am Herzen liegt, nämlich
die Physiologie oder vielmehr die Physiopsychologie der menschlichen
Hand. Ich habe zunächst ohne Vorurteil und ohne viel zu überlegen
folgende Experimente gemacht, und ich habe sie vielleicht ein Jahr lang-
gemacht, so dass ich jetzt im ganzen viele hundert Stück daraufhin unter-
sucht habe. Ich habe Stücke, die mir besonders gut gearbeitet erschienen
(nicht diese Splitter, an denen man an irgend einer beschränkten Stelle
Absplisse sieht, sondern Stücke, die mir einen deutlichen Werkzeug-
gesamtcharakter zu verraten schienen), immer wieder in die Hand ge-
nommen und sozusagen ihre „Handhabung" probiert und mir dabei die
Gesetze klar gemacht, die dem Gebrauch dieses Werkzeuges — wenn es
ein Werkzeug war — zugrunde liegen würden, und ich habe gefunden,
dass an diesen Stücken die Lage in der (übrigens rechten) Hand, die
einer supponierten Gebrauchsstellung des Werkzeuges, die der (Jebrauchs-
stellung als Kratzer, Schaber und dergleichen entsprechen würde, sich als
bequemste für die Hand erweist, und umgekehrt ergab sich, dass, wenn
ich solche Stücke ohne sie anzusehen möglichst bequem in die Hand nahm,
diese Stellung stets der „Arbeitsstellung" entsprach. Ich bemerke, dass
manche Stücke durch Verhalten der Kanten und der Handlichkeit sich als
in verschiedener Stellung benutzt erweisen. Nach diesem kurz angedeuteten
Verfahren habe ich viele dieser Dinge durchprobiert, und ich habe nicht
nur allein dieses Experiment gemacht, sondern habe auch eine Menge
Freunde und Bekannte dazu verleitet (besonders zu dem zweiten, da ich
seihst die Stücke meiner Sammlung allmählich genau kenne, und an jene
„Handgriffe" bereits ganz gewöhnt bin — was ich übrigens als Beweis
dafür ansehe, dass wir es nicht mit Zufälligkeiten zu tun haben), und
wir haben bei einigermassen deutlich bearbeiteten Stücken fast niemals
einen Fehlversuch gemacht.
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Selbstverständlich ist auch das direkte Experiment für unsere Frage
unerlässlich, nämlich die Nachahmung dessen, was wir für Menschenwerk
halten. Dadurch wird uns alles viel unmittelbarer verständlich; und haben
wir einen „Eolithen" mit den allerprimitivsten Mitteln, Stein auf Stein
klopfend etc., hergestellt, so können wir wenigstens sagen, „so etwas
kann also Menschenwerk sein". Ich habe, zumal seit meinem Studium
bei Kutot viel „eolithisch" gearbeitet, die betreffenden Instrumente her-
gestellt und mit ihnen gewisse Verrichtungen ausgeführt und kann sagen,
„man kann mit so etwas auch arbeiten."
Endlich erwähne ich noch folgendes. Wenn wir nun solche Silex-
artefakte in die Hand nehmen, wie wenn wir sie tatsächlich gebrauchen
wollten, z. B. als Schaber, dessen bogenförmige Kante etwa der Biegung
des Zeigefingers parallel läuft (dies Verhalten zeigt jener bestimmte
Schabertypus mit dem Fortsatz neben der Aushöhlung), so muss die Stelle
der Kante, mit der naturgemäss der stärkste Druck durch das Werkzeug
auszuüben ist, sich am meisten abgenutzt zeigen; und auch diese Anforde-
rung erfüllen, soviel ich sehe, unsere „Eolithen".
Ich glaube, diese geradezu technologischen Untersuchungsmethoden
sind recht wichtig für die Entscheidung der Frage: war das ein Werkzeug
oder nicht? Ich habe jetzt an den sogenannten Schabern, deren Werkzeug-
natur und Bestimmung bisher am deutlichsten erscheint, da sie auch im
Paläolithicum, sogar im Neolithicum ähnlich vorkommen, meine „Methode"
kurz erörtert. Es liegen nun auch z. B. einfache eclats vor, die wohl
schneidende Werkzeuge waren; manche der genannten Spitzen zeigen
Eigenschaften, die auf die Verwendung zum Bohren hinweisen; Klopf-
steine und andere Werkzeugformen dürfen wir als solche bestimmen
nach gewissen, an den nichtdeutschen Eolithen gewonnenen Erkennungs-
zeichen (siehe mein vorjähriges Referat), und an allen sind solche Beob-
achtungen zu machen. Erwähnen möchte ich, dass besonders Virchow,
auch Götze u. a. bei Gelegenheit früherer Diskussionen über diluviale
Silexfunde wiederholt hingewiesen haben auf die Notwendigkeit von typo-
logischen und technologischen Beweisen für die Artefaktnatur jener viel-
umstrittenen Dinge.1)
Es ist hier in der Kürze nicht möglich, meine bezüglichen Erfahrungen
eingehender mitzuteilen (ich behalte mir dies vor, möchte auch nicht vor-
eilig sein; es sind ja erst Studien). Ich habe, wie gesagt, die Sache
intensiv verfolgt und möchte das nur angedeutet und eine Anregung
gegeben haben, d;iss wir uns auch von dieser anthropologischen Seite an
die Eolithenfrage sozusagen heranpirschen möchten, während Geologen
und Mineralogen uns sagen müssen, welche Einflüsse auf Gestaltverände-
rung der Feuersteine wir denjenigen natürlichen Vorgängen zuschreiben
sollen, welchen ein Feuersteinknollen unterliegt auf dem Wege aus seiner
1) Von den in früheren Jahren zum Teil veröffentlichten Einzelfunden diluvialer
Feuersteinstücke, die von den Findern als Artefakte gedeutet wurden (Friedel, Krause-
Eberswalde usw.) sah ich kürzlich die von Krause (Archiv für Anthropologie XXII) und
kann feststellen, dass sie sich ganz unsern Funden anschliessen. Leider ist jenen Dingen
seinerzeit nicht planmässig nachgegangen worden.
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primären Lagerungsstelle in der Kreide bis in unsern Diluvialsand und in
unsere Hände.
Hr. Wahnschaffe: Ich möchte auch meinerseits dem Vorstande
meinen Dank dafür aussprechen, dass er mir Gelegenheit gegeben hat,
diese Funde unter der besonderen Anleitung der Herren Krause und
Hahne zu prüfen, denen ich ebenfalls zu lebhaftem Dank verpflichtet bin.
Für mich waren die Funde deshalb von so grossem Interesse, weil ich
ihnen bis jetzt sehr skeptisch gegenübergestanden habe. Ich muss aber
nunmehr sagen, dass ich vollkommen überzeugt worden bin durch die
interessanten Artefakte, die namentlich Hr. Hahne hier vorgelegt hat.
Dagegen stehe ich wie auch mein Kollege Keilhack den Artefakten von
Britz und Rüdersdorf noch immer zweifelnd gegenüber; ich halte es für
möglich, dass es Artefakte sind, besonders, wenn man noch mehr davon
finden könnte; indessen halte ich es doch nicht ausgeschlossen, dass Stücke
davon auf natürliche Weise, nicht durch Kunst entstanden sind. Dies
scheint mir aber ausgeschlossen zu sein bei den Stücken, die Hr. Hahne
vorgelegt hat.
Es ist dies von grosser Wichtigkeit, besonders für die Gliederung
unseres Diluviums. Ich habe in der Magdeburger Gegend zuerst die
Quartärbildungen gegliedert, und was mein Kollege Keilhack gesagt hat,
kann ich nur bestätigen.
Es liegt hier zu oberst eine Lössschicht, die an der Oberfläche die
fruchtbare Schwarzerde der Magdeburger Gegend besitzt. Dieser Löss wird
unterlagert von einer Steinsohle, die zum Teil noch im Löss eingeschlossen
ist; darin kommen zuweilen grosse nordische Geschiebe vor. Es ist mir
damals gelungen, nachzuweisen, dass diese Steinsohle in echten Geschiebe-
mergel übergeht, so dass wir nicht zweifelhaft sind, dass wir darin den
Rückstand der Moräne der letzten Eiszeit vor uns haben. Darunter liegen
Kiesschichten, die teilweise von einer älteren Grundmoräne unterlagert
werden, und in diesen Kiesen hat Hr. Hahne an bestimmten Stellen, etwa
1 m unter der Steinsohle, die Artefakte, die er vorgelegt hat, gefunden.
Das ist meiner Ansicht nach von grosser Wichtigkeit. Denn diese Arte-
fakte sind ausserordentlich wenig abgerollt. Wären sie weit transportiert
worden, dann, glaube ich ganz sicher, hätten sich diese feinen Spitzen
nicht erhalten können; wir würden viel mehr gerollte, gerundete Formen
finden. Das ist aber nicht der Fall. Wir sehen sogar an den Spitzen
noch, wie sie durch den Gebrauch gerundet worden sind, während sie
mehr nach unten hin noch scharfkantig sind.
Diese Funde haben namentlich eine Bedeutung für die Frage, ob wir
Interglazialzeiten im norddeutschen Flachlande gehabt haben, oder ob nur
grosse Oszillationen des Eisrandes stattfanden; ob die Fauna der grossen
Säugetiere nur am Rande des Eises gelebt hat, oder ob grosse Klima-
schwankungen eingetreten sind, die einen vollkommenen Rückzug des
Eises bedingten.
Diese Fragen werden heute noch lebhaft diskutiert, und einige Geo-
logen, namentlich Geinitz, haben sich dafür entschieden, dass die Eis-
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zeit mehr einheitlich aufzufassen sei, und tlass man nur grössere Oszilla-
tionen annehmen dürfe.
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass unsere Eiszeit mehrere grosse
Perioden gehabt hat. Ich bin vollkommen davon überzeugt worden
namentlich durch die Exkursion, die ich im vorigen Jahre mit Hrn. Penck
in die Alpen gemacht habe, wo wir die grossartigen glazialen Zwischen-
bildungen, wie die Höttinger Breccie und den grossen Schotterkegel bei
Salzburg, näher besichtigten und wo Penck die Moränen und die
fluviatilen Yorschüttungsmassen der verschiedenen Eiszeiten genau verfolgt
und gegliedert hat. Es ist meiner Ansicht nach gar nicht mehr zweifel-
haft, dass wir solche grossen Interglazialzeiten auch im norddeutschen
Flachlande gehabt haben. Wir haben auch hier schon verschiedene
Bildungen gefunden, die darauf hinweisen, und diese Artefakte sind mit
ein Beweis für die Interglazialzeiten. Denn wenn der Mensch in so be-
deutendem Umfange sich ausbreiten konnte, dann muss auch eine Flora
und Fauna vorhanden gewesen sein, von der er leben konnte; das ist un-
bedingt erforderlich.
Hr. Jentzsch: Was vom geologischen Standpunkt aus über die Funde
gesagt werden kann, haben die Herren Keilhack und Wahnschaffe
bereits in so ausgezeichneter Weise ausgesprochen, dass es mir kaum
möglich ist, etwas Neues hinzuzufügen. Indessen ich bin so durchdrungen
von der Wichtigkeit dieser Stunde, dass ich meine: jeder Anwesende muss
Zeugnis ablegen für oder wider die Sache, und so fühle ich mich ver-
pflichtet, es auszusprechen, dass ich mich eigentlich wörtlich dem an-
schliesse, was zuerst Keilhack ausgesprochen hat. Ich erkenne einen
grossen Teil der von Hrn. Hahne gefundenen Sachen von Magdeburg für
zweifellos bearbeitet an. Ich habe mich wohl kritisch gefragt, ob ähn-
liche Formen nicht durch Naturgewalten entstehen könnten. Ich habe,
abgesehen von den gewöhnlichen Zufälligkeiten des Stosses und der
Rollung, vornehmlich an einen Druck überlagernder Schottermassen ge-
dacht. Ein solcher Druck kann allerdings Sprengungen und Spaltungen
von Feuersteinen herbeiführen, und es mögen dadurch auch einzelne
Retouchen erzeugt werden können; aber in diesem systematischen Zu-
sammenhang, wie wir es hier beobachten, können dadurch die Retouchen
nach meinem naturwissenschaftlichen Gefühl undenkbar hervorgerufen sein.
Ich erkenne deshalb einen erheblichen Teil der von Hrn. Hahne vor-
gelegten Stücke als zweifellos bearbeitet an und ebenso einen Teil der-
jenigen Stücke, die durch die Güte des Hrn. Konservators Krause mir
gestern ein paar Stunden lang in diesem Hause aus Belgien und Frank-
reich vorgelegen haben.
Wegen des Alters der französischen Funde möchte ich mich ebenfalls
den Bedenken des Hrn. Keilhack anschliessen. Mir sind die dortigen
Fundorte nicht aus eigener Anschauung bekannt; aber ich weiss aus dem,
was ich anderwärts beobachtet habe, besonders im norddeutschen Flach-
lande, dass diese Bedenken Keilhack s wohl begründet sind. Einmal
entspricht das, was er über die Bedeckung durch vulkanische Laven sagte,
durchaus meinen eigenen Anschauungen, dass nämlich der französische
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Vulkanismus wohl in eine geologisch gesprochen recht junge Vergangen-
heit heraufgereicht habe, so dass in der Bedeckung dieser Lagerstätten
durch vulkanische Massen an sich noch kein Beweis für ihr tertiäres Alter
erbracht sein würde.
Das zweite Kriterium, an dem wir das geologische Alter feststellen,
ist das Vorkommen von bestimmten Versteinerungen, von Muscheln, von
Schnecken usw. in den begleitenden Schichten. Indessen gerade bei
diesen erratischen Schichten müssen wir ganz ausserordentlich vorsichtig
sein, so dass wir nicht etwa eine oder mehrere Muscheln und Schnecken,
die wir darin finden, gleich als Leitfossilien betrachten können. Um
dafür ein Beispiel zu erbringen, brauchen wir nur wenig über die Tore
Berlins hinauszugehen. So habe ich gestern, um mein Gewissen zu be-
ruhigen, einen kleinen Ausflug in die nächste mir erreichbare Kiesgrube
gemacht, um mir noch mal Feuersteine im frischen Zustande vor Augen
zu führen. Es war die Kiesgrube in Westend, wo massenhaft Feuersteine
herumlagen. Da habe ich ganz en passant auch ein paar Schnecken ge-
funden, die zweifellos interglazial und vielleicht sogar frühglazial waren;
es war die berühmte Paludina diluviana Kunth, die an jener Lagerstätte
offenbar an sekundärer Stelle sich befand, nachdem sie eine Ura-
lagreruns durchgemacht hatte. So ist es an Hunderten von Fundorten in
der Mark und in benachbarten Teilen Norddeutschlands. Wir haben
zahllose Stellen, wo mau bei flüchtiger Denkweise, wie ich mal sagen
will, zu der Ansicht, ja selbst zu der Überzeugung gelangen kann, diese
Schnecken hätten zur Zeit der Ablagerung jener Schichten gelebt. Und
doch finden wir nicht einen, sondern Dutzende und Aberdutzende von
solchen Schichtenaufschlüssen, in denen die Reste von Lebewesen vor-
kommen, die nie und nimmer zusammengelebt haben können: Land- und
Süsswassertiere gemischt mit Tieren des Meeres, Organismen, die unserem
gemässigten Klima angehören mit solchen des eiszeitlichen Klimas; also
4, 5 verschiedene Lebensgemeinschaften haben ihre Vertreter in eine und
dieselbe Schicht hineingesandt. Das kann doch nicht anders erklärt
werden, als dadurch, dass die Muscheln und Schnecken nicht auf ihrer
ursprünglichen Lagerstätte liegen, sondern dass sie an ihrer jetzigen Fund-
stelle sekundär umgelagert worden sind. Diese Bedenken müssen uns
entgegentreten, wenn wir die französischen Schichten ihrem Alter nach
bestimmen wollen. Daher fühle ich mich vollkommen ausser stände,
über diese französischen Schichten hier ein Urteil abzugeben. Ich meine
nur, man kann über das tertiäre Alter dieser Schichten nicht vorher sicher
sein, bevor nicht die Ursprünglichkeit und Einheitlichkeit der begleitenden
Fauna ganz unzweideutig festgestellt ist.
Einen Funkt kann ich nur unterstreichen, den Keilhack angeführt
und den auch Hr. Hahne berührt hat, nämlich den, dass die Arte-
fakte ja wohl an der Oberfläche der Kiesschicht, also in einem verhältnis-
mässig engen geologischen Horizont gelegen haben. Es zeigt sich nämlich
bei uns fast überall da, wo wir Interglazial haben, dass die echt inter-
glazialen Schichten im engsten Sinne sehr geringmächtig sind, abgesehen
von den kleinen Stellen, wo Seen und kleine Sümpfe lagen. Meist sind es
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ganz dünne Schichten, die aber verbunden sind mit petrographisch ähnlichen
fossilleeren Schichten von sehr viel grösserer Mächtigkeit. Weil nun die
echt interglazialen, eine homogene Fauna führenden Schichten so wenig
mächtig sind, sind sie uns auch nur an wenigen Stellen erhalten, und
deshalb sind die Funde von diesen Stellen sehr selten.
Was Wahnschaffe über das Interglazial sagte, kann ich vollkommen
unterschreiben. Dass das Interglazial in Norddeutschland besteht, ist für
mich ausser Zweifel; es ist mir sicher, dass mehrere Eiszeiten über uns
hinweggegangen sind. Es ist ferner zweifellos, dass die Magdeburger
Lagerstätte, die uns Hr. Hahne so schön aufgeklärt hat, interglazial ist.
Eines neuen Beweises für das interglaziale Alter dieser norddeutschen
Schichten hat es für mich nicht bedurft; wir haben in Norddeutschland,
zumal in Westpreussen, so klare Beweise dafür, dass die Magdeburger
Funde dazu nicht mehr notwendig waren, sondern sich nur einer bereits
festgestellten Schichtenfolge eingliedern.
Ferner möchte ich noch betonen, dass auch ich in den bisherigen
Funden von Britz und Rüdersdorf noch keine überzeugenden Beweise er-
kennen kann. Das ist aber für die allgemeine Frage nach der Existenz
des interglazialen Menschen in Norddeutschland unwichtig; wenn diese
Artefakte bei Magdeburg auftreten und wenn sie ein paar Meilen davon
entfernt nicht auftreten, dann ist das für die allgemeine wissenschaftliche
Auffassung nicht bestimmend; denn diese Magdeburger Funde sind ausser-
ordentlich massgebend. Ich möchte hierbei daran erinnern, dass auch au
einem andern Punkte Norddeutschlands, an einer geologisch ebenso fest
bestimmten interglazialen Lagerstätte in ebenso überzeugender Weise ein
Fund des Menschen gemacht worden ist. Hr. Bezirksgeologe Maas hat
bei der Stadt Posen in einem diluvialen Kiese zwei Feuersteinstücke ge-
funden, die nach ihrer ganzen Gestalt zweifellos bearbeitet sein müssen.
Der grosse Vorzug dieser Posener Funde ist der, dass erstens ein Geologe
persönlich die Sachen aus der anstehenden Schicht herausgezogen hat
zweitens aber, dass die geologische Stellung der Lagerstätte ausserordent-
lich klar ist. Denn diese Kiese werden überlagert von echtem, zweifellos
diluvialem Geschiebemergel; and aus Bohrungen in der Nachbarschaft
wissen wir, dass sie auch unterlagert werden von Geschiebemergel, so
dass an dem interglazialen Alter dieser Posener Funde kein Zweifel ist.
So stimmen die Magdeburger Funde mit den Posenern sehr gut zu-
sammen, und wir können uns glücklich schätzen, eine so reiche Lager-
stätte entdeckt zu sehen.
Hr. Branco: Es ist über dieses Thema, namentlich über das Thema
des tertiären Menschen schon soviel, besonders von französischer und
belgischer Seite gesprochen worden, dass es eigentlich absolut unmöglich
ist, etwas zu sagen, was nicht schon längst gesagt worden wäre.
Rutot hat zwei grosse Entwickelungsstufen der menschlichen ..In-
dustrie", der Erzeugung von Geräten unterschieden: die älteste Industrie
hat darin bestanden, dass ein .lenkendes Wesen, ein Mensch, Steine er-
griffen, sie an einer Handhabe, die sie ihm durch ihre Gestalt darboten,
ert'asst und sie nun als Werkzeug benutzt hat. ohne sie weiter zuzuschlagen.
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Sein Geist konnte also noch nicht den Gedanken fassen, durch Schlagen
Werkzeuge zu formen; sondern er hat die Steine nur so benutzt, wie die
Natur sie geformt hatte.
Das ist indessen noch kein völlig unantastbarer Beweis für den
Menschen. Wenn ich auch anerkenne, dass alle hier liegenden derartigen
Stücke wirklich von einem etwas denkenden Wesen benutzt worden sind,
so braucht dieses denkende Wesen doch nicht notwendig der Mensch ge-
wesen zu sein. Die Menschenaffen tun das ebenso, indem sie Nüsse und
Steine nehmen und damit auf einem anderen Gegenstande herumhauen.
Wir können also gegenüber diesen Steinen nur sagen: es war da ein
Wiesen, welches mit ihnen geschlagen hat; ob es ein Mensch war oder
nicht, können wir nicht absolut sicher entscheiden.
Anders liegt es bei der zweiten Entwickelungsstufe der Industrie.
Hier sind die Steine von einem denkenden Wesen durch Schlagen oder
Brechen, später durch Schleifen in eine Form gebracht worden, welche
dem denkenden Wesen vorschwebte. Das kann nur ein Mensch gewesen
sein. Es ist gegenüber solchen Steinstücken freilich bisweilen strittig,
ob sie absichtlich so geformt oder von der Natur zufällig so zerpresst
worden sind. Ein Zweifel ist aber sicher da ausgeschlossen, wo, wie
Hr. Hahne hervorgehoben hat, die Schlagmarken alle nach einer Richtung
hin fallen.
Denn wir können uns wohl vorstellen, dass Gesteine, wenn sie in
einer Moräne eingeschlossen sind, oder wenn sie in einem Fluss bewegt
werden, unter dem Druck der auflagernden Gerolle nach verschiedenen
Richtungen hin absplittern; aber wir können uns nicht vorstellen, dass
diese Absplitterungen nun sämtlich nur nach einer Richtung hin verlaufen
sollten. Fallen die Absplitterungeu also nur nach einer Richtung hin,
so muss sie ein denkendes Wesen erzeugt haben. Ob es nun die Gattung
homo gewesen ist oder eine andere Gattung, die den Namen homo noch
nicht verdiente, ist nicht zu entscheiden.
Die zweite der hier angeschnittenen Fragen betraf das tertiäre Alter
dieses denkenden Wesens, aber auch das tertiäre Alter der Schichten, in
denen man die erwähnten fraglichen Gesteinsstücke gefunden hat. Ich
meine, das tertiäre Alter der Schichten ist in einer Anzahl von Fällen so
zweifellos erwiesen, dass es einer Diskussion entzogen ist. Der Name
des Ablte Bourgeois ist unauflöslich damit verknüpft. Er hat schon am
Ende der 50 er Jahre die Ansicht vertreten, dass er den Beweis für den
tertiären Menschen aus den Werkzeugen bezw. Gesteinsstücken, die er
aus tertiären Schichten herausholte, liefern könnte.
Mau hat ihn selbstverständlich damals verlacht; aber man hat ihm
doch darin zugestimmt, dass diese Schichten wirklich tertiären Alters seien.
Ich meine, das ist durch die französischen Geologen so anerkannt worden,
dass wir daran nicht werden zweifeln können — es sind sogar miocäne
Schichten. An diese französischen Funde reihten sich dann die be-
kannten im Tajo-Tale, wo auch an dem tertiären Alter nicht zu rütteln
sein wird.
Strittig war hier also nicht das tertiäre Alter der Schichten, sondern
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nur die Frage, ob die in ihnen gefundenen Gesteinsstücke absichtlich vom
Menschen oder unabsichtlich von der Natur geformt worden seien.
Für diese Frage von Entscheidung sind die diluvialen zugeschlagenen
Gesteinsstücke, welche wir hier sehen.
Beanspruchen sie auch an sich weniger Interesse, weil für uns ja das
diluviale Alter des Menschen bereits feststeht, so sind sie doch deshalb
so wichtig, weil sie uns Rückschlüsse gestatten auf jene fraglichen Funde,
die man in tertiären Schichten gefunden hat. Wenn nämlich die in
tertiären Schichten gefundenen Gesteinsstücke ganz dieselbe Form be-
sitzen, wie das bei den diluvialen der Fall ist, und wenn man ferner diese
diluvialen als sicher vom Menschen herrührend, also künstlich geformt,
anerkannt hat, dann muss man auch die in tertiären Schichten gefundenen
anerkennen.
Hr. Noetling: Auch ich hatte das Vergnügen, unter Führung der
Herren Krause und Dr. Hahne die hier vorliegenden Stücke näher anzu-
sehen und prüfen zu können. Ich gestehe, dass ich denselben nicht wie
die Herren Vorredner mit einer gewissen Skepsis gegenüber trat, im
Gegenteil, ich hatte es schon längst nur noch für eine Frage der Zeit ge-
halten, dass derartige Artefakte in diluvialen Schichten gefunden würden,
nachdem die Existenz des diluvialen Menschen als solche längst erwiesen
war. Aber trotzdem haben mich die Funde des Hrn. Dr. Hahne über-
rascht. Ich kann mir nicht gut vorstellen, wie die vorliegenden Stücke
mit ihren retouchierten, konkaven Schneiden, mit der eigentümlichen
Spitze, auf natürlichem Wege entstanden sein können. Da auch sämt-
liche Herren Vorredner sich in ähnlichem Sinne ausgesprochen haben, so
brauche ich mich über die Gründe, welche für die künstliche Herstellung
dieser Stücke sprechen, nicht weiter zu verbreiten und bei der Ein-
stimmigkeit der Meinungen dürfen wir es als festgestellt erachten, dass
die hier vorliegenden Reste aus dem Diluvium von Magdeburg als Arte-
fakte anzusehen sind. Dagegen kann ich gewisse Bedenken bezüglich der
bei Britz und Rüdersdorf gesammelten Stücke nicht unterdrücken. Bei
diesen wären natürliche Prozesse doch nicht so ganz auszuschliessen.
Anders liegt die Frage bei den angeblich aus tertiären Schichten von
Puy Courny stammenden Stücken. Wenn auch die Artefaktennatur der
betreffenden Stücke mir nicht zweifelhaft erscheint, so ist «las tertiäre
Altei- der Lagerstätte, in welcher dieselben gefunden wurden, nicht ganz
zweifelsfrei, und möchte ich darum in dieser Hinsicht gewisse Be-
denken nicht ganz unterdrücken. Da ich jedoch die betreffende Fund-
stätte nicht aus eigener Anschauung kenne, so möchte ich mein Urteil
vorläufig reservieren. Jedenfalls scheint es wichtig, dass das tertiäre
Alter der Artefakte führenden Schichten von Puy Courny erst noch
mit Sicherheit zu erweisen ist. Wenn man also die Stücke von Puy
Courny noch nicht als absolut beweisend für die Existenz des tertiären
Menschen ansehen kann, so möchte ich Ihre Aufmerksamkeit doch auf
einen Fund von Artefakten hinlenken, die aus Schichten von ganz un-
zweifelhaft tertiärem Alter, nämlich aus dein Pliocäs mit Hipparion spec.
in der Nähe von Yenangyuung in Ober-Birma stammen.
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Ich hatte bereits die Ehre, Ihnen im Jahre 1896 an dieser Stelle
einige Feuersteinsplitter von diesem Fundort vorzulegen, Fragmente, die
meiner Ansicht nach als Artefakte anzusehen sind. Ich fand dieselben
ganz zufällig, als ich gelegentlich der geologischen Aufnahme von Birma nach
fossilen Knochenresten in dem dortigen, mächtig entwickelten, Pliocän suchte.
Eine genaue Beschreibung des Fundortes und der Stücke selbst habe
ich in den Verhandlungen dieser Gesellschaft 1896 gegeben und kann ich
darum darauf hin verweisen. Neueres habe ich dem Fundberichte nicht
hinzuzufügen, aber ich möchte nochmals betonen, dass an dem gemein-
samen Vorkommen mit Hipparion kein Zweifel sein kann. Ich wurde
überhaupt erst auf diese Stücke aufmerksam , als ich auf einer frei
gewitterten Stufe des Konglomerates einen halb in demselben eingebetteten
Zahn von Hipparion spec. fand. Während ich denselben herausarbeitete,
wurde meine Aufmerksamkeit auf die gleichfalls im Konglomerat ein-
gebetteten Feuersteinsplitter gelenkt. Ich habe mich seinerzeit noch mit
Reserve über die Artefaktennatur dieser Stücke ausgesprochen und die-
selbe zur Diskussion gestellt, allein vor acht Jahren kam die von mir
beabsichtigte Diskussion nicht recht in Fluss. Artefakte in tertiären
Schichten waren eben doch etwas zu Unerhörtes. Aber gerade darum
möchte ich heute die Gelegenheit ergreifen, nochmals auf diese Stücke hin-
zuweisen. Nachdem ich die unzweifelhaft bearbeiteten Stücke aus dem
Diluvium kennen gelernt habe, ist auch für mich jedes Bedenken gegen
die Artefaktennatur der Feuersteine von Yenangyoung geschwunden, aber
ebensowenig kann ein Zweifel über das tertiäre Alter der Schichten, in
welchen dieselben gefunden wurden, herrschen. Lagerung und Fossilien
beweisen aufs Unwiderleglichste, dass das Konglomerat ins Pliocän gehört,
das hier noch von einem mehrere tausend Fuss mächtigen Komplex jüngerer
Schichten überlagert wird.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, noch auf einen weitereu Fund aus
diesen Schichten, nämlich einen eigentümlich abgeschliffenen Femur von
Hippopotamus irravadicus, den ich in den das Konglomerat überlagernden
Schichten fand und im XXX. Bande der Records Geol. Survey of India 1897
beschrieben und abgebildet habe. Für mich war es unerfindlich, wie
diese eigentümlichen Fazetten ohne Gletscherwirkung — und an diese ist
hier nicht zu denken — entstanden sein sollen. Gibt man aber die Arte-
faktennatur der Feuersteine zu, so ist kein Grund vorhanden, warum nicht
auch die Schliffflächen dieses Femur künstlichen Ursprunges sein sollten.
Hat ja doch Dames eine ähnliche SchliffHäche auf einer Pferdeskapula
aus dem Diluvialsande von Rixdorf auf menschliche Einwirkung zurück-
geführt. Jedenfalls liegt nach meiner Ansicht kein Grund vor, an der
Existenz des Menschen im jüngeren Tertiär zu zweifeln.
Hr. Lissauer: Ich danke allen Rednern für ihre lebhafte Teilnahme
an der Diskussion und darf wohl das Ergebnis derselben dahin zusammen-
fassen, dass der Manufaktcharakter fast aller vorgelegten Silex anerkannt
und das Alter für die interglazialen Fundstätten auch bestätigt worden ist.
Was ferner die Altersbestimmuno: der tertiären Fundstätten betrifft, so hat
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Hr. Klaatsch durch seine Untersuchung an Ort und Stelle nur bestätigt,
was die besten französischen und englischen Geologen bereits festgestellt
hatten. Ich bitte schliesslich die Herren Geologen, ihre Aufmerksamkeit
bei ihren Exkursionen auch ferner diesen Fragen zuzuwenden und uns
von ihren diesbezüglichen Erfahrungen Mitteilung zu machen. —
(11) Hr. v. Luschan berichtet im Anschluss an die obige Diskussion
auf den Wunsch des Vorsitzenden
über seine Beobachtungen an Kieselmanufakten in Ägypten.
Einen etwa vierwöchigen Aufenthalt in Helouan und einen Ausflug
nach Theben habe ich kürzlich dazu benutzt, mich an diesen beiden be-
rühmtesten aller Fundorte von Kieselmanufakten persönlich über die
Fundverhältnisse zu unterrichten. Ich werde an anderer Stelle ausführ-
lichen Bericht erstatten und hier nur einige Worte über den Eindruck
sagen, den ich aus persönlicher Anschauung gewonnen habe.
In Theben hatten schon 1869 Arcelin, Hamy und Lenormant
zahlreiche Kieselstücke gefunden, die sie für absichtlich geschlagen er-
klärten. In Deutschland hat man sich diesen Funden gegenüber zunächst
zweifelnd verhalten und besonders unsere Ägyptologen haben sie glatt
abgelehnt. Im III. Bd. unserer Zeitschrift (1871, Yerh. S. 65) glaubt
Dünlichen „getrost die Behauptung aussprechen zu dürfen", das von
Lenormant entdeckte Kieselfeld sei kein prähistorisches Atelier, sondern
„eine von jenen grossen Werkstätten, deren Werkmeister der ägyptische
Sonnengott Ra gewesen". Ebenda sagt er, es sei überhaupt wohl wenig
Aussicht vorhanden, ein solches (prähistorisches) Atelier auf ägyptischem
Boden jemals aufzufinden und zitiert den bekannten Satz von Lepsius:
„Es ist wenig Aussicht vorhanden , dass der neuerdings nach den
Europäischen Funden gebildete Begriff von einer prähistorischen Steinzeit
sich auch auf ägyptische Verhältnisse mit Grund wird anwenden lassen."
Das war 1871; dreissig Jahre später legte uns Schweinfurth eine
überwältigende Menge von Thebanischen Kieseln vor, die aber gleichfalls
nicht allgemein als menschliche Manufakte anerkannt wurden; ausserdem
waren in der Zwischenzeit auch in Theben anscheinend bearbeitete Kiesel
sogar in anstehendem Gestein lakustriner Bildung gefunden worden, über
die uns hier gleichfalls Schweinfurth an der Hand zahlreicher eigener
Funde berichtet hat. Persönlich stand ich besonders diesen letzteren
Funden gegenüber noch vor kurzem eher ablehnend gegenüber. Erst
an Ort und Stelle habe ich mich dann davon überzeugen können, dass es
sich auch bei diesen wirklich im engsten Sinne des Wortes fossilen Funden
um einzelne zweifellose Manufakte handelt.
Durch eine Reihe von Versuchen bin ich zu der Anschauung ge-
kommen, dass ein wirklicher „Bulbus", eine wirkliche „Sehlagnarbe" und
eine wirkliche „Schlagfläche* niemals durch irgend welche Zufälligkeiten
entstehen können. Mein Verdacht war früher hauptsächlich auf die
Wirkung von Kameltritten und auf den Einfluss plötzlicher Abkühlung
gerichtet gewesen sowie auf die Schlagwirkung, wie sie etwa in einem
Gicsshach möglich ist: meine Versuche haben aber keinerlei Anhalts-
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punkte dafür ergeben, dass jemals derartige zufällige Einwirkungen irgend
etwas hervorbringen können, was einem Bulbus oder einer Schlagnarbe
auch nur entfernt ähnlich sieht. Ganz besonders habe ich mich auch
davon überzeugt, dass bei spontaner Splitterung, wie sie unter dem Ein-
flüsse atmosphärischer Einwirkung entsteht, sich — wenigstens in Theben
und bei thebanischen Kieseln — stets nur Bruchstücke von solcher Form
bilden, dass sie niemals mit Manufakten verwechselt werden können.
Für mich persönlich steht es also jetzt fest, dass es bei Theben
Kieselmanufakte gibt, die älter sind als die dortigen lakustrinen Bildungen.
Ebenso scheint mir nicht der allergeringste Zweifel daran möglich, dass
sich unter den die Höhen von Theben bedeckenden Kieseln zahllose ab-
sichtlich geformte Stücke befinden. Es ist schwer, deren Zahl auch nur
annähernd zu schätzen, aber ich möchte glauben, dass man zu mindestens
siebenstelligen Zahlen kommen würde, wenn man da alle einwandfreien
Werkzeuge und die bei ihrer Herstellung abgefallenen grossen Splitter
mitzählen würde. Es ist offenbar die ungeheure Massenhaftigkeit dieses
Vorkommens, durch die Lepsius, Dümichen und andere Ägyptologen
veranlasst waren, die menschliche Tätigkeit bei der Bildung dieser Stücke
in Abrede zu stellen. Heute steht es wohl fest, dass diese Massen-
haftigkeit mit einer sehr langen Dauer menschlicher Besiedlung zusammen-
hängt. Ich möchte keinen Versuch machen, das Alter dieser paläolithischen
Geräte zu bestimmen, aber ich möchte annehmen, dass man es fast
ebensogut nach Hunderttausenden als nach Zehntausehden von Jahren
abschätzen könnte.
Einer solchen Schätzung steht freilich die bestimmte Angabe der
Ägyptologen entgegen, dass Steingeräte, die man in Europa als prähistorisch
bezeichnet, in Ägypten der historischen Zeit angehören. Aber dieser
Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Alles was mir wenigstens in Ägypten
an historisch datierbaren Steinwerkzeugen bekannt geworden ist, Sägen,
Pfeilspitzen, prismatische Messer, vor allem aber jene herrlichen grossen
halbmond- und fischschwanzförmigen Geräte mit ihrer unvergleichlich
schönen Denglung, von denen uns zuerst Brugsch1) berichtet hat — all
das hat einen gänzlich anderen Charakter, als unsere paläolithischen
Stücke.
Ich würde sehr wünschen, dass unsere heutigen Ägyptologen das gut
machen wollten, was ihre Vorgänger versäumt und verfehlt haben und
uns wenigstens mit einer allgemeinen Übersicht über die Entwicklung der
historischen Steingeräte Ägyptens erfreuen wollten. Es würde dann
wohl klar werden, dass zwischen diesen und den paläolithischen kein
anderer Zusammenhang besteht, als er durch das Material selbst gegeben
ist. Meiner Meinung nach handelt es sich da um völlig getrennte
Kulturen, die sonst nichts, rein nichts mit einauder gemein haben.
Soviel über meine Beobachtungen in Theben.
1) Die elenden Abbildungen (Z. f. E. XX, 1888, Verl). S. 209) geben allerdings nur
eine sehr ungenügende Vorstellung von der grossen Schönheit der Originale.
— 319 —
In Helouan kennt man Fundstellen von Kieselgeräten auch schon
seit mehr als 25 Jahren. Durch die abenteuerlichen Kombinationen Mooks,
der völlig haltlose Bestimmungen angeblich fossiler Tierknochen zur Da-
tierung seiner an sich sehr schönen Steinfunde benutzen wollte, ist diese
Lokalität lange Zeit etwas anrüchig gewesen. Ich selbst habe sie unter-
sucht, bevor ich die Verhältnisse in Theben studiert hatte und verfiel
zunächst genau in denselben Fehler, in den vor M Jahren Lepsius und
Dümichen verfallen waren. Ich fand gleich beim ersten Besuche einer
der dortigen Fundstellen auf einer Fläche von wenigen hundert Quadrat-
metern gegen hundert schöne prismatische Messerchen frei im Wüsten-
sande liegen, alle ganz gleichartig und alle nur etwra 3 oder 4 cm lang.
Das „konnten" keine Artefakte sein und ich bildete mir allen Ernstes
die Vorstellung, es sei eben eine natürliche Eigenschaft des bei Helouan
anstehenden Feuersteins, in dieser Form zu splittern, genau so wie Schiefer
in Platten spaltet und Salz in Würfeln kristallisiert. Erst nach wochen-
langen Nachforschungen an Ort und Stelle fand ich endlich die Erklärung
für das mir bis dahin rätselhaft gewesene Vorkommen dieser der Grösse
nach „sortierten" prismatischen Splitter. Sie stammen alle von einer auf
einer nahen Anhöhe gelegenen Werkstätte und sind durch wolkenbruch-
artige Regen in die Wüste hinuntergeschwemmt worden. Dabei hat eine
vollständig natürliche „Sortierung" nach der Grösse und dem Gewichte,
teilweise sogar nach der Form stattgefunden, genau so, wie ein und der-
selbe Fluss an einer Stelle groben Schotter ablagert, an einer anderen
feinen und an einer dritten nur Sand. Tatsächlich finden sich in Helouan
an der bekanntesten, nach der „einsamen Palme" benannten Fundstelle
die kleinsten prismatischen Splitter am weitesten entfernt von der ur-
sprünglichen Werkstätte; je mehr man sich dieser, nach Osten zu an-
steigend, nähert, um so grösser werden die Bruchstücke, bis man endlich
ganz oben Stücke von der Grösse eines Kinderkopfes und darüber findet.
Sägen, Pfeilspitzen und ähnliche in Ägypten sicher wenigstens teil-
weise schon der historischen Zeit angehörige Kieselstücke habe ich an
dieser Stelle selbst nicht finden können. Aber solche sind mehrfach aus
Helouan bekannt und auch in unserer Zeitschrift sind zwei solche Stücke
von Schweinfurth selbst publiziert.1)
Die bisher grösste Sammlung von Kieselmanufakten aus Helouan be-
findet sich in Koni, im prähistorisch-ethnographischen Museum; sie ist in
den Jahren 1878—1880 als Geschenk der Frau Bettoni-Haimann und
von Moritz Wagner dahin «-ekommen. Ich kenne sie leider noch nicht
1) XVII, 1885, Verh. S. 302; vgl. auch Z. f. E. VI, 1871. Verh. S. 118 mit einer
Liste der von Dr. Reil damals an die Gesellschaft gesandten Stücke. Diese selbst sind
leider zurzeit nicht auffindbar; nach den damals von R. Virchow gemachten Bemerkungen
scheinen sie im allgemeinen mehr den von mir gesammelten Stücken zu entsprechen als
den in Rom befindlichen; zwar werden „sägeförmig bearbeitete" Stücke ausdrücklich er-
wähnt, Keils „Pfeilspitzen4 werden aber von R. Virchow als nicht „unzweifelhaft" be-
zeichnet, können also nicht den in Rom befindlichen entsprechen, die von Colini (vgl.
die nächste Seite unter VJII) als ausgezeichnet schön beschrieben werden.
— 320 —
aus eigener Anschauung, gebe aber hier eine Liste, die ich der Güte von
Prof. G. A. Colini verdanke:
Heluan.
E una collezione di qualche centinaio di oggetti per lo piü donati dalla
Sigra. Bettoni Haimann e comprende:
I. Strumenti di tipo chelleen.
II. Grandi cuspidi di forme mousteriennes. Alcune hanno una
bella patina e quasi tutte hanno gli spigoli arrotondati dalle acque (?), o a
causa della confricazione della sabbia.
III. Lame staccate da nuclei o coltelli. Alcune si restringono alla
sommitä terminando quasi a punta.
IV. Nuclei.
Queste lame hanno talora sopra uno o i due tagli abrasioni, rotture
e lucentezza dipendenti certo dall'uso.
V. Raschiatoi ricavati da lame piü o meno lunghe e relativamente
strette mediante minuti ritocchi ad una delle estremitä.
VI. Punte ricavate da una lama stretta e lunga asportando uno dei
margini taglienti mediante ritocchi piccolissimi per formare una specie
di dorso: Faltro margine e intatto. Gli spigoli di questi oggetti sono per
lo piü levigati dalla confricazione della sabbia.
VII. Arnesi geometrici a segmento di circolo, a rombi, a triangoli
ecc. Si ricavarono da piccole lame lasciando intatto uno dei margini piii
lunghi e riducendo l'altro a un arco di cerchio, a triangolo ecc. mediante
minutissimi ritocchi. Sono gli oggetti piü comuni.
VIII. Graziosissime freccioline formate abbozzandole mediante scheggia-
ture sulle due facce e finendole con minuti ritocchi ai lati. Vi e anche
una serie di queste cuspidi molto grossolane e lavorate soltanto sopra la
faccia esterna, cioe sopra la faccia della lama che presenta gli spigoli.
IX. Lame per falci di due specie: a) formate mediante un lavoro di
scheggiatura sulle due facce e finite mediante minuti ritocchi sui margini
piü lunghi, uno dei quali e sempre dentato: b) lame staccate da un nucleo
e dentate sopra uno dei margini piii lunghi: nel rimanente conservano i
caratteri della lama. Molte di queste lame sono logore per l'uso, e in
ispecie nei denti, e presentano la lucentezza caratteristica dipendente puro
dall'uso. Quasi sempre poi hanno gli spigoli arrotondati dalla confricazione
della sabbia.
Es würde wichtig sein, zu erfahren, ob all diese Stücke von Frau
Bettoni-Haimann persönlich an Ort und Stelle gefunden sind oder
ob ein wesentlicher Teil von ihnen etwa von Händlern erworben
wurde. Nur im ersteren Falle würde die Angabe ihrer Herkunft natürlich
als sicher gelten. Gegenwärtig kann man bei einem nubischen Händler
in Helouan gegen tausend Kieselinanufakte jedweder Art kaufen und alle
natürlich mit jeder gewünschten Herkunftsangabe. Derselbe Korb voll,
der dem harmlosen Touristen heute mit der Fundangabe Helouan gezeigt
wird, stammt morgen aus Sakkara und wird einem Dritten, der sich nach
— 321 —
Kieselfunden aus iIimii Fayum erkundigt, als eben von dorther eingelangt
bezeichnet.
Gleichwohl muss es einstweilen als wahrscheinlich gelten, dass in
Eelouan selbst, neben den prismatischen Splittern, kleinen nuclei and
einigen wenigen Stücken vom thebanischen Typus, die ich persönlich da
gefunden, auch sehr feine, schön gemuschelte Geräte vorkommen. Ks
würde alter einer Arbeit von vielen Monaten bedürfen, die Fundverhält-
nisse von Helouan in ähnlicher Weise aufzuklären und für alle Zeil fest-
zulegen, wie »lies Schweinfurth in mehrjähriger Arbeit für Theben
getan hat. Einstweilen erscheint es mir nicht zweckmässig, für das Alter
der Funde von Helouan jetzt schon eine auch nur annähernde Zeit-
bestimmung zu versuchen.
Inzwischen habe ich hier diese ganz vorläufigen Mitteilungen gemacht,
nicht nur einem Wunsche unseres Vorsitzenden entsprechend, sondern
auch, weil ich es für meine Pflicht hielt, möglichst bald, noch vor der
ausführlichen Veröffentlichung meines Berichtes wenigstens im Kreise
dieser Gesellschaft, davon Zeugnis abzulegen, dass ich mich auch persön-
lich von dem Vorkommen zweifelloser Manufakte im gewachsenen Fels
l»ei Theben überzeugt habe.
(1"2) Hr. Sei er berichtet über seine
Studien in den Kuinen von Yukatan.
Der Vortrag wird später erscheinen. —
Zoitschritf tür Ethnologie. Jahrg. 1904. Hefl :'. .>j
I. Literarische Besprechungen.
Rapport der Commissie van Advies betreffende 's Rijks Ethnographisch
Museum. 85 Seiten. 4°. o. 0. u. J. (Leiden 1903.)
Auf Befehl der Königin der Niederlande ist unter dem Vorsitz des Herrn J. J. M.
de Groot eine Komission eingesetzt worden, welcher eine Reihe von Fragen, die auf
einen Museum-Neubau Bezug haben, vorgelegt worden sind. Die Beantwortung derselben
ist für das Schicksal der ethnographischen Sammlung in Leiden von erheblicher Be-
deutung. Das Ergebnis, zu welchem die Kommission gelaugt ist, wird auch für weitere
Kreise von Interesse sein. Drei Mitglieder der Kommission haben sich dem Votum der
Mehrheit nicht angeschlossen: es liegen von ihnen besondere Auslassungen vor.
Die gestellten Fragen werden der Reihe nach vorgeführt, und jeder einzelnen ist
dann gleich die Antwort der Kommission angeschlossen worden. Das Ergebnis dieser
Antworten ist, dass die Kommission den Neubau eines allgemeinen ethnographischen
Museums befürwortet, denn nur ein solches entspräche der gestellten Forderung eines
ethnographischen Museums in historisch-systematischer Form. Neben der wissenschaft-
lichen Sammlung wird empfohlen, eine Schausammlung für das grössere Publikum auf-
zustellen, die wissenschaftliche Sammlung aber mit den notwendigen Arbeitsräumen und
Laboratorien, sowie mit Bibliotheksräumen auszustatten. Das Verhältnis der ethnologischen
Sammlungen zu den Altertumssammlungen wird derartig zu regeln empfohlen, dass alle
Praehistorica, welche den Ländern archäologischer Forschung im engeren Sinne, d. h.
Europa, Nordafrika und Westasien angehören, in einem besonderen Altertums-Muscum,
das unter besonderer Direktion steht, vereinigt werden sollen, während alle vorgeschicht-
lichen Gegenstände aus den übrigen aussereuropäischen Ländern dem ethnographischen
Museum überwiesen werden sollen, um bei den Ethnographicis des betreffenden Landes
Aufstellung zu finden. Die eigentliche Altertumssammlung könnte aber in dem gleichen
Neubau Platz finden.
Die Möglichkeit, ein ethnographisches Museum nur für die breiten Schichten des
Volkes einzurichten, wird zugegeben, jedoch könnte deswegen das wissenschaftliche ethno-
graphische Museum nicht in Wegfall kommen.
Die Frage, ob die ethnographische Sammlung in Leiden Gegenstände besitzt, welche
in einem neu zu begründenden Museum für ostasiatisches Kunstgewerbe Aufstellung finden
könnten, wird zwar bejaht, es wird jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass diese Stücke
der ethnographischen Sammlung nicht entzogen werden dürfen, wenn deren wissenschaft-
licher Charakter nicht leiden soll. Darum müsste für ein solches Museum der gesamte
Inhalt erst neu herbeigeschafft werden und es würde sich dann doch empfehlen, gleich
ein Museum für das Kunstgewerbe aller Völker zu begründen, das sicherlich grossen
Nutzen stiften würde. Das von der Kommission für den Bau eines allgemeinen ethno-
graphischen Museums in Vorschlag gebrachte Bauterrain befindet sich in Leiden.
Den entworfenen Bauplan sowie die eingehende Äusserung über die Bau- und Be-
triebskosten des geplanten Museums Kann ich hier übergehen, jedoch mag aus den bei-
gefügten Sondergutachten noch das folgende mitgeteilt werden: Die Herren van Saher
and van Hasseli widerraten die Einrichtung einer Schausammlung. Sie wollen die
— 323 —
Errichtung eines wissenschaftlichen ethnographischen Museums für die ESthnographie von
Niederländisch Indien und ausserdem eines allgemeinen ethnographischen Museum! ftu
die breiten Schichten der Bevölkerung. Mau wird dieser Forderung kaum Beifall zollen
können. Am meisten abweichend von den Forderungen der Kommission sind die
Äusserungen des Vorsitzenden der Kgl. Gesellschaft für Erdkunde in Amsterdam, J. W.
Yzerman. Er befürwortet die Errichtung des neuen Museums in Amsterdam, während
in Leiden nur eine Lehrsammlung zurückbleiben soll zur Unterweisung der Studierenden,
welche dort für den Dienst in den indischen Kolonien ausgebildet werden.
Zur Anziehung des Publikums sollen im Museum wechselnde Ausstellungen ver-
anstaltet werden, und er rät, an der Universität Amsterdam einen Lehrstuhl für allgemeine
Völkerkunde zu kreieren. Die Herren Boescr, de Goeje, de Groot, Holwerda und
Schmeltz haben sich danu noch gemeinsam über diese Fragen geäussert. Sie entwickeln
ausführlich die Notwendigkeit, dass dem Museum der rein wissenschaftliche Charakter
erhalten bleiben müsse. Die Umformung desselben in ein Handels-Museum oder in ein
Kunstgewerbe-Museum widerraten sie.
Die fernere Erhaltung der mit dem Museum verbundenen Abteilung für physische
Anthropologie halten sie vom wissenschaftlichen Standpunkte aus für notwendig. Die
Zugänglichkeit derselben für das grosse Publikum erscheint ihnen zwecklos. Für die
Wissenschaft ist sie aber gerade in Leiden nutzbringend, da sich dort auch die reiche
anthropologische Sammlung des berühmten anatomischen Kabinets befindet. Es wäre
aber überhaupt ein Fehler, das Museum von Leiden fortzubringen, da sich dort die Lehr-
stühle für die orientalischen Sprachen befinden und den Studierenden für die indologischen
Studien, für die Kenntnis des Buddhismus, des Islam usw., sowie den für den Kolonial-
dienst auszubildenden Beamten eine reiche ethnologische Sammlung mehr zugute kommen
würde, als einer grossen Zahl grossstädtischer Besucher, welche ein ernstes Studium gar-
oicht anstreben.
Auch ist nicht ausser Acht zu lassen, dass viele kostbare Gegenstände durch den
Umzug nach ausserhalb Schaden leiden oder gänzlich zerstört werden würden.
Aus der Feder des Direktors Schmeltz ist dann noch ein Bericht über den Inhalt
des Leidener Museums beigegeben. Obwohl derselbe nur nach grösseren Gruppen auf-
geführt wird, beweist diese Liste doch bereits die grosse Reichhaltigkeit und die hohe
Bedeutung dieser Sammlung. Bei jeder Gruppe ist angegeben, ob und wo sie schon eine
wissenschaftliche Bearbeitung gefunden hat. Aus diesen Angaben geht deutlich hervor,
wie eifrig die Leiter dieser Sammlung bemüht gewesen sind, mit Zugrundelegung der
ihnen unterstellten Schätze an dem Ausbau der ethnologischen Wissenschaft mitzuarbeiten.
Mit gespannter Aufmerksamkeit und grösster Teilnahme verfolgen die ausländischen Ethno-
logen, wie sich das Schicksal dieser ältesten völkerkundlichen Sammlung der Welt ge-
stalten wird. Möge es zum Segen der Wissenschaft sein. Max Bartels.
Hellwig, A., Da> Asylrecht der Naturvölker. .Mit einem Vorworte von
.). Köhler. Aus den Berliner juristischen Beiträgen, herausgegeben
von .1. Köhler. 1. Heft. Berlin, v. Deckeis Verlag, L903. 122 8.
Als eine erfreuliche Tatsache müssen wir es vom Standpunkte der Ethnologie aus
begrüssen, dass die moderne verjüngte Jurisprudenz, wie sie sich in der Kohlerschen
Schule verkörpert, abermals ein offenes Zeugnis für ihren engen Zusammenhang mit der
modernen Ethnologie abgelegt hat; denn gerade ein Beitrag zu der auf ethnologischer
Grundlage beruhenden vergleichenden Rechtswissenschaft ist es. mit welchem Kohler die
Reihe der von ihm herausgegebenen „Berliner juristischen Beiträge zu Zivilrecht, Handels-
recht, Strafrecht und Strafprozess und zur vergleichenden Rechtswissenschaft" beginnen
lässt. Kohler selbsl hat der vorliegenden Schrift über das Asylrecht der Naturvolker
ein Vorwort gewidmet, auf welches wir hier wegen seiner treffenden Kritik, zumal vom
juristischen Standpunkte aus, verweisen müssen.
In einer kurzen Einleitung legt Verfasser den Bi griff und die verschiedenen Arten
de-, Asylrechts, wie er (.s Beiner folgenden Darstellung zugrunde gelegt, fest. Er versteht
21
— 324 —
uuter Asyl diejenige Rechtseinriehtung einer bestimmten Rechtsgemeinschaft, welche be-
stimmten Personen oder Orten die rechtliche Macht verleiht, allen oder gewissen Personen,
welche des Rechtsschutzes dieser Rechtsgemeinschaft entbehren, dauernd oder für gewisse
Zeit Rechtsschutz angedeihen zu lassen. Auch wir können mit Kohl er dem in dieser
Definition zum Ausdruck gebrachten Ausschluss des zeitlichen Asylrechts nicht bei-
stimmen.
In drei weiteren Kapiteln folgt dann die eingehende Behandlung des Asylrechts in
Australien und in der Südsee, in Afrika und in Amerika. Mit Recht sieht Verfasser seine
Hauptaufgabe bei dieser universalgeschichtlichen Darstellung des Rechtsinstituts darin,
das letztere überall in seinem Zusammenhange mit den bei der betreffenden Bevölkerungs-
einheit vorliegenden wirtschaftlichen, rechtlichen und psychologischen Verhältnissen zu
erfassen. Gerade aber infolge dieser Methode tritt recht deutlich hervor, wie wichtig für
die auf den Gebieten von Nachbarwissenschaften erwachsenen Bearbeitungen irgendwelcher
Verhältnisse der Naturvölker, der intimere Zusammenhang des Verfassers mit der
modernen, in den letzten Dezennien auf ganz neuer Basis begründeten und von ganz
anderen Ausblicken geleiteten Ethnologie ist. Die letztere muss sich aufs Entschiedenste
verwahren gegen so allgemein gehaltene Urteile, wie sie Verfasser z. B. auf S. 10G mit
Bezugnahme auf die zur Zeit doch als veraltet anzusehende Anthropologie von Waitz
über die Kulturverhältnisse der („in Betracht kommenden" ?) Indianerstämme gilt. Auf
die südamerikanischen Indianer, von denen auf S. 122 bei der Schilderung des Sklaven-
asylrechts die Guaikurü angeführt werden, stimmt nebenbei die gegebene allgemeine
Charakteristik absolut nicht.
Kohler weist in seiner Vorrede darauf hin, dass im Gegensatz zum Verfasser nur
da das Asyliustitut, das ein Sicherungsinstitut ist, anzunehmen sei, wo es sich um eine
besondere Schutzeinrichtung handelt. Ich möchte dem von Kohler hier angeführten
Falle, dass das sog. Bondo- oder Tombika-Institut (nach welchem ein Sklave, um seinem
Herrn zu entgehen, bei einem anderen Herrn irgendwelche Unbill verübt, welche eine
Übergabe an diesen Verletzten zur Folge hat) zu Unrecht dem Asylinstitut zugezählt wird,
noch die vielen Fälle hinzufügen, in denen nach meiner Meinung ohne Grund der Fremden-
schutz ohne weiteres mit dem Asylinstitut verquickt wird, Das für dieses meiner Meinung
nach unrichtige Ergebnis liegt in der konsequenten Durchführung des auf Seite 2 vom
Verfasser aufgestellten Satzes: „Rechtsschutz geniessen in primitiven Rechtsgemeinschaften
nur die Genossen, welche nicht durch Verletzung des durch die Gemeinschaft garantierten
Rechtes eines anderen Rechtsgeuossen sich dieses Rechtsschutzes unwert gezeigt haben."
Die uns von Forschern über die Rechtsverhältnisse der Naturvölker gegebenen brauch-
baren Angaben sind bisher noch viel zu dürftig, um ein endgiltiges Urteil über die Richtig-
keit eines derartigen a priori aufgestellten Grundsatzes zu geben. Jedenfalls aber er-
scheint es praktisch, fürs erste alle diejenigen Fälle des Fremdenschutzes aus der
Schilderung des Asylrechtes auszuschalten, wo dieser Fremdenschutz nicht nachweisbarer
Massen auf der einem bestimmten Orte oder einer bestimmten Person (oder auch einer
bestimmten Zeit) von der Rechtsordnung verliehenen Macht, einen solchen Schutz aus-
zuüben, beruht.
Abgesehen von diesen Einwendungen muss die vorliegende eingehende Abhandlung
als eine willkommene Bereicherung der auf dem Grenzgebiet zwischen Jurisprudenz und
Ethnologie erwachsenen Wissenschaft betrachtet werden, und wir können den weiteren
vom Verfasser in Aussicht gestellten Darstellungen des asiatischen Asylrochts und der
Philosophie des Asylrechts mit den besten Hoffnungen entgegensehen.
Max Schmidt.
tfietzold, Johannes, \)r. jur., Die Ehe in Ägypten zur ptolemäisch-
römischen Zeit, nach den griechischen Heiratskontrakten und verwandten
Urkunden. Leipzig, Veit & Co., L903. 8°.
In die Linie der von Mitteis erfolgreich erschlossenen juristischen Richtung stellt
sich Nictzolds Arbeit, welche die griechischen Papyrusfunde in Ägypten zusammenfassend
verwertet um aus ihnen die Bestimmungen, welche sich für die Ordnung des sexuellen
— 825 -
Lebens ergeben, herauszudestillieren. In dem ptolemäischen Staat, auf den Bich Nictzolds
Ausführungen vorwiegend beziehen, spielte das Griechentnm zwar eine führende Kolli*,
nichtsdestoweniger machten sich aber unter den Lagiden ägyptisch antikisierende Tendenzen
mächtig geltend. Auch auf dem Gebiete des Eherechts zeigen sich im allgemeinen die
griechischen Sitten der herrschenden Schicht zu schwach, um die vom Volke getragenen
ägyptisch-orientalischen Überlieferungen überwinden zu können.
Die Ehe kann als „prinzipiell monogam" bezeichnet werden', wenn auch das Halten
von Nebenfrauen und Kebsweibern üblich ist. Mädchen heiraten vom 12. Jahre ab,
Jünglinge vom 15. Jahre ab — wie auch in Rom. Ehehindernisse kennt man hier eben-
sowenig wie in Hammurabis Gesetz; ist doch die Geschwisterehe eine in Ägypten seil
den ältesten Zeiten bekaunte Erscheinung. Zur Abschliessung einer ägyptischen Volk he
wird, wie in Babylon und Ninive, Schriftlichkeit gefordert (eyyQixpos yafiog); damit hängt
auch die Bestellung der Mitgift zusammen, während die später völlig missverstandene,
rätselhafte donatio propter nuptias, wie schon Mitteis erkannte, an die Form der Kauf-
ehe anknüpft. Eine andere, übrigens auch im Osten, im syrischen Rechtsbuch und bei
den Hebräern vorkommende Form, die dort mit verschiedenen Efochzeitsbräuchen — der
Krönung der Braut, teilweise auch des Bräutigams, ein Brauch, der sich in Syrien bis
heute erhalten hat (vgl. Brassloff, Zur Kenntnis dos Volksrechts, 190-2) — zusammen-
hängen, ist die schriftlose Ehe (äyga<pog yä/tog). Bei dieser wird Virginität gefordert, sie
trägt provisorischen, aber nicht auf eine bestimmte Zeitspanne beschränkten Charakter und
ist häufig die Vorstufe zur Schriftehe. Diese letztere, bei verschiedenen Völkerstämmen
später eingeführte Eheform ist die eigentliche Daucrehe. Die Scbriftehe kounte doch
sicher nur in Staaten mit ausgebildetem Schreiberwesen, wie im Zweistromland und am
Nil zur Ausbildung kommen. Bei Priesterheiraten legte man auf den Nachweis der Ab-
stammung grosses Gewicht. Sklavenehen, die der Westen nicht kennt (ausser bei den
coloni), sind in den orientalischen Fändern, wo der Sklave wirtschaftlich selbständiger ist,
allgemein üblich und auch im ptolemäischen Ägypten eingebürgert. Der Mann hat für
den Unterhalt der Frau zu sorgen. Die Rechte der Frau an der Mitgift, deren Aus-
bezahlung für sie zugleich Erbabfindung bedeutet, wie bei Hammurabi, werden dem Manne
gegenüber aufs strengste gewahrt. Eine wichtige Rolle spielen auch die nicht selten hohen
Scheidungsstrafen, denen wir auch in den babylonischen Kontrakten oft begegnen. Bei
der Schriftehe steht dem Vater eine viel weitreichendere väterliche Gewalt zu, als bei der
schriftlosen Ehe, bei der die Kinder namentlich vermögensrechtlich selbständiger gestellt
sind. Aber in keinem Falle trifft Kinder, auch nicht wenn sie „vaterlos" sind, ein gesell-
schaftlicher Makel. Der griechische Einfiuss kommt bei allen Eheverträgen, von denen
formell mehrere Gattungen zu unterscheiden sind, dadurch zur Geltung, dass, während
die ägyptisch- demotischen Kontrakte vor dem Priester, die Vorträge der griechisch-
römischen Zeit bei besonderen Ämtern abgeschlossen werden. Auch inhaltlich zeigen sieh
mannigfache Verschiedenheiten, so wird später ein geuaues Signalement der beim Vertrags-
abschluss beteiligton Personen eingeführt. Die Stellung der Frau erscheint durch Be-
tonung des Gehorsams in den griechischen Verträgen und die Einrichtung der griechische]]
Geschlechtsvormundschaft, die erst in römischer Zeit (Constantiu) verschwindet, juristisch-
formell ungünstiger. Griechischen Ursprungs ist auch das Testament, das in igypten
anfänglich den Heiratskontrakten angeschlossen worden und ovyygacpodia&Tjxr, hiess. In
römischer Zeit wurde für die Garnisonen von Söldnern, die sich nicht verheiraten durfton,
besondere Ordnungen des Konkubinats, ähnlich wie heute für Soldaten in exotischen
Garnisonen, getroffen.
Wie viel von den orientalisch-ägyptischen (Institutionen Ägypten eigentümlich, wie
viel etwa aus Vorderasien durchgesickert ist, das zu entscheiden, muss vertagt werden,
bis uns ein günstiges Geschick ausführlicheres, als wir bisher über altägyptisches Rocht
wissen, bescheort. Revillouts Vermutungen haben ja oft ebensoviel für sieb wie
gegen sich.
Nietzold hat zweifellos eine ebenso schwierige wie verdienstvolle Arbeit geh
Nichtsdestoweniger will es uns scheinen, dass er durch reichlicheres Heranziehen der
vorhandenen Dokumente geschäftlichen und politischen Inhalts in seinem Buch, das ein
Bild einer ganzen Institution innerhalb eines nichl geringen Zeitraumes geben will, die
— 326 —
juristischen Formen plastischer aus den realen Verhältnissen des Lebens heraus zu meisseln
vermocht hätte. Dadurch würden die Bedingungen staatlicher Überlieferungen, die Be-
deutung von Volkssitten beim Zusammentreffen verschiedener ethnischer Bestandteile im
ptolemäischen Ägypten noch sichtbarer geworden sein. R. Thurnwald.
Chalikiopoulos, Leonidas, Sitia, die Osthalbinsel Kretas. Eine geo-
graphische Studie. Mit 3 Tafeln und 8 Abbildungen. Heft 4, April L903
der Veröffentlichungen des Instituts f. Meereskunde u. d. Geographischen
Instituts a. d. Univ. Berlin, hergb. von F. v. R iehthofen; Verlag von
S. Mittler & Sohn. 138 Seiten.
Die mit Methode und grosser Akribie durchgeführte Abhandlung betrifft ein nur
kleines Teilgebiet der Insel Kreta. Der weitaus grösste Teil der Arbeit (S. 1—119) be-
handelt die physische Geographie der Halbinsel. Auf eine sehr ausführliche Topographie
folgt die ebenso eingehende Behandlung der rein geologischen und morphologischen Ver-
hältnisse im Richtho fenschen Sinne. — Den Lesern dieser Zeitschrift dürften allein die
etwas kürzer geratenen kulturgeographischen Abschnitte über Siedelungen, Wirtschafts-
formen und Bevölkerungsverhältnisse von Interesse sein (S. 121 — 138).
Die Lage der Siedelungen ist vor allem durch die Nähe von Quellen und frucht-
barem Boden bestimmt worden; es sind verhältnismässig nur wenige Orte auf Zisternen-
wasser angewiesen. Merkwürdigerweise war die Küste fast garnicht besiedelt und erst in
neuerer Zeit haben sich einige kleine Seehandelsplätze eingefunden. Auch die Grösse der
TD Siedelungsplätze der Halbinsel ist abhängig von geographischen Momenten. In West-
Sitia überwiegen die grossen Ortschaften, in Ost-Sitia die kleinen. Auffallenderweise
finden sich die meisten und grössten in der Höhenlage von 300—400 m, vermutlich wegen
des Quellenreichtums und der grösseren Ebenheit gerade dieser Höhenzone. Beachtung
verdienen auch die Ausführungen über die Wirtschaftsformen. Eigentümlich sind die
Saisondörfer, zeitweise bewohnte Siedelungen, deren Bewohnerschaft einem nahegelegenen
Mutterdorfe entstammt und die Kultur einer in letzterem nicht gedeihenden Pflanze (Wein,
Ölbaum) betreibt. Der Kleingrundbesitzer herrscht vor; Lohnarbeiter, Herren und Knechte
fehlen. Die Lebenshaltung, die Nahrung ist aber eine sehr kärgliche und zu einem leb-
hafteren wirtschaftlichen Aufschwung haben es die unsicheren politischen Zustände nicht
kninmen lassen. K. Kretschmer.
Preyer, Axel, Indo-malayische Streifzüge. Beobachtungen und Bilder
aus Natur und Wirtschaftsleben im tropischen Süd-Asien. Mit ."><) Ab-
bildungen. Leipzig (Th. Griebens Verlag. L. Fernau) 1903. 8°.
•287 Seiten.
Der Verfasser hatte seine Reise nach dem malayischen Archipel im Auftrage des
Kolonialwirtschaftlichen Komitees in Berlin unternommen. So hat er seine Aufmerksamkeit
auch in erster Linie der Nutzllora Indiens und der dort geübten Agrikultur und Plantagen-
Wirtschaft zugewendet. Hierüber macht er viele und anregende Mitteilungen, welche
wohl ein allgemeineres Interesse erwecken werden. Aber auch die Schilderungen von
Land und Leuten, sowie von dem Leben der europäischen Ansiedler in diesen Ländern
finden ihre Berücksichtigung. So werden wir nach Ceylon, Singapore, Sumatra und Java
gefohlt. Über die letztere Insel verbreitet sich der Verfasser am ausführlichsten. Viel-
fach sind dem Bache Betrachtungen sozial-politischer Natur eingestreut, besonders über
das Verhalten der Europäer in den Kolonien gegenüber der eingeborenen Uevölkerung.
Eine Anzahl von Abbildungen, meist Vegetationsbilder vorführend, sind dem Texte ein
gefügrt worden. Max Bartels.
IV. Eingänge für die Bibliothek.1
1. Giuffrida-Ruggeri, V., La maggiore variabilitä dclla donna ... Firenzc 1903.
(Aus: Monitore Zoologico Italiano.) Gesch. d. Verf.
2. Derselbe, I dati dell' antropologia e il criterio cronologico ... Padova 1904. B
(Aus: Uivista di Storia Antica.) Gesell, d. Verf.
:'>. Müller, F. W. K., Handschriften-Beste in Estrangelo-Schrift aus Turfan, Chinesisch-
Turkistan. Berlin 1904. 8°. (Aus: Sitzungsb. d. Kgl. Pr. Akademie der Wissen-
schaften IX.) Gesch d. Verf.
1. Tischler, Otto, Ostproussische Altertümer aus der Zeit der grossen Gräberfelder
nach Christi Geburt . . . Herausg. von Heinrich Kemke. Königsberg i. Pr.:
W. Koch, 1902. 1". Angekauft.
5. Aisberg, Moritz, Rassenmischung im Judentum. Hamburg: J. F. Richter 1891. 8".
Angekauft.
<i. Derselbe, Erbliche Entartung bedingt durch soziale Einflüsse. Kassel und Leipzig:
Th. G. Fischer & Co. 1903. 8°. Vom Verleger.
7. Mies, Joseph, Über die grösste Breite des menschlichen Hirnschädels . . . Vollendet
und herausg. von Paul Bartels. Stuttgart: E. Nägele 1904. 8". (Aus: Zeit-
schrift für Morphologie und Anthropologie VII.) Gesch. d. Verf.
8. Bartels, Paul, Untersuchungen und Experimente an 15 000 menschlichen Schädeln
über die Grundlagen und den Wert der anthropologischen Statistik. Stuttgart :
E. Nägele 1904. 8". (Aus: Zeitschr. f. Morphologie und Anthropologie VII.
Gesch. d. Verf.
9. Schwalbe, G., Die Vorgeschichte des Menschen. Braunschweig: F. Vieweg u. Sohn
1904 8". Vom Verleger.
10. Schweiger-Lerchenfeld, A. v., Die Frauen des Orients. Lief. 21 — 25 (Schluss .
Wien: A. Hartleben 1904. 4". Vom Verleger.
11. Champion, M. Pauk Industries anciennes et modernes de l'empire Chinois. par
M. Stanislas Julien. Paris: E. Lacroix 18G9. S". Angekauft.
12. Schmeltz, J. D. B., Fatsoen en Eerlijkheid. De redaetie van de Gids ... Leiden:
F. .1. Brill 1904. 8°. Gesch. d. Verf
L3. Kohlbrugge, J. II. F., Stadt und Land IL Greifswald L903. 8°. (Aus: Internat
Gentralblatt für Anthropologie.) Gesch. d. Verf.
11. Schliz, A.. Fränkische und alamanische Kunsttätigkeit im frühen Mittelalter nach
dem Bestand der schwäbischen Grabfelder. Heilbronn: Historischer Verein, 1904.
Aus: Fundberichte aus Schwaben XL) Gesell d, Verf.
15. Lüdemann, K.. Das Gräberfeld von Kricheldorf, Kr. Salzwedel, Prov. Sachsen.
Braunschweig 1904. I". (Aus: Archiv für Anthropologie.) Gesch. d. Verf.
1) Di'' Titel der eingesandten Bücher und Sonder-Abdrücke werden regelmässig hier
veröffentlieht, Besprechungen der geeigneten Schriften vorbehalten. Rücksendung un-
verlangter Schriften findet nicht -tatt.
— 328 —
16. Ihering, H. v., The anthropology of tlic State of S. Paulo, Brazil. S. Paulo: Duprat
et Co. 1904. 8°. Gesch. d. Verf.
17. Köhler, Arthur, Verfassung, soziale Gliederung', Recht und Wirtschaft der Tuareg.
Gotha: F. A. Perthes 1904. Sn. (In: Karl Lamprechts Geschichtliche Unter-
suchungen II, 1.) Vom Verleger.
18. Jaekcl, Otto, K. A. v. Zittel, der Altmeister der Paläontologie. Jena: G. Fischer
1904. 8°. (Aus: Naturwissenschaftl. Wochenschrift.) Gesch. d. Verf.
19. Festschrift des Coppernicus-Vereins zur Feier seines 50 jährigen Jubelfestes am
19. Februar 1904 ... von K. Boethke. Thorn: E. Lambeck 1904. 8°. Vom
Verein.
20. Günther, S., Ziele, Richtpunkte und Methoden der modernen Völkerkunde. Stuttgart:
F. Enke 1904. 8°. Vom Verleger.
21. Wächter, Wilhelm, Das Feuer in der Natur, im Kultus und Mythus, im Völkerlebcn.
Wien und Leipzig: A. Hartleben 1904. 8°. Vom Verleger.
22. Katalog der mittelalterlichen Miniaturen des Germanischen Nationalmuseums . . .
von E. W. Bredt. Nürnberg 1903. 8°. Vom German. Museum.
23. Führer durch das Kgl. Museum für Völkerkunde. 11. Aufl. Berlin: G. Reimer 1904.
8°. Von der Generalverwaltung.
24. Frobenius, Leo, Das Zeitalter des Sonnengottes. Bd. I. Berlin: G. Reimer 1904.
8°. Vom Verleger.
(Abgeschlossen den 21. März 1901.)
I. Abhandlungen und Vorträge.
1. Gewerbe in Ruanda.1)
Von
Richard Kandt.
(Hierzu 4 Tafeln.)
Ich hatte ursprünglich beabsichtigt, Ihnen nur die Technik einiger
Gewerbe zu schildern, die ich während eines fast vierjährigen Aufent-
haltes in Ruanda zu beobachten Gelegenheit hatte; nachdem aber durch die
Güte des Vorstandes die sonst übliche
Fig. 1.
zeitliche Beschränkung für meinen Vor-
trag aufgehoben wurde, ist es mir
möglich, auch der sozialen Seite der
Gewerbe von Ruanda einige Worte
zu widmen. Zunächst aber wird es,
glaube ich, nötig sein, zu Ihrer Orien-
tieruno- wenigstens einige AVorte über
das Land zu sagen, in dem ich meine
Beobachtungen gewann. Ich werde
mich aber auf das wichtigste be-
schränken. Für viele unter Ihnen
wird der Name Ruanda ein fremder
Schall sein, wie er es vor 10 Jahren
noch für fast jeden von uns war. Erst
Graf Götzen war es, der vor noch
nicht 9 Jahren uns die erste sichere
Nachricht über dies von früheren
Reisenden unbetretene und von Arabern
und Küstenleuten mit seltsamen Ge-
rüchten verschleierte Land brachte.
Auf der Karte Afrikas finden Sie es
dicht unter dem Äquator, nämlich zwischen 1 und 27B° südl. Breite und
k2872 bis 31° östl. Länge. Mit seinem südlichen Nachbarlande ürundi
bildet das 1500 — 3000 m hohe Gebirgsland gleichsam das Dach des äqua-
torialen Afrika. Der Schiit/., den die rauhe Gebirgsnatur des Landes und
die abschreckende legendenbildende Kraft tätiger Vulkane den Bewohnern
V Nach einem in der Sitzung vom 27. Juni L903 gehaltenem Vortrage.
Ziitsclirilt für Ethnologie. Jahrg. 19J4. Heft 8 u. I. ^
— 330 -
gab, wurde noch durch einige andere Momente erhöht. Fast in allen
Himmelsrichtungen wird es von starken natürlichen Grenzen umrahmt; im
"Westen dehnt sich der grosse zentral-afrikanische Graben und die bis fast
3000 m hoch ansteigende, von Urwald bedeckte Wasserscheide zwischen Ml
und Kongo; auf der Sohle des Grabens ruht der breite Kiwusee. Im Osten und
Südosten bilden die enormen Sumpftäler des Kagera und Akanjaru, im Süd-
west die Wildnis eines viele Tagereisen breiten Urwald-Gürtels, im Nord-
westen die bis 4500 m hohen Vulkane, die sich wie eine Mauer vor den
nordwestlichen Ausgang schieben, eine starke Grenze. Nur im Nordosten
klafft in ihr eine Lücke und von hier aus zog wohl auch alles, was an Freud,
Leid und fremdem Einfluss zu den Wanjaruanda kommen sollte, bei ihnen
ein. Diejenigen unter Ihnen, die Götzen gehört oder gelesen haben,
werden sich erinnern, wie sehr es ihn frappierte, als er in Ruanda alle
Verwaltungsstellen, vom König bis zur kleinsten Häuptlingschaft hinab, in
den Händen des von der grossen Masse der Bantu- Bevölkerung ganz
verschiedenen Stammes der Watussi fand (Fig. 1). Diese Watussi waren
uns schon aus anderen Ländern: Uganda, Unjoro u.a., als Wahuma oder
Wahima bekannt. Man hält sie allgemein für Abkömmlinge hamitischer
oder semitischer Galla aus dem Süden und Osten Abessyniens, ja man
glaubt sogar, die Völkerbewegungen und Kämpfe zu kennen, die sie nach
Südwesten drängten. Aber all dies schwebt noch sehr in der Luft, so-
lange nicht aus linguistischen oder ethnographischen Momenten ein sicherer
Zusammenhang abgeleitet werden kann. Sicher ist nur, dass die Watussi
nicht Bantu, sondern hamitischen oder semitischen Stammes sind und dass
sich auch in ihren Traditionen geringe Spuren semitischer Geisteskultur
finden. Ihre Sprache ist heute die des von ihnen unterworfenen Volkes,
ist eine Bantu-Sprache. Ob auch noch Reste semitischer Elemente in ihr
enthalten sind, werde ich zu erforschen suchen, sobald die Beendigung
meiner geographischen Arbeiten mir die Zeit dazu geben wird. Eine ober-
flächliche Vergleichung aber mit dem, was über die Sprachen der Galla-
Völker publiziert ist, lehrte mich schon, dass nach dieser Richtung hin
für eine Verwandtschaft der Watussi mit den Galla wohl wenig zu holen
sein wird. Das erscheint um so auffallender, wenn wir an ein anderes
Volk semitischer Abkunft in Ost- Afrika, an die Massai, denken, deren
Sprache noch ganz aus semitischen Elementen sich zusammensetzt. Aber
freilich, die Massai sind bis heute ohne engere Verbindung mit anderen
Völkern geblieben, während die Watussi in den von ihnen eroberten
Ländern eine (heute etwa 272 bis 3 Millionen) starke Bantu-Bevölkerung vor-
fanden, so dass auch hier der weltgeschichtliche Vorgang sich wiederholen
konnte: victa graecia romanos victores superavit. Ausser den Watussi und der
von ihnen unterworfenen Bantu-Bevölkerung, die sich Wahutu nennt, leben
in Ruanda noch Reste eines Zwergstammes, die sogen. Batwa, über die später
bei der Töpferei einiges zu sagen sein wird. Mit diesen flüchtigen An-
deutungen muss ich mich begnügen, um meinem eigentlichen Thema nicht
zu viel Zeit zu rauben.
Es ist vielleicht, um mir später abschweifende Erklärungen der Termini
technici zu ersparen, gut, wenn ich zunächst die Grundformen des Ge-
— 331 —
werbes wie sie von Nationalökonomen — in sehr klarer Form z. B. von
Karl Bücher — unterschieden werden, kurz aufzähle. Bücher trennt
das Gewerbe einmal von der Urproduktion, also Landwirtschaft, Viehzucht,
Jagd, Fischfang, Bergbau usw., andererseits vom Handel und Transport-
wesen und zum dritten von den höheren persönlichen Dienstleistungen
des Arztes, Lehrers usw. Das Gewerbe wieder scheidet er — die höchsten
nur in sein- entwickelten Wirtschaftsgebieten vorkommenden Formen werde
ich unerwähnt lassen — in folgende Betriebssysteme:
1. Den Hausfleiss als Nebenbetrieb der Urproduktion, d. h. die
Rohstoffe werden in derselben Wirtschaft verarbeitet und verbraucht,
in der sie gewonnen werden.
2. Eine höhere Stufe des Hausfleisses entsteht, wenn Über-
schüsse der gewonnenen Produkte g-eleo-entlich s-egen andere aus-
getauscht werden.
3. Eine dritte Betriebsform ist das Lohnwerk; hier liefert der Aus-
über des Gewerbes nur sein Handwerkszeug und seine technische
Geschicklichkeit, während er die Rohstoffe von dem Urproduzenten
zur Verarbeitung erhält. Diese kann entweder
a) im Hause des Bestellers stattfinden, als sogen. Stör, ein
Ausdruck, der den Süddeutschen unter Ihnen sehr geläufig
sein wird, oder
b) im eigenen Hause des Gewerkers, als Heim werk.
4. Beim Preiswerk oder Handwerk endlich ist Verarbeitet' und
Eigentümer des Rohstoffs ein und dieselbe Person, wie beim Haus-
fleiss, aber die Arbeit geschieht professionsmässig für fremden
Bedarf.
So klar und einfach wie in den Enzyklopädien der Staatswissenschaft
lassen sich in der Wirklichkeit die afrikanischen Gewerbe nicht scheiden,
vielfach sind gerade Verbindungen der einen oder anderen Form das
Charakteristische. Nach Schurz, der die soziale Seite der afrikanischen
Gewerbe vielleicht am eingehendsten studiert und das Quellenmaterial
am fleissigsten , wenn auch nicht immer mit der gerade auf diesem
Gebiet nötigen skeptischen Kritik, zusammengetragen hat, herrscht in
ihnen der Hausfleiss vor. Für Ruanda hat dies keine Geltung. Metall,
Ton und selbst Holz werden fast ausschliesslich von Professionellen be-
arbeitet und auch Flocht- und Fellarbeiten werden nur zum Teil vom
Urproduzenten angefertigt. Vielleicht ist der Hauptgrund der geringen
technischen Betätigung des Urproduzenten in der relativ grossen Summe
an Zeit und Kraft zu suchen, die für die Urproduktion von der einzelnen
Wirtschaft aufgewendet werden muss; daneben ist zu beachten, dass
Ruanda ein seit Jahrhunderten von Völkerbewegungen wenig belästigtes,
stark bevölkertes, durch seine politische Organisation gesichertes und seit
langen Zeiten besiedeltes Land1) ist, wodurch sich die höheren Stufen der
1) Dafür spricht das Verhältnis von Grasland und Urwald, der einst grosse Flächen
bedeckte, wie es die kleinen und kleinsten Beste, die sieh gelegentlieh weitab von jedem
Zusammenhang mit den noch vorhandenen Beständen linden, deutlieh zeigen.
— 332 —
Gewerbe naturgemäss besser entwickeln konnten. Ich erwähnte eben, dass
die Urproduktion unverhältnismässig viel Kraft und Zeit in Anspruch nimmt.
Die Ursache dessen ist die Kleinheit der Einzelwirtschaft. Die Wanyaruanda
wohnen nicht, wie zum Teil ihre Nachbarn, in Dörfern — nur an den Grenzen
gibt es solche — auch betreiben sie den Ackerbau nicht wie die Ein-
wohner der von Westen her besiedelten Strecken des Landes, z. B. am Fuss
der Vulkane und auf einigen Inseln des Kivu in Genossenschaften, sondern
jede Familie (und das ist fast immer nur der kleine Verband von Eltern
und unverheirateten Kindern), wohnt und arbeitet für sich. Die mut-
masslichen Ursachen dieser Zersplitterung kann ich Zeitmangels halber
hier auch nicht einmal in flüchtigen Strichen anführen; politische und
physikalische Faktoren werden sich wohl ziemlich die Wage halten. Um
die wirtschaftliche Selbständigkeit der einzelnen Familie zu erhalten,
dienen in Ruanda mehrere Institutionen: die Polygamie, die Lehnspflicht
und die Sklaverei. Aber das Gros der Bevölkerung kann von ihnen keinen
grossen Gebrauch machen. Denn irgendwie beträchtlicher Überschuss an
Weibern ist nicht vorhanden, so dass die meisten Leute doch nur eine
Frau haben; und um Lehnsleute in nennenswerter Zahl zu haben, dazu
gehörte ein erworbener oder ererbter Überschuss au Land, Bananen oder
Vieh, was ausser bei Häuptlingen selten der Fall ist; was endlich die
Sklaven anbetrifft, so ist der Import von Westen her — nur Fremde sind
Sklaven — nicht gross genug, um für die Masse der Bevölkerung eine
tiefgreifende wirtschaftliche Bedeutung zu haben.
Aus diesen Ursachen liegt also der Einzelfamilie ein immerhin grosses
Mass von Arbeit zur Bewältigung der Urproduktion ob und da für die
Verarbeitung der Nahrungsmittel, für die notwendigste Hausarbeit, für die
Renovierung der Hütten und ihres gröbsten Inventars, für die jährliche
Erneuerung der Speicher usw. auch viel Zeit nötig ist, so bleibt der Masse
der Bevölkerung für Dinge, die eine, wenn auch kleine technische Fähig-
keit beanspruchen, nicht viel Müsse übrig. Und wo die Gelegenheit vor-
handen ist, solche Sachen auf einem Markte zu erwerben, wird ein
etwaiger Überschuss an Zeit und Kraft lieber zur Erlangung von Tausch-
werten in Form von Materialien benutzt, die mit geringerer Zeit oder
Mühe zu erwerben sind.
Der Einfluss des Marktes auf die technische Betätigung der Einzel-
wirtschaft lässt sich gerade in R. sehr gut beobachten. Es gibt nämlich
nicht im ganzen Lande Märkte, sondern nur an der West- und Nordgrenze.
Ich vermute, dass diese Institution vom Kongo her die Kiwu-Ufer und
den Fuss der Vulkane entlang gewandert ist. Solche Märkte finden sich
alle zwei bis drei Stunden, werden zum Teil täglich, andere den zweiten
oder dritten Tag, besucht und sind bisweilen sehr gross. Der Markt hatte
in R. zwei sehr ungleiche Wirkungen; wenn ich es lapidarisch ausdrücken
sollte, müsste ich sagen: er begünstigte das Handwerk und schädigte
das Kunstgewerbe. Wer nämlich, wie ich, Gelegenheit hatte, fast alle
Teile von Ruanda kennen zu lernen und längere Zeit in ihnen zu ver-
weilen, musste zweierlei auffällig finden: erstens, dass gewisse Gegenstände
deren Herstellung im Innern von Ruanda noch der ersten Stufe des
— 333 —
Hausfleisses entspricht, am Kiwu-See vielerorts schon handwerksmässig
hergestellt und auf den Märkten verkauft werden, besonders Bettmatten,
Getreidetrockner und allerhand Körbe. Zweitens, dass es am Kiwu nicht
möglich ist, einen kunstgewerblichen Charakter tragenden Gegenstand zu
erwerben, der dort erzeugt wäre. Man missverstehe mich nicht. Es
werden auch dort Grasteller, Wandschirme Bettvorhänge, erzeugt, aber
in der rohesten Manier, ohne oder mit plumpen unregelmässigen Orna-
menten usw.
Da es weder an den nötigen Rohstoffen noch an der Kenntnis der
Technik fehlt, so muss die Ursache dieser Erscheinung wo anders zu
suchen sein. Eine davon ist wie ich glaube, die, dass jemehr die Ent-
stehung und Einbürgerung von Markt und Handwerk den Kreis der dem
Hausfleiss verbleibenden Gegenstände einschränkten, die manuelle Gewandt-
heit wegen mangelnder Übung immermehr Bank. Wer über technische
Fähigkeiten verfügte, nutzte sie handwerksmässig für den Markt aus,
vorausgesetzt, dass die Bedingungen dazu günstig waren, etwa die be-
treffende Einzelwirtschaft durch Kinder, Sklaven, Frauen usw. besonders
gross, oder die Rohmaterialien durch Lage oder Qualität sehr günstig
waren. Dingen kunstgewerblichen Charakters aber konnten sich die
Handwerker nicht zuwenden, weil der Aufwand au Müsse und Mühe —
zwei bis drei Monate dauerte die Herstellung eines Bettvorhanges wie Sie
ihn hier sehen (Fig. 46) — zu gross ist, um einen aequivalenten Tauschartikel
auf dem Markte der Eingeborenen zu finden. So bleibt die Herstellung-
derartiger Dinge dem Hausfleiss überlassen, von dem sie für die
Schmückung des eigenen Heims oder als Geschenke, bezw. Tribut
produziert wurden.
Wo aber, wie oben erwähnt, infolge der Märktebildung und der durch
sie begünstigten Entwickelung des Handwerkes der Hausfleiss zu Gunsten
einer verstärkten Urproduktion, d. h. zur Erlangung landwirtschaftlicher
Tauschwerte, sich verringert, sinkt naturgemäs die manuelle Gewandtheit
und damit auch die kunstgewerbliche Betätigung.
Ich bin nicht Theoretiker genug, um hierin die einzige Ursache der
geringen Produktion kunstgewerblicher Gegenstände in den Kiwu-Provinzen
von Ruanda zu suchen.
Unter anderem kommt noch folgendes hinzu. Im Innern von Ruanda
befinden sich, weil dort die Residenz des Königs ist, auch die grössten
Niederlassungen der Watussi. Da deren Frauen durch Urproduktion und
grobe Hausarbeit wenig in Anspruch genommen werden, erlangen sie
in Arbeiten kunstgewerblichen Charakters eine grosse Fertigkeit. Daher
sehen wir, dass grade die schönsten Arbeiten dieser Art von ihnen oder
ihren Sklaven hergestellt werden. Ihr Einfluss reicht aber noch weiter
und man findet, dass in den Distrikten, die besonders reich an Watussi
sind, auch die Frauen der Wahuttu eine grössere Geschicklichkeit in der
Herstellung kunstgewerblicher Dinge zeigen.
Ich erwähnte eingangs auch das Lohnwerk, also die Betriobsform,
bei der der Arbeiter nur Handwerkszeug und Arbeit liefert. Dabei ist
zu beachten, dass in Ruanda oft zwischen Lohnwerk und Handwerk eine
— 334 —
scharfe Grenze nicht zu ziehen ist, namentlich nicht bei der Metalltechnik.
Es gibt Schmiede, die heute das Eisen aus den Erzen reduzieren und
Hacken, Messer und ähnliches daraus schmieden: Handwerker. Derselbe
Schmied bearbeitet aber morgen ein Eisen, das ihm in Form von altem
Werkzeug gebracht wird: Lohn werk er. Beim Drahtzieher kann das
Gleiche vorkommen. Dieser ist übrigens der einzige1) Gewerker, bei dem
Störarbeit in Ruanda häufig ist. Gründe: das Handwerkszeug ist leicht
transportabel und etwaiger Diebstahl am Rohstoff wäre bei Heimarbeit
schwer kontrollierbar. Beim Preis- oder Handwerk ist eine Erscheinung
noch besonders hervorzuheben: die Lokalisirung einzelner Gewerbe
auf gewisse Orte oder Stämme. Gewöhnlich ist es so, dass nicht alle
Familien eines Ortes, eines Berges, d. h. einer Berggemeinde, wie der
kleinste Abteil der Landesorganisation bei den "VVatussi heisst, das Gewerbe
ausüben, sondern nur eine mehr oder minder grosse Zahl. Nicht immer
ist die Entwicklung des Ortsgewerbes wie z. B. bei den Erzaufarbeitern
von der Nähe des Rohstoff- Vorkommens abhängig. So gibt es z. B. in Ruanda
nur drei bis vier Berge, wo diese Köcher (Taf. I, Fig. 5) fabriziert werden,
dann aber gleich von vielen Familien, trotzdem das Holz dazu überall zu
haben ist, ebenso verhält es sich mit den Bootsbauern und Pfeilmachern.
Ich glaube, dass beim Ortsgewerbe vielfach der Ursprung in der Ab-
stammung von einer einzelnen Familie zu suchen ist, die fruchtbar war
und sich mehrte und Kindern uud Kindeskindern ihre Kunst vererbte.
Man sieht wenigstens analog, wie an einzelnen Plätzen die Ärzte oder die
Immandwa (d. h. etwa die Gottbegnadeten, die gewisse Kultushandlungen
verrichten), an anderen wieder die Würfelzauberer zusammensitzen. Gerade
beim Orts- wie noch mehr beim Stammesgewerbe muss man auch gewisse
mystische Anschauungen der Eingeborenen berücksichtigen, die mit dem
Gewerbebetrieb verbunden sind. So haben z. B. die Pfeilmacher verschiedener
Gegenden gewisse Geschäftsmarken, die ich Ihnen nachher zeigen will,
an denen jeder landkundige Eingeborene sofort erkennt, in welchem der
wenigen Pfeilmacherbezirke der betreffende Pfeil hergestellt ist. Trotz-
dem nun die Technik dieser Markenherstellung überall nur geringe,
durch die Form der Ornamente bedingte Modifikationen aufweist, Hess sich
doch kein Pfeilmacher von mir bewegen, die Marken der anderen nach-
zuahmen: Sie sehen, wir Wilden sind doch bessre Menschen. Stammes-
gewerbe ist die Töpferei, die wohl ausschliesslich in den Händen der Batwa-
Zwerge liegt. Es würde mich zu weit führen, heute darüber Vermutungen
anzustellen, wie es kam, dass gerade die Töpferei als Monopol einem aus-
gesprochenen Pariastamm anheimfiel, wie ich glaube fast ein Unikum in
Afrika. Erwähnen möchte ich nebenbei, dass die Batwa ausser ihrer Töpfer-
arbeit noch gewisse Guitarren verfertigen und Henker des Königs von Ruanda
sind. Ich muss mich mit diesen Lückenhaften Bemerkungen begnügen, um
mich meiner eigentlichen Aufgabe zuzuwenden.
Gestatten Sie mir also, Ihnen einiges von der Technik der Gewerbe
von Ruanda zu beschreiben. Ich beginne mit den Pfeilmachern, weil über
1) Hie und da trifft man auch liindenzeufrklopfor auf Stör.
— 335 —
ihre wichtige Arbeit meines Wissens nach kein detaillierter Bericht vor-
liegt. Fig. 2 zeigt Union einen Pfeil von Ruanda (Pfeil und Pfeilblatt
heissen umuambi), Pfeilmacher heissi töutanasi. Richtiger übersetzte ich es
mit Schaftmacher, da »las Eisen des Pfeils von den Eisenarbeitern hergestellt
wird. Das Kutanaga d. h. das Schaftmachen geschieht in folgender Weise: Man
nimmt einen Zweig des Rukurasostrauches, einer Coniposite, von dem zunächst
Piff. 2.
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RUHM:: :rt :::;:: :: ::
Fig. •">.
die Rinde entfernt wird. Dann beginnt «las Kubasa, d. h. das Schleifen. Es
geschieht mit dem Inkongo, einem gewöhnlichen Messer, das aber so ge-
schliffen ist. »lass es vor dem oberen Drittel einen kleinen Knick hat.
Damit schneidet man zuerst den Spalt i'i'w die Sehne, das sogenannte [nkargwe
(Fig. 2a). Es werden nun alle Unebenheiten des Schaftes, der aber von
Vornherein möglichst gerade gewählt wird, korrigiert. Der Arbeiter kauert
auf der Erde. Das Eisenende des Schaftes, das Basumuambi, klemmt er
zwischen grosse Zehe und /.weite Zehe: die Linke Hand hält den Schaft
— 33G —
— Iwannu — zwischen Daumen und Zeigefinger leicht nach vorn geneigt
und dreht ihn langsam. Die rechte Hand legt das Messer an seinem Knick
gegen den Schaft in der Weise, dass sich der Daumen mit seiner Radial-
Fi-r. 4.
seite am Schaft stützt und die übrigen Finger das Messer von oben nach
unten ziehen, ähnlich wie man beim Bleistiftspitzen verfährt. Der Hand-
rücken sieht nach dem Arbeiter (Fig 3). Dann klemmt der Arbeiter den
— 337
Schaft in die linke Kniebeuge und hält ihn so fest. Die rechte Hand, den
Rücken zum Arbeiter, hält den Messergriff, die linke dreht abwechselnd
den Schaft, teils drückt sie (wobei der Daumen frei in der Luft bleibt)
mit den letzten, auf dein Kücken der Klinge liegenden vier Fingern
durch eine Beugebewegung das Messer von oben nach unten, bezw. von
distal nach proximal, oder richtiger, er schiebt es und die passive Rechte
in dieser Richtung (Fig. 4). Punktion 1 ist mehr ein derbes, Punktion 2
mehr ein zartes Hobeln. Die dritte Funktion ist folgende: Die linke Hund
hält den Schaft senkrecht fest, die rechte setzt das Messer an, aber nicht am
Knick, sondern am geraden Teil, rechtwinkelig auf die Schaftachse und macht
kurze schabende Bewegungen (Fig. 5). Durch diese drei Schleifarten, die
bei jedem Arbeiter gleich regelmässig sich abspielen, erhält der Pfeilschaft
noch nicht seine definitive Glätte. Dies geschieht erst durch das Ugussenna.
d. h. durch das Schleifen mit den getrockneten (nicht etwa welken) Blättern
des Umussenno — einer Ficusart (Fig. (>). Mit diesen wird zunächst das
Sehnenende des Schaftes tüchtig ge-
rieben, etwa so, wie wir einen Stock
mit einem Lappen putzen würden.
Dadurch wird es sehr weiss und sehr
glatt. Ich lasse ein paar Blätter
herumgehen und bitte Sie, sie vor-
sichtig auf ihre grosse Rauheit zu
Fis. C.
befählen.
Nun- folgt das Präparieren der
Amoja, d. h. der Federn. Diese Arbeit
liebst Kugongora, was von dem Haupt-
wort Nkongoro d. h. Geier abgeleitet
ist. Die Schwingen des Geiers sollen
auch die besten dafür sein, doch
nimmt man faute de mieux die jedes grossen Vogels. Zunächst stellt
man die sogenannten Inkimma her, d. h. die einzelnen Federstücke,
vier aus einer Schwinge. Man reisst dazu mit den Fingern die Federn
von oben nach unten längs des Federschaftes, der Federwirbelsäule, wie
die Eingeborenen ihn nennen und trennt g-leich Stücke von der nötigen
Länge ab. Dann nimmt der Arbeiter ein Rinderhorn, «las an einer be-
stimmten Stelle durch Schaben glatt poliert ist. Er hockt wie vorher
nieder; dicht vor ihm liegt das Hörn; auf die glatte Stelle legt er
das Federstück so, dass der Federschaft, von dem Nagel des linken
Daumens gehalten, dem Hörn dicht aufliegt und die Fahne nach oben
schaut. Dann beschneidet er den Federschaft, indem er von -einem
distalen Ende auf sich zuschneidet. Das Umutima, d. h. das Mark, hat
er schon vorher mit einer Nadel aus ihm entfernt. Darauf legt er die
Feder flach auf das Hörn und beschneidet die Fahne auf zwei Centimeter
Breite; dies kiikewa Moja geschieht mit allen Stücken, d. h. für je
einen Pfeil drei. Nun schneidet sich der Arbeiter ein Akatti, d. h.
Bäumchen, nämlich eine Holznadel, aus Bambus oder Rohr von ca. 10 cm
Länge, wäscht sich dann sauber die Hände und nimmt Fäden aus
— 338 —
Rindersehne, die er sich schon vorher durch Klopfen der Sehne
hergestellt hat. Mit ihnen befestigt er die Federn am Schafte, indem er
sie etwa so anbindet, als wenn man drei Menschen mit einem Strick rings
um einen Baumstamm binden wollte. Dies Befestigen der Federn erfordert
viel Übung, da der Arbeiter eigentlich 3 Hände bedürfte; er hilft sich
mit dem Munde, in den er das eine Fadenende nimmt. (Notabene werden
die Sehnenfäden vor dem Gebrauch weich gekaut.) Nun umwickelt er
den Schaft etwa 10 cm oberhalb des Sehnenendes einigemal, legt die erste
Feder auf, umwickelt sie, dreht, legt die zweite Feder auf, wickelt, dreht,
legt die dritte Feder auf, wickelt, und was dann noch vom Faden übrig-
bleibt, schiebt er von oben her zwischen Feder und Pfeilschaft und wickelt
es um letzteren, indem er ihn dreht. Um dies Befestigen zu erleichtern,
Fiff. 7.
Fig. 8.
ragt, wie Sie hier bei a (Fig. 7) sehen, ein minimales Stück Feder-
schaft an dem betreffenden Ende hervor, auch nimmt man gern etwas
Fahne mit unter den ersten Faden.
Nun folgt das Kunjusa, d. h. das Festbinden der ganzen Federn. Der
Anfang und das Ende jedes Fadens wird in der vorhin beschriebenen
"Weise zwischen Pfeilschaft und Federschaft von obenher geschoben und
eingewickelt. Die Linke dreht den Pfeilschaft, der Mund spannt den
Faden und die Rechte hält die Holznadel, mit der man die Fahnen alle
1 bis 2 mm teilt, um den Faden durchzulegen. Nach dieser Prozedur
stellt man die Pfeile für einige Minuten in die Sonne. Dann folgt das
Lackieren und Glätten, das sogenannte Kussiga und das Kwitschira. Dazu
gehört zweierlei: ein flaches, bucht gewölbtes Rindorrippenstück und die
Wurzel einer Orchidee, die Ikimascha heisst (es gibt zwei eng verwandte
— 33!) —
Arten, Fig. 8). Diese Pflanze hat ineist zwei oder drei Knollen. Yon
einer schneidet man die runzlige Schale und alle Nebenwurzeln ab und
zerkaut dann die Knolle. Mit dieser stark klebrigen speicheligen Masse
lackiert man ca. 1 Minute den Pfeilschaft zwischen den Federn und glättet
ihn mit dem Knochen. Nun sieht man mit einem Schlage nichts mehr
von den Sehnenfäden. Da durch diese Arbeit die Federn etwas verschoben
werden müssen, muss man sie gerade richten. Dies Kugorola geschieht,
indem man die Schneide des Messers dicht an den Federschaft ansetzt
und ihn in die richtige Lage schiebt. Darauf wird das obere Ende des
Pfeils angespitzt und der ganze Schaft in der vorher beschriebenen Weise
mit den Blättern des Umussenno poliert. Dann erfolgt die Herstellung
des Akatangau, d. h. des Ringes aus Sehnenfäden dicht über dem Sehnen-
spalt. Darauf quirlt man den horizontal liegenden Pfeilschaft auf dem
linken Oberschenkel, während die Rechte den Ring mit Kimascha ein-
seift, glättet den Ring mit der Rippe, bohrt den Stiel des Pfeilblattes
in das weiche Holz und umwickelt auch diesen Teil mit Fäden,
sengt mit einem heissen Eisen die Federn so weit wie nötig ab, visiert
und kontrolliert noch einmal den Schaft und korrigiert ein eventuelles
Ausweichen mit der Faust, womöglich nachdem man die Stelle über dem
Feuer erwärmt hat.
Über die Herstellung der oben erwähnten Ge- Fig. 9.
schäftsmarken sei folgendes erwähnt: Das Material
heisst lntunto (die äusserste schwarze Blattscheide
der Bananen). Sie wird so lange in Wasser er-
weicht, bis sich die Fäden auf der Rückseite, die
Utumbatumba1), leicht abziehen lassen. Dann werden
für jeden Pfeil drei entsprechende Streifen geschnitten,
angefeuchtet und übereinandergelegt, um das Schneiden
der Ornamente, der „Amassasi", vorzunehmen. Meist
sind es Rhomben oder Vierecke oder Punkte, oder
gewisse Fadenarabesken. Sie sehen auf dieser Tafel,
in welcher AVeise z. B. Rhomben hergestellt werden
(Fig. 9). Als Instrument dient dieses kleine Messer
(Fig. 10). Das Befestigen, das Kutera, geschieht mit Kimascha und
auch auf die Oberseite tupft man etwas davon und glättet es mit dem
Knochen.
Fier. L0.
*
So weit die Arbeit der Pfeilmacher. Ich wende mich nunmehr der
Holztechnik zu. der in Ruanda ein weites Arbeitsfeld offen steht.
1) So in Ruanda-Ost. In R.-West: uvutaminirizi.
— 340 —
Die Holzschnitzerei, Kuwamba, hat, Boote und Ruder ausgenommen,
folgende Gegenstände zu bearbeiten :
1. kjansi, tschansi oder inkonkorro — Milchgefässe.
2. ubussorro — Guitarren.
3. umuhetto — Bogen.
4. umutauno — Köcher.
5. issekurru — Getreidemörser.
6. umuvule (auch einfach ibgato = Kahn) — Brautröge.
7. inbähe, ndogondo — Speiseschalen.
8. umäkko — Rührlöffel.
9. umudahu — Schöpflöffel.
10. inteve — Stühle.
11. mukenge — Saugröhren.
12. ikitembo — Büchsen dazu.
13. mutulanji — Hackenstiele.
14. mpiri — Keulen.
15. insusi — Würfelschalen.
16. igissorro — Brettspiele.
17. umuhinni — Getreidestampfer.
18. i»itschubu — Salztrog.
Fig. 11.
Fig. 12.
Die wichtigsten Instrumente für die Holzschneider, Umuwascha, sind
folgende:
1. intoleso (Fig. 11) — Beil.
•_'. intschanuro (mehrere Formen) (Fig. 12, 13, 14) — Hohl-
klingenbeil.
3. irnbaso (Fig. 15) — Axt.
— 341 —
4. umuhorro (Fig. 16) — Sichelmesser.
5. akongo (viele Formen, darunter ugokotto und irtamasso)
.Messer verschiedener Formen.
Fig. 15.
Fig/14 (Eisen von Fig. 13 isoliert).
Fi«r. 17 a.
Fig. 16.
Fig. 17 b (das Eisen von Fig. 17 a).
Fig. 18.
Fig. 19 (das eiserne Ende des Bohrers .
6. nkorto (Fig. 23) — Hobel.
7. omhwaruru (Fig. 22) — Raspel.
8. ikissemiue, ikissemjo (mehrere Formen) (Fig. 19)
Bohrer.
— 342 —
9. umutwero (Fig. 17) — Bohreisen.
10. uruhorro (Fig. 18) — Raspelmesser.
Fig. 22 (das obere Ende des Easpels)
Fig. 23
Nicht jeder Holzarbeiter arbeitet alles, sondern nur gewisse Gegen-
stände. So pflegen die Pfeilarbeiter auch Bogen zu machen, andere
Arbeiter auch Salztröge fürs Vieh und Trommeln, andere wieder haben als
Spezialität Getreidemörser, Stühle und Bienenkörbe. Ferner bilden oft Speise-
schalen, Rührlöffel, Schöpflöffel und Keulen zusammen das Arbeitsgebiete
besonderer Spezialisten. Spezialisten für nur einen Gegenstand sind die-
jenigen, die Milchgefässe, Köcher und Zierbüchsen für Pomberöhren her-
stellen. Die Arbeiter von Milchgefässen machen bisweilen auch Pombetröge.
Nicht weit von meinem Dorfe Bergfrieden am Kivusee befand sich ein
Berg, auf dem das Arbeiten dieser Köcher (Taf. I, Fig. 5) Ortsgewerbe war.
Es gibt nur wenige solcher Berge. Es scheint beinahe als wenn diese
Köcher früher viel weiter verbreitet waren; als Pfeilköcher werden sie
gar nicht mehr benützt. Man findet manchmal in Hütten zerbrochene
Köcher, die aber noch einmal so gross wie diese und viermal so dick
waren. Die Leute sagten mir, dass man in ihnen früher, d. h. vor der
Rinderpest, seine Felle aufbewahrte, heute aber froh sei, wenn man eins
auf dem Leibe trage. Diese Köcher, die Umutano heissen, werden folgender-
massen hergestellt: Sie sehen auf Taf. 1 den Sitz des Arbeiters1), meist ein
Schemel, und vor ihm eine Baumgabel, die etwa 40 cm über dem Boden steht;
in ihr liegt das zu bearbeitende Stück Holz, meist vom Mukubaum (Lry-
thrina tomentosa), das am andern Ende ausserdem durch einen Stein fest-
gehalten wird.
Zuerst kommt das Bearbeiten mit diesem Instrument, dem Ikissemmi
(Fig. 1!>), das sogenannte Kutobora (allgemein = höhlen) auch nach dem
1) Die Photographien, die die Haltung der Kodier- und Milchgcfäss-Schnitzer bei
ihrer Arbeit zeigen, sind nach detaillierten Beschreibungen und Zeichnungen unter
meiner Leitung in Deutschland hergestellt.
— 343 —
Instrument ukussemja; der Arbeiter packt es so nahe als möglich beim
Eisen und stösst es mit voller Wucht in das Holz (Taf. I Fig. 1). Durch
rüttelnde Bewegungen bringt er es mit den Splittern wieder heraus. Je
tiefer das Eisen vordringt, um so stärker ist die Wucht, mit der es sich
festbeisst, so dass es nur durch Anstemmen des Beines gegen die Gabel
wieder entfernt wird (Taf. I Fig. 2). Ist etwa die Hälfte ausgehöhlt, so wendet
er es und arbeitet von der anderen Seite aus, bis die Höhlung durch-
läuft. Dann kommt die Bearbeitung des Äusseren, das sogenannte Kutem-
bura mit dem Mbaso (Taf. I Fig. 3). Die Linke hält den Köcher schräg nach
vorne und mit der Rechten schlägt man den Köcher auf die gewünschte
Dicke (Taf. 1 Fig. 5b). Die Splitter sind lang, schmal und flach. Darauf
lässt man die Arbeit 24 Stunden ruhen, damit das Holz etwas trockne.
Am nächsten Tage erfolgt zunächst das Hobeln, Ukwarura, mit einem
geraden Messer. Der Arbeiter legt sich den Köcher auf den linken Ober-
schenkel und zieht das Messer mit beiden Händen von unten auf sich zu
(Taf. I Fig. 4); dann schneidet er die Enden, auf die die Deckel kommen,
zurecht und von dem unteren Rande eine Fingerlänge entfernt eine Kerbe.
Dieses Kerbschneiden nennt er Kugigenna. Es dient als Marke für den
Deckel, da auf die Mitte der Kerbe eine scharfe Leiste des Deckels gerichtet
sein muss, damit er passe. Ist es so weit, so beginnt das Kusiga, das Färben
mit der Umujongafarbe. Er nimmt Blutgerinnsel von Rinderblut, reibt
damit den Köcher ein und schmiert, ehe es trocknet, Asche von frisch
verbrannten Gräsern auf. Das Holz saugt diese Farbe begierig ein (Taf. I
Fig. 5 c).
Nun folgt die Schnitzerei. Es werden 12 Ringlinien gezogen, die Ent-
fernungen mit dem Finger abgemessen und die Figuren in ihren Konturen
vorgezeichnet (Taf. I Fig. 5c). Es gibt dreierlei Ornamente: 1. Die Drei-
ecke, die Ingabbo heissen, d. h. Schild, 2. die schmalen Kreise, Imirindi,
d. h. Handgelenksringe und 3. die breiten Kreise, Imikakku, d h. Arm-
ringe. Die Arbeit selbst heisst Kunoscha; meist wird das Messer flach
angesetzt und durch eine Hebelbewegung das Holz abgesplittert, so dass
die schwarzen Teile reliefartig stehen bleiben.
Soweit die Köcherschnitzerei. Ich will nunmehr die Herstellung der für
ein"Yiehland wichtigen Milchgefässe, der sogenannten Kjansi beschreiben.
Die besten werden im Innern des Landes hergestellt, doch gibt es auch
am See ca. alle 10 km Handwerker, die sich damit befassen und vielfach
Sklaven eines vornehmen Häuptlings und Herdenbesitzers sind. Es gibt
verschiedene Formen mit rundem oder flachem Boden, mit engem (Fig. 5J0a)
oder breitem Hals (Fig. 20b), dies die verbreitetste Form. Die Milch-
gefässe werden aus weichem Holze gemacht, meist aus dem einer der
beiden in Ruanda weit verbreiteten Ficusarten, aus deren Rinden man Zeug
macht. Zuerst erfolgt das Kubasa: der .Mann nimmt den zureeht gehauenen
Klotz (Fig. 21). setzt sich breitbeinig hin und stellt ihn vor sich in eine
kleine Grube; dann nimmt er dies Instrument, den kleinen Tschanuro, die
linke Hand fasst den Klotz und stellt ihn auf die ihm abgewandte Kante.
.Mit der Hechten schlägt er das Instrument m das Zentrum der Oberfläche
(Taf. II Fig. 1). Nach jedem Hiebe wird drv Klotz gedreht, die Klinge wird
— 344 —
durch Rütteln aus dem Holze entfernt und so wird eine Röhre etwa von
der Hälfte des Gesamtdurchmessers in den Klotz getrieben.
Nach einiger Zeit greift der Arbeiter zum grossen Tschanuro (Fig. 14).
Sobald die Röhre ca. 8 bis 10 cm tief ist, bemüht er sich, sie unten schon
etwas weiter zu machen als oben. Dann folgt das Ukuarura und zwar^zu-
nächst innen. Sein Instrument dazu heisst Inhuaruru (Fig. 22). Die Prozedur
unterscheidet sich, je nachdem er den Hals, den Bauch und die Sohle
des Gefässes bearbeitet. Ad 1 (Taf. II Fig. 2): Er stellt den Klotz näher und
umgreift ihn mit Daumen und kleinem Finger, die mittleren drei Finger
umfassen das Blatt des Instruments, das von der rechten Hand am Stiel
ca. 40 cm hoch gefasst wird von hinten. Nun werden ruckweise Be-
wegungen gemacht, indem die Rechte das Instrument etwa eine halbe
Drehung um die vertikale Achse machen lässt, die Linke es dirigiert und
drückt. Ad 2: Ist der Hals fertig, so drückt der Arbeiter den Klotz dicht an
die Scham und klemmt ihn mit seinem linken Schenkel fest (Taf. II Fig. 3);
Fig. 20a.
Fisr. 20b.
Fi«?. 21.
dann fasst die Linke das Instrument dicht über dem Klotz, die Rechte
weit oben und es folgen ähnliche Bewegungen wie vorher, nur dass es
mit seinem oberen Ende gleichzeitig gesenkt wird. So wird ringsum der
Bauch ausgehöhlt, wobei häufig geklopft wird, um aus dem Schall die Dicke
festzustellen. Ad 3: Die dritte Prozedur am Boden des Gefässes geschieht
mit dem umgebogenen Teil des Instrumentes und ist sehr anstrengend. Es
wird senkrecht eingesetzt von beiden Händen dicht über dem Klotz gefasst
und dann den Boden entlang kräftig kratzend geschoben (Taf. III Fig. 4)1).
Ist dies fertig, so wird der Klotz mit der Oeffnung nach unten auf die
Erde schräg mit einer Kante aufgesetzt und mit dem Muhorro (Fig. 16)
zunächst der schlanke Hals, dann das Übrige beschlagen und beschnitten.
Das Schlagen geschieht mit dem geraden Teile des Instruments, das
Schneiden mit dem Teil, wo Grade und Sichel zusammenlaufen. Er nimmt
dazu das Gefäss zwischen die Beine, die Öffnung auf sich zu, der rechte
Daumen liegt in der Öffnung, die anderen vier Finger auf dem Rücken
des Sichelmessers. Beim Beschlagen der Wände sieht dagegen die Öffnung
nach der distalen Seite.
Die Grösse der Öffnung prüft er mit der Hand, indem er sie mit
1) Taf. IT Fig. 1 gibt die Situation insofern nicht ganz richtig, als der Klotz in
Wirklichkeit dicht am Arbeiter steht.
— 345 —
zusammengelegten Fingerspitzen li ineinsteckt. Dann schneidet er am
I3nde des Halses die Kreislinie imd vollendet sie, indem er von zwei
entgegengesetzten Seiten kleine Keile ausschneidet Mit Hilfe von Holz-
kohle und ein wenig Speichel färbt er dann den Ring, der Umuvavu ge-
nannt wird. Dann flicht er einen kleinen (iraskranz, kniet mit dem linken
Urin nieder, während er mit dem rechten hockt, stemmt den Boden des
Gefässes gegen einen Baum oder eine Wand, die Öffnung aber gegen das
rechte Knie, das er gegen Druck durch den Graskranz schützt und hobelt
dann mit diesem Instrument hier die ganze Länge des Gefässes auf sich
zu (Fig. 23 u. Taf. II Fig. 5). Der Haken des Hobels — Nkotto ist sein Name
— ist rechts und schaut von ihm weg; der Daumen liegt aussen am
Haken, die übrigen Finger umgreifen ihn mit Untergriff. Die Linke fasst
das andere Ende mit Aufgriff nur mit den Pingerspitzen, den Daumen
innen. Die Späne sind ganz klein und rollen sich auf. Damit ist diese
Arbeit beendet.
Eine Ahart der Holztechnik bildet der Bootsbau. In Ländern, in denen,
wie in Ruanda, die Boote einfache Einbäume sind, ist natürlich die x\rt der
Herstellung eine wenig komplizierte. Zwischen derTechnik der Holzschnitzer.
die flache Schalen oder auch Gefässe mit grosser Öffnung fabrizieren und
zwischen der der Bootsbauer besteht eigentlich nur der durch die Grösse
und Grobe der Materialien bedingte Unterschied. Dementsprechend sind
auch die Instrumente beider Kategorien die gleichen, nur dass die Boots-
bauer ihrer Arbeit entsprechend grössere und stärkere haben. Sie sehen
hier (Fig. 24—37) eine grosse Zahl von Schalen und Gefässen aller Art.
die einen (Fig. 26— 29) für Fleisch und Gemüse, die anderen für Pombe-
wein, Eonig u. a.
Ich will, um Wiederholungen zu vermeiden, die Herstellung eines
solchen Gefässes nicht bis in jedes Detail verfolgen, sondern nur die
Reihenfolge der für diese Technik nötigen Funktionen aufzählen.
1. Rohe Darstellung der Form mit muhorro (Fig. 16).
2. Höhlen
a) bei flacheren mit mbaso (Fig. 15),
li) bei tieferen mit fcschanuro (Fig. 14).
3. Bearbeitung des Bodens beziehungsweise der tieferen Partien mit
mutwero (Fig. 17) und nachfolgender sanfter Anwendung eines
breiten kisse s (Fig. 19).
•1. Raspeln der Eöhlung mit mhwaruru (Fig. 22) oder ruhorro
(Fig. 18).
ö. Schnitzen der Ausseiiseite mit riihorro (Fig. 18) öder mit Messer.
Je nach drv Härte des Holzes oder dem gewünschten Kraftmasse
entweder
a) ein gewöhnliches akongo, bei dem Griff und Klinge ziemlich
gleich Lang sind, oder
b) ntamasso, bei dem der Griff sehr lang, die Klinge kurz, stark
und wie auch a) leicht gebogen ist.
6. Schleifen
a) der Aussenseite,
Zeitschrift für Ethnol rg. 1904. Heft 3 u. i. .>■•
— 346 —
b) des Innern
entweder mit ruhorro oder einem ngokotto, d. h. einem Messer
mit kurzem (Jriff, dessen lange Klinge nach Art eines mhwaruru
(Fig. 22) an der Spitze umgebogen ist.
Die Namen der einzelnen Funktionen kennen wir zumeist schon aus
dem vorher gesagten: kussatura = spalten; kuwumbi.ra = Form geben;
kutoborra = höhlen: ukwarura = raspeln, hobeln; kutschamura = be-
schneiden u. v. a.
Fiar. 24.
Fig. 25.
Fig. 26.
Fig. 27.
Fig. 28.
Fiar. 29.
Fiar. 30.
Fier. 31.
Fiar. 32.
Fiar. 34.
Fiar. 35.
Fig. 36.
Fiff. 33.
Fig. 37.
W
Als noch nicht erwähnt hebe ich kutwera hervor, d. h. die Arbeit
mit diesem Instrument (Fig. 17). Es wird wie ein Stemmeisen angesetzt
und durch Schlagen mit einem Stein auf das (iriffende ins Holz getrieben;
eigentlich ein modifiziertes kissemme (Fig. 19 und Taf. I), und es wird
bei der Herstellung von Schalen, Schöpflöffeln und ähnlichem viel benutzt.
Nach dem bisher gesagten bedarf es nur weniger Worte für die Be-
schreibung des Bootsbaues.
Die Einbäume sind grosse Gefässe — das sagt alles. Die Bäume,
meist Akazien, werden im Walde gefällt (kuhumbira), an Ort und Stelle
347
fast fertig gearbeitet und oft Stunden weil zum Wasser geschleppt, wo sie
die letzte Feile erhalten. Die Arbeit erfolgt zunächst ganz mit grossen
Beilen (Fig. 11); erst wenn der Kahn fast fertig, d. h. nahezu die ge-
Fig. 38.
Erklärung
inkingi akanangasi — Vordachstütze,
kukitabo — Sitz,
umurjangu — Türöffnung.
urugi — die (äussere) Tür.
mumfurukka harrugurru — der rechte
Vorraum.
mumfurukka ja hepfu — der linke Vor-
raum,
urugi — die (innere) Tür.
OL
', der Zeichen:
d muruvumbiro — der Platz hinter dem Herd.
e kusiko — der Herd.
/' mukirambi — der Platz am Herd.
;/ murguiriro — der Platz vor dem Bett.
h mumirambisu — der Schlafraum.
i mumwindschiro — die hintere Kammer.
® sind die inkingi, die Stützen der Hütte.
Über e befindet sich urussengo, ein rostartiger
Verschlag.
liier h befindet sich kubullili, die Schlafstelle.
wünscht»' Dicke hat, nimmt man die mbaso (Fig. 15) und die inuhorro (Fig. 16)
zu Hülfe. Pur den Boden dient ein besonders starkes tschanuro (Fig. 12).
Die Haltung der Arbeiter zeige ich Ihnen bald in Lichtbildern. Die Auf-
nahme wurde auf der Insel Kwidjwi im Kiwusee gemacht, als dort ein
•23*
— 348 —
Boot, das sich als zu schwer und ungleich schwimmend erwies, um eine
Schicht von fast 2 cm dünner gemacht wurde. Auf dem einen der beiden
Bilder (Taf. III Fig. 1) sehen Sie die äussere Bearbeitung, auf dem
andern (Taf. III Fig. 2) die innere, dabei auch einen Arbeiter, der den
Boden mit dem tschanuro schnitzt.
Fi*?. 4<;.
Fio. 47.
I"
:tjr
Die Löcher im Bordrande, an denen die Sitzbretter mit Bast befestigt
werden, werden mit dem glühenden spitzen Stiel eines nmhorro (.Fig. H>)
gebrannt (intöborro-Loch).
Übrigens sind die Einbäume von Ruanda recht massig in jeder Be-
ziehung; .sie faulen leicht und hissen bald Wasser durch. Kleinere Spalten
werden immer wieder mit Rindenstoff gestopft; auf grössere Lecks legt
man Brettchen, die durch quer darüberlaiufende eiserne Spangen gehalten
werden.
Ich wende mich nunmehr zu den Flechtarbeiten. Aus ihrer Fülle
kann ich flur einiges Wenige herausnehmen.
— ?A\) —
Flechtarbeiten spielen im I laushalt einer Ruandafamilie eine sehr
grosse Holle. Hauptsächlich wegen «I<t Einrichtung der Hütten. Fig. 38
stellt den Grundriss einer. Hütte vor. Es ist daraus die Menge von
Stützbalken ersichtlich. Zwischen je zwei Stützbalken stellt immer ein
nach vorn konvexer Schirm, der bei den Vornehmen sehr kunstvoll ge-
Fig. ls.
io.iiiiII.IIIU"!"
,rrlT""
Fiff. 49.
flochten ist. besondere Sorgfalt wird auf den Abschluss des Schlafalkovens
gelegt. Um den Eingang zu verdecken, hängt bei den Reicheren von
der Decke bis zum Bettrand ein schön geflochtener aufrollbarer Vorhang
(Fig. 46 — 5.")), und vom Bettrand bis zur Erde verdeckt ein gefloch-
tenes Schild, das l'mulero genannt wird (Fig. 62), die Grasunterlage der
Bettstelle.
Ausser in diesen Dingen herrscht ein grosser Bedarf in .Matten und
— 350 —
Körben aller Art. Die Matten, die als Unterlage dienen, werden in jedem
Haushalt hergestellt; sie heissen iwirago und werden aus einem in allen
Tälern vorhandenen rukangaga-Gras gemacht. Ausserdem gibt es aber
Fig. 5<>.
Fi8"- 51- Fig. 52.
Fig. 53.
ttiMmcmft
Fig. 54.
Fig. 55.
auch Matten, die nur in einigen Bezirken des Kiwu, und wie ich vermute
handwerksmäßig und als Ortsgewerbe fabriziert werden. Als Material
dient ein Schilf (agassuna). Diese Matten werden mit schwarzem Bananen-
blattscheiden (Fi* 9) in einfachen Ornamenten verziert und dem Sultan
Fi-. 39.
— 351 —
und vornehmen Häuptlingen als Tribut gebracht. (Die Frauen der Vor-
nehmen verbergen nämlich ihr Haupt hinter diesen Matten, wenn sie sich
in der Öffentlichkeit zeigen). Diese Matten heissen iwissuno tsch'amma-
warra. Eine andere Sorte, die auch fast in ganz Ruanda für das Haus
hergestellt, gelegentlich auch im fberschuss er-
zeugt und in der Nachbarschaft gegen andere
Produkte umgetauscht wird, ist die sogenannte
niutassessa. Sie dient zum Trocknen des Ge-
treides, ihr Material ist meist Papyrus, seltener
Bambus. Alle diese Matten werden nach einem
ganz bestimmten Prinzip geflochten. Es werden
nämlich die vertikalen Flechtstreifen neben-
einander auf die Erde gelegt in der Breite
der fertigen Matte. Dann wird von links nach
rechts der horizontale Flechtstreifen eingeflochten.
Und zwar in folgender Weise: Es seien 1, 2, 3,
4, 5, 6, 7, 8 usw. die vertikalen Streifen und
a, b, c, d, e usw. die horizontalen. Dann liegt
a) über 1 u. 2, unter 3 u. 4, über 5 u. 6 usw.
b) über 1, unter 2 u. 3, über 4 u. 5, unter 6 u. 7 usw.
c) unter 1 u. 2, über 3 u. 4, unter 5 u. C usw.
d) unter 1, über 2 u. 3, unter 4 u. ."». über 6 u. 7 usw.
e) wieder wie a. f wieder wie b usw. (siehe Fig. 39).
Fig. 40.
Alles. \\;is ich bisher an Flechtarbeiten erwähnte, wird ebensohäufig
von Männern wie Frauen hergestellt, meistens als Bausfleiss beider Stufen.
Sicher handwerksmässig ist die Arbeit der Sänften, von denen Sie eine
hier abgebildet sehen (Fig. 40). Ihr Name i-t ingowji (auch das Rücken-
— 352 —
feil, injdera die Mütter ihre Säuglinge zu tragen pflegen, heisst so). Das
Material ist Bambus, und daher kommt es, dass ihre Herstellung nur in
den wenigen, sehr hoch ge-
Pig. 41.
nach dem Schema Fig. 39 dargestellt. Fi
legenen Ortschaften erfolgt,
die Bambus in bequemer Nahe
haben. Die Ösen an den
Seiten heissen issuri, die Trag-
stangen midschischi.
Auch die Herstellung der
in Fig. 41 abgebildeten Körbe
(ikigagarra) erfolgt — zum
mindesten in vielen Bezirken
— handwerksmässig. Sonst
aber ist alles, was Sie hier
sehen, Produkt des Haus-
fleisses.
Fig. 42 sind Teller für
die Vornehmen. Sie heissen
inhäkko und und sind meist
die vertikalen Streifen dient
meist Schilfrohr (uruwingo), für die horizontalen ingaga-Schilf. Die
Fi- 42.
— 353 —
schwarzen Streifen sind ingoüe si rufunso, d. li. Papyrusbast, der mit
dem scharfei) Saft amasisi der Bananentraubenstengel getränkt und dann
mit Russ eingerieben ist.
Fig. 43 sind Ringe, von denen die grösseren als Untersätze für Pombe-
krüge dienen. Die kleineren werden in den Hütten der Vornehmen an
einen Bettpfosten gebunden und dienen als Steck- und Lanzenständer.
Die grösseren heissen rugattu, die kleineren in einigen (iegenden ebenso,
in anderen rutagarra.
Fie. i;;.
\k i
r\Q)
Wbjm*mmit~m^m^m^m\ ^Mf^^
■ jßf^^l^kk *k\W *"''-3l
Piff. 4±.
1 #1 i 1 1
Fig. 4 I sind Deckel von Milchgefässen; sie heissen muttemerre. Sie
sind meisi aus gewöhnlichem Gras in Bienenkorbwindungen geflochten und
zum Teil mit der schwarzen, merfach erwähnten Bananenblattscheide verziert.
Die andern nach Art der Fangballtrichter unserer Kinder, die Sie auf
Fig. 44 sehen, sind seltener. Der Becher ist aus schwarzen und weissen
Bananenblattscheiden gemacht, der Stengel aus rumamfu-Gras (Fig. 56) und
aus rotem Sorghumbast. Die Körbe, die Sie in Fig. 4-"> sehen, sind von
allen Flechtarbeiten am meisten verbreitet. In jedem Haushalt findet
man Frauen und Kinder in freien Stunden bei ihrer Arbeit. Die Technik
— 354 —
ist die einfachste von der Welt; die Flechten werden spiralförmig um die
Einlagen aus Gras und Schilf gelegt; jede Flechte wird vom unteren
Rande einer der bienenkorbartigen Windungen zum unteren Rande der
nächst höheren geführt und mit Hilfe einer gewöhnlichen Sandflohnadel
durch das entsprechende Loch gesteckt. Die kleineren Körbe nennt man
tschiwo, die grösseren gissekke. Das Material der schwarzen Flechten
und die Art der Ornamentierung ist meist dieselbe, wie wir sie bei Be-
schreibung der Matten (Fig. 46 u. f.) des näheren kennen lernen werden.
Alle Bettmatten, Wandschirme, Bettvorlagen werden ausschliesslich '/ron
Frauen hergestellt, die schönsten Exemplare, wie schon erwähnt, von den Frauen
des Häuptlings oder ihren Sklavinnen. Als Instrument dient nur ein Ruhindu
Pia. 45.
(Fig. 88, d) d. h. eine gewöhnliche Nadel, die sonst zum Ausstechen der Sand-
flöhe benutzt wird. Der Name dieser Matten (Fig. 4<>) ist Njegamma. Die Hal-
tung der Arbeiterinnen ist folgende. Sie sitzt auf der Erde, die Arbeit liegt in
ihrem Schoss, die Basis ihr zugewandt, die Linke hält, die Rechte arbeitet.
Zunächst wird die Basis gemacht, das sogenannte Intangu. Sie besteht
aus den ersten drei bis sechs Lagen. Unter Lage verstelle ich diese Stäbe,
die die Grundlage bilden. Sie sehen wie Röhren aus, sind aber nur zusammen-
gerollte Streifen, Intamnye, d. h. der .Bast des Papyrus, der abgezogen
und in der Sonne getrocknet wird. Aus demselben Material werden auch
die schwarzen und roten Flechten gemacht, während die farblosen Flechten
teils [ngagad. h. Schilfgras, teils Emamfu-Gräser (Fig. 56) sind. Letztere sind
feiner und an dcv gelben Farbe von dem grünlichen Schilf unterscheidbar.
DieBasis wird nach verschiedenen individuell gefärbten Methoden hergestellt.
855
Die gebräuchlichste ist der sog. Mukutto, d. h. Knoten; ich habe in dieser
Figur (57) diese Methode schematisch gezeichnet, indem ich die beiden
Lagen A und B auseinandergezerrt habe. Der Lauf des Fadens ist wohl
ziemlich klar zu erkennen. Zieht man die
Lage zusammen, so entstellt zwischen ihnen
der Knoten, der der Flechtart den Namen
o-ibt. Das Flechten selbst heisst Kussoveka.
o
Ist die Basis vollendet, so reiht sich die
Fortsetzung folgendermassen an: Es wird
immer eine neue Lage angefügt und um-
flochten. Durch das Anziehen der Flechten
werden sie röhrenförmig zusammengepresst.
Es wird immer ein Loch mit dem Ruhindu
in den unteren Rand der letzten Lage ge-
macht und dann wird die Flechte hindurch
geführt. Die Tendenz ist, mit einer Flechte
immer zwei Lagen zu umfassen. Nehmen
wir z. B. die hier (Fig. 58) abgebildeten,
aber auseinander gezerrten Lagen 4, 5 und (!
und die Flechten <) und e, die sie bedecken.
Dann wurde ö durch das Loch am unteren
Rande oder an der Berührungsfläche von
3 und 4 hindurchgeführt und bedeckt 4 und 5.
Dementsprechend verhält sich /-: und zwar werden die Löcher immer
zwischen zwei Flechten der nächst höheren Lage gemacht. Also die Regel
lautet: Jede Flechte deckt zwei Lagen, jede Lage wird von zwei
Flechten bedeckt. Wenn eine Arbeiterin eine stärkere Basis von 6 bis
7 Lagen (der Festigkeit halber) macht, so werden zuerst immer 1 bis 1 Va Lagen
unisponncii. Die Arbeit beginnt immer an der linken Seite und geht etwa
=A
ff*
Fie 57.
■^-
=€
£
A.
B.
Fi£. 58.
20 cm nach rechts Dann kommt eine Lücke, bis etwa20cwj vor dem rechten
Ende. Nun werden auch diese "20 cm von links nach rechts ausgeführt, und
dann erst ebenfalls von links nach rechts die Lücke gefüllt. 1 )as hat den Zweck
die Lauen gleichmässig liegen zu lassen. Jede neue Laue wird also von
links begonnen und ganz einfach befestigt, indem sie entweder nach der
Knotenmethode angeschlungen wird oder die Flechte um drei Lauen gezogen,
wie es Fig 59a zeigt. Noch einfacher ist das faule der Lage. Eis wird einfach.
wie Fig. 59b zeigt, das faule des Streifens um die letzte Schlinge
schlagen. Die Zopfflechte, die man auf den fertigen Matten sieht, wird
— 356 —
erst ganz am Schluss gemacht, wenn die Lagen bereits beschnitten sind.)
Nun ist noch folgendes zu erwähnen: Die einzelnen Flechten sind ja nur
kurz und reichen nicht für die ganze Breite der Matte aus. Im Gegenteil,
es sind deren sogar 10 bis 15 nötig. Wie man da verfährt, sehen Sie
auf den Figuren 60 c de schematisch dargestellt: c stellt das Ende eines
Flechtenstreifens dar, d den Anfang eines neuen. Ist ein Flechtstreifen
nahezu beendet, so wird der Anfang des neuen durch das nächste Loch
Fi* 59.
Fi?. &)
Z§WÖ\
I
K
^nsnbr^
Fig. Gl.
geführt und zwischen letzter und vorletzter Lage eingeklemmt. Die nächste
Schlinge geht noch einmal durch dieses Loch hindurch. Die überragenden
Stücke des alten, d. h. also das Ende desselben und der Anfang des
neuen Stückes, werden einfach von den
nächsten Schlingen gepackt, wie Sie dies
in e sehen. (In Wirklichkeit würden es
natürlich mehrere Schlingen sein, doch
ist dies der Klarheit wegen hier fort-
gelassen). Ähnlich verfährt man, wenn
ein Wechsel im Farbstreifen eintritt.
Es wird dann beispielsweise der weisse
Streifen dem unteren Rande der betr.
Lage angelegt und vom schwarzen um-
flochten. Kommt dann wieder der weisse
an die Reihe und ragt noch ein Stück
von ihm heraus, so flicht man mit ihm
weiter und umspinnt mit ihm das eventuell
überragende Ende des schwarzen. Das
ist das wichtigste; ich müsste noch auf
eine Reihe von Einzelheiten eingehen, will
mich aber auf die Erklärung der Ornamente
I»' 'schränken, die sie auf der Fig. 61 sehen. Ich kann mich auf die allgemeinen
Beziehungen und Bedeutung der Ornamente hier nicht einlassen, sondern
registriere nur die Namen and Übersetzung dieser, wie sie mir von den
verschiedensten Arbeiterinnen genannt wurden. Nummer 1 heisst Amatano,
zu deutsch kleine Köcher; warum? weiss ich nicht, vielleicht weil das
Dreiecksmuster das Charakteristikuni fast aller Köcher ist. Nummer 2
heisst Imiambi, zu deutsch Pfeile. Über Nummer '■> nachher. Nummer 4
— y57 —
heisst Ischakka = Hirse. Nummer 5 Ikirizo — grosser Schwanz; Nummer 6
Uduhunda = kleine Speerzwingen. Nummer 3 hat einen sehr sonderbaren
aber mir mehrfach beglaubigten Titel: Muschongole kuherekesch" undi, zu
deutsch etwa: „ein höflicher Mensch begleitet einen anderen". Bei dieser
Gelegenheit möchte ich bemerken, dass mir überhaupt immer als Ornamente
nicht nur die schwarzen Farbflecken (Amawarra), sondern auch ihre weissen
Pendants genannt wurden.1)
Neben diesen Bettvorhängen spielen die Wandschirme eine grosse
Rolle in der kunstgewerblichen Betätigung der Wanjaruanda. Ihre
Technik wird leichter verständlich sein, wenn wir erst dies Ding hier
(Fig. 62) betrachten. Dies ist ein Umulero und dient, wie erwähnt, dazu.
die Grasmatratze unterhalb des Bettrouleaux zu verbergen. Sie haben fast
alle dasselbe Ornament, das „Amawawa j'intasche" d. h. Schwalbenflügel
genannt wird. Die Arbeit geschieht folgendermassen : Das Weib (es ist
auch Frauenarbeit), baut sich in die Erde ein Gitter aus ca. 4."> den
Fig. 62.
^r,'3£wMwiji
Fig. 63.
fc=lt
•:':■:;;
^=
ii ii ii
Fig. 64.
Fig. fiö.
H| "IS.4--
Massen der Matte entsprechenden Stäben, von denen fünf aus Rohr sind,
darunter die beiden Eckstäbe ; die dazwischen stehenden Stäbe sind buratze
d. h. besonders lange [ngaga-Streifen. Diese senkrechten Stützen, die wie
die Hüttenstützen Inkingi heissen, werden provisorisch durch drei quer-
lanfende buratze unten, oben und in der .Mitte auf der Rückseite locker
befestigt. Als Flechtmaterial dienen dieselben Iugaga-Schilfstreifen, wie
bei den Rouleaus und besonders fein gespaltenes Schilf zum Flechten.
Zunächst wird an sämtlichen senkrechten Stäben unten eine Flechte
befestigt. Dann schiebt man das erste Schilt' quer aber die Stäbe, indem
1) Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf eine von mir gemachte Erfahrung hin-
weisen, die mix für den Forschungsreisenden von prinzipieller Wichtigkeit zu sein scheint
Man muss immer den Arbeiter selbst nacli Namen und Bedentang der Ornamente fragen,
am besten während er sie herstellt. Die Eingeborenen, die die ornamentierten Gc<
Bt&nde nur erworben haben, kennen die Ornamente oft 3elbs1 nicht, und nur zu häufig
erhalt man auf die Frage: „Wie heisst diese Verzierung?- die Antwort: .Verzierung-.
Und daher stammt dann die vielen Weissen in Afrika geläufige Anschauung, dass die
afrikanischen Ornamente nur sinnlose und zufällige Arabesken sind.
— 358
man ihre Enden unter die Rohrstäbe rechts und liuks klemmt und befestigt
sie dann mit dem Streifen an sämtlichen senkrechten Stäben. Auf Fig. 63
ist die Methode schematisch dargestellt und auf Fig. 64 sieht man, wie die
Flechtstreifen um die Querlagen laufen, wobei allerdings die Stäbe der
Klarheit wegen auseinandergezerrt wurden. Ist der Flechtstreifen zu Ende
oder reisst er, was leicht geschieht, wenn er nicht fortwährend mit Wasser
Fig. 66.
Fig. 67.
"~M flfl fc
Fig. 68.
befeuchtet wird, so wird die Schlinge gemacht, wie Sie sie auf Fig. 65
abgebildet sehen, und das Ende des alten Streifens (a) durch sie fest
gehalten. Das Ornamentieren mit den schwarzen bei der Pfeilmacherei er-
wiilniten Bananen-Blattscheide geschieht bei jeder Lage. Der Bast wird
in entsprechende Streifen geschnitten und über - und gleichzeitig mit
— dem quer liegenden Schilf festgebunden. Nach dieser Methode können
alle Ornamente entsprechend den Querlagen nur aus horizontalen Streifen
.sich zusammensetzen, daher stets das Schwalbenflügel-Ornament oder ähn-
liche». Analog der geschilderten Methode ist die Herstellung der Wand-
— 359
schirme (Fig. 66—68), die Wibolobero heissen. Audi hier sehen Sie
(Fig. 63 und (!'.») «las Gerüst von senkrechten Stützen, übeT die die einzelnen
< Querlagen gezogen werden. Nur ist hier das (schwarze oder rote) Ornament
selbständig eingeflochten und infolgedessen mannigfaltiger. Am häufigsten
tritt bei ihnen in verschiedenen Variationen das Pfeilornament auf.
Fi--. 69.
lliiimiMiimiiiii
Fig. 70.
Eine ganz andere Technik haben die
Wandschirme, wie Fig. 70 einen darstellt.
Bambus ist da auf Bambus geflochten.
Auf die Technik will ich nicht eingehen;
sie ist übrigens sehr einfach und meist
dem in Fig. 3!> abgebildeten Schema ent-
sprechend.
Auch Grasköcher (Fig. 71 — 74) —
iwitembo — , zum Aufbewahren von Kleinig-
keiten in den Hütten aufgehängt werden
nach ähnlichem Prinzip hergestellt, nur
dass der gitterartige Stützapparat einen Ast
kreisförmig umgibt, an dem er oben, mitten
und unten provisorisch befestigt wird. Die
Querstreifen laufen an diesen Stützen spiralförmig in die Höhe und werden, wo
sie eine der senkrechten Stützen berühren, festgeflochten. Allerdings besteht
in der Art der Befestigung der erhebliche Unterschied, dass nicht je ein
Flechtstreifen an jeder Vertikalen nach oben steigt, sondern dass eine einzige
nach Bedarf verlängerte Flechte den Spiralen folgt, wie dies auf Fig. 7")b zu
sehen ist. Figur 75c zeigt die Lage der Schlinge. Der Ast wird erst zum
Schluss entfernt. Bei kleineren Köchern wird nur ein Sorghum-Stengel
gespalten, ein Stock in die Tulpe (Fig. 7.">a) hineingesteckt und die einzelnen
Streifen dos gespaltenen Stengels werden als lnkingi d. h. als senkrechte
Stützen in der beschriebenen Weise benutzt. Der Knoten des Sorghums
bildet dann den Hoden.
Ich wende mich nunmehr zu den Metallarbeitern. Ober ihre Organisation
ist folgendes vorauszuschicken: Eis gibt erstens Schmiede, die in grösseren
Genossenschaften das Erz aus den Bergen gewinnen und in Schmelz-
— 360 —
öfen aufarbeiten. Sie sitzen hauptsächlich im Nordwesten des Landes,
in der Nähe der Wasserscheide des Kandgebirges und im Norden
östlich von den Vulkanen. Die Schmelzöfen sind aus Steinen und
Schlacken locker gefügt mit kreisförmiger Basis, an der gleichmässig
verteilt die Luftlöcher für die Blasebälge sich befinden. Die grössten
Fig. 71.
Fn
Fig. 73.
Fis:. 7G.
Öfen, die ich Bah, waren etwa 1 V2 m hoch und wurden von 8 Bälgen
in Gang -ehalten. In der östlichsten Provinz Kissaka soll es aber
< »l'rn mit 16 Bälgen geben. In die Öfen wird immer je eine Schicht
Holzkohlen und Erz getan und nach zweitägiger Feuerung das ge-
schmolzene Elisen ans dem auseinander gerissenen Ofen entfernt. Dann
— 361 —
wird es in verschieden lange Bänder von etwa 1V2 cm Breite verarbeitet,
die in den Handel kommen. Übrigens werden auch gute Erze aber
weite Strecken an die Schmiede des Landes verhandelt. In handlangen
geflochtenen Bastnetzen befinden sich immer 5 Steine, 3 hühnereigross,
2 kleiner. Von diesen in der Nähe der Erzlager sitzenden Schmieden
werden auch Hacken für den Handel verfertigt und die lokalen Schmiede-
Bedürfnisse des Distrikts befriedigt. Zweitens gibt es Schmiede, die teils
aus erhandeltem Bandeisen auf eigene Rechnung Produkte liefern, teils und
hauptsächlich aber altes Eisen für den Produzenten zu neuen Werkzeugen
umschmieden. In den reicheren (legenden sitzen oft auf einem Berge
Fi£. 76.
mehrere Schmiede, und der helle Klang der Hämmer auf Eisen in den
Bananenhainen ist für diese liegenden ein sehr charakteristischer Laut. End-
lich gibt es noch im ganzen Lande alle paar Stunden verteilt, kleine Schmiede,
die nieist mit einem Lehrbursehen zusammen auf Stör gehen und ver-
brauchte Werkzeuge timarbeiten. Doch liefern sie meist nur kleinere
Arbeiten, selten Hacken. Gewöhnlich sind sie auch Drahtzieher. Oberhaupt
findet auch in diesem Gewerbe eine teils nach Fähigkeiten, teils nach
Absatzmöglichkeiten sich richtende Arbeitsteilung stutt. In der Nähe der
Pfeilmacher weiden natürlich sehr viel Pfeilblätter produziert, in den be-
völkerten Gegenden besonders viel Hacken, in der Nähe grösserer Watussi-
niederlassungen kunstvoll geschmiedete Schwerter usw.
Die Schmiedearbeit, die meist (Fig. 76) in einer offenen Hütte vor
sich geht, wird gewöhnlich von 3 Leuten gehandhabt Ein Gehilfe unter-
Zeitscbrift fQr Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft 8 u. 4. •>{
— 362 —
hält den Blasebalg1) (Fig. 77), der Hauptarbeiter hält in der linken Hand
das Holz — mbagga — , in dessen Spalt das zu bearbeitende Eisen befestigt
ist und hämmert mit der Rechten; der zweite Arbeiter hämmert nur. Als
Amboss — igunguru — dient ein grosser flacher Stein. Ein Gefäss mit "Wasser
zum Kühlen und ein primitiver Pinsel vervollständigen die Ausstattung. Über
die Form der Hämmer siehe Fig. 78. Die kleineren Schmiede haben nur
einen Hammer von verschiedener Grösse wie E. A und B sind die Haupt-
hämmer. So wird bei der Hackenfabrikation mit ihren stark gewölbten
Leisten das Eisen breit geschlagen. C, D und E dienen hauptsächlich für
den Rand der Hacken und für kleinere Arbeiten, z. B. Messer. Auch werden
sie als Unterlage beim Biegen oder Abbrechen eines Teils benützt. Nur
Fisr. 77.
für E kenne ich den allgemeinen Namen Umangato oder Schmiedehammer,
die übrigen werden von ihren Besitzern verschieden getauft, etwa wie
bei uns ein Landwirt seinen Pferden und Rindern Namen gibt. Ich erinnere
mich an Namen wie „Riese", „Zwerg", „Nahrungsspender" u. a.
Ich will mich nun etwas eingehend der Drahtzieherei zuwenden.
Das Metall, das die Drahtzieher für ihre Arbeit benutzen, ist meist
in Form von dicken Kupfer- und Messingringen importiert. Dagegen wird
Eisendraht meist aus selbst verfertigten Ringen gezogen. Messing und
Kupfer wird in kleinen steinernen Tiegeln, die gischonje heissen (Fig. 79)
in lebhafter Holzkohlenglut geschmolzen.
Drahtziehen heisst Kukwega. Als Instrumente dienen 1. mehrere
Klammern — igifasche (Fig. 81), 2. mehrere Drahtdehner — injundi (80),
3. zu den Klammern passende Hülsen — rugurri (Fig. 82), 4. mehrere
1) Blasebalg = umuwubba entspricht dem in ganz Deutschostafrika üblichen. — Die
Pfanne (a, b) = amatschuba. — Die Röhren (c, d) = iwiwgro, eigentlich die Oberschenkel des
Blasebalgs. — Die Mündungen a, a,) = amasuru = die Nasenlöcher. — Der thönerne Vor-
satz: inkerro. — Die Handhabe ainmasseke. — aravugutta er „blasebalgf. — Für die
Bälge habe ich keinen andern Namen als uruhu (Fell) gehört. — Das Ende heisst umu-
kondo - Nabel.
— 363 —
Ahlen — umugerra (Fig. 83), 5. Hammer, Blasebalg, ein Instrument zum
Brachen des Drahtes Fig. s4) und ein ikombe. d. h. ein Gestell, das in
Fig. 86 gezeichnet ist.
In einem vom Blasebalg unterhalteneD Feuer von Holzkohle wird der
Drain geglüht — knvavura. Nachdem er einigerniasaen abgekühlt —
Fi<r. 78.
B
C
Fiff. 79.
V - 31
Piff. 82.
uguhoza — ist, schmiert man ihn mir Butter ein — kusig'amavuta. Dann
wird das Ende gehämmert, so 'las- es kantig wird — kunugutechurra
— und der Dehner zubereitet. (Gewöhnlieh arbeitet man mit 2—3, bei
denen das a-Loch verschieden gross ist.) Dazu wird zunächst das a-Loch
wieder _ 38 gebohrt, weil es vom letzten Gebrauch her noch klein ist
— kutobor'injundo. Dies geschieht so: eine Ahle und der Dehner werden
geglüht und dann die Ahle Boweit eingesi I lagen (vom ß-hoch aus), als
— 364 —
nötig ist, um das Drahtende durchzustecken. Etwa 6—10 cm Draht ragen
über das a-Loch hinaus. Dieses Ende steckt man (kutamika) in eine
Klammer, die man zu diesem Zweck am offenen Ende mit der Ahle etwas
öffnet. Dann wird ein passender Klammerpresser über die Klammer ge-
schlagen — kutschumma (Fig. 85). Da bei der Arbeit der Draht leicht
aus der Klammer gleiten könnte, schüttet man, um dies zu verhindern,
etwas weisse körnige Erde zwischen die Klanmierschenkel. Nun wird der
Dehner in die Kerben des Gestells, das ikombe gelegt. Die Klammer wird an
Fiff. 83.
rtrirniirkii
Fig. 84.
Fig. 85.
Fig. 86.
^N.
beiden Enden mit der Rinde einer Ficusart oder Strohbinde umfasst und
so von einigen Männern gepackt. Wie ein Seiler rückwärtsschreitend
ziehen diese scharf an — ukwaga (Fig. 87). Sobald Raum genug ist,
greifen 2, 3 bis 5 Männer auch den Draht an. Das Anziehen geschieht
ruckweise. Vor jedem Ruck wird der Draht in kleinem Halbkreis ge-
senkt und dann nach rückwärts oben gezogen, wie man es ähnlich bei
Fischern sehen kann, die schwere Netze ans Land ziehen. Der Schmied
sitzt am Gestell und achtet darauf, dass kein Schmutz mitgenommen wird.
Bisweilen ist in dem Kanal des Dehners eine Schärfe, so dass etwas
Kupfer abgeschält wird. In diesem Falle bindet der Schmied vor das
/?-Loch einen kleinen Zeugstreifen um den Draht, der beim nächsten Ruck
— 365 —
ins Innere gezogen wird. Ist der Draht ganz durch den Dehner gegangen,
so wird die Klammer geöffnet und der Draht herausgenommen — ukwak'-
igifasche. Dann wird das «-Loch mit einem Hammel zugeschlagen —
kiikiimm'inyundi — und wieder mit der Ahle — aber kalt — durch drehen
und hämmern geöffnet — kuvurugusrlfinyundi. Der Schmied hat kein
Mass für die Girösse des Lochs, sondern das ist Übungssache und das
wichtigste an der ganzen Technik. Die geschilderte Arbeit wiederholt
sich oft. Von Zeit zu Zeit wird das vordere Ende wieder dünner ge-
schlagen, bei jedem Durchziehen wird gefettet, nach 4—5 mal wieder der
Draht geglüht, indem er zum Ringe gebogen wird — kuzinga. Um einen
Draht von 5 mm Querschnitt zu einem von 1,2 mm zu ziehen, war es nötig,
die geschilderte Arbeit ca. 250 mal zu machen. Dünnen Draht ganz fein
zu machen, erfordert weniger Kraft. In diesem Fall ist das Gestell ent-
behrlich und die Arbeit des Ziehens verläuft umgekehrt, wie oben ge-
Fiff. 87.
schildert. Ein Mann hält die Klammer und ein anderer zieht den Dehner
über den Draht, während im ersten Fall der Draht wanderte und der
Dehner stillstand.
Ich habe Ihre Geduld zwar schon überlange in Anspruch genommen,
möchte aber doch noch einiges über die Technik der Töpferei anschliessen.
Töpfer heisst umuvumbji (plur.- avavumbji). Die Töpferei — ukuvumba —
liegt in Ruanda fast ganz in den Händen der Batwa. Fast jeder mittlere
Bezirk, etwa alle 5—8 Stunden, pflegt eiu Töpferdorf — umuvumbano —
zu haben. Selten ist es eine einzelne Familie, meist sind es deren viele.
So hat die Batwagemeinde Mukawagalle kawawumhje kwa Kaware
(Kaware ist einer der Batwapräfekten) mindestens 40 Hütten, in denen
selbständig getöpfert wird. Die Hilfswerkzeuge Bind lächerlich gering,
fast alles leistet die Hand. Für Topffabrikation ist zu erwähnen ein kleiner
Glätter aus der Schale eines Kürbis und ein 10 cm langer Graszopf
dei aus gewöhnlichem Schilfgras geflochten wird und zur Ornamentierung
dient, er heist rugenjorro, der Glätter ugokotto. wie der Hobel der Holz-
schnitzer.
Bevor ich auf die Arbeit, wie ich sie teils am Kivu. teils im Innern
— 366 —
von Ruanda beobachtete, eingehe, will ich die verschiedenen Gegenstände
aufzählen, die durch Töpfer hergestellt werden:
1. Pfeifen — inkonno,
2. grosse ovale Töpfe, teils zum Aufbewahren der Pombe, teils
zum Bereiten der Speisen,
a) intango, diese sind fast 60 cm hoch, mit ca. 30 cm breitem
Mund und ca. 45 cm breitem Bauch, fassen also über 50
Liter. Sie werden bei den Reichen zur Pombe, sonst auch
zum Aufbewahren von Lebensmitteln benutzt ;
b) inkonno (!) ja kuvugga. Von derselben Form, aber kleiner,
in verschiedenen Abstufungen von 10—30 Litern, zum Kochen
der Speisen (kuvugga = Mehlbrei kochen);
3. impereso sind kleine bauchige Töpfe von 6 — 10 Liter Inhalt.
Sie sind bauchig, fast kugelig, teils mit weiter Öffnung,
teils mit engem Hals, erstere vornehmlich für Honig, letztere
für Wasser. Übrigens sind die letzteren ziemlich selten, da
weniger vielseitig zu verwenden,
4. ikiwindi (akawindi) ist der Pombekrug, grösser oder kleiner
(letzterer akawindi), durchschnittlich ca. 30 cm lang, 15 cm
breit. Ihre Form ist schlank, krugartig, ca. 5 Liter fassend,
5. minwa ivili ist eine bizarre Form des Pombekruges, kuglig mit
2 kurzen Hälsen, sodass gleichzeitig 2 Saugröhren hineingetan
werden können. Es gibt kleinere und grössere, doch fassen auch
diese meist nicht mehr als 2 — 3 Liter,
6. rugwävja ist eine grössere Form von 7; wird zu allem mög-
lichen verwendet, fasst etwa 3 Liter,
7. akävja: kleine, niedrige, breite Töpfchen von 1/i— 1/a Liter
Inhalt zum Aufbewahren von Butter und Ol,
8. itcholero — Räuchergefäss von Tassenform,
9. bunuli, kleine, 6 cm hohe Gefässe, von Flaschen- und anderer
(z. B. Kreisel-) Form, die die kleinen Kürbisse — daher der
Name bunuli — für die Liebesamulette der Frauen ersetzen
(Fig. 93),
10. urwesso, bauchig, breiter Mund, mit abstehendem Halskragen,
3/4 Liter fassend,
11. itschwendo (akatsch wende); Zweck wie Nr. 7, V*- ~7s Liter, fast
kuglich, ohne Hals, kleiner Mund (Fig. 94).
Für die Fabrikation der Töpfe will ich als Beispiel die eines mittel-
grossen inkonno ja kuvugga nehmen. In Luschans Frageschema wird auf
Anfänge der Drehscheibe verwiesen.1) Diese lassen sich auch hier kon-
1) Primitive Drehscheiben werden wohl bei Herstellung grösserer Töpfe in Afrika weit
verbreitet sein. Ihr Ursprung kann vielleicht in der Notwendigkeit, den frischen Tbon
vor der Berührung mit dem Erdboden zu Benutzen, gesucht werden. Ich fand auf
Photographieen eines Kameruner Reisenden (Bauer, Fig. 93a) einen Holzblock mit aus-
geholtem oberen Ende, das mit einem feuchten Lappen bedeckt wird, auf dem man den
Topf dreht. Bei einem anderen Töpferbilde aus Kamerun (Hauptmann Engelhardt,
Fig. 9ob) sieht man schalenähnliche Drehscheiben aus Ton z.T. auch mit feuchten Lappen
bedeckt.
— 367 —
statieren; meist wird der Boden eines zerbrochenen grossen Topfes ge-
nommen, doch sah ich Lei den intelligentesten, den Batwa in Induga (kwa
Kaware), auch direkt für diesen Zweck hergestellte flach«' Schalen. Zunächst
wird ein Klumpen Ton (Taf. IV Fig. 2a) — iwumba — nachdem die Finger
tüchtig nass gemacht sind, geknetet, als drücke man einen Schwamm aus,
worauf er zwischen beiden Handflächen wie ein Quirlstiel gewälzt wird,
sodass eine lange Wurst entsteht (Taf. IV, 2b). Dies Zurechtkneten heisst
— kukända. Diese Wurst wird nun in Bienenkot hw indungen zusammen-
gelegt, sodass die Fig. Taf. IV, 2 c entsteht. Diese kommt auf die Drehscheibe,
wird nach unten glatt gedrückt (Taf. IV Fig. 1 und '2i\j und nun beginnt
die Arbeit, die gleichmässig zum Ansatz des Halses fortläuft und aus zwei
Verrichtungen besteht, dem kutegga und dem kusamura.
Durch das kutegga wird die Wurst seitlich platt gedrückt, indem von
aussen der Daumen, von innen die übrigen Finger drücken, bis die Wurst
jedesmal im gewünschten Niveau ist, dann kommt eine neue Wurst
auf den jedesmaligen Rand (Taf. IV Fig. 2 e, 2 f ). Da aber der neu-
Pie. 93a.
Fiff. 93b.
angedrückte Teil immer etwas stärker ist, als der untere fertige, wird die
überflüssige Masse verstrichen, distal mit dem Radialrand des Daumens,
proximal mit dem Radialrand des Index, dies heisst: „kusamura". Neben
diesem einher geht das Glätten mit dem ngokotto, d. h. dem Hobel aus
Kürbisschale (kunosa) erst innen, dann aussen. Bei all diesem wird die
Scheibe ruckweise gedreht (Taf. IV Fig. 3 u. 4).
Ist das Gefäss bis zum Hals ansatzfertig, so trocknet es im Schatten
24 Stunden. Betreffs des Halses gibt es 2 Methoden. Die einen machen
den Hals besonders und setzen ihn dann auf, die meisten arbeiten an dem
<iefäss bis zum Ende weiter. Den Hals bezw. das Oberstück arbeiten
heisst kuter 'urugarra. Auch das Oberstück wird teils mit der Hand, teils
mit dem ingokotto bearbeitet. Zum Schluss folgt das Ornamentieren, das
in zweierlei Form geschehen kann. 1. Kugenjorro ist die Arbeit mit dem
oben erwähnten rugenjorro. Man quirlt den Zopf zwischen Gefäss und
Handfläche hin und her (Taf. IV Fig. .">). 2. KunGna ist das Eindrücken
entweder tiefer, meist dreieckiger Ornamente, teils am Mundrand, teils am
Baisansatz mit dem ngokotto. oder tiefer Linien, die einfache geometrische
Figuren darstellen (gewöhnlich das oft erwähnte Pfeilornament). Zuletzt
wird noch der Hals mit Hilfe von Wasser und den grossen Blättern der
— 368 —
Erythr. toment. gerundet (Taf. IV Fig. 6). Dann setzt man die Töpfe
24 Stunden auf den Hüttenrost oder 48 Stunden in die Sonne.
Nach dem Brennen folgt das Putzen. Es geschieht mit Gras, wobei
der Russ festgerieben wird. Zum Verkauf werden die Gefässe mit Asche
beschmiert und mit der Wurzel eines Unkrautes einige rote Flecken und
Striche gemacht. Das wünschen die Käufer, weil es Glück bringt. „Topf-
brecher" heisst es, vielleicht weil die dicken hohlen Stengel im Feuer
explodieren.
So viel über die Herstellung der Töpfe.
Sie sehen ferner (Fig. 88) hier eine Anzahl von flachen Eisen-Instru-
menten, die zur Herstellung von Pfeifen und von diesen kleinen Töpfen
dienen (Fig. 93 und 94). Beide werden wohl ausschliesslich von Männern
gearbeitet.
Sie sehen hier auch Präparate, die Ihnen zeigen sollen, wie eine
Pfeife entsteht. Die Arbeit geht übrigens so rasch vor sich, dass es
schwer ist, den Bewegungen der Finger zu folgen und dass man immer
Fi*. 89.
Fis. 90.
Figr. 91a.
Fi«?. 91b.
Fi<r. 92.
J
wieder neue Objekte beginnen lassen muss, um das Handwerk wirklich
sorgfältig studieren zu können. Ich glaube mit meinen angefangenen und
halb vollendeten Pfeifen hätte ich die Peterskirche füllen können und
selbst dann wären noch einige Exemplare zu den Fenstern herausgequollen.
Aber zur Sache! Der Arbeiter benetzt sich die Hände mit Wasser und
nimmt eine Handvoll Lehm, die er tüchtig durchknetet. Das Ende, das über
die Hand zwischen Daumen und Zeigefinger hinausgepresst wird, schlägt
er mit dem Daumenballen der anderen Hand breit (Fig. 89). Dann
kommt das Kunosa, d. h. ein gleichmässiges Streichen und Glätten.
Darauf macht er an beiden Enden eine Vertiefung, indem er am breiten
Ende den Daumen hin eindrückt und mit dem Zeigefinger zirkelt, und
drückt in die Mitte ein Loch an der Stelle, wo sich später der Winkel
befindet (Fig. 90). Dann knickt er es an dieser Stelle und verstreicht
den Winkel, wodurch dies hier (Fig. 91a) entsteht. Nun trocknet das Stück
im Schatten 24 Stunden. Dann folgt das Ukuarura, das Hobeln mit dem
flachen Eisen (Fig. 88 1)). Sein schmales Ende wird flach aufgesetzt und
dann nach dein Winkel hin «bestrichen. Mit dem breiten Ende wird auf
— 369 —
den Rand des Mundes geklopft. Dann folgt an beiden Enden der Pfeife
das, was er Kupfundi Kumagarra nennt, d. h. das Schneiden des Randes.
Mit der Erde, die dabei vom Munde weggenommen wird, verschmiert er
den Winkel der Pfeife mit Hilfe des Eisens. Nun erst folgt Kutobora,
das Höhlen mit dem schmalen Eisenende, erst von dem Pfeifenmund, dann
Fijr. 93.
1LA& bll
A £**£
von dein Röhrenansatz aus (Fig. 91b). Hierauf kommt das Kutzemba, das
< Hätten des Innern mit einem glatten Holz, dem ukutzombjo und zuletzt
das kukurungira, das Polieren der Aussenseite mit dem breiten Ende des
Eisens in der Weise, wie wir auf Papier eine Rasur glätten. Nach
weiteren 24 Stunden brennt man die Pfeife sehr vorsichtig. Erst legt
man sie nur in die Nahe des Feuers, dann tut man glühende Kohlen-
stückchen hinein und dann erst brennt man sie stark. Nach einer halben
— 370 —
Stunde entfernt man sie, reibt den Russ tüchtig mit Gras und poliert noch
einmal mit dem Holz.
Die gebräuchlichste Form der Ruanda-Pfeifen zeigt Fig. 92. Ähnlich
wie die Pfeifenfabrikation — und auch meist von denselben Leuten ausgeübt
— ist die Herstellung der kleinen Töpfe, die Sie hier (Fig. 93 und 94) sehen.
Die runden grösseren in der untersten Reihe dienen zum Aufbewahren
des Öles, die oberen Reihen aber einem sehr eigentümlichen Zwecke.
Jede verheiratete Frau nämlich in Ruanda trägt vor ihrem Leibe unter
dem schürzenartigen oberen Teil ihres Fells an einer Schnur befestigt
einen kleinen Kürbis oder einen der hier abgebildeten Töpfe. Ihr Inhalt
Bind Amulette, um sich die geschlechtliche Liebe des Ehemannes zu erhalten.
Und es zeugt eigentlich nicht von viel Selbstvertrauen zu den eigenen Reizen,
wenn man die grosse Menge der Amulette berücksichtigt, die solches
Fläschchen enthält. Ich zählte einmal bei einer Frau deren achtunddreissig.
Aber diese Frage geht uns hier ja nichts an. Die Technik dieser Flaschen-
f'abrikation ist der der Pfeifen sehr ähnlich. Nur haben sich die Arbeiter
— 371 —
eine grössere Mannigfaltigkeit von Instrumenten ersonnen, die Sie in
Fig. 88 abgebildet sehen, während der Pfeifenmacher ausser seinem
hölzernen Glätter nur ein Fig. 88b ähnliches Eisen zu haben pflegt. Ich
will mich darauf beschränken, Ihnen eine kurze Beschreibung des Zwecks
dieser Eisen zu geben.
Fig. 88 A. Das obere Ende dient erstens zum Söhneiden des oder
der Kreise, die um die kleinen Gefässe herumlaufen und zweitens als
(i lütter. Das untere Ende erstens zum Polieren kleinerer Flächen und
zweitens zum Höhlen. Fig. B. Ebenfalls zum Höhlen dient das obere
Ende und zwar beginnt das Höhlen mit diesem Instrument. Leicht winklig
gebogen höhlt es die seitlichen Partien des Halses. Das untere Ende
dient hauptsächlich zum Glätten des Mundes. Entweder senkrecht auf-
gesetzt mit der Schärfe oder horizontal mit der Fläche.
Instrument C poliert vorwiegend grössere Flächen. Auch wird das
obere Ende benutzt, um den Mund festzuklopfeu. Das untere Ende dient
zum Schneiden des Randes und zwar der unteren Randfiäche.
Das Eisen D ist eine gewöhnliche Sandflohnadel, von deren Blatt der
eine Rand scharf, der andere fein gesägt ist. Sie dient zum Ornamen-
tieren der Gefässe in folgender Weise. Nachdem mit der Schärfe die
Umrisse gezeichnet sind, z. B. (1) erfolgt durch wiegende Bewegungen
mit der Nadel, deren Spitze nach der Spitze der Winkel schaut, mit dem
/\/\ sW&s^r^S -^wv^vr^ •
CD (2) (3)
gesägten Rande ein Kerben. Da die Fläche und der Klingenrand ge-
wölbt sind, erfolgt das Kerben in 2 Absätzen, erst an den unteren
Partien, also so (2), dann an den oberen (3). Das untere Ende der
Nadel dient zum Punktieren. Das Eisen E dient erstens zum Polieren
wie C, zweitens mit dem oberen etwas umgebogenen Rande als Raspel
für den Boden der Gefässe. Das untere Ende dient wie das gleiche Ende
von C zum Schneiden des Randes oder der oberen Randfiäche.
Zum Schluss möchte ich noch in aller Kürze auf eine Technik ein-
gehen, die für Ruanda wie überhaupt für die Länder westlich des Viktoria-
sees bis zum Kongo hin eine grosse Rolle spielt. Ich meine die Her-
stellung von Rindenstoff.
Das Rindenzeug — impdsu — wird auf folgende Weise hergestellt:
Nachdem man in die Fikus (man benutzt "_' Arten, von denen die eine
umuwunintu. die andere omuhehe oder ourakove heisst) einen Längs- und
zwei Kreisschnitte gemacht hat, schält man die Kinde ab. Rinde heisst:
1. allgemein igischfschwa,
"2. vom ohigen Baume Lmpüsu.
Dann schneidet man veii dem betreffenden Stück die Schale ab. legi
es auf einen ca. 60 cm dicken Stamm, der als Unterlage (mukömero)
— 372 —
dient und hämmert es (kukomma) (Fig. 95) mit dem Hammer (imangu)
(Fig. 96—98) auf beiden Seiten. Dies dauert so lange, bis das Stück
weich ist. Dann wringt man das Wasser aus (kukamura), trocknet es
Fig. 95.
Fig. 96.
Fig. 97. Fig. 98.
(kukanika) in der Sonne und reibt es tüchtig, etwa in der Art, wie wir
einen Flecken aus einem Stück Zeug entfernen (kunjukku), beschneidet
darauf den Rand (kukanna), näht es mit
anderen Stücken zusammen (kutoteza) und
befestigt die Bänder. Ein fleissiger Arbeiter
macht täglich mindestens 4 Stück, die zu-
sammen 1 qm bilden.
Diese Arbeit geschieht in den meisten
Haushaltungen, doch habe ich in einigen
Gegenden auch Arbeiter gefunden, die
mit ihren Hämmern auf Stör herumzogen
und einmal sogar einen Eingeborenen, der
Rinde, wo immer er sie bekommen konnte,
einhandelte, zu Hause verarbeitete und
das fertige Produkt verkaufte.
Bemerken möchte ich übrigens noch,
dass, während in Urundi Rindenstoff als
Bekleidung bei weitem überwiegt, er in Ruanda immer mehr von Fell
und Zeug verdrängt wird.
— 373
2. Über die rachitischen Veränderungen des Schädels.1)
Von
Professor D. von Hansemann.
Es sind vor allem zwei Gründe, die mich veranlassen, hier über den
Einfluss der Rachitis auf die Schädelform zu sprechen. Sie werden sich
erinnern, dass Virchow seinerzeit bei seinen Äusserungen über den
Neanderthalschädel angab, dass derselbe deutliche Spuren von Rachitis
an sich trüge. In dieser Aussage "Virchows mögen Sie den einen Grund
für meine heutige Demonstration sehen. Der andere beruht darauf, dass
ich aus zahlreichen Angaben in der Literatur und aus häufigen Fragen,
die an mich gestellt werden, ersehe, dass unter den Ärzten und ganz be-
sonders unter denjenigen, die sich mit anthropologischen Dingen be-
schäftigen, noch wenig bekannt ist, welche Veränderungen eigentlich die
Rachitis am Schädel hervorbringen kann und welche niemals durch
Rachitis erzeugt werden. Wenn ich mir erlaube, dieses Thema hier vor-
zubringen, so ist es natürlich nicht zu umgehen, dass ich auf die rachi-
tischen Veränderungen überhaupt eingehe, aber ich werde mich doch be-
mühen, das möglichst zu beschränken und nur insofern die rachitischen
Veränderungen des Schädels zu besprechen, als sie für die anthropolo-
gische Betrachtung von Bedeutung sind.
In Wirklichkeit war es in früher Zeit und auch zu der Zeit, als
Virchow den Neandertalschädel untersuchte, schwierig, mit Sicherheit
auszusagen, welche Veränderungen auf Rachitis zu beziehen sind und
welche nicht, denn man war in jener Zeit im wesentlichen darauf an-
gewiesen, die Schädelveränderungen, die sich bei früher rachitischen In-
dividuen zufällig fanden, in ihrem Zusammenhang mit dieser Krankheit
zu deuten, was natürlich häufig der Willkür oder der Neigung des Unter-
suchers unterlag.
Neuerdings hat man in diesen Schlussfolgerungen eine viel grössere
Sicherheit bekommen, und zwar speziell durch das Studium der Rachitis
bei Tieren. Es ist schon seit langer Zeit bekannt, dass viele Tierarten
und speziell die Affen Rachitis bekommen können. Von einigen Unter-
suchern wurde diese Krankheit auch direkt als Rachitis bezeichnet, von
anderen aber unter dem Namen Leontiasis, Ostitis deformaus, Osteomalazie
Lähme, Rückenmarkskrankheit usw. beschrieben. In neuerer Zeit hat
man dies.' Krankheit mit Sicherheit als Rachitis erkannt und ich habe
speziell <li<- Rachitis der Affen vor einigen Jahren einer ausgedehnten
1) Vortrag, gehalten in der Sitzung vom 20. Fobruar liXKl.
— 374 —
Untersuchung unterzogen, deren Resultate ich 1901 in einer Monographie
über die Rachitis des Schädels veröffentlicht habe. Durch das liebens-
würdige Entgegenkommen des Direktors unseres zoologischen Museums,
Herrn Geheimrat Möbius, war ich in die Lage versetzt, eine grosse Zahl
von Affenschädeln und Skeletten zu untersuchen. Herr Direktor Heck
vom hiesigen zoologischen Garten stellte mir eine ganze Reihe lebender
und toter rachitischer Affen zur Verfügung. Ausserdem habe ich noch
bei Händlern zusammen gekauft, was ich irgend finden konnte, und so
verfüge ich über ein ausserordentlich grosses Beobachtungsmaterial. Bei
diesen Untersuchungen hat sich die merkwürdige Tatsache herausgestellt,
dass sämtliche jung eingefangenen Affen rachitisch werden und zwar nicht
bloss, wenn sie hier bei uns in Gefangenschaft leben, sondern auch wenn
sie in ihrer eigenen Heimat in Gefangenschaft gehalten werden. Niemals
habe ich gesehen, dass ein in der Freiheit geschossener Affe Spuren von
Rachitis gezeigt hätte, und alle rachitischen Affenschädel, die ich unter-
sucht habe, stammten aus der Gefangenschaft. Ein grosser Teil dieser
Affen starb direkt an den Folgen der Rachitis, aber manche und vor
allen Dingen die, welche sich in sorgsamer Privatpflege befinden, über-
stehen auch die Krankheit, und so ist man in Wirklichkeit in der Lage,
die Rachitis bei den Affen in allen Stadien zu untersuchen. Wie gesagt
bekommen auch andere Tiere die Rachitis, in der Gefangenschaft aber
nicht mit solcher Regelmässigkeit wie die Affen. Aber gerade das Auf-
treten dieser Krankheit immer nur in der Gefangenschaft der Tiere zeigt
deutlich, dass es sich hier um eine Krankheit der Domestizierung handelt,
und man könnte geradezu sagen, die Domestizierungsfähigkeit einer Tier-
rasse ist abhängig von ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Rachitis.
Auch für den Menschen glaube ich vertreten zu können, dass die
Rachitis eine Krankheit der Domestizierung d. h. also der Kultur ist, die
bedingt wird durch das Wohnen in geschlossenen Räumen, durch den Ein-
fluss der Nahrung, der Kleidung usw. Bei unkultivierten Völkern kommt
Rachitis nicht vor. Auch in Japan soll sie nicht vorhanden sein. Ich bin
überzeugt, dass, wenn die Japaner anfangen in europäischen Häusern zu
wohnen, sie auch die Rachitis bekommen werden.
Was nun die Affen betrifft, so verläuft die Rachitis bei diesen Tieren
vollständig analog demjenigen, was man beim Menschen sieht. Kein
Symptom der menschlichen Rachitis fehlt bei den Affen, und keines ist
bei den Affen vorhanden, das sich nicht auch beim Menschen vorfände.
Nur ein gradueller Unterschied besteht darin, dass die Periostrachitis im
Gegensatz zur Knorpelrachitis bei den Affen fast immer stärker entwickelt
ist, als in den gewöhnlichen Fällen beim Menschen, und so starke
Periostrachitis, wie man sie beim Affen häufig findet, ist beim Menschen
verhältnismässig selten. Aber gerade in Bezug auf den Schädel spielt
dieser Unterschied keine hervorragende Rolle, da ja die Schädelrachitis
auch beim Menschen eine Periostrachitis ist.
Wenn man nun betrachtet, was bei der Rachitis geschieht, so sieht
man, dass es sich um eine Wucherung handelt, die vom Periost ausgeht
und die zu einer Verdickung der Schädelknochen führt. Diese Ver-
— 375 —
dickung tritt fast immer ganz symmetrisch auf, wie es die Fig* 1 zeigt,
und zwar entweder in der Mitte der flachen Schädelknochen, und nähert
sieh von hier aus erst allmählich den Nähten oder sie beginnt auch, was
allerdings selten ist, am Bande in der unmittelbaren Nachbarschaft der
Nähte und sehreitet von hier nach der Mitte der Knochen zu. Der vordere
Abschnitt des Schädels pflegt stärker ergriffen zu werden als der hintere,
so dass die Verdickungen am Stirnbein gewöhnlich stärker sich entwickeln
als am Hinterhauptbein (Fig. 2). Unter allen Umständen und ohne Aus-
nahme sowohl beim Affen wie beim Menschen geht die Wucherung vom
äusseren Periost des Schädels aus, niemals vom inneren, der Dura mater.
Alle Verdickungen, die an der Innenfläche des Schädels gefunden werden,
sind also, selbst wenn sie bei früher rachitischen Personen vorkommen,
nicht rachitischer Natur. Obwohl die Wucherungen die Nähte überziehen
können, so kommt es doch nicht zu einer wirklichen Yerknöcherung der
Nähte. Man kann sie von der Innenfläche immer noch erkennen, und
Fisr. 1.
Fis- 2.
^
wenn der Prozess zur Ausheilung kommt, und man nun die verdickten
sklerotischen Schädelknochen untersucht, dann kann man sehen, dass die
Nähte nicht synostotisch geworden sind, sondern dass sie im Gegenteil
nur eine lockere Verbindung der einzelnen Knochen darstellen, weil die
Zähne der Naht kurz, dick und stumpf geworden und wenig geeignet
sind, eine feste Verbindung herzustellen. Bei der Maceration fallen die
Scliädelknoclien daher trotz ihrer Verbindung leicht auseinander. Daraus
kann man sehen, dass frühzeitige Synostosen als solche niemals auf die
Rachitis bezogen werden dürfen.
Die Symmetrie, in der sich die Affektion entwickelt, ist eine überaus
auffällige und besonders beim Menschen bemerkbar. Eis gibt seltene Aus-
nahmen davon; ich habe im Laufe der -Jahre nur wenige Beispiele
Bammeln können, die eine asymmetrische Kntw ickelung der rachitischen
Periost Wucherungen erkennen lassen. Daraus kann man ersehen, dass eine
Schiefheit des Schädels in der Kegel nicht auf Kachitis zu beziehen i>t.
Wenn auch eine solche unsymmetrische Verdickung eine Asymmetrie des
Schädels zurück lassen kann, so ist diese doch so geringfügig, dass sie nur
— 37G —
ganz ausnahmsweise einmal in die Erscheinung treten dürfte. Schiefheiten
des Schädels sind vielmehr auf andere Ursachen zurückzuführen, z. B. auf
eine einseitige Yerknöcherung der Nähte, die, wie oben gesagt, nicht von
der Eachitis abhängig ist, oder auf individuelle Entwickelung des Gehirns.
Es ist ja bekannt, dass die Gehirnhemisphären nur selten vollkommen
symmetrisch sind. Häufig ist diese Asymmetrie eine ganz erhebliche,
und wir wissen durch die Untersuchung Schwalbes, welchen ausser-
ordentlichen Einfluss die Konfiguration des Gehirns auf das äussere Relief
des Schädels ausübt. Man kann also im allgemeinen sagen, dass Schief-
heit des Schädels nicht auf rachitische Veränderungen zu beziehen ist.
Nun kommt aber für die Schädelbildung beim Menschen ein Umstand
in Betracht, der sich bei den Affen nicht findet, und der auf die Form
des Schädels einen grossen Eiufluss ausübt. Das ist die Erweichung des
Hinterkopfes, die sogenannte Craniotabes. Die Craniotabes ist nicht eine
Fiar. 3.
Fig. 4.
m** (
eigentlich rachitische Erscheinung, und es widerspricht daher das aus-
schliessliche Vorkommen beim Menschen und das Fehlen beim Affen nicht
meiner obigen Behauptung, dass bei der Affenrachitis kein Symptom der
menschlichen Rachitis fehle. Die Craniotabes ist vielmehr eine ausge-
sprochene Folge davon, dass die rachitischen Menschen in ihrem frühen
Lebensalter meist auf dem Rücken liegen, wodurch einmal durch Druck
des Gehirns eine Rarifikation des Knochens eintritt, die immer an der
Innenfläche des Schädels sich bemerkbar macht und wodurch zweitens der
Hinterkopf platt gelegen wird. Bei Affen, die in diesem Stadium nicht
liegen, fehlt daher auch die charakteristische Gestaltung der Craniotabes,
und der Hinterkopf kann sich ungestört entwickeln. Wenn man den
Schädel eines Menschen betrachtet, der in dieser Weise charakteristisch
verändert ist, so findet man, dass der Kopf vom Halse aus gerade in die
Höhe steigt, ja manchmal ist der Übergang der Hinterfläche zu den Seiten-
flächen geradezu winklig abgeknickt, wie es die Fig. 3 deutlich erkennen
lässt. Die Folge davon ist, dass sich der Schädel durch das Wachstum
— 377 —
des Gehirns ganz vorzugsweise nach vorn hin entwickelt und die Stirn oft
sehr bedeutend nach vorn gedrängt wird, so dass sie, wenn dazu noch eine
Verdickung des Stirnbeins hinzukommt, balkonartiv, ülici- das Gesicht über-
hängt. Solche Köpfe könnte man geradezu als Balkonköpfe bezeichnen,
die sich durch eine übermässige Orthognathie auszeichnen. Diese Ortho-
gnathie wird dadurch verstärkt, dass auch an den Kiefern rachitische Ver-
änderungen eintreten, die ein Wachstumshemmnis für den Oberkiefer und
den Unterkiefer bedingen, gleichzeitig mit Verdickung der Knochen dieser
'Peile. Bei 'Pieren und besonders bei den Affen lässt sich diese Wachs-
tunisstörung viel deutlicher verfolgen als beim Menschen, und man spricht
Fig. 5.
bei solchen 'Pieren von einer Mopsköpfigkeit. Man darf sich aber nicht
vorstellen, dass die Mopsköpfigkeit gewisser Hunderassen. z.B. der Wachtel-
hunde und der King Charles-Rasse usw. auf einer Rachitis beruhen, wie
man das früher angenommen hat, ebensowenig, wie auch die gebogenen
Beine der Teckel rachitischer Natur sind. Die nebenstehende Abbildung
(Fig. 4) zeigt den ausgezeichneten Typus eines solchen übermässig ortho-
gnathen Balkonkopfes am macerierten Schädel. Wie typisch die Form des-
selben ist, ergibt sich aus der Fig. 5, die von einem Lebenden Menschen
genommen ist. Der macerierte Schädel könnte geradezu von diesem
Menschen stammen, obgleich das in Wirklichkeil nicht der Fall ist.
Man kann bei den Affen deutlich sehen, dass die Rachitis sich häufig
an den oberen Augenbögen lokalisiert und ganz, besonders stark an dem
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft S n. i. •>-.
— 378 —
über der Nase gelegenen Teil des Stirnbeins. Dadurch entsteht zwischen
Nasenrücken und Stirn eine tiefe Einsenkung, und das Stirnbein buchtet
sich über dieser Einsenkung stark vor. Auch diese charakteristische Form
ist von Bedeutung für die Beurteilung der rachitischen Kopfbildung
(Fig. 4 und 5).
Nun muss man sich nicht vorstellen, dass jeder Rachitiker auch einen
rachitischen Schädel haben müsse, oder dass an einem rachitischen Schädel
alle die angeführten Eigentümlichkeiten vereint in die Erscheinung treten
müssen. Nicht jede Rachitis verläuft mit besonderer Beteiligung des
Schädels und nicht jede Schädelrachitis mit Craniotabes. Es kann daher
eine äussere rachitische Verdickung des Schädels vorhanden sein, ohne
Craniotabes, die sich auf die ganze Zirkumferenz des Schädels erstreckt.
Man kann also bei einem Menschen mit ausgebildetem Hinterkopf die
Rachitis nicht etwa ausschliessen.
Schliesslich will ich noch darauf hinweisen, dass die Verdickungen,
die bei der Rachitis auftreten, stets gleichmässige sind, sodass sie wohl zu
Hyperostose aber niemals zu Exostose, d. h. also zu eigentlichen Knochen-
auswüchsen führen. Exostosen am Schädel sind also als solche niemals
rachitisch.
Wenn wir nun speziell auf den Neandertalschädel eingehen, so waren
es vor allem zwei Umstände, die Virchow veranlassten, denselben für
rachitisch zu erklären. Der eine war die Verdickung des Schädels, der
andere eine kleine Vorwölbung, die sich in der Gegend der vorderen
Fontanelle findet. Ich halte den Neandertalschädel wiederholt und auch
wieder neuerdings mit besonderer Berücksichtigung meines heutigen Vor-
trages auf seine pathologischen Veränderungen hin untersucht, und ich
muss sagen, dass ich jedesmal überrascht war über die Geringfügigkeit
derselben im Vergleich mit den Rasseneigentümlichkeiten dieses Schädels.
Mit der grössten Sorgfalt sind auch die minutiösesten pathologischen Ver-
änderungen an diesem Schädel hervorgesucht worden, und es sind ausser
den eben schon genannten, aus denen Virchow die rachitische Natur
derselben abzuleiten bestrebt war, noch einige, wahrscheinlich traumatische
Defekte zu erwähnen und eine geringfügige äussere Osteoporose, die als
Alterserscheinung aufzufassen ist und mit der hier zu diskutierenden
Frage nichts zu tun hat.
Was nun diese Verdickung des Schädels betrifft, so bezieht sich die-
selbe in uanz charakteristischer Weise ausschliesslich auf die Innenfläche.
Die Aussenfläche ist in keiner Weise verdickt. Verdickungen der Innen-
fläche des Schädels sind, wie vorhin auseinandergesetzt wurde, niemals
rachitischer Natur, dagegen findet man in vielen Fällen solcher inneren
Hyperostose und speziell auch in diesem Falle des Neandertalschädels
eine vollkommene Aufklärung in einem anderen Umstände. Es ist Ihnen,
nicinc Herren, ja allen bekannt, dass an den übrigen Knochen des Neander-
talnienscheii bestimmte eigentümliche Veränderungen vorhanden sind, die
von Virchow als Arthritis deformans bezeichnet wurden, was auch von
allen späteren Untersuchern vollkommen anerkannt wurde. Diese Arthritis
deformans ist durchaus analog derjenigen Erkrankung, die man auch bei
— 379 —
Höhlen bewohnenden Tieren findet und die deswegen den Namen Höhlen-
gicht bekommen hat Eis ist eine Krankheit, an der auch rezente Menschen
besonders im höheren Alter überaus häufig leiden. Sie hat den Namen
Altersgicht bekommen, hat aber in Wirklichkeit mit der eigentlichen Gicht
garnichts zu tun, sondern isi eine ganz ausgezeichnete Knochenerkrankung,
die sich vorzugsweise in <\ti\' Umgebung der Gelenke abspielt. Bei Leuten
mit solcher Arthritis deformans findet man mit grosser Kegelnlässigkeit
Verdickungen an dw Innenfläche des Schädels und zwar manchmal so er-
heblich, dass dicke Wülste, ja förmliche Knochengeschwülste besonders in
der Stirngegend sich entwickeln. Von diesen zeigt der Neandertalschädel
11111' einen sehr leichten Grad, aber immerhin doch so charakteristisch,
dass gar kein Zweifel über die Zusammengehörigkeit dieser Verdickungen
mit den Veränderungen am übrigen Skelett bestehen kann.
Nun werden Sie vielleicht erstaunt sein, dass Yirchow, obwohl er
•die Skeletterkrankung richtig als Arthritis deformans deutete, die Ver-
dickung des Schädels doch als einen rachitischen Zustand bezeichnete.
Das erklärt sich aber aus dem Umstände, dass die rachitische Verdickung
für die damalige Betrachtungsweise von den Verdickungen bei der Arthritis
deformans garnicht soweit entfernt lag. Man wusste damals noch nicht,
dass die Rachitis des Schädels sich ausschliesslich an der äusseren Fläche
desselben abspielt und die Innenfläche ganz intakt lässt, und man wusste
ebensowenig, dass eigentliche Exostosenbildungen nicht in das Bild der
Rachitis hineingeboren. Virchow hatte z. B. auch eine Neigung, das
Auftreten von Exostosen in der Nähe von Gelenken auf eine in der Jugend
überstandene Rachitis zu beziehen. Daraus erklärt sich für ihn die
Möglichkeit, den einen Zustand für Rachitis, den anderen für Arthritis
deformans zu erklären, ohne in diesem gemeinsamen Vorkommen einen
Widerspruch zu erkennen.
Während sich also in dieser Weise die Verdickung des Xeandertal-
schädels mit Sicherheit von rachitischen Veränderungen trennen lässt, so
stossen wir bei der leichten Ausbuchtung in der Gegend der vorderen
Fontanelle auf gewisse Schwierigkeiten der Deutung. Obwohl ich mich
bemüht habe, etwas Genaueres über die Entstehung einer solchen Vor-
wölbung herauszubringen, so bin ich doch nur zu einem negativen Resultat
gelangt. Ich glaube nämlich mit Sicherheit aussagen zu dürfen, dass auch
diese Erscheinung nicht auf Rachitis beruht und zwar deswegen, weil ich
sie wiederholt an Schädeln gesehen habe, die alter zufälligerweise mit
Sicherheit von nicht rachitischen Individuen stammten. Merkwürdigerweise
zeigt dieselbe Ausbuchtung auch der Schädel de- Pithecanthropos erectus
und ebenfalls wieder die Röntgenphotographie eines mir bekannten Hrn. T..
dessen sehr merkwürdige Schädelbildung sich durch stark vorgewölbte
Aiigenbögeu und dunh enorme Stirnhöhlen auszeichnet. Da nun diese
vorspringenden Augenbögen auch dem Pithecanthropos und dem Neander-
taler eigentümlich i>t, und sich auch wieder bei diesem rezenten Menschen
vorfindet, so könnte man auf die Vermutung kommen, dass zwischen diesen
Konfigurationen ein innerer Zusammenhang bestände. Ich mu>> aber be-
kennen, dass ich einen solchen nicht habe auffinden können, im Gegenteil
25
— 380 —
weisen die übrigen Fälle, die ich hier als Beispiel mitgebracht habe, wohl
eine solche Yorwölbung an der vorderen Fontanelle auf, aber sie hatten
keineswegs prominente obere Äugenbögen oder besonders grosse Stirn-
höhlen und auch umgekehrt zeigen die meisten bekannten Schädel mit
prominenten Augenbögen und grossen Stirnhöhlen, z. B. die von Spy und
Krapina, nicht die Yorwölbung in der Gegend des Bregmas. Wovon nun
diese herrührt, das vermag ich Ihnen nicht zu sagen, aber ich betrachte
dieselbe als eine individuelle Entwickelung, die überhaupt nicht auf einen
pathologischen Prozess zurückzuführen ist, und die auch nicht die Ver-
breitung hat, dass man aus ihr gewisse Rasseneigentümlichkeiten ableiten
könnte. Soweit ich an rezenten Schädeln beurteilen kann, hängt diese
Yorwölbung nicht, wie Yirchow seinerzeit glaubte, zusammen mit einem
gesteigerten intrakamiellen Druck bei noch weicher Beschaffenheit der
Schädelkapsel, sondern mit dem zeitweise exzessiven Wachstum einer der
drei Knochenecken, die hier in der Gegend des Bregmas aneinander
stossen.
Ich habe mir, mit Rücksicht auf diese Betrachtungen, noch die Frage
vorgelegt, ob es möglich ist, dass die starke Prominenz der oberen Augen-
bögen und die grösseren Stirnhöhlen in irgend einem Zusammenhange
mit Rachitis stehen könnten. Zweifellos ist es, dass die oberen Augen-
bögen durch Rachitis verdickt werden können, aber selbst bei den Affen,
wo schon so wie so eine Neiguug zur prominenten Entwickelung der Augen-
bögen besteht, ist dieselbe doch bei rachitischen Individuen keineswegs
wesentlich stärker als bei nichtrachitischen. Besonders aber beim Menschen
haben wir keine Veranlassung, aus irgend einem uns bekannten Spezimen
anzunehmen, dass die Rachitis imstande wäre, auch nur annähernd so
prominente Augenbögen zu produzieren, wie wir sie bei der Neandertal-
rasse finden, und wie dies ausnahmsweise auch bei rezenten Menschen
gefunden wird. Weder der eben erwähnte Hr. T., dessen Röntgenbild
ich eben erwähnte, ist jemals rachitisch gewesen, noch ein anderer, Hr. R.,
dessen Photographie ich Ihnen hier vorführe, und der aus verschiedenen
Gründen besonders interessant ist. Schwalbe hat schon darauf hinge-
wiesen, dass die Grösse der Stirnhöhlen mit der Vorwölbung der Augen-
bögen in keinem direkten Zusammenhang steht, und das kann man durchaus
bestätigen, wenn auch häufig diese beiden Zustände bei demselben Indi-
viduum gemeinsam vorkommen, wie es die Neandertalrasse zeigt und
wie es auch Hr. T. erkennen lässt. Die Röntgenbetrachtung des Hrn. R.
aber hat ergeben, dass derselbe nur ganz minimale Stirnhöhlen hat, trotz-
dem sind seine Augenbrauen ungewöhnlich stark vorgebuchtet. Er hat
niemals Rachitis gehabt, und die Vorbuchtung der Augenbrauen hat sich
zwischen seinem 1(5. und 19. Jahre ziemlieli schnell entwickelt, sodass
sich in dieser Zeit seine Physiognomie vollständig änderte. Man sieht aus
diesen angeführten Beispielen, die sich gewiss leicht vermehren lassen,
wenn man einmal darauf aufmerksam ist, dass das Vorspringen der oberen
Augenbögen mit Rachitis sicherlich in keinem Zusammenhange steht.
Was die Stirnhöhlen betrifft, so könnte man sich tatsächlich vorstellen
dass durch die Verdickung des Stirnbeins und gerade dieses unteren Ab-
— 381 —
Schnittes dicht über der Nase eine Knochenmasse geschaffen würde, in
der sich besonders grosse Stirnhöhlen entwickeln könnten. Über die Ent-
wickelung der Stirnhöhlen ist noch nicht sehr viel bekannt, und ich habe
deswegen eine kleine Sammlung angelegt, an der ich mich orientieren
wollte, in welcher Lebenszeit sich die Stirnhöhlen entwickeln und ob
ihre Grösse und Form in irgend einer Beziehung steht zu gewissen
charakteristischen pathologischen Veränderungen am Schädel. Aus dieser
Betrachtung ergibt sich, dass die ersten Anfänge der Stirnhöhlen im 4.
und .'). Lebensjahre auftreten, dass nun die Stirnhöhlen sich vergrössern,
zuerst schneller bis zum 15. und 16. Lebensjahr, also bis in die Zeit der
Pubertät, nachher alter vielleicht auch noch weiter. Ich habe nicht nach-
weisen können, dass bei rachitischen Individuen die Stirnhöhlen grösser
sind wie bei nichtrachitischen. Ja die grösste Form von Stirnhöhlen, die
ich je gesehen habe und von denen ich eine Reihe von Beispielen vor-
lege, gehören sicher nichtrachitischen Individuen an. Dahin gehören auch
die kolossalen Stirnhöhlen, die der kürzlich hier vorgeführte Riese Machnow
besitzt. Ich verdanke eine Röntgenaufnahme desselben dem Hrn. Kollegen
Zon deck. Sie sehen an derselben, dass die Stirnhöhle bis etwa 3 cm
dick ist und fast bis zum Scheitel hinaufreicht. Aber irgend welche
bemerkbaren rachitischen Veränderungen, die man gerade bei Riesen so
häufig findet, habe ich bei diesem Mann nicht entdecken können, und
auch der Schädel entbehrt durchaus irgend welcher charakteristischen
rachitischen Gestalt. Nun bin ich aber nicht der Ansicht, dass die
Rachitis die Form der Stirnhöhlen ganz unbeeinflusst lässt, sondern es
ist mir aufgefallen, dass bei früher rachitischen Individuen ganz besonders
häufig unsymmetrische Stirnhöhlen vorkommen und mitunter sogar die
Stirnhöhle auf einer Seite vollkommen fehlen kann. Das sind aber alles
so ausgesprochen pathologische Zustände, dass sie nicht annähernd an die
unzweifelhaften Rasseeigentümlichkeiten des Neandertaltypus und an das
gelegentlich individuelle Vorkommen besonders grosser Stirnhöhlen bei
rezenten Menschen heranreichen. Ich bin also der Ansicht, dass man aus
diesen Betrachtungen den Schluss ziehen kann, dass der Schädel des
Neandertaler Menschen nichts aufweist, das als Zeichen einer Rachitis
gedeutet werden dürfte, wie ich überhaupt glaube, dass die pathologischen
Veränderungen an demselben viel zu geringfügig sind, um irgendwie in
Betracht zu kommen gegenüber seinen Rasseeigentümlichkeiten, die durch
die Funde von Spy und besonders von Krapina jetzt so ausgezeichnet
charakterisiert sind.
An diesen Vortrag schloss sich die folgende Diskussion.
Hr. Neu mann: Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich auf eine im
Verhältnis zu diesem ausserordentlich interessanten und auch für die
Menschenpathologie wertvollen Vortrag unbedeutende Sache eingehe. Ich
wollte mir einige Bemerkungen über die rachitischen Veränderungen der
Zähne erlauben. Dieselben sind wenig bekannt und oft missverständlich
aufgefasst, sie können aber auch in anthropologischer Beziehung von Be-
deutung werden, da oft isolierte oder mir dem Schädel zusammenhängende
Zahnbefunde gemacht werden. Ich muss allerdings zugeben, dass die
— 382 —
rachitischen Veränderungen, wie der Herr Vortragende schon bemerkt hat,,
bei den Urvölkern und bei den vorzeitlichen Völkern kaum zur Beob-
achtung kommen. Ich habe mir in der Schädelsammlung, welche in den
Räumen der Anthropologischen Gesellschaft aufgestellt ist, im letzten
Sommer die einzelnen Schädel daraufhin angesehen und wenigstens an
den Zähnen keine deutlichen rachitischen Veränderungen gefunden. Nur
an einem einzigen Schädel fand ich solche; es stellte sich aber heraus,
dass dieser einem zeitgenössischen Berliner angehörte. Es ist ja allerdings
wenig Aussicht, dass, selbst wenn Zahnrachitis vorhanden ist, man diese
Veränderungen finden wird. Denn abgesehen davon, dass manche Völker
die Zähne künstlich abfeilen oder verunstalten, machen sich die rachi-
tischen Veränderungen der Zähne gerade an den distalen Enden bemerkbar
und können daher gerade zu allererst bei dem energischen Kauen, wie es
bei den Urvölkern gebräuchlich ist, verloren gehen. Ausserdem sind die
Zähne, obwohl vielfach von ihnen Funde gemacht werden, im grossen
ganzen zum Studium wenig geeignet, da sie trotz ihrer grossen Härte
leicht platzen und auch leicht ans dem Kiefer herausfallen. Die rachi-
tischen Zähne zeigen dieselben Charakteristica, auf welche der Herr Vor-
redner für den Schädel hingewiesen hat. Die Veränderungen an den
Zähnen sind auch immer symmetrisch; ich spreche im übrigen hier nur
von den permanenten Zähnen am Menschen, trotzdem in ganz geringem
Grade sich rachitische Veränderungen auch an den Milchzähnen finden. An
den permanenten Zähnen gehen die rachitischen Erkrankungen zu der Zeit
vor sich, wo der Kiefer selbst rachitisch erkrankt ist. Dann findet die
Verkalkung der Zahnkronen in dem Zalmsäckchen, das ja in dem Kiefer
eingeschlossen ist, ebenso unregelmässig statt, wie Sie das an deu Schädeln
gesehen haben. Der Zahn wird auch gewissermassen osteoporotisch; d. h.
der Kalk wird unregelmässig abgelagert, und es bleiben grosse Stellen,
die nicht verkalken und nachträglich durch Einsinken des organischen
Grundgewebes Vertiefungen zeigen. Da zur Zeit der floriden Rachitis die
Zähne nur erst in der Nähe der Kau flächen verkalken, so müssen die
rachitischen Vertiefungen — Erosionen — am distalen Ende sitzen. Da
aber die Zähne in einer gewissen Reihenfolge verkalken — zuerst die
ersten Molarzähne, dann die Schneidezähne u. s. f. — , so werden Sie die
rachitische Erosion nur an den Zähnen finden, deren Verkalkung in die
erstem Lebensjahre, die Zeit der floriden Rachitis, fällt. Abgesehen von
den ersten Molarzähnen, sind die Veränderungen besonders auffallend an
den Schneidezähnen, besonders den oberen inneren.
Da ganz besonders in den Grossstädten die Rachitis auch in den
schweren Formen unendlich verbreitet ist, so sind hier die Veränderungen
an den Zähnen ausserordentlich häufig; ich selbst habe sie z. B. an 18 pCt.
der Berliner Gemeindeschulkinder gefunden.
Zum Schluss möchte ich darauf aufmerksam machen — deshalb habe
ich überhaupt dieses Thema hier berührt — , dass die rachitischen Erosionen
oft Gelegenheit zu Verwechselungen geben. In ausgedehntestem Masse
werden mit ihnen die Hutchinsonschen Zähne, eine Veränderung, die
durch die Syphilis hervorgerufen wird, in medizinischen und sonstigen
— 383 —
Kreisen verwechselt. Diese Hutchinson schon Zähne, auf die ich hier
nicht näher eingehen will, sind eiuo angeborene Missbildung des Zahnes,
wie oben bei Syphilis Missbildung nicht selten sind, und treten in Kora-
bination mit gewisses anderen syphilitischen Erscheinungen auf.
Hr. v. Hansemann: Wegen der rachitischen Veränderungen an 'Ich
Zähnen will ich nur bemerken, dass die Veränderungen, die Hr. Neu-
mann gezeigt hat, unzweifelhaft rachitisch sind; aber ich meine, man darf
nicht sagen, <hiss diese Veränderungen spezifisch rachitisch sind. Es kommt
für die Frage, ob die Rachitis solche Veränderungen hervorbringt, erstens
mal darauf an, zu welcher Zeit die Rachitis einsetzt. Wenn die Rachitis
ziemlich spät einsetzt, sind ja die definitiven Zähne schon vorgebildet;
dann erleiden sie in ihrer weiteren Entwicklung keine Störung. Daher
kommt es, dass schwer rachitische Individuen, die erst spät an Rachitis
erkrankt sind, ganz tadellose Zähne besitzen können.
Es kommt hinzu, dass es unzweifelhaft andere Krankheiten gibt, die
dieselben Veränderungen bewirken können. Ich glaube, Hr. Xeumann,
der ja speziell Kinderarzt ist, wird mir bestätigen können, wenn er Kinder
verfolgt hat, die in frühen Zeiten schwere Fieberkrankheiten durchgemacht
haben, die schwer waren und sich über längere Zeit hin erstreckt haben,
und wenn diese Fieberkrankheiten zeitlich zusammenfielen mit der Zeit,
in der die Zähne sich im Wachstum befinden, so wird er auch solche
Quererosionen gefunden haben, wie sie in den Abbildungen zu sehen
waren, die er vorgeführt hat. Ich meine, dass in der Tat diese Dinge
von Rachitis herrühren, dass sie aber nicht spezifisch rachitisch sind, so
dass man nicht sagen kann, wenn man sie sieht: sie rühren von Rachitis
her. Wir brauchen eben, wie bei allen diesen Krankheiten, immer mehrere
Kennzeichen zusammen; dies gilt auch für die Schädelformen. Man kann
niemals aus einem einzigen Symptom auf Rachitis schliessen. Wohl aber
kann man aus der Kombination mehrerer Anzeichen schliessen, dass diese
oder jene Krankheit sie bewirkt hat. Ich glaube, so steht es auch mit
den Zähnen.
Hr. Neumann: Ich bedauere, nicht ganz der Meinung des Hrn.
v. Hansemann zu sein. Ich habe sehr zahlreiche Kinderleicheu unter-
sucht, und immer wenn ich rachitische Erosionen fand, habe ich auch
Rachitis feststellen können. Ebenso habe ich seit einer Reihe von Jahren
bei Kindern klinisch auf diese Erosionen geachtet und ausnahmslos in
solchen Fällen Überreste von überstandener Rachitis feststellen können.
Und zumal die rachitischen Erosionen mit ihrer nnregelmässigen Dentin-
bildung ihrer Natur nach den Verhältnissen, wie sie bei der Rachitis vor-
liegen, pathologisch-anatomisch entsprechen, muss mau dazu kommen, dass
diese Erosionen durch Rachitis hervorgerufen sind.
Man hat früher angenommen, dass ähnliche Erscheinungen auch durch
Krampfanfälle entstünden; es sollte jeder Krampfanfall gewissermassen
eine Etage in diesen Bildungen bewirken. Indessen dies klärt sich daliin
auf, dass die Kinder, die an diesen Krämpfen leiden, in der Regel
rachitisch sind.
384
3. Über aussterbende Völker.
(Die Eingeborenen der „westlichen Inseln"
in Deutsch-Neu-Guinea).1)
Von
Dr. Dempwolff, Stabsarzt bei den Kaiserlichen Schutztruppen.
(Hierzu Tafel V.)
Zwischen dem Äquator und dem zweiten Grad südlicher Breite,
zwischen 142° und 146° östlicher Länge, nördlich von Kaiser Wilhelms-
land und im äussersten Westen des Bismarck-Archipels liegen 70 bis 80
kleine Inseln, deren Eingeborene das Interesse aller wissenschaftlich be-
obachtenden Reisenden erregt haben, welche gelegentlich in diese von
den gewöhnlichen Verkehrswegen der Südsee weit abgelegenen Gebiete
gekommen sind, — von jeher, weil sie sich in Körperbeschaffenheit und
Lebensgewohnheiten auffallend von den umwohnenden Völkern unter-
scheiden, und in den letzten Jahren, weil ihre Anzahl in einer starken
Abnahme begriffen ist, die dem Aussterben nahe kommt.
Schon in den spärlichen spanischen Quellen, welche uns über die
ersten Entdeckungsreisen in diesen Gewässern zu Gebote stehen, finden
wir die Notiza), dass Ortiz de Retes am 19. August 1545 auf der Fahrt
von der Küste Neu-Guineas nach Tidore zu zwei niedrigen Inseln gelangte,
von denen viele Fahrzeuge abstiessen und sein Schiff bekämpften. „Es war"
— so heisst es — „ein weisses Volk, gut gebaut und mutig im Gefecht.
Und an jenem Tage nahmen sie die Sonne in IV40 südlicher Breite."3)
Dann hat es über 200 Jahre gedauert, bis wieder Europäer von jenen
Inseln Xachricht geben. Am 19. September 1767 kam der Engländer
Carteret an zwei Inseln auf 1° 14' — IG' und 1°34' südl. Br. und rund
1) Vortrag, gehalten in der Sitzung vom 28. November 1903.
2) Herrera: Historia general de los hechos de los Castellanos etc. 1(501— 1615.
Decad. VII, libr. V, cap. 9. — Vgl. auch hinter Dec. IV: Descripcion de las Indias
occidentales cap. XXVII.
3) Nach unseren jetzigen Kenntnissen kann es sich nur um Durour- und Maty-Insel
handeln. Die Breite von 1 1/4° entspricht derjenigen von 1° 14' — IG', welche Carteret
— siehe weiter unten — 1767 für die Durour-Insel angibt, und deutet an, dass Ortiz de
Retes nördlich an den Inseln vorbeigefahren ist. Die Annahme von Burney4) und
Hamy&) — welche von der hellfarbigen Bevölkerung jener beiden Inseln noch nichts
wussten — , dass zwei Inseln des L'Echiquier Archipels gemeint seien, ist schon deshalb
unwahrscheinlich, weil dort nirgends zwei Inseln allein gleichzeitig sichtbar sind.
4) Burney: A chronological history of the discoveries in the South Sea. London
Part. I p. 242. — 5) Hamy: Commentaires sur quelques cartes anciennes de la
Nouvclle Guin«'-e, im Bulletin de la societö de Geographie 1877 p. 475.
- 38"> —
143° östl. L. in der Nacht vorbei1) and sah auf* der zweiten zahlreiche
Fackeln, mit denen die Eingeborenen Fischfang betrieben; er nannte sie
Durour- und Maty-Insel.8) Am 8. August 17b8 entdeckte der Franzose
Bougainvillo3) in etwa 1° südl. Br. uml 14.V östl. L. eine lange flache
Insel, in mehrere Stücke geteilt und durch Riffe und Sand verbunden.
„Es gibt auf dieser [nselK — so schreibt er — „eine grosse Menge von
Kokospalmen und dn- .Meeresstrand ist mit einer so grossen Zahl von
Eütten bedeckt, dass mau daraus schliessen kann, dass sie ausserordentlich
bevölkert ist. Die Hütten sind hoch, fast rechtwinklig, und gut gedeckt.
Sie schienen uns grösser und schöner als sonst die Hütten der Wilden,
so dass wir die Häuser von Tahiti wiederzusehen glaubten. Man ent-
deckte eine grosse Anzahl von Fahrzeugen mit Fischfang beschäftigt rund
um die ganze Insel, aber niemand schien sich durch unsere Vorbeifahrt
stören zu lassen, und wir schlössen daraus, da>s die Bewohner nicht neu-
gierig, sondern mit ihrem Schicksal zufrieden seien. So nannten wir diese
Insel die Insel der Anachoreten."
Bougainville hat damals am gleichen Tage noch andere Inseln im
Westen gesichtet, aber nicht benannt. Am nächsten Tage fuhr er mit
südwestlichem Kurs „an einer Unendlichkeit von kleinen niedrigen Inseln"
vorbei, die er für unbewohnt hielt, weil er nachts kein Feuer sah, und
die er „L'Echiquier" — das Schachbrett — nannte.
Jene unbenannten Inseln haben dann 1781 von dem Spanier Maurella
den Xamen „los Eremitanos" erhalten, sind aber anscheinend nicht näher
beschrieben worden.4)
Der nächste europäische Seefahrer in diesen Gewässern war der
Franzose Dentrecasteaux. 5) Fr fuhr am 2. bis 4. August 1792, von
den Admiralitäts-Inseln kommend, an los Eremitanos (die seither fran-
zösisrh „llermits" genannt werden), am L'Echiquier- Archipel, an Durour-
und Ätaty-Insel vorüber, gibt aber nur von den erstgenannten eine
Schilderung, in der auch die Eingeborenen erwähnt werden. „Wir sahen"
— so heisst es — „mehrere Fahrzeuge vom Nordende der bedeutendsten
Insel abfahren; die Eingeborenen zogen sie über den weissen Sand und
kamen auf uns zu. Sie näherten sich uns, jedoch ohne dasselbe Zutrauen
zu zeigen, wie die Bewohner der Admiralitäts-Inseln. Sie warfen einige
Äpfel von Spondias cytherea und mehrere andere Früchte von ver-
schiedenen Eugeniaarten zu. Sie hatten wTenio- Wertschätzung für Eisen.
1) Hawkesworth: Account of the voyages undertaken by the order of His Present
Majesty etc. London 177'!. I. p. 606.
2) Maty-, nicht Matty-Insel nach F. Strauch in den Verhandlungen der Gesellschaft
für Erdkunde 1895, p. 558.
.">) Bougainville: Voyage autour du monde etc. en 1766—69. Vol. II p. 145 ff.
1) Die Reisebeschreibung habe ich im Original nicht ermitteln können. In dem
anonymen Buch: Decouvertea des Fram.-ois en 1768 et 1769 daus le sudest de la Nouvellc
Guinee etc., Pari- 1790 wird pag. 16'.» „Viage interessante de Manila a San Blas por la
Fragata Princesa en los aiios 1780 y 1781" nur als Manuskript zitiert.
.">) Voyage envoye a la recherche de la Perouse redigä par M. de Rössel. Paris
1808. Vol. I, p. 1 (8 und Labillardiere: Voyage in search of La Perouse. London
1800, p. 182.
- 386 —
Alle schienen stärker gebaut als die Bewohner der Admiralitäts-Inseln.
Es wurden keine Waffen bemerkt, auch nicht auf dem Boden ihrer
Kanus."
Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an sind in zunehmender Menge
Walfischfahrer, Trepangfischer und Händler auf kürzere Besuche oder zu
längerer Niederlassung nach diesen westlichen Inseln gekommen, ohne
ausser dem Sammeln einiger Kuriositäten etwas wissenschaftlich verwert-
bares beigebracht zu haben. Mit solchen Gelegenheiten ist auch der be-
kannte Südseeforscher Miklucho-Maclay dorthin gekommen, dem wir
die erste Aufklärung über die drei nördlichen Gruppen verdanken, die
wir seither mit den richtigen Eingeborenennamen als Kanied (Anachoreten),
Agomes (Hermits) und Ninigo (L'Echiquier) bezeichnen können.1) Auch
die Offiziere der verschiedenen Kriegsschiffe, welche in diese Gewässer
gekommen sind, haben manche wertvolle Einzelheit zur Erforschung der
Inseln beigetragen.2) Aber im Ganzen blieb dieser Teil der Erde so un-
bekannt, dass noch im Jahre 188G der Engländer Allisson eine neue
Insel entdecken konnte, die nach ihm benannt ist3), und dass die Maty-
uud Durour-Inseln bis zum Jahre 1893 unbesucht geblieben waren. Als
damals Kärnbach und Dali mann auf dem Schiff der Neu Guinea-
Kompagnie „Isabel" als die ersten Europäer an Land gingen, fanden sie
hellfarbige Leute von höchst eigenartiger Kultur vor.4) Und die damals
überraschte wissenschaftliche Welt hat seither soviel als nur möglich war
über die Ethnographie und die Rassenverwandtschaft gearbeitet, ohne das
Rätsel, das dieses Völkchen darstellt, völlig lösen zu können.
In dem letzten Jahrzehnt wurde auch die Nachricht, welche Händler
und Seeleute schon lange übermittelt hatten, dass nämlich die Leute von
Kanied und Agomes im Aussterben begriffen sind, als Tatsache fest-
gestellt.5) Über die Ursachen dieser Erscheinungen wurde allerdings nur
die Annahme jener ungebildeten Beobachter nachgesprochen, dass es
Syphilis und Inzucht sei.
Seit etwa 5 Jahren sind die Besuche von Europäern auf den west-
lichen Inseln häufiger geworden und es ist die Reihe der Publikationen
bedeutend vermehrt. Das umfangreichste Werk, das erst in diesem Jahre
erschienen ist, verdanken wir Professor Tili len ins6), welcher seine sorg-
fältigen Beobachtungen an Ort und Stelle mit einer erschöpfenden Ver-
wertung der früheren Literatur verbunden hat, so dass ich in der an-
genehmen Lage bin, mich auf den Inhalt dieses einen Werkes beziehen
zu können, anstatt viele Quellen anführen zu müssen.
Alles, was über die westlichen Inseln bekannt geworden ist, gibt noch
kein grosses, übersichtliches Gemälde von Land und Leuten, sondern
besteht aus Bruchstücken, mit denen mau mühsam einzelne Teile eines
Bildes zusammenzusetzen versucht. Auch was ich Ihnen im folgenden an
1) Zeitschr. f. Ethnol. X S. 99. — 2) u. a. von Schleinitz in der Zeitschr. der Ge-
sellschaft für Erdkunde XII S. 239. Strauch in der Zeitschr. f. Ethnol. IX S. 34. —
3) Sailin<,r, Directions Pacific. I p. 411. — 4) Nachrichten für Kaiser Wilhehnsland 1894.
•"») Kol.-Blatt 1900 p. L00. — G) Thilenius, Ethnographische Krgcbnisse aus Melanesien.
Tl. Teil. Die westlichen Inseln des Bismarck-Archipels. Halle 1903.
— 387 —
eigenen Beobachtungen and Erfahrungen bieten kann, Bind gleichfalle nur
bunte und verblasstc .Mosaikstiickchen, die hier und da an andere an-
gepasst werden können, um die verschwommenen Linien des Ganzen
deutlicher zu machen.
Ein reichlicheres Material ist wenigstens für die Ethnographie von
den Arbeiten des Hrn. Eellwig zu erwarten, der im Auftrage der Firma
Hernsheiin als ethnologischer Sammler monatelang auf jenen Inseln zu-
gebracht hat.
Der Anlass und die Gelegenheit zu meiner fast 2 monatelangen Reise
vom 13. November 1902 bis G. Januar 1903 bot die Niederlassung einer
grossen selbständigen Pinna - Rud. Wahlen — mit 7 Europäern und
"ven KM) eingeführten Farbigen in diesem Gebiet, so dass es nicht um-
wissenschaftlich, sondern auch wirtschaftlich wünschenswert erschien, Klar-
heit über die Ursache des Aussterbens der Eingeborenen, namentlich über
die angeblich dort herrschenden Seuchen zu erhalten.
An dieser Stelle möchte ich der freundlichen Aufnahme und der
bereitwilligen Auskunft, die mir von der genannten Firma und den an-
sässigen Händlern zu teil wurde, mit dem Ausdruck öffentlichen Dankes
zu gedenken.
Zu den westlichen Inseln wird häufig auch die Admiralitätsgruppe
gerechnet, aber für ihre dunkelfarbigen, krausköpfigen Bewohner ist bisher
noch nichts von einer Abnahme berichtet worden, so dass sie für das vor-
liegende Thema nicht in Frage kommen. Ich bin nur flüchtig mit ihnen
in Berührung getreten und bringe von diesem Besuche nur einen hier
ausliegenden Schädel von rein nielanesischem Typus mit.
Auch auf den Anachoreten - - Kanied der Eingeborenen - war ich
nur knappe zwei Tage. Die Ethnographie dieser Gruppe ist am be-
kanntesten unter allen westlichen Inseln, seit Kubary1), F. Strauch2),
Thilenius8) u. a. ihre Einzelheiten beschrieben haben. Für die Anthro-
pologie liegen eine grosse Anzahl Schädel in den europäischen Samm-
lungen, deren letzte Sendung Hr. Prof. Lissauer vor 2 Jahren hier genau
beschrieben und beurteilt hat4), so dass die 6 Exemplare, die ich mit-
gebracht habe, nichts neues bieten werden. Erwähnenswert mag sein,
dass ich diese Schädel für einige Stangen Tabak von den nächsten Ver-
wandten der Verstorbenen erhalten habe.
Nach Schädelbau, äusserem Habitus und Sprache sind die Kanied-
leute ein Mischvolk, dessen Hauptkomponenten einer dunkelfarbigen,
krausköpfigen und einer helleren, schlichthaarigen Kasse angehören, auf
deren weitere Analyse ich hier verzichten muss.
Die Angaben über die Zahl der Eingeborenen der Inselgruppe, welche
der Entdecker Bougainville 1768 als „ausserordentlich bevölkert" be-
1) Schmeltz-Krausc: Die ethnographisch-anthropologische Abteilung des Museum
Godefroy, S. 446. — Dieselben: Südseetypen, S. 18. Nach diesen Quellen war Kubary
nicht selbst auf Kanied, sondern benutzte die Auskunft von sechs Eingeborenen von Jon.
die er auf ilen Karolinen angetroffen. — 2 Zeitschr. f. Kthnol. IX, S. 34. — 3] a. a. 0.,
S. 197 ff. — li Zeitschr. f. Ethnol. XXXIII. S. 367.
— 388 —
zeichnet hatte, widersprechen sich in den letzten Jahren. Kubary1) —
um 1870 — und v. Schleinitz 18772) geben keine Zahlen an, das eng-
lische Kriegsschiff Alacrity schätzte 1874 ungefähr 903), Thilenius, der
Ende der neunziger Jahre dort war, spricht von höchstens 30 Individuen4),
Bezirkssekretär AVarnecke zählte 1902 dagegen 110 Leute.5) Mein Ge-
währsmann für die folgenden Angaben ist der Händler der Firma Herns-
heim, der über 60jährige Monsieur Lemelle, der vor etwa '2-i Jahren
als Segelmacher des Chandenagor, eines Schiffes der berüchtigten Marquis
de Rays sehen Expedition in die Südsee verschlagen ist und mit kurzen
Unterbrechungen seit über 20 Jahre auf den Anachoreten gelebt hat,
selbst wirklich ein Einsiedler unter den Wilden, denen er ein relativ
gutes Englisch beigebracht hat, ohne mehr wie etwa 100 Ausdrücke ihrer
Sprache zu erlernen. Dieser alte Herr war karg in seinen Äusserungen,
aber seine Auskünfte trugen den Stempel der Aufrichtigkeit an sich. Er
hat mir ein namentliches Verzeichnis von 73 jetzt lebenden und 77
während seines Aufenthalts Verstorbenen gegeben, mit dem Hinzufügen,
dass etwa 15 Namen von Lebenden und über 50 von Verstorbenen seinem
Gedächtnis entschwunden wären. Er macht ganz sichere Angaben, dass
zu seiner Zeit kein Schwanken, sondern nur eine Abnahme der Be-
völkerung stattgefunden habe. Die Ursache sei, dass sämtliche Frauen
ihre Leibesfrucht abtrieben oder die Neugeborenen umkommen Hessen.
Er zeigte bei einigen älteren Frauen tiefe Narben von Brandwunden am
Lnterleib, in der Gegend der Ovarien, welche neben Massage als Ab-
treibungsmittel angewandt wurden. Er behauptet, in all den Jahren seiner
Anwesenheit sich nur an sieben Geburten ausgetragener Kinder erinnern
zu können, deren letzte und zwar von Zwillingen vor drei Tagen erfolgt
sei. Die Säuglinge stürben vor Hunger, da die Mütter ihnen statt der
Brust einen Zuller aus Kokosnusskeimen geben.
Von diesen Zwillingen habe ich das eine, einen kräftigen Knaben
mit sehr heller Haut, reichlichem schwarzen Haar und dunklen Augen
ohne jede Hautausschläge usw. im Arm der Mutter gesehen, das andere
war schon gestorben, angeblich von selbst, und in der Hütte beerdigt.
Nach diesem Neugeborenen war der nächst Jüngste ein 25 jähriger Mann.
Als Ursache für diesen systematischen Kindesmord geben die Ein-
geborenen selbst nach Lemelle an, dass sie nicht genug Nahrung für
etwaige Nachkommen hätten. Diese Ausrede scheint aber unhaltbar, wenn
man bedenkt, dass die Inseln früher viel mehr Bewohner ernährt haben,
und den Reichtum an Kokospalmen und fischreichen Riffen sieht, auch
überall reichlich Erdfrüchte, verschiedene Bananenarten usw. findet.
Die Legende von der syphilitischen Durchseuchung dieses Volkes —
ein alter Mann sagte spontan zu mir „nie all got bim yphilis" — ist auf
den alten Lemelle zurückzuführen. Er erzählte, in einem alten eng-
1) s. Anm. 1 d. vorigen Seite. — 2) Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdk. XII, S. 239. —
3) Sailing Directions Pacific. Vol. I. 1900. p. 111. — I) a. a. 0., S. 197. — 5) Kolonialblatt
L902, S. 221. — Vgl. auch im Nachtrag die Angabe S. M. S. „Carola", das 1882 die Zahl
der Anachoret-Insulaner auf 90 geschätzt hat.
— 389 —
lischen Buche habe er die Beschreibung dieser Seuche genau gelesen und
wende nach dessen Ratschlag auch nicht (Quecksilber, sondern nur .Tod-
kali an. Nun habe er von einem Kriegsschiffsarzt eine Portion Jodkali
erhalten, und davon sei noch etwas da, denn er müsse sehr sparsam sein
und Löse immer nur ein Kristall in einer Flasche von Wasser auf und
das habe den Leuten noch immer geholfen.
Wenn demnach Syphilis nicht nachweisbar ist, so kommt doch eine
andere Geschlechtskrankheit sporadisch vor, die auch sonst im Schutz-
Pier, l.
*** '«
Märmcrgriippc auf Kanied (Anachoreten-Inseln).
gebiet uns Ärzten viel Kopfzerbrechen macht und die wir nach Scheube1)
„venerisches Granulom" nennen. Einen Fall davon sah ich auf Kanied.
von einem /.weiten, der zum Tode geführt hatte, wurde mir glaubwürdig
berichtet.
Einige (5) Fälle von Elephantiasis kamen mir auch zu Gesicht, und
einer davon, bei «lern Penis und Scrotumnarhen durch Gesehwürsnarhen
verändert waren, konnte wohl Syphilis vortäuschen. Sonst aber war keine
1) Scheube: Die Krankheiten der ■wannen Länder. Jona 1903, S. 719ff. —
2) a. a. 0., S 277 278.
— 390 —
Art von Infektionskrankheiten vorhanden, nicht einmal Krätze oder Rins--
wurm. Auch Malaria war im Blute von 12 Untersuchten, die sämtlich
keine Milzschwellung hatten, nicht zu finden, obwohl neben zahlreichen
Culices auch einige Anopheles nachts gefangen wurden.
Auf den Anachoreten Hess sich also die Tatsache unaufhaltbaren Aus-
sterbens bestätigen, und der Vorgang als Selbstvernichtung eines Volkes
definieren, dessen Ursachen ein völkerpsychologisches Rätsel bleiben.
Eine Besserung ist um so weniger zu erwarten, als die Zahl der noch
zeugungsfähigen Männer höchstens 20, der geburtstüchtigen Frauen noch
10 beträgt.
Vor '20 Jahren abgetriebene Kaniedleute sitzen auf Malus — so und
nicht Manus hörte ich den Namen aussprechen — der Allisson-Insel der
Karten, wo sie sich mit benachbarten Ninigoleuten vermischt haben. Ich
war nur 2 Stunden dort und hatte von den Leuten denselben Eindruck
eines Mischvolkes, wie von den Bewohnern ihrer Heimatinsel. Leider
sind mir damals meine photographischen Aufnahmen durch eine Sturz-
welle im Boot bis auf diesen einen Rest sämtlich verdorben, sonst könnte
ich Ihnen das Bild eines alten Mannes zeigen, dessen Penis von einer
kleinen Kapsel umhüllt war.
Die ethnologische Bedeutung dieser Beobachtung habe ich erst aus
Thilenius2) ersehen und finde in meinen Aufzeichnungen keine Angabe,
ob diese Kapsel aus einer Fruchtschale vegetabilischen Ursprungs oder
aus einer Muschel bestand.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich zu den vielen bei Thilenius er-
wähnten Irrfahrten über See noch eine erwähnen, von der mir draussen
wiederholt — u. a. von Hrn. Wahlen — erzählt wurde, und die ich in
der Literatur nicht finde. Auf Nugeria (Abgarris-Inseln), östlich von
Neu-Mecklenburg, haben vor 3 Jahren 4 Leute aus Kanied gelebt (ob
jetzt noch, weiss ich nicht), die dorthin vertrieben waren, und deren Namen
von ihren Verwandten in der Heimat rekognosziert sind.
Die von Thilenius geschilderte unfreiwillige Reise eines Kanus von
Kauiedleuten nach Utan, den zwei Inseln unter dem Äquator auf den
Karten, ist auch mir genau so erzählt worden, noch mit den Zusätzen,
eine Insel sei höher als die andere, die Bewohner seien Krausköpfe wie
die Mannsleute (Admiralitäts-Inseln), sie hätten Kanus ohne Segel, keine
Hunde, aber viel Schweine und Taro. Wir haben auf dem Motorschuner
Gazelle diese Insel, die genau auf 146° liegen soll, gesucht und sind auf
2 Minuten nördlicher Breite von 145° 45 Minuten bis 14G° 15 Minuten
ostwärts gefahren, ohne irgendwo Land zu sehen, die Position ist also
anrichtig angegeben, denn dass die Kaniedleute so positive Angaben er-
finden, ist sehr unwahrscheinlich.
Auf A.gomes, der Hermitsgruppe, war ich bei drei Besuchen im ganzen
10 Tage, von denen ich acht unter den Eingeborenen zubrachte, auch zwei
Nächte im Dorfe Luf schlief. In dieser Zeit habe ich zu den ausführ-
lichen Schilderungen von Thilenius1). welcher ."> Jahre früher da war.
1) a. a. ()., S. 161 ff.
— 391
einige Ergänzungen sammeln können. Zur Zeit meiner Anwesenheit
bestand das Dorf Luf aus zehn gut erhaltenen Wohnhäusern, einem hallen-
artigen neuen Müniwrhaus und einem zerfallenden Bootsschuppen; von
Fiff. 2.
Dorfstrasse auf Luf (Hermit-Inseln).
Fiff. 3.
Haus auf Luf (Hermit-Inseln).
einem abgebrochenen Hause standen aoch die Pfosten. Auf Maron — so
und nicht Arkib lwisst die zweitwestlichste der zentralen Inseln bei den
Eingeborenen — standen sechs Wohnhäuser und ein Männerhaus; alle in
— 392 —
kleinerem Masstabe als auf Luf angelegt. Im Innern der von mir be-
sichtigten Wohnhäuser war auf der inneren grossen Plattform eine recht-
winklige Feuerstelle abgeteilt, nach der hinteren Giebelseite offen, nach
den drei anderen Seiten durch Wände bis zum Dach hinauf abgegrenzt,
so dass ein Abhalten des Rauches von dem Wohn- bezw. Schlafraum er-
zielt wird. Vom Dach hängt eine Art Hängeboden ins Innere, der zur
Aufbewahrung von Geräten dient. In Nebengebäuden waren Schweine
untergebracht, auf Veranlassung des weissen Händlers waren Schuppen
zum Trocknen der Kokosnusskerne, der sogenannten Kopra, erbaut. Die
Leute lieferten auch geflochtene Kokosblätter zum Dachdecken für die
Arbeiterhäuser der neu angelegten Station; einzelne Hessen sich auf
Monate zur Arbeit dingen, und als es galt, einen neuen Händler in einem
australischen Schmier nach Kanied hmüb erzubringen, waren sofort ein
halbes Dutzend Männer bereit, als Matrosen mitzugehen. Und diese
„Wilden" brachten den Schmier ohne weissen Kapitän nach einigen Tagen
prompt wieder zurück. Entsprechend dieser willigen Arbeitsleistung war
auch der von ihnen begehrte Lohn an Äxten, Kisten, Zeugstoffen, Töpfen,
Tellern, Tischmessern, Gabeln, Löffeln usw. reichlich und der Wohlstand
der Leute bei meiner Anwesenheit grösser, als ich ihn je in einem Ein-
geborenendorf Neu-Guineas gesehen. Geradezu wie eine Schlemmerei
kam es mir vor, dass eines schönen Abends der alte Nieman seinen
Freund Saun zum Schweineschlachten eingeladen hatte, denn beide
schlürften ihre Metzelsuppe mit Blechlöffeln aus emaillierten Tellern.
An Geräten und Waffen fanden wir einiges meines Wissens bisher
nicht erwähnte: Bogen und Pfeile, die freilich an anderem Ort hergestellt
sein können, und grosse und kleine Trommeln, die denen von Kaiser
Wilhelmsland im allgemeinen gleichen. Die einzige grosse Holzschlitz-
trommel stand in einem Winkel des Männerhauses von Luf. Ich ver-
anlasste einen Mann, ein Sterbesignal mit dem zugehörigen Stock zu
trommeln, worauf das ganze Dorf zusammenlief. Der Rythmus dieses
Signals war den beiden Leuten aus Kaiser Wilhelmsland, die ich als
Diener mit mir hatte, unbekannt, während mir aus ihrer Heimat Beispiele
erinnerlich sind, dass sie dort auch im fremdsprachlichen Gebiet Signale
verstehen.
Endlich fand ich — was neu für die Hermits sein dürfte — Täto-
wierungen. Bei einigen alten Frauen waren auf der Streckseite der
Unterarme, teilweise auch der Oberarme kleine, blasse, oft verwaschene
Schnittnarben, ohne Farbstoff, nicht erhaben, zu sehen, die ein Muster
bilden, das ich abgezeichnet habe und hier in Kopie vorzeige. Es waren
(J, !). 10 und 5 -\- 6 Doppelarme bei verschiedenen Individuen zu zählen.
Das Muster entspricht der „Doppelspirale" auf Kalkspateln und Weiber-
schurzen, über das Thilenius sich ausführlich äussert1), ich sah es noch
auf einer alten Tasche eingekochten und rudimentär in die Kinde einer
Kokospalme eingehackt. Die Tätowierung oder das Muster wurde mejon
genannt.
1) a. a. 0., S. HUiff.
— 393 —
Schädel habe ich auf Agomes nicht erhalten, nur Baarprobe und
einen Zahn. Dieser mag beweisen, dass es sich nicht, wie Miklucho
Maklay meinte1), um eine Eyperplasie des Zahnbeins bandelt, sondern
dass Thi 1 en ins-) Recht hat, der die Vergrössernng, welche zuweilen den
Lippenschluss anmöglich macht, auf* Zahnsteinansatz beruht. Diese Folge
des Kalk-Betelkauens wird als Prahlerei zur Schau getragen, weil nur
Wohlhabende sich diese schwarze Kruste im Laufe der Jahre erwerben
können, und ich bin auf die Vermutung gekommen, dass das Schwarz-
färben der Zähne, wie es in Kaiser -Wilhelmsland üblich ist. die Wohl-
habenheit und den reichlichen Betelgenuss vortäuschen soll; es sind Wert-
schätzungen dieser Naturkinder, wie hei uns Brillanten und Simili.
Piff. I.
Eingeborene von Maron (Hermit-Inseln).
Der Habitus der* Eingeborenen, den einige Bilder illustrieren mögen,
und das, was von ihrer Sprache bekannt ist, weisen ebenso, wie die Ethno-
graphie auf eine ähnliche Volksmischung, wie auf Kanied hin.
Die Zahl der Eingeborenen wird in übereinstimmender Weise nach
älteren Berichterstattern, von Kommandanten der Kriegsschiffe8), aus Akten
der Firma Hernsheim4) und von den alten Händlern Lesmelles und
Devlin bis etwa zum Jahre 1880 auf einige Hundert angegeben. Dazu
1) Zeits.hr. f. Ethnol. X, S. 99ff. — 2) a. a, 0., S. 165. — 3) H. M. S. Alacrity L874
in Sailmg Directions a. a. 0. Ann. der Hydrographie 1876, 8. "_'17. — 4) Nach münd-
licher Miteilung dea Chefs der Firma, Hrn. Thiel. Vgl. auch den Nachtrag.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft S u. 4. •>,;
— 394 —
stimmt auch die Grösse der Kokospalmenbestände und die Spuren von
Plantagen im Jungbusch.
Seither ist eine progressive Abnahme berichtet worden, doch werden
Zahlen erst seit 1802 angegeben. In diesem Jahre schätzte S. M. Kreuzer
„Bussard" die Bevölkerung auf kaum mehr als 50 Köpfe1), Thilenius2)
spricht nach seinem Besuche im Jahre 1897 von 40 Leuten, Dr. Schnee
nennt 1900 die Zahl 683) und 1901 hat Herr Wahlen nach mündlicher
Mitteilung 63 Köpfe gezählt. Da mittlerweile etwa ein Dutzend nament-
lich bekannter Männer teils in Agomes selbst, teils in Matupi oder auf
der Reise verstorben war, so musste bei meiner Ankunft die Bevölkerung
auf etwa 50 Seelen geschätzt werden. Es gelang mir, die meisten Leute
auf drei photographischen Platten festzuhalten, auf denen 15 -f- 22 -\- 28
= 65 verschiedene Gesichter sich unterscheiden lassen. Ausserdem wurden
mir 9 andere genannt und wohl sämtlich gezeigt, die bei der photo-
graphischen Aufnahme nicht zugegen waren. Andererseits stammen nach
Aussage der Eingeborenen von diesen 74 Leuten zwei Mädchen aus Ninigo,
zwei Frauen und drei Männer aus Kanied; erstere sind etwa zwei Jahre,
letztere aber seit langer Zeit auf Agomes. Die meisten Leute sind Er-
wachsene, ja Alte; unter 20 Jahren sind nur 12, unter 10 Jahren nur 5
zu schätzen; das jüngste Kind war wohl 4 Jahre alt, Säuglinge und
Schwangere fehlten gänzlich.
Für diese rapide Abnahme der Bevölkerung innerhalb etwa zwei Jahr-
zehnten ist Nahrungsmangel zur Erklärung nicht heranzuziehen; wie er-
wähnt, fand ich sogar Wohlstand vor. Inzucht, die man häufig für das
Aussterben anschuldigte, kann auch ausgeschlossen werden, da bekannt ist,
dass die Agomesleute eine Art Wikingerherrschaft über Ninigo und Kanied
ausübten, von denen sie sich gewiss genug Frauen zur Blutauffrischung
holten.
Ein ursächliches Moment suchte ich anfangs in der laxen Geschlechts-
moral, von der Thilenius das Abtreten einer Frau seitens des Ehe-
mannes an andere Männer erwähnt und von der ich krasse Fälle sowohl
gegenüber den Landsleuten, wie fremden Besuchern erlebte. Aber es ist
kein Anhaltspunkt dafür da, dass solche Sittenverderbnis erst in den letzten
Zeiten eingerissen sei, und Vergleiche mit Mikronesien, sowie später zu
erwähnende Beobachtungen auf der Maty-Insel zeigen, dass freie Liebe
auch vor Ankunft der Europäer landesüblich sein kann.
Entvölkernde Arbeiteranwerbung hat jedenfalls in den beiden letzten
Jahrzehnten nicht stattgefunden; in dieser Zeit ist jeder Mann namhaft zu
machen, der als Matrose auf dem Schiff eines Weissen, nie auf den
Pflanzungen Dienste vorübergehend getan hat.
Am nächsten lag es für mich, nach Seuchen zu forschen. Krank
sahen und sehen auf den Bildern die Leute nicht aus, im Gegenteil kräftig,
wohl proportioniert, gut ernährt. Fünf Fälle von Elephantliiasis, sämtlich
an den unteren Extremitäten alter Leute, ein Mann mit weisslichen Narben
\) Kol.-Blatt 1893, S. 88. — 2) a. a. O., S. 162. - 3; Mitteilungen des orientalischen
Seminars l'JOl, III. Abteil., S. -'77.
— 395 —
von oberflächlichen Geschwüren, ein Jüngling mit Leistenbubo ohne Genital-
geschwür, vier Fälle von Ringwurm, frisch von den farbigen Arbeitern
der Handelsstation angesteckt — «las war alles, was mir zu Gesicht kam.
Immer aufs neue habe ich nach Geschlechtskrankheiten gefahndet, alle
Leute genau besehen, die meisten nach Drüsenanschwellungen, Knochen-
deformitäten abgetastet. Nur ein etwa 20jähriges .Mädchen, Taitu, wies
einen Nasendefekt mit strahlig eingezogener bis in die Stirn reichender
Narbe auf, der wohl syphlilitischen Ursprungs sein konnte. Aber dieses
Mädchen war erst seit zwei Jahren aus Xinigo, dem L'Echiquier-Archipel,
zugezogen. Gegen endemische Verbreitung von Geschlechtsleiden sprach
auch der Umstand, dass die oft kontrollierten Stationsarbeiter und unsere
Schiffsbesatzung, welchen die Freuden der Liebe von den Agomesfrauen
in liberalster Weise gewährt wurden, ohne luetische oder gonorrhoische
Ansteckung blieben.
Mein Hauptaugenmerk richtete ich auf das Vorkommen von Malaria.
Von 47 Leuten, darunter von allen Kindern, entnahm ich Blutpräparate.
Nur in einem einzigen fand ich zwei Malariaparasiten, bei einem jungen
Mann, der vor einem halben Jahre als Zeuge in einem Prozess in Herberts-
höhe gewesen war, wo er sich angesteckt haben konnte. Ebenso waren
nur zwei Milzen unerheblich vergrössert. Dabei wurden die malaria-
übertragenden Stechmücken, die Anopheles, reichlich gefunden, so dass
<liese Krankheit, einmal eingeschleppt, verheerend auf den Rest der offen-
bar nicht immunen Eingeborenen wirken könnte.
Nach alledem kann ich den Angaben des Händlers Devlin, jetzt in
Ninigo, seit 30 Jahren in der Südsee, davon 6 auf Agomes, den Glauben
nicht versagen, dass als hauptsächliche ja als einzige Ursachen des Aus-
sterbens auch auf Agomes Kindesmord und Abtreibung vorkommen. Und
zwar scheint es freiwilliger, bewusster Entschluss dieses Volksrestes zu
sein, auszusterben.1) Hierauf machte mich Devlin aufmerksam, und auch
zu mir äusserte ein Eingeborener, Dachada, der als Matrose bis Sidney
gefahren war, und leidlich englisch sprach, spontan: „we like dy outu,
Hess sich aber auf keine nähere Erklärung ein.
laue solche scheint aber möglich zu sein, wenn mau folgende histo-
rische Tatsachen betrachtet.
Die Agomesleute, 500 bis 600 Köpfe stark, lebensfreudig, kriegerisch,
raublustig, hatten L878 die deutsche Bark Else überfallen, die Besatzung
ermordet, das Schiff geplündert und verbrannt — eine Untat, die viele
Jahre später dadurch herauskam, dass man das Gebetbuch des Schiffs-
jungen auffand, worauf die Leute geständig waren.8) 1880 hatten sie einen
Händler ermordet und 1882 hat dafür zur Sühne S. M. 8. Carola. Komman-
dant Korvettenkapitän Karcher, eine Strafexpedition unternommen3),
bei der nur ein .Mann und eine Frau erschossen sind. aber, während die
Eingeborenen sich im Busch versteckten, ihre Dörfer und ihre Habe ver-
1) Vgl. auch den Nachtrag, Anm. 2. — 2) Der Vorfall wird in der Austral.
Method. Mission. Rev. vom T.Juli 1902, S. 9 ausführlich erzählt. — 3) Annal. d. Hydrogr,
1883, S . T» 1 1 ; . 576, Vgl. auch den Nachtrag.
26"
- 396 -
nichtet wurde. In der darauffolgenden Regenzeit sollen — nach De vi in
— aus Mangel an Unterkunft und Nahrung so viele umgekommen sein,
dass die Überlebenden nicht alle Toten hätten bestatten können. Nach
einigen Jahren, 1889, haben die einigermassen sich wieder erholten Ein-
geborenen einen Raubzug nach Ninigo machen wollen. Dabei sind 3 von
4 Kriegskanus verschollen, eines aber in St. Davids angetrieben. Yon
dort hat Devlin den Rest, 9 von etwa 60 Männern nach Agomes zurück-
gebracht.1)
Damals erst hat — nach meinem Gewährsmann — der Lebens-
überdruss der Leute begonnen, nur noch zwei Familienhäupter haben auf
Fortpflanzung bestanden (Belamai, jetzt tot, und Tabachai, jetzt sehr
alt); nach dem um 1895 erfolgten Tode des letzten angesehenen Häupt-
lings Labenan habe sich der Stamm aufgegeben. Zum Beweise mag
noch die auch von Thilenius angeführte Tatsache dienen, dass auf
Agomes kein Häuptling mehr herrscht, Morai, der „Thronerbe" hat nichts
zu sagen. Auch passt zu dieser Darstellung, dass meinem Reisegefährten
Hellwig die Angabe von Eingeborenen gemacht wurde, dass das grosse
Kanu, welches sie vor 1900 erbaut haben, und das jetzt in Matupi zum
Verkauf steht, nicht als Kriegskanu gebaut ist, wie die Aufkäufer
meinten, sondern zu Ehren jenes verstorbenen Häuptlings. Von Agomes
nämlich wie von Kanied wird erzählt, dass angesehene Tote nicht be-
erdigt, sondern in einem Kanu auf die hohe See gefahren und versenkt
werden.
„Selbstvernichtung eines Volkes infolge bewussten Erlöschens des
Lebensmutes" — das ist der merkwürdige Schluss, zu dem ich über das
Aussterben von Agomes und Kanied gekommen bin, und den ich immer
noch mit gewissem Zweifel begleite und mit dem Vorbehalt äussere, dass
der innere psychologische Zusammenhang erst erforscht werden müsste,
ehe diese Erklärung ganz einwandfrei ist.
An Abhilfe ist hier ebensowenig zu denken, wie auf Kanied. Tief
eingewurzelte, fast religiös gewordene Vorurteile lassen sich nicht durch
Belehrungen und nicht durch exemplarische Strafen austreiben.
Auf der L'Echiquiergruppe, deren grösstes Atoll den Eingeborenen-
namen Ninigo führt, nach welchem meist und jedenfalls von Europäern
der ganze kleine Archipel benannt wird, war ich nur zweimal je 24 bis
30 Stunden, und zwar nur auf der Handelsstation Longan. Für die Ethno-
graphie kann ich zu dem bereits Bekannten und insbesondere zu dem von
Thilenius Erforschten wenig hinzufügen.
Für eine reichliche melanesische Componente in der Volksmischung,
also nicht für reine Mikronesier, die Mikluclio Maklay aus dem Dutzend
Weiber, die er gesehen, diagnostiziert hatte2), spricht das Ergebnis meiner
linguistischen Aufzeichnungen: ein Teil des Wortschatzes war zur Freude
meines kleinen Dieners aus Friedrich Wilhelmshafen seiner Muttersprache
gleich oder sehr ähnlich: na = ich, aita = wer, was, anak =mein Mund usw.,
1) Die Tatsache ist mir von Hrn. Thiel aus den Akten der Firma Hernsheim
bestätigt. — 2) Zeitschr. f. Ethnol. X, S. in:;.
397 —
während ein anderer Teil sich mit Wortwurzeln, die nur aus der Agomes-
sprache bekannt sind, deckte: sineu = Hund, xv% = Ort, gohn = Donner usw.
Zu dieser Auffassung- passt auch der Umstand, dass auf Ninigo .Mntter-
recht herrscht, wie sonst im Schutzgebiet, soweit diese Frage schon be-
antwortet ist, während Agomes, und wie wir sehen werden, Maty-Insel,
o
sichere Symptome des Vaterrechts aufweisen. Endlich lassen diese Gruppen
von Eingeborenen, wenn die Bilder auch etwas klein sind, einen Misch-
typus erkennen, der dunklere und mehr kraushaarige Nuancen aufweist,
als Kanied und Agomes.
Schädel habe ich auch hier nicht erhalten.
Die Zahl der Ninigoleute wird sowohl früher — 18721) — als auch
1) Sail. Direct., S. 413.
— 398 —
jetzt1) auf einige Hundert angegeben. Bei der zerstreuten Lage der
Inseln über rund 600 Qtiadratseemeilen ist eine Volkszählung schwierig;
mir war sie aus Zeitmangel unmöglich, doch traf es sich günstig, dass an;
einem Tage viele, besonders erwachsene männliche Eingeborene von allen
Inseln zwecks Landverkauf auf der Handelsstation zusammenkamen. Ich
zählte über 150 und schätze daraus etwa 500 Köpfe. Es ist höchst un-
wahrscheinlich, dass früher etwa Tauseude hier gelebt haben, weil es
nirgends grosse unbenutzte Kokospalmenbestände gibt, wie sie auf Kanied
und Agomes und sonst im Schutzgebiet auf den French-Inseln und bei
Nusa das sichere Zeichen einer grösseren Bevölkerungsdichte vor einigen
Jahren oder Jahrzehnten sind.
Alle Altersklassen waren auf Ninigo gleichmässig vertreten, ins-
besondere sah man auch genug Säuglinge und schwangere Frauen. Ab-
treibung uud Kindesmord kommen (nach Devlin) nur gelegentlich, nicht
systematisch vor. Dennoch meinte er, in den letzten sechs Monaten eine-
ungewöhnliche Sterblichkeit von 30 — 40 Menschen jeden Alters verzeichnen
zu können.
Es kam also auch hier darauf an, so viel in der kurzen Zeit möglich
war, nach Seuchen zu suchen. Schwer verdächtig der Syphilis war das
Mädchen Taitu auf Agomes gewesen, das aus Ninigo stammte. Hier sah
ich einen ähnlichen Nasendefekt bei einem jungen Mann und stellte bei
einem älteren Mann flache, speckige, pfenniggrosse Geschwüre am
Gaumen fest.
Aus diesen Fällen bin ich geneigt, die Diagnose „sporadische Syphilis"
auszusprechen, aber Aron einer Durchseuchung des ganzen Volkes kann
keine Rede sein.
Von drei Weibern, deren Genitalsekret ich untersuchen konnte, hatte
die jüngste Gonokokken, angeblich von einem aus den Salomon-Inseln
stammenden Arbeiter infiziert, der aber damals frei von Krankheits-
symptomen war.
Hautkrankheiten habe ich nirgends gesehen, Elephantiasis kommt
vereinzelt vor.
Dagegen fand ich einige Fälle von Malaria. Unter 37 meist von
Kindern entnommenen Blutproben hatten 6 die charakteristischen Parasiten;
alle diese stammten von einer Insel Ami. Es waren auch Erwachsene
dabei, darunter der Inselhäuptling Paiad, der früher stets gesund, mir
als seit 5 Monaten siecher Mann zugeführt wurde. Einige ihm zwischen
meiner ersten und zweiten Anwesenheit verabfolgte Chiningaben hatten
ihn gebessert aber noch nicht geheilt Aus diesen kleinen Befunden
fürchte ich schliesseu zu müssen, dass die Malaria erst neuerdings nach
Xinigo eingeschleppt ist, dass sie die von Devlin beobachtete höhere
Mortalität der letzten Monate erklärt, und dass sie auch ferner den Volks-
bestand dezimieren wird.
Es ist gegenüber den bisherigen Annahmen ein geradezu paradoxes
l(«'>ii!t;it. ilass sieh hei den aussterbenden Kanied- um I Agonieseingeborenen
1) Mündliche Mitteil, der Herren Thiel, Wahlen u. a.
— 399 —
keine Seuche als Ursache li;ii nachweisen lassen, dass aber bei den noch
relativ lebensfrischen Ninigoleuten Syphilis, Gonorrhoe and .Malaria ge-
funden hat, freilich vorläufig so sporadisch, dass sie. die Bevölkerungsziffer
noch nicht wesentlich beeinträchtigt halten.
Die Literatur über die Maty-Insel ist erst 8 Jahre alt, aber schon
so umfangreich1), dass die Rekapitulation derselben Stunden in Anspruch
nehmen würde, [ch kann sie deshalb nur gelegentlich streifen und be-
schränke mich im wesentlichen auf das, was ich in den 14 Tagen meines
Autenthaltes selbst gesehen und erfragt habe. Die Quelle «lieser Er-
kundungen ist i\>'\- Händler .Mr. William Leonhard, ein Däne, seit etwa
in Jahren im Schutzgebiet, der von 189!» bis 1901 von der L'Echiquier-
gruppe aus auf einem kleinen Schuner widerholt die Maty-Insel zu
Tauschhandels/wecken besucht hatte, und seit Juni 1902 dort dauernd
ansässig ist.
Aus dem hier sehr tiefen .Meere erhebt sich die Insel als ein steil-
wandiger grosser Korallenblock derart, dass sein Riffsaum in 20— bOO m
Breite von Ebbe und Flut bespült wird, ohne irgendwo einen Ankerplatz
oder auch nur eine sichere Bootsdurchfahrt zu bieten. Das trockene Land
umfasst nach rohen Itineraren, die ich bei einem Rundgang um die Insel
aufnahm, etwa 20 qkm und hat die Gestalt eines Rechteckes, dem im
Südosten ein tiefer Bogen ausgeschnitten ist. Nur im Nordwesten erheben
sich zackige Korallenformationen zu 10—15 m Meereshöhe, und hier ist
der einzige Fleck Landes, der keine Zeichen bestehender oder früherer
Bodenkultur trägt, sonst ist die Insel flach und eben, ohne Lagune oder
Andeutung eines Atolls.
Der Wald ist nicht so undurchdringlich wie auf dem Festlande Neu-
Guineas, trägt aber eine reichhaltigere Flora, als man auf einsamer Koralle
erwarten könnte; Parkinson, der botanische Vorkenntnisse besitzt, er-
wähnt Cordia subcordata, Barringtonia, Hibiscus, Terminalio, Thespesia.8)
Aus der Fauna sind Ratten, fliegende Hunde, Tauben, Seeadler. Leguane,
Schildkröten, wenig Schmetterlingsarten, und unter den kleineren Insekten
— was sich als wichtig erweisen wird -- massenhaft Anophelesmücken
mir zu Gesicht gekommen; von den Eingeborenen wurde noch das '\ or-
kommen von Baumbären, Schlangen, Kokoskrabben usw. angegeben.
Schwein, Hund und Huhn haben bis zur Niederlassung der Europäer sicher
gefehlt.
Die Maty-Insulaner sind gut mittelgross, hellgelb mit Lippen- und
etwas Wangenrot bis hellbraun; ein etwa 18jähriges .Mädchen, «las seit
5 Monaten im Hause des Händlers lebte, war beinahe weiss, und zwar
abgebleicht, weil es keine Aussenarbeit zu verrichten hatte. Die Haare
sind lang, schlicht oder gelockt, nie kraus, schwär/, oder braun: ob hier
Beizung vorliegt und welcher Art sie wäre, konnte ich nicht ermitteln.
Ich lege hier drei Proben vor und bemerke dazu, dass mir nur einheit-
liche Haarfärbüug, nicht ein Giemisch hellerer und dunklerer Strähnen vor
1) Sie findet sich bei Thilenius angeführt — 2 Globus L900, S. 69.
— 400 —
Augen gekommen ist, wie man sie auf Samoa als Folge von Bleichungs-
prozessen zu sehen bekommt.1)
In den Gesichtszügen kann man allerlei Anklänge von javanischen,
chinesischen und europäischen Typen finden, selten sprachen platte Nasen
mit weiten Löchern, breite eckige Stirnen, tief liegende Augen für mela-
nesische Blutmischung, nie kamen wulstig aufgeworfene Lippen vor. Der
Knabe Mairi, en face und en profil, die Jünglinge Vilia und Ferefere
en profil, deren erster auch en face aufgenommen ist, muten doch ganz
arisch an; die Kinder Tsaida und Atsunas mit Lockenköpfchen sind eher
mulattenhaft, und in dem einen dieser Jünglinge kann das schräg gestellte
Auge an Mongolen erinnern. Eine Plica mongolica hat der Knabe
Pamona. Schwer zu analysieren sind die Züge des puala und seiner Frau,
an deren steifer Haltung ich selbst schuld bin, indem ich sie, um ein
scharfes Bild zu erhalten, mit dem Kopf an die Wand drückte.
Fünf Schädel, davon einen mit Unterkiefer, habe ich mitgebracht,
meines Wissens die ersten, welche von der Maty-Insel kommen. Hr. Ge-
heimrat Wald ey er, dem ich dieselben übergeben, hat die Absicht aus-
gesprochen, sie Ihnen nach erfolgter genauer Messung selbst zu de-
monstrieren.
Sie werden aber auch ohne die genauen Zahlen sehen, dass es sich
nicht um die melanesischen Querköpfe handelt, sondern dass eine Ähn-
lichkeit mit den Kaniedschädeln vorliegt. Ein männlicher Schädel sieht
nach einem Bastard aus. Die Narben hier möchte ich nicht für syphi-
litisch halten, und ich bin glücklich, dass mir Hr. Prof. Krause nicht
nur Recht gibt, sondern aus seiner grossen Erfahrung auch eine Erklärung
mitgeteilt hat, die ihm in Australien englische Ärzte über ähnliche Be-
funde gegeben haben, dass diese Gänge durch ausnahmsweise Einnistung
von Milben in den Knochen gefressen seien. Ist das überhaupt möglich,
so liegt es auf Wuwulo besonders nahe, daran zu denken, da dort eine
rote Milbenlarve, der sogenannte Buschmucker (zoologisch meines Wissens
noch nicht bestimmt) zu vielen Tausenden vorkommt, und namentlich
dem Fremdling, der sich ihrer noch nicht erwehren gelernt, eine schlimme
Plage durch Hautgeschwüre bildet.
Von der Sprache der Maty-Insel sind bisher durch Parkinson 32
und Thilenius 100 Worte gesammelt, die von letzterem in Beziehung zu
anderen Südseesprachen gebracht, und als sicher ozeanisch diagnostiziert
sind. Mein Material von 400—500 Wortstämmen wird demnächst im Zu-
sammenhang veröffentlicht werden. Ich hebe hier folgende Punkte hervor.
Phonetisch hat man den Eindruck einer (lein Samoanischen ähnlichen poly-
nesischen Sprache: die Konsonanten sind häufig durch die Öffnung des
Kehldeckels ersetzt.
, SB . ... 3 l . ,
t;i a ua = richtig, yau ma a aia = ich weiss.
1) Die folgenden Bemerkungen beziehen sich auf die mit dem Vortrage verbundenen
Lichtbilder, von denen nur einige auf Tafel V wiedergegeben sind.
— 401 —
Aber die Worte, die mit dem entsprechenden polynesischen überein-
stimmen, sind gleichzeitig allgemein ozeanisch.
pu<5a = Mond, pe u = Stern, avi = Feuer, aru = Rauch, ranu = Wasser,
räumt = Blatt, niu = Kokosnuss, balu = Taube usw.
Zu den Nachbarinseln uml bis in die Carolinen hinein weisen eine
Reihe von Wortstämmen.
boboane = Mann entspricht moan auf Agomes, man auf Poitape, rufu
= Dorf entspricht luf auf Agomes, suf auf Kanied, aiva = Trommel heisst
auch in Ponape so.
Nun genügt bei allen diesen Inselsprachen der Südsee eine Anzahl
von Wortstämmen nicht, um sie aus dem grossen Kreis ozeanischer
Sprachen in die Unterabteilungen des malayischen, melanesischen oder
polynesischen einzurangieren, das kann erst durch die Grammatik ge-
schehen. Und da finden wir in dieser Sprache sowohl Dual und Trial,
als auch die obligatorischen Possessivaffixe für unveräusserliche Besitz-
tümer, d. h. bei Verwandtschaftsbezeichnungen und Körperteilen muss zum
Wortstamm eine besitzanzeigende Silbe gehängt werden.
papaneu, -nenu, -neue = mein, dein, sein Kind; nugeu, -emo, -ena
= meine, deine, seine Nase.
Diese beiden Spracheigenschaften sind streng melanesich, nicht poly-
nesisch oder malayisch. Man kann noch einen Schritt weitergehen: Die
Stellung des Genetivus possessivus hinter das Hauptwort
ogegä pula = Brauen Augen, boa uraa = Mund Haus = Tür, avui
inu = Angelhaken (aus) Trochus
stellt diese Sprache abseits von der grossen Gruppe der Küstensprache
Neu-Guineas, welche den Genetiv voransetzt.1) Eine letzte Handhabe,
um die Sprache einzureihen, bieten die Zahlworte. Die melanesischen
Sprachen arbeiten nur mit Zahlwurzelworten 1-5, wobei 5 stets durch
Hand wiedergegeben wird, 6—9 wird durch drei verschiedene Arten aus-
gedrückt.
Streng melanesiseh ist es zu zählen: Hand -f- Finger 1=6, Hand
-+- Finger 2 = 7 usw. Durch malayischen Einfluss hineingekommen ist
die Subtraktionsmethode: 9 wird gebildet durch 10 -- 1, 8 durch 10 - 2
und eventuell noch 7 = 10 - 3.
Diese Zählmethode findet sich auf einigen Sunda-Inseln und in unserem
Schutzgebiete nur auf den Hermit-- Anachoret- und den Admiralitäts-Inseln.
Die 3. Methode, zur Addition noch Multiplikation hinzuzunehmen, und
6 aus 3 X 2, 7 aus 3x2 + 1, 8 aus 4x2, 9 aus 4x2 + 1 zu bilden.
war bisher nur von Mikronesien, speziell von den .Marschall-Inseln be-
kannt2); hier auf .Maty finden wir sie wieder.
Aus alledem komme ich zu dein Schlüsse: diese Sprache ist gramma-
tisch nordmelanesisch, phonetisch polynesisch. Und wenn ich mir vor-
1) P. W. Schmidt: Die Jabim-Sprache. Wien 1901, S. 4:?. — -2) Frobeuius in
Petermanns Mitteilungen l'JÜO, S. 2GG.
— 402 -
stelle, dass eine Sprache stets Muttersprache ist, d. h. dass Kinder aus
Mischehen zuerst und zu best von der Mutter sprechen gelehrt werden, so
komme ich zu der Hypothese, dass polynesische Männer in ein nord-
melanesisches Sprachgebiet als Eroberer einfielen, die dort angetroffenen
Männer vernichteten und mit den Frauen eine neue Mischrasse bildeten,
deren nächste Generationen die Sprache der Mütter lernten, aber mit ihren
von den Vätern ererbten Sprachwerkzeugen sie phonetisch so umbildeten,
wie wir sie jetzt zu hören bekommen. Ich nehme an, dass unser Prozess
auf der Maty-Insel selbst vor sich gegangen ist, und dass neue sprachliche
Elemente nur gelegentlich durch Angetriebene im Sinne von Fremdwörtern
hineingekommen sind.
puala = Häuptling hat im Javanischen ein ähnliches Wort buala mit
gleicher Bedeutung, pilaua = Fremder entspricht dem a perau des Neu-
Pommern und ist aus malayisch prau = Schiff entstanden, wie noch
neuerdings tsitsi aus dem englischen ship und pitsi aus pig angenommen
sind.
Auch der Name, den die Leute sich selbst und ihrer Heimat geben,
und den ich nur Wuwulo, nicht Popolo oder Bobolo aussprechen gehört
habe (Popolo dagegen ist auf den LTEchiquier-Inseln der Name für Maty-
Insel), kann ein Fremdwort sein, aus dem malayischen Stamme Puluh =
Insel entstanden, da ein Bedürfnis, die Heimat zu benennen, bei Natur-
völkern erst eintritt, wenn man sich von Fremden differenzieren will.
Die Verfassung von Wuwulo ist despotisch, ein Oberhäuptling, Puala,
herrscht über Leben und Tod. Er wohnt in dem grössten Dorfe Auna
auf der Südecke der Insel, seine Umgebung soll nach Angabe des Händlers
eine Art Aristokratie bilden, durch Geburt und Ernennung zusammen-
gesetzt; jedenfalls wird das Gros der Bevölkerung mit Tamolmol = Sklave,
Höriger bezeichnet. Nach derselben Quelle hat diese Aristokratie auch
besondere sprachliche Ausdrücke, wie sie den polynesisch-malayischen
Völkern eigentümlich sind; ich habe trotz einiger Mühe nichts hierüber
ermitteln können. An Zeremonien war nichts besonderes wahrzunehmen,
doch sprachen eine Reihe von Tatsachen für die reale Macht des Puala.
Er arrangierte uns zu Ehren ein Fest, zu dem ihm von anderen
Dörfern Tribut in Gestalt von reichlichen Nahrungsmitteln gebracht wurden.
Dem Händler hatte er schon vor 5 Monaten ein Mädchen, gewissermassen
als Geissei, ins Haus gegeben. Er war bereit, der dort jetzt Handel
treibenden Firma für die Hermit-Inseln die Anwerbung von 30 Arbeitern
zu vermitteln, d. h. die Leute abzukommandieren. Damals wollte jene
Firma vernünftigerweise keinerlei Druck ausüben, und liess ihm auf seine
Bitte die schon eingetretenen Leute, doch ist, wenn ich richtig unter-
richtet bin, diese Anwerbung einig«1 Monate darauf erfolgt.
Er hat im Juli 1902 ein Mädchen namens Wobolele für Ungehorsam,
Nichtausführung einer Botschaft mit dem Tode bestraft, der durch Lebendig-
beg rabenwerden vollzogen wurde. Den Schädel hat der Händler im Sep-
tember 1902 ausgraben lassen; er liegt hier vor.
Im August 1901 hatte er einen Strafzug gegen die Dörfer Wanura
und Wagodsa, die den Tribut verweigert hatten, unternommen, wobei
— 403 —
2 Mann erschlagen und die Häuser niedergebrannt wurden. Noch bei
meiner Anwesenheit lebten die Leute in elenden Hütten aus Kokos-
blättern, weil der Puala ihnen den Wiederaufbau ihres Dorfes nicht ge-
stattete.
Der jetzige junge Oberhäuptling, Nalipe oder Iriatso mit Namen, ist
erst vor 2 Jahren seinem Vater gefolgt. Nach dem Stammbaum, den der
Händler noch 2 Generationen aufwärts ermittelt hatte, geschieht die Erb-
folge nach Vaterrecht, wobei auch der Fall vorgekommen ist, dass ein
jüngerer Bruder seinem kinderlosen älteren in der Herrschaft gefolgt ist,
vielleicht unter Verdrängung und Ermordung desselben.
Auch dieses ganze Verfassungsleben des Völkchens spricht eindeutig
für asiatisch-polynesischen Ursprung des Hauptanteils der Kasse.
Über religiöse Vorstellungen und über besondere Sitten gebe ich zu-
nächst Mitteilungen meines Gewährsmannes mit einiger Reserve wieder,
nicht als ob ich an seiner bona fides zweifelte, sondern weil es für
jeden, der nicht an kritische Prüfung seiner Beobachtung gewöhnt ist,
schwer wird, seiner ergänzenden und kombinierenden Phantasie Zügel
anzulegen.
Nach dieser Quelle sollen die Maty-Insulaner Monotheisten sein, die
ein höchstes Wesen, Baude, anerkennen, aber nicht zeremoniell verehren.
Die Häuptlingsfamilie soll sich auf diesen Baude zurückführen und als
Abzeichen einen Halbmond an den Türgriffen der Häuser noch jetzt an-
bringen. Dieses Symbol soll der Puala nur seinen Günstlingen gestatten
nachzuahmen, mit denen er Tan* ist. Dieses Tafi soll sich auf gemein-
samen Besitz der Weiber beziehen (was in den Epanga der Herero und
wohl auch in den Sitten anderer Völker Parallelen haben würde), fin-
den Hörigen Tamolmol eine Ehre sein, wenn es der Puala tut. Ausserdem
soll es dem Puala und den Adeligen erlaubt sein, jedes Weib, das sie
nachts ausserhalb der Häuser antreffen, zu benutzen, wobei die Frau den
Mann in der Dunkelheit der Nacht mit einer Muschel streifend, in die
Haut ritzt, um ihm demnächst am Tage wiederzuerkennen und mit dieser
Buhlschaft prahlen zu können.
Hierzu füge ich meine eigenen kleinen Beobachtungen, die wohl im
Rahmen dieser Darstellung erklärbar sind, aber sie doch nicht voll be-
weisen.
An einem Mondabend hatte ich in der radebrechenden Form, in der
ich nur sprechen konnte, mit einem etwa 20jährigen Manne eine Unter-
haltung, über die ich in mein Tagebuch aufzeichnete: „Ich ze^ge auf den
Mond, der hier ebenso wie das Auge Pula genannt wird, da sagt mein
Begleiter: „Baude hat den Mond gemacht". Hat er auch die Sonne ge-
macht? „Ja, die Sonne und den Regen und den Wind und Wuwulo und
die Menschen." Hat er die Weissen nicht auch gemacht? „Wir sagen,
Baude ist gross, er hat alles gemacht." Sagt Ihr in Wuwulo, dass Baude
tot ist? „Wir sagen in Wuwulo, Baude ist nicht tot. Menschen sterben
alle, Baude stirbt nicht. — "
Mondsichelförmige Türeriffe habe ich mir auch zeigen lassen, aber
— 404 —
die Antwort, die ich erhielt, dass der Griff den Mond darstellen sollte,
konnte auch von früher her in die Leute hineingefragt sein.
Das Wort Tafi wurde allgemein als Freund in bezug auf Weiber-
gemeinschaft verstanden, und gleich am ersten Tage, als der Händler über
einen anderen Weissen und mich gefragt wurde, ob wir Brüder seien,
und antwortete: Wir seien Freunde, Tafi, erhob sich ein Gelächter und
Gefrage, wo denn unsere Frauen wären. Auch war es möglich, die
ostentative Gastfreundschaft, mit welcher der Puala in seinem Wohnhause
seine Frau neben den weissen Gast sich setzen hiess und allerlei Gesten
machte, als Offerte des Tafiwerdens aufzufassen, doch habe ich mich auf
ein solches Experiment nicht eingelassen.
Zwei junge Leute, Anidsu und Patipoa, kamen mir vor Augen, die
frische Ritznarben — nanaua — an Gesicht und Körper trugen, und auf
Befragen, ob sie dieselben einer Liebesnacht verdankten, so schmunzelnd
verneinten, dass man jedenfalls ein sofortiges Eingehen auf den Sinn der
Frage annehmen konnte.
Über Zeremonien bei der Geburt, über etwaige Pubertätsweihen, über
Eheschliessung und Scheidung habe ich nichts erfahren können. Einzelne
Männer hatten zwei Frauen, der Oberhäuptling zeigte sich nur mit einer,
namens Gebauge, von der er noch nicht Yater war, doch hatte er einen
etwa 4jährigen Knaben, Taetoe, oft um sich, der von einer Nebenfrau
stammen sollte, die mir nicht gezeigt wurde.
Auch war in seiner Begleitung ein Halbbruder seines Alters, der den-
selben Yater, aber eine andere Mutter hatte. Dieser besass offenbar eine
Vorzugsstellung am Hof, und der Händler bezeichnete ihn als Kriegs-
minister.
Über die Bestattungsgebräuche erhielt ich von meinem Gewährs-
manne, der vielen Todesfällen beigewohnt hatte, folgende Auskunft:
Beim Todesfall wird zuerst das Haar frisiert, mit Kokosöl, nicht mit
Kokosbutter, auch nicht in ein Taroblatt gewickelt. Dann wird die Leiche
geschmückt, jetzt mit Perlen und Zeug, früher mit Blumen und Yogel-
federn. Das Grab ist 3 — 4 Fuss tief, dicht am Hause der Familie, das
Haupt liegt nach Westen.1) Ins Grab werden Angelhaken, Muschelbeile,
Betelnüsse u. dgl. mitgegeben. Kurze Speere, sonst mehr Spielzeug, 3 bis
4 Fuss lang, werden auf den Toten gelegt, der damit mit seinen Vor-
fahren spielen soll. Während das Grab zugeschüttet wird, beginnt die
Trauerklagft, die Weiber heulen im Hause, die Männer helfen von draussen.
Ist das Grab ganz zugeschüttet, so werden Betelnüsse verteilt, es wird
geschwatzt und gelacht und vom Toten darf nicht mehr gesprochen
werden. Beim Begräbnis des letzten Oberhäuptlings sind 150 Schildkröten,
alle vorrätigen, gegessen und die ganzen Schalen ins Grab auf die Leiche
gelegt.
1) Hr. Marine-Stabsarzt Dr. Martini macht mich darauf aufmerksam, dass diese
Sitte bei den Samoancrn auch vorkäme und auf die Heimat der Polynesier im Westen
gedeutet würde.
— 405 —
Die Häuser sind von Martini1) und Parkinson-) beschrieben
worden: es gibt Wohnhäuser, deren Wände aus sorgfältig geglätteten
und gekalkten Planken bis auf den Boden reichen, Vorratshäuser auf
zierlichen Gerüsten, wie sie sonst nirgends in <\<'v Südsee zu sehen sind,
mit liretterbmleii, sonst aber den Wohnhäusern gleichend, nur in ver-
kleinertem Masstabe, und drittens kleine Hallen, gleichfalls auf Gerüsten,
alter ohne Seitenwände, alle drei Arten von Gebäuden rechtwinklig aus-
gerichtet, mit dichtem Flechtwerk aus Kokosblättern gedeckt. Häufig
sind Vorratshäuser und Hallen vereinigt, immer dann in der Längsachse.
so dass man nicht etwa die Halle einer Veranda gleichstellen könnte.
Fier. 6.
Dorf auf Wuwulo (Maty-Insel).
Endlich gibt es noch grosse Schuppen für Kanus, die der Bodenbrot ter
und Wände entbehren, so dass nur die Kokosblattdächer als Regenschurz
dienen. Wohn- und Vorratshäuser haben rechtwinklige Türöffnungen mit
genau schliessenden Vorsätzen, die durch ein Schnurriegelwerk kunstvoll
festgehalten werden (mit nach innen gerichtetem Griffe). Die fensterlosen
Wohnhäuser sind so dicht abgeschlossen, dass keine Mücke hineinkann.
die Gerüste der Vorratshäuser so kompliziert, dass Ratten nur schwer
hinaufklettern und noch schwerer einen Haltepunkt linden können, um
sich durch die Planken aus hartem Heize durchzunagen. Neubauten und
insbesondere llerrichtung der wie behobelt glatten Planken waren nirgends
n töarinerundscbau 1898, S. 117. — 2) Internat. Arch. f. Ethnographie L896, S. 195,
- 406 —
zu sehen, aber jedes Loch, jede morsche Stelle in den Wandbrettern war
durch sorgfältigste Tischlerarbeit, durch Falzen mit Holzpflöcken aus-
gebessert. Die offenen Hallen wurden von beiden Geschlechtern zur Arbeit,
zum Ausruhen und zu den Mahlzeiten benutzt, besondere Männer -Ver-
sammlungs- oder Kultusgebäude gibt es nicht.
Die Ordnimg der 5 — 40 Häuser, die eine Dorfschaft bilden, zeigt eine
Vorliebe für gerade und rechtwinklige Ausrichtung, ohne dass eine Strassen-
bildung strenge durchgeführt wäre; grössere Plätze fehlen. Befestigungen
sind nirgends angedeutet.
Fier. 7.
Brunnen im Dorf Auna auf Wuwulo (Maty-Insel).
Auch die innere Einrichtung der Wohnhäuser hat Parkinson schon
beschrieben:1) Bänke, mit Planken rechtwinklig begrenzte Feuerstelle zu
ebener Erde, an der der Tür gegenüberliegenden Giebelseite, hölzerne
Truhe von V4 cbm Inhalt, Holztöpfe, Schüsseln, Schalen ans Kokos und
Teller mit napfartigen Vertiefungen, um die letzgenannten hineinzustellen,
Löffel aus Schildpatt und Muscheln, Kokosschaber mit Sitzbrett n. dergl.
mehr.
Bereits von Martini2) erwähnt werden die aus Korallensteinen sorg-
fältig ohne .Mörtel aufgemauerten Brunnen. Der im Bild vorgeführte liegt
im Auna, ist 2 qm weit und etwa 3 m tief. Die Momentaufnahme war
1) S. Anm. 2 S. 413. — 2) Marinerundschau 1898, S. 117.
— 407 —
noch nicht schnell genug, um die Schöpfbewegung «los Mannes fest-
zuhalten, der mit einer an speerartig Langem Stock befestigten polierten
Kokosschale Wasser heraufholt. Tiefe Kerben an der Kante zeigen die
Stellen, an denen auf diese Weise gewohnheitsmässig das Wasser ge-
schöpft wird. Einen anderen gemauerten Brunnen von kreisrunder
Öffnung, trichterförmig sich nach unten verdünnend, Bah ich an der ver-
lassenen Dorfstelle Tsiriro, in den kleineren Dörfern waren die Brunnen
nicht gemauert, e lern rechtwinklig in feste, verfalzte Planken ein-
gefasst.
Feuerbereitung habe ich nicht gesehen. Mr. Leonhard erwähnte,
dass es durch Reiben hergestellt werde, doch habe ich versäumt, ihn
zu fragen, nach welcher der drei ozeanischen Methoden es ausgeführt
wird.
Eigenartig und im Gegensatz zu den Papuas höchst appetitlich war
die Speisebereitung, speziell der Fische. Trockene Kokosnussrinde, d. h.
die äussere faserige Hülle der Nuss, wurde zu Kohle verglüht und anter
die dadurch erhitzten Korallenstückchen der Feuerstelle gemischt. Auf
diese flamme- und rauchfreie Glut wurde ein 20— 40 cm langes, 10 — 15 cm
breites rechtwinkliges und an den Kanten umgebogenes Pandanusblatt,
das wie der offene Deckel einer Pappschachtel aussah, gestellt, und in
ihm nun der geschuppte Fisch in einer Mischung von Kokosnusssaft und
geschabtem Kokosnusskern geschmort. Aus den Kernflocken trat das Ol
aus und bräunte den Fisch, während kleine Zutaten von Wasser das
Durchbrennen der Blattunterlage verhinderten.
Zur Nahrung dienen vor allem Fische, Krabben und dergleichen See-
tiere, Kokosnüsse und Sumpftaros. Diese werden in grossen Pflanzungen
gewonnen, welche das Innere der Insel in kilometerlangen Strecken durch-
ziehen, immer in rechtwinkligen Figuren, meist mit vielen Einsprängen
dem Gelände und den Baumgruppen angepasst; die Koralle ist bis auf
das Grundwasser ausgehoben und zu Wällen und gangbaren Dämmen
zwischen den einzelnen Feldern aufgehäuft. Dicht beisammen stehen im
seichten Schlamm die Taropflanzen mit 1—2 m hohem Blätterbusch. Es
scheint, als ob diese Pflanzen wie auch die Kokosnüsse zu jeder Jahres-
zeit gedeihen, so dass, wenn man die Meeresprodukte hinzurechnet, eine
Hungersnot aus .Missernte schwer vorstellbar ist. Yams fehlen. Bananen.
Canarinüsse, Papeia, in Schlingen gefangene Tauben u. dergl. kommen
gleichfalls auf den Tisch.
Seit Kärnbachs erstem Besuche 1893 werden wiederholt Schild-
krötenteiche erwähnt. Was mir davon gezeigt wurde — und auch Mr.
Leonhard kannte keine anderen — enttäuschte meine Erwartungen sehr.
Unweit von Anna wurde ich zu einer Lichtung mitten im Busch geführt.
in der acht Gruben rechtwinklig bis tief in das Grundwasser ans der
Koralle gehoben waren und über denen unbearbeitete Baumstämme lagen.
Diese Gruben waren leer. Wie mein Gewährsmann schon vorher mit-
geteilt hatte, weil die dort gefangen gehaltenen Schildkröten bei der
Totenfeier des letzten Oberhäuptlings verzehrt worden waren. In den
Behältnissen, die man «'her Käfige als Teiche nennen muss, war das
— 408 —
Wasser süss, und das Schildpatt soll durch diesen Mangel an Salzwasser
matt und hell werden. Natürlich müssen die Tiere in diesen Käfigen ge-
füttert worden sein. Übrigens soll sich der jetzige Puala neue Käfige
angelegt haben, die mir verheimlicht wurden.
Ein beliebtes Genussmittel ist der Betel; aber bereits mehrfach wird
von den europäischen Besuchern hervorgehoben, dass so wenig Eingeborene
davon verfärbte oder veränderte Zähne aufweisen. Vielleicht kann folgendes
Erlebnis dies aufklären helfen. Bei einem Festessen, das der Ober-
häuptling gab, öffnete ich eine Betelnuss, warf die Schale weg, teilte den
Kern und bot die eine Hälfte meinem Wirte an — eine Zeremonie, die
in der Südsee Frieden und Freundschaft zu gewährleisten pflegt. Mein
Gegenüber aber zog die Schale ohne Kern vor, und später sah ich, dass
wohl beide zusammen, Schale und Kern, aber nie der Kern allein mit
dem üblichen Kalk gekaut wurden. Ich nehme an, dass dies die Zähne
schön und eher rein hält.
Von Anthropophagie hörte ich nichts. Das vom Oberhäuptimg mit
dem Tode bestrafte Mädchen, dessen Schädel hier vorliegt, ist jedenfalls
nicht verzehrt worden.
Bekannt sind die halbzahmen Riesenleguane, die in den Dörfern
umherlaufen und auch von mir sich mit Speiseresten füttern liessen. Nach
meinem Gewährsmanne geht die Sage, bevor Baude die jetzigen Bewohner
nach Wuwulo gebracht habe, seien die Leguane die Herren der Insel und
die Ratten ihre Kamolmol-Sklaven gewesen. Es würde sich dieses daraus
verstehen lassen, dass diese Tiere als Vertilger der überlästigen Ratten
geschont werden. Die Leguane sind jedoch nicht heilig oder tabu, da die
Jagd, welche die Hunde der Europäer auf dieselben machen, ruhig und
mit Gelächter geduldet wird. Auch fing ich einen Leguan, den ich mit
an Bord nahm, der mir aber unterwegs entkommen ist.
Zu der Beschreibung der Waffen und Geräte, die ich als bekannt
voraussetzen darf, kann ich wenig Neues beibringen; über dieses Gebiet
wird demnächst von Hrn. Hellwig, dem ethnographischen Sammler der
Firma Hernsheim, ein grosses und genaues Material zur Veröffentlichung
kommen. Nur kurz erwähnen will ich, dass es einen besonderen Tischler
Kano-Kano gab, in dessen Werkstatt sich neben vielem Knochengerät
auch Bohrer befanden. Neu ist meines Wissens das Vorkommen der
Trommel, deren Bezeichnung aiva identisch mit derjenigen von Ponape
ist. Diese wurde auf Wuwulo bei meiner Anwesenheit nicht benutzt,
auch nicht verkauft, später ist ein Exemplar in den Besitz des Gouverneurs
Dr. Hahl übergegangen. Hervorheben möchte ich noch, dass wir keine
einzige Waffe mit Haifischzähnen und keine einzige Holznachbildung
asiatischer Schwerter mehr auftreiben konnten; alle waren von früheren
liesucliei n aufgekauft.
Diese Schwerter können wohl nur als vereinzelte Nachahmungen
gelegentlich in nicht allzu weit zurückliegender Zeit gesehener asiatischer
Waffen, nicht als Reminiszenz an die Eisenkultur der ersten Ankömmlinge
• 'der Eroberer aufgefasst werden, weil ihr Vorkommen zu vereinzelt
dasteht. Pur einen solchen Besuch aus westlichen Gebieten in jung-
— 409 -
historischer Zeit fand ich noch folgenden Beleg. In vielen Häusern waren
die rauchgeschwärzten Innenflächen der Plankenwände mit weissen Kalk-
zeichnungen bedeckt, die u. a. auch Fahrzeuge darstellten. Da war
S. M. S. Möwe mit realistischer Treue wiedergegeben, da waren die
Scliwesterschill'e der Firma Hernsheim, .Masrotte und Gazelle, die sich
nur durch kleine Abweichungen im Kajütsaufbau unterscheiden, genau aus-
einander zu erkennen, und auf einer Planke eines durch Sturmflut zer-
störten Hauses war eine Abbildung von bemannten Fahrzeugen zu sehen,
die weder den eigenen, noch europäischen, noch anderen in der Nachbar-
schaft üblichen Formen entspräche, aber bei dem Realismus der anderen
Darstellungen keine Phantasiegebilde sein können. Sollten es nicht
asiatische Praus sein? Das wertvolle Original dieser Planke hat Hr.
Hellwig erworben, es wird also der Wissenschaft nicht verloren gehen.
Über die Vergnügungen dieses von Haus aus lebhaften und leicht-
lebigen Völkchens bitte ich einige Stellen aus meinem Tagebuch vorlesen
zu dürfen:
„8. 12. 02.
Auf heute waren wir zum Nalauga = Fest in das Dorf Auna des
Puala eingeladen. Schon gestern zogen die Leute von anderen Dörfern
mit Lebensmitteln beladen dorthin, heute Morgen holten sie uns, viele
festlich in europäische Zeugstreifen gehüllt. Das Dorf war voll Menschen
jeden Alters, wohl 300, aber die bei melanesischen Sings-Sings übliche
lärmende Fröhlichkeit war nicht zu hören. In den Speisehäusern sass
alles dicht gedrängt im Schatten vor der heute besonders glühenden Sonne
und verzehrte Fisch, Tarokuchen und Betelnüsse. Wir gingen zunächst
zum Puala, der uns zu essen anbot. Seine Frau war nach Negerart in
Kleider von buntem Stoff gehüllt, wie ihn der Händler verkauft hatte.
Der kleine Sohn von einer Nebenfrau kam zutraulich auf meine Knie
und half mir essen. Die Abfälle holten sich zahme Leguane wie ander-
wärts die Hunde. Gegen Mittag begann der Gesang. Die im grössten
Speisehaus hockenden Weiber stimmten zu 4 und 8 — 12 eintönig gedehnte
Verse an, bei denen — im Gegensatz zu den Gesängen anderwärts —
jede Silbe des Textes zu verstehen war. Ein Tanz fand nicht statt, es
war also nur ein musikalisches Diner. Später hiess es, sollten die Männer
auch singen. Wir warteten das aber nicht ab, sondern gingen gegen
2 Uhr nach der Station zurück.
L3. 12. 02.
Für eine Axt und l> Pfd. Perlen hatte sich der Puala nach einigem
Zögern bewegen lassen, gestern Abend auf der Station einen Tanz zu
veranstalten. Leichter Regenschauer nach Sonnenuntergang schien anfangs
das Fest zu vereiteln, als aber der fast volle Mond durch die Wolken
brach, füllte sich der Stationsplatz bald mit Eingeborenen jeden Alters
und Geschlechts, die uns ankündigten: „nalauga nomai", „der Tanz kommt".
Dann erklangen von ferne gedehnte Töne, wie neulich beim Festessen in
Auna, und aus dem südlichen Busche kamen in gemessenem Tanzschritt
9 Paar Weiber, immer 2 Takte lang 2 Schritte vorwärts, und 2 Takte
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901 lieft 3 u. 4. o-
— 410 —
lang auf einem Bein stehend, das andere innere in die Turnerstellung
„Knie aufwärts beugt" erhoben. Dabei hielten sie eine lange, lanzen-
artige Latte in Schulterhöhe hoch, die zuweilen am Ende einer Strophe
nach oben über die Köpfe und nach unten geschwungen wurde. Als diese
9 Paare so unter Gesang am Hause angelangt waren, traten aus dem
nördlichen Busch 6 andere, und alsbald von Westen her 7 weitere Paare,
wie uns erklärt wurde, jeweilig aus einem andern Gau.
Alle diese Tänzerinnen hatten Röckchen aus getrockneten und zer-
schlissenen Kokosschösslingen um die Hüften und als einzigen Schmuck
weisse Taubenfedern im aufgelösten Haar. Der Gesang bewegte sich in
Fig. 8.
r».- <""*
*
Frauentanz auf Wuwulo (Maty-Insel).
ganzen und halben Koten, immer 6 bis 8 in einer Tonhöhe, dann die 6
bis 8 nächsten in der Terz dazu, die weiteren 6 bis 8 eine Quint höher,
danach wird der Tonwechsel lebhafter, indem nur 2 bis 4 gleiche Noten
folgen, und zum Schlüsse kommt eine Art Melodie dadurch zustande,
dass die Töne ohne Wiederholung innerhalb einer Oktave steigen und
fallen, wobei sicli der Rhythmus beschleunigt. Dabei wurde der Text
sehr deutlich ausgesprochen, so dass ich wiederholt einzelne Worte ver-
stehen konnte.
Mr. Leon ha nl gab den Inhalt als Improvisation an, die sich auf
den Besuch der Pilaua bezöge. Der Chinese Akau, der als Koch und
schon 10 Monate hier anwesend ist, wollte wissen, dass dieser Tanz auch
— 411 —
Ton Männern und Frauen, die sich paarweise gegenüberstünden, ausgeübt
sei und durchaus sinnliche Ideen zum Hintergrund habe. Bei eigent-
lichen Festes wird bis zum grauenden Morgen getanzt, da uns jedoch
der Mangel an Abwechslung ermüdete, so Hessen wir ihn um Mitternacht
abbrechen."
Ich komme jetzt zum Bericht über meine ärztlichen I otersuchungen,
welche die meiste Zeit meines 14tägigen Aufenthalts in Anspruch nahmen.
Die Eingeborenen von Wuwulo sind, seitdem von ihnen berichtet wird,
immer auf 2000, '2300 oder 2500 geschätzt worden.1) Und von einem
Rückgang dieser Bevölkerung war auch auf unserer Reise bis zum Be-
treten der Insel keine Rede. Erst an Ort und Stelle erzählt«' der Händler
Mr. Leonhard, »lass seil etwa einem Jahre ein grosses Sterben stattfinde,
<las erst seit Ende August nachgelassen habe. Die Eingeborenen selbst
«ollen glauben, dass ihnen die Schiffe der Weissen Krankheit brächten.
Als Symptome der tödlich verlaufenen Fälle werden Hitze, Husten ohne
Auswurf, Schmerzen in beiden Seiten und Bewusstlosigkeit angegeben.
Als Beweis für das Zurückgehen der Bevölkerung führt mein Gewährs-
mann an, dass er vor einigen Jahren, als er zu Schiff von Xinigo aus hier
war, von über 100 Kanus umringt gewesen sei, während es jetzt kaum
50 seetüchtige gäbe, und dass der sonst übliche Besuch der Wuwulo auf
Aua (Durourinsel) seit 2 Jahren ausgefallen sei. Es zeigten sich auch
mir alsbald eine Anzahl von Tatsachen, welche diesen Rückgang der Be-
völkerung beweisen. Ich zählte auf der ganzen Insel noch nicht 50 Kanus,
sowie in 30 Dorfschaften 232 Wohn-, 72 Speise- und 76 Vorratshäuser in
Benutzung, 34 Hausruinen und 3 ausgestorbene Dorfplätze. In etwa
20 Wohnhäusern lebten durchschnittlich nur 3 — 4 Leute, Stichproben in
anderen Säusern ergaben nie über 5 Hausgenossen. Demnach würde die
Insel nur 700—900 Einwohner haben. Ich hatte mit meinem Gefährten
den sicheren Eindruck, dass es unter 1000 sind.
Nur etwa die Hälfte der Tarofelder ist einigermassen gepflegt, nur
ein einziges 200 in langes, 120 m breites Stück Sumpf war frisch angelegt,
aber noch nicht bepflanzt, viele Felder waren vom Unkraut durchwachsen.
einige schon völlig damit überwuchert. Diese Pflanzungen produzieren
weit mehr, als die jetzige Bevölkerung zu verzehren vermag. Ebenso
steht es mit den Kokospalmen. Obwohl auf der Station in den letzten
:'> .Monaten über 30 von Kopra eingehandelt waren, lagen die reifen
Nüsse frisch und von Ratten angefressen im sumpffaulen und im trockenen
Keimen allenthalben umher. Ältere hatten Wurzel geschlagen und bildeten
buschige Dickichte. Vielfach konnte man mit Schmarotzern bewachsene
Palmen sehen, welche zeigten, dass auf sie Niemand zum Abpflücken der
Trinknüsse geklettert war; und zwar solche, die eben vom Boden bis 2 m
Höhe sich mit Orchideen bedeckten, bis zu solchen, deren ganzer Stamm
umhüllt war. während die bis in die Krone hinein von Lianen überzogenen
erdrückten und umstürzenden fehlten. Solche habe ich später auf der
unbewohnten Commerson-Insel gesehen.
1) Internat. Archiv f. Ethnographie L896, S. 195. - Kol.-Bl. 190-2, S. 222.
— 412 —
Wohl die Hälfte der Eingeborenen hatte ein krankes Aussehen, war
hager, hohlwangig, dickbäuchig; während alle früheren Besucher ihren
kräftigen, schlanken, ja geradezu schönen Körperbau beschreiben. Bei
der körperlichen Untersuchung macht sich bei allen Altersklassen neben
der Blutarmut nur eine starke Milzgeschwulst bemerkbar. Wo die Mite
überhaupt durch die sehr straffen Bauchdecken fühlbar ist, da ist sie in
9/10 der Fälle bis an den Nabel vergrössert, mitunter sieht man bei ruhig
Sitzenden die linke Seite deutlich vorgebeugt. Bei 84 daraufhin unter-
suchten waren im Blute 39 mal die Parasiten der Malaria tropica zu finden
und zwar gleichmässig bei allen Altersklassen von 6—40 Jahren, während
die sowieso seltenen kleinen Kinder der Untersuchung nicht zugänglich
waren.
Nun sind auf Wuwulo neben Kulices soviel tausende Anopheles zu
allnächtlicher Plage da, dass es sicher erscheint, dass diese Tiere seit un-
berechenbar langer Zeit auf der Insel einheimisch sind.
Es bleibt also nur der Schluss, dass die Malariakeime selbst erst in
den letzten Jahren in das bis dahin malariafreie aber anopheleshaltige
Gebiet eingeschleppt sind, und dass die Erwachsenen in dieser kurzen
Zeit trotz der Menge der Infektion noch keine Immunität erworben
haben.
Für den Zeitpunkt dieses Einschleppens der Malaria dient als Anhalt,
dass die ersten dort niedergelassenen Weissen, sowie die wenigen Besucher,
die über Nacht dort blieben (z. B. Ninigoleute) aus malariafreien Gregenden
stammten, und erst 1899 ein Händler mit Arbeitern direkt aus dem bösen
Malariaherd Berlinhafen hinübergeholt wurde.
Neben der neu eingenisteten Malaria scheinen noch einige andere
Faktoren mitzusprechen. Die Schilderung des grossen Sterbens weist auf
eine Erkrankung der Atemorgane hin, mir konnten noch gerade zwei
Frauen zugeführt werden, die als die letzten an dieser Krankheit leiden
sollten. Sie hatten neben schwerer Malaria nur heftigen Bronchial-Katarrh,
der Auswurf wies keine Tuberkelbazillen auf. Es scheint aber vielfach un-
gewohnte Erkältung in den malariageschwächten Körpern tötliche Lungen-
entzündungen hervorgerufen zu haben, als die Leute, vom Händler ver-
anlasst, monatelang auf den Riffen um die Insel nach Muscheln fischten,
deren Marktwert im Schutzgebiete plötzlich gestiegen war.
Bewegt sich diese Erörterung mehr auf der Bahn der Vermutung, so
Bind folgende Tatsachen für die Erklärung des Hinsterbens hinzuzuziehen.
Besonders zahlreich sollen die Todesfälle in den Dörfern gewesen sein,
die der Oberhäuptling vor V/a Jahren hatte zerstören lassen, so dass die
bisher an sorgfältig gezimmerte Häuser gewohnten Leute seither in not-
dürftig und unpraktisch hergerichteten Hütten herbergen müssen. Dicht
neben diesen Dörfern an der Ostküste der Insel hatte kurz vor unserer
Ankunft am 28. November 1902 eine Flutwelle die Dörfer Wawalla und
Watsu zerstört. (Die Wirkungen dieser Flutwelle sind aus der Auf-
nahme ersichtlich, die ich später auf der unbewohnten Commerson-Insel
machen konnte.) In einer frisch malariadurchseuchten Bevölkerung müssen
solche Unglücksfälle zu vermehrter Sterblichkeit führen-, hier liegt vor
— 413 —
Auo-en, was von den Hermit-Insulanen] erzählt war. Kommt nun noch
hinzu, dass eine vorübergehende Fülle ererbter Nahrungsmittel von sonst
gewohnter Arbeit ablenkt, und dass die Arbeitskraft von der Handels-
station auf neue Bahnen geführt wird, so muss mit Erschöpfung oder
Überwucherung jener Felder eine gewisse Not auftreten. Ist ferner in
der Periode von Seuchen der Kindersegen auf natürlichem Wege ein ge-
ringerer geworden, so liegt in der Zeit der Not der Gedanke an künst-
liche Unfruchtbarkeit und Kindesmord nahe.
Von anderen Seuchen als Malaria habe ich auf Wuwulo keine Spuren
gesehen. Auch nicht von Syphilis, die Kämbach seinerzeit erwähnt hat1),
falls man nicht doch die Knochennarben des vorliegenden Schädels für luetisch
halten will. Auch Elephantiasis, deren noch Martini gedenkt2), sah ich
nicht; es ist möglich, dass die damit behafteten Individuen ausgestorben
sind. Bei Kindern war einige Male Framboesia und sonst auch, durch
farbige Arbeiter eingeschleppt, die Krätze vielfach zu sehen. Die schnelle
Verbreitung dieses Hautleidens über alle Leute, welche mit der Station
Verkehr haben, zeigt zur Genüge, wie auch die noch leichter über-
tragbare Malaria in einem an Anopheles reichen Gebiete explosionsartig
ausbricht.
Die Insel Durour haben wir nicht angelaufen, überhaupt war, soweit
ich habe erfragen können, noch kein Europäer über Nacht an Land ge-
wesen, so dass diese Wuwulo sonst ganz gleiche Insel noch von Malaria
verschont und noch nicht dem Aussterben verfallen sei.
Es drängt sich natürlich der Wunsch auf, hier Abhilfe zu schaffen.
Der Versuch wird auch bezüglich der Malaria gemacht, indem die Firma
Wahlen in sehr verständiger Weise ihre Angestellten anhält, jeden Fieber-
fall bei ihren Arbeitern und bei den freien Leuten, die sich behandeln
hissen, in Chininkur zu nehmen. Aber für eine systematische Malaria-
bekämpfung müsste ein nur hierfür verfügbarer Arzt mit Hilfspersonal
jahrelang tätig sein und wer wollte für die tausend Wilden die jährlichen
Kosten von 30 000 Mk. tragen?
So ist leider zu befürchten, dass diese wohl über 50 pCt. zurück-
gegangene Bevölkerung von Wuwulo in wenigen Jahren auf dem Aussterbe-
Etat stehen wird, zumal bereits das erste Symptom des Aussterbens, das
wir in Kanied und Agomes kennen gelernt haben, die Kinderlosigkeit
sich bemerkbar macht.
Es wäre die Aufgabe einer Mission, den psychologischen Prozess, der
zur bewussten Selbstvernichtung eines Volkes führen kann, zu kontrollieren
und eventuell aufzuhalten, aber wie seit 8 Jahren der Ruf, den zuerst
Prof. v. Luschan hat erklingen lassen3), diese Ehrenpflicht zu erfüllen,
ungehört verhallt ist, so ist ein verderbliches Zögern zu befürchten, bis
die Mission gerade noch den Letzten der Wuwulo die Sterbesakramente
spenden kann.
Erst nach meiner Rückkehr von dieser Reise nach Herbertshöhe kam
1) Internat. Archiv für Ethnographie 1895, S. Uff. — 2) Marinerandschau L898,
S. 117 ff. — 3) Internat. Archiv f. Ethnographie 1895, S. Uff.
— 414 —
mir das neu erschienene Buch von Blum in die Hände, welches das vor-
liegende Thema von allgemein national- ökonomischen Gesichtspunkten
aus auf Grund grosser Literaturstudien mit glänzender Beredsamkeit be-
handelt1) und die letzten Ursachen des Aussterbens in einem Hinwelken
der Volkslebenskraft sieht.
So verlockend es wäre, auf diese Ideen sowie auf die älteren Arbeiten
Gerlands2) u. a. näher einzugehen, so hüte ich mich doch, die kleinen
gewonnenen Ergebnisse zu verallgemeinern. Nur auf eine Beobachtung
möchte ich zum Schluss noch hinweisen, die meines Wissens zuerst
Dr. Danneil an einer wenig beachteten Stelle veröffentlicht hat3), das&
die Verteilung der polynesischen Rasse über die Südsee sich mit der
Malariafreiheit der einzelnen Inseln deckt. Auch die kärglichsten Er-
nährungsverhältnisse haben die hellfarbige Rasse nicht von der Besiedelung-
abgehalten, aber auch bei üppigster Vegetation hat sie der melanesischen
Rasse Platz gemacht, wenn und weil Malaria sie aufrieb. Viel einfacher
als durch Meeresströmungen wird auf diese Weise die Rassenverteilung'
in der Südsee erklärt. Zur Voraussetzung hatte diese Hypothese, dass
die Polynesier der Malaria bis zum Aussterben unterliegen, während sich
die schwarze Rasse einigermassen damit abfindet. Während für diesen
letzten Punkt Geheimrat Koch im Kaiser Wilhelmsland nachgewiesen
hat4), dass sich die Papuas bis zur Immunität an die Malaria gewöhnen
können, bietet nun Wuwulo das beste Beispiel, wie ein ungewolltem
Experiment, für die These von der Empfänglichkeit und der Empfindlich-
keit der Polynesier für Malaria.
Nachtrag.
Das Kaiserliche Reichs-Marineamt hat mir gütigst erlaubt, in die Be-
richte der Herren Kommandanten S. M. Kriegsschiffe über Reisen in
jenen Gewässern der „westlichen Inseln" Einsicht zu nehmen. Aus den-
selben, besonders aus den Berichten von S. M. S. „Carola", Kommandant
Korvetten-Kapitän Karelier, kann ich einiges Neue nachtragen, was in
der mir zugänglichen Literatur nicht enthalten ist.
Bereits im Jahre 1874 hatte das englische Kriegsschiff „Alacrity" eine
Strafexpedition gegen die Hermit-Insulaner ausgeführt, weil dieselben 1870
einen Handelsschiffskapitän namens Bird ermordet hatten.
Seit jenem Jahre sind die Hermit-Inseln von Schiffen der Firma
Robertson und Hernsheim (jetzt Hernsheim & Co.) regelmässig be-
sucht, seit 187G war ein Agent dort ansässig.
Im Jahre 1882 haben dort nach einem dienstlichen Bericht des
preussischen Konsuls Hernsheim in Jaluit (Marshall-Inseln) 300 bis
400 Papuas gewohnt; ein Rückgang der Bevölkerung wird nirgends er-
wähnt.
Im Anfang desselben Jahres war der schon zwei Jahre lang ansässige
1) Blum: Das Bevölkerungsproblem im stillen Weltmeer. Berlin 1902. — 2j Ger-
land: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig 18G8. — :>) Nachrichten für Kaiser
Wilhelmsland 1898, S. 34. — 4) R. Koch: Berichte der Malaria- Expedition in der
Deutschen medizinischen Wochenschrift 1900.
— 415 —
Händler Southwell von den Eingeborenen getötet, und zwar lebendig
begraben, und seine Arbeiter, Salomons-Insulaner, erschlagen. Am 1. Mai
1882 war der Kapitän Homeyer des Dampfers „Freya" der genannten
Firma beim Anlandgelien erschossen, einige Monate später ein anderer
Dampfer derselben Firma, „Pacific", durch Flintenschüsse zur Umkehr
gezwungen (ungefähr jeder erwachsene Hermit-Insulaner besass damals
eine Feuerwaffe).
Daraufhin wurden S. M. Schiffe „Carola" und „Hyäne" zu einer
Strafexpedition nach den Hermit-Inseln beordert, die sie um die Jahres-
wende 1882/83 vollstreckt haben.
Aus der Beschreibung dieser Strafexpedition ist hervorzuheben, dass
die in den Urwald von Luf geflüchteten Eingeborenen durch einen Unter-
händler erklärten, „sie hätten beschlossen, sich selbst zu töten, wenn sie,
verfolgt, keinen Ausweg mehr wüssten; unter Umständen wollten sie auch
nach Uwe (der Insel „la Bondeuse" zwischen den Hermit- und L'Echiquier-
(iruppen) flüchten, jedenfalls wollten sie sich lieber selbst den Tod geben,
als sich gefangen geben." l)
Es wurden bei jener Strafexpedition 67 Häuser, 54 Kanus und alles
kleine Eigentum zerstört, 20 Gewehre und viel Munition erbeutet, aber
nur zwei Mann und eine Frau getötet.2)
Im März 1883 war S. M. S. „Carola" wieder in der Hermitgruppe
und bekam 25—30 Männer sowie 10 — 12 Weiber in friedlichem Verkehr
zu Gesicht; einige Hütten waren wieder im Bau.
Von den Anachoret-Insulanern heisst es in denselben Berichten 1882:
„sie scheinen im Aussterben zu sein, da sie nur noch wenig Kinder auf-
bringen und Lungenkrankheiten unter ihnen stark aufräumen. Ihre Zahl
wird im Ganzen auf 90 geschätzt."
1) Dieser damals spontan geäusserte Entschluss lässt auf einen heroischen Volks-
charakter schliessen, dem später nach -wiederholten Schicksalsschlägen die Durchführung
einer bewussten Selbstvernichtung wohl zuzutrauen ist. — 2) Unmittelbar gab also dieser
Strafvollzug keinen Anlass zum Aussterben.
— 416 —
4. Der Bronzesichelfund von Oberthau, Kr. Merseburg-.1)
Von
Hubert Schmidt.
Im Juli des Jahres 1903 erhielt das Kgl. Museum zu Berlin durch Hrn.
Th. Apel auf Rittergut Ermlitz, Kr. Merseburg, Kenntnis von einem Depot-
funde von Bronzesicheln, der in einer Kiesgrube des genannten Gutes im
Frühjahr 1902 gemacht worden war. Herrn Apel, der selbst erst viel
später Nachrichten von dem Funde erhielt, sind folgende Notizen darüber
zu verdanken. Die Sicheln sollen in einem Tongefässe 1V4 m tief beim
Sandgraben gefunden worden sein. Nach den Aussagen der Arbeiter,
die das Tongefäss zerschlagen haben, sollen auch Ringe und Beile aus
Bronze dabei gelegen haben, über deren Verbleib jedoch nichts in Er-
fahrung gebracht werden konnte. Der Fundort liegt auf einer „Ober-
thauer Aue" genannten Feldmark, 1V2 km von Oberthau, Kr. Merseburg,
entfernt. Hr. Apel hat die Sandgrube untersucht und bis auf eine Reihe
von Scherben, die mit dem Funde in keinem Zusammenhange zu sein
brauchen, nichts mehr feststellen können.
Der Fund besteht aus 40 Bronzesicheln, und zwar 36 mehr oder
weniger gut erhaltenen und 4 Bruchstücken. Zwei gut erhaltene Exemplare
sind als Geschenk des Herrn Apel in den Besitz des Kgl. Museums ge-
langt. Die Mehrzahl (26) der vorhandenen Stücke zeichnet sich durch
Guss- oder sogenannte „Fabrikmarken" aus, d. h. Zeichen oder Figuren,
die in der Gussform als Negativ vorgezeichnet waren und am fertigen
Guss sich als erhabene Linien oder Rippen darstellen. Sie bestehen in
Parallelrippen, Winkeln oder Bogen, die teils einzeln für sich, teils in
verschiedenartigen Kombinationen verwendet werden. Angebracht sind
sie am Griffende, also da, wo sie am wenigsten durch den häufig wieder-
holten Schliff der Schneide oder die Abnutzung des Geräts überhaupt zu
leiden haben. Über ihre Bedeutung soll weiter unten ausführlicher ge-
handelt werden.
Was die Form der vorliegenden Sicheln betrifft, so sind sie grössten-
teils halbkreisförmig nach unten gebogen; in der Minderzahl sind solche,
deren Spitze sich verjüngt und nach oben richtet, wodurch die Konturlinien
einen eleganten Schwung erhalten. Fast alle haben sie längs des Rückens
eine dachförmige Verstärkung, die sich am Griffende zu einem beinahe
senkrechten Zapfen erhebt. Nur ein leider unvollständiges Exemplar ge-
hört einem anderen Typus an (Fig. 1): es ist mondsichelförmig, hat keinen
1) Vortrag, gehalten in der Sitzung vom '.». Januar 1904.
— 417 —
senkrechten Zapfen, sondern einen seitlichen, am Rande sitzenden zungen-
förmigen Vorsprung, von dem abwärts das längere Griffende sich ausdehnt,
in der Regel laufen auch Längsrippen, einzeln oder doppelt, vom Griff-
ende nach der Spitze zu; an sie setzen sich die Gassmarken an. Doch
ziert diese Plastik immer nur die Oberseite der Sicheln, ihre Rückseite
ist eben und glatt.
Durch das häufige Vorkommen der Gussmarken — auf 26 unter 40
Exemplaren — erhält der Fund von Oberthau seinen besonderen Wert.
Die einfachsten von ihnen setzen sich aus Rippen zusammen, die parallel
zum Querrande am Griffende laufen. Es finden sich so der Dreistrich
(Fig. 2, in 4 Exemplaren vorhanden) und der Fünfstrich (Fig. 3, in 2
Exemplaren vorhanden). Hier läuft bei dem abgebildeten Exemplar die
mittlere Längsrippe bis an die Schneide herunter. In anderen Fällen
führt diese Eigentümlichkeit zu einer Vereinigung von Längsrippe und
„Gussmarke", indem das Ende der Längsrippe zugleich eine Parallelhasta
der Gussmarke ist; so ergeben sich ebenfalls Dreistrich und Vierstrich
(Fig. 4 und 5, erstere in 3 Exemplaren vorhanden). Die Längsrippen
mg. i. Fig. 2.
können auch bis an den Rand des Griffendes in einer abwärts gehenden
Richtung durchlaufen (Fig. 6), ohne dass „gussmarkenartige" Rippen hin-
zutreten.
Eine andere Art von „Gussmarken" entsteht dadurch, dass eine zweite
Gruppe von Parallelrippen an die erste links, im Winkel gegen sie ge-
richtet, also im Zickzack, sich anreiht ; auch dabei kann natürlich die
Zahl der Hasten variieren. So tritt der Zweistrich zum Sechsstrich (Fig.
7 u. 8) oder der Vierstrich zum Fünfstrich (Fig. 9), oder der Füufstrich
zu einer einfachen Strichmarke, deren Strichzahl wegen der mangelhaften
Erhaltung der Sichel unbestimmt ist (Fig. 10) ; derartige, im Zickzack
gegen einander gestellte Strichgruppen sind bei den Sicheln Fig. 11 und
12 zu dreien vorhanden. Bei dem letzteren Exemplar kommt noch eine
einfache, rein dekorativ wirkende Zickzacklinie hinzu, die an die Längs-
rippe angefügt wird : auch ist zwischen der ersten und /.weiten Gruppe
von Parallelrippen noch eine Vertikalhasta eingefügt.
Wie der einstrichige Zickzack wird auch der Bogen verwendet und
zwar in der Dreizahl (Fig. 13, 2 Exemplare und 1 Fragment vorhanden)
und Vierzahl (Fig. 1 I, 1 Exemplar und ein etwas zweifelhaftes Bruch-
Btück vorhanden; neben dem Fünfstrich. Eine Variation zu diesen Mustern
ergibt sich durch Anfügen eines Häkchens an der linken Seite des Fünf-
strichs (Fig. 15). Ein grösseres hakenförmiges Anhängsel am Vierstrich
— 418 —
ohne sonstige Zusätze zeigt Fig. 16. Vereinzelt steht das Zeichen von
Fig. 17 : eine vom Zapfen ablaufende, auf der Längsrippe vertikal stehende
Querhasta mit 2 vertikalen Seitenrippen. Unvollständig sind die Parallel-
rippen bei Fig. 18, was vielleicht auf einem Gussfehler beruht.
Formen und Technik der Bronzesicheln.
Um über die Bedeutung dieser Guss- oder Fabrikmarken ins Klare
zu kommen, werden wir uns Formen und Technik der Bronzesicheln
vor Augen zu führen haben, freilich bei der überreichen Fülle des bekannten
und noch nicht bekannt gemachten Materials mit Beschränkung auf das
Notwendigste, um den Rahmen eines Aufsatzes nicht zu überschreiten.
Fisr. 3.
Fisr. 4.
Fis. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fisr. 9.
Bronzesicheln gehören, wenn es sich nicht um Einzelfunde handelt,
in der überwiegenden Zahl der Fälle zu den Depotfunden; verhältnis-
mässig selten sind die Grabbeigaben. Im einzelnen wird über ihr Vor-
kommen und die Datierung noch weiter unten zu sprechen sein.
Was ihre Form betrifft, so hat man hier und da versucht, eine Typen-
reihe aufzustellen, teils ohne die wesentlichen Merkmale herauszuheben,
teils ohne das gesamte Material zu übersehen. E. Chantre (l'äge du bronze
I 65 ff. II 125) unterscheidet 5 Typen : faucilles ä bouton, f. ä talon, f. ä
languettes, f. ä rivets, f. ä cotes transversales. Andere x) — und sie sind
1) E. Dcsor in Desor et Le Favre, le bei äge du bronze lacustre en Suissc 1874
S. 22. Scli u im an ii, Halt. Stud. N. F. IV 1900 S. 148; Die Kultur Pommerns in vor-
geschichtl. Zeit S. .".!» f. Vgl. Evans, Bronze Implements S. 194 ff. Lindenschmit
Altert, uns. heidn, Von. I. 12, 2. tfemble, Horae ferales 8. L62 ff. KEoftillet, Musee
prehistorique pl. LXX u. LXXVIII (schliesst sich enger an Chantre an).
— 419 —
in der Mehrzahl — unterscheiden „Knopf-" und „Lochsicheln". Richtig
ist es, die Art der Befestigung des Griffes zum unterscheidenden Merk-
male zu machen. Aber nicht immer sind der „Knopf" (bouton) oder das
„Loch" (rivet), oder der Absatz (talon), oder die „languettes" oder gar
die Querrippen (cötes transversales) bei den damit gekennzeichneten Formen
vorhanden. Ich ziehe es vor, mit Rücksicht auf die Technik, auf die
Art der Befestigung des Griffes, aber auch mit Bezug auf die Verbreitung
der Sicheln 4 Typen zu unterscheiden. *)
I. Sicheln mit langem, schräg oder vertikal ablaufendem Griffende
(„Lochsicheln", "Flachsicheln").
II. Sicheln mit kurzem Griffende („Knopfsicheln").
III. Sicheln mit hakenförmig umgebogenem Griffende.
IV. Sicheln mit Schafttttlle.
Fig. 10.
Fie:. 11.
Fig. 1;
Fi". 13.
Fiff. 14.
Typus I hat gewöhnlich rechts am äusseren Rande — die Sicheln
sind in der Regel für den Gebrauch der rechten Hand eingerichtet —
einen etwa halbkreisförmigen Ansatz (Ferse, talon) in einiger Entfernung
vom untersten Rande des Griffendes; dieser ist wohl zu unterscheiden
von dem meist abgebrochenen Gusszapfen, der auf der Höhe der Sichel-
wölbung in der Mitte des äusseren Randes seine Ansatzspuren hinterlassen
hat; wahrscheinlich diente der seitliche Ansatz zur besseren BetY-stimmu
am Griffe, sei es, dass er in das Holz desselben verzapft wurde, sei es,
dass er sichtbar blieb und vielleicht einer umgewickelten Schnur einen
Halt bieten sollte (vgl. unten über die Holzgriffe).2)
1) Ausgeschlossen von der Untersuchung bfeibt die Form des Gartenmessers, 'las
auch an der Spitze sichelartig gebogen, aber breiter ist, z.B. Linden seh mit. Altertümer
uns. heidn. Vorzeit 1 L2, "_' Nr. 3 (ans Winterlingen in Württemberg). Lindenschmit, I).
röm. germ. Zentralmnsenm Tf. XLVIII, 4'.» (aus Hallstatt). Montelius, Civil, prim. en
Italie B. p. <>'.» Fig. G (aus dem Depotfunde von S. Franeesco bei Bologna).
•_'i Z. B. mit Ansatz: Hampel, A Bronzkor Emlekei Magvarhonban I 15, 1; 95;
32. •_,:'.; 89, 12; 108, LI; 152, 1!». II 154,17; L57, 11-17: 158, 6. 7. III 204, L2; 209,26;
233, 28. Mucb. Kunsthistor. Atlas Taf. XXXIV, 1 — Ohne Ansatz: Hampel I 152, 5.
Mitteil. Bosn. Heraeg. 1893 8. 36ff. Rg. •_'. Keller, Pfahlbauten, 6. Bor. Tat. IX. 41;
7. Ber. Taf. IX, 33. Cervinka, Morava za praveka S. !■">■"> Fig. 1.2; Taf. 36, 7. 8. Ph<>t.
— 420 —
Nicht selten lässt sich aber auch das Fehlen dieses Ansatzes kon-
statieren, ohne dass der Typus eine Veränderung zu erleiden hat. Ebenso
unwesentlich, wenn auch vielfach vorhanden, ist auf der Bahn des Griff-
endes ein Loch, seltener zwei, oder gar drei1); sie waren gewiss für
Nägel bestimmt, die durch Holz und Bronzegriff getrieben wurden. Sie
können aber auch diesen Nägeln ihren Ursprung verdanken; denn es ist
sehr wahrscheinlich, dass sie nicht durch und mit dem Gusse entstanden
sind (die Gussformen wenigstens schliessen das aus), sondern überhaupt
sekundäre Bedeutung haben und jedesmal erst bei der Befestigung des
Holzgriffes durchgeschlagen wurden. Ob das immer geschah, müsste im
einzelnen Falle nach den Gebrauchsspuren an der Sichel entschieden
werden. Jedenfalls fehlt das Loch vielfach; ich möchte also die für
diesen Typus eingeführte Bezeichnung „Lochsichel" nicht für alle Fälle
als zutreffend anerkennen.
Fig. 15.
Fig. 16.
Fig. 17.
Fig. 18.
Fig. 19.
Fig. 20.
Die Klinge der Sichel wird durch Längsrippen verstärkt; der Rücken
selbst hat eine dachförmige Verdickung; parallel zu ihr laufen ein oder
zwei Rippen, die am Griffende divergieren und zur Verstärkung desselben,
besonders an der Seite der Schneide, dienen.2) Ist nur die Verstärkung
des Rückens vorhanden, so gabelt sicli diese am Griffende in zwei, drei
Album (1. Berliner Ausstellung 1880. VII, Taf. 1, IG; 12, 92. Prähist. Blätter 1899, Taf. I.
Fundberichte aus Schwaben 1890 S. 31 Fig. 1. Nass. Annalen 1897 S. lff. Fig. 10. 11.
E. Chantrc, Tage du bronze pl. XI, 2. — Besondere Bedeutung muss ein horizontal
abstehender, langer Dorn an derselben Stelle haben: Hampel I 14, 8.
1) Berliner Museum für Völkerkunde II, 10063 aus Golssen, Kr. Luckau.
2) Z. B. Hampel I 99, 1; 107, 21; 152, 11. II 154, 15. Mitteil. Bosn. Herzeg. VI
144, Fig. 22. Montelius, Civ. prim. en Italie B pl. L9, 3; 09, 7. 12. Keller, Pfahl-
bauten 3. Bcr. Taf. V, .'SO; G. Ber. Taf. IX, 11. Nachr. über deutsche Altertf. 1895 S. 16
Fig. 3. Schles. Vorzeit VI 303 Fig. 1. 10; 372 Fig. 8. Üervinka a. a. O. S. 155 Fig. 1. 2.
Phot. Album d. Beil. Ausstellung a. a. O. Altbayr. Monatsschrift I 15511'. Fig. 8. Fund-
berichte aus Schwaben a. a. O.
— 421 —
und mehr Rippen1), welche durch Kerben oder sonstige Vertiefungen2)
gegliedert werden können, um den Widerstand bei der Verzapfung im
Holzgriff zu erhöhen.
Das Nützliche wird aber auch mit dem Schönen verbunden; so kommen
geometrische Figuren mehr dekorativer Art auf die Bahn des Griffendea
in die Zwischenräume zwischen den beiden Randrippen, teils im Zu-
sammenhange mit diesen8), teils unabhängig von diesen als frei erfundene
Muster.*) Eine Übersicht über diese dekorativ gewordenen Verstärkungs-
rippen gewährt Fig. 27.
.Mit Bezug auf die Stellung des Griffendes zur Sichelschneide Hessen
sich noch Variationen und Übergangsformen unterscheiden; von Belang
Fig. 21.
Fig. 22.
Fig. 23.
Fig. 24.
Fig. 25.
Fi<r. 2G.
würde aber nur sein auf der einen Seite das mehr oder weniger senkrecht
abfallende, abgesetzte Griffende an der mehr oder weniger gewölbten
Schneide (Variation a Fig. 19. 20), andererseits eine mehr halbkreisartige
Gesamtform, bei der Schneide und Griffende ineinander übergehen
1) Z. B. Hampel 1 SO, 12; 152, 1. 3. 5. 19. 22-25. II 154, 14. 16. 17; 158, G. 7:
l.V.i, 17. 18; HÜ, 7-9. III 192, 7. 9. 10.21; 209, 2G. Mitteil. Bosn. Herzeg. I 36 Fig. 1. 2;
IV 181 Fig. 42. 43; VI 144f. Fig. 21. Zeitschr. f. Ethnol. 1900, Verhandl. S. 540 Fig. 5.
Schles. Vorzeit VI 3(53 Fig. 4. Cervinka a. a. O. Taf. 3G, 7. 8. Fundber. a. Schwaben
a. a. 0.
2) Z. B. Hampel I 14, 5. G; 15, 3; 99, :'». 5-7. II 154, 20-24; 157, 18. Mitteil.
anthrop. Ges. Wien 1896 S. 217 Fig. 111. Prähist. Blätter 1897 S. lff. Taf. 1; 1903 S. 17ff.
Taf. II 14. 15.
3) Z. B. schwalbenschwanzartige Verbindung der Längsrippen: Hampel I 15, 2;
96. 22. 23; 99, 9. L3; 152, I. 7. 9. 15. 21. II 154, 19. III 192, 1. 13. 14. Mitteil. Bosn.
Herzeg. I 36f. Kg. 3. Prähist. Blätter 1903 S. 17 ff. Taf. II, 15. — Schwalbenschwanz mit
parallelen Querrippen: Hampel I 99, 10; 152, 8. III 233, 28. — Kurzer Parallelstrich:
Hampel III 192, 6. I. 20; 214, 27.
4) Z. B. gahelförmig: Hampel III 192, 5. — T-förmig: Hampel I 152, 20. —
Y-förmig: Hampel I 99, 2; L52, 13. III 210,21. — Mitteil. Bosn. Herzeg. I 36£ Fig. 10.
— Keilförmig: Hampel I 99, 15. — Zweigförmig: Hampel I 99,8; III 210,17: 23G, 11.
239, 12. — Kreuzförmig: Hampel III 233, G. — Verschiedenartige Einzelmuster: Hampel
I 14, 7. III 210, 21. Koller, Pfahlbauten, 7. Per. Taf. IX, 33.
— 422 —
(Variation b Fig. 21. 22). Nach diesem Gesichtspunkte können vielleicht
lokale Unterschiede gemacht werden, wie wir weiter unten noch sehen
werden. Selten findet sich eine Abweichung von der Halbkreisform bei
Variation b1), in dem die Spitze der Sichel sich emporrichtet, eine Eigen-
tümlichkeit, die beim Typus II häufiger ist.
Unter den Sicheln unseres Fundes ist der Typus I und zwar in der
Variation b nur durch ein einziges, leider nicht vollständig erhaltenes
Exemplar vertreten (Fig. 1).
Typus II lässt sich nach den übrigen Stücken des Apel'schen Fundes
gut charakterisieren (vgl. Fig 2 — 18). 2)
Fast durchgehend ist ihm ein ca. 1 cm hoher aufrecht stehender Zapfen
(„Knopf" oder „Dorn") am äussersten Griffende der Sichel eigentümlich;
er sitzt in der Regel in der Ecke des verstärkten Sichelrückens und hat eine
kegelartige Form mit kreisrunder Basis. Vereinzelt finden sich Ausnahmen,
indem der Zapfen mehr nach der Schneide zu verschoben ist3) oder eine
Fig. 27.
längliche bügelartige Form mit Querstellung am Griffrande hat4) (Fig. 31
bis 33). Auch das Fehlen des Zapfens5) und die Verdoppelung desselben6)
gehören zu den Ausnahmen. (Vgl. darüber unten noch mehr.)
Bemerkenswert ist es noch, dass im Unterschiede zum vorigen
Typus der Gusszapfen in der Regel unmittelbar neben dem „Knopf" am
Griffende zu suchen ist.
1) Z. B. Schles. Vorzeit VI 370 Fig. 7; .'372 Fig. 8. Lindenschmit, Altert, unserer
heidnischen Vorzeit I 12, 2 Fig. 7.
2) Die Form der Sichel kann mehr oder weniger gekrümmt sein, teils halbkreistörmig,
teils nach der Art der Messer mehr flach oder sogar mit aufgesichteter Spitze und ge-
schwungener Schneide. Wie weit wir berechtigt sind, in diesen Unterschieden die Merkmale
verschiedener, auch chronologisch oder lokal getrennter Variationen zu sehen, soll erst
weiter unten entschieden werden.
3) z. B. Pfahlbauten des Lac du Bourget (Savoyen) bei E. Chantre, l'äge du
bronze pl. LVI, 2—4.
4) z. B. im Depotfunde von Vernaison (Rhone) bei E. Chantre a.a.O. pl. XXXV
1. 3. 4. Depotfund von Edington Burtle (Sommerset'shire) bei Evans, Ancient Bronze
Irnplements S. 197 Fi-. 233;
5) Im Depotfund von Larnaud (Jura) bei E. Chantre a.a.O. pl. XLI,1.
G) Evans a. a. O. Fig. 232. Diese Sichel weicht auch technisch insofern von allen
übrigen ab, als der Gusszapfen an der Sichelspitze sitzt; vgl. darüber noch unten.
— 423 —
Von einer Griffbahn, wie beim vorigen Typus, kann bei diesem nicht
die Rede sein. Bei der Befestigung des Holzgriffes spielte offenbar der
Metall zapfen die Hauptrolle; denn vom Griffende seihst konnte diesem
Zwecke nur ein sehr kleiner Teil dienstbar sein. Bei den abgebildeten
Exemplaren habe ich durch ein kleines Kreuz die Stellen bezeichnet, las
zu denen von der Spitze aus die Abnutzung der Schneide durch den Schliff
bemerkbar ist; der Rest, eventuell sogar noch weniger, blieb für die Bin*
falzung in den Holzgriff übrig.
Höchst auffallend ist es nun, dass gerade an diesem Ende die sogen.
Gussmarken sieh befinden; denn sie müssen teilweise oder auch ganz von
dem Holzgriff verdeckt gewesen sein, ein Umstand, der für ihre weiter
unten zu erörternde Bedeutung von Belang sein wird.
In der Literatur finden wir Typus II in der Regel als „Knopfsichel" ein-
geführt, eine Bezeichnung, die meines Wissens auf Lindenschmits Be-
schreibung (Altertum, unserer heidn. Vorzeit I, 12 zu Taf. 2) zurück-
zuführen ist.
Typus III gehört zu den im beschränkten Masse verbreiteten Sonder-
formen. Die Spitze dieser Sichel ist immer nach unten gebogen, das Griffen de
dagegen hakenförmig emporgerichtet, wahrscheinlich auch zur Befestigung
des Griffes.
Die Klinge ist breit und nur am Rücken durch eine Längsrippe ver-
stärkt. Sonstige plastische Zutaten sind mir bei diesem Typus nicht be-
gegnet. Als Beispiel diene Figur 23.
'Typus IV mit Schafttülle ist noch seltener als der vorige und auf
einzelne Gegenden beschränkt.
Schon hier sei erwähnt, dass er mir nur aus Italien1) Schweiz2) und
( irossbritannien8) bekannt ist; die englischen Sicheln fallen überhaupt aus der
Entwicklungs- und Typenreihe heraus und sind als singulare Formen von
gewiss nur lokaler Bedeutung zu betrachten (Fig. 24).
Auch unter dem unten genannten Depotfund von St. Francesco ist
eine Sichel mit Schaftlappen4) oder Rändern, wie sie die bronzenen Rand-
celte haben, singulär.
Von der Technik der Bronzesicheln können wir uns auf Grund der
mehrfach vorkommenden Guss formen eine genügende Vorstellung
machen.
Bei Typus I — III sind die Rück- oder Unterseiten immer flach und
ermangeln jedes plastischen Details. Für diese Typen kann man also
einen Guss in einer einzelnen Negativform voraussetzen. Dem entspricht
es auch, wenn bei allen, mir bekannt gewordenen Gussformen für die
Typen I — III die Stiftlöcher fehlen, welche beim Guss mit zweiteiliger
Form, beim sog. Kastenguss, zur Verbindung der beiden Teilformen
1) In Italien finde ich ihn nur im Depotfund von S. Francesco (Montelius. civ. priniit.
en Italie B pl. 69 Fig. LO. 11).
2) Erwähnt von Heierli (Urgeschichte der Schweiz S. -2-20) aus dem Pfahlbau von
€orcelettes als „seltener".
:'.) Evans, Ancient Bronze Implements S. 19S f. Fig. 334—238.
4) Bei Montelius a. a. 0. Fi£. '•'.
— 424 —
dienten, wie sie z. B. bei Formen für Messer, Schaftlappencelte, Schmuck-
werk aller Art und dergl. üblich sind.
Gussformen für Sicheln der Typen 1— III sind also immer einteilig
(Fig. 25, 26). Anders natürlich für Typus IV, da mit Schafttüllen als
Hohlräumen versehene Geräte nur in zweiteiliger oder verlorener Form zu
giessen möglich ist. Daher können bei Typus IV beide Seiten der Sichel-
klinge gegliedert und profiliert sein, wie das auch bei den englischen
Sicheln dieses Typus der Fall ist (vgl. Fig. 24). Im übrigen aber sind
alle zweiseitig profilierten sichelförmigen Geräte von den eigentlicheu
Sicheln zu unterscheiden und als Sichelmesser zu bezeichnen. Der Unter-
schied von Sichel und Messer lässt sich auf die Technik zurückführen:
für diese sind zweiteilige, für jene einteilige Gussformen üblich.
Doch kann bei den Typen I— III das Verfahren nicht nach der Art
des offenen Herdgusses gewesen sein. Dagegen sprechen die Guss-
Fiff. 28.
Fisr. 29.
Fig. 30.
zapfen und dementprechend bei den Gussformen die Eingussrinnen.
Diese konisch sich verjüngenden Vertiefungen sitzen bei den italischen
Formen für Sicheln mit senkrecht abfallendem Griffende (Typus Ia)
an der linken Seite desselben. x) Davon unterscheiden sich in
der Regel die Formen für Typus Ib: die Gussrinnen sitzen hier an dem
oberen Rande der Form, ziemlich in der Mitte der Sichelwölbuug. 2) An
derselben Stelle findet man vielfach bei den gegossenen Exemplaren des
Typus I b die Bruchstellen vom abgebrochenen Gusszapfen, der bei un-
fertigen Exemplaren sogar noch in situ erhalten ist. Solche technischen,
in den Gepflogenheiten des Gussverfahrens begründeten Unterschiede
werden bei der Frage der Herkunft der Sichelformen gewiss in Betracht
gezogen werden müssen.
Bei den Formen für die Typen II laufen die ebenfalls sich ver-
1) Montelius, Civ. prim. en Italie B pl. 17, 2 (Terrainare von Gorzano, Prov. Mo-
dena); pl. 11, 18 (Terramare von Castione, Prov. Parma).
2) Depotfund von Freghera, Prov. Como bei Montelius, Civ. primit. en Italie B pl.
29, L2 (unter ■ > verschiedenen Gussformen). Aus dem Pfahlbau von Mörigen 2 Formen
bei Heierli, Urgesch. d. Schweiz S. 225 Fig. 211 a, b; vgl. Fig. 25, 26).
— 425 —
engenden Kinnen an der linken Seite, also umgekehrt wie die Guss-
zapfen bei den gegossenen Originalen, auf die eingebohrten Löcher der
hohen Zapfen oder Knöpfe zu. *)
Die einzigen, mir bekannten Gussformen für Typus III 2) haben die
Eingussrinne am oberen Rande wie der Typus I.
Solche Kinnen haben m. E. keinen Zweck beim offenen Herdguss.
Sie erklären sich nur bei der Annahme, dass zu den einteiligen Negativ-
formen noch ein glatter Deckstein gehört, der auf primitive Art durch
Umschnüren festgehalten worden sein mochte. Eine Verzapfung desselben
war überflüssig, da er für die Formgebung der Bronze keine Bedeutung
hatte. Nur so erklären sich bei den oben genannten italischen und
schweizer. Gussformen zugleich mehrere feine Kinnen, welche vom Rande
des vertieften Negativs bis an den Rand des Formsteins hinführen : es
sind Luftlöcher zur bequemeren Abfuhr der in dem verdeckten Negativ
Fier. 31.
Fig. 32.
Fig. 33.
Fig. 34.
vorhandenen Luft. Auch sie würden für den offenen Herdguss überflüssig
sein. Angesichts dieser Gussrinnen und Luftlöcher wird man also nicht
daran zweifeln können, dass unsere Formsteine wirklich für den Bietall-
guss auch verwendet worden sind.
Gelegentlich der Technik noch ein Wort über die Griffe und ihre
Befestigung. In den Pfahlbauten der Schweiz sind mehrfach Holz griffe
1) Formstein für 5 Sicheln, 3 auf der einen, 2 nebst Ring auf der anderen Seite,
aus Liebenwalde Kr. Niederbarnim (Brandenburg") : Ztschr. f. Ethnol. 1900 S. 540 Fig. 6.
Gussform für eine Sichel mit dreistrichiger Marke unter 5 verschiedenen Formsteinen aus
Müncheberg (Brandenburg) abg. Phot. Album d. Berl. Ausstellg. 1880 Sekt. IV Tf. 11
Nr. 11. — Gussform v. Buckow Kr. Lebus (Brandenburg) im Auz. f. Deutsche Vorzeit XIV.
L861 S. :'>:">. — Ungarische Gussformen, z. T. zugleich mit dreistrichigen Marken bei
Hampel a. a. 0. 1 2, I : .">, 4. — Für den weiter unten genannten Fund von Grosseuhain
im Kgr. Sachsen Linie eine in der Nähe gefundene Gussform in Betracht (Mittig. d.
Kgl. sächs. Ver. z. Erforsch, d. Vaterland. Altert. 1857 S. 28.
_' Gefunden zugleich mit gegossenen Originalen und anderen Bronzegegenständen
unter den Überresten einer Gusswerkstätte aus der Umgegend von Odessa: Ztschr. f.
Ethnol. 1898, Verhdl. S. 114 f. Fig. 10. — Aus dem Kaukasus, gefunden in Novo-Rossisk
(Abkhazie) bei E. Chantre, Recherches anthropologiques dans le Caucase I pL V. _'.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901 Heft 3 u. 4.
- 426 -
gefunden worden; *) ihre eigenartige Form ist merkwürdig durch Ein-
arbeitungen für ein bequemes Aulegen der Finger der rechten Hand. Es
ist das Verdienst von Y. Gross, diese Holzgriffe als Sichelgriffe zuerst
erkannt zu haben.2) Allem Anschein nach sind sie nur für Sicheln des
Typus I bestimmt. Darauf weisen die seitlichen Löcher am oberen Teile,
welche nur von Nägeln herrühren können, also zur Befestigung von „Loch-
sicheln" dienen; ferner zeigt die Abbildung bei Mortillet a. a. O. 858^1
im Längsschnitt 2 vertiefte Rinnen, welche den Längsrippen am Griffende
der Bronzesicheln entsprechen; auch das trifft nur für Typus I zu. Die
Sicheln bei Gross (les Protohelvetes Tf. XX 5, 7) haben eine gegen den
Griff abgesetzte Schneide; diesem Absatz entspricht an dem äusseren
Rande der zungenförmige Ansatz; beide dienen dazu, wie a. a. O. Fig. 5
zeigt, dem Holzgriff einen Widerstand entgegen zu setzen.
Bei Typus II muss die Yerzapfung der Sichel im Holzgriff eine andere
gewesen sein; ich denke mir, dass der hohe Zapfen ganz im Holz ein-
gebettet war. Formale Bedeutung hat er jedenfalls nicht gehabt. Auch
in späterer Zeit, nachdem die bronzezeitlichen Formen und Techniken
längst verschwunden waren, finden wir einen solchen hohen „Griffdorn"
bei einer Sichel aus dem Eisendepotfunde von Körner, Kr. Gotha, der der
ersten römischen Kaiserzeit zuzuweisen ist.3)
Mit der Frage der Technik hängt aber auch die der Bedeutung
der sogenannten Guss- oder Fabrikmarken zusammen. Es ist mir
kein Fund bekannt, in dem so viele „markierte" Sicheln vereinigt wären,
als in dem Ap eischen; also bietet gerade er eine passende Gelegenheit,
auf diese Frage näher einzugehen.
Auf Grund der obigen Behandlung der verschiedenen Typen und der
Beschreibung der Ap eischen Sicheln im besonderen werden wir solche
„Marken" bei beiden Typen I und II zu suchen haben. Die Antwort
auf die Frage nach ihrer Bedeutung ist schon oben durch die Erörterung
über die Merkmale des Typus I angebahnt. Die Veranlassung zur Aus-
stattung der Griffbahn mit „Marken" oder „Zeichen" ist ursprünglich ohne
Zweifel technischer Art gewesen; sie dienten dazu, wie die einfachen
Längsrippen, das Griffende zu verstärken.
Die oben (Fig. "27) zusammengestellte Reihe solcher Griffenden ver-
anschaulicht die Leichtigkeit, mit der die einfachen Längsrippen figürlich
umgestaltet oder durch besondere Zeichen ersetzt werden können. Die
Beispiele gehören alle zu Sicheln des Typus Ia.
Auf diese Weise könnte sich nun die Sitte, Guss- oder Fabrikmarken
auf dem Griffende anzubringen, eingeführt und eingebürgert haben. Auch
rinden sich vielfach Übereinstimmungen der gewählten Figuren unter den
1: In Corcelettes, Mörigcn, Chevroux: Keller, Pfahlbauten. 7. Bericht S. 14 Tf.
VII, 1. V. Gross, Los Protohelvetes pl. XX, ö. Heierli, Urgeschichte der Schweiz
8.277 Fig. 302. Weitere Abbildungen: Desor et Le Favre, Ee bei äge du bronze
lacustre cn Suissi' IsTI s. 22. Evans, Ancient Bronze Implcments S. 19G Fig. 231; E.
Chantrf, Page du bronze II 125 Fig. 28. Mortillet, Mus. prehist. pl. LXXVIII, 858.
2) An/., f. Schweiz. Altertumskunde II '122.
3) A. Götze, Zeitscbr. f. Ethnol. 1900 8. 204 Fig. 8 (Bcrl. Mus. f. Völkerkunde).
— 427 —
verschiedensten Funden, wie die obigen Beispiele, im besonderen die aus
Ungarn, zur Genüge zeigen. Aber es wäre überaus schwierig zu beweisen,
dasa Sicheln mit gleichen Zeichen oder Marken aus derselben (Üesserei
stammten. Eher würde man sich mit der Erklärung dieser /eichen als
Ornamente begnügen können, obgleich sie vom Griffe in der Regel ver-
deckt waren; sie hätten dann nur für den Yerschleiss der gegossenen
Produkte eine Bedeutung gehabt. Das wäre auch verständlich; denn wie
die Depotfunde beweisen, sind Sicheln, wie andere Geräte, ohne die Holz-
griffe in den Handel gekommen. Doch fehlt die Notwendigkeit einer
Solchen Erklärung. Notwendig sind die Kippen wirklich nur für die Ver-
stärkung des Griffendes gewesen.
Noch eine andere, aber auch technische Erklärung legen kleinere
Querrippen nahe, die sich ebenfalls beim Typus I auf der Höhe der
Sichelwölbung zwischen den parallelen Längsrippen in der Zahl von
'2 — 4 nebeneinander und bei mehreren Längsrippen auch untereinander
linden. Solche Sicheln sind besonders zahlreich in den Schweizer Pfahl-
bauten ans Tageslicht gekommen;1) aber auch anderswo fehlen sie nicht.2)
Auffallend ist es, dass die ungarischen Typen diese Eigentümlichkeit nicht
zeigen. Hier kann aber von Zeichen oder Marken gewiss nicht die Rede
sein. Da diese Querstriche immer gegetiüber dem Gusszapfen sitzen,
könnten sie vielmehr mit dem Gussverfahren im Zusammenhang stehen;
sehr wohl können sie dann den Zweck haben, die Gussmasse gerade an
der Eingussstelle schneller abfliessen zu lassen. Beide Arten von Rippen
aber finden ihre schlagendsten Parallelen in den zahlreichen Beispielen
von anderen Bronzegeräten, die Olshausen in seinem trefflichen Aufsatze
über die Technik antiker Bronzen (Ztschr. f. Ethnol. 1885 Yerhdlg.
S. 410 ff.) mit grosser Sachkenntnis behandelt hat.
Vom Typus II wird dasselbe gelten können, wie vom ersten. Auch
hier musste, vielleicht in noch höherem Masse, das Bedürfnis vorliegen,
das Sichelende zu verstärken, da es in die dünne Schneide unmittelbar
überging. Teils liess man die Längsrippen bis zum unteren Sichelende
ablaufen (Fig. <i) ''), teils vervielfältigte man diese Abläufe durch Parallel-
pippen (Fig. 4, 5), beides Vorgänge, die sich in ganz analoger Weise auf
den Griffbahnen des Typus I beobachten Hessen, teils brachte man getrennt
von den Längsrippen besondere Querrippen in verschiedener Zahl an der-
1) Keller, Pfahlbauten. 1. Ber. Taf. V, 11, 15: 7. Bor. Tf. IX. 33. Desor et Le
Favre, le bei äge du brdnze lacustre S. -22 Fig.39. Mortillet, Mus. prellist. pl. LXXYJII,
857. V. Gross, les Protohelvetes pl. XX, 8; ebenda Nr. G mit winkelförmig be-
stellten Strichgruppen.
2; Schlesien, Depotfund vonProtsch: Schles. Vorzeit VI 370 Fig. 10. Bayern,
Depotfund von Pullach: Altbayer. Monatsschr. I 1899 S. 155 ff. Fig. 8. Aus dem Rhein
bei Mainz: Lindenschmit, Altert, uns. heidi). Vorzeit I 12, 2 Nr. 1 1.
3) Ämter«' Beispiele: Montelius, Antiquites Suedoises Tf.55,ljB3. Lindenschmit,
d. röm. germ. Zentralmnaenm Tf. XI. VIII. 52. üampel a, a. 0. 1 89, 11. Mit Ablauf
und einem winkelförmigen Zwickelmnster: BerL Mus. t. Völkerk. 1 f. 568 aus Rietz bei
Beizig, abg. Kemble, Bora« letales S. L62 iV. Tf. X. 20.
- 428 -
selben Stelle an (Fig. 2, 3). *) Auch hier führte der Wunsch nach Ab-
wechselung oder reine Dekorationslust zur reicheren Gliederung und
Musterung, ganz unbekümmert darum, ob diese teilweise oder ganz dem
Blicke durch den später anzubringenden Holzgriff entzogen wurde : Man
stellte die Parallelrippen im Zickzack2) (Fig. 7, 8, 9, 10, 11, 12), fügte
Winkel oder Zickzack- und Bogenmuster oder sonstige Anhängsel an
diese an (Fig. 12 — 16) oder half sich, wie es ging (Fig. 17). Aber auch
unabhängig von den Parallelrippen wählte man Einzelmuster 3) oder suchte
nach Art der Flächenverzierung, wie auf den mitunter schön verzierten
Messerklingen, sogar die Klinge als solche zu dekorieren. 4) Freilich ist
es auf den Sicheln immer bei gegossenem Zierrat geblieben; eine kost-
barere Ziertechnik lohnte sich bei gewöhnlichem Ackerbaugerät nicht.6)
Herkunft und Yerbreitung der Sicheltypen.
Auf die Frage nach der Herkunft und Verbreitung der behandelten
Sicheltypen geben uns die fraglichen Gussmarken gewiss keine Antwort.
Die gleichen Muster finden sich in den verschiedensten Gegenden, ohne
dass die Annahme, die mit gleichen Marken versehenen Sicheln hätten sich
durch Handel von bestimmten Zentren aus verbreitet, im mindesten ge-
rechtfertigt wäre. Vielmehr sind Bronzesicheln gewiss in den verschiedensten
Gegenden in eigenen Gusswerkstätten angefertigt worden, und grade des-
wegen müssen die Übereinstimmungen in den ,, Gussmarken" aus rein
technischen Ursachen sich erklären lassen. Est ist bisher meines Wissens
überhaupt noch nicht der Nachweis gelungen, dass zwei oder mehr Sicheln
sich so gleichen, dass mau zur Annahme gezwungen wäre, sie seien aus
derselben Gussform hervorgegangen, etwa in demselben Sinne, wie man
von gestanzten Metallreliefs diese Behauptung aufstellen kann. Keller, der
gewiss einen zuverlässigen Überblick über einen geschlossenen Fabrikations-
kreis, den der Pfahlbauten, gehabt hat, muss versichern, soviel er auch
Sicheln gesehen habe, dass nicht zwei Exemplare mit derselben Gussform
verfertigt worden sind.6) Selbst da, wo wir, wie bei dem Ap eischen
1) Vgl. Einzelne Bandrippe : S. Müller, Ordning of Danmark3 Oldsager. Bronze-
alderen pl. X, 147. Zweistrich: ebenda 146. Dreistrich: Schles. Vorzeit VI, 370
Fig. G. E. Chantre, a. a. 0. pl. XXX (Poype, Isere). Hampel I 107, 24, 25, 27.
Pünfstrich: Niederlaus. Mittig. III 1894 S. 45 Tf. II, 14. E. Chantre pl. XII, 2;
XXVIII, 1. Hampel I 14,2. Sechsstrich: E. Chantre pl. XXVII, 2. Siebenstrich:
Chantre pl. XXX. — Abweichend von der gewöhnlichen Art oberhalb des von seiner
gewöhnlichen Stelle verschobenen Zapfens aus dem Pfahlbau vom Lac du Bourget
(Savoyen): E. Chantre pl. LVI, 3.
2) E. Chantre pl. XXX.
3) Einfache Zickzacklippe am Griffende: E. Chantre pl. XIX, 2. Mortillet,
Mus. prrdiist. pl. LXXVIII, 854. Horizontal gerichteter Winkel am Zapfen von ab-
weichender Form: Evans, Bronze-Implements S. 197, Fig. 293.
4) Am grössten Teile der Längsrippe hängende Bogenreihe: Lindenschmit, Altert.
uns. heidn. Vorz. I 12, 2 Nr. 11.
5) Ausnahmsweise 2 roh eingeschlagene Querfurchen am Griffende aus Wasser-
burg, Kr. Beeskow-Storkow. Berl. Mus. f. Völkerkunde II 1 1 570. Das sind aber keine
Ornamente !
(')) Mittig. der antiquar. Gcsellsch. in Zürich IX S. '.)<».
— 429 —
Funde, in einem geschlossenen Depot zahlreiche Übereinstimmungen der
„Gussmarken" gefunden haben, ist es unmöglich, aus derselben Gussform
hervorgegangene Stücke zusammenzustellen.
Bei alldem muss aber die geringe Zahl der bisher bekannten Guss-
formen für Sicheln sehr auffallen, da sie in keinem Verhältnis zur
grossen Zahl der Gussstücke selbst steht. Man wird annehmen müssen, dass
in den meisten Gussstütten ein Verfahren üblich war, bei dem man der
festen Steinform nicht bedurfte. Der grössten Wahrscheinlichkeit nach
hat man sich also zur Herstellung der Sicheln der immer schnell her-
zustellenden Sandform bedient. Für sie war jedes beliebige Sichel-
exemplar als Modell verwendbar und mit dessen Hilfe der Guss aufs
leichteste auszuführen.
Anders freilich hat man sich gegenüber der Frage zu verhalten, ob
die Haupttypen bestimmten Ursprungsgebieten zuzuweisen sind. Darauf
abzielende Versuche sind auch gelegentlich gemacht worden. Schumann1)
unterscheidet westeuropäische (Lochsicheln) und nordische (Knopf-
sicheln) und glaubt, dass die letzteren, wenn sie in der Schweiz auftreten
aus dem Norden importiert sind. Das ist meines Erachtens beides nicht
7Ai treffend.
Mit Rücksicht auf das Verhältnis von Typus I zu Typus II könnten wir
reine und gemischte Zonen unterscheiden.
Unter den Funden aus den Terramaren und Pfahlbauten Oberitaliens
kommt, soweit mir das Material durch die Literatur bekannt werden
konnte, ausschliesslich Typus I vor. Und zwar ist hier die Variation a
mit der senkrecht abfallenden Griffbahn besonders beliebt (Fig. 19 — 20) 2),
Die andere Variation b ist mir aus Italien nur von der Gussform aus
dem Depotfunde von Freghera, Prov. Como, ferner aus den Depotfunden von
Casalecchio, Prov. Forli, und St. Francesco bei Bologna3) bekannt, scheint
also einer jüngeren Periode der Bronzezeit und dem Beginn der Eisenzeit
eigentümlich zu sein. (Letztere abg. Fig. 28.)
Mit der Terramarekultur ist aber der Typus Ia bis an die Küsten
des jonischen Meeres weiter südwärts gegangen. In Tarent beim Scoglio
del Tonno haben sich unter dem für die östliche Gruppe der ober-
italienischen Terramaren charakteristischen, keramischen und bronzenen
Formenvorrat auch Sicheln des genannten Typus gefunden. (Fig. 29.)*)
Auch hier unterscheidet sich diese archaische Sichelform sehr deutlich
von den jüngeren Bronzesicheln, die schon der ersten Eisenzeit angehören
und die Übergangsformen zu den aus Eisen verfertigten darstellen;8) die
1) Baltische Studien N. F. IV 1900 S. 148 und Schumann, Kultur Pommerns in
vorgeschichtl. Zeit S. .".'.»f.
2) Typus Ia: Kellers Pfahlbauten .">. Per. Tf. II 6. 7. Montelius, Civil, prim. en Italie
B pl. 19,3 (Montale, Prov. Modena); pL 5,10 (Peschiera im Gerdasee); pL l. 5,5 (Campeggine,
Emilia); pl. ,">.">, 14 (Einzelfund. Beg»io Emilia). Gussformen: Montelius a. a. 0. pl. 1 I. 18
(Castione, Prov. Parma); pl. 17,2 (Gorzano, Prov. Modeua): vgl. oben zur Technik.
3) Typus Ib: Montelius a. a. 0. pl. 29, 12, 30, II. 69, 7, 12.
■1 Pigorini, Pullet, d. paletnot ital. XXVI S. 16 Fig. B.
5) Aus dem Depotfunde von Manduria. Bullet, paletn. ital. XXIX 108 f. Taf. VIII
— 430 —
oben beleuchteten Merkmale der bronzezeitlichen Sicheln sind an ihnen
bereits sämtlich verschwunden.
In der Schweiz, wo die Pfahlbauten zahlreiche Sicheln geliefert
haben, überwiegt ganz entschieden Typus I mit der Variation b (Fig. 2.1.
22.26). währenddie Variation a mir daher nicht bekannt geworden ist.1)
Doch kann man die Schweiz nicht als seine Zone betrachten, da auch.
Sicheln des Typus II, wenn auch in in beschränktem Masse, vorkommen.2)
Das bestätigt Heierli in seiner Urgeschichte der Schweiz (S. 277), unter-
scheidet aber die Pfahlbaufunde von den Landfunden, insofern er unter
den letzteren die Knopfsichel häufiger beobachtet hat.
Auch Keller (Pfahlbauten 7. Ber. S. 14) macht beim Pfahlbau von
Mörigen in Bezug auf das Verhältnis der beiden Haupttypen die Be-
obachtung, dass unter 30 Stück nur eine vom Typus II sich befindet.
In keinem Falle sollte man aber die vorkommenden Vertreter des-
Typus II als Importstücke betrachten.
Iu Ungarn überwiegt zwar ebenfalls Typus I und bietet, wie wir
gesehen haben, gerade für die Frage der Gussmarken auf Sicheln dieses
Typus ein reiches Material, aber das Verhältnis der beiden Haupttypen
verschiebt sich doch so sehr zu Gunsten des Typus II, dass. wir auch
Ungarn zur gemischten Zone rechnen müssen.3) Aber auch hier sind
die „Knopfsicheln" keineswegs importiert, sondern in einheimischen Guss-
stätten verfertigt worden, wie die mehrfach gefundenen Gussformen be-
weisen (vgl. oben S. 115. Anm. 3).
Für Typus I sind mir zwar Gussformen aus Ungarn nicht bekannt,
doch kann bei der Häufigkeit des Vorkommens von Sicheln gerade dieses
Typus an ihrer ungarischen Herkunft nicht gezweifelt werden. Übrigens
beobachtet man an diesen Sicheln das Bestreben, die Griffbahn von der
Sichelklinge scharf abzusetzen, also eine Annäherung an den Peschiera-
Typus.*) Ein recht charakteristisches Beispiel bietet Fig. 30.
Wo der Ursprung dieser Variation a zu suchen ist, in Italien oder in
Ungarn, wird sich aus der weiter unten zu behandelnden Chronologie er-
geben.
1) Keller, Pfahlbauten 1. Ber. Tf. V, 14,15; 3. Ber. Tf. V, 30; 6 Ber. Tf. IX, 33.
V. Gross, Protohelvetes Tf. XX, 5— S. Ullrich, Katalog d. Sammlg. d. antiqu. Ges. in Zürich
S. 88 nr. 1741g. Mortillet, Mus. Prehist pl. LXXVII1, 856. 857. Heierli, Urgesch. der
Schweiz S.211, 217. 223. 229. — Gussformen bei Heierli S. 225 Fig. 211 ab.
2) V. Gross a. a. 0. pl. XX, 3. Mehr nach Art der "Winzennesser: Keller, Pfahl-
bau^.n 8. Ber. Tf. II 33: Hl IC 17.
3) Die beiden Typen verteilen sich, wie folgt: Typus I: Hampel 1 14, 5—8; 15, 1 — 3;
95, 22. 23; 99, 1—16; 117, 5-17; 118, 1-9. 11; 125, 31—44; L52, 1-28. 11 152, 1-28;
154, 15 -24; l.Y>, 9-16; 157, 14-20; 158, 6-7; 15!), 17. IS; 164, 7—9. III 192, 1-22;
L95, L9-24; 2(»5, 1 21; 206, 21. 22: 209, 26; 210, 14-35; 214, 22-30; 235, 11, 12;
236, 9 12: 239, 1-15. Typus II: Hampel I '.»•"», 20: 111, 5-10. :!7; 120, 11-19.
II L56, 9-19; ICO, I. Gemischte Funde mit Typus I und II: Hampel I <S'.), 11. 12;
107, 21 : 2:; -27; los, H:32-39; 116,25:24.26; 122,29-54. 11143,12:13—18; 147,
33-38:1-32; 17:;, 11 : lo. 12. III 201, 10—12. 11. 1."». 19:13, IC. 17. 18; 23:'. (unter
36 Fragmenten nur zwei, Nr. IC. 25, vom Typus II).
4) Vgl. Hampel 1 11, 5; 1. .J: 89, 12; !>(.>, 1. 6. 7. lo. II. III L92, 7 u. a. m.
Demgegenüber kann ich nur wenige Beispiele anführen, bei denen die Art der Variation t>
vorwiegt: I L07, 21: II 157, 11-20; Ul 204, 10; 205. 206. 209, 26.
— 431 —
Unter den ungarischen Funden füllt nun eine dritte Sichelform auf,
die von allen übrigen Typen abweicht und oben als Typus III abgesondert
wurde (Fig. 23). *) Charakteristisch für sie ist das hakenförmige Griffende
(vgl. oben S. 1 l:>). Obgleich es nicht zweifelhaft sein kann, dase in Ungarn
auch Sicheln des Typus I und II angefertigt wurden, pflegen die ungarischen
Prähistöriker den Typus III als eine ungarische Spezialität „die eigen-
tümliche Form des ungarischen Bron/.e^ehietes, welche sich ausschliesslich
in dieser liegend entwickelt hat"*), oder mich als Biebenbürgischen
Typus3) zu bezeichnen.
Dass er zu gleicher Zeit mit den beiden anderen Typen im Gebrauch
war, beweisen Depot- und ( lussstüttenfunde, in denen er mit einem der-
selben oder mit beiden vereinigt vorkommt.4) (Vgl. darüber noch unten.)
Keinesfalls kann er aber in bezug auf Häufigkeit des Vorkommens
den beiden anderen Typen die Wagschale halten. Dazu kommt, dass er
nicht auf Ungarn beschränkt ist, sondern ausserhalb seiner Grenzen, in
Südrussland "), Kaukasus6) und Polen7) sich vorfindet. Die unten genannten
Gussformen liefern gar den Beweis, dass diese Typen in Südrussland und
im Kaukasus auch angefertigt wurden. Ebenso können freilich auch die
ungarischen ( iusswerkstütten eigene Formen für diesen Typus im Gebrauche
gehabt haben; aber dass er in Ungarn seinen Ursprung hatte und von
dort aus weiter nach Osten verpflanzt wurde, lässt sich nach dem Stande
der Dinge nicht aufrecht erhalten.
Diese Beziehungen zwischen Ungarn einerseits und Südrussland und
dem Kaukasus andererseits sind lehrreich und beweisen, wie man auch
mit Ackerbaugeräten Kulturgeschichte treiben kann. In dieser Hinsicht
stellen sich die Bronzesicheln an die Seite der viel älteren kostbaren,
goldenen Hängespiralen, deren Typen bestimmt ungarischer Herkunft sind
und von da aus nach ihrem zweiten Fabrikationszentrum, dem Kaukasus.
1) Hampcl I 15, I. 5; 95, 22—24; 118, 10. U 148, 1-13 (neben Typus I und II:.
2) Ortvay, Mitteil, anthrop. Ges. Wien 1887. XVII. 3!».
3) Nach üainpel ..erdely typus".
h Gussstättenfund von Bodrog-Kcresztür, Koni. Zemplen: Hampcl I 95, 24 (neben
Typus I und II). — Depotfund von Ker, Korn. Somogy: Hampel I 118, in (unter zahl-
reichen Vertretern des Typus I). — Grosser Giessereifund aus Espänlaka, Kom. Also Fejer-'
Hampel II 148, 1—13 (neben zahlreichen Sicheln des Typus I und II). — Gussstätte von
Szent-Erzsebet Koni. Szeben: Hampel I 15, I. 5.
5) Unter Grii sereifunden aus der Umgegend von Odessa bei Martin. Zeitschr. für
Ethnologie X.W 1898 Verhandl. Ulf. Fig. 5— 7; zur Gussform Fig. LO vgl. oben S.115.
Ferner Aspelin, Antiquites du Nord Fiuno-Ougrien pl. 82, 360; 83, 369 (Cherson, Ekate-
rinoslav und Krim). Ans der Gegend des Dniepr: Collection Khanenko, Antiquites de la
.region du Dpiepr I pl. IX. 5b,
6 Aus Kabarda l>ei E. Chantre, Recherches anthropologiques dans le Cancase
pl. VI, 1. Aus Bekeschew bei Mortillet, Mus. prebist. pl. I. XX VI II. 862 (M. hält diesen
Typus irrtümlicherweise für jünger als die anderen). — Kino Gussform s oben S. li">
Anm. I.
7) Aus dem Polnischen Nationalmuseum im Schlosse von Rapperswei] am Züricher
See bei R. Forrer, Antiqua L885 Taf. 33, I Fundort also zweifelhaft).
— 432 -
übertragen wurden.1) Jedenfalls werden wir den Typus III als südost-
europäischen bezeichnen dürfen.
Aus der sibirischen Bronzekultur, wie man denken könnte, lässt er
sich nicht ableiten. Die sibirischen Sicheltypen sind von allen europäischen
total verschieden.2)
Anders verhält es sich mit den Balkanländern und den angrenzenden
Gebieten an der Nordostküste des adriatischen Meeres, soweit wir hier
die Funde verfolgen können. Gerade die Bronzesicheln aus Bosnien8)
und Istrien4) sind zweifellose Belege für die ungarischen Einflüsse, die
sich südwärts geltend gemacht haben. Sie stimmen so mit den ungarischen
überein, dass man an einen direkten Import aus Ungarn zu denken
geneigt ist.
Verfolgen wir das Auftreten der Bronzesicheln weiter nach Westen,
so können wir ganz Mitteleuropa als gemischte Zone betrachten5),
1) Ausführlich wird über dieses Thema nach einem in der archäologischen Gesellschaft
zu Berlin im Februar 1903 gehaltenen Vortrage in einem besonderen Aufsatze gehandelt
werden.
2) Im Museum von Minussinsk bei Aspelin, Antiquites du Nord Finno-Ougiien
pl. 57. Martin, Ztschr. f. Ethnologie 1893. XXV Verhdl. S. 39 Fig. 12.
3) Einige von den bosnischen Sicheln sind gute Vertreter der Variation a des Typus I;
im übrigen sind nur solche vom Typus Ib vorhanden. Depotfund von Sumetac bei Podz-
vizd, Bez. Cazin: Mitteil. Bosn. Herzog. I 1893 S. 36 ff. Fig. 1—4. 10. Depotfund von
Peringrad, Bez. Zsornik: ebenda IV 189G S. 181 Fig. 42. 43. Depotfund von Motke, Bez.
Visoko: ebenda VI 1899 S. 144 ff. Fig. 21. 22. Einzelfund von einem Gradina von Bobol-
juske, Bez. Petrovac: ebenda VI 1899 S. 141 Fig. 7.
4) Von Muscoli bei Marchesetti, i castellieri preistorici in Trieste e della regione
Giulia 1903 Tav. XI, 21.
5) Ich zähle im folgenden die Funde nach geographischen Gesichtspunkten auf mit
dem besonderen Bemerken, dass ich mich auf die allgemein zugängliche Literatur be-
schränken muss, von dem in Berlin befindlichen Material aber nur auf die königliche
Sammlung Bezug nehme, also in keinem Falle auf Vollständigkeit des vorhandenen Materials
Anspruch machen kann.
Böhmen.
Siehe Richly, Die Bronzezeit in Böhmen Typus I: Taf. I, 4; II 6—8 (Berin).
VII, 4 (Taus). XII 21. 22 (Krendorf). XV, 4 (Kolin). XXXI, 3 (Rejkovice). XLV (Rataja).
Typus II: Taf. XIV, 1. 2 (Krupa); Taf. XXXIII, 13 (Smedrov); XXXVI, 12 (Sobenice).
Typus I und II: Taf. XVI, 18. XVII, 44. 46. XVIII, 60. Typus I: XVI, 15 Typus II
(Lhotka). Taf. XXI, 36. 39 Typ. I: 44 Typ. II (Maskovice). Taf. XXII, 1. 3. XXIII, 22.
23. 25 Typ. I: XXII, 9 Typ. II (Sträzi). Bei dem Exemplar von Maskovice (Typ. II) ist
die für Typus I charakteristische Stellung des Gusszapfens auf der Sichelwölbung ab-
weichend. — Dazu kommen Sicheln des Typus Ib aus den sog. Schmelzöfen von Plesivec:
Mitteil, anthrop. Ges. Wien XXVI 1896 S. 217 Fig. 441. 442.
Mähren.
Typus I: Cervinka, Morava za praveku 1902 S. 155 Fig. 1. 2; Taf. 36, 7. 8 (ohne
Ansatz). Typus II: Cervinka S. 234 Fig. 111. Depotfund von Ungarisch-Brod: Mitteil.
anthrop. Ges. Wien XIV 1S84 Sitzber. S. 36 „Hohlkelte und Sicheln in einem Gefässe".
Ober-Österreich.
Freistadt, bei Richly a. a. 0. Typus I: Taf. III. 1. .!. Typus II: Taf. III, 2.
Kärnten.
Depotfund von Augsdorf: Typen I wie die von Krendorf in Böhmen (Mitteil. d. K. K.
Zentralkoinmission XX 1891 S. 112 f.).
— 433 —
wobei das numerische Verhältnis von Typus I und II ungefähr dem in
Ungarn festgestellten gleicht, bei Typus I aber eine Vorliebe für die
Bayern.
Typus I: Depotfund von Windsbach, Mittelfranken (Eidam, Prähist. Blätter 1897
S. lff. Tai'. T, 2). Depotfund von Pullach bei München (W. M. Schmid, Altbayr. Monats-
schrift I 1899 S. 155 ff. Fig. 8). Typus II: im Spessart zwischen Dürrmorsbach -Strass-
Besscnbach, B.-A. Aschaffenburg (Schumacher, Korresp.-Bl. 1903 S. 99 No. 53). Typus I
und II: Giesserfund von Gunzcnhausen bei Stockheim (Eidam, Prähist. Blätter 1903 S. IT ff.
Tal'. II, 11. 15). Unbestimmter Typus: Depotfund von Horgauergereuth bei Zusmars-
hausen (Beiträge z. Anthrop. u. Urgcsch. Bayerns Bd. 9 S. 1 l'.if. Prähist. Blatt. 1889 8. 44
Taf. IV, 5—7).
Südwest- Deutschi and.
Die südwestdeutseben Funde lassen sich in der Zusammenstellung von K. Schumacher
(Korresp.-Bl. d. deutsch, anthrop. Ges. 1903) gut übersehen.
Württemberg.
Typus I: Dächingen, O.-A. Ehingen (v. Tröltsch, Fundber. a. Schwaben 1S9G S. 31 11.
Fig. 1. 2). Winterlingen, O.-A. Balingen (Fundber. a. Schwaben IV S. 31). Pfef'tingen,
O.-A. Balingen (Edelmann, Prähist. Blätter XI, 17 ff.).
Ho henzollern-Sig marin gen.
Typus I: Paulshöhle bei Beuron (Schumacher S. 9G Nr. 3<i. Lindenschmit,
Altert, uns. heidn. Vorzeit I 12, 2 Nr. 4: D. vaterländ. Altert, a. Sigmaringen Taf. XLI, 4. 5).
Burgstall zwischen Beuron und Friedingen (Schumacher Nr. 37. Edelmann, Prähist.
Blätter 1899 Taf. I, 12).
Baden.
Typus I: Ettlingen (Schumacher S. 95 Nr. 30 Phot. Album VII Taf. 14 Nr. 97).
Dossenheim B.-A. Heidelberg (Schumacher S. 95 Nr. 31 Phot. Album VII Taf. 12 Nr. 92;.
Typus II: Ackenbach B.-A. Überlingen (Schumacher S. 94 Nr. 28). Sichelmesser mit
Knopf aus dem Torfmoore von Bussensee (Bodenseegegend): Antiqua 1885 S. 8G Taf. XX, 7.
Hessen-Nassau.
Typus I: Hochstadt, Kr. Hanau (Schumacher S. 98 Nr. 49. Phot. Album VII
Taf. I Nr. IG). Eibingen bei Rüdesheim (Schumacher S. 99 Nr. 52. Pallat, Nass. Annal.
1897 Fig. 10. 11). Typus I und II: Homburg v. d. H. (Schumacher S. 99 Nr. Ol).
Unbestimmt: Goldgrube bei Niederursel (Schumacher S. 99 Nr. 50).
Hessen (rechtsrheinisch).
Typus I: Gambach (Schumacher S. 98 Nr. 47). Typus II: Maar, Kr. Lauterbach
(Schumacher S. 98 No. 28a). Typus I und II: Ockstadt, Kr. Friedberg (Schumacher
S. 98 Nr. 44 Verhältnis 17::'.).
Rheinhessen.
Typus II: Wöllstein, Kr. Alzey (Schumacher S. 93 Nr. 14a). Typus I und II;
Blödesheim, Kr. Worms (Schumacher S. 92 Nr. 11. Lindenschmit, Altert, uns. heidn.
Vorzeit I 12, 2 Nr. 9. 12). Im Rheine bei Mainz (Schumacher S. 93 Nr. IIa. West-
deutsche Zeitsclir. XVIII L899 S. 404 Taf. G Nr. 2— 7). Unbestimmt: Hangenweisheim,
Kr. Worms (Schumacher S. 92 Nr. 10).
Rheinpreussen.
Typus I: Rummelsheim, Kr. Kreuznach (Schumacher a. a. 0.). Typus II:
Kreuznach (Schumacher S. 91 Nr. 15a).
Lothringen.
Typus I: Niederjeutz, Kr. Diedenhofen (Seh um ach er a. a. 0.). Typus II:
Pouilly, Kr. Metz (Schumacher S. 91 Nr. 4).
— 434 —
Variation b, häufig ohne den seitlichen Ansatz, sich beobachten lässt. In
dieser Hinsicht sind die mitteleuropäischen Formen mehr ähnlich denen
der Schweiz als den ungarischen.
Thüringische Staaten.
Unbestimmt: Deetz, Kr. Dessau (Zeitschr. f. Ethnol. 1894 XXVI Verbandl. §. 328.
Depotfund unter einem Stein: 40 Sicheln, 5 Celte, 6 Lanzenspitzen, 5 Halsringe, 3 Guss-
stücke). Typus II: Riesdorf, Anhalt, Depotfund. Berliner Museum IIb 757 — 759; vgl.
A. Götze, Nachr. über deutsche Altertumsfuude 1896 S. 75 Fig. 1. — Kölbigk, Anhalt,
ebenda II 5799.
Königreich Sachsen.
Über die Funde des Königreichs Sachsen, soweit sie in der königl. prähistorischen
Sammlung in Dresden aufbewahrt werden, bin ich in überaus dankenswerter Weise durch
Hrn. Prof. Deichmüller unterrichtet worden. Der Hauptfund ist hier der grosse Giesserei-
fund von Weissig bei Grossenhain (aus dem Jahre 1853), dessen Inventar in verschiedene
Museen zerstreut worden ist (Grossenhain, Bautzen, Zittau, Freiberg, Leipzig, Berlin); die
Hauptmasse ist nach Dresden gekommen, darunter 50 Sicheln und Bruchstücke von solchen.
(Literatur: K. Preussker, Übersicht der mit der königl. Antiken-Sammlung in Dresden
vereinigten Preusskerschen Sammluug vaterländischer Altertümer 185G (worauf Herr
Deich müller freundlichst verweist). Dazu: Mitteil, des königl. sächs. Vereins für Er-
forschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer, Heft 10. Dresden 1857. S. 2(5 f.
Katalog der prähistorischen Ausstellung in Berlin 1880 S. 5341). Hr. Deichmüller zählt
folgende, weitere Funde aus dem Königreich Sachsen auf: Wildenhain bei Grossenhain
(2 Zierscheiben, 1 Armring, 1 Lanzenspitze, 1 Armspirale, 2 Lappenkelte, 1 Sichel); Laube-
gast bei Dresden (1 grosser Ring mit schraubenförmigen Windungen, 12 Schaftlappenkelte,
IG Sicheln); Tharandter Forstgarten bei Dresden (1 Zierscheibe, 5 Armringe, 1 Bruch-
stück, 4 Armspiralen, 5 Sicheln; vgl. Isis 1899 S. 19 — 22); Koblenz bei Bautzen (9 Hohl-
kelte, 1 Lappenkelt, G Lanzen, 1 Spirale aus Draht, 2 Sicheln und 1 Bruchstück). Die
Typen verteilen sich in folgender Weise: Typus I und II: Weissig bei Grosshain; und
zwar überwiegt hier bei weitem der Typus II, von welchem 20 Stück und 4 Griffenden
vorhanden sind, während Typus I nur durch 2 vollständige, 1 Mittelstück und 3 Griffenden
vertreten ist. Zahlreiche Exemplare des Typus II haben auch „Gussmarken"; auf den
von Hrn. Deichmüller mir freundlichst übersandten Photographien finde ich den Zwei-
strich einmal, den Drei- und Vierstrich mehreremale vertreten, ohne dass die betreffenden
Sicheln aus einer Gussform wären. Laubegast: mit 14 Sicheln des Typus I und 4 Sicheln
des Typus IT. Koblenz: 1 Sichel Typus I, 2 vom Typus IL Typus II: Tharandt und
Wildenhaiu (nach Deichmüller). Ferner aus dem Preuskerschen Nachlasse, also
wahrscheinlich zu dem grossen Funde von Weissig gehörig im Berl. Mus. II 6603ff. ein
Lappencelt und <S Sicheln des Typus IL Ferner Berl. Mus. IIb 5G (Dresden).
Provinz Schlesien.
Vgl. 0. Mertins, Depotfunde der Bronzezeit (Schles. Vorzeit VI). Typus I: Ott-
muchow, Kr. Tost-Gleiwitz (Mertins S. 3G3 Fig. 4). — Karmine, Kr. Militsch, Berliuer
Museum Ie 1313. Typus II: Poln. Peterwitz, Kr. Breslau (Mertins S. 365f ). — Kar-
mine: Berl. Mus. Ie 102. 103 a, b (zu einem Depotfunde gehörig). Andere Berl. Mus. Ie
942. 1128 {Busehen-, Kr. Wohlan); Ie 1178 (Sabor, Kr. Glogau). Typus I und II: Protsch,
Kr. Militsch (Mertins S. 370 Fig. 1. <;. 7. LO. 12). Karinine, Kr. Militsch (Mertins
S. :\l-2 Fig. 8- in.
Provinz Brandenburg.
Typus I: a) Depotfunde: Lehnitz, Kr. Niedcrbarnim (Nachrichten 1895 S. L6 Fi^r- 3).
Dechsel, Kr. Landsberg a. W. Berl. Mus. If HOGlp-v (vgl. Brandenburgia X L902 S.Mlff.).
- lij Einzellunde: Geissen. Kr. Luckau. Berl. Mus. II 10063. Glienicke, Kr. Beeskow
(Zeitschr. f. Ethnol. XXXII 1900, Verbandl. S 540 Fig. 5). Typus II: a) Depotfunde:
Guschter Holländer, Kr. Friedeberg. Berl, Mus [f 2909— 2911 (vgl. Nachrichten 1890
8. 22). Wasserburg, Kr. Beeskow- Storkow. Berl. Mus. II LI 570. Pritzcrbe, Kr. West-
havelland, Berl. Mus. II .".789. Werder. Kr. Zauch-Belzig, Berl. Mus. If 137. Lichterfelde,
— 435 —
Die spezifisch ungarische Sichelform mit Langem Griffende in An-
näherung an <leii Typus Ta ist meines Wissens in der nördlich gelegenen
Zone von Mitteleuropa von geringem Einflüsse gewesen.*)
Einen direkten Import von ungarischen Sicheln, wie in Bosnien und
Istrien, wird man niemals annehmen können. Seihst im Bereiche der
ostdeutschen Buckelkeramik, wo die Annahme von Büdöstlichen Einflüssen
nahe liegen würde, schliessen sich die Sicheln des Typus 1 mehr den in
der Schweiz üblichen Grundformen an. Ob hier die Knopfsichel auf
ungarische Einflüsse zurückzuführen ist. wird die chronologische Sichtung
des Materials ergeben.")
Kr. Oberbarnim lf .'!!>(>. Malcbow, Kr. Njedcrbarnim II 5205 ff. Arendsce, Kr. Prcnzlau,
Berl. Mus. If 199. 200. Petersdorf, Kr. Lebus: 8 Miniatursicheln in einem zylinderförmigen
Tongefässe (Ztschr. f. Ethnol. XXXII 1900, Verhandl. S. 539f. Fig. 3. 4). — b) Einzelfunde
aus dem Berliner Museum für Völkerkunde: Burg, Kr. Kottbus If 58. II 11 197. Itietz,
Kr. Beizig If 568. Guschau; Kr. Sorau If 2247a— c. Grünow, Kr. Angermünde If 2397.
Rehuitz, Kr. Soldin lf 2604; Brunne, Kr. Osthavelland If 3079. Amt Wittstock, Kr.
Königsberg If 3752. Golssen, Kr. Luckau II 10095/96. Freiwalde, Kr. I.uckau II 10094.
Müschen, Kr. Kottbus II 11641. Barnewitz, Kr. Westhavelland If 6204. Ausserdem Forst,
Kr. Sorau lNiederlaus. Mitteil. III 1894 S. 45 Taf. II, 14). — Abzusondern sind sichel-
förmige Winzermesser mit Zapfen im Depotfunde von Arnimshain, Kr. Templin (Nachrichten
1901 S. TTff. Schumann). Typus I und II: Depotfunde von Straupitz. Kr. Lübben,
Berl. Mus. If 1209—1255 (vgl. Ztschr. f. Ethnol. XV 1883, Verhandl. S. 244; alles Brucherz)";
— von Schwachenwalde, Kr. Arnswalde, Berl. Mus. II 3962-3973 (11 Miniatursicheln des
Typus II und ein grosses Exemplar des Typus I), ahg. Bastian und Voss, D. Bronze-
schwerter des königl. Musums zu Berlin Taf III; — Sommerfeld, Kr. Krossen, Berl. Mus.
If 5246ff. (8 Sicheln Typus II und 1 Fragment Typus I); — Seelow, Kr. Lebus. Berliner
Museum II 1392 ff. (1 Sichel Typus I und 1 Typus II).
Provinz Sachsen.
Typus I: Scheint eine grosse Seltenheit zu sein; mir ist nur das oben abgebildete
Exemplar dieses Typus untpr den Apelschen Sicheln bekannt. Typus II: a) Depotfunde:
Elsterwerda, Kr. Liebenwerda, Berl. Mus. Ig 1187—1189 (vgl. Nachrichten 1892 S. 18.52
Schmon, Kr. Querfurt, Berl. Mus. II 6634 6636 (Fund III). Pölzen, Kr. Schweinitz, Berl.
Mus. Ig 1337. Wiepersdorf, Kr. Schweinitz, Berl. Mus. Ig 1352. — b) Einzelfunde:
Kötschen, Kr. Merseburg, Berl. Mus. Ig 1170a, b. Frankleben, Kr. Merseburg, Berl. Mus.
Ig 1179. 1180. Carow, Kr. Jerichow II, Berl Mus. Ig 2806. Reesen, Kr. Jericho* II.
Berl. Mus. II 10583. 10678. 10679. Pölzen. Kr. Schweinitz II 5649. Ausserdem Röder-
berg bei Halle, Phot. Album Sektion VI, Taf. 6, 21.
Provinz Hannover.
Typus II: Aus Hannover kenne ich nur einen, allerdings besonders auffallend grossen
Fund von Sicheln, 1862 auf dem Pitjöckcnberge bei Bösel, A. Lüchow, „im Sande auf
dem Grunde einer Steinsetzung in Form eines Backofens" aufgedeckt (vgl. Kai. d. prahlst.
Ausstellung zu Berlin 1880 S. L83 Nr-59— 73). Ursprünglich umfasste er 93 Exemplare;
von diesen sind nach einer freundlichen Mitteilung des Hrn. Dr. C. Heintzel in Lüneburg,
in dessen Besitz der ganze Fund gewesen ist, nur noch II Stück in seinem Besitz
blieben; die übrigen sind in den Museen zu Hannover und Lüneburg. Anscheinend gehören
alle dem Typus II an. — Ferner Berl. Mus. II 9520 aus Uelzen): 1.1. IS (aus Dannenberg).
Typus Ia: Berl. Mus. II 9518 (aus Eimstorf, A. Bleckede).
h Eine rechte „ungarische" Sichel ist die aus Eimstorf, Prov. Hannover (siehe
8. 125 Anin. : sie bat ein abgesetztes Griffende mit einem Ansatz am Umbruch uud auf
der Griffbahn drei Parallelrippen, in die eine Längsrippe auseinander geht.
•_') Merlin- (Schh Vorzeit VI 364) möchte die aus scblesisclien Funden stammenden
Formen der Loch* und Knopfsicheln in Ungarn nachgewiesen haben. Im Gebiete der
mittleren Rheins nimmt Schumacher [Westd. Zeitsch. XX L901 S. 200 schon für die
— 436 —
Über die westdeutschen, rechts- und linksrheinischen Funde, sowie über
die der westlich angrenzenden Gebiete Frankreichs wird weiter unten aus-
führlicher zu handeln sein.
Xach Norden hin nehmen die gemischten Funde allmählich ab. Die
Einflüsse der südlichen Formen hören schliesslich auf. Als Grenze für
sie könnte man eine etwa durch Berlin gezogene Breitenlinie annehmen.
Von da an beginnt die nordische Zone, in der nur Sicheln des
Typus II vorkommen.1) Aber keine Regel ohne Ausnahme. Im Berliner
kgl. Museum (Kat No. II 6317 — 6321) werden aus Wargen, Kr. Fisch-
hausen (Ostpreusseu) fünf Sicheln aufbewahrt, die ganz und gar unter
ungarischen Einflüsseu entstanden sind: sie haben senkrecht abgehende
Griffenden, seitlichen Zapfen und nur eine Längsrippe, die am Griffende
sich gabelförmig teilt.
mittlere Bronzezeit ein Überwiegen der Typen der Pfahlbautenkultur an, führt
jedoch gerade die Knopfsichel auf östliche Einflüsse zurück, die in dieser Zeit nicht aus-
zuschliessen seien. Vgl. darüber unten.
1) Braunschweig.
Typus II: Depotfund von Watenstedt A. Schöningen: in einem bronzenen
Hängegefässe unter 21 bronzeneu Gegenständen 4 „Knopfsicheln" (Nachrichten 1901
S. 81 ff. Fig. 3. 4).
Mecklenburg.
Typus II: Moorfund von Gross-Dratow nach Beltz, Meklenb, Jahrbücher 54. 1889
S. 103 Tf. II, 5. — Beltz zählt von anderen auf: Moorfund aus der Lewitz, Giesserfund
von Ruthen (Jahrb. Bd. 39, 129), Depotfund von Wieek (Jahrb. Bd. 12. 415). — Ferner
Berl. Mus. IIa 68 (Lübsee, Mecklb, Schwerin).
Provinz Schleswig-Holstein.
Typus II: Nach Splieth, Inventar der Bronzealterfunde aus Schleswig-Holstein
a) Depotfunde: Gr. Buchwald Kr. Kiel (Splieth S. 38 nr. 179 Fig. 59. 60 (Kapein
Kr. Schleswig (Splieth S. 38 nr. 183). Eichede Kr. Stormarn (Splieth S. 64 nr. 300).
Oldesloe Kr. Stormarn (Splieth nr. 301), Techelwitz Kr. Oldenburg (Splieth nr. 302). —
b) Grabfunde: Neuwühren Kr. Plön (Splieth S.30nr. 73 Fig. 60). — Ausserdem c) Einzel-
funde Berl. Mus. Im. 778 a (Sommerstedt Kr. Hadersleben); II 9519 (Itzehoe Kr. Stein-
burg).
Provinz Pommern.
Typus II: a) Depotfunde: Kl. Zarnow Kr. Greiffenhagen (Mcnatsblätt. d. Pomm.
Ges. f. Gesch. u. Altertk. »XIV 1900 S. 74 ff Fig. c. d) Rosow Kr. Randow (Balt. Stud. P, F.
V 1901 S. 9 Tf II 15—23). Nassenheide Kr. Randow (Balt. Stud. N. F. VI 1902 Tf. I 33)
Steinwehr Kr. Greiffenhagen (Monatsblätt, 1897 S 177 f). — Nach Kühne (Ba.lt. Studien
Bd. 33. 1883 S. 311 ff) zähle ich auf: Hökcndorf Kr. Altdamm, Jahnkow Kr. Grimmen,
Koppenow Kr. Lauenburg, Mandelkow b. Bernstein, Treptow a. d. Rega; doch kann ich
über die Typen dieser Funde nichts sagen.
Zu Mandelkow vgl. Phot. Album Sekt. III Tf. 7 (Typ. II). — e) Einzelfunde im Berl.
Mus. Ic 717a. b. miniaturartig(Damcrkow Kr. Bütow); Ic3089 (Rödershorst Kr. Uckermünde);
[c 3249d-g (Warnow Kr. Uckermünde); II 9902 (Greiffenhagen); Ic 1586. 2354. 2355.
3444; II 5162 (alle aus Rügen).
Provinz Posen,
Typus II: a) Depotfund. Schierzig Kr. Meseritz Berl. Mus. I d 1696. — b.) wahr-
scheinlich Grabfund. Starkowe Kr. Bomst. Berl. Mus. I d 874 (zusammen mit 3 Pfeilspitzen
und einem Bronzeknopf in einer Urne gefunden 874a. 877). — Einzelfunde. Berl. Mus.
M 63 (Srodke, Kr. Birnbaum); I d 471 (Starkowo Kr. Bomst); Id 1618 (Owinsk Kr. Posen).
Id. 1 1< m ». im; (Prov. Posen).
— 437 -
Dagegen haben wir in Dänemark und Schweden nur Sicheln des
Typus II gefunden1).
Efl liegt natürlich nahe unter diesen Umständen Typus II als nordischen
zu bezeichnen, aber er hat hier gewiss nicht seinen Ursprung gehabt.
Das ergibt sich aus einer chronologischen Gruppierung der llaupttypen und
ihrer Variationen.
Die Chronologie der Sicheltypen.
Für befriedigende, chronologische Bestimmungen versagen hier freilich
die Grabfunde, da sich unsere Sicheln als Beigaben in den Gräbern
sehr selten vorfinden. Auf Grund derselben kann man im allgemeinen nur
sagen, dass Sicheln durch die ältere und jüngere bezw. jüngste Bronzezeit
im Gebrauche waren. So nennt Undset (Auftreten des Eisens S. 53)
Sicheln, über deren Form wir nichts erfahren, unter den Beigaben auf
einem Gräberfelde von Vokovic in Böhmen. Es gehört in die Zeit
des Ausganges der Hallstattzeit, also in eine Kulturperiode, die mit der
„Knovizer Kultur (der jüngeren Bronzekultur der autochthonen Bevölke-
rung)" zu identifizieren ist.2) Neben den Sicheln ist hier das Auftreten
von Fibeln des sogenannten ungarischen Typus3) bemerkenswert; darüber
soll weiter unten mehr folgen.4)
An die böhmischen reihen sich naturgemäss die schlesischen Funde
aus Urnenfeldern der jüngeren Bronze- oder Hallstattzeit an; sie sind hier
und vielfach auch anderwärts, ebenso wie die Schwerter, als Yotivgegen-
stände „symbolisch" aufzufassen6), d. h. als Miniaturform üblich.
Von Schlesien aus bietet sich der Übergang nach der Provinz Branden-
burg durch die Kultur des sogen. Lausitzer Typus, der gleichfalls die
1) S. Müller, Ordning of Danmarks Oldsager. Bronze alderen Nr. 146. 147. O.Montelius
Antiquites. suedoises Tf. 55, 1S3. Worsaae, Nordiske Oldsager Tf. 34,159. Montelius, Die Kultur
Schwedens in vorchristlicher Zeit 2. Auü. S. 70 Fig. 80. Vgl. S. Müller, Nordische Alter-
tumskunde I S.279 Fig. 140.
2) Nach K. Buchtela, Vorgeschichte Böhmens, S. 38 f.
3) Wie die bei Undset, Etudes sur Tage du bronze en Hongrie, S. 59.
4) Wenig anfangen lässt sich mit dem Fragment einer Bronzesichel von unbestimmtem
[Typus aus einem Hügelgrabe bei Velkä Dobrä (Richly, D. Bronzezeit in Böhmen,
Tf. 52, 24). Wahrscheinlich ist auch die bei Much (Kunsthistor. Atlas Tf. XXV, 12) ab-
gebildete in einem Grabhügel in Skal in Böhmen gefundene Sichel des Typus Ib als
Grabfund zu betrachten.
4) So eine Knopfsichel aus Camoese Kr. Neumarkt (Undset, a. a. 0., S. 70, Tf. X, 5).
Ferner sind zu erwähnen Urnengräber aus Malkwitz Kr. Breslau (Schles. Vorzeit 1899
S. 646); aus Ottwitz Kr. Strehlen (0. Mertins, Schles. Vorzeit 1899 S. 394 Fig. 152),
aus Carolath Kr. Freistadt (Kat. d. prähist. Ausstellg. B. 562 Nr. 110), aus Polgsen
Kr. Wohlau, erwähnt von Büsching, D. Altertümer der heidnischen Zeit Schlesiens,
Tf. VII, 11 ..auf dem Boden einer Urne unter den Gebeinen und der Asche neben einer
Nadel". Der ganze Fund ist nach frdl. Mitteilung des Herrn Direktor Seger im Bres-
lauer Museum vorhanden. Die 21,2 cm lange Nadel hat einen kolbenförmigen, oben
konisch ablaufenden, quer gefurchten Kopf und ist am Halse mit Querfurchen und Sparren-
mustern verziert; die bauchige Urne mit vier zapfenartigen Vorsprüngen im unteren feile
gleicht der bei Undset, a. a. 0., Tf. VIII, 1 abgebildeten ^aus Polgsen* . also wohl
mit ihr identischen, und hat Parallelen z.B. auf dem genannten Gräberfelde von Ottwitz,
a. a. 0., S. 370 Fig. 1 1: 391 Fig. 117.
- 438 -
Hallstattzeit ausfüllt.1) Auch hier ist die „Knopfsichel", wenn auch als
seltene Beigabe, in Gräbern mit Leichenbrand zu finden.2) Zum Teil
rücken diese Gräber bis ans Ende der Hallstattzeit.
Gleichzeitig lassen sich dann weiter in Posen3), Pommern4), Mecklen-
burg5) die Knopfsicheln als Grabbeigaben feststellen.
Bewegen wir uns mit den bisher genannten Grabfunden in der
jüngeren und jüngsten Bronzezeit, d. h. innerhalb der ersten Hälfte des
ersten Jahrtausends v. Chr. Geb., so führt uns ein Fund von Schleswig-
Holstein in die Blüte der älteren Bronzeperiode: es ist ein Skelett-
grab mit Steinpackung von Neuwühren Kr. Plön mit folgendem Inhalt6):
eine Sichel mit abwärts gebogener Schneide vom gewöhnlichen Typus II
(bei Splieth Tf. IV, 60) und ein Bronzeschwert mit breiter Griffzunge
(Tf. III, 37). Splieth setzt das Grab in die zweite Periode, die mit
Montelius II == 1250 — 1050 v. Chr. übereinstimmt, aber wohl mehr der
Mitte des zweiten Jahrtausends v. Chr. anzunähern ist.
Weniger bestimmt sind die Funde aus Süd- und Südwestdeutsch-
land. Ohne nähere Angaben werden Sicheln aus Hügelgräbern im
Köschinger Forst (Niederbayern) und bei Sinzenhof (Oberpfalz) erwähnt. 7)
Zweifelhaft als Grabinventar ist ein Fund im sogen. Römerhügel bei
Kellmünz a. d. Hier von der Fundstelle F, wo drei Sicheln des Typus II
zusammen mit zwei offenen Armbändern, zwei Armspiralen und einer
Pfeilspitze lagen.8) Nicht zu kontrollieren ist eine Angabe im Katal. d.
prähist. Ausstellung 1880 S. 505, Nr. 3 „Kupferne Sichel aus dem Grabe
von Schmerleke" Kr. Lippstadt (Sammig. Schaaffhausen in Bonn). Neuer-
dings ist der Fund einer Sichel des Typus I aus einem Grabhügel bei
Hundersingen (Württemberg) bekannt geworden. Der Hügel enthielt drei
Bestattungen, ein Skelettgrab und ein Brandgrab der älteren Bronzezeit
mit einer Dolchklinge und einer Nadel mit geschwollenem und durch-
bohrtem Halse; das dritte Grab mit Leichenbrand lässt sich nicht zeitlich
bestimmen; über diesem letzteren, ca. 43 cm höher, lag die Bronze-
sichel. Sie ist jedenfalls jünger als die beiden Gräber der älteren
Bronzezeit.
1) Stradow Kr. Calau, wo auch das Bruchstück einer Gussform für eine Sichel
unter den Grabbeigaben erwähnt wird (Niederlaus. Mittigen. 181)1 S. 92ff.); Ratzdorf
Kr. Guben (Katal. d. präbist. Ausstellg. S. 95 Nr. 25b). Sonstige Funde von Lausitzer
Urnenfriedhöfen (Niederlaus. Mittig. I S. 52, 95, 97). Eine Kuopfsichel vom „heiligen
Lande-' bei Niemitzsch s. ebenda I S. 219 Tf. III, 54.
2) Sonstige Grabfunde aus der Provinz Brandenburg: Amt Wittstock Kr. Königs-
berg (Nachrichten 1892 S. 92 Fig. ö; A. Götze, Vor»esch. der Neumark S. 29); Schaber-
nack Kr. Ostpriegnitz (Berl. Mus. If. 478G); Grünow, Kr. Angermünde (Berl. Mus. If. 23!>7).
3) Izdebno Kr. Birnbaum (Ztschr. f. Ethnol. XIV 1882 Vrhdlg. S. 32). Starkowo
Kr. Bomst (Berl. Mus. Id 874, 877). Jüngst fand K. Brunner in Iwno, Kr. Schubin,
eine Miniatursichel in der Knochenurne aus einem Flachgrabe der Hallstattzeit.
4) Zuchen b. Bärwalde |Ztschr. f. Ethn. Vll (26) Tf. III 1-5J.
5) Kegelgräber v. Suckow (Meckl. Jahrb. 1848 S. 309—370), von Sternberg (ebenda
Bd. 38 S. L38).
6) Bei Splieth, Inventar der Bronzealterfunde aus Schleswig-Holstein S. 30 Nr. 73.
7) Katal. d. Berl. Ausstellg. S. 66 Nr. K), 11.
8) Beitr. z. Anthropol. u. Urgesch. Baierns Bd. 8 S. 12 Tf. I, 5-7.
— 439 -
Mehr Material steht mir augenblicklich nicht zur Verfügung.
Immerhin geht aus den gemachter] Angaben hervor, dass «'im' Sichel
vom Typus II etwa während der Zeit von 1500 v. Chr. bis 500 v. Chr.
in Deutschland und den angrenzenden Gebieten Österreichs im Gebrauche
war. Über das chronologische Verhältnis der drei Typen I— III aber er
fahren wir aus den Grabfunden nichts. Für die Bestimmung desselben
sind wir allein auf die zahlreichen Depotfunde angewiesen.
Die Gleichzeitigkeit der Typen I — III beweisen für einen kurz
bemessenen Abschnitt der jüngsten in Frage kommenden Entwicklung
zwei ungarische Depotfunde: die Überreste von Gussstätten in Bodrog-
Keresztiir, Korn. Zemplen (Hampel I 95—96) und in Ispänlaka, Koni.
Alsö-Fejer, Siebenbürgen (Hampel II 144—149). Der erste davon ist
im gewissen Sinne für die Beurteilung der gesamten ungarischen Bronze-
zeit von grundlegender Bedeutung durch 3 darin enthaltene Fibeltypen:
a) eine einteilige einfache Drahtfibel mit einseitigem Spiralgewinde und
einem in eine Spiralplatte auslaufenden „Fussende" (Tf. 95, 2. 3), b) das
Bruchstück einer komplizierteren, einteiligen Spiralfibel von spezifisch
ungarischem Typus mit einer Spiralplatte am „Fusse" und 2 Reihen neben-
einander am Bügel angeordneter Spiralreihen (Tf. 96, 1; vgl. den Typus
Tf. 41, 4 und c) die verzierte Platte von einer Fibel, die nach Art der
zweiteiligen Fibeln mit beiderseitigen Spiralplatten zu ergänzen ist (Tf.
96,7; vgl. den Typus Tf. 39, 2). Von den übrigen Bronzen dieses Fundes
sind ausser den' Vertretern der 3 Sicheltypen I— III (Tf. 95, 20, 22—24)
hervorzuheben: Eine Schwert- oder Dolchklinge (95, 1), Hohlcelte mit Öhr,
teils mit geradem, teils mit ausgeschnittenem Rande (Tf. 95, 2 — 4),
Schaftlappencelte mit mittleren Schaftlappen und Ausschnitten am Bahn-
ende (Tf. 95, 12, 18), Schmalmeissel (Tf. 95, 15), langen Armspiralen
(Tf. 96, 4), Bruchstücke von getriebenen Bronzegefässen (Tf. 96, 8, 9, 10).
Weisen schon die letzteren auf die Technik der Hallstatt-Bronzen,
so sind die Fibeln von prinzipieller Bedeutung für eine grosse Reihe
anderer Funde, darunter auch solche mit Sicheln. Es ist das Verdienst
von Szombathy, x) schon im Jahre 1890 die ungarischen Funde der älteren
und jüngeren Bronzezeit geschieden und nachgewiesen zu haben, dass die
zahlreichen, schönen, spezifisch ungarischen Bronzen nach der eigentlichen
mitteleuropäischen Bronzezeit einzureihen und der älteren Phase der
Hallstattkultur gleichzustellen sind und dass die ungarischen Bronzen
nicht der Ausgangspunkt für die europäischen Bronzealterstypen sein können.
Die Grundlage für diese Auffassung war eine von ihm schon vorher (im
Jahre 1889) geübte Kritik2) an den Ansichten l'ndsets3). der die ungarische
Fibel (einteilige) als die Mutter der nordischen (zweiteiligen) betrachtet
wissen wollte. Diese Kritik gipfelte in dem Nachweise, dass der zwei-
teilige Typus in Österreich (Gemeinlebarn) älter sei, als die ungarische.
1) Mittig, anthrop. Ges. Wien XX L890 Sitzber. S. L3 IV.
2) Korrespbl. d. d. anthropol. Gesellseh. 1889 S. 17'.». Mittig. anthropol. Gesollsrh
Wien t889 S. 1 IT.
3) Undset, Etudes sur V&ge du brunze cn Hongrie S. 71 IT.
— 440 —
einteilige Fibel, die durch ihre Parallelen in Österreich, Böhmen, Schlesien
und Posen als Hallstattypus erwiesen sei. *)
Beide Fibeltypen haben wir in dem Funde von Bodrog-Keresztür
vereinigt. Dadurch erhält dieser seine Zeitstellung und zwar werden wir
die schon barocke Form b mit den angefügten Spiralreihen in eine spätere
Periode der jüngsten, von Hallstattformen beeinflussten, ungarischen Bronze-
zeit versetzen dürfen, eine Verschiebung, welche die Form c auf Grund der
oben aufgezählten ostdeutschen Grabfunde sehr wohl vertragen kann.
Noch zahlreicher sind die 3 Sicheltypen in dem Funde von Ispänlaka
(Hampel II 147—148), dessen sonstiges Inventar (Tf. 144— 149), Lanzen-
spitzen, Schwert- und Dolchklingen, Pfeilspitzen, Hohlcelte, Schaftlappen-
celte, verzierte und glatte Gürtelbleche, Pferdetrensen, verzierte Nadeln,
verzierte und glatte offene Armringe, tordierte Armringe, auf dieselbe Spät-
zeit weisen. 2)
Diese beiden Depotfunde können vorbildlich für die Einordnung
einer Reihe von übrigen ungarischen Funden mit Sicheln sein. Zunächst
schliessen sich an sie weitere Depots mit Fibeln an.8)
Auf die entwickelte Hallstattkultur weisen ferner verzierte Bronze-
bleche mit figürlichen Darstellungen aus dem Schatzfunde von
Rinyaszentkiralyi, Kom. Somogy (Hampel III 214, 215), in dem der
Sicheltypus I (Tf. 214, 22—30) vertreten ist: Das -Hauptstück dieses
Fundes ist ein ovales Blech, verziert in der Punktmanier mit einem Rande
von 3 Punktreihen, durch gleiche Längs- und Querreihen in 2 Felder
geteilt, die gefüllt sind durch je ein Radmuster, auf dem und unter-
halb dessen je ein Wasservogel, in der gleichen Punktmanier aus-
geführt, steht.
1) Szombathy ist meines Wissens auch der erste, der den Ursprung der Fibel, ihre
Entstehung aus der einfachen Gewandnadel mit Schnur zur Befestigung der Gewandfalte
richtig erkannte. Doch ist es A. Voss vorbehalten geblieben, die Verschiedenheit der
beiden Typen, der einteiligen und zweiteiligen, aus ihrem Ursprünge zu erklären, insofern
die einteilige Fibel die umgebogene Nadel ist, bei der zweiteiligen dagegen die Nadel
ihre ursprüngliche Bedeutung behält und der Bügel mit den Spiralenden der ursprüng-
lichen Schnur gleichkommt (vgl. Ztschr. f. Ethnol. XXX 1898 Verhdlg. S. 216 ff.) Neuer-
dings hat Hadaczek (Jahreshefte d. Österreich, arch. Inst. VI 1903) die Frage im
Zusammenhange mit griechischen Fibeln berührt und richtig beurteilt, ohne von seinen
Vorgängern zu wissen.
2) Einen Randcelt (Tf. 145,15) werden wir gleichsam wie „altes Eisen" anzusehen
haben.
3) Komjäth, Kom. Lipto (Hampel I 120,-121; darunter Sicheln Typus I (120,10),
II (120, 11 — 19), Fibelform b, Radnabe mit einem von Hallstattvögeln verzierten Stift,
Hohlcelte mit ausgeschnittenem Rande, getriebene Bronzegefässe) — Läziirpatak, Kom.
Bereg (Hampel I 108, 109; darunter Sicheln Typus I (108, 41), Typus II (108,31—40),
Fibelfragment vom Typus Tf. 43, 1 — 2, Hohlcelte mit geradem und ausgeschnittenem
Rande). — Gyermel, Kom. Komarom (Hampel I 159; darunter Sicheln Typus I
Nr. 17, 18); Fibeln: 2 gut erhaltene Formen b und eine echte Hallstattfibel mit zwei
Spiralen und Kettengehänge) — Kurd, Kom. Tolna (Hampel III 210—213; darunter
Sicheln Typ. I, dreierlei Fibeln: Form b (213,32—30), Bruchstücke wie Tf. 43, 1, 2 und
Form c wie Tf. 39, 2; Hohlcelte, Schaftlappcncelte, Zierscheiben, zahlreiche Ringe, auch
tordierte (212,17) grosses Bronzegefäss (Tf. 211,1). — Ker, Kom. Samogy (Hampel I
I [8 mit Sicheln des Typus Ia und III.)
— 441 —
Dio für alle diese jüngsten Depots charakteristischen Hohlcelte mit
ausgeschnittenem Rund«' finden wir ferner in der Gussstätte von Domahida,
Com. Szatmär (Hampel I, 122 — 124), die von Sicheln nur Fragmente der
Typen 1 und II (Taf. 122, 28 — 54), dagegen eine statt lieh«- Zahl der ent-
wickelten Bronzeäxte in drei Typen (Tat'. 123, 124) geliefert hat.
Alle die genannten Funde würden, in dem von Reinocke1) auf Ungarn
übertragenen und angewandten chronologischen System seiner IV. d. h. letzten
Periode (XII — IX. Jahrhundert v. Chr.) zuzuweisen sein. Von den drei
Phasen, die er innerhalb der Periode unterscheidet, würden für unsere
Funde nur die beiden älteren in Betracht kommen. Wir müssten sogar
noch weiter hinauf in das Ende der III. Periode, wohin er die einfache
Drahtfibel (in der obigen Aufzählung Form a; bei Reinecke Taf. IX, 5)
weist, während die Form b mit doppelter Spiralreihe am Bügel in der
mittleren Phase der LY. Periode im Gebrauche gewesen sein soll. Dass
bei dieser Trennung und Gruppierung mehr das System, als die Frage
der Gebrauchsdauer der einzelnen Typen berücksichtigt worden ist, zeigt
unser Fund von Bodrog-Keresztür, in dem beide Fibeltypen mit der
zweiteiligen Spiralplattenfibel vereinigt sind.
Wir haben also die genannten ungarischen Funde durchaus der ent-
wickelten Hallstattkultur anzunähern, wenn nicht überhaupt ihr zuzu-
weisen.
An ältere Traditionen dagegen knüpfen die Funde von Nagydem,
Com. Veszprem (Hampel III, 195) und von Piricse, Com. Szabolcs
(Hampel III, 192) an, deren Sicheltypen auffallenderweise der Variation a
des Typus 1 entsprechen. Zwar findet sich bei ersterem auch schon der
typische Hallstattvogel (Taf. 195, 18), doch gleichen die Schwerter von
Nagydem (Taf. 195, 12 — 14) dem Naueschen Typus Ba, das von Piricse
den Naueschen Typen D-E2); den ersteren weist Naue „dem Beginn
oder der Mitte der jüngeren Bronzezeit, möglicherweise dem Ende der-
selben" zu, die letzteren sind „süddeutsch" aus der jüngeren Bronzezeit.
Dieser Typenkreis mit seinen mehr altertümlichen Merkmalen unterscheidet
sich sehr augenfällig von der entwickelten Hallstattkultur, für die das
Auftreten der oben genannten ungarischen Fibeln charakteristisch ist3).
Verfolgen wir weiter innerhalb der gemischten Zone west- und
nordwestwärts das Vorkommen der Sicheln an (\vv Hand der mit ihnen
„vergesellschafteten" Fibeln, so wäre in Bayern der (Kesserrund von
Horgauergereuth zu nennen (oben S. 123, Anm.). Die Fibel, von der nur die
blattförmige Bügelplatte erhalten ist, gehört dem zweiteiligen Typus mit
Spiralplatten an.
In dem weiter nördlich liegenden Teile der gemischten Zone kommen
1) P. Rein ecke hat im Jahre 1809 (Archaeologiai Ertesitö XIX, 225ff., 31 off.: vgl.
Auszug in deu Mitteil. Anthropol. Gesellsch., Wien 1900, S. lolff.) eine Darstellung der
Entwicklung der ungarischen Bronzezeit nach vier Perioden zu geben und auch durch
Zahlen dieselben in Anlehnung an die Einteilung von Montelius zu bestimmen gesucht.
2) Naue, Vorrömische Schwerter, S. 66$ Taf. Will, 1: XXVI, .">. 6, 8.
3) Reinocke rechnet den Depotfund von Nagydem in die ungarische Periode IVb,
den Fund von Piricse dagegen in Periode III.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904 Heft 3 u. 4. 29
— 442 —
zu den zweiteiligen Spiralfibeln die aus ihnen entwickelten Platten-
fibeln, die nach Montelius den Perioden IV und V zuzuweisen sind,
d. h. der Hallstattkultur parallel laufen. Solche Funde sind in der Provinz
Brandenburg- (Schwachen wähle, Pritzerhe, Straupitz), Provinz Sachsen
(Elsterwerda), in Braunschweig (Watenstedt) zu finden. Auch in der
reinen Zone mit Sicheln des Typus II lassen sich einige Funde nach den
Fibeln bestimmen, so in der Provinz Pommern (Mandelkow, Nassenheide,
Steinwehr, Hökendorf) und in Meklenburg (Gr.-Dratow).
Die grosse Menge der übrigen Funde aus beiden Zonen muss eben-
falls der jüngeren und jüngsten Bronzezeit, also der Zeit um 1000 v. Chr.
und den ersten Jahrhunderten des ersten vorchristlichen Jahrtausends zu-
gewiesen werden. Daraus lernen wir aber nur zweierlei: erstens dass in
diesen Zeiträumen beide Typen I und II, in Ungarn sogar I — III, neben-
einander im Gebrauche waren, zweitens dass der mit der Form der Sichel I
sich dokumentierende südliche oder südöstliche Einfluss nur etwa bis in
die Provinz Brandenburg reicht.
Es fragt sich aber, ob der Ursprung der Typen I und II gleichaltrig
ist oder ob einer von ihnen ein höheres Alter zu beanspruchen hat. Wir
haben uns also nach älteren Funden umzusehen und die dort vor-
kommenden Sicheln miteinander zu vergleichen.
Obgleich sich für die Einzelfunde aus den oberitalischen Pfahlbauten
und Terramaren ein bestimmtes Zeitalter nicht nachweisen lässt, darf man
doch geneigt sein, dem Peschiera-Typus ein höheres Alter zuzuschreiben.
Dafür spricht seine weitere Verbreitung nach dem Süden. Die Unter-
suchungen des oben (S. 120) genannten Scoglio del Tonno bei Tarent haben
nämlich drei Fundschichten ergeben. Die mittlere von ihneu entspricht
nach ihrem Vorrat an Keramik und Bronzen — unter den letzteren eine
Fibel ad arco violino — durchaus den oberitalischen Pfahlbau- und
Terramarefunden. Die obere Schicht dagegen ist durch eine Menge spät
mykenischer Topfware mit geometrischer Dekoration und myke-
nische Tonidole ausgezeichnet1) und bietet so einen chronologischen
Fixpunkt für die Terramarefunde, zu denen auch eine Bronzesichel ge-
hört. Wir dürfen also den Typus der Peschierasichel der Mitte des zweiten
Jahrtausends v. Chr. annähern, ihren Ursprung möglicherweise sogar für
älter als diese halten.
Auf den oberitalischen, selbständigen Ursprung des Typus Ia
weist auch eine technische Besonderheit. Die hierher gehörigen Guss-
formen 2) unterscheiden sich durch die Stellung der Eingussrinnen an der
Seile des Griffendes von allen sonstigen Variationen des Typus I, bei
denen die Eingussrinnen an der oberen Wölbung der Sichel voraus-
zusetzen sind.
Mit der zeitlichen und generellen Bestimmung des Typus Ia wird uns
alier die ebenfalls in Oberitalien vertretene Variation Ib verständlich; sie
1) Quagliati, Bull, paletn. ital. XXVI, 1!>0<>, 8.285f. Die Schicht wird bestimmt
mit den Worten „lo strato archeologico immediatamente superiore agli strati della terra-
mare". Vgl. auch Pigorini a. a. 0.
2) Oben S. 11."».
— m —
wird nicht nur als jüngere Entwicklung-Storni, ;ils welche sie nach de^j
Fiindnnistünden erscheinen iniissti', bestätigt, sondern auch nach Form und
Technik einem anderen Ursprungskreise zuzuweisen sein.
I-Yn- eine Zeitbestimmung der Schweizer Pfahlbautenfundei, unter
denen die Variation I b neben den Siclieln des Typus II vorwiegt, fehlt
es allerdings noch an vergleichenden Untersuchungen, wie sich überhaupt
hier eine Lücke in der Publikation des vorhandenen Materials empfindlich
bemerkbar macht.
Es wäre eine wflnschens- und dankenswerte Aufgabe, die Sicheln aus
den Pfahlbauten mit denen der Landfuude zu vergleichen-, sie im Verhältnis
zu anderen, benachbarten Fundgebieten zu untersuchen und so das chronolo-
gische Verhältnis des Typus 11) zu la und II festzustellen, wie es sich auf
Schweizer Gebiet gestaltet.
v. Tröltsch1) glaubt Knopf- und Lochsicheln auch chronologisch
trennen zu können, indem er die ersteren zu den Typen der älteren
Bronzezeit rechnet, die letzteren in die mittlere versetzt. Ob ihn dazu
Beobachtungen über die Lagerung in den Fundschichten der Stationen des
Bodensees selbst veranlasst Italien, weiss ich nicht. Dass in der jüngeren
und jüngsten Bronzezeit überall nördlich d^r Alpen beide Typen gleich-
zeitig im Gebrauche waren, haben die oben aufgeführten Depotfunde
gelehrt.
Doch scheint es nicht immer so gewesen zu sein. Auf einen älteren
Ursprung der Knopfsichel weisen einmal die Gräberfunde in der
Schweiz und noch deutlicher die Funde aus dem benachbarten Rhone-
gebiete hin.
Für die Gräberfunde der Schweiz kann ich mich freilich nur auf
die Beobachtungen Undsets berufen8): nach ihm kommen Knopfsicheln
dort schon in Gräbern der „mittleren" Bronzezeit vor. Aber für das
Verhältnis von Knopf- und Lochsicheln gewinnen wir aus diesen An-
gaben nichts.
In dem Rhonegebiete hat Mortillet3) nach den wichtigsten
Depotfunden die Typenfolge festgestellt. Sicheln des Typus Ih sind
hier entweder Einzelfunde, also für eine Chronologie nicht geeignet,
wie die von Pontarlier (Jura) und Xey (Jura)4) oder kommen im Depot-
funde von Albertville (Savoyen)5) neben dem Typus II vor, weshalb
Mortillet die „Faucilles a languette" (nach Chantre) ausschliesslich
seiner „epoque larnaudienne", also der jüngeren Bronzezeit /.uweist.
Was aber den Typus II anlangt, so lässt sich mit Mortillet die oben
genannte Nebenform mit quergestelltem, breiten, bügelartigen Knopf, (,.ä
bouton aplati") als eine ältere Variation a (Fig. 31) nach dem der älteren
1) Die Pfahlbauten des Bodenseegebietes, S. 159.
2 Undset, Vorfömische Metallzeit in den Bheiulauden, ia der Westdeutsch. Zeitschr.
V, 1886, &. 9f.
:; Mus..' prehistoricpie pl. l.XX und LXXYIII.
4) E. Chantre, L'age du bronze pl XI, 1. 2.
5) E. Chantre, a. a. 0. pl. XXVII, •_>, 3.
— 444 —
Bronezzeit zugehörigen Funde von Yernaison (Rhone) *) mit Sicherheit
erweisen und von der mit kegelförmigem Knopf versehenen Sichel („ä
bouton cylindrique"), Variation ß, auch chronologisch abtrennen. 2)
Diese letztere soll zwar schon in der älteren Periode („epoque mor-
gienne") aufgekommen sein (Fig. 32), aber erst später sich voll entwickelt
haben. Jedenfalls haben wir in den Depotfunden der jüngeren Bronze-
zeit Frankreichs, abgesehen von dem oben genannten einzigen, gemischten
Funde, den vollentwickelten Typus II ß vorherrschend.3)
Aus der älteren Variation a lassen sich auch die Abweichuugen er-
klären, die wir auf den Sicheln aus dem Pfahlbau des Lac du Bourget
gefunden haben (vid. oben S. 113), hier sitzt der kegelförmige Knopf
in der Mitte des Griffendes und wird von den Längsrippen umzogen,
während die Querrippen oberhalb des Knopfes nach der Sichelspitze zu
gesetzt sind. Dass diese Sonderformen auch jüngeren Ursprungs sind,
dafür würde der unten genannte Depotfund von Concelin sprechen, in
dem Analoga zu ihnen vorkommen.
Die Sicheln des Rhonegebietes werfen nun ein klärendes Licht auf
einige andere Funde der älteren Bronzezeit, zunächst auf den sehr
merkwürdigen Fund von Ackenbach in Baden (oben S. 123), merk-
würdig gerade wegen der Eigenart der Sichelformen (beschrieben und
abgebildet von Bissinger, der Bronzefund von Ackenbach, Programm
von Donaueschingen 1893).
Wir können hier vier verschiedene Variationen des Typus II
unterscheiden: 1. Fig. 24 und 26; der Knopf sitzt quer in der Mitte des
Griffrandes, also entsprechend der Variation a. 2. Fig. 28, 29; der Knopf
hat die gewöhnliche Form, wie bei der Variation ß und sitzt auch in der
rechten, oberen Ecke des Griffendes. 3. Fig. 25, 27; mit 2 Knöpfen in
den Ecken des Griffrandes, Variation y. 4. Fig. 35; der Knopf ist noch
mehr nach der unteren, an der Schneide gelegenen Ecke des Griffrandes
verschoben, als es bei Variation a der Fall ist; diese Eigentümlichkeit
finden wir auch bei einer Sichel aus dem Torfmoor Bussensee in der
Bodenseegegend in Baden (abg. Antiqua 1885 S. 86 Tf. XX, 7), sodass
wir auch diese Form als eine Variation «5 des allgemeinen Typus II an-
sehen dürfen.
Vergleichen wir nun mit den Formeigentümlickeiten der Ackenbach-
schen Sicheln das, was v. Tröltsch a. a. 0. S. 158 zur Charakteristik
1) E. Chantre a. a. 0. pl. XXXIII-XXXIX. Der Fund enthält: Rand- und Absatz-
celte, 2 kurze Dolchklingen mit 2 Nieten, Lanzenspitzen mit stabförmiger Mittelrippe,
Nadeln mit flachem, konischem oder scheibenförmigem Kopfe und geripptem Halse, ein-
fache, verzierte, meist offene Armringe, gewundener Halsring.
2) Mortillet, Mus. prehistor. pl. LXX Nr. 724 aus Vernaison; 723 aus Autun (Saone,
et Loire) : 725 aus Sarry (Saone et Loire) : 72G Santenay (Cötes d'orj ; letztere schon vom
Typus II ß.
3) Voran steht der Depotfund von Larnaud, der der jüngeren Epoche ihren Namen
gegeben hat (bei E. Chantre, a. a. 0. pl. XL — L). Dann die Depots von Realo
(Hautes-Alpes) bei Chantre pl. XIX— XXIV, von Poype (leere) bei Chantre pl. XXIX,
von Concelin (Isere) ebenda pl. XXVIII, 1 und zon Ribier (Hautes Alpes) ebenda pl.
XXV, 3. — Einzelfunde von Thoissey (Ain) bei Chantre pl. XII, 1—4.
— 445 —
der Sicheln sagt: „die Sicheln, welche anfänglich nur wenig, später
halbkreisförmig gekrümmt waren, hatten eine flache Rückseite und die
älteren seitwärts am Griffteil einen oder zwei kegelförmige Knöpfe
(Knopfsicheln), die jüngeren ein Loch zur Befestigung am Holzgriff (Loch-
sicheln), so werden wir in den Variationen a — y spezifische Typen des
Bodenseegebietes zu seilen und auf Grund des Fundes von Ackenbach
den Typus II als älteren zu betrachten haben. Dann gehen diese Formen
aber auch mit denen von Vernaison (bei Mortillet a. a. O.) zusammen und
es entsteht die Frage, wo sie ursprünglich zu suchen sind. Aus den
Schweizer Pfahlbauten sind mir diese Typen nur in wenigen Exemplaren
des Züricher Sees bekannt (Keller, 8. Bericht Tf. II 33; III 16, 17).
Es scheint vielmehr das Zentrum ihrer Verbreitung im Rhonegebiete oder
überhaupt im östlichen Frankreich gelegen zu haben. Denn ein bedeutenderes
Kulturzentrum der älteren Bronzezeit muss für ihre Verbreitung voraus-
gesetzt werden.
Aus diesem Zentrum werden jedenfalls die altertümlichen Formen
der Sicheln von Edington Burtle bei (Jlastonbury (Somersetshire) nach
England gekommen sein (bei Evans, Bronze Implements S. 197): Wir
finden hier sowohl die Variation a des Typus II mit geringer Krümmung
und quergestelltem Zapfen (Fig. 233 = oben Fig. 33), also wie in Ver-
naison und Ackenbach, als auch die zweiknöpfige Sichel (Fig. 232 = oben
Fig. 34). die sonst nur im Bodenseegebiet (vgl. Ackenbach u. v. Tröltsch)
belegt zu sein scheint.
Dieses Fabrikationszentrum von besonderer Eigenart möchte ich nicht
in der Schweiz suchen, da die dort vorwiegenden Formen dem oben
(dinrakterisierten Typus Ib entsprechen, also Lochsicheln mit langem
<! rufende sind. Ob diese Schweizer Spezialität im wesentlichen jünger
ist, als der für das Rhonegebiet eigentümliche Typus IIa, der sicher der
älteren Bronzezeit angehören muss, können erst zukünftige Untersuchungen
ergeben.
Zu den in Frankreich vorkommenden Sicheltypen möchte ich an
dieser Stelle noch Folgendes nachtragen.
Ein reiches Material der Bronzezeit aus der Umgegend von Paris
hat in den letzten Jahren der Abbe Breuil (l'Anthropologie 1900 XI,
503 ff. 1901 XII, 282 ff. 1902 XIII, 467 ff.) zusammengebracht An
Bronzesicheln erwähnt er aus dem „bassin de la Somme": Knopfsicheln,
k bouton (a. a. O. XII 290 f. Fig. 4 Xr. 32, 33, 34), Lochsicheln ä lan-
gnette (ebenda Xr. 35, 36) und mit Schafttülle, ä douille (ebenda Xr. 38),
bei der letzteren ist eine kleine Henkelöse, wie die an Hohlcelten übliche
bemerkenswert.
Mit der Chronologie der Bronzezeit in Prankreich, Belgien. Süddeutsch-
land and der Schweiz hat sich 0. Montelius (l'Anthropologie 1901 XU
609 ff.) eingehend beschäftigt. Die oben genannten, für die verschiedenen
Variationen der Knopfsichel massgebenden Funde von Vernaison und
Santenay, in denen Hand- und Absatzcelte vorkommen, setzt er in die
3. Periode (= 1550-1300 v. Chr. Geb.): die Funde dagegen, in denen
der vollentwickelte Typus ü.ß vorherrscht, die von Poype (Isere) und
- 446 —
Larnaud (Jura) gehören nach Montelius in den Anfang-, bezw. das Ende
der 4. Periode (= 1300—1050 v. Chr. Geb.), während der Depotfund von
Realon der 5. Periode (= 1050—850 v. Chr. Geb.) zuzurechnen wäre.
Jedenfalls sprechen die Funde des Rhone- und Bodenseegebietes für
die ältere Vorherrschaft des Typus II a-y, der zeitlich an die Peschiera-
Sichel herranrückt. Liegt es aber nahe, diese Vorherrschaft aus
dem Einflüsse eines westlichen, etwa im Rhonegebiete anzunehmenden
Kulturzentrums zu erklären, worauf die Funde selbst weisen, so Hesse sich
auch das Auftreten der Knopfsicheln in jüngeren Depotfunden Südwest-
deutschlands eher auf dieselben westlichen Einflüsse zurückführen, als auf
östliche, wie Schumacher (Korrespbl. 1903 S.100 Westd. Ztschr. XX 1901
S. 200) annimmt. Kommen doch im Depotfunde von Pouilly Kr. Metz
(bei Schumacher S. 91 nr 4) neben 11, von Schumacher auf west-
liche Einflüsse zurückgeführten Absatzcelten *) 23 Knopfsicheln vor.
Warum nicht auch bei den Knopfsicheln dieselben westlichen Einflüsse?
Diese Frage wird sich vielleicht noch mehr klären, wenn wir das
Vorkommen von Sicheln in älteren, östlichen Funden verfolgen. Solche
finden wir nun in der Tat in der reichen Bronzekultur Böhmens. Eine
Sichel des Typus II, sehr einfach, halbkreisförmig mit kurzem Griffende,
auf der Sichelbahn nur am Rande verstärkt, ohne die sonst üblichen
Längsrippen, also die gewöhnliche Variation ß, gehört zum Inhalt des
Depotfundes von Sobenice (Richly a. a. O. Tf. XXXV XXXVI, 12), die an-
deren Fundstücke (28 Flachkelte mit und ohne Randleisten Fig. 1 — 5.
10, 2 massive, offene, glatte Ringe mit verjüngten Enden (Fig. 6. 8), ein
glatter, offener Halsring mit flach gehämmerten Ösen an den Enden (Fig 7.),
eine Nadel (?) mit breiter Kopfplatte und geschwollenem Halse, verziert
(Fig. 9), ein glatter Armring mit übereinandergelegten Enden (Fig. 11),
bringen diesen Fund mit einer ganzen Reihe von Depots der älteren Bronze-
zeit Böhmens zusammen, von denen ich folgende aufzähle mit Hervorhebung
der charackteristischen Fundstücke: Böhmisch Brod Tf. V (Halsringe),
Hospozin Tf. VIII 1—3 (Halsringe), Nezdasov Tf.XXIII, 1—3 (Halsringe),
Stelcoves Tf. XXXVI (Halsringe), Plavnice Tf. XXVIII (Flachcelte,
Schleifennadel), Ob er Idee Tf. XXXIV (Flachcelte, Halsring, Arm-
spirale, archaisch mit hohem Dorn an den Enden), Stachov Tf. XXXVII
(Flachcelte von etwas entwickelter Form, Drahtspiralen, Nadeln mit
schräg durchbohrtem Kopf). Im besonderen ist von diesen Typen
Gewicht zu legen auf die Halsringe mit den breiten Ösen, die für das
obere Donaugebiet charakteristisch sind, auf die mit südlichen, mittelmeer-
lämlischen Formen korrespondierenden Sehleifennadeln und auf die im
wesentlichen schon den sog. „Säbelnadeln" gleichzeitigen Nadeln mit
schräg durchbohrtem Kopf, alles Formen der älteren und ältesten
Bronzezeit.2)
1) Vgl. auch Undset Westd. Ztschr.1886. V S. 11 ff.
l'j Montelius, D. Chronologie der ältesten Bronzezeit S. 97 nr. 14; 98 nr. 4; 98 nr.
17. Nach diesem Schema würden die genannten Depotfunde von Plavnice und Gross-
Vosov „aus dem Ende der ersten Periode" stammen. Vgl. auch Schumacher, Westd.
Ztschr. XX 1901 S. 192 ff.
— 447 —
In dieselbe Reihe der älteren Bronzealtertümer gehört der Depotfund
von Krupa (hei Kichly a. a. 0. Tf. XIV). Ausser 2 Bruchstücken von
Sichelndes Typus Uß ohne Desondere Eigenart, die eine nur am Kunde verstärkt,
die andere mit Längsrippe, enthält der Fand ( jolddrähte, ans fünf ineinander ge-
langten Gewinden bestehend (Fig. 3), acht massive, offeneverzierte Armringe,
(Fig. 4. 6. 7), ein offenes, an der Aussenseite mit drei Längsrippen ver-
sehenes, an der beiden ausseien mit kurzen Querstrichelchen verziertes
Armband (Fig. 5). Machen die (jolddrähte den Fund schon des höheren
Alters verdächtig, so gehört »las Armband zu einer bestimmten, an die
altertümlichen Manschetten sich anschliessenden Gruppe von Zierrat, die
Naue1) zur älteren Bronzezeit rechnet, M.ontelius'j in das Ende der ersten
Periode und die folgende versetzt.
Damit wäre also auch für den Osten die halbkreisförmige Sichel
mit Knopf als ältere erwiesen.
Die andere Grundform desselben Typus mit geringerer
Krümmung nach Art der Winzermesser kommt ebenfalls in Böhmen schon
in der ältesten Bronzezeit vor, nämlich im Depotfunde von Smedrov (bei
Richly a. a. O Tf. XXXIII, 11,13), dessen Zeitstellung durch die langen
Schmalmeissel, einen schmalen Celt mit hohen Ränder nund besonders durch
die Nadel mit seitlicher Öse gesichert ist.
Gehen wir noch weiter nach Osten, so müssen wTir auf die älteren
bronzezeitlichen Zustände Ungarns unser Augenmerk richten, wo wir in
der jüngeren und jüngsten Zeit so reiche gemischte Funde kennen gelernt
haben. Die wenigen, in Frage kommenden Funde ergeben nun folgendes
in bezug auf die Haupttypen der Sicheln ;]
Typus III, der eine Spezialität von Ungarn sein sollte, fehlt in der
älteren Periode gänzlich. Die Typen I und II kommen aber nicht in
gemischten Funden, sondern gesondert vor.
Zunächst Typus I mit deutlicher Anlehnung an die Variation a, bei
der Sichelblatt und Griff scharf abgesetzt werden, und mit den spezifisch
ungarischen Merkmalen der Griffbahnverstärkung in dem Schatzfunde von
Nemet-Bogsän, Com. Krasso (Hampel II, 164, 7, 8, 9; neben den Sicheln
Bruchstücke von Spiralen, Knöpfe mit Ösen, einfache Ringe (Fig. 5, 1.2, 13),
fein verzierte offene Armringe (Fig. 10, 11, 15, 1(5), ein Hohlcelt (Fig. la. I.)
und ein Flachmeissel (Fig. IIa, b). Der Hohlcelt weicht von den jüngeren
ungarischen Formen, wie sie in den gemischten Funden üblich sind,
wesentlich ab; er hat einen nur massig markierten Kandwulst, keine Zier-
rippen und kein Öhr, sundern ein rohes Loch zur Befestigung des Schaftes.
Der Flarluneissel ist fast rechteckig, hat eine nur wenig seitwärts und
nach vom ausladende Schneide und gleicht ganz und gar den einfachen
Formen, die für die sogenannte Kupferzeit Ungarns charakteristisch sind8).
Damit gewinnt die spezifische ungarische Sichelform des Typus la
ihre chronologische Gleichstellung neben Typus 11, und es ist sehr wahr-
1) Naue, D. Bronzezeit in Ober Bayern S. IT'.» B; lt. XXXIII, 7: XXXIV, 1.
2) Montelius a. a. 0. S. 42 Fig. 10ü: S. 96. 97 not. 1.
3) Vgl. Pulszky. Die Kupferzeit in Ungarn, S. 51, Fig. 7- 10: S. &2, Fig. L-3.
— 448 —
scheinlich, dass sie unter dem Einflüsse des Peschiera-Typus entstanden
ist, mit dem sie die Grundform gemein hat. Die Annahme des umge-
kehrten Verhältnisses hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Die Peschiera-
Sichel ist in ihrer Form einfacher und ursprünglicher als die ungarische
Abart.
Alter auch in Ungarn rückt Typus II in ein höheres Alter hinauf
durch den Gussstättenfund von Sajö-Gömör, Com. Gömör (Hampel I, 114.
5 — 10, 37). Die Sicheln sind meist mehr, einige weniger stark mit der
Spitze nach unten gekrümmt, also im ganzen ist es die Variation 11/?.
Der Hohlcelt (Fig. 2 — 4) weicht ebenfalls von den jüngeren Typen ab,
hat einen geraden Rand, anscheinend kein Ohr, soweit die Abbildung
nicht täuscht, auch keine Zierrippen und ist in der ganzen Form ge-
drungener; die zahlreichen offenen Armringe (Fig. 22 — 36) sind nach Form
und Verzierung nach der älteren Art; besonders bezeichnend sind die
hingen Nadeln mit flachem, mitunter mit zentralem Dorn und Gravierungen
verziertem, fast scheibenartigem Kopf, unter welchem eine kleine Öse an-
gebracht ist. Diese ungarische Abart der Ösennadel gibt dem Funde seine
Zeitstellung. Sie findet sich sonst unter Bronzegegenständen von aus-
gesprochen älterem Charakter, so in dem in einem Buckelgefässe ge-
fundenen Schatze von Rakos-Palota, Com. Pest1); ferner im Schatze von
Raksi, Com. Somogy2); als dritten Parallelfund nenne ich den Schatz von
Särbogärd, Com. Tolna (Hampel III, 223, 7, 8), wo nur altertümliche
Formen, wie Randcelte (Fig. 2 — 4), eine Schwertklinge mit vier Nieten
(Fig. 6), eine Axt mit Schafttülle3) (Fig. 1) und eine merkwürdige Sichel
(Fig. 5) zusammen vorkommen.
Diese Sichel ist nämlich bemerkenswert wegen ihrer völlig ab-
weichenden Form. Sie hat eine geringe, mehr nach der Spitze zu sich
neigende Krümmung und am Griffende statt des Dorns eine querlaufende
Verdickung. Entweder liegt also hier eine Singularität vor, der ent-
wicklungsgeschichtliche Bedeutung abgesprochen werden muss, oder die
querlaufende Verdickung steht unter dem Einflüsse der bekannten, in
Westeuropa konstatierten Querstellung eines bügelartigen Zapfens am
Griffende.
Alle vier Depotfunde gehören jedenfalls der älteren ungarischen
Bronzezeit an.4) Damit ist auch für diese der Typus II belegt.
Es fragt sich also: dürfen wir auf Grund der erwähnten Funde in
Ungarn oder Böhmen den Ursprung des Typus II suchen? Für diese
Frage werden wir zweierlei gegeneinander abzuwägen haben, einerseits
1) Hampel I, 86, 87, Fig. 7 u. a. neben einer einfachen ungarischen Axt mit Schaft-
lochrändern (Fig. 2), verzierten und unverzierten Armringen (Fig. 3, 4), einem Armbande
mit Längsrippen (Fig. G), einem Armringe mit Spiralenden nacli Art der Armbergen (Fig. 5),
einer Zierscheibe (Fig. 8).
2) Hampel III, 221, 3, 4, neben zwei bandförmigen Armspiralen mit Spiralenden
(Fig. 1, 2), Zierscheiben, wie die vorigen (Fig. G— !>) und Spiralröhrchcn (Fig. 10—17).
'S) Nach Art der kupfernen bei Pulszky, Die Kupferzeit in Ungarn, S. 70. Fig. 1 — G.
4) Kein ecke weist a. a. 0. die Funde von Raküs Palota und Raksi einem jüngeren
Abschnitte der II. Periode zu, die er der ersten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahr-
tausends gleichsetzt.
— 449 —
das relative Alter der Depotfunde im Osten und Westen, andererseits die
östlichen und westlichen Sichelfornien selbst. Nach dem von BIonteliuB
eingeführten Schema würde man geneigt sein, die älteren böhmischen
Depots in d;is Ende der ersten und in die zweite Periode der Bronzezeit
vm setzen; sie würden also älter als die Funde von Vernaison und Santenay
sein, die Moiltelins der dritten Periode zuweist. Allel) die ongarischen
Funde mit dem Typus II wären noch der zweiten Periode zugehörig:.
Nach der Chronologie *\*'v gerade vorliegenden Funde würde man also die
Knopfsicheln im Bodensee- und Ethonegel tiefe uns östlichen Formen alt-
leiten müssen. Dagegen spricht alter die Eigenart der westeuropäischen
Variationen, die wir am Bodensee, im östlichen Prankreich und in
England gleichartig konstatiert halten, die aber in den östlichen Fnml-
gebieten gänzlich fehlen. Und wenn der Typus II östlichen Ursprungs
wäre, nuisste man auch die ungarische Form <\r<, Typus Ia im Westen
finden, was nicht der Fall ist. Wir halten umgekehrt viel mehr Grund,
die erwähnte Sichel ans dem Depot von Särbogärd in Ungarn auf west-
europäische Einflüsse zurückzuführen, wenn ihrer Formeigentümlichkeii
überhaupt eine Bedeutung beizumessen ist.
Nun könnten alter alle diese Formen im Norden entstanden sein, von
da ans sich verbreitet haben, und die Knopfsichel verdiente mit Recht
die Bezeichnung „nordische". Dem würde das Alter der nordischen Sichel
gewiss keine Schwierigkeiten entgegenstellen; sie ist in Schleswdg-Holstein,
Dänemark und Schweden (vgl. ölten S. 1*27) schon für die zweite Periode
der Bronzezeit belegt. Alter auch auf diese nordischen Formen die west-
europäischen zurückzuführen, wird man sich schwerlich entschliessen
können; sie bieten nichts als die Grundform mit mehr oder weniger aus-
geprägter Krümmung. Fs liegt doch nahe, das gemeinsame Zentrum für
die Umwicklung und Ausbreitung eines Typus da zu suchen, wo wir nicht
nur seine Grundform, sondern auch eigenartige Variationen unter alten
Funden belegen können. Für die Sichel des Typus II ist das aber das
östliche Frankreich, das Gebiet des Bodensees und England. Von da aus
hat sie sich sowTohl nach dem Osten, wie nach dem Norden weiter ver-
breitet und ist so schnell zum Allgemeingut der mitteleuropäischen
und nordischen Bronzekultur geworden1).
Dann kann alter auch ihr Auftreten in späterer Zeit nicht mehr auf-
fallen ; zur Erklärung desselben bedarf es nicht mehr der Annahme be-
sonderer, neu wirkender Einflüsse aus irgend einer Richtung. Die Knopf-
sichel ist eben überall in den diesseits der Alpen gelegenen Gebieten bis
zum Ausgange der Bronzezeit verfertigt worden und im Gebrauche _■■-
wesen. Das kann man von keinem der anderen Typen sagen.
Fassen wir also die Ergebnisse der vorigen Untersuchung zusammen,
so lässt sich etwa folgendes sa»-en:
1) Diese Auffassung lässt sich auch mit der von Moiltelins (Chronologie der
ältesten Bronzezeit, S. 91) gut vereinigen; für Skandinavien nimmt ei einen Import von
Metallen im Beginne der Bronzezeit von Westen, besonders von den britischen Inseln aus.
neben dem aus Nordwest-Deutschland an.
— 450 —
Von den vier europäischen Sicheltypen heben sich in bezug auf
wesentliche, typische Merkmale und lokale Verbreitung drei als bedeutsam
für die Kulturgeschichte heraus. Für die Entwicklungsgeschichte hat
Typ. III von fast garnicht veränderlicher Form die geringste Bedeutung,
ist auch lokal im Osten oder Südosten beschränkt, aber gerade deswegen
wichtig, weil er uns Brücken zwischen den südosteuropäischen Kultur-
provinzen (Ungarn — Südrussland — • Kaukasus) während der Dauer der
Hallstattkultur schlagen hilft. Am besten wäre also Typus III als der
südosteuropäische von den übrigen zu unterscheiden (Fig. 23).
Diese treten in ihren Grundformen und mannigfachen Variationen
auf, von denen entwicklungsgeschichtlich folgende von Bedeutung sind:
Typus Ia mit senkrecht abgesetztem, langem Griff ende ist der Kultur
der östlichen Pfahlbauten und Terramaren Oberitaliens eigentümlich
und kann als Peschiera-Sichel bezeichnet werden (Fig. 19, 20) > er ge-
hört sicher zu dem älteren Bestände der Pfahlbauformen und ist schon
in der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends oder nicht viel
später südwärts bis zum Gestade des jonischen Meeres gewandert (Fig. 29)w
Wie die Träger der östlichen Gruppe der oberitalischen Pfahlbau-
kultur aus dem Nordosten gekommen sind, so gehen von ihnen aus auch
rückwärts sich bewegende Kulturwellen nach den heimatlichen Gegenden
zurück. Daher hat dem oberitalischen Typus die Sichel der älteren
ungarischen Bronzezeit ihre Grundform zu verdanken, bildet jedoch ihre
Eigenart in der Formung des Griffeudes durch vielgestaltige Rippen-
bildungen von ursprünglich technischer, daneben auch rein dekorativer
Bedeutung aus. (Ungarische Abart.) Fig. 30, 27.
Typus Ib von halbkreisartiger Grundform mit langem Griffende und
regelmässig nur in der Zweizahl vorhandenen Längsrippen kann als
Schweizer Pfahlbautypus gelten. In der jüngeren und jüngsten Bronze-
zeit ist er in Mitteleuropa weit verbreitet und dem Typus II gleich-
gestellt. Für die ältere Bronzezeit ist sein chronologisches Verhältnis zu
Typus Ia und II noch nicht festgestellt (Fig. 1, 21, 22, 26).
Typus II mit kurzem Griffende und knöpf- oder dornartigem Ansatz
auf demselben hat eine Reihe von Variationen, die bedingt sind einmal
durch die verschiedene Gestaltung der Grundform entweder als weniger
gekrümmt nach Art der Winzermesser (Variation IIa) oder als Halbkreis-
form mit abwärts gerichteter Spitze (Variation II b) oder schliesslich mit
geschwungener Schneide und aufwärts gerichteter Spitze (Variation II c),
bedingt zweitens durch Gestalt, Zahl und Stellung der Knöpfe am Griff-
ende und zwar als Variation IIa mit quer gestelltem, bügelärtigen, seltener
kegelförmigem Knopf, II ß mit einfachem, kegelförmigem Knopf in der
rechten Ecke des Griffendes (die am meisten verbreitete Form der „Knopf-
sichel"), II y mit doppeltem, kegelförmigem Knopf* in beiden Ecken des-
selben und II <9 mit einfachem, kegelförmigem Knopf in der unteren Ecke
Je. Griffendes (Fig. 31—34).
Diese Variationen und ihr gegenseitiges chronologisches Verhältnis
können nach ihrem Auftreten in Depotfunden des Rhone- und üodensee-
orebietes beurteilt werden. Bereits in der älteren Bronzezeit sind die
— 451 —
Variation«!] der Grundform Ha und 1) mit den besonderen Merkmalen
von IIa — y konstatier! worden. In anderen, östlich gelegenen Fnnd-
gebietei] hat sich zwar «Irr Typus II in den Variationen a, b und ß teils
als der älrcrc (im Verhältnis zu I 1)). teils als etwa gleichzeitig im Ver-
hältnis zur Lokalform la (Ungarn) erwiesen, aber nirgends finden wir
in der älteren Periode eine so auffallende Vereinigung aller Verschieden»
heiten der Grundform, wie in den genannten G-ebieten der Rhone und am
Bodeiisee. Da wir dieselben aber aurh in England linden, so haben wir
aller Wahrscheinlichkeit nach auf der linken Seite des Rheins die
Entstehung und Entwicklung des Typus II zu suchen. Von da ans hat
er sich auch im Norden und Osten eingebürgert. Wir werden also die
Knopfsichel nicht mit Schumann als nordischen, sondern als west*
europäischen Typus bezeichnen dürfen. Wie beim 'Typus I, wurde
auch bei ihm das Griffende durch Querrippen und andere, mehr dekorativ
wirkende plastische Figuren verstärkt; von Fabrikmarken kann auch hier
nicht die Rede sein1) (Fig. 2— 18).
Für die ältere Bronzezeit dürfen wir also verschiedene Zentren vor-
aussetzen, in denen die Formen der Sicheln ihre lokale Eigenart, ihre
typische Physiognomie erhielten (Oberitalien, Frankreich, Ungarn, voraus-
sichtlich auch die Schweiz im Typus Ib und wahrscheinlich auch Süd-
Russland).
Erst in einer jüngeren Periode der Bronzezeit fand ein allgemeiner
Austausch der auf diese Weise gewonnenen Lokalformen statt. So er-
klärt sich .das eigenartige Bild der Sichelfunde in der gemischten Zone.
In Oberitalien lehnen sich die jüngeren Formen (F'reghera, Casalecchio,
S. Francesco) an die Schweizer Grundform an (Fig. 25, 28); auch die
Sichel mit Schafttülle ist in jüngerer Bronzezeit beiden Gebieten eigentüm-
lich, kommt aber sonst nur noch in Frankreich und England, freilich ganz
umgestaltet vor (Fig. 24). In Zentraleuropa, insbesondere in Süd- und Mittel-
deutschland hänfen sich die Einflüsse, vorwiegend vomSüden(Schweiz)und im
geringeren Masse vom Südosten (Ungarn). Als obere Grenze für diese
Einflüsse ist eine ungefähr durch Berlin gezogene Breitenlinie bezeichnet
worden. Auch für die osteuropäischen Einflüsse ist eine Grenze vorge-
schrieben, insofern die Sicheln des Typus 111 auf Ungarn beschränkt
bleiben. Die Bezeichnung „ungarische Sichel"' für diesen Typus ist
ebensowenig gerechtfertigt, wie in "Württemberg, wo wir ein Vorherrschen
des Typus Ib beobachteten, von einem „schwäbischen" Typus zu reden.
In dieser gemischten Zone macht sich aber die auffallende Tatsache
geltend, dass als Grabbeigabe bis in die spätere Bronzeperiode hinein,
besonders in östlichen Fundgebieten, in der Hegel die ältere Knopfsichel
vielfach, wie andere Bronzebeigaben, in Miniaturform üblich war.
1) Die Rippen auf den Sicheln unterscheiden rieh auch von den Zeichen, die man
auf anderen bronzenen Geräten oder Waffen, wie Schwertern, Beilen, Fibeln, als Fabrik-
marken zu deuten pflegt. Über Marken auf Beilen s. R. Forrer, Antiqua 1892
S. 50 ff. Tat', VI, 4 und XXVJI: auf Fibeln und Nadeln Dressel, Bonn. Jahrb. 1894
S. Sl— 8-1. Schumacher, Korrespbl. d. westd. Ztschr. L895 Sp. ■-'•"> IV. Riese, Korrespbl.
ebenda L897 S. L36 f.
— 452 —
Überhaupt tritt die Knopfsichel in der jüngeren Periode häufig in der
gefälligeren Form mit geschwungenem Rücken auf, sodass Beltz (Mecklb.
Jahrb. 54, 1889 S. 103 f.) gegenüber Mertins (Schles. Vorzeit VI 364)
Recht behalten muss. Auch verschwindet die ältere Form mit gerade
gerichteter Klinge keineswegs und tritt noch in so jungen Depots wie
z. B. von Schwachenwalde (Prov. Brandenburg) neben den mehr ge-
krümmten und geschweiften Formen auf.
Nördlich der bezeichneten Grenzlinie haben aber die Einflüsse aus
dem Süden und Südosten abgenommen und allmählich aufgehört. Hier,
in Norddeutschland, Dänemark, Skandinavien ist der Typus II allein-
herrschend geblieben und hat zur unbegründeten Vorstellung einer nor-
dischen Sichel Veranlassung gegeben. Die erwähnte Ausnahme in Ost-
preussen ist vereinzelt.
So lässt sich aus unscheinbaren Steinen ein Mosaik zusammensetzen,
das uns einen Blick in die vorchristliche europäische Kulturgeschichte eines
Zeitraumes von mehr als 1000 Jahren (ca. 1500—500 vor Christi Geburt)
gewährt. Wir sehen, wie auch ohne die sonst so massgebenden Einflüsse
des klassischen Kulturbodens in Mittel- und Nordeuropa eine reiche Ent-
wicklung sich abspielt und ihre Spuren sogar an den Küsten des jonischen
Meeres zurücklässt. Diese Entwicklung in ihrer Eigenart zu beleuchten,
mag zum Schluss durch einen Ausblick auf Troja gestattet sein. Auch
hier finden wir sichelförmige Geräte aus Kupfer oder Bronze, aber weder
nach Form, noch in ihrer Technik lassen sie sich mit den europäischen
Sicheltypen vergleichen; vielmehr sind sie nach Art der Messer mit
breitem Rücken, 2 gleichen Seitenflächen und Griffzungen gebildet. Drei
von ihnen1) gehören zu dem der VI. Ansiedelung zugewiesenen Funde P.
Die anderen sind Einzelfunde von gleichem Charakter.2)
Mögen die obigen Ausführungen Anregungen dazu geben, das so ge-
wonnene Bild von der Entwicklung und Verbreitung eines bronzezeitlichen
Gerättypus durch lokal beschränkte Einzelstudien weiter auszumalen.
Namentlich wäre von einem feineren Ausbau der Chronologie der älteren
Bronzezeit auch für das chronologische Verhältnis der Sicheltypen ein
Gewinn zu erwarten.3)
1) Heinrich Schliemanns Sammlung Kat. Nr. (1137 — 6139.
2) Kat. Nr. G454-6462; vgl. A. Götze bei Dörpfeld, Troja und Ilion S. 394, 396.
3) Nach Abschluss der zweiten Korrektur linde ich auch für den ungarischen
Sicheltypus Ia eine Gussform unter den Funden von Lengyel bei Wosinsky a. a. O. II
S. 203 Taf. 43, 334: sie stammt aus einer bronzezeitlichen Wohngrube zusammen mit
Bronzenadeln, Knochengeräten und Gefässresten und ist den oberitalischen Typen auf-
fallend ähnlich. Leider ist auf Grund der Angaben eine Datierung nicht möglich. Vgl.
oben S. 431.
II. Verhandlungen.
Sitzung vom 23. April 1904.
Vorsitzender: Hr. Karl von den Steinen.
(1) Hr. Waldeyer nimmt in Halle an einer Stiftungsfeier der
Leopoldinisch-Carolinischon Akademie teil und bittet die Gesellschaft,
seine heutige Abwesenheit zu entschuldigen. —
(2) Die Giesellschaft hat drei auswärtige Mitglieder durch den Tod
verloren, die Herren: Johann Pudil in Prag, Georg Petermann in
Frankfurt a. Oder und Dr. Ludwig Belly in Frankfurt a. Main. —
(3) Frl. Prof. Mestorf in Kiel, die für ihre Verdienste um die prä-
historische Forschung gelegentlich ihres 70. Geburtstages zum Ehren-
mitglied der Gesellschaft ernannt worden ist, hat am 17. d. Mts. ihren
75. Geburtstag begangen, und wir gedenken ihrer mit herzlichem Glück-
wunsch. —
(4) Hr. Bartels hat nach schwerer Krankheit den Süden aufgesucht.
Er sendet der Gesellschaft seine Grüsse aus Sestri-Levante, wo er sich
hoffentlich schnell erholt. —
(5) Hr. Lissauer, der inzwischen schon nach Paris weitergereist ist,
entbietet der Gesellschaft ebenfalls seine Grüsse in einem Briefe vom
15. April aus Mentone, aus welchem wir folgendes entnehmen:
„Neben dem Naturgenuss habe ich die Forschung nicht ganz vernach-
lässigt und mich bemüht, den Stand der Ausgrabungen in den Balz i
rossi, welche icli seit zwei Jahren nicht besucht hatte, festzustellen. Von
den sieben Höhlen, welche bisher überhaupt untersucht sind, kommen
hierbei nur die erste, fünfte und siebente in Betracht. Die Funde aus der
ersten und letzten befinden sich bekanntlich in dem Anthropologischen
Museum zu Monaco, die der fünften Höhle, der Barma grande, teils noch
in situ in der Höhle, grösstenteils aber in dem Museum prähistoricum,
welches der berühmte Wohltäter jener Gegend, der Commodore Eanbnry
in La Mortola, vor dem Eingang der Höhle hat erbauen lassen. Die Funde
in diesem Museum sind sämtlich von dem Besitzer der Höhle, Herrn
— 454 —
Abbo Jim., mit grosser Sorgfalt und Genauigkeit ausgegraben und später
von den Herren Boule und Verneau, zum Teil auch von Arthur Evans
und mir beschrieben worden.
Hr. Abbo hat nun in den letzten zwei Jahren die Ausgrabungen
während des Sommers fortgesetzt, — im Winter und Frühjahr wird die
Höhle und das Museum von den Fremden so stark besucht, dass er den
ganzen Tag mit der Führung beschäftigt ist. Trotzdem widmete er mir
in liebenswürdigerweise eine Stunde, um mir die neuen Funde der letzten
zwei Jahre vorzulegen.
Dieselben stammen sämtlich aus der tiefsten Schicht, die überhaupt
erreicht ist und bisher nur Knochen von Elephas antiquus und Werkzeuge
aus Stein, meist aus Sandstein, seltener aus Silex ergeben haben. Diese
Instrumente haben fast alle den Charakter des Mousterien, wie die von
Taubach, wto ja der gleiche paläontologische Horizont nachgewiesen ist.
Es sind nur Schaber und Spitzen, gut gedengelte Stücke, — keine grossen
axtförmigen Werkzeuge. — Menschenreste sind bisher in dieser Schicht
nicht gefunden worden; trotzdem ist es nach der grossen Masse der
gehobenen Werkzeuge nicht mehr zweifelhaft, dass der Mensch in dieser
Höhle bereits zur Zeit des Elephas antiquus existiert hat, was früher aus
den wenigen Stücken, die bekannt waren, nicht mit Sicherheit hervorging.
Die in den höheren Schichten gefundenen menschlichen Skelette gehören
dagegen der Zeit des Ren an, wie ich ja in früheren Mitteilungen
berichtet habe. Auch in Monaco erfreuen sich die reichen paläontologischen
und urgeschichtlichen Sammlungen fortgesetzt der Gunst des Fürsten, wenn
auch nicht in gleichem Masse, wie die oceanographischen, für welche ein
Museum von monumentaler Grösse und Pracht errichtet wird, welches noch
immer nicht vollendet ist, obwohl der Grundstein dazu bereits 1899 unter
den Auspizien unsere Kaisers gelegt worden ist. Indessen sind schon
bedeutende Anfänge mit den Aquarien und Sammlungen gemacht worden,
zu welchen der Direktor Hr. Richard jedem sich dafür Interessierenden
gern den Zutritt gewährt.
Für die anthropologischen Sammlungen ist nun seit meinem letzten
Besuche ebenfalls ein eigenes Museum erbaut worden, zwrar klein und
einfach, aber hell und seinem Zweck ganz entsprechend. Dasselbe steht
unter Leitung des verdienten Paläontologen, Kanonikus de Villeneuve,
der seiues Amtes mit grosser Hingebung und Liebenswürdigkeit waltet.
Derselbe hat auch im Auftrage des Fürsten die Ausgrabungen in der
ersten und siebenten Höhle der Balzi rossi selbst geleitet und ist nun
damit beschäftigt, diese Funde in dem neuen Museum aufzustellen und zu
ordnen. Die berühmten vier menschlichen Skelette aus der ersten Höhle,
der Grotte des enfants, über welche ich früher berichtet habe, sind jetzt
bereits in würdiger Weise unter Glas geborgen, während die mit ihnen
gefundenen Beigaben, meist Werkzeuge, augenblicklich an Hrn. Cartailhac
in Toulouse zur genaueren Bestimmung gesandt worden sind. Neuere
Funde sind in dieser Höhle nicht gemacht weiden, da dieselben bis auf
den gewachsenen Fels schon früher ausgeleert worden ist.
Dagegen wird in der siebenten Sohle, der Grotte du Prince, unaus-
— 455 —
gesetzt fortgearbeitet. Dieselbe hat bisher, trotzdem die Ausgrabungen
schon mehrere Jährt' dauern, keine Beste des Menschen ergeben, wohl
aber eine grosse Zahl höchst interessanter paläontologischer Funde,
darunter einen ganz neuen Cerviden, neben einem gewaltigen Cervus
canadensis. Was aber von besonderer Wichtigkeit erscheint, ist der Nach-
weis, dass diese Riesenhöhle in ihren verschiedenen Schichten Überreste
von ganz entgegengesetzten Faunen birst. Während unten eine rein
marine Fauna vertreten ist, findet man in den höheren Schichten llippo-
potamus, Elephas antiquus, Rhinoceros Merckii und noch höher die Fauna
des Nordens, Mammut, Khinoceros tichorhinus und andere Tiere der kalten
Zone, eine Tatsache, die bisher nur durch die Anwesenheit weniger Reste
vom Heu in der fünften Höhle vermutet werden konnte, und welche auf
den Einfluss einer Eiszeit auch auf dieses Gebiet hinweist. — Viele dieser
Funde, welche sämtlich mit grosser Exaktheit dem Boden entnommen
worden sind, ruhen jetzt in den Händen des Hrn. Boule in Paris zu
genauer wissenschaftlicher Bestimmung. Nach Beendigung dieser Unter-
suchung werden die reichen Schätze in dem anthropologischen Museum
ihre würdige Aufstellung finden und dem Publikum allgemeiu zugänglich
gemacht werden.
Hr. de Villen euve hofft, dass dies bereits Ostern 11)05 möglich sein
wird und beabsichtigt in Übereinstimmung mit den Pariser Forschern den
internationalen anthropologischen Kongress um diese Zeit nach Monaco
einzuladen. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, dass um dieselbe Zeit
der internationale archäologische Kongress in Athen stattfinden solle, ver-
sprach er, dieser Kollision vorzubeugen, damit der vielversprechende
Kongress in Monaco, für dessen Zustandekommen sich auch der Fürst
lebhaft interessiert, recht zahlreich besucht werden könne. Hoffentlich
benutzen auch viele Mitglieder unserer Gesellschaft diese Gelegenheit, die
paradiesischen Schönheiten der Riviera kennen zu lernen, — ohne der in
Monte Carlo lauernden Schlange Opfer zu bringen."
(6) Von Hrn. C. Roesler in Tiilis ist die folgende Postkarte ein-
gelaufen:
„Tiflis, 19./26. III. 04.
Am 29. Januar machte ich Ihnen Mitteilung von einer anscheinend
vielversprechenden archäologischen Entdeckung in der Stadt Baku. Laut
erfolgter Benachrichtigung seitens der kaiserlich russischen archäologischen
Kommission, die durch Sachverständige eine genaue Voruntersuchung der
in Frage kommenden Objekte anordnete, haben die Gräber nun doch
nicht das ihnen in der ersten Aufregung von den Bakuer Archäologen zu-
geschriebene Alter. 1'iS handelt sich vielmehr um Kulturüberbleibsel eines
islamitischen Volkes, und die für Keilschrift gehaltenen Epitaphien Bind
endgiltig als arabische Schriftzeichen erkannt worden. .Mit der Unter-
suchung der Grabstätten ist der Professor der Petersburger Universität,
Barthold, beauftragt werden, der im Mai sich über Baku nach Trans-
kaspien begibt, um als Vertreter der russischen Regierung den Aus-
grabungen der amerikanischen Expedition bei Samarkand beizuwohnen,
— 456 —
Dieser Expedition verdanke ich das seltene Vergnügen, in der Person des
Hrn. Hubert Schmidt unlängst hier einen liebenswürdigen Landsmann
und tatendurstigen Vertreter unserer Gesellschaft kennen zu lernen. Mögen
seine Hoffnungen vom besten Erfolge begleitet sein!"
Der Vorsitzende bemerkt, dass Hr. Hubert Schmidt in einem Brief
an Hrn. Voss sich über seinen ersten Arbeitserfolg ausserordentlich be-
friedigt ausgesprochen hat. —
(7) Von unserm Altmeister Bastian ist ein Lebenszeichen ein-
gegangen. Er befindet sich seit einiger Zeit in Jamaica und hat von dort
ein sehr hübsches kleines Steinbeil eingesandt. —
(8) Der Vorsitzende legt das Programm über die Versammlung der
Wiener Anthropologischen Gesellschaft in Agram vom 22. — 24. Mai vor
und spricht die Hoffnung aus, dass es einer Anzahl Mitglieder möglich
sein wird, sich an diesem ausserordentlich interessanten Ausflug zu be-
teiligen. —
(9) Als Gäste werden begrüsst der Vortragende des Abends, Hr. Prof.
Dr. Mann und die übrigen Herren: Prof. Andreas aus Göttingen,
v. Hornbostel aus Berlin und Prof. Thilenius aus Breslau. —
(10) Unter den eingelaufenen Manuskripten befinden sich auch die
folgenden drei von Hrn. Cleve in Tandala, Bezirk Langenburg in
Deutsch-Ostafrika.
1. Zahnverstümmelungen und ihre Bedeutung für den Lautwandel.
Meine Arbeit über Lippenlaute und Lippenverstümmelungen ist zwar
erst als ein Programm anzusehen, das eine vielseitige Durcharbeitung er-
heischt. Nun bin ich aber hier in Kingaland (Xinga) in ein Gebiet ver-
setzt, wo sich Gelegenheit bietet, die Einwirkung der Zahnverstümmelungen
auf den Lautbestand zu beobachten.
Die Kinga stossen die zwei vorderen Unterzähne aus; die Reste der
älteren Bewohner, die Hanzi oder Hasi, feilen sämtliche oberen Vorder-
zähne kurz, in einer geraden Linie. Dieselben haben meist die Sprache
der Kinga angenommen. Die Kinga um Tandala befolgen meist beide
Sitten zugleich.
In der Sprache der Kinga fehlt der Laut f und v gänzlich; die Laute
k und g kommen nur in Verbindung mit einem i-haltigen Nasal als ng
und nk vor. Sonst haben die Gleichungen Geltung:
f = s
g = g (ein explosiver Laut, der an das hebräische p erinnert, wie
es in den Bantuspracheu sonst nicht konstatiert ist)
k = x (bisweilen k%, wobei aber das k nur ganz schwach vor-
schlägt)
v = s
Hierbei ist absichtlich nicht das Ur-Bantu zugrunde gelegt worden,
sondern die f, g, k, v des benachbarten Kunde und des sprachlich ver-
wandteren Bona. Es ist anzunehmen, dass wir damit die nächstvorher-
gehende Stufe in der Lautentwicklung getroffen haben.
— 457 —
Die Neigung-, f, v, k, g zu vermeiden, erklärt sich daraus, dass zur
Hervorbringung dieser Laute die Unterzähne erforderlich sind. Des zum
Beweise wird bei k und g in der Regel die Selbstbeobachtung beim
Sprechen dieser Buchstaben genügen: die Spitze der Zunge stemmt sich
gegen die ünterzähne. Ein schlagendes Beispiel, wie -ehr man eines
festen Stützpunktes für die Zungenspitze bei Eerrorbringung eines k be-
nötigt, gab mir mein verehrter Lehrer, Hr. Dr. Stolze in Berlin. Seit
dem 20. Jahr durch einen Typhus sämtlicher Zähne beraubt, bildet er t'iir
das normale k einen Ersatzlaut, bei welchem er die Zungenspitze gegen
den Gaumen drückt. Die Selbstbeobachtung wird allerdings bisweilen,
namentlich Herren jüdischer Abstammung, zu dem vermeintlichen Er-
gebnis führen, dass bei Hervorbringung von k und g die Zunge zurück-
gezogen frei im Hohlraum des Mundes liege, ohne die Zähne zu berühren.
Dann wird k und g nicht als vorderer, sondern als hinterer Guttural ge-
sprochen.
Will man ein vorderes gutturales, d. h. für uns Deutsche normales k
oder g bei fehlenden Unterzähnen sprechen, so löst sich entweder der
Schluss in der Kehle und es tritt ein Reibelaut ein (Xinga: % statt k)
oder bei dem Versuch, den Schluss doch festzuhalten, rückt die ganze
Zunge mehr nach hinten und der Laut erhält etwas gepresstes (explosives,
hinteres, gutturales g statt g im Xmga)-
Weniger einleuchtend ist zunächst, dass zur Hervorbringung eines
labiodentalen f und v die ünterzahne erforderlich sein sollen. Hier hat
die Erwägung einzutreten, dass die Zunge die Neigung hat, sich in die
Zahnlücken einzuschieben. Hat die Zunge durch die Zahnlücke sich
einmal gewöhnt, sich vorzudrängen, so wird sie bei dem Versuch, f und v
zu sprechen, sich dazwischen drängen und einen Zischlaut verursachen.
Eine Bestätigung meiner Auffassung sehe ich darin, dass in der Sprach-
probe des .Massai bei Last, Polyglotta Afrikana, kein f und v vorkommt.
Auch die Massai stossen die zwei vordersten Unterzähne aus und voll-
ziehen gleichzeitig eine Luxation der oberen Vorderzähne nach auswärts.
Die erforderlichen Beispiele bringe ich an der Hand einer Abbildung
eines eigenartigen Haumessers, welches die Kinga vor etwa 60 Jahren
aus Benaland mitgebracht und angeblich den Konde (Xyakjusa) vermittelt
haben.
Das Bild eines Haumessers.
Xinga: eYJhuani yja hula
Bona: e^ifuani \ja hola
konde: ekifuani kja sengo.
Xinga Bena1) Konde
1. \ilesu j(ilefu kukanwa ..Die obere Spitze".
■_'. uvuoge vugi rrvugi ,,Die Schneide".
3. ungongo mgongo pa njunia „Der Kücken".
1) Mein Gewährsmann stammt aus Kolosani, zwischen Tandala und Kidngala; in
anderen Gegenden von Benaland soll sich die Aussprache mehr vom X'n?a entfernen.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahri:. 190-1. lieft :5 u. 4. 3Q
— 458
epteude
exiaxa
amaxata
eximanga
ßena
e^itende
XiaXa
makata
XÜnanga
Koude
kukitende
uluti
amalembo
ekikuba
„Die untere Spitze".
„Der Stiel".
„Die Rillen in der Verdickung*.
„Die Messio'verzierunaren".
„Die Kupferverzierungen" .
exibalasu xiDala^u ekielu
8. eximaöga ^imanga isambo
exinunu xilungu
Nach den Beispielen zeigt sich das Bena als mit dem Kinga näher
verwandt als das Konde. Die Geschichte der Kinga erzählt uns, dass
dieselben vor Jahren aus Benaland ausgewandert seien. An den "Worten
XÜefu und xibalafu, welche das f aufweisen, möchte man vermuten, dass
die Bena die Zahnverstümmelungen nicht üben (sie haben f), dass aber
die Zahnverstümmelung doch auf sie eingewirkt hat (sie haben statt ki
zwar nicht yi, aber immerhin [mehr palatal] xi). Und diese Vermutung
wird bestätigt durch das, was wir aus der Überlieferung der Bena er-
fahren. Missionar Maass aus Kidugala teilt mir mit, dass hin und wieder
noch alte Leute gefunden würden, die die Zähne verstümmeln; im grossen
und ganzen habe die Sitte aufgehört.
Wir können also wohl im Bena beobachten, wie weit der Lautbestand
auch nach Aufhören der Zahnverstümmeluno- bleibt. Dass das f wieder-
gekehrt ist, mag sich daraus erklären, dass man es immer in der Be-
rührung mit Nachbarvölkern zu hören bekommt. Der Reibelaut x, sehr
viel häufiger in der Sprache vorkommend, veränderte nur ein wenig seinen
Charakter, er rückte an die alte Stelle, dem palatum näher, wo er wegen
des Haltes der Zunge an den Unterzähnen nun artikuliert werden konnte.
Man mache die Probe mit „ach" und „ich*, so wird man sich überzeugen,
dass bei dem ix von der Zunge ein Druck gegen die Unterzähne aus-
geübt wird.
Bisher haben wir das Kinga nur im Vergleich mit den nächst-
benachbarten zwei Sprachen verglichen. Es empfiehlt sich, den Rahmen
nunmehr weiter zu spannen und sämtliche von Meinhof fixierte Laut-
systeme in Vergleich zu ziehen.
Ich gebe zur Orientierung einige Auszüge aus der Tabelle von
Meinhofs Lautlehre, wobei ich hinter P. (Peli) gleich das stammverwandte
Ve (Venda), das erst später bearbeitet ist, hinzufüge.
(Siehe Tabelle auf nächster Seite.)
Die erste Frage, die wir an die obenstehende Tabelle zu richten
haben, wird die nach den labiodentalen Lauten sein (f und v), dieselben
finden wir unter den Rubriken von B kü, y\i und pi. Da sehen wir,
dass das P, H, Du und X} die bilabialen Laute gänzlich vermeidet, das
Ve teilweise. Die grosseste Ähnlichkeit mit dem Xm8'a weist das H auf;
es bildet auch einen Zischlaut anstatt f, differenziert denselben aber zu
s und z, während das Xmoa immer s hat. Wir müssen nach dem oben
Gesagten vermuten, dass eine Zahnverstümmelung bei den Herero vor-
liegt, dass dieselbe aber geringfügiger ist, als wie die der Kinga.
— 459
B
ka
ki
kü
ya
pi
P
Xa
se
X11
a
u
fi. fswi,
swi
Ye
h
t§i
fu, pi'u
a
(u)
si
ka
ki
fu (vu)
ga, a
vu
fi
H
ka
tXi
tu (su)
ja, a
zu (u)
se, si
Du
a
e
u, ku
a (ka)
u
i
Ko
klia
ka
khi
ki
fu
ga
ja
a
fu
«
Sa
Xa
Xi
fu
ga
ja
vu
fi
Xi
Xa
Xi
SU
ga
SU
si
In der 'Fat haben «lie Herero Zahnverstümmelungen, aber an den
Oberzähnen, gleich den Shambala in Deutsch -Ostafrika, welche auch
s statt f sprechen, die zwei oberen Yorderzähne schräg (/\) ausmeisselnd.
Diese Verstümmelung hindert sie nicht, ka zu sprechen, das mehr palatale
k in ki mag aber schon dadurch beeinflusst sein.1) — Ausser dem Herero
zeigen auch P, Ve und Sa ein dem X^nSa verwandtes Lautsystem. Die
Zahnverstümmelungen sind in Afrika eben sehr verbreitet und, da die
Sitte im allgemeinen eine abnehmende ist, früher noch viel verbreiteter
gewesen. Am stärksten zeigen sich die Gutturale, wie auch die Labialen,
im Duala beeinflusst. Wieweit bei den genannten Völkern Ver-
stümmelungen am Sprachorgan nachweisbar sind, kann ich nicht angeben.
Missionar Källner in Magqje schreibt mir über die Sango, dass er unter
ihnen die Sitte der Zahnverstümmelung nicht kenne. Nach dem ganzen
vorhergehenden kann aber gesagt werden: der Lautbestand bietet Indizien,
darauf zu vermuten, dass die Sitte geherrscht hat.
über die Verbindung der Gutturale mit den Nasalen will ich hier
nur andeuten, dass durch die Verbindung mit basalen die Gaumenlaute
zu hinteren Gaumenlauten werden, bei denen die Zungenspitze die
ünterzähne nicht zu berühren braucht. Daher treten hier wieder die
Gutturalen rein hervor, als Momentane.
Nachträglich habe ich von den Sango erfahren, dass bisweilen Lippen-
verstümmelung in der Unterlippe bei beiden Geschlechtern vorkommt,
und zwar ein kleines Loch in der Unterlippe, durch welches ein Stroh-
halm gesteckt wird. Dieser Befund berechtigt zu folgenden Schluss-
folgerungen: Die jetzt nur selten und geringfügig hervortretende Lippen-
verstümmelung ist vermutlich das Überbleibsel einer früher allgemeiner
und gewaltsamer geübten Verstümmelung. Die starke Verstümmelung der
1) Im Shambala, Yao und Herero beobachte ich bei der gleichen Zahnverstümmelung
_/\_ die Gleichungen: ki = chi, f = s.
:;u*
— 460 —
Unterlippe hat aber Zahnschwund zur Folge (Zeitschr. f. Ethnol. 1903,
S. 697 oben), so dass zu vermuten ist, dass Verstümmelung der Lippe
mit Verstümmelung der entsprechenden Vorderzähne zusammenfällt. Be-
züglich Oberlippe und oberer Vorderzähne beobachtete ich es in Mozam-
bique und im Shirehochland. Bezüglich der Unterlippe und Unterzähne be-
obachteten es Schweinfurth und Emin Pascha im ägyptischen Sudan
(Frobenius, Die Heidenvölker im ägyptischen Sudan. Berlin 1893.
Sihuli S. 331, Bari S. 347, Bongo S. 357, Madi S. 371, Lattuka S. 444.) -
Also ist die jetzt nur noch andeutungsweise uns sichtbare Lippen-
verstümmelung der Sango ein Wahrscheinlichkeitsbeweis, dass die Sango
früher die Unterzähne verstümmelt haben. Dies erklärt es, dass sie den-
selben Bestand an Gutturalen aufweisen wie die Bena; von diesen aber
wissen wir, dass sie die Zähne verstümmelt haben.
Es ist nun eine Aufgabe, zu erforschen, ob für die Peli und Venda
ein Beweis zu erbringen ist, dass sie auch Zahnverstümmelung geübt
haben und zwar an den unteren "Yorderzähnen. Ferner ist der Laut-
bestand der zahlreichen Sudansprachen heranzuziehen, deren Träger zum
allergrössten Teil dieselbe Zahnverstümmelung üben, sowie der Laut-
bestand des Massai.
Ich stelle für die Erforschung der einschlägigen Probleme folgende
Leitsätze auf:
1. Jede erhebliche Zahnlücke in den oberen oder unteren Vorder-
zähnen verhindert die Bildung eines dentilabialen f.
'2. Verstümmelung der Oberzähne beeinüusst die eigentlichen „Den-
talen". Dr. Hetherwick in Blantyre findet das englische th im
Ngulu und erklärt es als Wirkung der spitz zugefeilten r^-fX
Oberzähne.
'.'). Verstümmelung der unteren Vorderzähne beeinflusst die Laute
dorsaler (mit dem Zungenrücken) Bildung. Dies sind ausser den
Gutturalen bisweilen t, s, d, 1, n und verwandte Laute. Und zwar
ist die Wirkung derart, dass entweder die Momentanen zu
Spiranten werden, oder im hinteren Gaumen Ersatzlaute sich
bilden. Es können auch beide Tendenzen zusammenwirken.
2. Über die Frauensprache.
Ein ziemlich dunkles Gebiet der Sprachforschung, das aber vielleicht
von nicht geringer Bedeutung für die Auffindung sprachbildender
Tendenzen ist, ist die „Frauensprache", eine besondere Sprache, ein be-
sonderer Dialekt, ein besonderer Vokabelschatz, Besonderheiten, deren
sich die Frauen im Umgang unter sich bedienen und in der Regel vor
den Männern ängstlich geheim halten. Von einer Frauensprache wird bei
allen Völkern etwas vermutet werden dürfen, bei denen der soziale Gegen-
satz zwischen Männern und Frauen stark ausgeprägt ist. Aufmerksam
gemacht bin ich auf das Vorhandensein einer Frauensprache durch einen
des Arabischen kundigen intelligenten Beludschen in Dar-es-Salaam, indem
derselbe an mich die Frao-e richtete, ob wir im Deutschen auch eine be-
— 461 —
sondere Frauensprache (Suaheli: kike) hätten. Er hielt das Vorhandensein
einer solchen für ein Zeichen feiner Kultur.
Gelegentlich einer Arbeit aber die in Afrika bei Frauen verschiedener
Völker geübte Lippenverstümmelung- habe ich Veranlassung genommen,
die Vermutung auszusprechen, dass eine derartige Sitte zur Bildung eines
Frauendialektes beitragen kann. Gewiss sprechen aber noch mancherlei
andere .Momente mit. Eine uneigentliche, den Forscher irreführende
„Frauensprache" kann dadurch in die Erscheinung treten, dass ein
kriegerisches Volk Weiber fremden Stammes raubt, und nur im Frauen-
kreise die alte Meimatsprache in Kraft bleibt. Die hierdurch oft ent-
stehenden Irrtümer haben bisweilen den Forschern das ganze Problem als
ein Phantom erscheinen lassen. Auch ich wurde stutzig gemacht durch
die bestimmte Erklärung des Suaheli-Lektors Mtoro bin Mwenyi Bakari,
eines sonst zuverlässigen Berichterstatters, dass es weder im Suaheli noch
im Saramo eine Frauensprache gebe. Dagegen erklärt mir nun wieder
mein aus Dar-es-Salaam stammender Boy, jeder Schwarze wisse, dass es
ein kike gebe und dass jeder, der es leugne, es nur verheimlichen wolle,
weil es sich dabei um ein Geheimnis handle, in das man die Europäer
nicht wolle eindringen lassen.
Bei näheren Nachfragen erfuhr ich, dass die Frauen sich der Frauen-
sprache insbesondere bedienen, wenn sie einander von ihren Frauenleiden
erzählen. Zurzeit bin ich von der Küste zu weit entfernt, um in die
Frauensprache der Suaheli etwas mehr eindringen zu können.
Dagegen habe ich hier auf der Durchreise durch das Kondeland, nörd-
lich des Nyassa-See, von einer ausgebildeten Frauensprache zuverlässigen
Bericht erhalten und möchte an den gesammelten Beispielen diese Frauen-
sprache charakterisieren. Ich verdanke die Mitteilungen meinem 10 Jahre
im Lande befindlichen Mitmissionar, Hrn. Schüler in Mwakaleli.
Hr. Schüler sieht den Ursprung der Frauensprache in der hier zur
weiblichen Schamhaftigkeit gehörigen Sitte, dass die Ehefrau die Namen
des Schwiegervaters und seiner Brüder nicht in den Mund nehmen darf;
ebensowenig aber auch alle diejenigen Worte, welche mit den Namen im
Zusammenhang stehen. Nun haben aber die Personennamen einen durch-
sichtigen Zusammenhang mit Bezeichnungen von Gegenständen. Sehen
wir acht beliebige Männernamen auf ihre Bedeutung an.
mangambako = Sohn des Ochsen,
mafilombe = Sohn des Maises,
maluesi = Sohn des Flusses,
mangosi = Sohn des Schafes,
masongwe = Sohn der Frucht,
maisuba = Sohn der Sonne,
inwankupili = Sohn der Spreu,
manyoka = Sohn der Schlange.
Denken wir uns, dass eine Frau einen Schwiegervater hat. der sechs
Brüder hat — bei der herrschenden Vielweiberei können es aber sehr
viel mehr sein — , so erhellt, wie die Frau im Sprechen fortwährend auf
der Hut sein muss. damit sie nicht gegen den Anstand verstösst. Die
— 462 —
Frauen gewöhnen sich an Umschreibungen und Ersatzworte, eine lernt
von der andern und so entsteht mehr und mehr eine eigentümliche
Frauensprache, die dann schliesslich zur Geheimsprache der Frauen werden
kann. Nach den Proben erinnert dieselbe an die „Kundensprache"-, in
dieser finden wir teils schwerverständliche Fremdwörter (meist hebräischen
Ursprungs), teils ein Rätsel bergende Umschreibungen (z. B. Lebens-
pulvermacher = Müller).
Nach diesen Gesichtspunkten das Material ordnend, gebe ich zunächst
einige Beispiele von fremdartigen Worten, die zum teil nachweisbare
Fremdworte sind.
Gewöhnliches Konde Frauensprache
amesi (Wasser) = amalenga (Bena)
lambalala (sich legen) = kwasalala
iiiombe (Rind) = ingwafi
inosi (Schaf) • = iiiololela
isongwa (eine bestimmte Frucht) = isafye (Mamba)
ikilombe (Mais) = ikijebele (Makoma)
indima (Bohne) = indeleka
Das Wort kwasalala erinnert mich an das lokal weit entfernte,
Dzalamo (Saramo), wo kwasa = Suaheli kulala ist. Von den sieben
Worten der Frauensprache sind vier um eine Silbe länger, als wie die
entsprechenden Worte der gewöhnlichen Sprache. Wir dürfen wohl,
namentlich im Hinblick auf die folgenden Worte, von einer Tendenz zur
Bildung längerer Formen sprechen.
Die übrigen mir zu Gebote stehenden Worte der Frauensprache
charakterisieren sich als rätselhafte Umschreibungen.
Gewöhnliches Konde Frauensprache
iliseke (Gemüse) = elyantaba (das sich hinrankende) oder
= elyalouda (das, was man sucht)
umpiki (Baum) = umbyaligwa (der gepflanzt wird)
inyoka (Schlange) = inenda hasi (was unten läuft)
umwende (Zeug) = umfwaligwa (das getragen wird)
injila (Weg) = inendigwa (das Begangene)
ingubo (Fell) = imbapilo (das, womit man das Kind
trägt)
ilipamba (Ziegelstein) = ibumbigwa (das geformte)
ilisuba (Sonne) = ilibaligwa (das Scheinende)
unkupuli (Spreu) = umpetelo (das Ausgeschüttelte)
Von diesen verbalen Umschreibungen hat ein besonderes Interesse
die Umschreibung für Zeug. Wenn die Frau umwende vermeiden muss,
könnte sie dafür das Substantivurn umfualo gebrauchen; der Stil der
Frauensprache fordert aber die umständlichere Form umfwaligwa.
Die Frauensprache ist, soweit sie bekannt ist, unter den Konde nicht
zur Geheimsprache geworden. Im Gegenteil ist nach 10 jähriger Be-
obachtung zu sagen, dass die Männerwelt sich mehr und mehr von der
— 463 —
Rodeweise, der Frauen annimmt. „Unsere Frauen vermehren den Sprach-
schatz" sagen die Konde. Es liegt hier also eine sprachbildende Tendenz
deutlich zu Tage.
Man muss wohl sagen, dass die die Frauensprache erzeugende Sitte
im Zunehmen begriffen ist. Den Wakinga ist von Haus aus diese Sitte
fremd; aber je mehr sie mit den Wakonde Verkehr haben und bekommen,
um so geneigter sind sie, die gleiche Sitte anzunehmen.
3. Die Dorsalen des Sango.
I. Die Gutturalen.
Die Artikulation. Daseist ausserordentlich weit hinten; geht ein
i vorher, so wird dieses ein sehr offenes und sehr kurzes 1 mit einem
darauf folgenden kurzen Gleitlaut: fi»xa (ankommen). Dies erinnert
frappant an die Gutturalen des St. Gallei; Dialekts.
g ist explosiv, ziemlich weit hinten und für das Ohr zunächst durch
eine vorhergehende Pause charakterisiert.
X ist sehr vorn am Palatum und scheint mir meist einen kurzen
t -Vorschlag zu haben.
k des Bantu bleibt nur vor u bestehen, y dagegen zeigt vor fast jedem
Vokal eine doppelte Tendenz: es wird entweder zu g oder wird erweicht
bis zu völliger Elision.
Die 7 betreffenden Fälle lassen sich nun aber unter eine beachtens-
werte Regel subsummieren. Die Verhärtung zu g tritt nur in den
Affixen ein, die Erweichung nur in den Stämmen.
ga ja
Verb, zu 5 ga jala (ausbreiten)
jani^a (trocknen)
Kl. 4 vor dem Verb, gi lu-jimbo (der Gesang)
gu JL1
Kl. 5 vor dem Verb, gu juma (trocknen)
ge dje
djenda (gehen)
vir^adje (Suffix)
go jo
jotha (sich wärmen)
o
ona (schlafen)
Ein nicht ganz gleiches Bild bieten die Zusammensetzungen des ur-
sprünglichen k-Lautes dar.
Ba ka ke ki ko ku
Sa xa Xe X1 X° ku
^a kommt als Präfix Kl. 13 und als Verbalaffix §xa vor: ausserdem
in Wortstämmen.
%[ kommt als Präfix kl. 7 und in Stämmen vor.
— 464 —
ku kommt als Präfix Kl. 17 vor; ausserdem ist k erhalten in dem
aus ku - i entstandenen Infinitivpräfix ki; ku kommt gleichfalls im
Stamm vor.1)
Nun ist aber zu beachten, dass im Satz \a als Präfix sehr selten vor-
kommt, während es als Bestandteil des Stammes sehr häufig vorkommt;
dass andererseits die Präfixe ku und ki sehr häufig vorkommen, während
ku im Stamm selten and ki im Stamm gar nicht vorkommt.
So lassen sich für den k-Laut die Befunde unter eine Regel sub-
summieren, die der für den /-Laut gefundenen Regel analog ist: Die
Präfixe zeigen eine weit häufigere Erhaltung des k als die
Stämme.
"Wo die syntaktischen Silben und die Sprachstämme Verschiedenheiten
des Lautwandels aufweisen, liegt ein deutliches Anzeichen der Sprach-
mischung vor; die Sprache des herrschenden Volkes ist durch die syn-
taktischen Silben charakterisiert. Abweichende Eigentümlichkeiten der
Stämme charakterisieren das unterworfene Arolk. In der Sprache des
Sango hat sich ein herrschendes Volk die Sprache eines anderen Volkes
unvollkommen assimiliert, welch letzteres die Neigung hatte, die Gutturalen
spirantisch zu artikulieren.
Auf Grund einer Vergleichung von Lautbestand und Sprachorgan im
Xinga und Bena muss vermutet werden, dass die Neigung, die Gutturalen
spirantisch zu sprechen, auf eine früher geübte Verstümmelung der unteren
Vorderzähne zurückzuführen ist.
Bezüglich der Zahnverstümmelung lässt sich nach dem sprachlichen
Befund folgendes vermuten:
Die eigentlichen Sango haben keine Zahnverstümmelung
geübt, aber ein ihnen jetzt assimilierter unterworfener Volks-
stamin.
Wie stellen damit die Tatsachen im Einklang?
Die Sango üben keinerlei Zahnverstümmelung, entsinnen sich auch
nicht, dass ihre Vorfahren es getan hätten. Ein Volksstamm, von dem
sie bis vor etwa 20 Jahren viel Weiber geraubt haben, sind die Safua.
Diese üben keine Zahnverstümmelung, wohl aber bisweilen eine kleine
Durchbohrung der Unterlippe. Diese Verstümmelung aber darf als Rest
einer früher allgemeiner und in grösserem Massstab geübten Verstümmelung
der Unterlippe angesehen werden, welche dann eine Verstümmelung der
Onterzähne zur Folge hatte, wie solche sich in der Nachbarschaft, beiden
Xinga, erhalten hat.
Wir können jetzt das Sango von heute ansprechen als eine Misch-
Bprache von älterem Sango und Safua2) und können hinzufügen, dass die
Sango wahrscheinlich nicht die Zähne verstümmelt haben, während die
Safua ursprünglich die rnter/.ähne verstümmelt haben.
Das Sango dürfte ein interessantes Beispiel sein für die Übertragung
1) Obiges Sprachgui ist entnommen aus Meinhof. Grundriss S. 132ff.
2 I. können auch andere Völker in Betracht kommen.
— 465 — ■
eines Lautbestandes, der durch Zahnverstümmelung bewirkt ist, anfein
Volk, welches die Zähne nicht verstümmelt bat.
II. Weitere dorsale Laute (t, 1, n. s) habe ich im Sango nicht ge-
funden. Doch will ich die Untersuchung dieser Laute Forschern empfehlen,
welche mein- (ielegenheit halten, sich mit dem Sango zu beschäftigen.
Mein Gewährsmann ist ein Abgesandter Mereres, Xiuvuv_a. aus
Utengule.
(11) Hr. v. Luscb.au: Ich bin heute in der sehr angenehmen Lage,
Ihnen
einige wesentliche Fortschritte in der Technik der physischen
Anthropologie
zu demonstrieren. Zunächst zeige ich Ihnen eine Tafel, die mein Kollege
.Martin in Zürich mich vieljährigen Bemühungen eben vollendet hat, eine
Tafel zur Bestimmung der Augenfarben. Die wenigen unter Ihnen, die
sich wirklich ernsthaft damit beschäftigt haben, die Augenfarbe am Lebenden
Menschen zu bestimmen, wissen, welche ungeheueren Schwierigkeiten 'Ins
hat. Alle Versuche, nur unsere gewöhnlichen Farbennamen zur Kenn-
zeichnung benutzen zu wollen, sind gescheitert. Es gibt ferner eine Reihe
von lithographisch hergestellten Augenfarbentafeln; indes auch diese sind
sämtlich ungenügend. Prof. Martin hat nun eine Farbentafel mit 16 wirk-
lichen Glasaugen fertig gebracht, die, wie ich glaube, alle Anforderungen
befriedigt, und die wahrscheinlich — ich will nicht sagen: für alle Zeit,
aber sicher für viele Jahrzehnte — massgebend sein wird für die Bestimmung
der Augenfarbe zu wissenschaftlichen Zwecken. Die Augen liegen auf
einem elastischen Kissen unter einer im Sandgebläse mattgemachten, dunkel
silbergrauen Aluminium-Platte, aus der 16 Öffnungen in Gestalt einer
Lidspalte gestanzt sind. Dadurch ist auch die schwierige Präge eines
neutralen Hintergrundes für die einzelnen Augen in sehr glücklicher uml
gefälliger Weise gelöst worden. Nach England, wo man augenblicklich
eine grosse anthropologische Massenuntersuchung vorbereitet, sind bereits
50 Exemplare dieser Augenfarbentafel abgegangen.
Ferner kann ich Ihnen hier das Ergebnis einer analogen Arbeit vor-
legen, mit der ich mich selbst seit etwa "J0 Jahren beschäftigt habe, und
die jetzt abgeschlossen ist. Es handelt sich um die Bestimmung der
Eautfarbe. Auch hier gab es grosse Schwierigkeiten zu überwinden. Es
i>i hauptsächlich der gemeinsamen Arbeit mit meinem Kollegen Martin
zu verdanken, wenn nun auch diese Aufgabe als vollkommen gelösl
gelten kann. Wir wollen die jetzt fertig vorliegende Tafel von nun an
für alle Massenaufnahmen verwenden und auch den von uns ausgesandten
Reisenden mitgeben. Ich lege hier ein etwas grösseres Exemplar vor, das
im Laboratorium nur zur Kontrolle dienen soll, und hier sehen Sie die
kleinere Form, in der die Tutel endgültig hergestellt werden wird.
Sie enthält 36 Steinchen aus opakem Glas, in zwei Reihen angeordnet
und fortlaufend numeriert. Die ganze Tafel ist nur 7 18 cm gross und
7 mm dick. .Meine ersten Versuche in dieser Richtung waren mit einer
italienischen Glasmosaik-Firma gemacht weiden und scheiterten haupfc-
— 466 —
sächlich an der nicht absoluten Sicherung der dauernden Herstellung-
absolut identischer Farbentöne. Jetzt habe ich die Arbeit mit unserer
heimischen Firma Puhl und Wagner zu Ende gebracht, der ich für das
der Sache bewiesene Interesse sehr zu Dank verpflichtet bin.
Die Tafel wird jetzt in einer Auflage von mehreren hundert Exem-
plaren hergestellt, die untereinander absolut identisch sind. Die Farbe
der einzelnen Steinchen ist dauernd unveränderlich und kann besonders
auch von der Sonne nicht ausgebleicht werden. Im ersten Augenblicke
stören bei einzelnen Steinchen die Reflexe, die stärker sind, als die der
menschlichen Haut; aber sie treten nur bei ungeschickter Haltung auf und
sind leicht auszuschalten. Es wäre natürlich sehr einfach, diese Reflexe
ganz zu vermeiden; mau brauchte nur die einzelnen Steine oder die ganze
Tafel im Sandgebläse anzurauhen. Die Tafel wirkt dann sehr gefällig,
ist aber schon desshalb für den Gebrauch ungeeignet, weil die Farbentöne
durch die Anrauhung ungleichmässig verändert werden; auch werden sie
für Feuchtigkeit, Schmutz und Fett so empfindlich, dass eine fortwährende
Reinigung mit Alkohol und Benzin unerlässlich wäre. Im Interesse
wissenschaftlicher Genauigkeit haben wir daher die ursprünglichen glatten
Schlagflächen unverändert beibehalten.
Die einzelnen Farbentöne sind im allgemeinen nach der Intensität
dunklen Pigmentes geordnet. Doch wurde aus praktischen Gründen im
einzelnen bei der Anordnung auf die Schwankungen Rücksicht genommen,
die durch den wechselnden Blutgehalt der Haut und das ungleichmässige
„Abbrennen" entstehen. So entsprechen die Nummern 1 bis 6 den
häufigsten Farben stark anämischer Europäer, die Nummern 7 bis 35 den
Farben blutreicher Haut von den hellsten bis zu den dunkelsten Tönen.
Ganz am Schluss der Reihe, als Nummer 36 habe ich ein rein schwarzes
Steinchen aufgenommen, natürlich nicht für den ernsthaften Gebrauch,
sondern nur zur Warnung für den weniger Geübten, dem man niemals
eindringlich genug klar machen kann, wie weit von reinem Schwarz auch
die Hautfarbe sehr dunkler Individuen in Wirklichkeit entfernt bleibt.
Hr. von den Steinen: Sind diese Tafeln schon käuflich zu haben?
Hr. von Luschan: Beide Tafeln werden wahrscheinlich schon in den
nächsten Wochen oder Monaten käuflich zu haben sein.
(12) Er. Max Schmidt überreicht nach einem Brief aus Cuyabä die
folgenden
Nachrichten über die Kayabi-Indianer.
Seitdem der nördliche Teil von Matto Grosso in den letzten Jahr-
zehnten mit in die Reihe der Gummi exportierenden Gebiete eingetreten
i>t. ist hierdurch mehrfach Veranlassung zu Unternehmungen gegeben
worden, welche die Brasilianer mit bisher wenig beachteten eingeborenen
Stämmen in Berührung brachten. Da bei allen den Expeditionen, welche
von den Cuyabaner Kaufhäusern in dieser Hinsicht ausgerüstet werden,
natürlich stets nur kommerzielle Gesichtspunkte in Betracht kommen, so
bleiben die vielen Erfahrungen von ethnologischer Bedeutung, welche bei
— 467 —
Gelegenheit solcher Expeditionen gemacht werden, leider gewöhnlich für
weitere Kreise in tiefes Dunkel gehüllt.
Ich bin daher Hrn. Bodstein in Cuyabä zu grossem Danke verpflichtet
dafür, dass er mir seinen, in der Gazeta Official d<> Estado de Matto-Ghrosso
in den Xnni in vorn 5. Dezember 1903 Ins zum 22. Dezember 1903 ver-
öffentlichten Bericht über die Expedition, welche er im Jahre; 1901 im
Auftrage der Firma Orlando, Bruno u. Co. in Villa do Rosario nach der
Mündung des Rio Verde ausführte, zugeschickt hat, um 90 mehr, weil in dem-
selben verschiedene Notizen aber die Kayabi enthalten sind, einen Stumm.
von dem wir bisher nur wenige Angaben hatten.
Wir wussten bisher nur aus dem Bericht der Directoria dos Indios1),
dass die Kayabi „unbezwungene Wilde in der Nähe des Salto" seien und
ausserdem das, was Karl von den Steinen von den am Paranatinga an-
gesiedelten Bakairi-Indianern, den alten Feinden der Kayabi, über diese
erfahren konnte2).
Vor allem wichtig sind die Angaben, an denen wir einen festen Anhalt
für die Festlegung des von den Kayabi bewohnten Gebietes haben.
An den letzten drei Reisetagen der Rio Verde-Fahrt bis zur Ein-
mündung dieses Flusses in den Parataninga werden die ersten Anzeichen
der Indianer gefunden. Zunächst ein verlassener Rancho am Ufer des Rio
Brauco. Am 11. August werden die Indianerspuren häufiger, an der linken
Flussseite ist eine Pflanzung der Kayabi sowie ein Anlegeplatz für ihre
Bote sichtbar. Der Rauch von ihren Feuern wird gesehen, ferner zwei
Bote aus der Rinde des Jatoba-Baumes, ein kleiner Rancho und endlich
tun Mann mit einem Kinde, die aber sogleich in den Wald laufen.
Das eigentliche Zusammentreffen mit den Kayabi geschieht dann am
nächsten Tage, dem 1"2. August, wo etwa dreissig der genannten Indianer
am Flussufer erscheinen und „coroas, brincos e adornos de plumas de
passaros", also Federschmuck, zum Geschenk anbieten. Alle haben den
Körper mit ürueum rot bemalt. Zu diesen Indianern gesellen sich bald
nach der Einfahrt in den Paranatinga andere hinzu, von denen die einen
vom unteren Paranatinga aufwärts und die anderen umgekehrt vom oberen
Paranatinga abwärts gefahren kamen.
Zu diesem Nachweis der Kayabi am unteren Rio Verde sowie am
Paranatinga, sowohl weiter abwärts als weiter aufwärts von der Ein-
mündung des Rio Verde müssen wir bei der Festlegung des von diesen
Indianern besetzt gehaltenen Gebietes die Tatsachen hinzunehmen, die ich
auf meiner Reise zum Schingu-Quellgebiete feststellen konnte und die
die weite Ausdehnung des Gebietes der Kayabi nach Osten hin kundtun.
Mehrfach wurde mir auf der Strecke im Gebiete zwischen dem oberen
Ronuro und dem oberen Batovy von den mich begleitenden Bakairi-
Indianern bedeutet, dass die Kampbrände, die wir zu passieren hatten, von
den Kayabi herrührten. Ein Pfad, der den unsrigen quer kreuzte, seilte
nach Aussage der Leute von den Kayalu ausgetreten sein, und endlich.
1) K. v. (1. Steinen: Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens, Berlin 1894, S. 551.
2) Ebenda S. 391 ff.
— 468 —
W'
V
als ich auf der Rückkehr in Corrego Fundo, an dem gleichnamigen Flusse
uanz in der Nähe des Paranatinga gelegen, weilte, kamen die Bakairi aus dem
nahen Paranatinga-Dorfe mit der Kunde zur Ansiedlung, dass sie, etwa
6 Leguas von dieser entfernt, im Walde beim Gummisuchen auf Kayabi ge-
stossen seien und bei dieser Gelegenheit einen ihrer Feinde erschossen hätten.
Durch die wenigen Angaben, die wir
von Hrn. Bodstein über die Gebrauchs-
gegenstände erfahren, werden die von den
Bakairi - Indianern Karl v. d. Steinen
gegenüber o-emachten Aussagen hierüber
als zuverlässig bestätigt. Auch Bodstein
erwähnt, dass die Kayabi Keulen haben
und bei dem in nebenstehender Abbildung-
gegebenen Pfeile, der von der Bodstein-
schen Expedition stammt und mir von
einem Reisegefährten auf der Dampferfahrt
den Paraguay abwärts gütigst geschenkt
wurde, besteht der Schaft im Einklang mit
den Angaben der Bakairi aus Cambayuva-
Rohr.
Die Knochenspitze des 1,60 m langen
Pfeiles ist durch Wachs und Umwicklung
mit einer feinen Schnur aus Pflanzenfaser
an dem in den Cambayuva-Rohrschaft ein-
gelassenen Rohrteil befestigt. Die Ver-
bindung des Holzteiles mit dem Rohrschaft
ist durch Umwicklung mit Waimberinde
(Philodendron) gesichert. Die beiden, die
Befestigung am unteren Ende bildenden
Federhälften sind dem Rohrschaft, nach
Durchlöchern des letzteren, aufgenäht und
an den Enden mit einem Faden, bezw. einem
Stück Sipo umwickelt. Die dem Oberteil
der Federn parallel liegende Kerbe ist
einfach geschnitten ohne Hinzufügung von
Kerbhölzern. In die an der Kerbe liegende
Fadenumwicklung sind kleine Schmuck-
federchen eingefügt.
Als einziges Wort der Kayabi-Sprache giebt uns Bodstein das Wort
appi für Beil an.
Leider war es Hrn. Bodstein nicht vergönnt, nähere Einzelheiten
aber den in Frage stehenden Stamm zn erfahren, da die anfängliche Ein-
inirlit /.wischen den Kxpeditionsmitgliedern und den Indianern durch einen
feindlichen Angriff von Seiten der letzteren bald nach dem ersten Zusammen-
treffen gestört wurde. Hoffentlich aber wird Hr. Bodstein meiner an ihn
gerichteten Bitte, mir noch einige Angaben über die Gebrauchsgegenstände
zu geben, nachkommen, die ich dann später hier vorlegen zu können hoffe.
— 469 —
(13) JIr. Paul Traeger legt
das Handwerkszeug eines tunesischen Tätowierers
vor.
Die Literatur aber <lio Sitte des Tätowierens bei den verschiedenen
Völkern ist heute bereits eine sehr umfangreiche und zum Teil auch sein
eingehende und zuverlässige. Das im Jahre 1887 erschienene grosse Werk
von Wilhelm .loest1) darf man wohl als eine den Gegenstand zunächst
abschliessende Zusammenfassung des vorliegenden Materials betrachten. Selt-
samerweise ist dieses noch recht dürftig aus einer uns verhältnismässig
nahe liegenden Gegend, deren Bevölkerung bis heute treu am Tätowieren
festhält. Ich meine die hellfarbige Bevölkerimg Nordafrikas.
Meiue eigenen Beobachtungen beziehen sich vornehmlich auf Tunis.
Hier scheint zwar die Sitte bei den vornehmen Arabern der Küstenstädte
allmählich abzukommen, in den unteren Klassen jedoch, und besonders
unter den Beduinen und Kabylen findet man ziemlich jede Person, Mann
wie Frau, mit einer oder mehreren Tätowierungen geschmückt. Bei den
Trogodyten des Matmata, für die wir berberische Abstammung annehmen
dürfen, wiesen besonders einige Frauen an fast allen sichtbaren Körper-
stellen reiche, zum Teil sehr grosse und hübsche Zeichnungen auf.
In gleicher Weise wie in Tunis scheint die Sitte auch bei der ein-
geborenen Bevölkerung Marokkos und Algiers zu herrschen. Wir sind
darüber durch eine ältere Arbeit von D'Hercourt2) und eine neuere von
Jacquot3) unterrichtet. Mehr im Abnehmen begriffen scheint sie in
Ägypten zu sein. Hier fand Charles S. Myers in den Jahren 1901/2 nur
eine unter vier Personen tätowiert4).
Wie gross die Verbreitung selbst in der Hauptstadt Tunis noch ist,
bezeichnet schon der Umstand, dass auch dort die Kunst des Tätowierens
noch als selbständiges, seinen Mann ernährendes Gewerbe geübt wird. Im
vorigen Herbst wurden mir zwei derartige Künstler genannt, die sich eines
besonderen Rufes in ihrem Fache erfreuten. Ausser diesen gab es noch
einen oder einige Xeger, die sich mit Tätowieren beschäftigten. Und nicht
weniger bezeichnend ist die Art, wie das Gewerbe ausgeübt wird. Wie
bei uns auf dem Lande etwa der Scheerenschleifer noch durch die Strassen
zieht mit dem Rufe: „Scheerenschleifer, Scheerenschleifer!", so geht in
den Eingeborenen -Vierteln von Tunis „der Tätowierer" durch die Gassen
und ruft: „el ouescham, el ouescham!"6)
Nach Myers' Angabe wird dasselbe von Laue und Fouquet aus
Gairo berichtet. Dort hat aber offenbar der Tätowierer noch andere
1) W. Joe st, Tätowieren, Narbenzeichnen und Körperbemalen. Berlin 1887.
2) G. D'Hercourt, Anthropologie de l'Algerie. Moni, de la soc. d'Anthropol.
de Paris 1868.
3) L. Jacquot, etude sur les tatouages des indigencs de l'Algerie. L/Anthropo-
logie, X. 1899. WOfl.
4) Contributions to Egyptian Anthropologie: Tatuing. Journal of the Anthrop. Inst,
of Great Britein and Ireland. 1903.
5) Jacquot gibt das Wort auch für Algier an in der Form: oucham, gesprochen
ouchem.
— 470 —
Funktionen. Bei Laue ruft er: „we tatu and circumcise", und bei Fouquet:
„faire les tatouages, percer les oreilles, et couper les clitoris. In Tunis
habe ich nichts davon gehört, dass der Tätowierer auch jene Geschäfte
mitbesorgt, ebenso habe ich kein Instrument bemerkt, was darauf hin-
gewiesen hätte.
"Wer tätowiert zu werden wünscht, ruft den auf der Strasse sich
meldenden Künstler zu sich in die WohnuiiL!'. Ich konnte den einen der
Fig. ±
Fig. 1
(V! nat. Gr.).
(
beiden, die in Tunis als die besten galten, einen marokkanischen Berber
aus Sakia el Ilamra, Mohanied ben el Hadji, bei seiner Tätigkeit beob-
achten, und es gelang mir vor allem, das ganze Handwerkszeug, dessen er
sich dabei bediente, zu erhalten. Dieses muss er natürlich stets bei sich
tragen. Der Hauptgegenstand war, eingewickelt in dieses schmutzige
Läppchen, das kleine Messerchen (Fig. 1). Es hat etwa die Form eines
Stemmeisens, ist knapp 10 cm lang, die dünne, haarscharf geschliffene
Schneide 7 mm breit. In Papierumhüllung hatte er in grosser Menge den
schwarzen Farbstoff hei sich, der mir feingeriebene Kohle zu sein scheint.
Am interessantesten war mir aber, und «lies scheint anderwärts nirgends
- 471 -
beobachtet zu sein, dass er auch gewissermaßen ein Musterbuch mit sich
führte, nach dem er die Figuren auswählen liess und das ihm zugleich als
Preisliste diente.
Die Operation selbst war die folgende (vgl. die Aufnahme Fig. 2).
Die zu tätowierende Stelle reinigte er etwas mit Hilfe von Speichel und
dem erwähnten Läppchen. Dann rasierte er mit dem Messerehen die etwa
vorhandenen Härchen, und das Tätowiren begann. Er hielt dabei das
Messerchen etwas schräg und zeichnete, mit einer der scharfen Ecken
schaltend, die Figur in die Haut, bis das Blut hervordrang. Sodann
schmierte er die Farbe darauf, liess sie kurze Zeit einziehen und wischte
dann die Stelle wieder mit demselben Wasser und Läppchen oberflächlich
ab. Der Heilungsprozess soll gewöhnlich drei liis vier Tage dauern, bei
grösseren Tätowierungen allerdings oft auch ebenso viele Wochen. Er
soll, so viel ich darüber erfahren konnte, immer gut verlaufen, trotzdem
man die dabei gebrauchten Hilfsmittel nicht gerade antiseptisch nennen
kann.
Bei dieser Art der Tätowierung ist zunächst die Verwendung eines
.Messer« liens auffallend. Bekanntlieh gebraucht man in der Südsee. in
Ostasien, in Neuseeland usw. überall scharf zugespitzte, einzelne Knochen,
kammartig fein gezähnte Knochen- und Muschelstücke oder auch euro-
päische Nähnadeln. Die Wundlinie wird dabei immer durch Punktierung,
durch Einstechen oder Schlagen erzeugt, nicht wie hier durch eine mehr
schabende Bewegung. Auch in den anderen Ländern Nordafrikas scheint
der Gebrauch eines Messers unbekannt oder ungewöhnlich zu sein. Nach
Lane1) wird in Ägypten das Muster mit einigen, gewöhnlich sieben,
zusammengebundenen Nadeln in die Haut gestochen. In Algier2) ist es
ein Bündel von drei feinen Nadeln, womit man ä petits coups secs et
vivenient repetes die Haut bearbeitet. In den armen Dörfern der Kabylie
jedoch nimmt man einfach einen Splitter vom Schilfrohr. Und hier kommt
auch die Verwendung eines Messers vor.
Das arabische Wort daqq für tätowieren, welches Lane, Joest und
Myers angeben, und das nach einer Mitteilung von Lecoqs auch in Syrien
der gewöhnliche Ausdruck dafür ist, habe ich in Tunis nicht gehört. Ob
es zufällig nicht geschah oder vielleicht, weil sein Sinn der Verwendung
eines Messers nicht entspricht, kann ich leider nicht entscheiden.
In Bezug auf die Färbung der Zeichnungen habe ich in Tunis immer
nur einfarbige beobachtet. Am beliebtesten ist schwarz, doch kommt auch
blau vor. Nur in einem Falle fand ich zwei Farben, schwarz und rot,
nebeneinander in der gleichen Figur verwendet. Alier diese Ausnahme
war eine solche auch in Bezug auf das Motiv der Zeichnung. Sie fiel
gänzlich aus dein Rahmen, in welchem sich die Art der Darstellungen zu
halten pflegt, so lange das Tätowieren noch allgemeine Volkssitte ist. und
erinnerte stark an europäische Muster. Es war in der ehemals heiligen
1) Sitten und Gebräuche der heutigen Ägypter a. d. Engl. v. Zenker. Leipzig.
s. 35.
■_* Jacqnot, S. 136.
— 472 -
Stadt Kairouan, wo ein junger Araber in übrigens sehr guter Ausführung
in zwei Farben das Bild einer jungen, elegant gekleideten, europäischen
Dame in ganzer Figur auf dem Arme trug, auf dem Oberarm Kopf und
Büste, die andere Körperhälfte auf dem Unterarme. Ausser der Farben-
tätowierung sieht man in Tunis auch häufig Xarbentätowierung, aber aus-
schliesslich bei der schwarzen Bevölkerung.
An welchen Körperstellen pflegt man sich vornehmlich tätowieren zu
lassen? 3Ian kann wohl allgemein sagen, an so ziemlich allen, die sichtbar
sind. In erster Linie sind es bei beiden Geschlechtern Arme und Hände.
Bei den Frauen kommt dann hauptsächlich das Gesicht in Betracht, Kinn,
Stirn und Wangen. Eine kleine Zeichnung zwischen den Augenbrauen ist
fast immer vorhanden; damit korrespondierend meist eine solche am Kinn,
wozu häufig auch noch Wangen und Stirn kommen. Bei den Männern
tritt das Gesicht zurück, dafür spielen aber Beine und Füsse eine grössere
Rolle. Man tätowiert mit Vorliebe die Waden und den Fussrücken,
ebenso die schmale Stelle am Hinterfuss von der Ferse bis zur Wade.
Ferner ist bei den Männern die Brust sehr beliebt, doch sieht man die-
selbe auch häufig genug bei den Frauen verziert.
Die Stelle der Tätowierung bedingt in vielen Fällen naturgemäss auch
den Charakter der Zeichnung. Man kann auf den Fingern, am Kinn oder
zwischen den Brauen selbstverständlich nicht grosse Figuren anbringen.
Demgemäss haben wir es in den meisten Fällen mit kleinen, einfachen
.Mustern zu tun. Oft ist es nur ein Punkt oder mehrere nebeneinander
gruppiert; ein kleiner senkrechter Strich oder drei spitzwinkelig von einem
Punkte nach oben auseinandergehende zwischen den Brauen, dazu zwei
oder drei parallele am Kinn und sich kreuzende auf den Wangen. Kleine
Kreise, einfache oder konzentrische, ein Kreuz von einem Kreis umschlossen,
Sterne, Quadrate und andere Figuren geometrischer Art. Man vergleiche
die zahlreichen Abbildungen dieser Art beiLane, D'Hercourt, Jacquot
und Myers. In gleicher Weise wie in Ägypten und Algier kommen sie
auch in Tunis vor. Sie ergeben sich ja eigentlich von selbst bei jeder
einfachen oder primitiven Ornamentik.
Daneben findet man aber vielfach grössere Bilder komplizierteren
Charakters und von schwierigerer Form. Sie sind nicht mehr bloss als
Tätowiermuster interessant; sie verlangen von ihrem Hersteller schon einen
höheren Grad von Kunstfertigkeit und Phantasie und sie sind wichtig als
ein Ausdruck der Vorstellungswelt und Anschauungsweise des Volkes.
Zur Kenntnis dieser reicheren Tätowierung bietet nun das Original-
Musterbuch des Mohamed ben el Hadji ein wertvolles, in keiner Hin-
sicht verfälschtes Material aus erster Hand. Es besteht aus fünf Folio-
blättern, die ziemlich dicht, in kräftigen Linien mit Tinte gezeichnet, von
den Entwürfen des Künstlers bedeckt sind. Sie sind hier alle in 7« der
Qriginalgrösse wiedergegeben. Die oben besprochenen kleinen und ein-
fachen Muster fehlen darauf. Für solche bedarf es offenbar weder für den
Künstler noch für die Kundschaft eigener Vorlagen. Figuren geometrischer
Art sind darunter nur ein paar durch besondere Crosse ausgezeichnete.
Alle übrigen sind bildliche Darstellungen, Wiedergabe eines einzelnen
— 473 —
Gegenstandes, eines Tieres oder einer Pflanze oder auch Kombinationen
daraus, teilweise von kühner Zusammenstellung. Bei eini-en bestrebte
sich aber der Künstler, direkt kleine Gemälde und Genrebilder zu -eben,
I'.laii I '/, nat. Gr.). Blatt 2 (V, nat. Gr.).
Blatt .". (V, nat. Gr.).
Blatt 1 (V4 nat. Gr.).
?§tk
denen eine bestimmte Idee zu Grunde liegt. Zwei Schlangen fangen einen
Pisch(2), ein zusammengekoppeltes Löwenpaar in einem Käfig (6), Gazellen
unter einer l'alnie(7) oder einem Strauche, auf dessen Zweigen \ ögel 3itzen 8>
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Hott 3 u. +. -;i
— 474
Blatt 5 (V4 nat. Gr.).
Von Gegenständlichem sehen wir Schere, Pistole, Schwerter, Anker,
Blumentopf (26), Wasserbassin (24). Aus dem Tierreich tritt uns ausser
den genannten noch ein Skorpion (1) und ein Kamel (21) entgegen. Am
häufigsten findet man jedoch unter den Tätowierungen einen Fisch.
Auf unsern Blättern sehen wir ihn als selbständige Figur, nach Beute
schnappend (11), ein Paar bei dem Anker
schwimmend (29), in mehr dekorativer
Anwendung bei 5, 8 und 23. Der Fisch
spielt im tunesischen Volksglauben eine
wichtige Rolle1). Man sieht ihn an die
Häuser und auf Gegenstände gemalt, häufig
in Verbindung mit einer Hand, dem ver-
breitetsten Amuletbilde, als Darstellung der
heiligen chomsa. Mit verwandten Vor-
stellungen könnte es möglicherweise zu-
sammenhängen, wenn wir den Fisch mit
der Mondsichel und dem Hexagramm ver-
einigt sehe (10), mit jenem Zeichen, welches
von ältester Urzeit an auf die Phantasie
der verschiedensten Völker einen so ge-
heimnisvollen Eindruck gemacht hat. Die
Zeichnung 27 zeigt es uns noch einmal mit
der Mondsichel zusammen; ich sah es aber verschiedentlich bei Tätowierten
auch allein. Es wurde mir dafür der Name nischma angegeben, für den ich
jedoch bei hiesigen Arabisten keine Deutung erhalten konnte. Mehr noch
als in Tunis fand ich das Hexa- oder Pentagramm in Albanien als Tätowier-
zeichen beliebt. Ebenso wird es in Bosnien als solches gebraucht2). Die
Mondsichel ist sonst in der Regel mit einem Sternbilde verbunden (8, 12,
14, 23).
Sämtliche Darstellungen dieser Tätowiervorlagen tragen entschieden
einen einheitlichen Charakter. Obwohl sie in erster Linie für den Gebrauch
in der Hauptstadt der französischen Regentschaft bestimmt waren, so ist
doch nicht ein einziges unter den verschiedenen Motiven, welches über
den Gesichtskreis der eingeborenen Bevölkerung hinausginge. Alle offen-
baren eine gewisse einfache, ich möchte sagen, schlichte Natur- und
Lebensanschauung. Da ist nichts Gesuchtes oder Pikantes, nichts, was
wie das oben erwähnte Frauenbildnis fremden Einfluss zeigte. Es ist
bezeichnend, dass sich menschliche Darstellungen überhaupt nicht darunter
finden.
Diesem einfachen Charakter entspricht auch die Ausführung der Bilder,
die man keineswegs hochstehend nennen kann. Die meisten sind mit
vielen Schnörkeln verseilen und von anderen kleinen Zeichnungen um-
geben, wie es scheint, um einen gewissen symmetrischen Abschluss herzu-
1) Als Tätowierung wurde er von Myers auch in Ägypten besonders häufig bemerkt.
L. c. 84.
2) Wiss. Mitt. aus Bosnien, Bd. V S. !».
— 475 —
stellen, man vergleiche die Fortsetzung des Kusses der Palme 7. Am
besten scheinen mir die Tierbilder, wie die Schlangen (2), die Löwen (6)
und die Gazellen (8) einigermassen das Bezeichnende zu treffen. Auch
die Palme in der Darstellung 7 lässt sich sehen, aber schwerlich würde
man darauf kommen, auch in den Bildern 13 und 16 Palmen vor sich
zu haben, wenn nicht Mohamed dieselben ausdrücklich als dschirida
bezeichnet hätte. Sie haben jedoch etwas so gleichmässig Stilisiertes, dass
der Gedanke an eine bestimmte alte Tradition in der Darstellung nahe
liegt. Eine solche scheint es auch für die grosse dreiästige, in einem
Blumentopf wachsende Pflanze zugeben, die in ganz ähnlicher Weise auch
unter Myers' und Jacquots Zeichnungen vorkommt1). Auch das Bild 24,
welches Mohamed cbasa, kleines Bassin, nannte, wird man nicht gleich
als solches erkennen. Ebenso verlangt der Blumentopf (26) einiges Nach-
denken.
Auf eine alte traditionelle Überlieferung mancher Darstellungen weist
auch der Umstand hin, dass viele davon unter einem bestimmten, sich
nicht immer von selbst ergebenden Namen bekannt zu sein scheinen. So
nannte Mohamed das Bild 9 luha, ohne dass er selbst oder andere Araber
imstande gewesen wären, eine Erklärung über den Sinn des Wortes zu
geben2). Figur 12 bezeichnete er mit dem Worte zind = Arm, aber auch
hierbei ohne nähere Deutung. Den Namen des alten tunesischen Längen-
masses dra' führt das Bild 14, wahrscheinlich nach der die Basis bildenden,
aus kurzen, parallelen Strichen bestehenden Linie. Das Löwenbild heisst
schlechtweg Kfös = Käfig.
Noch in anderer Beziehung wurden mir die Musterbogen Mohameds
interessant und lehrreich. Bei seinen Erklärungen trennte er die ver-
schiedenen Bilder auch nach ihrer Anwendung bei Männern oder Frauen.
Er bezeichnete mir solche, die ausschliesslich für das eine oder andere
Geschlecht genommen werden, und solche, deren sich beide bedienen.
Auch für welche Körperstellen die einzelnen Zeichnungen Anwendung
finden, scheint nach feststehendem Gebrauche bestimmt zu sein. Das
Kamel (21) ziert nur den Arm von Frauen. Für deren Oberarm ist ferner
Figur 22 bestimmt. Die beiden eigentümlichen Palmen (13 und 16),
ebenso 15 gehören den Männern für den Hinterfuss oberhalb der Ferse
bis zur Wade. Dagegen wird die Palme 7 für die Brust beider Geschlechter
genommen. Ich sah eine derartige schlanke Palme einmal im Süden des
Landes sehr hübsch bei einer Frau derart angebracht, dass sie zwischen
den Brüsten hervorzuwachsen schien. Für den Ann bei beiden sind ferner
12, 8, 23 bestimmt, für die Hand 14. Der Löwenkäfig dient für Brust
und Arm. Den Männern gehören ferner 17, auf den Ann, und die grösste
der Zeichnungen (5) auf die Brust oder den Klicken. Der Anker (29)
hat die Wade zu verschönern.
Wie die Zeichnungen nicht gerade messen Kunstwert besitzen, so sind
l) Myers, Fig. 18, 11> und S. 88; Jacquot, S. 135.
•2) Ob es mit luhya = Bart zusammenhingt, worauf mich Hr. Prof. Eartmann hin-
zuweisen sn freundlich war, l&ssl sieh nach dem Bude schwerlich entscheiden.
31 *
— 476 —
entsprechend auch die Preise keine hohen, für welche Mohamed sein
Talent verkauft. Schon für 20 cent. tätowierte er den Skorpion (1); die
hübsche, dramatisch bewegte Seene, wie die Schlängen nach einem Fisch
schnappen, kostete mir 75 cent. Einen Mittelpreis, 4 francs, hatte der
Löwenkäfig, den höchsten, 6 francs, ihrer Grösse angemessen die Kom-
bination 5.
Haben wir nun bei dem einen oder anderen dieser Tätowierbilder
einen tieferen Sinn, ein besondere Bestimmung anzunehmen? Die Frage
hängt eng zusammen mit der anderen, welches Motiv der Sitte des Täto-
wierens überhaupt zugrunde liegt. Diese Frage aber darf heute ja als
entschieden gelten. Wir haben, wie Joest und andere überzeugend nach-
weisen, als Urquell der Sitte nichts anderes anzusehen als das Verlangen
nach Verzierung. Das schliesst aber nicht aus, das sekundär hier und da
bei irgend einer Darstellung doch eine besondere Idee oder ein bestimmter
Zweck mitspielte. Auch für Nordafrika hat man nach mancherlei Deu-
tungen und eigenen Ursachen gesucht.
In erster Linie waren es die kleinen Kreuze, die man vielfach,
besonders auf der Stirn, tätowiert sah. Einige glaubten, sie unbedingt
irgendwie mit dem Christentum in Zusammenhang bringen zu müssen.
Ernst von Hesse- Wart egg war sogar so glücklich, eine Stelle in der
Geschichte Carthagos zu entdecken, „in welcher von dem Steuererlass ge-
sprochen wird, der allen jenen Eingeborenen zugesagt wurde, die sich zum
Christentume bekehrten. Jeder von ihnen musste als Abzeichen ein kleines
Kreuzchen tragen1)." Das gibt ihm denn die Erklärung für die Kreuzchen
zwischen den Augenbrauen. Aber auch Jacquot scheint einen Zusammen-
hang nicht ganz für ausgeschlossen zu halten. Man hat ihm versichert, dass
ein gewisser Stamm in der Umgegend von Collö einheitlich das Kreuz
trage: Ces indigenes passent pour descendre de marins chretiens naufrages
sur les cötes. Es bedarf wohl kaum einer langen Widerlegung derartiger
Konstruktionen. Ich möchte nur noch besonders darauf hinweisen, dass
nach meinen Beobachtungen bei der Stirn-Tätowierung nicht etwa das
Kreuz die Regel bildet. Ich habe schon früher ausgeführt, dass ich alle
möglichen kleinen Muster zwischen den Brauen und auf der Stirn gefunden
habe, einfache, doppelte, parallel und winkelig verlaufende Striche und
einmal auch einen sehr hübsch gezeichneten kleinen Anker. AVenn man
aber kurze Striche auf verschiedene Weise zu kleinen Ornamenten variiert,
dann wird von selbst auch immer eine Kreuzform mitentstehen, bei Täto-
wierungen in Nordafrika wie bei solchen auf den Pelau-Inseln, wie in
der Keramik und bei jeder Ornamentik überhaupt8). In diesen Dingen
J) Tunis, Land und Leute. Wien. S. L94.
ehr zahlreich sind Kreuze und Kreuzchen besonders auch bei den Tätowierungen
der Katholiken Bosniens und der Herccgowimi. Truhelka hat in seiner eingebenden,
mit vortrefflicher Wiedergabe der Ornamente ausgestatteten Studie verschiedene Formen
davon abgebildet. Aber der Meinung, dass sie aus dein Christentum entsprungen seien,
tritt auch er entschieden und mit guten Gründen entgegen. Vergl. Wissensch. Mitt. aus
Bosnien. IV, I93ff., S. 503.
— 477 —
zu viel d eilten zu wollen, ist vom Übel. So kann ich auch nicht wie
Jacquot1) in jeder Kreislinie eine Darstellung des Mondes Bellen.
Nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen Lei die Möglichkeit,
<lass bestimmte Tätowierungen auch bei den Kabylenstämmen einmal als
Stammeszeichen gejtorauchi worden sind oder noch gebraucht werden, [ch
haiir in 'Tunis nicht davon gehört, und noch ein anderes .Motiv /.ihm Täto-
wieren könnte in Betracht kommen. Jacquot versichert, dass man sich
in Algier manchmal zum Schutz gegen den bösen Blick tätowieren lasse.
Dasselbe berichte! Myers ans Ägypten. Audi dies könnte möglicherweise
eine der Bekundären Ursachen des Tätowiereiis Bein, [ch habe jedoch in
Tunis auch davon nichts wahrgenommen, obwohl ich gerade 'lem Ämulet-
GHauben auf meiner Reise besondere Aufmerksamkeit schenkte. Es scheinl
mir auch dagegen zu sprechen, dass unter den gewöhnlichen Tätowier-
bildern gerade die Darstellung einer Hand fehlt, die sonst als Hauptamulet
überall aufgemalt und fast von jedem Eingeborenen in irgend einer Form
an sich getragen wird.
Hr. .Mielke: [ch war durch eine Bemerkung in dem Buche von
Kleist und Schrenck v. Notzing über Tunis auf die sogenannten
Kreuze aufmerksam geworden und hatte mich bemüht, darauf zu achten. Ich
muss gestehen, dass die Figuren, die ich gesehen habe, immer mehr oder
weniger auf Kreuze zurückgehen. Es waren entweder Linien oder auch
Punkte, die immer zu zwei an derselben Stelle sassen, sich aber ohne
weiteres auf ein Kreuz zurückführen Hessen.
Herr Traeger: [ch glaube absolut nicht, dass bei den Kreuzen hier
irgend ein Zusammenhang besteht mit der Bedeutung, die wir dem Kreuze
beizulegen pflegen. Wie schon gesagt, ist das Kreuzornament so einfach,
dass es sich immer mit ergeben wird, wenn man kleine Strichornamente
herstellt.
(14) Hr. Olshausen berichtet
über einen Ausflug nach Dr. Hahnes diluvialen Fundstätten bei
Schönebeck a. E.
In der Sitzung vom 1!». März d. J., in welcher die Sammlung der
Tertiär-Silex des Hrn. Klaatsch zur Erörterung stand, wurden auch die
Punde besprochen, die Hr. Hahne in diluvialen Schichten-Aufschlüssen
der weiteren Umgebung Magdeburgs gemacht hatte. (Z. f. B. 1904,
S. 299 ff.)- Ober diese allein will ich hier sprechen, die Präge nach dem
Auftreten di'- Menschen in der Tertiärzeit von meinen Betrachtungen
völlig ausschliessend und selbstverständlich den diluvialen Menschen als
sicher nachgewiesen annehmend.
Die von Hahne gesammelten Fuudstücke nun wurden in jener Sitzung
von allen, die das Wort nahmen, als zumeist von .Menschenhand be-
absichtigtem! assen geformt, d.h. als Arte- oder Manufakte2) anerkannt.
1) Fig. 26 n. 30.
I Schweinfurth ist L903 dafür eingetreten Z. f. E., S. 821), bearbeitete Kiesel aller
Art, statt, wie es in der deutschen Literatur meist geschah, als „Artefakte", vielmehr
als „Manufakte" zu bezeichnen, und zwar, wie er sagt, nach „Virchows Vorgang" and
— 478 —
Audi erhoben die anwesenden Geologen nicht allein keinen Widerspruch
gegen die Annahme, dass die betreffende Fundschicht interglazial sei,
sondern stimmten derselben vielmehr ausdrücklich zu (Keilhack,
Wahnschaffe, Jentzsch). Keilhack bezeichnete es dabei als sehr
wünschenswert, innerhalb der zwischen den Löss der jüngsten Glazialzeit
und den Geschiebemergel der Haupteiszeit abgelagerten Sande und Kiese
eine alte Landoberfläche nachzuweisen, auf der der Mensch der Inter-
glazialzeit seine Spuren hinterlassen habe, die dann später mit den
Sedimenten der nachfolgenden Glazialzeit überdeckt seien, und Hahne
glaubte auch, eine solche alte Oberfläche tatsächlich gefunden zu haben.
Er sagte: „Es ist mir aufgefallen, dass die Silexe gewisser Formen von
feinerer Ausführung da liegen, wo Streifen von dunklerer Färbung und
eisenschüssiger Beschaffenheit durch die dort anstehenden grauen Sande ver-
laufen." Er fand ferner bei Biere, südwestlich von Schönebeck, nicht tief
unter der Steinsohle des Löss, in einem grobkörnigen Streifen auf einem
etwa I7a m breiten Gebiet der Wand der Grube Feuersteinstückchen;
darüber und darunter keine. „Dieser Strich würde also eventuell einer
Oberfläche entsprechen. Von diesen Feuersteinstückchen ist dem Stande
meiner bisherigen Erfahrungen nach jedes der Einwirkung von absicht-
lichen Absplitterungen und Zurichtungen unterworfen gewesen und sie
zeigen reineren Mesvinien-Charakter als andere. Einem solchen nest-
artigen Vorkommen begegnete ich bisher nur dieses eine Mal." Von den
Stücken „aus diesem Neste" legte Hahne ein Dutzend aus einer viel
grösseren Anzahl, die er gefunden hatte, vor.
Nun wurde am 28. März d. J. unter Führung Hahnes ein Ausflug
nach jenen Fundstätten unternommen, an denen beteiligt waren die Herren
Geologen Geh.-R. Wahnschaffe und Prof. Keilhack, ferner Prof.
Bracht aus Dresden, Konservator Krause und ich selbst. Dabei bin
weil der letztere Ausdruck, nicht aber die Bezeichnung Artefakte, auch für die französische
Sprache verwertbar sei, weil ferner in den primitiven Stadien der Kieselschlagekunst von
Kunst oder Gewerbe überhaupt nicht die Rede sein könne. Aus dem von ihm gegebenen
Zitat (Verhandl. d. anthrop. Ges. 1S7G, S. 120—21) ergibt sich aber zunächst, dass nicht
Virchow, sondern H. Weiss die Bezeichnung „Manufakt" vorschlug. Virchow hat die-
selbe tatsächlich nur gelegentlich gebraucht, blieb meist bei „Artefakt". Ich meine aber
auch, dass in der Prähistorie wohl fast niemals jemand das Wort Artefakt im Sinne von
künstlerisches Gebilde gebraucht hat, sondern vielmehr von künstliches, im Gegensatz
zu einem „natürlich" entstandenen. Es kommen endlich dem französischen „artificiel"
und dem englischen „artificial'' beide Bedeutungen zu, künstlerisch und künstlich,
während anderseits das englische „manufacture" neben den Bedeutungen „Herstellung"
und „Erzeugnis" durch Hand, auch die durch Maschinen in sich schliessr, also
Fabrikation und Fabrikprodukte, gerade wie man bei uns unter Manufakturwaren längst
nicht mehr ausschliesslich solche versteht, die mit der Hand gearbeitet sind, sondern weit
überwiegend maschinelle Erzeugnisse. Ich sehe daher keinen Grund, das althergebrachte
Wort Artefakt hier auszumerzen, umsoweniger, als im Französischen das Wort „mauufacte"
doch bisher nicht existiert und man vielleicht eben so gut „artifacte" oder „artefacte" neu
bilden könnte. — Im übrigen erkenne ich das Bestreben Schweinfurths, eine einheitliche
deutsche Nomenklatur für die hier zur Erörterung stehenden Gebiete zu schaffen, willig
an. Wie Behr das notwendig ist, erkennt man leicht, wenn man einige der neuesten Ab-
handlungen anderer Autoren liest, die von französischen Ausdrücken förmlich strotzen.
— 479 —
ich, wir gleich vorweg bemerkt sei, zu der Ansicht gelangt, dass es
nicht erwiesen ist, die Kundstücke Halmes seien Artefakte der Inter-
glazialzeit, und zwar deshalb nicht, weil nicht feststeht, dass die
Fundschicht, in der sie lagen, interglazial ist. Zur Bericht-
erstattung über den Ausflug bin ich übrigens nicht beauftragt worden, ich
gebe nur meine persönliche Auffassung wieder.
Wir besuchten eine Reihe von Aufschlüssen, deren erster, zunächst
bei Schönebeck gelegener, mir geologisch der interessanteste zu sein
scheint, weil er zuunterst auch die tertiäre Grundlage, blaugrauen
Septarienton, zeigt, auf den dann nach oben hin der Geschiebemergel,
eine Grundmoräne, folgt, wiederum überlagert von verschiedenen Sand-
und Kiesschichten, bis endlich zu oberst die Steinsohle des Löss und der
Löss selber unter Acv Ackererde sich finden. Von dem Massiv des tertiären
Tons sah man lange Zungen oder Keile dieses Materials schräg nach aufwärts,
in die diluvialen Kiesschichten eingezwängt, sich erstrecken — nach Er-
klärung der Geologen eine Folge des Gletscherdrucks, welcher so älteres
Material das jüngere überlagern machte. Die zuletzt besuchte Grube, bei
liiere, war die oben schon erwähnte, in welcher Hahne seine wichtigsten
Funde gemacht hatte.
Bei unseren Nachforschungen kam so gut wie nichts auf die ein-
schlägigen Fragen bezügliches zum Vorschein. Diesem Umstände ent-
nehme ich jedoch keine Stütze für meine Auffassung; denn es ist selb>t-
verständlich, dass man nicht bei jedem einzelnen Besuch der Fundstelleu
etwas mit nach Hause bringen wird, und es genügt, wenn von einem
zuverlässigen Beobachter einmal solche Funde gemacht sind. Aber ich
legte im Laufe der Untersuchungen den Herren Geologen Wahnschaffe
und Keil hack, jedem für sich gesondert, die Frage vor, ob sie bestimmt
versichern könnten, dass die betreuende Fundschicht Hahnes interglazial
sei. Jeder von ihnen antwortete fast gleichlautend: „Nein, das kann ich
nicht". Welcher Periode wmrde die Schicht dann angehören? „Der letzten
Glazialzeit selbst", lautete auch hier übereinstimmend die Antwort.
Da beide Fachmänner die Gegend gut kennen und der erstere ins-
besondere eingehende Untersuchungen über dieselbe schon früher angestellt
hatte, so sind diese ihre Aussprüche, gefallen angesichts der Fund-
stellen selbst, für mich einstweilen massgebend, wenn die Herren auch
ebenso wie Hr. Jentzsch, in unserer Sitzung vom in. .März die entgegen-
gesetzte Auffassung vertraten.
Steht es mithin nicht fest, dass die Fundstücke Hahnes interglazial
sind, so wird damit, denke ich, auch ihre Natur als Artefakte überhaupt
in Krage gestellt. Denn während der Eiszeit könnte der Mensch an
diesen Stellen höchstens ganz vorübergehend, etwa bei einer kurzen
Periode des Rückgangs der Gletscher, gewohnt haben. Nach Hahnes
eigenen Angaben inuss man aber annehmen, dass er geneigt war. eine
Niederlegung der fraglichen Fundstücke durch den Menschen am Fund-
orte selbst vorauszusetzen. Welche Deutung will er sonst -einen Worten
gelten, dass eine grosse Zahl von Feuersteinstückchen, deren jedes die
absichtliche Formbildung verrät und die einen gewissen Charakter besonders
— 480 —
rein zeigen, wie in einem Xest beisammen lagen. Sollen fliessende
Gewässer gerade diese Auslese von Artefakten an eine Stelle von nur
IVa m Breite zusammengetragen haben? Hahne betont Z. f. E. 1904, 306
auf das nachdrücklichste und wiederholt die grosse Feinheit eines Teiles
dieser Stücke; ein kleines zeigte nach ihm die Arbeitsweise mit aus-
geschalteten gleichinässigen Rundungen „bis in das feinste Miniatur über-
setzt zweimal nebeneinander" und dazwischen eine ausgesparte Spitze
usw. — Z. f. E. 1903, 496 schon bemerkte er, dass die Fundstücke einer
Kiesgrube südwestlich von Magdeburg (von Schönebeck?) „sich von den
Gerollen ihrer Lagerstätte meist abheben durch wenig oder gar nicht
(besonders in oberen Schichten) abgerollte Kanten." Er unterscheidet
also hier ausdrücklich zwischen Gerollen und den vermeintlichen Arte-
fakten. Aus diesen Äusserungen schliesse ich, und schliessen, wie ich
weiss, auch andere, dass Hahne die fraglichen Flintstücke als an Ort und
Stelle, oder doch ganz in der Nähe durch den Diluvial-Menschen nieder-
gelegt erachtete. Diese meine Auffassung scheint auch Wahnschaffe
geteilt zu haben, da er Z. f. E. 1904, S. 310 sagte: „Dass Hr. Hahne an
bestimmten Stellen, etwa 1 m unter der Steinsohle (des Löss) die Artefakte
gefunden hat, ist von grosser Wichtigkeit. Denn diese Artefakte sind
ausserordentlich wenig abgerollt. Wären sie weit transportiert
worden, dann, glaube ich ganz sicher, hätten sich diese feinen Spitzen nicht
erhalten können; wir würden viel mehr gerollte, gerundete Formen finden."
Wenn somit die Fundstücke einen weiten Transport augenscheinlich
nicht durchgemacht haben und auch nicht würden haben ertragen können,
so hat der Mensch sie hier während der Eiszeit nicht niedergelegt.
Können aber die Geologen ein bestimmtes Zeugnis für die interglaziale
Natur der betreffenden Fundschicht nicht abgeben, so möchte mancher
sich versucht fühlen, umgekehrt durch die vermeintlichen Artefakte eben
diese Natur als bewiesen anzusehen. In der Tat hat Wahn schaffe das
auch in unserer Sitzung vom 1!). März getan (Zeitschr. f. Ethn. 1904,
S. 310 — 311). Ich halte das aber nicht für statthaft; dazu sind mir die
Formen der Fundstücke nicht unzweideutig genug. Vergleicht man mit
Hahnes Sachen andere, aus nicht so sehr entfernt gelegene Fundstellen
von ungefähr gleicher Zeitstellung, so ergeben sich doch zwischen ihnen
gewaltige Unterschiede. Von Tan back, das im allgemeinen für etwas
älter gilt, als die .Magdeburger Aufschlüsse, hat man, wie die hier vor-
liegenden Stücke aus der prähistorischen Abteilung des Kgl. Museums für
Völkerkunde zeigen, Flinte, an deren Artefaktnatur ernste Zweifel nicht
aufkommen würden, selbst wenn nicht die gesamten Verhältnisse zu
Taubach die Anwesenheit des Menschen daselbst unwiderleglich dartäten
(vergl. auch Zeitschr. f. Ethn. 1904, S. 304 Note 1). Vollends tritt aber der
Unterschied zu tage, wenn man die durch Nehring zu Thiede, nordwestlich
bei Wolfenbüttel, und zu Westeregeln, Kr. Wanzleben, gehobenen und
wiederholt abgebildeten1) Schätze betrachtet. Namentlich ist der Schaber,
L) Archiv f. Anthrop. Bd. L0 (1878) 8.363; Bd. II (1879 8.6: Verhandl. unserer
Gesellsch. L889, 8. 359-62; Mitt. d. Wiener anthrop. Gesellsch. Bd. 23 (1893), S. 207
bis 209).'
— 481 —
wie ich mich nochmals an dem Original im Besitz des Hrn. Nehring
überzeugte, ein so ausgezeichnetes Stück, dass jedei ihn als Artefakt
anerkennen muss, auch wenn ei gar nichts aber seinen Fundort weiss. In
der Tat hat er schon einen neolithischen Charakter. Freilich wurde er im
Lüss selbst gefunden and wird als«», trotz seiner Tiefenlage von 28 Fuss,
wühl etwas jünger sein als die Hahneschen Stücke, aber der Unterschied
in der Formgebung, wenn man eine solche bei letzteren anerkennt, würde
auch ein ganz (gewaltiger Bein.
Die Taubacher und namentlich einige Tliieder Dinge sind also an
sich, schon liloss ihrer Form nach, völlig beweisend; den Stücken der
Magdeburger Bliesgruben kann ich i\t'n gleichen Wert in dieser Einsicht
nicht beimessen. Wir wissen auch nichts von begleitenden Funden der
Fauna oder Flora in der betreffenden Fundschicht, wenn auch Hahne.
Zeitschr. f. Fthnol. l'.MKi, S. I'.m; die zwischen (ieschiebemergel und Löss
Liegenden Sande und Grande im allgemeinen als Fandstätten von Tier-
nnd Pflanzenresten bezeichnet. In dem einzigen Falle, wo die Schicht
genauer angegeben ist, handelt es sich um eine weit grös>ere, dein .Merkel
etwa gleichkommende Tiefenlage.
Nach alledem kann ich die Artefakt-Natur, wenigstens eines grossen
Teiles der von Hahne uns vorgelegten Flintstücke einstweilen noch
nicht anerkennen. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass viele derselben
wohl durch zufälligen Druck irgend welcher Art, insbesondere von
Gletschern ihre Form erhalten haben können, — weniger vielleicht durch
Druck von oben nach unten, als durch Pressung in mehr horizontaler
Richtung. Wir haben ja oben besprochen, wie der Gletscher in den Sand-
und Grandschichten herumgearbeitet hat, und wenn man die .Massen von
(Jeschieben mannigfachster Art und aller Grössenabstufungen bis zu gewal-
tigen Blöcken in diesen Gruben betrachtet, so wird man doch den Fall,
dass Flintknollen zwischen grössere Steine eingekeilt werden, und so wie
Hahne treffend sagt „in Bedrängnis" geraten, als ein gewöhnliches Vor-
kommnis ansehen müssen. Dabei, sollte ich denken, könnten sehr wohl
Stücke entstehen mit einer Art Spitze in der Mitte des vorderen Teiles, an
die sich beiderseits ziemlich gleichartige Absplitterungen sohliessen, her-
rührend von dem Gegendruck der Steine, zwischen die sich das Flintstück
einschob. Ich halte es auch für durchaus möglich, dass solche Absplitterungen
(Schartungen) sich nur an den Bändern der einen Fläche, z.B. der oberen
bildeten, wenn die andere auf feinkörnigem Material auflag. Meweisen kann
ich diese „Möglichkeiten" natürlich nicht, aber beweispfliohtig i>t in dieser
Frage auch eigentlich Der. welcher die Artefakt-Natur behauptet, /.um
Schluss möchte ich nur darauf hinweisen, dass Hahne, Zeitschr. f. Ethnol.
1!»04. S. ;>05. in der lieschreibung seines Fundes von Biere ausdrücklich
betont, dass der Streifen, in dem die so sehr feineu Flintstückchen lagen.
gröberes Material enthielt und auch unmittelbar darüber ziemlich grobes
Material sich fand, „auffallend viel gröber als in den unteren Schichten".
Das eben sind meines Brachtens die Bedingungen, unter denen die feinen
Sächelchen sich an Ort und Stelle, wo sie gefunden wurden, mitten in dem
Gerolle bilden konnten, oder wenigstens in geringer Entfernung von ihrer
— 482 —
jetzigen Lagerstätte, wenn sie auch immerhin mitsamt dem gröberen
Material eine gewisse Strecke weiter transportiert sein mögen.
Dem Forschungs-Eifer des Hrn. Hahne soll übrigens mit diesen
Bemerkungen in keiner Weise zu nahe getreten werden.
Hr. Hahne: Es ist gewiss sehr erwünscht, dass sich bei einer so
neuen Sache, zu der wir durch unsere Untersuchungen für die deutsche
Forschung eine Anregung gegeben haben wollten, ein offener, ehrlicher
Widerspruch erhebt; denn der dient immer zur Klärung, und die hat das
Eolithenproblem noch recht nötig. Wir könnten Hrn. Olshausen deshalb
nur dankbar sein. Indessen ich glaube nicht, dass dieser Widerspruch in
geeigneter Weise hier in einer Debatte innerhalb der Gesellschaft erledigt
resp. richtig gewürdigt werden kann. Ich halte es für richtiger, dass man
in der kommenden Sommerszeit sich diese Dinge in ruhiger, ehrlicher
Arbeit vornehme, so dass man dann vielleicht im nächsten Winter hier
wieder darüber sprechen kann. Der Inhalt der Ausführungen des Hrn.
Olshausens anderseits wird die Angelegenheit, glaube ich, leider wenig
fördern.
Hrn. Olshausens Einwände sind zum Teil geologischer Art, und es ist
natürlich auch Sache der Herren Geologen, sich darüber zu äussern. Dass
die Schichten nicht interglazial sein sollen, in dem Sinne habe ich die
Herren bisher nicht verstanden, sondern vielmehr so, dass man bisher die
Grenze zwischen Hinterlassenschaft der ersten Eisperiode und der der
zweiten noch nicht exakt legen kann in jedem Aufschluss! Die Gletscher-
wirkungen usw. zu präzisieren ist ja der Inhalt der nunmehr von unseren
Geologen bereits aufgenommenen Arbeit an der Eolithenfrage !
Zweitens: die Vergleichung der Funde von Taubach und Thiede
speziell mit den meinigen ist, glaube ich, insofern nicht richtig, als es
sich in Taubach wie in Thiede um Stücke handelt, die, wie man leicht
erkennt, intakt, nicht gerollt sind. Dies ist ein typischer Unterschied
zwischen den Taubacher nud den Thieder Sachen einerseits und den
unserigen andererseits. Hr. Olshausen hat mich missverstanden, wenn
er meint, ich hätte behauptet, die Sachen lägen an Ort und Stelle dort,
wo sie bearbeitet sind; das ist deshalb schon ausgeschlossen, weil sie samt
und sonders in direkter Beziehung zu Flusssedimenten stehen; auch die
möglicherweise alte (interglaziale) Oberflächen darstellenden Horizonte
zeigen Verschwemmung. Es haben sich allerdings vereinzelt — das habe
ich wohl einmal erwähnt — scharfkantige und scharfrandige Sachen ge-
funden; aber im grossen und ganzen sind unsere Sachen gerollt, und
deshalb sehen sie ganz anders aus als diese scharfkantigen. Gerade die
Stücke aus dem „nestartigem" Vorkommen sind selbst alle etwas ge-
rollt! (Siehe meine Ausführung vom 19. März 1904.) Im übrigen stimmt
aber die Technik der Stücke von Taubach und Thiede prinzipiell überein
mit den Suchen, die wir gefunden haben. Viele haben den bulbe de
percussion, und eclats kommen ganz ebenso schön vor und in grossen
Reihen wie an jenen Orten, und die Abspidlungen, die Dengelungen oder
Schartungen sind ganz genau so vorhanden, sowohl steilkäntige, die recht-
winklig auf der Fläche stehen, als auch solche, die mehr über die Fläche
— 488 —
hinweggehen. .Meiner .Weinung nach bestellt der ganze grundsätzliche Unter-
schied eben darin, dass dies frische ungerollte Stücke sind, während unsere
fast immer gerollt sind. Auch die Patina ist ganz wesentlich verschieden!
Darauf beruht es wühl, dass sie auf Hrn. Olshauseu \i'd eher den
„Eindruck" von Artefakten machen als meine Stücke!? Ich will ferner
daran erinnern, dass andererseits die Lagerungsverhältnisse bei Thiede
andere sind als bei uns. Dort sind Spalten im anstehenden Gips von
lössartigen Massen ausgefüllt, die übrigens noch gar nicht sicher geologisch
datiert sind; hierin finden sich Fossilien und die Artefakte. Diese sind viel-
leicht Dacheiszeitlich; jedenfalls bieten sie kein entscheidend'-
sicheres Vergleichsmaterial für unsere Eolithen! Nehring u. a.
stellen die Ablagerung bekanntlich in die postglaziale Steppenzeit; somit.
wäre das Alter der Silexe von Thiede nebenbei gesagt, gänzlich ver-
schieden von dem unserer Eolithen, infolgedessen böte sich hier überhaupt
kein gültiges Vergleichsmaterial.
Betreffs der Taubacher Eolithen verweise ich auf meine Ausführungen
vom 19. März d. J. — Eingehende Vorgleichung, die auf feinste technische
.Merkmale Rücksicht nimmt, lassen mich eine nahe Verwandtschaft zwischen
Taubachsilexen und meinen Eolithen annehmen, obwohl über die geo-
logische Gleichstellung noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Doch
hierüber später mehr.
Die Taubachsilexe sind übrigens meines Wissens niemals gerollt,
daher bei oberflächlicher Betrachtung auch zwischen ihnen und unseren
Stücken ein grosser Unterschied des „Eindruckes". Wie schon gesagt,
gehört zur Förderung der Eolithenfrage ein eingehenderes Studium der
primitiven Feuersteintechnik, der „natürlichen Veränderungen" des Feuer-
steins, der Veränderung von natürlichen und künstlichen Schneiden, Kanten,
Spitzen usw. durch Gebrauch in Menschenhand und durch natürliche Vor-
sänge, kurz gesagt eine Revision der gültigen Kriterien für Steinartefakte
von Menschenhand. Auf das Experiment ist meines Erachtens ein grosser
Wert dabei zu legen. Ferner gehören (nach Prestwichs und Rutots
Vorgang) Untersuchungen geologischer und mineralogischer Art von Seiten
der Fachleute dazu, die infolge der vielfachen, zum Teil neuen Gesichts-
punkte für unsese deutschen Funde nicht kurzerhand erledigt sein werden:
und endlich Nachprüfung der bisher veröffentlichten Untersuchungen. Wie
schon gesagt, sind alle diese Untersuchungen bereits von massgebenden
Seiten in Angriff genommen.
Wer die bisher schon angehäufte Literatur über die Eolithenfrage
(französischer und englischer Sprache meist) studiert und womöglich in
persönliche Verbindung tritt mit denen, die sie hervorbringen, wird mir
beistimmen, dass es sich um sehr viel Neues handelt und dass die be-
treffende Literaturkenntnis ebenso nötig ist. wie selbstredend ein«' ge-
nügende Kenntnis vom Fundmaterial der Eolithen, zumal auch der
englischen und belgischen1)
1) Während der Korrektur erhalte ich eine neue, auch die Eolithenfrage sehr er-
schöpfend darstellende Arheit Rutots „Le Prehistorique dans TEurope centrale".
Namur L904.
— 484 —
Hr. Wahnschaffe: Darf ich meinen Standpunkt Aber die interglazialen
Schichten der Gegend von Magdeburg noch einmal klarlegen?
(Zustimmung.)
Wie ich schon in der vorigen Sitzung erwähnte, ist das Profil der
Diluvialablagerungen in der Magdeburger Gegend (vergl. F. Wahnschaffe,
Die Quartärbildungen der Umgegend von Magdeburg 1885) gewöhnlich
folgendes: Wir haben an der Oberfläche den humosen schwarzen Bördelöss,
unter dein der gelbe Bördelöss, wie ich ihn genannt habe, folgt. Schon in der
untersten Schicht dieses gelben Lösses beginnt eine Steinsohle, die zum
Teil grosse Geschiebe mit oft sehr schöner Schräm mung führt. Nun habe
ich angenommen, dass diese Steinsohle wahrscheinlich aus zerstörtem
Geschiebemergel hervorgegangen ist. An einigen Stellen habe ich ge-
funden, dass noch eine Geschiebemergelschicht unmittelbar unter der
Steinsohle des Löss erhalten war, aus der, wie ich glaube, die Steiusohle
durch Ausschlämmung entstand. "Wir haben auch am Hummelsberge auf
unserer Exkursion am 28. März d. J. noch Reste dieses Geschiebemergels
unmittelbar unter der Steinsohle gesehen. Unter dem Löss mit seiner
Steinsohle, falls derselbe nicht unmittelbar auf älteren Bildungen ruht,
folgen dann Geröllschichten, Kiese und Sande, aus denen die fraglichen
Artefakte stammen. Darunter tritt gewöhnlich in der Magdeburger Gegend
eine ältere Grundmoräne auf mit geschrammten nordischen Geschieben.
Nun habe ich seinerzeit bei Sudenburg in der Nähe von Magdeburg in
den Kiesen, die zwischen den beiden Grundmoränen liegen, einen Kalk-
tuff nachgewiesen. In diesem waren in unzähliger Menge Schalen von
Limnaea minuta enthalten. Professor Martens, dem ich diesen Kalktuff
zeigte, sagte, er sei zweifellos in einem Sumpfe primär entstanden. Ich
glaube nun, dass sich dieser Kalktuff nicht in der Nähe eines Eisrandes
gebildet haben kann, denu unter den eiszeitlichen klimatischen Verhält-
nissen leben diese Schnecken nicht. Es war notwendig, dass das Gebiet
eisfrei war. damit diese Fauna sich dort entwickeln konnte. Aber noch
ein anderer Umstand zwingt uns anzunehmen, dass wir in der Magde-
burger Gegend zwei verschiedene Grundmoränen haben und dass die
Schichten zwischen ihnen zum Teil interglazial sind.
Es geht dies auch daraus hervor, dass z. B. die bei Ullnitz in diese
Schichten eingelagerten diluvialen Tone nach unten blaue, kalkreiche
Schichten zeigen, während sie nach oben zu braune Färbung annehmen.
Die Oxydation kann nach meiner Ansicht nur dadurch zustande gekommen
sein, dass diese Schichten eine Zeitlang an der Oberfläche gelegen haben.
Dazu musste das Gebiet natürlich eisfrei sein.
Die Oxydation und Kalkentziehung kann nicht in kürzerer Zeit zu-
Btande gebrach! sein, denn dazu ist eine längere Zeit erforderlich. Das
wissen wir von unserem Geschiebemergel, wo die seit der letzten Biszeit
entstandene entkalkte Schicht, der Lehm, oft nur 1 m mächtig ist und
selten 2 /// Mächtigkeit überschreitet.
Auf die Bemerkungen des Hrn. Olshausen erwidere ich, dass man
nicht genau das Niveau bestimmen kann, wo man den Schnitt zwischen
Glazial und [nterglazial zu machen hat. Eis kann ja immerhin sein, dass
— 485 —
grosse Teile von den Kiesen und Banden auch durch die Schmelzwasser
der heranrückenden letzten Vereisung abgelagert worden sind, [ch halte
es aber für anwahrscheinlich, dass der .Mensch zur Zfeii des Heranrückens
der letzten Vereisung in den Gebieten gelebt hat, in welchen die Gletscher-
schinel/.wiisser Sande und Kiese ablagerten. Dass zwischen beiden Ge-
Bchiebemergelri ein Schnitt gelegt werden nmss innerhalb der Kie>- und
Bandzone erscheint mir notwendig.
Ih-. Bracht hat mich gehoten, zwei Artefakte hier vorzulegen, die
Hr. Pavreau und er in einer Kiesgrube bei Eundisburg, anweit Neu-
baldensleben, aufgefunden hat.
Hr. Bracht, der sonst diesen Dingen sehr skeptisch gegenübersteht.
schrieb mir, er wäre überzeugt, dass hier echte Artefakte vom Typus der
Eolithe vorlagen.
Er. Ed. Krause: Hr. \\ a h n schaff e hat tierische Reste als Beweise
des interglacialen Alters der Kundschichten der Eolithen angeführt. Ich
möchte «lein hinzufügen, dass wir bei Biere pflanzliche Beste gefunden haben.
Elfi ziehen sich horizontale, schwarze Streifen tief unter dem Löss durch die
Schichten, in denen gerade die Eolithen gefunden worden sind, von I/s mm
bis 2 cm Mächtigkeit. Ich glaubte dies als pflanzliche Keste ansehen zu
dürfen. Hr. Keilhack meinte aber, es wäre Mangan. Ich habe grössere
Proben davon mitgebracht und untersucht. Die muh dem Trocknen
dunkelbraune Masse verbrennt auf dem Platinblech mit stark russender
Flamme, ohne, wie tierische Reste beim Verbrennen schwammartige Gre-
stalt anzunehmen, zu loser graugelber Asche. Mangansuperoxyd (Braun-
stein), das, wenn Mangan den Hauptbestandteil der schwarzen Horizontal-
streifen bildete, hier nur in Frage kommen könnte, brennt auf dem Platin-
blech nicht, sondern nimmt nur eine etwas hellere Farbe an, doch immer
noch tief dunkelbraun, während die Asche unserer Streifen sehr hell ist
und ganz das Aussehen der hellen Asche von eisenarmen Braunkohlen
zeigt. Die Bildung von Boraxperlen vor dem Lötrohr erwies ebenfalls
die vollständige Verschiedenheit der beiden untersuchten Massen, denn
die Perle mit Braunstein ergab die bekannte Amethystfarbe des Mangans,
während diejenige mit der Asche nur eine schwache grünliche Färbung
zeigte, hervorgerufen von dem schwachen Eisengehalt, der sich schon durch
die Gelbfärbung der Asche verriet. Die fraglichen schwarzen Eorizontal-
streifen enthalten also in der Tat pflanzliche Überreste. Welcher Art
diese sind, ob Reste alter Oberflächen Vegetation, oder o!> Anschwemmungen
von zerstörter Braunkohle aus in der (legend mit und unter dem Septarien-
ton öfters vorkommenden Braunkohlenlagern, das wird die genauere,
namentlich mikroskopische Untersuchung von berufener Seite ergeben.
Haken wir in den schwarzen Streifen Reste von Oberflächenvegetation zu
sehen, so haken wir damit einen neuen Beweis für das interglaciale Alter
dei- Fundschichteu und auch zugleich für Möglichkeit der Existenz des
.Menschen im interglacialen Zeitalter in Norddeutschland.
llr. Pavreau (Neuhaldensleben) : Im Anschluss an den Ausflug nach
Schönekeck und Biere kam Hr. Bracht Qach Neuhaldenaleben, von wo
aus er mit mir zusammen die Kiesgrube von Eundisburg besuchte. Dort
— 486 —
fanden wir die von Hrn. Wahnschaffe vorgelegten Stücke. In der
Schicht, der dieselben entstammen, habe ich eine ganze Reihe von deut-
lich bearbeiteten, d. h. mit Bulbe de percussion und Retouehen versehene
Feuersteinsplitter gefunden, von denen einige ausgestellt sind. Die Schicht,
der alle diese Funde entstammen, halte ich für interglacial. Da ich nicht
Geologe von Fach bin, kann diese Bestimmung natürlich nicht Anspruch
auf absolute Sicherheit machen; Hr. Wahnschaffe wird daher demnächst
nach Neuhalden sieben kommen, um die Hundisburger, sowie einige andere
Kiesgruben, in denen ich zahlreiche Eolithen gefunden habe, geologisch
zu untersuchen.1)
Hr. Götze: Es ist ja natürlich von grossem Interesse, neue inter-
glaciale Funde zu haben und sicher zu konstatieren; aber etwas prinzipiell
Neues liegt bei den Funden des Hrn. Hahne doch nicht vor. Denn der
interglaciale Mensch ist in Mitteldeutschland schon seit vielen Jahrzehnten
bekannt durch die Taubacher Funde. Es handelt sich jetzt höchstens
darum, dass wir das Terrain der Besiedelung etwas nach Norden erweitern.
In der Luftlinie beträgt die Entfernung von Taubach nach Magdeburg etwa
18 geographische Meilen, und das ist doch keine wesentliche Entfernung.
Hr. Hahne: Auch Hrn. Götze muss ich widersprechen und seiner
Art der Stellungnahme gegenüber unsern Ausführungen. Das wesentlich
Neue ist natürlich nicht die Datierung des diluvialen Menschen, sondern
eben die Eolithenfrage. Der Ruhm Taubachs wird durch die neuen
Untersuchungen nicht berührt. Im übrigen wäre es auch schon wertvoll
genug, 18 Meilen nördlich von T. den Menschen nachgewiesen zu haben,
in geologisch ganz anderer Lage, innerhalb des Bereiches der letzten
Eiszeit. Von der Eolithenfrage also sind wir auch ausgegangen bei den
ersten Vorführungen norddeutscherDiluvialfunde, die seinerzeit Hr.Klaatsch
und ich gemacht haben, indem wir die ganzen Dinge betrachteten unter
dem neuen Gesichtspunkt, den wir gewonnen haben aus der Kenntnis
derjenigen Typen, die in unsern westlichen Nachbarländern als Eolithen
gelten. Ich verweise auf das vorhin Gesagte und auf die Verhandlungen
der betreffenden Sitzungen. (März 1903, März 1904; bes. s. auch Bericht
über den Wormser Anthropologenkongress 1903 im Korrespondenzblatt
der deutsch, anthr. Ges. Oktober 1903 S. 102ff., Vortrag Klaatsch.)
Hr. Götze: Darauf möchte ich entgegnen, dass bei dieser Eolithen-
frage doch die Präge nach dem tertiären Alter des Menschen der Ausgangs-
punkt der Diskussion war. Und ich meine, dass wir diese Frage doch
mit sichererem Material lösen müssen und nicht mit Material, das erst
wieder selbst des Beweises bedarf und bis jetzt noch weit davon entfernt
ist, allge ine Anerkennung zu finden.
(15) Hr. Oskar Mann hält einen Vortrag über
Ethnologisches und Archäologisches aus dem westlichen Persien,
der durch viele Lichtbilder erläutert wurde. —
1) Inzwischen hat Hr. Wahnschaffe die Fandschicht in Hundishurg „als sicher
interglaciale SüsswasserahlageruDg" festgestellt.
— 487
Sitzung vom I I. .Mai 1 1)04.
Vorsitzender: Hr. Waldeyer.
(1) Die Gesellschaft beklagt den Tod des Hrn. Gemellaro, des
verdienten Direktors des geologischen Museums in Palermo, welcher seit
1883 unser korrespondierendes Mitglied war. Ferner wurde uns Hr. His
in Leipzig durch den Tod entrissen, der zwar nicht ansei Mitglied war,
aber durch seine anatomischen und anthropologischen Studien, namentlich
an Schweizer Schädeln, uns sehr nahe stand; endlich hat, wie Sie alle
wissen, auch Stanley das Zeitliche gesegnet. Wir werden ihnen allen
ein aufrichtig dankbares Andenken bewahren. —
('2) Zu korrespondierenden Mitgliedern hat der Vorstand in Über-
einstimmung mit dem Ausschuss die Herren Professoren Capitan und
Manouvrier in Paris ernannt, zwei der verdientesten Lehrer an dir
Ecole d'Anthropologie in Paris. —
(3) Hrn. Maass haben wir ersucht, Mitglied unserer Bibliotheks-
kommission zu werden. Die Arbeiten an unserer Bibliothek steigern sich
von Tag zu Tag, daher war die Gewinnung einer bewährten Hilfskraft
ausserordentlich wünschenswert. Hr. Maass hat sich bereit erklärt, dieses
Amt zu übernehmen. —
(4) Die Xiederlausitzer Gesellschaft ladet zu ihrer 20. Haupt-
versammlung ein, die am Sonntag den 19. Juni in Cottbus abgehalten
werden soll.
Es liegt ferner eine Einladung zu dem VIII. Internationalen Geographen-
kongress vor, der im September d. J. in Washington tagen wird.
Endlich liegt das Programm für die Versammlung vor. welche die
Wiener Anthropologische Gesellschaft in Gemeinschaft mit dem dortigen
Wissenschaftlichen Klub vom 22. — 24. Mai in Agram und Krapina ab-
halten wird in Verbindung mit einem Besuch von Dolnja Dolina. —
(5) Hr. Bartels hat der Gesellschaft am 11. .Mai von Sestri-Levante
einen (iiuss gesandt. Er teilt mit - gewiss zu unser aller Freude — ,
ilasv er beginne, sieh wohler zu fühlen. Hoffen wir. das^ es nicht beim
Beginnen bleibt, sondern möge er seine alte Kraft und Rüstigkeit dauernd
wiedergewinnen.
Hr. Klaatsch, der nach Australien -.'feist ist. teilt auf einer Karte
vom 22. Mär/, aus Brisbane mit. dass er nach langer Fahrt dort glücklich
angelangt sei und nun seine Arbeiten besinnen werde. —
— 488 —
(6) Hr. Lissauer teilt mit, dass der Vorstand und Ausschuss be-
schlossen haben, in Fürstenberg i. Mecklbg. an dem Hause, in welchem
Heinrich Schliemann als Kaufmannslehrling gelebt und zum ersten Mal
in seinem Leben den Vortrag homerischer Verse gehört hat, eine Gedenk-
tafel anbringen zu lassen, welche bei Gelegenheit einer Exkursion der
Gesellschaft dorthin am 11. Juni dem Magistrat der Stadt übergeben
werden soll. —
(7) Hr. C. F. Lehmann übersendet die folgende Mitteilung
über neu gefundene ckaldische Inschriften.
1. Bauin schrift des Menuas.
a) „Mitteilung des Hrn. Dr. G. C. Raynolds d. d. Van, 13. Juli 1903:
Ich schreibe heute ausdrücklich, um Ihnen mitzuteilen, dass Hr. Goorken1)
eine Keilinschrift in einer Kirche im Dorfe Vosge-pag1), von der Sie
nach seiner Ansicht keine Kunde erhalten haben, entdeckt und einen
wohlgelungenen Abklatsch genommen hat, den ich Ihnen auf seinen Wunsch
sende."
b) Mitteilung des Hrn. Dr. Raynolds d. d. Van, 7. September 1903:
„Ich freue mich, dass die Abklatsche2) Sie wohlbehalten erreicht und sich
als einigermassen wertvoll erwiesen haben. Ich habe Hrn. Goorken
Ihre Fragen 3) vorgelesen, und er wird antworten, aber vielleicht nicht
rechtzeitig für diese Post."4)
c) Befund des Abklatsches. Runder Säulenstein bekannter Art, drei-
teilig beschrieben, aber dreimal mit derselben einzeiligen Inschrift.
mMe-i-nu-u-a-se5) mIs6)-pu-u-i-ni-e-M-ni-se i-ni ase7)
za-a-du-u-ni
„Menuas, Ispuinis Sohn, hat diesen Tempel erbaut."
Die Kirche, die den Stein birgt, kann eventuell an der Stelle des alten
Heiligtums stehen, wie so oft. In der Kirche zu Zevastan scheinen
mehrere dieser Säulensteine sogar ihre alte Lage bewahrt zu haben.
2. Kanalinschrift des Menuas.
Mitteilung des Hrn. Hampartsum Der Harutunian d. d. Van, 8. Juli
1903: „Eine kurze, dreizeilige Inschrift, ähnlich der, die Sie in Ishaniqom,
im Hayoc'-zör fanden. Sie lautet:
1. (ILU) Hal-di-ni-ni us-ma-si-ni '"Me-nu-a-se
_. '"Is-pu-u-i-ni-l lii|-ni-se i-ni pi-li
3. a-gu-ni '"Me-nu-a-i-pi-1 i ti-ni "
(Stereotype Kanalinschrift des Menuas, der bekannten dreizeiligen
Form. C. I,.)
1) Die englische Orthographie der armenischen Namen ist beibehalten. — 2) Gemein)
sind die verschiedenen Teile des Altklatsches. — 3) Ich bat um nähere Angaben über den
Lokalbefund und die Lage des Steines etc. — 4) Bis jetzt nicht eingetroffen. — 5) Nur
in der ersten Zeile erhalten. — (1) Spuren nur in der ersten Zeile. — 7) Geschrieben
BITU.
— 489 —
„Der Schriftstein, etwa 2 m lang, befand sich in einem kleinen Tal
zwischen Andz(?) und Maschpak im Hayöc'-zör, nahe dein Menuas-Kanal,
von dessen Mauer der Stein herabgestürzt war; er ist j«'tzt beinahe im
Boden vergraben. Melkon Koondorian aus .Mastag hat mir diese In-
schrift gezeigt.
Km Dorfbewohner sagte mir, <t kenne eine andere neue Inschrift
unweit des Kanals, irgendwo zwischen Andz(?) und Karawane', aber er
wollte sie mir nur zeigen, wenn ich ihm Geld gäbe.1'
(Ob die zweite der erwähnten Kanalinschriften neu wäre, bliebe zu
prüfen.') C. L.)
:i. Inschrift (Argistis II?) Rusahinis.
a) Mitteilung des Hrn. Hampartsum vom gleichen Datum, dem
unter 2. wiedergegebenen Bericht vorausgehend: „Neuerdings habe ich
drei neue Keilinschriften gefunden, die erste im Hause des Hagop
Hampartsumian in Haykavank" (Stadtteil von Van). „Yor vielen Jahren
hatte sein Vater Hampartsum sie beim Graben in der Nachbarschaft
der Kirche Haykavank gefunden und in sein Haus gebracht. Hagop
kannte die Geschichte des Steines und sein Vorhandensein in seinem
Hause, konnte ihn aber Ihnen nicht zeigen, während Sie im Lande waren.
Erst neuerlich ist er beim Graben eines Wasserlaufs durch die Wieder-
auffindung des Steines überrascht worden, der mit der Oberfläche nach
unten zur Pflasterung des Hofes verwendet war."
Hr. Hampartsum gibt nun eine genaue Beschreibung des Steines
und seiner Gestalt, eine gute Kopie und eine korrekte Transkription der
Inschrift und macht den Instruktionen der Expedition und besonders dem
Unterricht speziell seines Lehrers, meines ehemaligen Reisegefährten,
alle Ehre.
b) Mitteilung des Hrn. Dr. Ussher, d.d. Van, 9. April 1904: „Mein
Bruder fand während seiner Anwesenheit eine neue Keilinschrift im Hofe
eines armenischen Hauses und nahm eine sehr gute Photographie davon,
die er auch an die University of Pennsylvania, seine alma mater, ge-
sandt hat."
Hr. Dr. Ussher sendet mir die Photographie mit der Bitte um Aus-
kunft mit. Ich werde sie an anderer Stelle mit den Massangaben des
Hrn. Hampartsum publizieren. Die Photographie bestätigt die Richtig-
keit von Hrn. Harn partsums Kopie.
1. |-Ar-gis-|2)t)i3)]-se
2. "'Ru-sa-lii-ni-st'
3. -4) KAK6) ti-ku-lu--6)
4. i-nu-ka-a-ni
1) Hr. Hampartsum gibt noch Nachrichten über ein weiteres Fragment,
ca. 0,35 m in allen Dimensionen, gefunden in der Mauer der Kirche Surp-Pogos in Van,
die so viele wichtige Inschriften birgt. Doch sei keine Silbe darin leserlich. Ich
werde darüber berichten, falls der Abklatsch, den er in Aussiebt stellt, etwas ergeben
sollte. — 2) Weggebrochen. — 3) Nur Spur eines senkrechten Keils. - I Hin Zeichen
fehlt. - 5) Als [deogramm bmachen, schaffen-. — 6 Ein Zeichen fehlt.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft S o, -i. 32
— 490 —
5. e-si-ni-ni
6. mGi-lu-ra-a-ni-e
7. ISU. TIR^-ni-ka-i
8. pa-ri mIs-pi-li-ni
9. mBa-ti-lii-ni-ni
10. ISU.NU-SAR2)-ni-di
11. IX.C.L.I. KID.3)
Es ist höchst bedauerlich, dass die erste Zeile weggebrochen ist. Die
Ergänzung zu Argistis (IL, dem Sohne Rusas I.) ist die nächstliegende
und würde uns eine dritte Inschrift dieses vor unserer Expedition über-
haupt nicht mit eigenen Inschriften vertretenen Königs liefern.
Es wäre aber wohl möglich, dass ein anderer Name dagestanden
hätte. Damit wäre dann die Frage entschieden, wer Rusas' IL (ca. 680
bis 645 v.Chr.) Sohn und Nachfolger war: ob Sardur IV. (III.), wie ich
nunmehr definitiv glaube und vor einiger Zeit öffentlich ausgesprochen
habe, ob Erimenas, Rusas' III. Yater, wie die herrschende Meinung an-
nimmt. Ja der Urheber der Inschrift könnte sogar an sich ein Sohn
Rusas' III. sein, wenngleich mir das sehr unwahrscheinlich ist, da ich
Rusas III. für den letzten König des Reiches Chaldia (m. E. gestorben
um oder kurz vor 585 v. Chr.) halte.
Die Inschrift ist in jedem Falle von besonderem Interesse. Sie nennt
allem Anscheine nach ausser dem König und seinem Vater noch mehrere
männliche Personen. Zeile 9 bezeichnet wohl den in Z. 8 Genannten
seiner Herkunft nach. Anscheinend spielen u. a. Ländereien und vermut-
lich ihre Bebauung oder Übertragung darin eine Rolle. Über Z. 4/5 an
anderer Stelle.
(8) Hr. F. v. Chlapowski legt
ein pfriemartiges Knochenstück
aus einer Kiesgrube von Obornik zur Beurteilung vor, ob dasselbe Spuren
menschlicher Bearbeitung darbietet.
Hr. Ed. Krause erklärt, dass die an dem Geräte befindlichen Marken
von Nagezähnen herrühren, wie er an Parallelstücken beweisen werde,
welche er in der nächsten Sitzung zur Vergleichung vorlegen wolle. —
(9) Hr. A. Plehn spricht über
Beobachtungen in Kamerun.
Der Vortrag wird später erscheinen. —
(10) Hr. Max Schmidt hält einen Vortrag über
Ableitung südamerikanischer Geflechtmuster aus der Technik des
Flechtens.
Bei der wissenschaftlichen Behandlung der Ornamentik und ihrer
Entwicklung an den Gebrauchsgegenständen der Menschheit treten zwei
1) D. i. KISTÜ „Hain«, „Waldung". - 2) Assyrisch NU. GIS(ISU). SAR ist = Gärtner.
— 3) Massbezeichnung, den Betrag oder Ertrag bezeichnend.
— 491 —
Methoden in den Vordergrund, die sich vor allem da, wo es sich um die
Naturvölker handelt, Hand in Hand arbeiten müssen. Wir können ein-
mal die Untersuchung auf die Ornamente als solche richten und den
Inhalt dessen zu bestimmen suchen, was die menschliche Vorstellung zum
Gegenstände ihrer ornamentalen Darstellungen auf den Gebrauchsgegen-
ständen auserwählt hat. Wir werden hier zur Erklärung der ornamentalen
Formen die letzteren vor allem in ihrem Zusammenhange mit dem, was
Gegenstand der Vorstellung des betreffenden Völkerkreises ist, d. h.
im Zusammenhange mit dem ( ieistesleben des betreffenden Volkes,
erfassen.
Im Gegensatz zu dieser Methode steht eine zweite, ebenso wichtige,
ohne deren Heranziehung die ersten« den Boden völlig verlieren würde.
Dieselbe behandelt die Form der Ornamente in ihrem Zusammenhange
mit der Herstellungsweise und dem Material des betreffenden Gebrauchs-
gegenstandes. Für die Erfassung des Wesens der Ornamente von dieser
Seite her kommt es vor allem auf eine genaue Kenntnis der bei der
Herstellung des betreffenden Gegenstandes angewendeten Technik an.
Im folgenden habe ich mir zur Aufgabe gemacht, von diesem an
zweiter Stelle angeführten Gesichtspunkte aus die Ergebnisse meiner
Untersuchungen kurz zu skizzieren, die ich an der Hand der in unserem
Berliner Museum befindlichen südamerikanischen Geflechte auszuführen
Gelegenheit hatte. Nur ein Eindringen in die bei den Geflechten an-
gewendete Technik überhaupt kann ein Eindringen in das Wesen der
Geflechtmuster erwirken.
Mein Endziel ist das, zu zeigen, in wie weit diese Technik von selbst
auf Muster hingeführt hat, dass schon aus der Technik von selbst
Muster entstehen, die den menschlichen Geist geradezu herausfordern
zur weiteren Vervollkommnung durch blosse Variation und Kom-
bination.
Wie bei allen menschlichen Gebrauchsgegenständen, so hängt auch
bei den Geflechten die Form und die Herstellungsweise vor allem von
zwei Faktoren ab, einmal von dem Gebrauchszweck des betreffenden
Gegenstandes und sodann von dem zur Verfügung stehenden .Material.
Was den Gebrauchszweck anlangt, so haben wir hiernach im grossen
und ganzen drei Hauptgruppen von Geflechten zu unterscheiden, einmal
Matten, sodann Feuerfächer und drittens als wichtigstes die Körbe. Da-
neben tritt das Geflecht auf bei Fischreusen, Pfeilköchern, Mandiokapressen,
Tanzmasken, Tanzanzügen und Kopfbedeckungen, sowie als Umhüllung
der Stiele verschiedener Gebrauchsgegenstände zum Schmucke resp. zum
Zwecke der besseren Handhabe.
Da bei den zuletzt genannten Arten der Geflechte die Herstellungsart
und infolgedessen auch die Musterung des Geflechtes grösseren Willkürlich-
keiten ausgesetzt ist, so wollen wir im folgenden als Grundlage für die
Ableitung der Haupttypen der südamerikanischen Ornamentik aus der
Geflechtstechnik nur die drei zuerst genannten Hauptarten, die Matte, den
Feuerfächer und den Korb heranziehen.
Was die Einteilung der hiernach für uns in Betracht kommenden
32 *
— 492 -
Geflechte nach der Herstellungsweise und damit nach dem eigentlichen
Wesen des Geflechts anlangt, so möchte ich mich hier gern der von
Mason aufgestellten Einteilung1) anschliessen, die sich in so ausgezeichneter
Weise bei der wissenschaftlichen Behandlung der Flechttechnik nord-
amerikanischer Geflechte bewährt hat.
Aber besondere, im zur Verfügung stehenden Materiale beruhende
Umstände haben es bewirkt, dass gerade das, was für Südamerika einen
Haupttyp us repräsentiert, und gerade für die Entstehung der in Südamerika
vorherrschenden Ornamente hauptsächlich in Betracht kommt, in Nord-
amerika als Geflechtstypus so gut wie gar nicht vertreten ist und dass
umgekehrt aus der zweiten der beiden grossen Hauptabteilungen, in die
Mason die nordamerikanischen Geflechte einteilt, der „coiled basketry"2),
in Südamerika nur im äussersten Süden bei den Feuerländern ein Typus
vertreten ist, der für die Technik südamerikanischer Geflechte nur als
Besonderheit in Betracht kommen kann. Die eine Hauptart, die wir als
solche für Südamerika noch im folgenden kennen lernen werden, findet in
der Masonschen Einteilung überhaupt kein Unterkommen.
Ich halte es danach für praktischer, bei einer Spezialbetrachtung
südamerikanischer Geflechte von der Masonschen Einteilung Abstand zu
nehmen und ein selbständiges Einteilungsprinzip, wie es sich aus der
Betrachtungsweise südamerikanischer Geflechte von selbst ergibt, den
folgenden Ausführungen zugrunde zu legen. Und zwar werden wir in
folgendem an der Hand der mehr oder weniger universal in Südamerika
vertretenen Geflechtstypen drei Hauptarten unterscheiden, an die sich die
nur mehr oder weniger lokal vertretenen abweichenden Typen als besondere
Arten anschliessen.
Bei der ersten Hauptart kommt das Geflecht dadurch zustande,
dass zwei senkrecht zu einander stehende Gruppen von Geflechtsstreifen
derartig miteinander verflochten werden, dass die Streifen der einen Gruppe
jedesmal eine gewisse Anzahl von Streifen der anderen Gruppe über-
springen, bezw. von ihnen übersprungen werden und zwar so, dass immer
die in gleicher Richtung verlaufenden Geflechtsmaschen stufenförmig neben-
einander, bezw. übereinander liegen.
Die Zahl der jeweilig übersprungenen Geflechtsstreifen kann drei und
zwei sein, bei einigen sehr primitiven Körben auch eins. Im letzteren
Falle besteht allerdings insofern ein Unterschied, als hier die durch die
Reihen der in gleicher Richtung verlaufenden Geflechtsmaschen gebildete
Streifung im Muster, die gerade typisch für diese Geflechtsart ist, nicht in
die Erscheinung tritt; aber diese nur ausnahmsweise vorkommenden Körbe
schliessen sieh doch ihrem ganzen Wesen und der ganzen Herstelluugs-
weise nach den Geflechten, bei denen zwei, bezw. drei Streifen über-
spniii^r-n werden, an, so dass es unpraktisch wäre, sie wegen dieses einen
mehr in der Erscheinung: als in ihrem Wesen liegenden Unterschiedes bei
1) Otis Tul'ton Mason: Aborigina] American basketry: studies in a textile art
withont rnachinery. Sinithsonian Institution. No. 128. Washington 1904. S. 222 ff.
2) Vergl. Mason a.a.O. S.244ff.
— 493 —
der Einteilung für sich zu stellen, wie es nach Masone Einteilung der
Fall sein würde.
Ein durchgreifender und wie wir noeh hernach sehen werden für die
ganze Technik dieser Plechtari grundlegender Unterschied innerhalb dieser
ersten Hauptart ist dadurch -«'-«dien, dass die beiden Gruppen der senk-
recht zueinander stellenden Geflechtsstreifen einmal wie in Fig. 1 von ein
und derselben Kasis ihren Ausgang nehmen können und das andere Mal
wie in Fig. 2 von -zwei getrennten Ausgangspunkten aufeinander zulaufen
können. Sehen hier möchte ich darauf hinweisen, dass im ersteren Falle
durch einfaches Verflechten einer gewissen Anzahl v<m Geflechtssteeifen in
<U'\- hier vorausgesetzten Weise zunächst ein Geflechtsdreieck entsteht, im
Fiff. 1.
Fi". 4.
Fig. 2.
Fiff. 3.
Fussmatte der Karaya. Im Berl. Ufas.
YB. W07. V10 nat, Gr.
zweiten Falle dagegen ein Geflechtsviereck, ein Unterschied, der natürlich
für die im weiteren Verlauf zu behandelnde Entstehung der Ornamentik
von grösster Bedeutung ist.
Bei der zweiten Hauptart südamerikanischer Geflechte handelt es sich
um die Verknüpfung einer Anzahl von in parall.de Lage zueinander
gebrachten Binsen, Blattrippen, Gras- und Palmfaser-Büscheln oder Baum-
wollachnüren durch Herumschlingen eines doppelten Fadens (Fig. 3).
Diese Art der Flechterei, die in Nordamerika ebenso universal ver-
breitet ist wie in Südamerika, bildet auch in der l&asonschen Einteilung
eine Gruppe für sich, das „Twinedwork".1)
1) .Mas du a. a. 0. S. 231 ff.
— 494 —
Auch bei dieser Art Flechterei werden von den Südamerikanern
durch besondere Manipulationen Muster hervorgerufen, z. B. bei den
Taschen und Moskitowedeln der Tsamakoko, sowie einer Fussmatte der
Karayä (Fig. 4) dadurch, dass jeder der parallelen Faserbüschel sich
wieder aus zwei Büscheln von verschiedener Farbe zusammensetzt und
nun dadurch, dass man bald die eine, bald die andere Farbe an die Ober-
seite bringt, Variationen in der Färbung des Geflechts erzeugt werden.
Aber die hierdurch entstehenden Muster werden rein willkürlich hervor-
gerufen, sind also als solche nicht Geflechtmuster im eigentlichen Sinne,
d. h. solche Muster, die mehr oder weniger unwillkürlich aus der Technik
des Flechtens von selbst entstehen, wie es bei den Geflechten unserer
ersten Geflechtsart der Fall ist.
Fii>r. 5.
Fig. 6.
Korb der Bakairi. Im Berl. Mus. Vß. 2411.
y4 nat. Gr.
Ebensowenig ist die letzte Hauptgruppe danach angetan, Geflecht-
muster hervorzubringen. Zu derselben zählen wir diejenigen Geflechte,
wo zwei Gruppen von Geflechtsstreifen, die in verschiedener Richtung
übereinander gelegt sind, von einer dritten, wieder in anderer Richtung
verlaufenden Streifengruppe durchflochten werden (Fig. 5 und G).
Die wenigen, von diesen drei Hauptarten abweichenden Geflechts-
arten kann ich hier nur kurz berühren. Abgesehen von der ganz aus
der Reihe südamerikanischer Geflechte, wenigstens der der noch lebenden
Stämme, fallenden Flechtart der Feuerländer, die ihresgleichen in Nord-
amerika wiederfindet, kommen einige Besonderheiten in den Guyanas und
den angrenzenden Gebieten vor. So gibt die Fig. 7 eine dort verbreitete
Geflechtsart wieder, in der vor allem die langen Mandiokapressen, jedoch
auch Körbe angefertigt sind. Ebenso weisen die im übrigen ihrem Wesen
nach unserer ersten Hauptgruppe nahestehenden Guyanakörbe mit ihrer
so reichhaltigen Musterung eine Besonderheit im Ausgangspunkte des Ge-
flechts und damit auch im ganzen Geflechte des Korbbodens auf. Aus
dem Schinguquellgebiet konnte ich von den Bakairi einen wenigstens in
— 495 —
Bezug auf die Flechtweise ganz ähnlichen Korb mitbringen und werde bei
anderer Gelegenheit demnächst auf diese Besonderheit ausführlicher zu-
rückkommen. Aber schon an dieser Stelle möchte ich darauf aufmerksam
machen, dass die rein auf der Technik beruhende besondere Musterung
in der Mitte dieses Korbbodens von den Bakairi in ganz ähnlicher Weise
rein ornamental auf ihren geflochtenen Kopfreifen verwandt worden ist,
wie es auf den Guyanakörben neben seiner rein technischen Entstehung
in der Mitte des Bodens an der Korbseite in rein ornamentaler Eigenschaft
wiederkehrt und auf einem Korbe den Kopf einer menschlichen Figur
herstellen muss.
Wie schon im Vorigen gesagt, kommt bei der hier in Frage stehenden
Behandlung der Entstehung- von Südamerikanischen Geflechtmustern aus
der Technik des Flechtens nur die von uns als erste Hauptart aufgestellte
Gruppe von Geflechten in Betracht.
Da, wie wir noch im weiteren nachzuweisen suchen werden, diese Art
von Geflechten ihren Ausgangspunkt offenbar von dem als Ganzen ver-
arbeiteten Palmblatte herleitet und im engsten Zusammenhange mit dem
letzteren steht, so ist es bei der Behandlung dieser Art von Flechtung
und der durch dieselben erwirkten Geflechtmuster der grösste Fehler, die
einzelnen Teile des betreffenden geflochtenen Gegenstandes oder einzelne
Teile der Musterung aus ihrem Zusammenhange herauszureissen. Bin
Loslösen einzelner, uns am meisten in die Augen fallender Figuren aus
dem Geflechtmuster, wird niemals zu einem Kesultate führen bei der Er-
forschung des Wesens und des ersten Entstehens dieser bestimmten
Figuren.
Wenn wir bei den hier in Frage stehenden Geflechten eine in senk-
rechter Richtung verlaufende Streifimg mit einer in wagerechter Richtung
verlaufenden abwechseln sehen, wenn das Geflecht mit einer Reihe von
Gruppen konzentrischer Quadrate versehen ist, deren Mitte ein Kreuz, ein
Punkt oder ein ausgefülltes Viereck ausmacht (vgl. Fig. 40 und 26), wenn
endlich ein Mäander an der Korbseite entlang läuft, so scheint bei der ersten
Betrachtung diese Musterung durch ein kompliziertes Verändern der Zahl
der übersprungenen Geflechtsstreifen hervorgerufen zu sein. An den Ecken
der Rauten oder der Mäander (vgl. Fig. 35 und 36) sehen wir z. B. die regel-
mässige Zahl 3 der übersprungenen Streifen mit den Zahlen 1 resp. 5
abwechseln. Nur durch ein für die geistige Entwicklung der in Frage
stehenden Naturvölker viel zu kompliziertes Zählsystem wäre so die Ent-
stehung der genannten Muster in ihrer genau fixierten geometrischen An-
ordnung möglich.
Aber eine lletrachtungsweise dieser Geflecht>iiguren im Zusammen-
hange mit den ganzen Geflechten, mit Rücksichtnahme darauf, dass bei
einem bestimmten Anfange der Flechtung mit dem weiteren Verlauf der
Geflechtsstreifen als etwas gegebenem zu rechnen ist, wird es leicht klar
machen, dass diese Figuren nicht durch Abzählen der Geflechtsmaschen
nach einer bestimmten Vorlage gebildet werden, sondern aus der Anlage
des Geflechts von selbst entstehen und dass diese Figuren sich in Wirk-
— 496 —
liclikeit aus ganz anderen Bestandteilen zusammensetzen, als es bei erster
Betrachtung den Anschein hat (vgl. Fig. 35 und 36).
Die Gebundenheit des Verlaufs der einzelnen Geflechtsstreifen ist in
Wirk liclikeit dadurch gegeben, dass zunächst bei den unentwickelteren
Formen dieser Geflechtsart diese Streifen von vornherein nicht unabhängig
voneinander sind, sondern gebildet werden durch die einzelnen Blattfiedern
eines gefiederten, resp. eines Fächerpalmblattes.
Dass Mason, der gerade jetzt eine neue umfassende Bearbeitung-
amerikanischer Geflechte herausgegeben hat, diesen engen Zusammenhang
der in Frage stehenden Geflechtsart mit dem Palmblatte als Ganzem un-
berücksichtigt gelassen hat, erklärt sich daraus, dass ihm aus Südamerika,
dem eigentlichen Herd dieser Geflechtsart, nur wenig Material zur Ver-
fügung o-estanden hat und das wenige zum Teil schon entwickeltere
Formen repräsentiert.
Auch da, wo nicht mehr, wie bei den ursprünglichen Formen die
Geflechtsstreifen aus den noch mit der Blattrippe in Verbindung stehenden
Blattfiedern gebildet werden, sind es doch zunächst noch die losgelösten
Blattfiedern, resp. Blattstreifen und erst bei weiterer Entwicklung Kohr-
streifen, aus denen die hier in Frage stehende Geflechtsart hergestellt
wird1).
Dafür, dass wir bei dieser Geflechtsart, was das Material betrifft, vom
Palmblatte als Ganzem auszugehen haben, dessen einzelne Fiedern zu-
nächst noch an der Blattrippe oder dem Blattstiele festsitzen, sprechen
verschiedene Gründe.
1. Der Grund, dass das Palmblatt als solches auch in unbearbeitetem
Zustande dieselben Funktionen zu erfüllen hat, wie das aus ihm her-
gestellte Geflecht. Zum Beispiel bei den in ihren sumpfigen Verstecken
am Paraguayfluss wohnenden Guato-Indianera, deren Verhältnisse ich aus
eigener Erfahrung kennen lernte, findet das grosse gefiederte Blatt der
Akuripalme auch in unbearbeitetem Zustande einmal bei der Herstellung
des Nachtlagers, ferner beim Anfachen des Feuers und drittens als Unter-
lage oder Umhüllung für verschiedene Gebrauchsgegenstände Verwendung.
In einer diesen seinen Bestimmungen entsprechenden Weise wird es drei-
fach verarbeitet, einmal zur Schlafmatte, zweitens zum Feuerfächer und
drittens zum Kerbe. (Fig. 8 und 9).
2. Der Grand, dass tatsächlich überall da, wo es in Südamerika Palm-
blätter gibt, diese als Ganzes zu verschiedenen Gebrauchsgegenständen
von den Eingeborenen verflochten werden und zwar immer in der hier in
Präge stehenden Geflechtsart.
3. Auch da. wo die Blattfiedern nicht mehr an der Blattrippe oder
am Blattstiel festsitzen, sondern schon von vornherein als lose Streifen
miteinander verflochten sind, ist dennoch bei der ganzen Anlage der Ge-
flechte iiurli dieselbe Anordnung beibehalten, wie sie durch den Zu-
sammenhang d< r Fiedern mit der Blattrippe resp. dem Blattstiele bedingt
wäre. So in Pig. 10, wo die Blattfiedern iiach derselben Art, wie sie in
lj Vgl. Mas on a. a. <>., S. 224.
- 497 —
Fig» 11 von der Rippe ausgehen, von einem den oberen Rand bildenden
Zopfgeflechte ihren Ausgang nehmen.
Fig, 8.
Fig. lo.
Korb der Bororo. Im Berl. Mus. VB. Ho*.
V8 nat. Gr.
Korb der Guatu. Im Berl. Mus VB. idtö.
1/s nat. Gr.
Ei*. 9.
Feuerfächer der Guatö. Im Berl. Mus. VB. 5014. ' nat. Gr.
4. Ein weiterer wichtiger Beleg für diese Tatsache ist in dein Fehlen
dieser Geflechtsart als Geflechtstypus in allen Teilen von Nordamerika mit
Ausnahme des äussersten Südens — wo es eben noch Palmen gibt — zu
suchen. Wo doch sonst gerade dieser Teil der Erde eine so übergrosse
Mannigfaltigkeit in verschiedenen Geflechtsarten aufzuweisen hat.
— 498 -
5. Ein letzter Grund endlich ist im Wesen der Geflechtsart selbst zu
suchen, die sich mit ihren ihr anhaftenden Eigentümlichkeiten und Vor-
teilen eben von selbst ergibt, wenn wir, wie wir am besten bei Fig. 12
sehen, die Fiedern eines Palmblattes von der Blattrippe aus in gleich-
massigem Verlaufe, drei auf, drei unter, resp. zwei auf, zwei unter mitein-
ander verflechten.
Fig. 11.
Korb der Bororo. Im Berl. Mus. VB. 2026. x/g nat. Gr.
Fig. 12.
Schlafmatte der Guato. Im Berl. Mus. VB. 4891. l/18 nat. Gr.
Nehmen wir hiernach als Tatsache an, <lass die hier in Frage
stehende Geflechtsart sich aus einer Verflechtung des Palmblattes als
Ganzem entwickelt hat, so ergibt sich wiederum eine durchgreifende Zwei-
teilung, je nachdem wir unseren Ausgang vom gefiederten Palmblatte, wie
z. I). dem Blatte der AJniripalme, oder vom Fächerblatte, wie z. B. dem
Blatte der Buritipalme nehmen; eine Zweiteilung, die sich sowohl in der
— 499 —
ganzen Anlage des Geflechts, wie auch in dem Wesen der Musterung des
Geflechts geltend macht (Fig. 8 und 14).
Wenden wir uns nun zunächst der Musterung der aus dem gefiederten
Palmblatte hergestellten Geflechte zu, so sehen wir zum Beispiel an den
Fig. 8 und 12, dass diese Musterung in einer Streifung besteht, die durch
die Reihen der in gleicher Richtung verlaufenden Geflechtsmaschen her-
vorgerufen wird, also nicht in der Richtung der einzelnen Geflechtsstreifen
verläuft, sondern in einem Winkel von 45° zu derselben, in den an-
geführten Beispielen also, wo die Geflechtsstreifen diagonal verlaufen, in
horizontaler oder vertikaler Richtung.
Bei den meisten der hierher gehörigen Geflechte läuft diese Streifung
zunächst parallel mit der Blattrippe, von der die Geflechtsstreifen aus-
gehen, notgedrungen, denn bei gleichmässigem Übereinanderflechten der
nacheinander von der Blattrippe ausgehenden Fiedern kommt eben eine
derartige Streifung des Musters zustande. Bei dem Korbe mit der Rippe
an der Seite in Fig. 8 läuft das Geflecht ohne Veränderung in derselben
Weise weiter, bis es in dein die freien Fiederenden vereinigenden Zopfe
seinen Abschluss findet. Anders beim Feuerfächer in Fig. 9 und noch
klarer bei der grossen Schlafmatte in Fig. 12. Hier tritt, nachdem das
Muster einige Reihen lang in der der Rippe parallelen Lage verlaufen ist,
ein Übergang aus dieser Richtung in die zu ihr senkrechte Richtung ein.
Vermittelt wird dieser Übergang durch eintl Unregelmässigkeit im Geflecht,
bei welcher als Zahlen der jeweilig übersprungenen Geflechtsstreifen die
Zahlen 1, 2 und 5 neben der regelmässigen 3 auftreten. Aber schon hier
ist leicht zu ersehen, dsss dieser Übergang im Muster nicht durch Ab-
zählen und Verändern der einzelnen Maschen willkürlich hervorgerufen
ist, sondern einen rein praktischen Grund hat. Wie man bei Beginn der
Matte gleichmässig an der Rippe entlang die Streifen 3 auf, 3 nieder mit-
einander verflocht, so lässt man im weiteren Verlaufe, um rechts und links
einen geraden Geflechtsrand zu bekommen, das Geflecht vom Seitenrande
aus gleichmässig fortgehen. Dadurch, dass wir, wie vorher von der Rippe
aus, so jetzt vom Rande aus 3 auf, 3 nieder weiterflechten, entsteht der
Wechsel der wagerechten Streifung des Musters in die hierzu senkrechte
Streifung, entsteht an der Übergangsstelle das Auftreten der Zahlen 1
und 5 als Zahlen der übersprungenen Geflechtsstreifen.
Aus demselben Grunde und auf dieselbe Weise geht das Geflecht-
muster vor dem unteren 'Rande wieder in die wagerechf verlaufende
Richtung des die Matte unten abschliessenden Zopfgeflechtes über.
Der durch diesen rein praktischen Gesichtspunkt gegebene Übergang
der wagerechten Streifung in die hierzu senkrecht stehende Richtung und
umgekehrt wird hernach, wo er einmal vorhanden ist und wo die dadurch
entstandene Musterung dem Verfertiger zum Bewusstsein gekommen ist,
auch da angewendet, wo er nicht technisches Erfordernis ist und bekommt
somit in diesen Fällen rein ornamentalen Charakter.
Ich gehe in folgendem zunächst auf diejenigen Geflechte über, welche
aus den Blättern der Fächerpalme hergestellf sind oder sich ihrem ganzen
Wesen nach diesen anschliessen, um dann nachher wieder auf einige
— 500 —
Besonderheiten der aus den gefiederten Palmblätteru gebildeten Geflechte
zurückzukommen.
In Fig. 13 und 14 haben wir zwei Körbe der Bakairi, die aus je
zwei Buritiblättern als Ganzem °-eflochten sind und von denen der eine
Fi«?. 13.
Fi£. 14.
Korb der Nahukua. Im Berl. Mus. Vß. 4392.
7,. nat. Gr.
die durch die Reihen der in gleicher
Richtung verlaufenden Geflechts-
maschen gebildete Streifung in verti-
koler und der andere dieselbe in
horizontaler Richtung aufweist.
Während bei den im vorigen be-
handelten, aus dem gefiederten Palm-
blatte abgeleiteten Geflechten beide
Gruppen von Geflechtsstreifen von
der einen Blattrippe als gemeinsamer
Basis ausgingen, gehen bei dieser
aus den Blättern der Fächerpalme
hergestellten Geflechten die beiden
Gruppen der Geflechtsstreifen von je
einem gemeinsamen Blattstiele aus.
Auf eben dieselbe Weise ist aus zwei
solchen Buritipalnablättern dadurch,
dnss die Streifen dos einen Blattes
drei auf, drei nieder mit den Streifen
des anderen Blattes verflochten sind.
Korb der Bakairi. Im Berl. Mus. VB.
Vb nat. Gr.
Fig. 15.
2407.
Korbschale der Nahukua. Im Berl»
Vli. Il:;7. 7. nat. Gr
Mus.
die flache Korbseliule in Kit;'. 15 gebildet.
— 501 —
Das Wesentlichste zum Verständnis der Entstehung dieser Art
Geflechte und damit zum Verständnis der sich bei ihnen findenden
(iehVchtmuster ist der Punkt, dass bei der Verflechtung der beiden von
zwei verschiedenen Punkten ausgehenden Gruppen von Geflechtsstreifen
schon in der ersten Anlage ein Viereck entsteht, und dass hier bei diesem
Viereck die Reihen der in gleicher Richtung verlaufenden Geflechts-
maschen, also die Streifung des Musters [rieht mir einem der Ränder des
Geflechts parallel laufen wie bei den vorigen Geflechten, sondern in der
Richtung der einen oder der anderen Diagonale. Wie im Vorigen bei
den vom gefiederten Palmblatte abgeleiteten Geflechten, ><» besteht auch
hier der einzige Wechsel im Geflecht und in der Musterung in 'lern Über-
gang der in der einen Richtung verlaufenden Streifung in die hierzu
Fi»-. Hi
Piff. 17.
Sieb aus Brit. Guyana. Im Beil. Mus.
VA. 228. ' .,, nah Gr.
Korbschale der Tucano. Im Berl. Mus.
VA, 2890. V„ nat. Gr.
senkrecht stehende Richtung, also in dem Übergang der in der Richtung
der einen Diagonale verlaufenden Streifung in die in der Richtung der
anderen Diagonale verlaufende Streifung.
Da nun der weitere Hergang des ursprünglichen durch Verflechtung
einer gewissen Anzahl von Geflechtsstreifen gebildeten Vierecks nur der
sein kann, dass man durch Verflechtung neuer Geflechtstreifen mir den
frei auslaufenden Streifenenden immer neue solcher Vierecke an das
ursprüngliche heran flicht, so ergibt sich von selbst, dass auch die
Musterung dieser Art von Geflechten nur in einer Kombination solcher
Vierecke bestehen kann, von denen die einen die Streifung in der Richtung
der einen Diagonale, die anderen eine solche in der Richtung der anderen
Diagonale aufweisen.
Da hiernach bei den im folgenden abzuleitenden Geflechtmustern das
in diagonaler Richtung gestreifte Viereck die einzige Einheil des Geflechts-
— 502 —
ganzen ausmacht, so wollen wir es im folgenden kurz als das „Geflechts-
viereck" bezeichnen.
Am besten sehen wir an dem in Fig. 16 widergegebenen Siebe, wie
sich die ganze Musterung nur aus einer Kombination von 12 solcher in
diagonaler Richtung gestreifter Geflechtsvierecke zusammensetzt. Es
wechselt sowohl von unten nach oben, wie von links nach rechts gezählt,
immer ein in der einen Richtung gestreiftes Yiereck mit einem in der
anderen Richtung gestreiften ab.
Während der flache Korb in Fig. 17 nur aus einem einzigen
Geflechtsviereck besteht und infolgedessen nur einfache diagonale Streifung
im Muster aufweist, bestehen die Körbe in Fig. 18 und 19 aus je vier
solchen Geflechtsvierecken, die beim Flechten offenbar nacheinander
entstanden sind. Nur durch die verschiedene Lage der Vierecke zu
einander entstehen die beiden ganz verschiedenen Muster, welche wir in
Fiff. 18.
Fi sr. 19.
Korbschale der Tukano. Im Berl. Mus.
YB. 4054 c. Vn nat. Gr.
Korbschale aus Surinam. Im Berl. Mus.
YA. 11198. Ve nat. Gr.
dem in Fig. 16 gegebenen Siebe miteinander kombiniert finden, und die
einen Hauptfaktor in der ganzen Ornamentik Südamerikas ausmachen.
Während die Streifen der Geflechtsvierecke in dem viereckigen Korbe
Fig. 19 eine Gruppe mehrerer konzentrisch umeinander herumlaufender
Quadrate bilden, in deren Mitte sich ein kleines Kreuz befindet, besteht
die Musterung in Fig. 18 aus vier Gruppen ineinander liegender rechter
Winkel, deren Spitzen einander zugekehrt sind.
Das Muster der flachen Korbschale der Bakairi in Fig. 20 besteht nur
in einer Wiederholung der in Fig. 19 gegebenen Musterung, nur dass die
einzelnen Geflechtsvierecke aus viel weniger Gefiechtsstreifen bestehen,
als es dort der Fall ist.
Ganz dieselbe Kombination haben wir bei den Korbböden in Fig. 21
und 22, sowie an den Seitenwänden der in Fig. 23-25 wiedergegebenen
Körbe. Bei dem Korb« in Fig. 25 Beben wir neben den schon erwähnten
— 503 —
Mustern als neue Erscheinungsform der Kombination der Geflechtsvierecke
die in Zickzacklinien bestehende Musterung- hervortreten, welche der
Musterung der in einer Reihe liegenden Geflechtsvierecke in Fig. 16
entspricht.
Besonders wichtig für die Ornamentik ist der Mittelpunkt der nach
dem vorigen aus der Kombination der beiden verschiedenen Arten von
Fig. 20.
Fig. 21.
Korbschale der Bakairi. Im Berl. Mus.
YB. 4320. 7, nat. Gr.
Fi?. 22.
Korb der Ipurina, von unten ges.
Im Berl. Mus. YB. 3798 d. 1/5 nat. Gr.
Geflechtsvierecken entstandenen kon-
zentrischen Quadrate. Nach mathe-
matischer Notwendigkeit kann dieser
Mittelpunkt bei dem am häufigsten
vorkommenden dreimaschigen Ge-
flecht dreierlei verschiedener Art sein,
je nach der Zahl der Geflechtsstreifen,
aus denen das Geflechtsviereck ge-
bildet ist (vgl. Fig. 26). Alle drei
Arten sehen wir auf dvn im vorigen
besprochenen Geflechten mit «lein in
Frage stehenden Muster bunt durch-
einander (vgl. Fig. 40). Bas eine Mal
bildet den .Mittelpunkt des innersten
der Quadrate ein einzelner Punkt, das
andere Mal ein Kreuz und das dritte
Mal endlich ein kleines, ausgefülltes
Viereck. Wie im vorigen, so entstehen
auch die hier auftretenden Zahlen 1 und ."> als Zahlen der von den Geflechts-
streifen der einen Gruppe übersprungenen Streifen der anderen Gruppe
nicht willkürlich durch Abzählen der Maschen, sondern unwillkürlich durch
die Art und Weise, wie hier die Ecken der jeweiligen Geflechtsvierecke
zusammenstosseu.
Korb der Ipurina, von unten ges.
Im Berl. Mus. YB. 3898e. »/8 nat. Gr
— 504
Dafür, dass das wichtigste der hier in Frage stehenden Geflechtmuster,
das in einer ganz bestimmten symmetrischen Anordnung von Gruppen
konzentrischer Quadrate besteht, rein aus der Geflechtstechnik als solches
entstanden ist und erst später, nachdem es als reines Geflechtsmuster in
die Erscheinung getreten war, seinen ornamentalen Charakter angenommen
Fisr. 23.
Fisr. 25.
Korb aus dem Schingii-Quellgebiet.
Im Berl. Mus. YB. 4(147. 77 uat. Gr.
Korb der Kaingua. Im Berl. Mus.
VC. 3574. V3 uat. Gr.
Fig. 24.
Korb aus Brit. Guyana. Im Berl. Mus. VA. 100. 1/ll nat. Gr.
hat, geben den besten Beweis die weit über Südamerika verbreiteten
Feuerfächer von diesem Geflechtstypus (vgl. Fig. 29 — 32).
In Fig. 27 und 28 haben wir die genaue Entstehung des in Fig. 29
gegebenen Feuerfächers wiedergegeben durch ein genau mit dem Original
übereinstimmendes Schema von dem Verlaufe der Geflechtsstreifen in den
verschiedenen Entwicklungsstadien des Gegenstandes.
Zunächst in Fig. 27 haben wir das durch Kreuzung zweier Gruppen
von Geflechtsstreifen nach dem Prinzip drei auf, drei nieder mit mathe-
— 506 —
matischer Notwendigkeit entstellende ( lettechtsviereck. Das Muster dieses
auf der Spitze stellenden Vierecks besteht in einer hier in senkrechter
Richtung verlaufenden Streifung.
In der weiteren Figur sehen wir sich den Fächer vervollständigen.
Es treten zunächst, wie die linke Hälfte zeigt, durch Umbiegen und
Zurückflechten der unten frei austretenden Fiederenden zwei Geflechts-
dreiecke zu dein ursprünglichen (Jeflechtsviereck hinzu, das im Einklang
mit dem früher bei der Musterung der Guatömatte (vgl. Fig. Fi) erwähnten,
Fi*. 26.
Fig. 28.
dadurch, dass das Geflecht vom Rande aus gleichmässig geflochten ist,
als Musterung eine parallel mit dem unteren Rande, also in wagerechter
Richtung verlaufende Streifung aufweist.
Auf dieselbe Weise treten dann, wie die rechte Seite des Schemas
zeigt, durch abermaliges Zurückflechten der freien Streifen die seitlichen
in senkrechter und die oberen wieder in wagerechter Richtung verlaufenden
Geflechtsdreiecke hinzu, um den Feuerfächer in seiner Form und mit
seinem aus zwei nebeneinander liegenden Gruppen konzentrischer Quadrate
bestehenden .Muster zu vollenden.
Ganz auf derselben Grundlage beruht die Musterung in Fig. 31 und ;>•_'.
Der dreieckige Feuerfächer der Bakairi in Fig. 31 entspricht genau dem
vorigen in dein auf der linken Seite A^v Fig. 28 zum Ausdruck gebrachten
Zeitschrift für Ethnologie. Jädtr. 1904. Heft :'. u. i. 33
— 50(J —
Entwicklungsstadium. Anstatt dass wie vorher noch die weiteren Drei-
ecke zur Vervollständigung herangeflochten wären, ist hier eine vorzeitige
Befestigung der freien Fiederenden an den seitlichen Rändern eingetreten.
Die Musterung entspricht somit — die willkürlich eingefügten schwarzen
Streifen müssen natürlich ausser Betracht gelassen werden — genau der-
jenigen des vorigen Fächers in dem angegebenen Entwicklungsstadium.
Da bei Fig. 3'i die Streifung des ursprünglichen, auch hier in der
Mitte liegenden (Jeflechtsviereckes nicht wie im vorigen in vertikaler,
Fi«?. 29.
Feuerfächer der Bakairi. Im Beil. Mus XB. 2437 a. 7g nat- Gr.
Fi£. 30.
Feuerfächer der Bakairi. Tm Beil Mus. YI>. 2437b. l/e nat- Gr. '
sondern in horizontaler Richtung verläuft, so tritt bei dem Hinzutreten
der beiden unteren ebenfalls wie im vorigen horizontal gestreiften (<e-
flechtsdreiecke kein Wechsel im .Muster ein, während die vom seitlichen
Blande ausgehenden beiden Geflechtsdreiecke durch ihre vertikale Streifung
wie vorher einen solchen Wechsel hervorrufen.
Nachdem wir im Vorigen zur Durchführung gebracht haben, dass die
ganze Anlage der in Präge stehenden Geflechte und damit auch ihre
hiermit im engsten Zusammenhang stehende Musterung eine ganz ver-
— 507 —
schiedene ist, je nachdem die beiden Gruppen der Geflechtstreifen von
ein und derselben Basis ausgeben, wie es beim verflochtenen '_:«'fiederten
Fi*. 31.
Fi«
Feuerfächer der Bakaiii. Im Beil. Mus. YB. 2439. l/6 nat. Gr.
Palmblatte der Fall ist, oder die von einem getrennten Ausgangspunkte
ausgehenden Streifen der einen Gruppe durch die Streifen der ihrerseits
von einem andern Ausgangspunkt
auslaufenden zweiten Gruppe
durchflochten werden, wie es
z. B. bei den aus zwei Fächer-
palmblättern hergestellten Ge-
flechten der Fall ist, bleiben
jetzt noch die Fälle zu be-
sprechen, in denen sieh Ober-
gänge von der einen Art in die
andere rinden, die durch ganz be-
sondere Momente hervorgerufen
werden.
Bei der viereckigen Indien
Korbform haben wir Fälle kennen
gelernt, bei denen die Geflecht-
streifen von der den oberen Rand
des Korbes bildenden Blattrippe,
oder in einer diesem ent-
sprechenden Weise ihren Aus-
gang nahmen. Die Befestigung
lag dann im Boden des Korbes und
die Musterung war eine parallel
zu der Blattrippe oder senkrecht
Feuerfächer der Ipurinä. Im Berl. Mus.
Vis. 3802c. '/' nat. Gr.
zu dieser Richtung verlaufende Streifung. Andererseits haben wir(Fig.21
ähnliche Körbe kennen gelernt, bei denen zunächst nach Art der flachen
508
Fi-
Korbschalen (wie Fig. 15 — 20) 'ein viereckiger Boden geflochten wird, und
bei denen dann noch im Gegensatz zum vorherigen die Befestigung der frei
auslaufenden Streifenenden sich notwendig am oberen Rande befinden muss.
Einfach liegt die Sache dann, wenn, wie in Fig. "23 — 25, die vier Seitenwände
des Korbes dadurch gebildet werden, dass die frei nach allen vier Richtungen
auslaufenden Enden der das Geflecht des Bodens bildenden Streifen ein-
fach nach oben umgebogen werden und dann durch einen in einer Spiral-
linie in horizontaler Richtung fortlaufenden Geflechtsstreifen durchflochten
werden. Die Geflechtsstreifen der Seitenwände verlaufen demnach vertikal
und horizontal, die durch die Reihen der in gleicher Richtung verlaufenden
Geflechtsmasohen gebildete Streif ung des Musters also in der Richtung der
beiden Diagonalen. Die Musterung der Seitenwände entspricht hier genau
derjenigen des Bodens uud beruht in einer
Weiterbildung der letzteren durch Anfügen
weiterer in diagonaler Richtung gestreifter
Geflechtsvierecke.
Nicht so einfach liegt es bei den Körben
in Fig. 21, 22 und 33, bei denen die Ge-
flechtsstreifen der Seitenwände in diagonaler
Richtung laufen, also die Streif ung des
Musters in vertikaler resp. horizontaler
Richtung verläuft. Hier kann die Ent-
wicklung des Geflechts nur so vor sich
gehen, dass zunächst eine viereckige Fläche
in der gewöhnlichen Art durch Aneinander-
fügen der Geflechtsvierecke hergestellt
wird, die doppelt so gross ist als der
Boden des anzufertigenden Korbes. Da-
durch, dass dann die vier Ecken dieser
Fläche als Teile der Seiten hochgebogen werden, entstellt als Boden ein
Viereck mit horizontaler und vertikaler Streifung im Muster. Durch Ver-
flechtung der freien Enden der als Teile der Seitenwände nach oben
gebogenen vier Dreiecke werden dann die ihrerseits wieder die Form von
Dreiecken zeigenden Lücken der Seitenwände ausgefüllt. Ist dies
geschehen, so hat sich auf einmal die Art der Weiterflechtung geändert,
denn im Gegensatz zu den vorherigen Entwicklungsstadien dieser Korh-
art gehen jetzt die Geflechtstreifen von einer gemeinsamen Basis aus,
genau so wie die von der Blattrippe des gefiederten Palmblattes ausgehenden
Fiedern. Und im Einklang damit sehen wir dann auch bei dem weiteren
Verlauf des Korbes dieselbe Musterung wie bei den aus dem gefiederten
l'almhlatte hergestellten Geflechten auftreten. So geht in dem in Fiu'. 33
gegebenen Sorbe die in vertikaler Richtung verlaufende Streifung des
Musters vor dem Abschluss am oberen Rande in die in horizontaler
Richtung verlaufende Streifung aber, genau so. wie es bei den aus dem
gefiederten Palmblatte hergestellten Körben häufig vor dem Abschluss am
unteren Rande der Fall ist.
Ebenso haben wir umgekehrt bei den Karayä (vgl. Fig. 3-1) Fälle,
Korb vom Ronuro. Im Berl. .Mus.
VB. 4665. 7, nat Gr.
— r>o(.> —
in denen Körbe, <lie von der am oberen Rande befindlichen Blattrippe
aus geflochten sind, doch in der Musterung sich der anderen Art von
Geflechtes anschliessen. Dies kann in einer demVorigen entsprechenden
Weis«- mir dadurch bewirkt Bein, dass die von der Rippe ausgehenden
Blattfiedem zunächst gruppenweise zu einzelnen Dreiecken verflochten
sind, was ja nach oben gesagtem die einzige Einteilung der von der
Rippe ausgehenden Fiedern sein kann. Die von zwei solchen benach-
barten Dreiecken ausgehenden Streifenenden sind dann ihrerseits ihrer
Lage nach, da ja jede der beiden (Jruppen der Streifenenden ihren
Fig. 34.
Korb der Karavä. Im Beil. Mus. YB. 3885. '/ä uat- *'r-
Fi?. 35. Fisr. 36.
besonderen Ausgangspunkt hat, geeignet, die in diagonaler Richtung
gestreiften Geflechtsvierecke wie im vorigen zu erzeugen, durch deren
Kombination in Fig. .*>4 mäanderartige Muster entstehen, wie sie sich
ähnlich auf flachen Körben im Rio Negro-Gebiete vorfinden.
Dass auch der .Mäander wie er in Südamerika vorkommt, durch nichts
anderes als durch die besondere Konstellation derselben Geflechtsvierecke
hervorgeht, durch welche die übrigen oben erklärten .Muster entstehen, lässt
sich leicht aus dem Schema in Fig. Ai) und 36 ersehen. Liegen, wie in Fig. :!5.
die Reihen der miteinander abwechselnden beiden verschiedenen Geflechts-
nerecke so übereinander, dass immer ein Geflechtsviereck der einen Art
genau unter einem der anderen Art liegt, so entstehen die um einander
herumliegenden Quadrate oder die im vorigen erwähnten Gruppen
ineinander liegende! rechter Winkel. Die Fig. 36 zeigt nun. wie die
genannten Figuren schon allein dadurch zu der Bildung des Mäanders
— 510
führen, dass die untere Reihe gegen die obere um etwas verschoben ist.
Also schon durch eine gewollte oder nicht gewollte Unregelmässigkeit im
Geflechte musste dem Verfertiger unmittelbar die Hakenfigur des Mäanders
als Muster in die Augen fallen. Überall da, wo die übereinander liegenden
Geflechtsvierecke von ungleicher Grösse sind, muss sich dieselbe Wirkung
für die Musterung herausstellen, wie bei der Verschiebung der unteren
Reihe unseres Schemas gegen die obere. (Vgl. die offenbar unwillkürlich
entstandene Mäanderbildung in Fig. 37.)
Pia:. .">7.
Tanzärmel der Aneto. Im Berl. Mus. VB. 5276. '/., Bat- Gr.
Fig. 38.
y^/yyyryyyyyyyyyy/y Eie. 39:
Wir müssen hiernach also unbedingt auch den Mäander ohne Rück-
sicht auf alle äbrigen mehr oder weniger weit hergesuchten Erklärungs-
versuche, wenigstens in bezug auf Südamerika, den Geflechtmustern im
engeren Sinne zuzählen und auch in ihm nur das Produkt einer gewissen
Konstellation einer Anzahl von in diagonaler Richtung gestreiften Ge-
flechtsi ierecken erblicken.
Passen wir zum Schluss kurz zusammen, so halten wir im vorher-
gehenden das Entstehen einer grosseren Anzahl von Ornamenten, dielilier
Südamerika weil verbreitet sind, aus der Technik des Piechtens verfolgen
— 511 —
können. Fs war einmal die abwechselnde Streifung in horizontaler und
vertikaler Richtung (vgl. Fig. 38) typisch für die aus dem gefiederten
Palmblatt entstandenen Geflechte and andererseits die Gruppen konzen-
trischer Quadrate mit «lein Punkt, dem Kreuz oder dem ausgefüllten Vier-
eck in der Mitte (vgl. Fig. 35, 39, 40 und 26), die Gruppen ineinander
liegender rechter Winkel, die mit den Spitzen einander zugekehrt sind
(vgl. Fig. 35, linke Seite), sowie endlich der Mäander (Fig 36 und 37).
Wichtig ist diese Herleitung der erwähnten Ornamente aus der
Technik des Flechtens für die Ethnologie in mehrfacher Beziehung.
Einmal für die wissenschaftliche Behandlung des Wesens der Ornamentik
Fijr. In
Tanzürmel der Auetö. Im Berl Mus. VB. 5277. '/:> ,Klt- tir
Ai'v südamerikanischen Indianer, in Besonderheit auch für die Erklärung
der Symmetrie und der ganzen geometrischen Anordnung bei den nach dem
vorigen als Geflechtsmuster bestimmten Ornamenten, die sieh aber aus
der bestimmten Anlage des Geflechts als notwendige Folge von selbst
ergeben.
Weiter ist die Beachtung des innigen Zusammenhanges der Geflechts-
muster mit der Technik des Geflechts wichtig für die Erforschung dieser
Technik seihst, da wir nun umgekehrt aus der schon hei oberflächlicher
Betrachtung in die Augen fallenden Musterung gewisse Schlüsse auf die
Art und Weise, wie der Gegenstand geflochten ist und auf den Ausgangs-
punkt des Geflechts machen können. Wichtig endlich ist die Herleitung
der erwähnten Ornamente aus der Technik des Flechtens für die Beant-
wortung der Frage nach «lern Grunde des Auftretens der gleichen Ornamente
an so verschiedenen Teilen des südamerikanischen Kontinente-, ja ge-
wisser /.(»neu der ganzen Erdoberfläche. Nach obigem wäre überall da.
WO Palmen wachsen, und wo die .Menschen die Blätter derselben
— 512 —
zu ihren Gebrauchsgegenständen verflechten, ein selbständiger
Ausgangspunkt für das Entstehen der genannten Geflechts-
inuster und der von ihr abgeleiteten Ornamentik überhaupt
gegeben.
Hr. K. von den Steinen: Ich möchte bei dieser Gelegenheit wieder
einmal auf die ausserordentlich grosse Rolle hinweisen, die das Studium
der Geflechte bei unseren ethnologischen Kollegen in Nordamerika spielt,
indem man einerseits die Technik bei den verschiedenartigen Stämmen
auf das Sorgfältigste studiert und andererseits dem Symbolismus nachgeht,
d. h. der Deutung des den einzelnen Mustern bei den verschiedenen
Stämmen untergelegten Bildsinnes; denn fast überall bedeuten diese
Muster ganz bestimmte Dinge. Das Buch des Altmeisters der Korb-
wissenschaft, Mason, das kürzlich herausgekommen ist, zirkuliert gerade
bei Ihnen; Sie sehen aus der Dicke des Bandes, wieviel man drüben über
die Technik des Korbflechtens zu sagen hat. Mason hat übrigens — und
das möchte ich dem Herrn Vortragenden gegenüber bemerken — in
diesem Buch mehrfach die Palmgeflechte der südamerikanischen Körbe
zitiert; allerdings geht er nirgends — und das ist eine sehr interessante
Feststellung des Vortragenden — auf die Urgeschichte des Korbes oder
seine Entstehung aus dem natürlichen Blatt ein, insofern als das Palm-
blatt, das gefiederte oder gefächerte, jedenfalls das aus Streifen bestehende
Palmblatt durch die Kunst des Flechtens sozusagen wieder in die proto-
typische feste Blattfläche verwandelt wird. Ich habe mich in der letzten
Zeit mehr mit der weiteren Entwicklungsgeschichte und der Symbolik der
Ornamente beschäftigt, deren natürliche Entstehung Hr. Schmidt aus-
einandergesetzt hat. Ich werde demnächst in einer Veröffentlichung
darüber darlegen, dass in weit erheblicherem Masse, als man geglaubt hat,
der geometrische Stil in Amerika auf Textilmuster zurückgeht, dass also
diese natürlichen Elemente von Schmidt die Entwicklung der primitiven
Kunst in Schnitzerei, in Malerei und Tätowierung usw. in erheblichem
Grade bedingen, vor allem für Südamerika und zwar dort in fast kontinuier-
licher Weise über den ganzen Kontinent hinüber.
— ;>13
Sitzung vom 18. Juni 1904.
Vorsitzender: Er. Lissauer, später Mr. Waldeyer.
(1) Von unseren neu erwählten korrespondierenden Mitgliedern, den
Herren Professoren Capitan und Manouvrier in Paris sind folgende
Dankschreiben eingetroffen :
Monsieur le President.
J'ai riionneur de vous accuser reception de la lettre pur laquelle
vous m'annoncez que la Societe d'anthropologie de Berlin nra nomine
menibre correspondant.
Je vous en adresse mes plus vifs remerciements et vous prie de
vouloir bien les transmettre ä la Societe.
Veuillez agreer, monsieur le president, l'assurance de nies tres hauta
sentiments de Sympathie confraternelle.
Dr. Capitan,
.") Kue des Ursulines, Paris.
Monsieur et tres honore President.
(Test avec beaueoup de plaisir que j'ai recu l'avis de mon election
comme membre correspondant de la Societe d' Anthropologie de Berlin.
et je remercie cordialement la Societe du grand honneur quelle a bien
voulu me faire. J'admire sincerement son activite scientifique et la haute
valeur de ses publications qui occupent une place si importante dans la
litterature anthropologique.
Je me plais a considerer riionneur attribue au secretaire general
de la Societe d'Anthropologie de Paris comme im nouveau signe des
relations amicales qui existent entre nos deux anciennes societes et
qu'il nie sera toujours agreable de contribuer ä entretenir dans la
mesure modeste de nies nioyens.
Agreez, .Monsieur et tres honore President, l'expression de mes
sentiments respectueux et devoues avec nies vifs remerciements per-
sonn eis.
Dr. Manouvrier.
(■_') Hr. Professor Dr. Paul AschersoL hat am 4. d. M. seineu
70. Geburtstag gefeiert. Wir sprechen dem hochverdienten Forscher,
unserem langjährigen Bütgliede, unsere herzlichen Glückwünsche aus.
Hr. Professor Dr. Försteniann beging am 11. d. JA. sein sechzigjährigea
Doktorjubiläum in körperlicher und geistiger Frische. ^ ir wünschen dem
— 544 —
greisen Gelehrten und geschätzten Mitarbeiter au unserer Zeitschrift für
Ethnologie, es möchte ihm beschieden sein, noch lange seine amerikanistischen
Studien mit gleichem Erfolge wie bisher fortzusetzen. —
(3) Der Vorsitzende begrüsste mit warmen Worten Hrn. Schweinfurth,
der frisch gestärkt aus Ägypten zurückgekehrt, und Hrn. Boas, der bereits
zum Besuch des Amerikanistenkongresses hier eingetroffen ist. —
(4) Die Tagesordnung für die vom 4. — 6. August in Greifswald
tagende 35. allgemeine Versammlung der Deutschen anthropologischen
Gesellschaft ist erschienen. Leider wird durch Erkrankung des örtlichen
Geschäftsleiters eine Änderung derselben notwendig werden. Auch das
Programm für den vom 18. — 23. August in Stuttgart stattfindenden 14. Inter-
nationalen Amerikanistenkougress ist erschienen und wird herumgereicht.
Der Vorsitzende fordert die Mitglieder zu einer zahlreichen Teilnahme an
beiden Versammlungen auf. —
(5) Am 11. (1. M. unternahm die Gesellschaft eine Exkursion nach
Fürstenberg i. Mecklenb., um die Gedenktafel für Schliemann feier-
lichst zu enthüllen und an die Stadtvertretung zu übergeben. Von der
Gesellschaft nahmen etwa '20 Mitglieder daran teil. Von den Eingeladenen
waren erschienen der Bürgermeister Hr. Prick, mehrere Senatoren und
Stadtverordnete, ausserdem viele Bürger des Ortes; ferner als Vertreter
des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde zu
Schwerin, der Vorsitzende Hr. Geh. Archivrat Dr. Grotefend und Hr.
Geh. Regierungsrat Dr. Schröder daselbst. Der Vertreter des Gross-
herzoglichen Haupt-Archivs zu Neustrelitz, Hr. Dr. v. Buchwald, war
durch seine Vertretung auf dein gleichzeitig tagenden Fischereiverein ver-
hindert worden, am 11. einzutreffen. Von Frau Schliemann war auf
die Einladung der folgende Brief vom 31. Mai aus Athen eingetroffen:
Tief gerührt erhielt ich Ihren Brief vom 13. Mai und danke Ihnen
auf's wärmste, an mich und meine Kinder gedacht zu haben. Leider ist
es uns anmöglich, jetzt nach Deutschland zu kommen, wir werden aber
an jenein Tage im Geiste bei Ihnen sein. Mein unvergesslicher Mann
hatte seinen Stolz und seine Freude daran, .Mitglied Ihrer Gesellschaft
zu sein und ist es mir doppelt wert, dass gerade diese es ist, welche
daran gedacht hat, ein Zeichen der Erinnerung dort anzubringen, wo
der später so begeisterte Gelehrte so lange Jahre seiner bescheidenen
.lugend zugebracht. Indem ich Ihnen meinen wärmsten Dank aus-
spreche, bitte ich Sie, in meinein Namen der Anthropologischen Ge-
sellschaft meine tiefe Rührung auszusprechen. Mit bestem Grusa
llu-e ergebene
Sophie Schliemann.
I nmittelbar nach Ankunft des Berliner Zuges begaben sieh die Teil-
nehmer unserer Gesellschaft zu dem Schliemannhause, welches von seinem
jetzigen Besitzer, Hrn. Ahlgrimm Pinna Th. Hückstedt, mit Laub-
kränzen geschmückt war. Eine zahlreiche Menge war bereits in und vor
dem Baase erschienen, als Hr. Professor Lissauer die folgende Ansprache
an die Versammlung richtete:
Gestatten Sic mir einige Worte der Erinnerung ans dem Leben
Heinrich Scjiliemanns, um zu begründen, weshalb wir gerade dieses
Haus für die heutige Ehrung etwähH haben und weshalb gerade unsere
Anthropologische Gesellschaft sich dazu fftr verpflichtet hielt.
Sie wissen es ja alle, dass Heinrich Schliemann vor etwa 68 Jahren
als 14jäjrriger armer Knabe in dieses Haus einzog, um hier das Geschäft
zu erlernen; hier hat er etwa f>72 Jahn- lang Hering, Butter, Schnaps,
Milch, Salz, Kaffee, Zucker, Ol und Licht verkauft: hier hat erden Laden
gefegt und Kartoffeln für die Brennerei gemahlen. Sic werden bei dem
Rundgange durch das Hans noch den Ladentisch sehen, an dem er ge-
standen, «las Zimmer und das Bett sehen, welches er spät des abends um
11 Ihr aufsuchte und schon morgens um 5 Uhr verlassen musste; Sic
werden den Keller sehen, aus welchem er die schweren Pässer herauf-
rollen musste — , alles dies ist noch so erhalten, wie er es bei seinen Lehr-
herren zuerst bei lim. Holtz und später bei Hrn. Th. Hückstädt ge-
wöhnt war. Das ist ja eine an und für sich ganz nützliche und amüsante
Beschäftigung für einen gewöhnlichen Lehrjungen. aber sehr öde und
traurig für einen phantasievollen Knaben, wie Heinrich Schliemann.
dessen Seele noch ganz erfüllt war von den sagenhaften Gestalten, welche
sein Vaterhaus in Ankershagen umschwebten. Da hatte er immer nur
daran gedacht, wie er die „goldene Wiege" ans dem nahen Hünengrabe,
oder die „silberne Schale" aus dem nahen Teich oder gar die reichen
Schätze ausgraben könnte, welche der Raubritter Henning Bradenkiel
dort kurz vor seinem schrecklichen Ende versteckt haben sollte; besonders
aber beschäftigte ihn ein Bild aus einem Schulbuch, welches das brennende
Trpja und Aeneas darstellte, wie er den greisen Vater auf dem Rücken
und den Sohn Ascanius an der Hand aus den Flammen rettete. — Mir
solchen Bildern in der Seele so prosaische Geschäfte, wie die oben ge-
nannten, verrichten, musste wahrlich eine grosse Pein sein. — Da wurde
mit einem Male sein trauriger Sinn von der öden Wirklichkeit in eine
höhere Welt wieder abgelenkt. Als er eines Abends hier träumerisch am
Ladentisch stand, vernahm er plötzlich den melodischen Tonfall von ^ eisen.
zwar in einer ihm unverständlichen Sprache, aber von so mächtiger
Wirkung, dass er gespannt zuhörte. Ein Müllerbursche, ein kurz vor dem
Abiturientenexamen entgleister Gymnasiast, der von seinen Studien nicht
nur einen tiefen Durst, sondern auch die Erinnerung an den Homer ge-
rettet hatte, deklamierte in branntweinseliger Stimmung laut gegen
100 Hexameter aus dem griechischen Dichter und wiederholte sie drei
Mal gegen drei Glas Schnaps, welche Schliemann aus eigener Tasche
bezahlte. Das war also die Sprache Homers, der den Fall Trojas be-
sungen hatte. Seine gegenwärtige unglückliche Lage kam ihm voll zum
Bewusstsein, er fing bitter an zu weinen, dass er nicht griechisch verstand
und er flehte zu Gott, dass es ihm doch noch vergönnt sein möge, diese
Sprache zu lernen und den Homer selbst lesen zu können. — Und diese
Erschütterung seines Gemüts wurde entscheidend für sein ganze- Lehen
und Wirken, denn Homer wurde nun der Leitstern seines Lehens! —
Sie wissen, dass er in diesem Hause sich beim Heben eines Passes
— 516 —
einen Schaden in der Brust zuzog, dass er dadurch gezwungen wurde,
dieses Geschäft zu verlassen, dass er dann durch ein abenteuerliches Leben,
durch Entbehrungen und Kummer sich immer wieder durchrang und
schliesslich durch seine hohe Begabung, sein unvergleichliches Sprach-
talent und allerdings auch durch ein märchenhaftes Glück zu einem an-
sehnlichen Reichtum gelangte. Niemals aber hat ihn die Erinnerung an
den Klans der hier zuerst gehörten homerischen Yerse verlassen. In der
Zeit tiefster Not gab sie seiner Seele Mut und Hoffnung aufbessere Tage;
in der Zeit des grössten materiellen Wohlstandes erhob sie ihn in die
Welt seiner Jugendideale, in welcher Homer thronte. Sobald seine Ver-
hältnisse es gestatteten, lernte er griechisch und las bald so emsig den
Homer, dass er alle seine Gesänge auswendig wusste und alles, was über
ihn geschrieben, genau kannte, wie die gelehrtesten Philologen und
Archäologen. Wie nun die Begeisterung für den Dichter immer wuchs
und ihn zu den berühmten Ausgrabungen führte, welche der Wissenschaft
eine ganz neue Kulturepoche erschlossen und die ganze gebildete Welt in
Erstaunen setzten, darf ich hier nur berühren; es genüge zu wiederholen,
dass die Erinnerung an den Klang der homerischen Yerse, welche er in
diesem Hause vernommen, sich wie ein roter Faden durch sein ganzes
Leben hindurchzieht und dies ist der Grund, weshalb wir seiner an dieser
Stätte besonders gedenken.
Allein sein Enthusiasmus für den Homer und seine Sagen trug ihm
bei den zünftigen Gelehrten in Deutschland nur Spott und Verachtung
ein. Er wendete sich daher nach England, wo er in dem damaligen
Minister Lord Gladstone, einem der besten Kenner Homers, einen gleich-
gesinnten Freund und Verehrer fand, und flüchtete seine unschätzbaren
Sammlungen nach London. — Da trat Rudolf Virchow, der Begründer
und unvergessliche Leiter der Berliner anthropologischen Gesellschaft in
sein Leben ein. Virchow erkannte alsbald die Bedeutung des Mannes
und die Klippen, an welchen sein nur von Enthusiasmus geleitetes Streben
scheitern musste. Mit geschickter und starker Hand lenkte er Schlie-
mann nach und nach in das ruhige und sichere Fahrwasser exakter
Forschung und gewann so den Mann und seine Sammlungen der Wissen-
schaft und dem Vaterlande wieder. So wurde Schliemann einer der
unseren, Ehrenbürger der Stadt Berlin und Ehrenmitglied der Anthro-
pologischen Gesellschaft. Daher fühlen wir uns verpflichtet, seinem An-
denken diese Granittafel zu widmen als ein Zeichen der Dankbarkeit
unserer Generation und als eine Mahnung, ihm nachzueifern für die
kommenden Geschlechter.
Und nun bitte ich Sie, Hr. Ahlgrimm, die Tafel von der Hülle zu
befreien und übergebe dieselbe hiermit im Namen der Anthropologischen
Gesellschaft dem Hrn. Bürgermeister als Vertreter der Stadt zur Obhut
für alle Zukunft! —
Nach dieser Feier machte die Gesellschaft einen erfrischenden Spazier-
gang um den Röblinsee zum Seeschlösscheu hin, der überall einen schönen
Blick auf See and Stn.lt darbot. Ein geineinsames Abendessen schloss
die schöne Peier.
— öl 7 —
Des andern Tages waren noch etwa 10 Mitglieder unserer Gesellschaft
mit dem Frühzage eingetroffen. Ein Dampfer brachte alle Teilnehmer
auf den schönen Stolper See nach Himmelpfort, den Ruinen eines alten
Cisterzienserklosters, wo IJr. Oesten einige Gruben hatte herstellen lassen.
um zu konstatieren, ob unter der mittelalterlichen Kulturschicht auch eine
vorgeschichtliche nachweisbar sei. Das Resultat war zwar ein negatives,
aber immerhin wichtig für etwa weitere Untersuchungen der Rethra-
konimission. Nach Besichtigung der einfachen Kirche und der Ruinen
fuhr die Gesellschaft auf dem Dampfer zurück durch einen Kanal, der den
Röblin- und Stolper See verbindet, und legte in der Nähe drs Srhiitzenhau>e>
an, wo schon frühere Grabungen einen vorgeschichtlichen Begräbnisplatz kon-
statiert hatten, der leider zum grössten Teil zerstört worden war. Doch
gelang es noch leicht, an mehreren Stellen intakte Urnengräber aufzudecken.
Es waren nur Einzelgräber. Die Urnen standen frei im Erdreich und
waren samt den Beigefässen oben mit Kopfsteinen zugedeckt, welche die
schlecht gebrannten Gefässe meist zerdrückt hatten. Doch gelang es
Hrn. Busse, aus einer Grube ein schön geformtes Beigefäss ziemlich
vollständig herauszuheben. Von den übrigen sind nur Scherben, zum teil
durch seichte konzentrische Bogenlinien verziert erhalten. Beigaben sind
nicht gefunden worden. Nach Beschaffenheit der ganzen Keramik gehören
diese Gräber dem Ende der Bronzezeit an.
Mittlerweile war der späte Nachmittag und die Zeit des gemeinsamen
Mittagsmahles herangerückt, nach welchem die Gesellschaft wieder zum
Bahnhof sich begeben musste, um mit dem Abendzuge in Berlin ein-
zutreffen. Der ganze Ausflug war von schönstem ^Vetter begünstigt. —
(6) Hr. S c h wein fürt h legte eine
ägyptische Knallpeitsche „Fergüle"
vor und knüpfte daran folgende Mitteilung.
In Oberägypten, wo die alles beleckende Kultur noch nicht den wirt-
schaftlichen Umschwung aller Dinge gezeitigt hat, der heute in den nörd-
lichen Strichen von Ägypten den Besucher in so hohem Grade überrascht,
haben sieh viele primitive Gebräuche und Einrichtungen erhalten, die für
den Ethnographen eine reiche Fundgrube darbieten. Ober das eigen-
tümliche aus ungebrannter Tonerde geformte Hausgerät, mit seiner auch
sprachgeschichtlich interessanten Namengebung, will ich seinerzeit der
Gesellschaft ausführlicher berichten, wenn die zur Beschreibung nut-
wendigen Zeichnungen fertiggestellt sein werden. Ich lege Ihnen heute
vorläufig die Photographie einer mit solchem merkwürdigen Tonmobiliar
ausgestatteten Grabwohnung, d. h. einer in alten Grabstätten bequem an-
gelegten Wohnung heutiger Fellahen, vor. Das Gerät aus ungebranntem
Ton besteht hauptsächlich aus becherförmig gestalteten Schlafbänken,
dann aus Speicher- und Vorratsschränken, Truhen aller Art. aus Tauben-
und Hähnerhäusem, aus Ofen. Mühlen u. dgl. •
Ein Gegenstand, den ich heute gleich in Substanz vorzulegen die
Ehre habe, mit der Bestimmung fär da- Völkermuseum, ist die „Fergille".
— 518 —
eine grosse Peitsche zum Knallen, über deren Verwendungsweise die bei-
gegebene Abbildung Auskunft gibt.
Diese 3 m lange Knallpeitsche findet in der Umgegend von Theben
während der Sommermonate, zur Zeit, wenn auf den der Reife nahen
Durra-Feldern die Spatzenplage eine besonders grosse ist, Verwendung,
zum Verscheuchen der in heuschreckenähnlichen Schwärmen das Land
heimsuchenden Vögel. Diese Peitsche ist aus dicken Bündeln einer harten
Grasart, der Eragrostis cynosuroides — auch ihrerseits einer Landplage
als Unkraut — zusammengedreht und läuft in einen Strick von braunem
Dattelbast aus. Nur mit knapper Not umspannt die kleine Hand des
Ägypters den Griff dieser gewaltigen Peitsche.
Beim hin- und herschwingen derselben wird ein Knall hervorgebracht
wie von einer stark geladenen Flinte. Ich bedauere, hier das Experiment
nicht vormachen lassen zu können. Die Wirkung ist eine geradezu ver-
blüff ende.
I in die Kornmassen der weit über mannshohen Durra (Sorghum)
von erhöhtem Standpunkte aus beherrschen zu können, sind auf den
Feldern (die auf den vorliegenden Photographien im abgeerntetem Zu-
Btande erscheinen) zahlreiche Säulen aus Tonerde errichtet, die gewöhnlich
i'Va l»is ."> in Höhe erreichen und vermittels an der Seite angebrachter
Stufen leicht erklommen werden können.
Die heutigen Thebaner nennen diese Tonsäulen „natura", von „ntr",
„natar", /.eistreuen, werfen, denn dieselben dienen zugleich auch zur er-
folgreichen Handhabung der Schleuder, vermittels welcher die die Durra-
— 519 —
Felder bewachendes Knaben einen Hagel von Steinen über die gefrässigen
Vogel zu entladen pflegen.
Hr. Grosse macht hierzu die folgende Bemerkung:
In der Mark Brandenburg, aber auch sonst in Deutschland. Schweiz.
Tirol, Russland u. a. gibt es eine Keilte ähnlicher Peitschen von sehr
primitiver bis zu recht eleganter Form. Fs gehören dahin die sogenannte
Fuhrmannspeitsche, die Schlittenpeitsche, die Alpengeissel. Das populärste
Gerät dieser Art aber ist in der Mark dasjenige, welches als .. Flechtet ■■-.
platt „Flajter" bezeichnet, jenseits der Oder auch Flechtpeitsche ge-
nannt wird.
Der Zweck der eigenartigen Konstruktion ist. einen intensiven Knall
zu erzeugen und damit eine Art Fernsprache zu führen. Fuhrleute, wenn
sie die Leinen aus der Hand gelegt haben und in gemächlicher Unter-
haltung hinter ihrer Lastwagenreihe einherschreiten, nötigen von dorr aus
die Pferde zu grösserer Energie und melden dem nahenden Gasthause ihr
Kommen an. Hirten geben so nach Übereinkommen über weite Strecken
hin einander Nachricht und veranstalten mit ihren Flechtern auf freier
Dorfstrasse ein Konzert- oder Wettknallen, das wohl ein Rest aus jener
Zeit ist, als noch der Genieindehirt die Gemeindeherde dort sammelte
und entliess.
Der typische Flechter ist aus dünnen oder ausgespaltenen Weiden-
ruten spiralförmig gedreht. Die Schnur jedoch ist im Unterschiede von
der Fergille-lVitsche nicht unmittelbar in der Fortsetzung de- Stiles an-
gedreht, sondern angeknüpft. Sie wird aus Hanfsträhnen hergestellt. Ut
eben daumenstark, von dort aber bei ca. 3 m Länge spitz zugedreht und
am Ende mit einem Knaller, „Schmitz'*, versehen.
In kurzen Bögen über Kopf geschwungen, gibt der Flechter in
schneller Folge kurze, hochgestimmte Knalle; in weiten Bögen — auch
mit beiden Händen — erst nach rechts, dann links und endlich, wenn
das Gefühl den rechtem Moment für gekommen erachtet, kräftig nach
rechts unten geschwungen, einen sehr lauten tiefgestimmten Knall.
Die Führung des Flechters erfordert grosse Geschicklichkeit, würde
aber durch eine exponierte Stellung, wie sie der Fergille-Führer bei
Theben einnimmt, ganz bedeutend erleichtert. Zu ebener Erde nötigt die
Führung des (Tlechtera zu ganz umfassenden, den Schwingungen desselben
angepassten Beugungen und Windungen des Körpers.
(7) Hr. Stornier spricht, über
Steinskulpturen von der Insel Java.')
Ich habe die Absicht, Ihnen heute und in künftigen Sitzungen einen
Teil der Neuerwerbungen der Indischen Sammlungen des Kgl. Museums
für Völkerkunde vorzuführen, in erster Linie die Erwerbungen ans dem
Indischen Archipel. Auch auf diesem Gebiet ist es uns im letzten Jahr
gelungen, einige Erwerbungen zu machen, auf die wir mit Freude hin-
weisen können. Vor allem ist. was niemand mehr erwarten konnte, der
; rwerbungen des Kel. Museums für Völkerkunde.
— 520 —
Schatz unserer javanischen Steinskulpturen um mehrere Nummern ver-
größert worden, und diese sind es, die ich Ihnen heute mit einigen er-
läuternden Worten vorführen möchte. Es kann natürlich bei dieser kurzen
Vorführung vor der Tagesordnung nicht meine Absicht sein, archäologisch
auf die Objekte näher einzugehen. Ich beschränke mich demgemäss auf
eine kurze Erklärung des Vorgestellten.
Wie Ihnen bekannt sein wird, ist die Ausfuhr vou Steinskulpturen
nicht nur in Indien sondern auch in Indonesien strengstens untersagt.
Um so mehr müssen wir uns freuen, dass es uns möglich war, einige
Skulpturen, die bereits in Europa in Privathänden waren, zu erwerben.
Fig. 1.
Zunächst möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf diesen Steinblock
(Fig. 1), mit der in starkem Relief ausgeführten Figur eines Affen, hin-
lenken. Der frühere Besitzer v. Win ekel hat darüber in der Zeitschrift
für Muscologie 1883, Nr. 13, einen kurzen Bericht veröffentlicht unter dem
Titel: Ein javanesischer Hanuman. Nach seiner Meinung stellt die Figur
den aus dem vorderindischen Epos Rämayana bekannten Minister des
Affenkönigs Sugriva namens Hanuman vor. Darüber unten noch einige
Worte. Diesem Bericht ist eine Abbildung des Reliefs beigefügt. Danach
schaut der Affe nach oben. Das ist aber sicher unrichtig, da er dann nur
auf deD Schwanz gestützt in der Luft schweben würde. Dreht man das
Relief dagegen auf die Längsseite, wie es hier steht, so sehen wir sofort,
dass der Affe auf ganz natürliche Weise auf den Knien ruht. Was die
Herkunft des Reliefs anbetrifft, so teilt v. Winckel darüber folgendes
mit: „Es war im Besitze eines Mestizen in Salatiga1), der es auf der
i Salatiga liegl im Süden der Residentschaf): Semarang in Mittel-Java nördlich
von Prambanan.
— 521 —
Jagd gefunden, und zwar mit der behaltenen Seite nach unten, was die
treffliche Konservierung erklärt. Es ist einen halben Meter lang und
breit, einen viertel Meter dick, aus Trachyt." Diese Angabe wird be-
stätigt durch Verbeek, Oudheden van .Java1) unter Nr. lö<; Salatiga:
„en in het bezit van den deurwäarder Coenraad, een steen met basrelief,
waarop een aap is afgebeeld, hoüdende in zijo voorste pooten een tak
met bloeiuen. de staart versierd met 2 bellen. Dit basrelief is Bedert
uitgevoerd aaar Europa." Ob noch weitere Teile dieses Reliefs gefunden
sind, ist mir nicht bekannt.
Zur Erklärung der Darstellung
bemerke ich nun folgendes: Ilanuinän
ist nach dem vorderindischen Epos
Rämäyana, das sieh auch in Hinter-
indien und Indonesien überall aus-
gebreitet hat, der Minister des Affen-
königs Sugriva Als der Held des
Epos Räma auf der Suche nach der
ihm geraubten Gattin Sita in das
südliche Indien kommt, verbindet er
sich mit dem Affenkönig und Hanu-
inan zieht mit den Affen aus, um Sita
zu suchen, der er dann eine Bot-
schaft Hamas überbringt. Ilanuman ist
also eine der Hauptfiguren des Epos.
Bei unserem Relief aber handelt es
sich um eine grössere Darstellung,
von der wir nur den Anfang mit
einer Nebenfigur besitzen, während
die Hauptpersonen in der Mitte sassen.
Danach ist die Erklärung: Yerbeeks,
der sich nur ganz allgemein aus- W
drückt, die richtige, d. b. die Dar- ^*~~ - -^
Stellung zeigt einen Affen in kniender
Stellung, der einen mit Blättern und Früchten bedeckten Ast hält. Be-
kleidet ist er nur mit einem Gürtel und mit einer Art Binde um die
Brust. Dazu kommt ein Halsschmuck und zwei Schellen am Schwanz.
Auf dem Rücken und an den Beinen sowie am Schwanz befindet sich
stark hervortretender verzierender Schmuck in Blätterform. Der Schmuck.
die (Hocken, ferner die Nägel an Händen und Füssen, die Schwanzspitze,
Ohren. Augen und .Maul sind rot gefärbt, ebenso der Baumast mit Blättern
und Früchten. Auch die dekorative Einfassung des Reliefs trägt diese
Farbe, die kräftig aufliegt. Ich glaube, dass dieselbe ursprünglich ist. da
wir von vielen bemalten Statuen auf Java wissen. Das rot ausgeführte
Muster des herumlaufenden Ornamentes finden wie vielfach, so auch z. B.
1) Verhandelingen van het Bätaviaaach Genotschap van Künsten en Wetenschapeo,
Decl XL VI. 1891.
Zoitselirilt für Ethnologie. Jahrg. 1901 Heft :! u. 4.
.".!
— 5-22 —
in Prambanan wieder. Die Haare am Bauch, an den Beinen, in den
Achselhöhlen und am Schwanz sind durch schwarze Farbe markiert. Ebenso
die Augenbrauen, die aber auch schon in Relief hervortreten. Am Hinter-
teil ist deutlich das Gesäss mit seinen Gesässschwielen ausgedrückt. Wert-
voll würde es natürlich sein, wenn wir genau feststellen könnten, zu
welcher grösseren Darstellung das Relief gehört hat.
Bei der zweiten Skulptur (Fig. 2), die ich Ihnen hier vorführe, ist
die Provenienz noch unklarer. Es ist nur bekannt, dass es aus Java
Fiff. 3.
M-.
kommt. Es stellt einen sog. Räkschasa oder Dämonen vor. Die kurze
untersetzte Gestalt ist kauernd dargestellt, das Dämonenhafte durch die
Bauer und den wilden Gesichtsausdruck angezeigt. Diese Figuren werden
als Tempelwächter bezeichnet, da sie an den Türen der Tempel stehen,
um jeden, der sich am Tempel vergreifen würde, zu strafen.
Dargestellt ist dieser Räkschasa oder böse Geist von gedrungenem
Körper, mit stark hervortretenden Augen. Die obere Zahnreihe ist sicht-
bar mit zwei hervorstehenden Eckzähnen. Andere Darstellungen zeigen
beide Reihen Zähne mit vier Bauern. Bari ist bei dieser Figur nicht
vorhanden. Das Haupthaar \iegi wellig auf dein Kücken, die Nase ist
breit und dick. Das rechte Bein ist unter den Körper geschlagen, das
linke ruht auf dem mächtigen Fuss in Kniebeuge. Die Bekleidung ist
-cli wer zu erkennen. An Schmuck finden wir lang herabhängenden Ohr-
schmuck, wie Hals und Kopfschmuck. Die kurzen kräftigen Arme tragen
— &23 —
Oberarmringe, von beiden Händen wird eine Keule, das gewöhnliche
Attribut der Tempelwächter, getragen.
Zum Schluss führe ich Ihnen noch drei Regen traufen oder Ausgüsse
vor (Fig. 3 — 5). Derartige Traufen finden sich an den meisten javanischen
Monumenten. Leider ist auch bei diesen die Provenienz nicht durchaus
sicher. Nach den vorhandenen Angaben stammen sie von der \\ .-r-"it.
des Ardjunagebirges in Ost-Java. Danach könnten sie von dem Tjandi
Ardjuna, einem ziemlich gut erhaltenen Tempel (wie Verbeek bemerkt).
sein. Dieser liegt auf dem Ardjunagebirge in der Residentschaft Pasu
Ruan. Die Darstellung ist folgende: Eine reich mit Ohrschmnck, Diadem
Fig. 1.
Fig. .">.
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und Armringen versehene Figur hält ein Becken, aus dem sich seitwärts
vorn das Wasser ergiesst. Zur besseren Stütze befinde! sich hinter jeder
Figur ein dekorativ behauener Hintergrund. Das Wasser fliesst durch
diesen und die Figur hindurch. Auf dem Krug befindet sich bei zweien
ein massiver Knopf. Die Figur des Haltenden lehnt sich auf den Krug,
indem sie mit beides Händen denselben festhält. Bei einem Vergleich
i\i'r drei Stücke fällt der ausserordentliche unterschied der Gesichter auf.
Gerade diese drei letzten Stücke, ein viertes befindet sich noch in den
Sammlungen, sind als eine besonder gute Erwerbung zu betrachten, da
sie uns mit einen Teil des in Java üblichen Tempelbaues, wie wir ihn
auch z. 1>. bei dem monumentalen Bau des Bäxä-Budur finden, bekannt
macht.
34 *
— .V24 —
(8) Hr. Krause: In der vorigen Sitzung legte Hr. v. Ohlapowski
einen
Knochen aus der öborniker Kiesgrube
vor und deutete ihn als ein prähistorisches Gerät. Das mag es gewesen
sein. Ich sagte aber schon in der vorigen Sitzung, dass ich die daran
sichtbaren Marken für Nage- und Bissmarken von Mäusen und ähnlichen
Nagetieren hielte. Der Knochen ist sehr abgerollt — er ist ja in der
Schwemmschicht gefunden — ; daher sind die Bisse nicht so deutlich zu
sehen. An einigen hohlen Stellen erkennt man aber deutlich dieselbe
Parallelstreifung, wie man sie an rezenten Knochen, z. B. den hier vor-
gelegten Rehknochen, die von Mäusen benagt sind, wahrnehmen kann.
Ein anderes altes Stück, aus einer Elchhornschaufel hergestellt, befindet
sich in unserer Sammlung. Es ist eine Keule, die neben Bearbeitungs-
auch Nagespuren zeigt. Ich gebe einen Gipsabguss davon herum, auf dem
Sie die Nagemarken an den kantigen Stellen deutlich unterscheiden können.
Durch dieses Stück bin ich auf die Nagespuren von Neuem aufmerksam
geworden, wegen ihres von den Arbeitsspuren verschiedenen Aussehens.
Ich zeigte sie Hrn. Professor Dr. Eckstein, dem Zoologen der Forst-
akademie in Eberswalde, der sie sofort für Nagespuren erklärte. In dem
Museum der Forstakademie zu Eberswalde sind eine ganze Menge solcher
Nagespuren an Hörnern und an Knochen ausgestellt.
Hr. Professor Eckstein hatte die grosse Liebenswürdigkeit, mir den
vorgelegten Rehknochen zu Vergleichen als Geschenk zu übersenden.
Hr. Strauch: Meine Herren, was Hr. Krause soeben vortrug und
vorlegte, hat mich in ganz besonderem Masse interessiert.
Eigentlich hat er mir etwas vorweggenommen, über das ich Ihnen in
der nächsten Zeit berichten wollte. Er konnte dies natürlich nicht
wissen.
Durch die Vorlage des Hrn. v. Chlapowski in der vorigen Sitzung
und Hrn. Krauses Deutung jener eigenartigen Marken an dem Knochen-
stück fühlte ich mich veranlasst, Experimente in dieser Richtung an-
zustellen.
Ich halte es für wichtig, sowohl für den Prähistoriker, den Anthro-
pologen als auch für den Gerichtsarzt, genauere Kenntnis darüber zu be-
sitzen, wie an einem Knochen Nageverletzungen von Tieren sich von
menschlicher Bearbeitung, oder auch von Verletzungen anderer Art, sei
es vitalen oder postmortalen, unterscheiden.
Augenblicklich befinde ich mich noch mitten in diesen Experimenten,
die ich sofort nach der Vorlage in der vorigen Sitzung begonnen habe.
Sowohl in meinem Institut, in meiner Wohnung, als auch, durch das
liebenswürdige Kiitgegenkomnien der Direktion, im Zoologischen Garten,
habe ich den verschiedensten Nagern allerlei .Material zum Benagen vor-
■_o l.-i. x.wohl weiches, wie hartes, Früchte, Holz, Geweihstangen, frische
and alte Knochen.
Ich will dabei einmal charakteristische, sichere Nagespuren in mannig-
faltigem .Material von verschiedenen Tieren erhalten, dann aber auch
— 525 —
sehen, welche Tiere es vornehmlich sind, die Knochen zu benagen
pflegen.
Diese Experimente schienen einfacher, als Bie es in der Tai Bind;
man muss die Tiere unter ganz bestimmte, passende äussere Verhältnisse
bringen, die einerseits den Tieren eine gewisse Frische und Wohlbefinden
verleihen, die sie aber andererseits auch zwingen, zu nagen.
Eine lebend gefangene wilde Ratte stirbt in einem gewöhnlichen
Versuchskäfig bald an Aufregung und Kälte; man muss sie in eine blech-
beschlagene, tiefe, dunkle Kiste setzen, in die man ihr Heu und anderes
Material hineingibt, um sich zu verkriechen und warm zu halten.
(ültt man dein Tier ausser trockenen Knochen keine andere Nahrung,
so wird es bald, wie ich merkte, vor Hunger so matt, dass es nicht
ordentlich und kräftig nagt. Legte ich ihm einen mehr oder weniger
frischen Röhrenknochen hinein, so nagte es nicht da, wo ich es haben
wollte und wo man die Spuren am besten sehen kann, an der Diaphyse,
sondern es begann an den weichen Epiphysen und höhlte, indem es das
fetthaltige Mark herausfrass, die beiden Enden des Knochens aus.
Ich könnte noch mehr von diesen meinen im Gang befindlichen
Experimenten berichten, von den Erfolgen, ebenso wTie von den zahlreichen
Enttäuschungen und Misserfolgen.
Jedoch die Untersuchungen sind erst begonnen und kann ich vor
Abschluss derselben nichts Bestimmtes sagen.
In einem Punkte aber, meine Herren, kann ich mich mit Hrn. Krause
nach meinen bisherigen Erfahrungen, nicht einverstanden erklären, nämlich
in bezug auf die Tierspezies, die Knochen benagen.
Hr. Krause sprach in erster Reihe von Mäusen und stützte sich
dabei hauptsächlich auf die Versicherungen von Hrn. Eckstein in
Fberswalde.
Nach allem, was ich meinerseits über diesen Punkt ermitteln konnte
— mir selbst fehlt bisher jede eigene Erfahrung — , sind es in unseren
Breiten in erster Reihe die Ratten, die Knochen benagen.
Von allen Leporiden aber, Hasen, Kaninchen usw., vom Ziesel, vom
Hamster und allen anderen unserer Mäuse ist ein solches Benagen von
Knochen durchaus unbekannt, jedenfalls nirgends einwandsfroi beobachtet
und beschrieben.
Sogleich nach der Vorlage des Hrn. v. Ühlapowski ging ich nach
dem Zoologischen Museum, um daselbst Nagespuren zu studiereu.
Ausser Holzstücken mit Nagemarken von Bibern fand ich dort nur
einige wenige Knochen und ein Stückchen Rehgeweih mit der Bezeichnung:
„von Eichhörnchen benagt".
Gerade diese Notiz hat mich in hohem Grade in Erstaunen gesetzt
und meinen Zweifel angeregt, denn es schien mir rollständig anwahr-
scheinlich, das- unser Eichhörnchen, das doch im Walde soviel schönes
und besseres Nahrungs- und Nagematerial findet, gerade an Knochen oder
Geweihstangen herangehen sollte.
Die Objekte waren aber absolut sicher und einwandsfrei von einem
Förster als „von Eichhörnchen benagt" bestimmt und überwiesen worden.
— 526 —
Hr. Dr. Heinroth im Zoologischen Garten, dem ich von diesen mir
aufgestiegenen Zweifeln über das Eichhörnchen berichtete, versicherte mir
aber, dass, wie das Eichhörnchen ein arger Nesträuber wäre, junge Yögel
und Eier frässe, es auch von ihm in Zoologen- und Jägerkreisen bekannt
sei, dass es mit Vorliebe an Geweihstangen nage.
Nach Dr. Heinroths Meinung kommen in unseren Breiten für Be-
nagung von Knochen eigentlich nur die Ratten und das Eichhörnchen in
Betracht.
Aber, meine Herreu, soweit ich bisher gesehen habe, exakte Unter-
suchungen über all diese verschiedenen Punkte (welche Tiere nagen, was
sie nagen und vor allem, wie sie nagen) fehlen zurzeit noch.
Ich bin, wie gesagt, jetzt mit solchen Versuchen beschäftigt und werde
mir erlauben, wenn sie abgeschlossen sind, Ihnen über die Resultate in
eingehender Weise zu berichten.
Hr. Krause: Hr. Strauch redet von Tieren in Gefangenschaft.
Dieser Rehknochen hat im Walde gelegen und da gibt es keine Ratten.
Professor Eckstein, der Zoologe ist. hat mir gesagt, es wären Mäuse
gewesen, und Hr. v. Schierstädt sagt mir eben, es können nur Mäuse
gewesen sein; in grossen Kiefernwaldungen kommen keine Eichhörnchen
vor, ebensowenig wie Ratten, wohl aber mehrere Arten grosser Mäuse
(wie Brandmäuse usw.). Man muss nur nicht an Hausmäuse denken,
obgleich ja auch diese, um ihre fortdauernd wachsenden Zähne abzuschleifen,
alles mögliche benagen.
Hr. v. Luschan: Ich möchte darauf hinweisen, dass auch eine
afrikanische Schilfratte ungeheuren Schaden an Elfenbein anrichtet. Es
gibt schenkeldicke Elephantenzähne, die zur Hälfte abgenagt sind.
('.>) Hr. Seier hall den zweiten Vortrag über seine
Studien in den Ruinen von Yucatan.
Derselbe wird zusammen mit dem ersten Vortrage später erscheinen. —
I. Literarische Besprechungen.
Schumann, Bugo, I > I « * Steinzeitgräber der Uckermark. Mit 4»> Tafeln.
43 Textabbildungen und einer Übersichtskarte. Prenzlau: A. Mieck
1H04. 4°.
Die grossen Grabbauten der Uckermark waren schon seit dem 18. Jahrhundert bekannt,
aber noch niemals von sachverständiger Hand untersucht und beschrieben worden. Es ist
daher ein grosses Verdienst des Verf., dieses für die Kenntnis der norddeutschen Steinzeit
höchst wichtige Gebiet so sorgfältig bearbeitet zu haben, wie es in dem vorliegenden
Buch geschehen ist. Im Verein mit dem Verleger, dem Hrn. Stadtrat Mieck, hat
Hr. Schumann alle bisher bekannten neolithischen Gräber der Uckermark teils selbst
untersucht, teils aus der Literatur und dem Inhalt der Museen zusammengestellt und so
ein vollständiges Bild dieser Kulturperiode in jenem nordwestlichen Winkel der Provinz
Brandenburg geschaffen.
Von den grossen Megalithgräbern sind noch sechs erhalten und weiden hoffentlich
durch die Fürsorge des Uckermärkischen .Museums- und Geschichtsvereins auch ferner
der Zerstörung entgehen. An allen fehlt die Platte an der Schmalseite, welche wahr-
scheinlich durch Rollsteine ersetzt war; der Inhalt der Grabkammern war natürlich längst
ausgeraubt. Von den grossen Steinkisten konnten sechs, von den kleinen Plattenkisten
noch sieben untersucht weiden.
Sehr wichtig ist die wissenschaftliche Feststellung der Flachgräber nach ihren ver-
schiedenen Arten und darunter besonders die Gräber mit Leichenbrand, deren Vorkommen
in der Steinzeit bekanntlich lange Zeit bezweifelt wurde.
WO die Leichen bestattet waren, lagen sie in hockender Stellung, wahrscheinlich
waren sie mit zusammengeschnürten Schenkeln beigesetzt worden. Einmal zeigten die
Knochen Rotfärbung durch Rötel.
Die Ansicht des Verl', dass sämtliche Beerdigungsarten der neolithischen Zeil auf der
animistischen Vorstellung des Vampyrismus beruhen und darauf berechnet sind, die Wieder-
kehr des Toten zu verhindern, hat viel Bestechendes.
Sehr eingehend wird die Keramik besprochen. Die Bedeutung der Kugelamphoren,
der Zapfenbecher, der verschiedenen Ornamente wird auf Grund eigener Studien des Verf.
und umfassender literarischer Kenntnisse ausführlich behandelt, desgleichen die inter-
essanten Beigaben, von denen wir besonders auf die relativ häufigen Amazonenäxte, die
schönen Lanzenspitzen und deren chronologische Verhältnisse hier die Aufmerksamkeit
lenken möchten.
Für die Aufstellung einer Chronologie der verschiedenen Gräberarten nach den ein-
zelnen Abschnitten der jüngeren Steinzeit ist das Material, so sorgfältig es gesammeil ist.
doch nicht ausreichend; immerhin ist der Versuch des Verf., die Kunde der Uckermark
zu denen der anderen neolithischen Provinzen Deutschlands in Beziehung zu bringen,
beachtenswert.
Dagegen hätten wir das Kapitel über die iwei Gruppen der neolithischen Bevölkerung
lieber (fanz vermisst Solche ethnischen Spekulationen gehören nicht in ein Buch, das
— 528 —
sonst ganz auf naturwissenschaftlichem Boden steht und so reichen, positiven Inhalt
bietet.
Der Verleger hat das Werk mit grosser Liebe und mit einem gewissen Luxus aus-
gestattet, wofür wir ihm besonders dankbar sein müssen. Wir wünschen nur, dass der
Absatz des vortrefflicheu Buches dadurch nicht beeinträchtigt werden möchte.
Lissauer.
Montelius, Oskar. Die ältesten Kulturperioden im Orient und in Europa.
I. Die Methode. Stockholm 1903. 4°. Selbstverlag des Verfassers.
In Kommission bei A. Asher & Co., Berlin.
Der Verf. erläutert hier in lichtvoller Sprache die bekannten Grundsätze, welche er
bei seinen vielen archäologischen Arbeiten mit so grossem Erfolge beobachtet. Es werden
zuerst die Begriffe der relativen und absoluten Chronologie wissenschaftlich definiert, die
Bedingungen für deren richtige Bestimmung festgestellt, die Quelle der Irrtümer nach-
gewiesen und zuletzt die Typologie als Methode der prähistorischen Archäologie durch
eine grosse Zahl von Beispielen aus der Reihe der Metalläxte, der Dolche und Schwerter,
der Fibeln, der Bronze- und Tongefässe, der Lotus- und Palmetten-Ornamente begründet.
Eine ausserordentlich grosse Zahl prachtvoller Abbildungen, welche allein einen wertvollen
vorgeschichtlichen Atlas darstellen, dient zur Erklärung des etwas knapp gehaltenen
Textes. Wir wünschen nur, dass der „Methode" recht bald die nach derselben gewonnenen
wissenschaftlichen Resultate folgen möchten! Lissauer.
Schellhas, P., Die Götterg-estalten der Mayahandschriften. Zweite um-
gearbeitete Auflage. Berlin, Asher & Co. 1904. 40 S. 8°. Mit 1 Figuren-
tafel und 65 Abbildungen im Text.
Die Mayafurschung ist als wichtiger Teil der amerikanistischen Wissenschaft erst in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet worden; als ihre eigentlichen Gründer
betrachte ich zwei Franzosen, Brasseur de Bourbourg und Leon de Rosny. Doch
erst um das Jahr 1880 hat dies«' Forschung eigentliches Leben gewonnen, und zwar
zugleich in Amerika, Frankreich, England und Deutschland Und zu den ersten Deutschen,
die sich mit ihr beschäftigten, gehört Paul Schellhas. Er hat bis heute sein warmes
Interesse an dem Gegenstande mit Erfolg betätigt. Zuerst in einer Reihe von Abhand-
lungen, die ihre Stelle gefunden haben in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft
für Anthropologie, der Zeitschrift für Ethnologie, dem internationalen Archiv für Ethno-
graphie, dem Archiv für Religionswissenschaft und für ein grösseres Publikum in der
Gartenlaube Ausserdem verfasste er als selbständige Schriften „Die Mayahandschrift der
Kgl. Bibliothek zu Dresden (Berlin 1SSG)" und „Die Göttergestalten der Mayahandschriften
(Dresden 1892)". Und diese letztere Schrift hat nun infolge des unaufhaltsamen Fort-
schreitens der Wissenschaft eine zweite Ausgabe erfahren.
In dieser tritt von neuem die besonnene Methode des Verfassei's vorteilhaft hervor.
Er betrachtet die ihm vorliegenden Dinge gänzlich wje ejn Naturforscher und lässt sich
auf das Gebiet der Hypothesen und Spekulationen nicht verlocken. Ferner beschränkt er
sich möglichst streng auf den Gegenstand tälbst und vermeidet sogar fast ganz den Aus-
blick auf das naheliegende, aber leicht verführende aztekische Gebiet, völlig aber das
Herbeiziehen von Altertümern anderer Völker, die von andern Schriftstellern oft in der
fabelhaftesten Weise mit den Mayas in Verbindung gesetzt sind.
Da die drei bekannten Mayahandschriften in bezug auf die Göttergestalten nahezu
Übereinstimmen und auch die übrigen Denkmäler kaum etwas hinzufügen, so kann man
als sicher annehmen, dass Schellhas so gut wie die ganze Götterwelt der Mayas erfasst
hat. Sie besteht aus kaum zwanzig Personen, die sich zugleich als Tagegötter passend
— 529 —
auf die zwanzig Tage de* Dioal verteilen. Von den aztekischen Beherrschern dreizehn-
tägiger Wochen oder zwanzigtägiger Uiual und anderseits einzelner Tages- und Nacht-
stunden bietet die Mayaliteratur bis jetzt nichts und es erscheint die Religion der Maya>
als eine Vereinfachung, also als ein Fortschritt gegen die aztekische. Praktisch ist die
von dein Verfasser eingeführte feste Bezeichnung der einzelnen Götter mit Buchstaben,
wie sie auch bald darauf von andern Forschern anerkannt worden ist: Namen für sie ein-
zuführen, wäre auf dem jetzigen Standpunkt unsicher gewesen und hätte zu fielleichl
resiiltatlosem Streite der Ansichten geführt.
Vergleichen wir beide Ausgaljen mit einander, so sehen wir, dass die inzwischen
verlaufenen zwölf Jahre, dem Fortschritte der Wissenschaft entsprechend, dem Verfasser
reiche Früchte getragen haben. Wir können die neue Ausgabe als eine völlig umgearbeitete
bezeichnen, soweit die vielfach schon feststehenden Ergebnisse der ersten eine solche Um-
arbeitung überhaupt möglich machten. Denn bei den häufigsten Göttern, wie A bis F,
auch K und N war kaum mehr viel zu ändern. Bei G legt seine Seltenheit der Forschung
Hindernisse in den Weg, bei H die Verschiedenheit seiner bildlichen Darstellung, bei I
und 0 ist leider das scharfe Ziehen der Grenze zwischen beiden schwierig, bei L und M
bestehen noch verschiedene Fragen über ihre eigentliche Bedeutung.
Überall finden wir in dem neuen Buche entschiedenen Fortschritt bei den einzelnen
Gestalten. Sogar eine neue Gottheit führt Schellhas in dieser zweiten Auflage neu ein,
die er wegen der an den Fingerspitzen sich zeigenden Anschwellung als Froschgott be-
zeichnet, dessen eigentliche Funktion aber vorläufig noch als unbekannt anzusehen ist.
Neu hinzu fügt der Verfasser die zum Teil sicheren, zum Teil noch ungewissen Be-
ziehungen der einzelnen Götter zu den einzelnen der zwanzig Tage.
Wir schliessen mit dem Wunsche, dass dem Verfasser noch beschieden sein möge,
weitere reiche Früchte auf diesem Felde zu ernten, womöglich unterstützt durch das Auf-
finden neuer Denkmäler, die den noch immer ziemlich mangelhaften Stoff für die Maya-
forschung weiter wachsen lassen würden. Eine vierte Handschrift müsste uns in jedem
Falle in der Mythologie schon bedeutend weiter bringen, mehr als es historische Inschriften
vermögen. E. Förstern ann.
Frobenius, Leo, Geographische Kulturkunde. Eine Darstellung- der
Beziehungen zwischen der Erde und der Kultur nach älteren und neueren
Reiseberichten zur Belebung des geographischen Unterrichts. Leipzig,
F. Brandstetter 1904. 8°.
In einem recht ansehnlichen Werke hat es der Verfasser unternommen, uns die
Kultur unserer Erde, die sich hier oder dort, mehr oder minder verbreitet hat. im geo-
graphischen Sinne zu beleuchten. Frobenius will mit dieser interessanten Arbeit gewiaser-
massen den Unterricht beleben, ihn in neue Bahnen lenken, die von dem Althergebrachten
abweichen. Er will uns Land und Leute in ihrer kulturellen Kraft oder Schwäche dar-
stellen. Andererseits aber glaube ich, dass dieses Werk von Frobenius auch bei Fachleuten
genügende Würdigung linden wird. Es weht uns aus dem Buche ein ursprünglicher Geist ent-
gegen, welcher in dem eingehenden Studium des behandelten Stoffes den günstigsten Nähr-
boden gefunden hat. Welches Wissen aber diesem Studium zu Grunde lieLrt. wird der
leicht ermessen können, der sieb mit dem anregenden Werk beschäftigt. Die geschickt
ausgewählten Quellen sind eigentlich nur Bausteine, die das Fundament des Inhalts bilden,
dem Ganzen aber zugleich zur Vervollständigung dienen.
Ich möchte nun noch über den Inhalt einige Worte hinzufügen. Das Werk behandeU
vier Hauptteile Afrika. Ozeanien, Amerika und Asien mit seinen Bewohnern. Diese Haupt-
abschnitte gliedern sich nun wiederum in eine Anzahl I oterabteilungen. Zu diesen zählen
im ersten Hauptteil die J'estsässigen" Ackerbauer Westafrikas, die „treibenden- Hack-
bauern und die festsassigen „Viehsportler-, weiter die fosts&saigen Haekbauern mit den
treibenden Nomaden Nordafrikas. Im zweiten Eiauptteil begegnen uns die Abschnitte:
die seefahrenden [nselvölker Polv- und Mikroi lie treibenden Jagei Neuhollands
— 530 —
und die Mischvölker Indonesiens. Die Unterstufen Amerikas beschäftigen sich mit den.
"iartriibauern Südamerikas unter dem Einfluss der Wasser- und Waldjäger, den Feld-
bauern Nordamerikas unter dem Einlluss der Steppenjäger, den Kulturvölkern Amerikas,
den Nordpolarvölkern an der Grenze Asiens. Endlich bei Asien werden die treibenden
Polarnomaden, die treibenden Nomaden der Steppen, die Kulturvölker der Niederung und
Inseln Ostasiens, die Mischvölker Hinterindions, die „Aroiden" Vorderindiens, die „Semitiden"
Arabiens an der Grenze Afrikas behandelt. Alfred Maass.
Etawitz, D. Bernhard, Privatdozent an der Universität Berlin, Urgeschichte,
Geschichte und Politik, populär-naturwissenschaftliche Betrachtungen.
Berlin. Verlag von Leonhard Simion Xchf., 1!)03.
Das :!t>2 Seiten starke Werk scheint der Kategorie jener Arbeiten anzugehören, die
durch die Preisausschreibung für Schriften, -welche die Bedeutung der Descendenztheorie
für das staatliche Leben darzulegen haben, angeregt wurden. Der Verfasser legt auf
'21 Seiten seiuen Standpunkt zur Descendenztheorie dar, der auf S. 21 am schärfsten dahin
formuliert wird: Die Vererbung ist ein Produkt des Milieu. Im folgenden ist nun davon
nicht mehr die Rede. Die Entwickelung des Menschen von der Urgeschichte durch die
Zeiträume der Geschichte spielt sich für den Verfasser in einem Antagonismus zwischen
Persönlichkeit und Gemeinschaft (oder wie er sie nennt „Coenonie"! ab, darauf beruhen
nach ihm die Schicksale der Staaten, die Freuden und Leiden der Völker. Diesen Dar-
legungen sind SS Seiten gewidmet. In den folgenden 21 G Seiten wird nun eine Kritik
der gegenwärtigen politischen Zustände Deutschlands gegeben und in einem Kapitel „Die
politischen Lehren der Naturwissenschaft" behandelt: die Aufgabe des Staates, Regierung
und Verwaltung, Recht und Gerechtigkeit, Schule und Unterricht, soziale Reform. Hiernach
kommt Rawitz zu dem Ergebnis, dass es darauf ankomme, die Harmonie zwischen
„Coenonismus" und „Personalismus" herbeizuführen, das sei die politische Lehre der
Naturwissenschaft. Im Literaturverzeichnis werden dann noch 96 verschiedene Bücher
aufgeführt. R. Thurnwald.
Wilutzki, Paul, Vorgeschichte des Rechts (Prähistorisches Recht). Zweiter
Teil: Eltern und Kinder. Künstliche Verwandtschaft und Blutsbruder-
schaft. Kominunismus und Hausgenossenschaften. Die Anfänge des
Vermögensrechts. 192 Seiten. Dritter 'Peil: Stammesverfassung and
Anfange des Staatsrechts. Blutrache. Anfänge des Strafrechts und des
Prozesses. Berührung der Völker und Sklaverei. 212 Seiten. Berlin
Verlag vn Eduard Trewendt, 1903.
.Mit dem jetzt vorliegenden zweiten und dritten Teile der Vorgeschichte des Rechts
hat Verfasser sein Werk vollendet, das in universaler Darstellung die ersten Keime der
als einheitliches Ganze gedachten Entwickelung der Rechtsideen innerhalb der Menschheit
zum I Gegenstände bat.
Wie schon rein ausserlich, so Bind auch inhaltlich diese beiden Teile des Werkes in mehr-
facher Beziehung verschieden von dem schon an anderer Stelle dieser Zeitschrift (35. Jahrg.
s. L54J von mir besprochenen ersten Teile. Inhaltlich verschieden, freilich nicht in dem
Sinne, dass die Einheitlichkeit des (Janzen nicht bewahrt wäre. Von Anfang bis zum Schluss
zieht sieh ala gegebene Voran etzung das He gel sehe Entwickelungsgesetz durch die Dar-
rtellung hindurch, alles gebrachte Material wie ein festes Band zu einem einheitlichen
Qanzen umschlingend. In klarer übersichtlicher Weise ist das Hauptmaterial, welches
über die ooeh unentwickelten Rechtsverhältnisse vergangener Zeiten oder fremder Völker
bekannt ist, nach dem durch diesen Gesichtspunkt vorgeschriebenen Schema geordnet.
Aber wahrend im erstes Teile in 7 Einzelkapiteln iauf-_'f>l Seit en) nur die Eheverfassungen
— 531 —
zur Darstellung gelangen, wird in den beiden folgenden Teilen auf zusammen -In) Seiten)
der Stoff aller übrigen Rechtsgebiete erledigt und zwar in 6 Abschnitten Bucb II— VII
von denen an sich ein jedes Anspruch auf eine ebenso ausführliche Behandlung, wie die des
ersti-n Teiles hätte. Zum grossen Teil ist dieser Kaumunterschied schon dadurch bedingt,
dass Verfasser im Teil II und III viel weniger vollständig die Angaben über die ausser-
europäischen Rechtsverhältnisse heranzieht, als er es im ersten Teile getan hat. wie denn
überhaupt bei diesen beiden letzten Teilen die Darstellung der Entwickelung des Rechts
speziell bei indogermanischen Völkern mehr in den Vordergrund tritt und die Er-
scheinungsformen des Rechts der übrigen Völker nur gewissermassen vergleichsweise da
herangezogen werden, wo sie gewissen Entwickelungsphasen der Rechtsinstitute der indo-
germanischen Völker entsprechen.
Bei der vom Verfasser angewandten Methode kann es für den Inhalt seiner Dar-
stellung nur von Vorteil sein, dass der Schwerpunkt mehr auf das schon rechtshistorisch
verarbeitete und damit dem juristischen Forscher zugänglichere Material fällt, als auf
rein ethnologische Quellen. Natürlich aber handelt es sich infolgedessen um ein Werk,
bei dem die ethnologisch-juristischen Ergebnisse hinter den rein juristischen zurücktreten.
Max Schmidt.
Krauss, Friedrich S., Die Anmut des Frauenleibes. Mit nahe an 300 Ab-
bildungen nach Originalphotographien. XVI und 304 Seiten. 4U. Leipzig,
A. Schumanns Verlag, 1904.
Der unermüdlich 11 eissige Verfasser hat seinem Werke „Streifzüge im Reiche
der Frauenschönheit" (besprochen in dieser Zeitschrift, Jahrg. 35. 1903. S. 674) nach
kurzer Frist ein neues umfangreiches Buch folgen lassen, das sich ebenso, wie das vorige,
an den weiten Kreis des gebildeten Publikums wendet.
In der Form und Ausstattung uud in der äusseren Erscheinung stimmen die beiden
Werke miteinander überein. Auch das vorliegende bringt in autotypischer Ausführung
eine grosse Anzahl von weiblichen Porträts, teils Brustbilder, teils ganze Figuren, und
unter letzteren viele ohne verhüllende Bekleidung. Da meist genau die Nationalität and
das Lebensalter des dargestellten Originales angeführt wird, so ist hier für die Anthro-
pologen ein erwünschtes Material zusammengebracht.
Über den Inhalt sei erwähnt, dass er nach den einzelnen Körperteilen geordnet ist:
Oberhaut, Auge, Haupthaar, Kopf und Stirne, Wangen und Kinn, Ohren und Nase, Mund.
Lippen und Zähne usw. Bei jedem dieser Gebilde wird festzustellen und zu erörtern
versucht, warum und unter welchen Umständen sie anmutig erscheinen. Hierbei wurden
auch die darauf bezüglichen Aussprüche der Dichter verschiedener Länder und Zeiten
berücksichtigt und man muss dem Verfasser für seine grosse Belesenheit volle An-
erkennung zollen. Dem sehr naheliegenden Vorwurf, dass ein genauer Hinweis auf die
Figuren vielfach vermisst wird, begegnet der Verfasser selbst, denn er erklärt die Bilder
nur als eine Zutat, als einen freien Kommentar zu seinen Worten. Aber diese Bilder
bieten gerade eine reiche Fundgrube für den Anthropologen. Max Bartels.
Schurtz, Heinrich, Völkerkunde. Leipzig and Wien. Franz Deuticke.
1903. 8°. (Die Erdkunde. Eine Darstellung ihrer Wissensgebiete, ihrer
Bilfswissenschaften und der Methode ihres Unterrichtes. Herausgegeben
von Maximilian Klar. Bd. XVI.)
Mit Wehmut begrüssen wir dieses letzte Werk von Heinrich Schurtz. das er noch
gerade bis auf unwesentliche Einzelheiten vor seinem jähen Ende vollenden konnte. Er
hat uns in ihm gleichsam noch einmal ein Abbild Beiner ganzen Persönlichkeit hinter-
lassen. Penn eine Fülle von Einzelheiten darin beruht auf seinen eigenen Untersuchungen,
— 532 —
und das ganze zeugt ebenso in formaler Hinsicht, als eine populäre Darstellung innerhalb
eines grösseren Gesamtrahmeus, von seinem rastlosen Bestreben, seiner Wissenschaft durch
geeignete Zusammenfassungen zu der ihr gebührenden Beachtung und Würdigung beim
grossen Publikum zu verhelfen, wie es inhaltlich von jener entwickelungsgeschichtlichen
grosszügigen Auffassung beherrscht ist, die in den tieferen Kulturstufen vor allem den
Vorläufer unserer eigenen Zustände erblickt und es stets auf die Gesamtgeschichte der
Menschheit abgesehen hat.
Den Hauptbestandteil des Buches macht die „vergleichende Völkerkunde" aus; sie
ist im grossen ganzen eine Art Auszug aus Schurtz' „Urgeschichte der Kultur", weswegen
ein weiteres Eingehen auf sie hier erübrigt. Es folgt ihr ein kurzer Überblick über die
einzelnen Völkergruppen, und voran geht ein anthropologischer Abschnitt, der bei der
Einteilung der Rassen in der Hauptsache Deniker und Keane folgt.
H. Vierkandt, Gr.-Lichterfelde.
IV. Eingänge für die Bibliothek.1»
1. Petrie, W. M.. Flinders, Abydos Part. I. 1902. London: B. Quaritch, Asher et Co..
Trübner 1902. 4°. Gesch. d. Verf.
2. Pantiuchow, J. J. [Russisch| Kurenevka. Medizinisch-anthrop. Abhandlung. Kiew
1904. 8°. Gesch. d. Verf.
:\. Giuffrida-Ruggeri, V., Una spiegazione del Gergo dei criniinali al lume dell'
etnografia comparata. Roma: Fr. Bocca 1904. 8°. (Aus: Archivio di Psichiatria,
Medicina legale.) Gesch. d. Verf.
4. Derselbe, Alcune omissioni e inesattezze nel recente „Trattato" del Prof. Le Double.
Jena: G. Fischer 1904. 8°. (Aus: Anatomischer Anzeiger.) Gesch. d. Verf.
5. Sheppard, Thomas, Quarterl.v Record of Additions. No. VII. Hüll: A. Brown
et Sons 1903. 8U. (Aus: Hüll Museum Publications No. 17.) Gesch. d. Verf.
6. Hoernes, Moritz, Der diluviale Mensch in Europa. Braunschweig: F. Vieweg & Sohn
1903. 8°. Gesch. d. Hrn. Prof. Li s sau er.
7. Quensel, Heinrich, Geht es aufwärts? Eine idealphilos. Hypothese zur Entwicklung
der menschlichen Psyche . . . Cöln: J. G. Schmitz 1904. 8°. Vom Verleger.
S. Poeck, Wilhelm, Islandzauber. Erzählung. Hamburg: A. Janssen 1904 8°. Vom
Verleger.
9. Chantre, Ernst, et Savoye, Claudius, Repertoire et carte paleoethnologique du
Departement de Saöne-et-Loire. Paris 1902. 8°. (Aus: Comptes rendus de
l'Assoc. FranQ. pour F Avancement des Sciences.) Gesch. d. Verf.
10. Chantre, Ernst, et Bourdaret, Emil, Les Coreens. Esquisse Anthropologique.
Paris 1902. 8°. (Aus: Compt. rend. de l'Assoc. Franc, pour l'Avancement des
Sciences.) Gesch. d. Verf.
11. Louw, P. J. F., De Java-Oorlog van 1S25— 30. :'». Deel. Batavia: Landsdrukkerij
1904. 4°. Gesch. d. Bataviaasch Genootschap.
12. Vaschide, N., et Buschan, G., Index Philosophique. I. 1902. Paris: C. Naud
1903. 8°. Gesch. d. Hrn. Buschan.
13. Ke witsch, Georg, Zweifel an der astronomischen und geometrischen Grundlage des
60-Systems. Strassburg 1904. 8°. (Aus: Zeitschr. für Assyriologie, Bd. XVIII.)
Gesch d. Verf.
14. Kewitsch, Georg, Die astronomische Era und das Jahrhundert 19. Freiburg i. Br.
Selbstverl. 1901. 8°. Gesch. d. Verf.
15. Karutz, Richard, Von Lübeck nach Kokand. Ein Reisebericht. Lübeck: Lübcke
& Nöhring 1904. 8". (Aus: Mitt. Geogr. Ges. und Naturhistor. Mus. Lübeck;
16. Karutz. Richard, Die afrikanischen Hörnermaskon. Lübeck 1901. 8°. (Aus: Mitt
Geogr. Ges. Lübeck 1901.
17. Karutz. Richard, Die afrikanischen Bogen, Pfeile und K'.cher im Lübecker Museum
für Völkerkunde. Lübeck 1900, 8°). vAus: I)as Museum zu Lübeck;
1) Die Titel der eingesandten Bücher und Sonder-Abdrücke werden regelmässig hier
veröffentlicht, Besprechungen der geeigneten Schriften vorbehalten. Rücksendung un-
verlangter Schriften findet nicht statt.
— 534 —
18. Karutz. Richard, Eine Sammlung peruanischer Altertümer. Lübeck 19<H). 8°. (Aus:
Das Museum zu Lübeck.)
L9. Karutz, Richard, Aus dem Lande der Basken. Ein Vortrag aus dem Jahre 1897.
Lübeck 1900. 8°. (Aus: Mitt. Geogr. Ges. und Naturhistor. Mus. zu Lübeck.)
20. Karutz. Richard, Ein Beitrag zur Anthropologie des Ohres. Braunschweig 1900. 4°.
(Aus: Archiv für Anthropologie XXVI.)
21. Karutz. Richard, Drei Knochengeräte von den Anachoreten. — Zur Ethnographie der
Matty-Insel. — Weitere Bemerkungen zur Ethnographie der Matty-Insel. Leiden
1899/1900 4°. (Aus: International. Archiv für Ethnographie, Bd. XII u. XIII.)
22. Karutz, Richard, Das Ohr im Volksglauben. — Ohrdurchbohrung und Ohrschmuck. —
Der Stand der Bogen- und Pfeilforschung. — Ursprung und Formen der Wiege. —
Zur westafrikanischen Maskenkunde. — Ein „Pangkoh" der Dajaken. — Eine
Holzfigur der Sakalaven. Braunschweig 1896- 1901. 4°. (Aus: Globus, 70. - 80. Bd.)
23. Karutz, Richard, Volkstümliches aus den baskischen Provinzen. — Ein zusammen-
gesetzter Bogen der Baschkiren. Berlin 1899/1900. 8°. (Aus: Verhandl. der
anthropol. Gesellschaft.)
24. Karutz, Richard, Populär medical superstitions concerning the diseases ofthe ear, nose,
and throat. Transl. by J. A. Spalding 1897. 8°. (Aus: Arch. of Otology XXVI.)
Nr. 15—24 Gesch. d. Verf.
25. Report of the Cambridge anthropological expedition to Torres straits. Vol. V. Socio-
logy, Magic and Religion. Cambridge: University Press 1904. 4°. Gesch. d.
Cambridge University.
26. Bürgt, J. M. M. van der, Dictionnaire francais-Kirundi. Bois-Le-Duc: Soc. l'Illustration
Cathol. 1904. 8°. Vom Verleger.
27. Bericht über die Gemeindeverwaltung der Stadt Berlin 1895^—1900. I. Teil. Berlin:
Carl Heymann 1904. 4". Vom Magistrat Berlin.
28. Iwanowski, A. A. [Russisch], Über den anthropolog. Bestand der Bevölkerung
Russlands. (Aus: Arbeiten der Anthrop. Abteil. Tom XXII der Kaiserl. Ge-
sellschaft für Anthrop. u. Ethnogr. a. d. Univ. Moskau.) Moskau 1904. 4°.
Gesch. d. Verf.
29. Wilser, Ludwig, Die Germanen. Beiträge zur Völkerkunde. Eisenach und Leipzig:
Thüring. Verl. o. J. 8°. Vom Verleger.
30. Mason, Otis Tufton, Aboriginal american basketry: studies in a textile art without
machinery. Washington: Government Printing off. 1904. 8°. (Aus: Report of
the Unit. Stat. Nat. Mus. 1902.) Vom Smithsonian Institution.
31. Geographen - Kalender. Herausgeg. von Hermann Haack. IL Jahrg. 1904/1905
Gotha: Justus Perthes 1904. 8°. Vom Verleger.
32. Miske, v., Die ununterbrochene Besiedelung Velem St. Veits. Braunschweig 1904.
4°. (Aus: Archiv für Anthrop. N. F. II.) Gesch. d. Verf.
33. Miske, v, Gepunzte Bronzemesser aus Velem-St. Veit. Wien 1904. 1". (Aus: Mitteil.
der Anthrop. Ges. Wien XXXVI.) Gesch. d. Verf.
34. Schirmeisen, Karl, Die Entstehungszeit der germanischen Göttergestalten. Brunn:
Carl Winiker 1904. 8". Vom Verleger.
:;."). Lasch, Richard, Die Landwirtschaft der Naturvölker. Berlin 1904. 8°. (Aus:
Zeitschr. für Sozialwissenschaft, VII. Bd.) Gesch. d. Verf.
"heppard, Thomas, Quarterly Record of Additions, No. VIII. Hüll Museum Publi-
cations. No. 19. IIull L904 8°. Vom Museum.
37. Chamberlain, Alezander F., The contributions ofthe american Indian to civilization.
o.O. 19Q3. 8°. (Aus: Proceed. ofthe American Antiquar Soc.) Gesch. d. Verf.
1 liainbcrlain, Alexander F., Primitiv«: woman as poet. New York 1903. 8". (Aus:
Journal of American Kolk-Lore XVI.) Gesch. d. Verf.
39. Werner, Eigenartige Entwicklang der Zwischenkieferbeine .beim Pferde. Berlin 1904.
I ■'. Ans: Berl. Tierarzt I. Wochenschrift.) Gesch. d. Verf.
10. Friedman n, Hermann, Die Konvergenz der Organismen. Berlin: Gebr. Paetel 1904.
Vom Verleger.
'\\. Schötensack, Otto, Über die Kunst der Thaynger Höhlenbewohner. Zürich 1904.
4". (Aus: Nüesch, das Kesslcrloch.) Gesch. d. Verf.
— 535 —
12. Reinach, Salomon, Antiquites nationales. Description raisonnee du UEusee de Saint-
Germain-en Laye I u. II. Paris: Firmin-Didot et Cie. o. J.
43. Reinach, Salomon, Guide illustre du Musee National de Saint-Germain. Pari>:
Motteroz. o. J. 8°.
■14. Reinach, Salomon, Antiijuites nationales. Catalogue du Musee de Saint-Germain-en
Laye. Paris: Motteroz. o. F. 8°.
Nr. 42—44 Gesch. d. Hrn. Prof. Lissauer.
45. Dagh-Register gehonden int Casteel Batavia. Uitg. van .1. de Hullu. s-Gravenhage:
M. Nijhoff 1903. 8°. Gesch. d. Verf.
16. I hlingensperg auf Berg, Max v., Der Knochenliügel am Langacker. Wien L904.
<1". (Aus: Mitteil, der Anthrop. Ges. in Wien XXXI V.) Gesch. d. Verf.
IT. Matiegka, H., Über die Bedeutung des Hirngewichts beim Menschen. Wiesbaden
L904. 8°. (Aus: Anatom. Hefte, l':'>. Bd. — fJber die Beziehungen des Hirn-
gewichts zum Berufe. Leipzig 1904. 8°. (Aus: Politisch-anthropol. Revue III.'
Gesch. d. Verf.
48. Giuffrida-Ruggeri, V., II profilo della pianta del piede nei degenerati e nelle
razze inferiori. Torino 1904. S". (Aus: Arch. di Psicliiatria XXV.)
49. Giuffrida-Ruggeri, V., Ossements du neolithique recent trouves ä Verone. Paris
1904. 8°. (Aus: L'anthropologie XV.) Gesch. d. Verf.
50. Schumann, Hugo, Die Steinzeitgräber der Uckermark. Prenzlau: A. Mieck 1904.
4°. Gesch. d. Verf.
51. Schumann, Hugo und A. Mi eck, Das Gräberfeld bei Oderberg-Bralitz. Prenzlau:
A. Mieck 1901. 8". Gesch. d. Verf.
52. Niederle, Lubor, Slovanske staiiitnosti. Dill. Sv. IL v. Praze: Bur»ik et Kohout
1904. 8°. Vom Verleger.
53. Rutot, A., I Communications. Bruxelles: Hayez 19(i;'» ,<M.. 8°. (Aus: Bull, de la Soc.
d' Anthropologie de Bruxelles.) Gesch. d. Verf.
54. Rutot, A., Le Prehistorique dans PEurope centrale . . . Industries de la Pierre a
Pexclushm du neolithique en 1903. Namur 1904, 8°. (Aus: Compte rendu 'In
Congres d'Archeol. et Hist.. Dinant 1903.) Gesch. d. Verf.
55. Bai), Hans, Die Colostrunibilduug als physiologisches Analogon zu Entzündungs-
vorgängen. Berlin: A. Hirschwald 1904. 8°. Gesch. d. Verf.
50. Hirn, Yrjii, Der Ursprung der Kunst. Aus dem Englischen übersetzt von M.Barth,
durchgesehen und durch Vorwort eingeleitet von Paul Barth. Leipzig: J. A.
Barth 1! ml. 8°. Vom Verleger.
57. Jeremias, Alfred, Das alte Testament im Lichte des alten Orient-. Leipzig:
.1. 0. Hinrieh 1904. 8°. Gesch. v. Hrn. Baron v. Landau
58. Karutz, Weitere afrikanische Hörnermasken. Leiden 1903. 4°. (Au>: Entern. Archiv
f. Ethnographie, Bd. XVI.) Gesch. d. Verf.
59. Ambro setti, Juan B., Cabeza Humana . . . do los iudios Jiwaros, del Ecuador.
Buenos Aires 1903. 8°. (Aus: Anales del Musen Naciona] de Buenos Aires I\.
Gesch. d. Verf.
60. Grünwedel, Albert. Mythologie des Buddhismus in Tibet und der Mongolei. Leipzig:
F. A. Brockhaus L900. I". Angekauft.
61. Soler, Ed., Archäologische Untersuchungen in Co>tariea. Braunschweig L904. 3
(Aus: Globu8j Bd. 85.) Vom Verleger.
62. Hrdlißka, Ales, Notes on the Indians of Sonera. Meli« . Lancaster 1904. 8
(Aus: American Anthropologist, Vol. (1.)
ti.">. Ilrdlicka, Ales, Anomalous articulation and fusion of the atlas with the occipital
Cone. Washington 1904. 8°. Aus: Bledica) Vnnals III. ^ Gesch. d. Verf.
04. Helm. Nieter, Kulturpflanzen und Hausticrc in ihrem Übergang aus Asien. Herausg.
von 0. Schrader und A. Engler. T. Aufl. Berlin: Gebr. Borntracger 1902.
I". Angekauft.
65. Hohn, Victor, Das Salz. •_'. Aufl. mit Nachwort von 0. Schrader. Berlin: Gebr.
Borntraeger 1901. 8°. Angekauft.
66. Kraemer. Hans. Weltall und Menschheit. Bd. III u. IV. Berlin Bong & I
o. J. I '. Vom Verleger.
— 536 —
CT. Risley, II. H., und E. A. Gait, India Part. I u. II. Calcutta: Gov. Pr. 1903. 4*.
(Aus: Census of India 1901. Vol. I u. IA.) Vom India Office Calcutta.
G8. Risley, H. H., India Ethnographie appendices. Calcutta: Gov. Pr. 19()3. 4°. (Aus:
Census of India 1901. Vol. I.) Vom India Office Calcutta.
G9. Chamberlain, Alexander F., Primitive taste-words. o. 0. 190.'» 8U. (Aus: Americ.
Journ. of psychology. vol. XIV.) Gesch. d. Verf.
TU. Bibliotheca geographica, Bd. VII— IX. Jahrg. 1898-1900. Berliu: W. H. Kühl
1901/03. 8°. Gesch. d. Hrn. Prof. Lissauer.
71. Capitan, Breuil et Charbonneau-Lassay, Les rochers graves de Vendee. Paris:
F. Alcan 1904. 8IJ. (Aus: Revue de PEcole d'Anthropologie de Paris.) Gesch.
d. Verf.
72. Capitan, Les origines de Part en Gaule. Paris 1902. 8°. (Aus: Comptes rendus de
l'Assoc. Franr. p. PAvanc. des Sciences.) Gesch. d. Verf.
73. Capitan, Etüde des silex recueillis par M. Amelineau. Dans les tombeaux ar-
chaiques d'Abydos (Egypte). Paris: F. Alcan 1904. 8°. (Aus: Revue de PEcole-
d'Anthropologie.) Gesch. d. Verf.
74. Wimmer, Ludv. F. A., De Danske Runemindesmaerker, Bd. IV. 1, Runeligstene og
Mindesmaerker knyttede til kirker. K«benhavn: Gyldendal 1903—1904. 2°.
K. Nordiske Oldskrift-Selskab.
7ö. Peyrony, Les Eyzies et les environs. Aux Eyzies. Levallois- Perret 190:;. Sn.
Gesch. d. Verf.
70. Berichte über die Tätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmalpflege in der
Rheinprovinz und der Provinzialmuseen zu Bonn und Trier, Bd. VIII. 1903.
Düsseldorf: L. Schwann 1904. Gesch. d. Hrn. Lehner-Bonn.
77. Doudou, Ernest, et Capitan, Note sur des graines de vegetaux trouvees dans la
breche prehistorique de la seconde grotte d'Engis (Belgique). Paris: F. Alcan
1904. 8°. (Aus: Revue de PEcole d'Anthropologie) Gesch. d. Verf.
78. Chantre, Ernest, Les Bicharieh et les Ababdeh. Lyon 1900. 4". (Aus: Acad. des
Sciences, Belles-Lettres et Arts de Lyon.) Gesch. d. Verf.
7(.t. Stolyhwo, K. [Polnisch], Schädel ... aus der grossen Höhle an der Korytaner
Schlucht. Krakau o. J. 8". (Aus: Materyal. Komisyi antropolog.-archeolog.
T. VII.) Gesch d. Verf.
80. Hadaczek, Karol [Polnisch], Der Goldschatz von Michalkow. Lemberg: Museum
Dzieduszycky 1904. 4°. Gesch. d. Verf.
81. Salin, Bernhard, Die altgennanische Tierornamentik. Aus dem Schwedischen über-
setzt von J. Mestorf. Berliu: A. Asher & Co. 1904. 4U. Vom Verleger.
82. Fritsch, Gustav, Ägyptische Volkstypen der Jetztzeit. Wiesbaden: C. W. Kreidel
1904. qu. 4°. Gesch. d. Verf.
83. Fritsch, Gustav, Ist die Darstellung des Nackten anstössig? Berlin 1901. 8".
(Aus: „Photographische Correspondenz") Gesch. d. Verf.
84. Fritsch, Gustav, Über die Verhältnisse des menschlichen Körpers nach Rasse und
Geschlecht. Leipzig: B. G. Teubner 1902. 8°. (Aus: Natur und Schule, Bd. I.)
Gesch. d. Verf
85. Fritsch, Gustav, Die Urheimat der Indogenuanen. Eisenach und Leipzig: Thü-
ringische Verlagsanstalt 1904. 8". (Aus: „Politisch-Anthropologische Revue",
Jahrg. III.) Gesch. d. Verf.
86. Fritsch, Gustav, Der Wert des Burenelements für die Kolonisation von Südafrika.
Eisenach und Leipzig: Thüringische Verlagsanstalt 1902. 8". (Aus: „Politisch-
Anthropologische Revue", Jahrg. I.) Gesch. d. Verf.
87. Fritsch, Gustav, Bekleidung und Sittlichkeit. — Reformtracht oder Normaltracht?
Eisenach und Leipzig: Thüringische Verlagsanstalt o. J. 8U. (Aus: „Politisch-
Anthropologische Revue", Jahrg. I u. IL) Gesch. d. Verf.
(Abgeschlossen den 18. Juni 1904.)
I. Abhandlungen und Vorträge.
1. Erster Bericht über die Tätigkeit der von der Deutschen
anthropologischen Gesellschaft gewählten Kommission für
prähistorische Typenkarten.
Erstattet auf der :->.r>. allgemeinen Versammlung in Greifswald
am 4. August 1904.
Von
A. Lissauer- Berlin.
(Hierzu .'> Kartenbeilagen.)
Die Organisation, welche die Gesellschaft in der Generalversammlung
zu Worms für die Herstellung prähistorischer Typenkarten beschlossen,
hat sich im ersten Arbeitsjahre vortrefflich bewährt. Nicht nur haben
fast alle von der Gesellschaft erwählten Mitglieder der Kommission1) an
der Sammelforschung selbst teilgenommen oder für sich Vertreter gestellt,
Mindern auch eine ganze Reihe anderer geschätzter Prähistoriker des In-
und Auslandes war 'bemüht, unsere Arbeiten zu fördern, — das beste
Zeichen dafür, dass dieselben einem allgemeinen Bedürfnis der Zeit ent-
sprechen. Zur Vervollständigung der Liste unserer Kommissiousmitglieder
seien hier die neuen Mitarbeiter genannt:
Für Hrn. Back trat Hr. B. Müll er- Darmstadt ein, für Hrn. Henning-
Strassburg Hr. Naue jun. -München, für Hrn. Koeppe-Münsrer Hr.Worm-
stall- Coesfeld, für Hrn. Lemcke Hr. Stubenrauch- Stettin und für
Hrn. Voss Hr. Brunner - Berlin. Neu hinzugetreten sind: Fräulein
Schlemm-Berlin und die Herren Auerbach-Gera, Bau mann- Mannheim,
Birkner-München, Edelmann- Sigmaringen. Gundermann -Tübingen,
Hausmann- Dorpat, Hildebrand - Speyer, Kossinn a- Berlin, Leiner-
Konstanz, Märton-Budapest, M. e h lis- Neustadt a.d.H., flaue sen.-München,
Pic-Prag, Pollinger-Landshut, Schweizer-Freiburg LB., Steinmetz-
Regensburg, Welcker-Frankfurl n.M. und Zechlin-Salzwedel.
Im ganzen sind von 58 Mitarbeitern Beiträge eingesandt worden. Es
ist mir eine angenehme Pflicht, allen diesen Eerren und Damen im
Namen der Zentralkommission den wärmsten Dank auszusprechen und
l Korrespondenzblatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft 1903, S. L25.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft 5. ,;;,
— :m —
damit die Bitte zu verbinden, unseren Arbeiten auch in den folgenden
Jahren ihre Unterstützung zu schenken.
Die Aufgabe, welche die Zentralkommission sich im abgelaufenen
Arbeitsjahre gestellt hatte, war die Herstellung dreier Karten, auf denen
die Verbreitung der verschiedenen Typen der Flach- und Randäxte, der
Ruder- und Scheibennadeln und der Radnadeln in Deutschland dargestellt
werden sollte. *)
Die Nachbarländer wurden hierbei im Text und in der Legende zu
den Karten soweit berücksichtigt, als uns die dortigen Verhältnisse be-
kannt waren, dagegen für die Karte selbst natürlich nur soweit, als der
Rahmen derselben es zuliess.
I. Die Typenkarte der Flach- und Randäxte.
(Hierzu Kartenbeilage I.)
Wie notwendig die Einführung einer einheitlichen Terminologie für
die deutsche Prähistorie ist, lehrt am besten das Kapitel der Äxte.
Während die Franzosen das Wort hache, die Italiener ascia, die Eng-
länder das Wort celt allgemein gebrauchen, herrscht bei den deutschen
Prähistorikern eine grosse Verschiedenheit in der Bezeichnung der Metall-
äxte. Einige bevorzugen das Wort Beil (Osborne, Hörn es), andere be-
dienen sich mit Vorliebe des Wortes Celt oder Kelt oder Paalstab und
zwar in ganz verschiedenem Sinne, so dass durch diese Bezeichnung die
grösste Verwirrung; entstehen muss. Eine kleine Auslese aus vielen Bei-
spielen mag dies bezeugen.
Unter Celt versteht:
Osborne alle Äxte ausser denen mit transversalem Schaftloch;
Heierli (Kelt) alle Äxte ausser den Lappenäxten; Linden-
schmit, Marchesetti, Hörnes und Sophus Müller nur die
Tüllenäxte; M. Much (Kelte mit Schaftgraten) nur die Randäxte;
Hampel nur die Tüllenäxte; Szombathy (Flachäxte mit Schaft-
graten) nur die Randäxte.
Unter Paalstab verstehen:
Marchesetti, M. Much und Sophus Müller die Randäxte;
Hampel die Rand- und Lappenäxte; Evans die Lappen- und
Absatzäxte; Hörnes die Lappenäxte; andere nur die Absatzäxte.
Wir schlagen daher vor, das bekanntlich aus einem Schreibefehler
hervorgegangene Wort Celt (Kelt), ebenso wie das ursprünglich isländische
Wort Paalstab aus der deutschen Prähistorie ganz zu verbannen und
empfehlen 'las Wort Axt dafür als allgemeine Bezeichnung, nicht nur
weil die Franzosen und Italiener ein ähnliches Wort dafür gebrauchen,
sondern auch weil Montelius in seiner deutschen Abhandlung, Chrono-
logie der ältesten Bronzezeit in Norddeutschland etc., S. 20, Anm. 6,
dasselbe bereits eingeführt hat.
1) In dem folgenden Berichte sind stets Funde aus Bronze gemeint, wenn nichts
anderes angegeben ist.
— 539 —
Indem wir nun die folgenden Zusammensetzungen des Wortes Axt
für die fünf Hauptformen empfehlen, fügen wir die bisher gebrauchten
Synonyme gleich hinzu:
1. Flachaxt = Flaehcelt (Osborne); Haches plates; flatcelts.
, _'. Randaxt = Kragencelt (Osborne); Leistenkelt (Heierli); Beil
mit Kandleisten (Hörn es); Kelt mit Schaftgraten (Much); Flach-
;i\t mit Schaftgraten (Szombathy); Flachaxt (Jentsoh); Paal-
stab (Marchesetti und Mucli); Haches ä bords droits: Planged
celts.
.*!. Absatzaxt = Leistenkelt (Osborne); Absatzkelt (Heierli): Al>-
satzbeil (Hörnes); Axt mit Steg (Voss); Axt mit Käst (Mon-
telius); Nutencelt (Olshansen); Paalstab (verschiedene Autoren);
Haches a talon; Celts with stop-ridge.
4. Lappenaxt = Lappencelt (Osborne); Lappenbeil (Heierli); Beil
mit Schaftlappen (Hörnes); Paalstab (Evans. Hörnes); Haches
;i ailerons; winged celts.
5. Tüllenaxt = Hohlcelt (Osborne); Hohlbeil (Hörnes); Kelt
(Hörnes); Celt (Lindenschmit und .Marchesetti); Haches ä
donilles; stocketed celts; ascia ä cartoccio.
6. Lochaxt = Axt (Osborne): Streithammer (Hampel).
Soviel zur Terminologie. —
Verzeichnis der in diesem Bericht oft vorkommenden Abkürzungen.
A. h. V. = Altertümer unserer heidnischen Vorzeit. AI. = Altertumskunde. Alb. = Album.
Ar. - Archiv. At. = Atlas.
Bl. = Blätter. Br. = Bronze. In-. = breit. B. V. = Verhandlungen der Berliner Anthro-
pologischen Gesellschaft.
C. = Correspondenzblatt.
Dep. = Depotfund.
v. Estorif = Heidnische Altertümer der Gegend von Ülzen-Hannover. Ex. = Exemplare.
Fr. = Fragmente.
G. = Gesellschaft. Ge. = Geschichte. Gr. = Grab. Gr. Br. = Grösste Breite.
H. Gr. = Hügelgrali. Hst. = Historischer.
K. = Katalog. K. Gr. = Kegelgrab. K. M. f. V. = König!. Museum für Völkerkunde.
1. = lang.
M. = Museum. Meckl. J. = Mecklenburgische Jahrbücher. Meckl. Schw. = Mecklenburg-
Schwerin. Meckl. Str. = Mecklenburg-Strelitz. Mitt. = Mitteilungen. Montelius
= Chronologie der ältesten Bronzezeit in Norddeutschland und Skandinavien,
Braunschweig 1!»00. Montelius, Italie = La civilisation primitive en Italie . . .
Stockholm 1S'.»5. Moor = Moorfund. Müller-Eeimers Vor- und frühgeschicht-
liche Altertümer der Provinz Hannover, Hannover L893.
Nachrichten = — über deutsche Altertumsfunde.
Osborne = .. . Das Beil und seine typischen Formen, Dresden 1887.
Pam. = Pamatky. Pf. = Pfahlbau. Ph. Alb. = Photographisches Album <ler prähistorischen
Ausstellung in Berlin. Binder = Bericht über die heidnischen Altertümer der
ehemals kurhessischen Provinzen, Cassel 1878. Pos. Alb. = Album der Denk-
mäler des Grossherzogtums Posen von Erepcki und Köhler, Posen 1890.
Pr. = Prähistorisch.
liicblv Die Bronzi'/.eit in Böhmen, Wien 1S94.
S. = Sammlung. Sehr. = Schriften. Sk. Skelett.
Tf. = Tafel.
V. = Verhandlungen. Ver. = Verein.
35
— 540 —
Westdeutsche = — Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Wiener Mitt. = Mitteilungen
der Wiener Anthropologischen Gesellschaft.
Z. = Zeitschrift. Z. f. E. = Zeitschrift für Ethnologie. Z. f. Hessische G. = ... und
Landeskunde in Kassel.
A. Die Flachäxte aus Bronze.
Wenn wir nun zur Verbreitung der Flachäxte aus Bronze in Deutsch-
land übergehen, so sind durch unsere Sammelforschung im ganzen
70 Fundorte mit 81 Exemplaren zur Kenntnis gekommen. Die ersten
Metalläxte sind ja sicher aus Kupfer gegossen worden und zwar nach den
Yorbildern der einfachsten keilförmigen Steinäxte, weil sowohl die Her-
stellung der Form als des Gusses nach diesen am leichtesten war. Als
man die Bronze kennen lernte, ahmte man zuerst die Form der keil-
förmigen Kupferäxte mit gestreckten Seiten ebenfalls nach (Fig. 1). Allein
es scheint, dass man bald auch zu den Äxten mit geschweifter Form
überging (Fig. 2); denn die chemische Analyse hat ergeben, dass beide
Formen aus zinnarmer Bronze gegossen worden und zwar in demselben
Fimdo-ebiet. Es sind also wahrscheinlich schon in jener frühen zinn-
armen Bronzezeit sowohl gestreckt keilförmige, wie geschweifte .Flachäxte
verfertigt worden.
Fig. 3
Fig.5
Die Feststellung des Fundgebietes der Flachäxte ist deshalb von
Interesse, weil wir dadurch erfahren, wo in Deutschland die Bronze über-
haupt zuerst angewendet worden. Überblicken wir nun das deutsche
Fundgebiet, so finden wir Flachäxte das ganze Rheintal hinab von Elsass
und Baden (Württemberg) au bis zur Rheinprovinz und Hessen-Nassau
hin: ferner in Thüringen, in der Provinz Sachsen, in Hannover bis nach
Schleswig-Holstein hin; ferner in Schlesien, Posen, Brandenburg und
Pommern; nur aus Bayern, Westfalen, dem Königreich Sachsen, und aus
West- und Ostpreussen sind keine Funde angegeben. Es ist daher von
_, t - , . — .iii Interesse, durch weitere Untersuchungen dieses Verhältnis genau
festzustellen.
ausserhalb Deutschlands kennen wir die Flachäxte schon aus den
Terramaren Ober-Italiens, aus der Schweiz, aus Ungarn und Böhmen, und
im Norden aus Skandinavien, England und Irland, wo sie ganz besonders
belieb! gewesen sein müssen, da sie dort oft auf dem Klingenblatt und
— 541 —
auf den Seiten schön ornamentiert wurden (Fig. 3). Dass Flachäxte aus
Bronze auch in Ilissarlik and auf Cypern gefunden worden, darf ich hier
nur flüchtig erwähnen.
Was nun die Beschaffenheit der Kahn Im 'trifft, s<» [et dieselbe fast
stets -viade allgeschnitten (Fig. 1), selten oben gerundet (Fig. 2); eine
Flach axt aus Nord-Dithmarsehen zeigt schon einen Ausschnitt des oberen
Randes1) (Fig. 4), während die trojanischen ein Loch im oberen Bahnteil
besitzen (siehe S. 542 Fig. 10g).
Die Sehneide ist in der Regel nur flach bogenförmig und schmal
(Fig. 1 und 2), selten breiter; selten ist sie fast gradlinig und noch
seltener, an einem Exemplar aus .Mainz und dem obigen Exemplar aus
Nord-Dithmarschen (Fig 4), ist der ganze Schneidenteil stark geschweift
mit bogenförmigem oberen Rande.
Von besonderem Interesse ist eine Flachaxt aus der Pfalz im Museum
zu Mainz, welche jene kurze und breite (lestalt mit fast parallelen graden
Seiren hat, wie wir sie von den ungarischen Flachäxten her kennen (Fig. 5).
Andere; Varianten treten bei den Flachäxten nicht auf.
Soviel geht aus den bisherigen Feststellungen hervor, dass die Bronze
in Deutschland an vielen Stellen ziemlich gleichzeitig in Gebrauch kam.
Verfolgen wir nun die Verbreituno; der Flachäxte auf unserer Karte
genauer, so erscheint es wahrscheinlich, dass die Bronze in die Rheinebene
von Italien und der Schweiz, nach Ostdeutschland aber von Ungarn über
Böhmen importiert und von beiden Seiten dann mehr oder weniger schnell
bis zum Norden verbreitet worden ist.
Die meisten Funde sind Einzelfunde. .Jedoch stammen mehrere Äxte
aus Depotfunden her, zwei ans Gräbern, zwei aus dem Rhein, zwei aus
Mooren, eine aus einem Wohnplatz — abgesehen von den Terramaren
Italiens und der zweiten Stadt Trojas.
Was nun die relative Zeitstellung der Flachäxte aus Bronze betrifft,
so haben wir schon oben erwähnt, dass sie wohl die unmittelbaren Nach-
folger der Kupferäxte sind, also in die frühe Bronzezeit gehören. Man
könnte diesen A.bschnitt daher die Zeit der Flachäxte aus Bronze nennen.
Jedoch kommen einzelne Exemplare noch in der folgenden, der Periode
der Randäxte vor. so in den Depotfunden von Glogau, Stachel. Pile, aller-
dings stets nur vereinzelt, während die Randäxte jedesmal in weit grösserer
Zahl vertreten sind, wie die Legende S. 550 — 553 zeigt.
B. Die Randäxte.
Wenn die Verbindung der Flachaxt mit dem Stiel noch so fest her-
gestellt war. sie musste beim Gebrauch doch oft gelockert werden, so
dass die Wirkung des Hiebes alsbald sehr beeinträchtigt wurde. Fs war
daher ein grosser technischer Fortschritt, als es gelang, durch Um-
gestaltung der Flachaxt diese leichte Verschiebbarkeit der Schaffung zu
verhindern, um das Ausweichen nach der Seite anmöglich zu machen,
erhöhte man die Ränder der Flüche auf beiden Seiten, anfangs kaum
1 Auf die Bedeutung dieses Ausschnittes kommen wir S. .Ml genauer zurück.
— 542 —
merklich, später immer höher und kräftiger, so dass aus der Flachaxt
eine Axt mit erhöhten Kanten oder Rändern oder kurz ausgedrückt eine
Randaxt wurde.
Diese Erfindung ist aber sicher schon in der jüngeren Steinzeit vor-
bereitet worden. Im Pfahlbau von Robenhausen wurde eine Steinaxt mit
Stiel gefunden, welche mit den Flächen zwischen zwei Lappen oder
Wangen des knieförmigen Stieles eingesetzt und mit Bastschnüren fest-
gebunden war (Fig. 6). Diese Verschnür ung war zur Zeit, als die
Metalläxte bekannt wurden, wohl die beliebteste; denn die verschiedenen
Typen der Randäxte sind im wesentlichen nur ebensoviele Versuche, diese
Art der Schaffung zu vervollkommnen. Das Museum in Oldenburg besitzt
ein interessantes Exemplar von Altmoyte, welches auf einer Seite noch
ganz flach ist, auf der andern Seite aber niedrige Randleisten zeigt, also
einen Übergang von den Flach- zu den Randäxten darstellt. Auf der
flachen Seite sind nun deutlich einige Umdrucke der einstigen Ver-
No.S
schnürung zu sehen (Fig. 7, a u. b). Das Kabinetsmuseum in Darmstadt
besitzt ferner eine Randaxt aus Bayerseich, bei welcher die eine Wange
der Schaffung noch ziemlich erhalten ist, so dass man seine ganze Ursprung*
liehe Ausdehnung erkennen kann (Fig. 8).
Allein je weniger die Schäftungswangen nach der Seite hin aus-
weichen konnten, desto mehr musste die Axtklinge bei jedem Hiebe nach
oben in das Schaftknie des Stieles und die Versclmürung desto mehr
nach der Schneide zu hingedrängt werden. Um nun die Verschiebung
nach unten einzuschränken, verjüngte man die anfangs gerade und ge-
streckte Seitenfläche kurz vor «lein Ende der Schaftwange mehr oder
weniger, damit die Verschnürung an der folgenden Erweiterung einen Halt
erfuhr (Fig. 8) oder man knickte die Seiten -;uiy. ein (Fig. 17 S. 547); zuletzt
machte man das Küngenblatt selbst an der Stelle, wo die Schäftungs-
Lappen endeten, dicker, so dass eine Art Steg entstand (Fig. 9), welcher
weiter zur Bildung eines Absatzes oder einer Käst führte. Doch haben
wir diese A.bsatzäxte aichi in das Arbeitsprogramm dieses Jahres auf-
genommen.
— 543 —
l'in ferner die Verschiebung nach oben zn verhüten, bildete man die
ursprünglich gerade Bahn in verschiedener Weise um (Fig. 10, a — f).
.Man machte sie entweder rund oder winklig oder buchtete sie mehr oder
weniger aus, u ine Spaltung- des Stielknies möglichst zu verhüten.
Alle diese Umbildungen der Flachaxt dienten ursprünglich nur dazu, die
Drehung oder sonstige Verschiebbarkeit der Axt zu verhindern; denn
nur bei einer ganz festen Verbindung zwischen Stiel und Axtklinge wurde
die volle Schwungkraft des Hiebes ausgenutzt.
Mehrere Äxte zeigen an den Seitenflächen Einkerbungen, welche ur-
sprünglich sicher zum Zwecke der festen Umschnürung erzeugt, später
alier als Motiv zur Ornamentierung verwertet
worden sind; die schönen Kabelornamente an den
dänischen, englischen und irischen Äxten dürften
sich weiterhin aus diesen Motiven entwickelt haben.
Bald inusste man aber die Erfahrung machen,
dass die Wirkung des Hiebes sich auch mit der
Grösse der Schneide vergrössert (Montelius)
und so gestaltete man den anfangs fast geraden
Schneideiiteil immer mehr Ix »gen förmig, zuerst
Ihn di und schmal, dann immer breiter und tiefer,
oft bis zu ganz sonderbaren Formen (Fig. 11,
A— H).
Wo diese verschiedenen Versuche gemacht
wurden, die Randaxt technisch zu vervollkommnen
und in welcher Reihenfolge, das ist heute nicht
mehr sicher zu ermitteln. Nur bei einigen Formen
können wir mit einer gewissen Wahrscheinlich-
keit feststellen, wo sie erfunden sind, während
wir für die Reihenfolge derselben ein Fortschreiten
von den einfachen Formen zu vollkommeneren im allgemeinen als zu-,
treffend annehmen können.
Wenn wir nun die Zahl aller verschiedenen Umwandlungen der
Axtklinge, der Bahn und der Schneide miteinander kombinieren, so er-
halten wir daraus allein schon über 200 mögliche Formen; da sich aber
als Resultat der diesjährigen Sammelforschung ergab, dass viele all-
mähliche l bergänge von der einen Form zur andern existieren, welche
die oben berechnete Zahl bedeutend vergrössern, so stellte sich die Not-
wendigkeit heraus, aus den eingegangenen Meldungen von mehr als
l.">00 liandäxten hestimmte Gruppen auszusondern, welche sich durch die
wiederholte Kombination derselben Merkmale als typische kennzeichnen
und deren häufiges Vorkommen i'1 bestimmten Gebieten beweist, dass sie
dort besonders beliebt und gebräuchlich waren.
Nach .lieser Einleitung werden Sie die folgenden Typen der Randäxte
und deren Varianten, soweit sie in Deutschland vorkommen, mit mir
schnell übersehen.
— 544
I. Der „armorikanische" Typus (Fig. 12).
Der einfachste Typus der Randaxt hat eine massive Form mit fast
gerade gestreckten Seiten, einer geraden Bahn und einer fast geraden oder
nur flach bogenförmigen Schneide. Derselbe kommt in Italien bereits aus
Kupfer vor; aus Bronze kennt man ihn besonders aus Sardinien und
Frankreich, wo er von der alten Landschaft Armorika als Type armoricain
bezeichnet wird. Wir behalten daher diesen Namen für den obigen Typus
zweckmässig bei. Seltener ist er in der Schweiz, wird in Deutschland
immer häufiger schon im Rheintal und erreicht im Norden, besonders in
Brandenburg, eine grosse Verbreitung. Mehr als ein Viertel aller ge-
meldeten deutschen Exemplare (12 von 40) sind in diesem Teile Nord-
deutschlands gefunden worden.
Doch treten häufig Variauten dieses Typus auf, besonders diejenigen,
welche an der Bahn, mehr oder weniger entwickelt, jenen rundlichen
Ausschnitt zeigen (Fig. 10, d— f), der, wie Rudolf Virchow
7'9"- zuerst gelehrt, in Italien so allgemein gebräuchlich war und den
wir fortan den italischen nennen wollen.
Die Schneide zeigt zwar zuweilen einen etwas tieferen
Bogen, wird aber selten sehr tief und breit. Wahrscheinlich
ist dieser Typus von Sardinien her über Frankreich und die
Schweiz in das Rheintal eingedrungen und hat sich von dort
weiter nach Süd- und Norddeutschland hin verbreitet.
Was die relative Chronologie betrifft, so ist in Westpreussen
mit einer Axt dieses Typus ein Steinhammer, in Bayern ein Feuer-
sreinmesser zusammen gefunden worden; ferner an verschiedenen
Orten Randäxte anderer Typen, trianguläre Dolche, Schwerter,
Lauzenspitzen , Halsringe, Radnadeln, Scheibennadeln, Nadeln mit ge-
schwollenem Hals, Armringe mit flachen Endspiralen, Golddrahtspiralen
und andere Schmucksachen der älteren Bronzezeit in Deutsehlaud, so dass
wir annehmen müssen, dieser Axttypus hat sich von der frühen bis in die
alte Bronzezeit hinein lange im Gebrauch erhalten. Einen Überblick über
die Funde des reinen Typus ergibt die Legende S. 553— 556.
2. Der „norddeutsche" Typus (Fig. 13).
\)<-v /.weite Typus der Randäxte ist ebenso kräftig wie der erste.
Die Bahn ist ebenso geradlinig wie dort; allein die Seiten sind von oben
bis unten erst sanft, dann unten, wo die Schaftwangen aufhören, stärker
geschweift; die Schneide ist flach bogenförmig gekrümmt, bald schmäler
(Fig. IIB), bald breiter (Fig. HC). Auch dieser Axttypus tritt in Italien
bereits aus Kupfer auf, nimmt aber dort in <\cv Bronzezeit bereits den
italischen Bahnausschnitt an, während in Prankreich meist die typische
Form der Bahn beibehalten wird. In Norddeutschland ist diese A\i ausser-
ordentlich verbreitet, wie ein Blick auf unsere Karte lehrt, so besonders
in Brandenburg, Pommern, West- und Ostpreussen, desgleichen in der
Provinz Sachsen, Mecklenburg, Hannover, Westfalen, Oldenburg und
Schleswig-Holstein. — Ich möchte daher diesen Typus, um ihn kurz zu
bezeichnen, den „norddeutschen" nennen. Jedoch ist er auch in Skandi-
— 54.") —
iiiivit'ii, in Süddeutschland, in Böhmen und Mähren häufig gefunden worden,
— allein nirgend so häufig wie in Norddeutschland.
Diese Axt variiert alter ausserordentlich, so dase die typische Gestalt
nur in etwa einem Drittel aller Funde auftritt, während zwei Drittel ver-
schiedene Kombinationen in der Form der Bahn and Schneide aufweisen.
Oft ist die Bahn abgerundet, noch öfter zeigt Bie den italischen Au —
schnitt, besonders in Süddeutschland, in seltenen Fällen ist sie winklig.
Ebenso sehr ändert der Schneidenteil ab. Am häufigsten ist er bogen-
förmig und hoch (Fig. HD), selten ganz gerade, noch seltener sehr ver-
breitert. Diese Form scheint so recht \'üv alle möglichen Versuche zu
grösserer Vervollkommnung der Axt benutzt worden zu sein.
In Skandinavien und Grossbritannien wurde sie häufig schön verziert,
nicht nur auf dem Klingenblatt durch gravierte Parallellinien, sondern
auch auf den Seitenflächen durch Facetten oder durch das sog. Kabel-
ornament, eine Sitte, welche auch an einigen Äxten dieses Typus in
Deutschland (Graes in Westfalen und Westerode in Hannover) beobachtet
worden ist, wenn auch nur in sehr einfacher Weise. Solche Exemplare
dienten natürlich nur zur Parade als Zierwaffe.
Fast ein Drittel dieser Äxte zeigt noch auf dem
Klingenblatt eine ganz Hache, breite Rinne, welche
zwischen den Randleisten bis nahe zum Beginn des
Schneidenteils verläuft, offenbar um den Schäftungs-
wangen ein festes Lager zu bereiten (Fig. 13). Diese
Variante fehlt aber bisher in Süddeutschland. wie es
scheint, gänzlich.
Die Chronologie dieses Typus ist aus den be-
gleitenden Funden leicht zu bestimmen, sie fällt mit
der des arnioricanischeii Typus ganz zusammen, wie
dies aus der Legende S. äö(i — öfil hervorgeht.
3. Der ,,süddeutsche" Typus (Fig. 14).
\)rv dritte Typus der Randäxte ist von schlanker Gestalt, zeigt schon
in der .Mitte eine deutliche Verjüngung der Axtklinge, an der Bahn den
italischen Ausschnitt und an der schmalen Schneide einen kleinen flachen
liegen. Auch dieser Typus tritt schon früh im Süden auf, so im Pfahlbau
von Polada tuu Gardasee zusammen mit Lanzen und Pfeilspitzen aus
Silex und triangulären Dolchen aus Bronze, desgleichen in der Auvergne
und im Dep. des Iseie in Frankreich, ist aber in Deutschland in seiner
ganzen Reinheit selten, am häufigsten noch in Süddeutschland, weshalb
wir ihn. um ihn von den andern Formen zu unterscheiden, den süd-
deutschen nennen wollen, wenngleich er in Norddeutschland nicht ganz
fehlt. Dagegen werden die zahlreichen Varianten dieser Form häufiger
gefunden. Vor allem ist die Axt mit vergrössertem liegen der Schneide
häufiger, selten mit ganz grader Schneide; ferner ist die Bahn oft grade,
selten abgerundet.
Die begleitenden Funde ergeben im ganzen dieselbe relative Zeit-
bestimmung wie liei den beiden ersten Typen: doch treten hier schon zu-
— 546 —
weilen jüngere Formen, Lappenäxte, zweischneidige Rasiermesser u. a. m.
auf, welche beweisen, dass dieser Typus sich länger im Gebrauch ge-
halten hat. Vgl. hierzu die Legende S. 561 — 562.
4. Der „sächsische" Typus (Fig. 15).
Eine stärkere Verjüngung in der Mitte gegenüber der Schneide zeigt
schon ilef vierte Typus der Randäxte, den ich den „sächsischen" nennen
möchte, da er in der Provinz und im Königreich Sachsen, in Thüringen
und Anhalt nicht nur nach der Zahl der Fundorte (fast die Hälfte),
sondern auch nach der Zahl der Äxte am häufigsten auftritt, Die grossen
Massenrunde von Bonnewitz. Schkopau, Carsdorf enthalten mehr als
400 Exemplare davon, — im Königreich Sachsen ist er nach den bis-
herigen Krniittelungen fast alleinherrschend.
Das Klingenblatt ist in der Mitte stark eingezogen, die Bahn ist ab-
gerundet (Fig. 15a) oder winklig (Fig. 15b), die Schneide ist breit und
flach bogenförmig. Wenn man alle Randäxte mit runder Bahn zu-
sammenstellt, so kommt die Hälfte auf diesen Typus; die winklige Bahn-
form, welche ja überhaupt selten ist, gehört fast ausschliesslich (vier
Fünfte] aller Fälle) demselben an. Ausser in den oben genannten Ländern
kommt dieser Typus rein noch öfter in Brandenburg, Schlesien, Böhmen
und Mähren vor, fehlt aber auch in Süddeutschland nicht ganz, obwohl
hier, wie in Italien, Prankreich und der Schweiz die italische Balmform
und die tiefere Bogenform des Schneidenteils mit dieser Form der Axt-
klinge verbunden ist (Fig. 16). Jedoch kommen auch viele andere Kom-
binationen von Bahn und Schneide vor, welche hier aufzuzählen unmöglich
ist, — nur das wollen wir konstatieren, dass die Schneide bei diesem
Typus niemals gradlinig zu sein scheint.
Von besonderem Interesse ist es, dass bei einer Axt in Unter-Theinenau
ein verbogener Ring gefunden worden, der wahrscheinlich bei der Schaffung
verwendet worden ist.
Nach seiner Verbreitung zu urteilen, ist dieser Typus, d. h. diese
Kombination der oben geschilderten Eigentümlichkeiten auch hier zu
Lande ausgebildet worden, in den südeuropäischen Ländern kennt man
ihn rein nicht. Das reichste Fundgebiet liegt im Umkreise der alten
Saline Halle, wo diese Form der Axt sehr beliebt gewesen ist Der Zeit
nach gehören diese Äxte in denselben Abschnitt der älteren Bronzezeit,
wie die des „süddeutschen" Typus; auch mit ihnen ist eine Lappenaxt
und ein zweischneidiges Rasiermesser gefunden worden. Die übrigen
zusammen mit ihnen aufgenommenen Gegenstände sind aus der Legende
S. 563 — 566 ZU ersehen.
5. Der Typus der „geknickten" Randäxte (Fig. 17).
Im (Ins Serabrutschen *\cv Verschnürung mich sicherer zu verhindern,
bal man in einzelnen Gegenden Deutschlands die Seitenflächen der Axt
mich aussen eingeknickt. Dieser Typus ist hauptsächlich aus Deutschland
bekannt und zwar besonders aus Hannover und Oldenburg, von wo fast
die Hüllte aller Äxte herstammt. Sie sind durch die Einknickung der
- 547 —
Seitenflächen sehr gut charakterisiert,1« eshalbKo sei nna sie auch „geknickte0
Äxte genannt hat Montelius nennt zwei geknickte Äxte von Orebäcken
in Schonen (Chronologie S. 56 Fig. 164 u. 165), Äxte vom „böhmischen"
Typus, obwohl mir aus Böhmen weder aus der Literatur noch durch
schriftliche Mitteilung des Hrn. Pia ein solches Exemplar bekannt ge-
worden ist. Mit grösserem Recht würde man die Form als „hannoversche"
bezeichnen; da aber schon die obige Benennung von Kussinna existiert,
so halte ich diese beibehalten.
Die Bahn zeigt häufig den italischen Ausschnitt, die Schneide ist ge-
wöhnlich schmal und flach bogenförmig; selten ist die Bahn gerade oder
rund und die Schneide tief bogenförmig oder ganz gerade.
Die Knickung der Seiten befindet sich gewöhnlich in der .Mitte der
Axtklinge; in einzelnen Fällen liegt sie aber auch unterhalb der Mitte
(Fig. 18), selten oberhalb derselben nahe der Bahn. Zuweilen sind die
Bandleisten nur im oberen Teil (Fig. 19), zuweilen nur im unteren Teil
(Fig. 20) vorhanden; endlich kommen auch vereinzelte Exemplare vor. bei
Fol5
holt
Fg.18
Fiq.i9
F.g.20
denen die Knickungsstolle nicht winklig, sondern abgerundet ist. Ge-
wöhnlich sind die Seiten oberhalb und unterhalb der geknickten Stelle
geschweift, selten gestreckt (Fig. 20).
Ähnlich in der Form sind auch viele Meissel, welche häutig an der
Kahn ebenso geschärft sind, wie an der Schneide, also zu den Doppel-
meissein gehören. Dieselben sind jedoch in die diesjährigen^ Arbeiten
nicht aufgenommen.
Auch die geknickten Äxte gehören in den ersten Abschnitt der älteren
Bronzezeit, wie die Legende S. 566 — 568 lehrt.
6. Der Typus der .Janggestielten- Randäxte (Fig. 21).
Eine ganz besondere Form zeigt der sechste Typus der Etandäxte.
Derselbe ist dadurch ausgezeichnet, dass die Axtklinge lang und schmal
und der Schneidenteil halb eiförmig ausgezogen ist, so dass das KJingen-
blatt wie ein Stiel erscheint und die Bezeichnung Langgestielt für diese
ixte passend erscheint. Heierli hat sie Löffelkelte genannt. — - diese
Bezeichnung scheint mir aber nicht glücklich, da von einer Löffeiförmigen
— 548 —
Vertiefung des Schneidenteils nichts bekannt ist. Auch die gewöhnliche
Bezeichnung „Spateiförmige" Äxte, von der Zungenspatel der Ärzte her
entlehnt, ist nicht zweckmässig, weil manche dieser Äxte gar keinen
spateiförmigen Scheidenteil besitzen und doch diesem Typus angehören,
auch mir den typischen Exemplaren zusammen gefunden wurden, wie in
K lüden.
Die Bahn zeigt in den meisten Fällen den italischen Ausschnitt, öfter
ivt sie aber gerade, selten rund oder winklig. Der Übergang vom Klingen-
blatt zum Schneidenteil ist gewöhnlich spitzeckig (Fig. 11 (x), doch fehlen die
Spitzecken oft ganz (G1) (Fig. 22) und in seltenen Fällen wird dieser
Teil lanzettförmig (G2) (Fig. 23).
Dieser Typus ist besonders häufig in der Schweiz und in Ungarn,
kommt aber auch in Deutschland nicht selten vor, wohin er wohl von jenen
Ländern eingeführt sein dürfte, wie die Art seiner Verbreitung es wahr-
scheinlich macht. Wir können ihn sowohl die Rheinebene hinab und
Fiq.X3
F« 2*
F,g2S
FgX6
weiter bis mich der Provinz Sachsen und bis Schleswig-Holstein hin ver-
folgen, wie anderseits durch Böhmen nach Schlesien und Westpreussen
hin. Im (Tanzen gehört diese Axt zu den nicht häufigen Funden; in
vielen Teilen Deutschlands . fast in ganz Bayern, Hessen -Darmstadt,
Thüringen, Braunschweig, Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin, Ostpreussen
ist dieser Typus bisher überhaupt nicht nachgewiesen.
Pur die Chronologie dieser Äxte ist der Fund von Trassein, Kr.
Saarburg im .Museum zu Trier besonders wichtig. Hier wurden mit einer
langgestielten Axt Var. a : B., welche 22,5 cfn lang und 3,7 cm breit und
mit punktierten Linien parallel den llandlcisten verziert ist, zusammen
fünf Randäxte des „norddeutschen" Typus, ein Kurzschwert, eine goldene
Nadel mit Spiralen am Kopfende, ein goldener tordierter King und vier
goldene Lockenhalter gefunden. (Hettner, Korrespondenzbl. der Westd.
Zeit. XXI [1902] S. 139.) Es stimmt dieses Inventur vollständig zu dem
ersten Abschnitt der älteren Bronzezeit, wie auch die übrigen begleitenden
Kunde in der Legende S. 568—571 lehren.
— 549 —
7. Der ..ostbaltische" Typus (Fig. 24).
Ein sehr beschränktes Fundgebiel hal die Randaxt des siebenten
Typus, welche wir mit Tischler die ostbaltische Form aennen «rollen.
Sie ist bisher nämlich fast ausschliesslich in der Provinz Ostpreussen
gefunden worden und dadurch charakterisiert, dass der Schneideteil die
Form eines Spatens hat, während die eigentliche Axtklinge kurz und
schmal ist. Tischler beschreibt sie folgendermassen : ..An den schmalen
von ziemlich hohen Rändern eingefassten Schaft schliesst sich das voll-
ständig halbkreisförmige Blatt, dass oben ohne Seitenränder im rechten
Winkel vom Schaft heraustritt und unten in einer halbkreisförmigen
Schneide endet. Die Gelte der Phahlbauten mit halbkreisförmiger
Schneide sind verschieden, indem die Ränder sich bis zur Schneide er-
strecken". (Schriften der Ph.-ök. (J. in Königsberg 1888 [S. 7]. Nur
wenige Exemplare kennt man noch aus Curland, Westpreussen und dem
polnischen ( irenzgebiet.
Tischler zählte schon zehn Exemplare auf; heute kann ich schon
von sechszehn berichten nach den Aufzeichnungen der Herren Kossinna
nnd Bezzenberger. Sie haben alle in Grossen die Spatenfonn: doch
tritt der obere Rand des Schneidenteils nicht immer rechtwinklig heraus.
wie Tischler meint, sondern ist oft konkav gebogen (Fig. 25). Dies lie-
beweisen die Exemplare von Altona in Curland und von Dresden, welche
Tischler selbst noch diesem Typus zugezählt hat, wie die Legende
S. .">71 - 572 lehrt.
Bisher ist keine Axt dieser Form mit anderen Gegenständen zusammen
gefunden worden, sie scheinen sämtlich Einzelfunde zu sein, bieten daher
keinen Anhalt für ihre Zeitbestimmung. Sie stehen selbst wie Fremd-
linge hier im Norden da, denn ihren nächsten Verwandten begegnen wir
erst in der Schweiz, Südfrankreich und Italien, von wo aber kein zwischen-
liegeuder Fund ein Verbindungsglied darstellt. Wir können daher weder
die Provenienz noch die Chronologie näher präzisieren. Eine merk-
würdige Variante besitzt das K. M. f. V. zu Berlin von Hegermühle in
Brandenburg, an welcher die Schneide nicht halbkreisförmig, sondern
geradlinig verläuft (Fig. 26).
Von den zahlreichen Zwischenformen dieser Randäxte, welche ich
feststellen konnte, genüge es zu wissen, dass fast alle «lenkbaren Über-
gänge vorkommen, die weder in tue Karte noch in die Legende ein-
getragen werden können. Von den mir angegebenen 728 Fundorten von
Randäxten gehörten die Exemplare von t52 Fundorten diesen atypischen
Zwischenformen an.
- 5.30
Legende zu der Typenkarte der Flach- und Randäxte.
Die Lfd. Nr. entspricht der Nr. auf der Karte. — Die Bezeichnung der Varianten
ist für die Form der Bahn aus der Fig. 10 a— g (S. 542) und für die Form der Schneide aus
Fig. 11 A— H (S.543) leicht zu verstehen, während geringe Abweichungen von den abgebildeten
Formen durch Hinzufügung einer Eins zu dem Buchstaben (z. B. a1) oder auch durch
Hinweis auf die nächste Form (z. B. A — B) ausgedrückt werden.
A. Die Flachäxte aus Bronze, -f-
(Die Form ist keilförmig, wenn nichts anderes angegeben ist.)
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
1
Castione,1)
Parma
a : B (vielleicht
Terramare
Montelius, Italic
Pr. Parma, Italien
Kupfer). Ge-
schweifte Form
Text S. 102 Tf. 14
Fig. 2
2
Montale,2)
Modena
a : C a : D. Ge-
Terramare
Ebendort S. 123
Modena, Italien
schweifte Form
Tf. 19 Fig. 2
Sitten,
Berlin, K. M.
a : B. Ziemlich
—
Brunner-Berlin
•'
Wallis, Schweiz
f.V. IV k 677
kupferfarbig.
Geschweift.Form
-1
€oneise,
Ebeudort
a:A-B. Ge-
—
Derselbe
K. Waadt, Schweiz
IVk-JSl
schweifte Form
f i *
5
üttenheim | '&
6
CO
CG
CS '
Benfeld | £t
, Mülhausen
a:B
—
Naue juu. -München
7
f.
Lützel. s
Kant. Pfirt
I
Derselbe
8
Strassburg
Strassburg u.
2 Ex. a : B
_
Freiburg i. B.
9
Rohrhof
Mannheim,
a : B. li* cm 1.
,
Baumann-Mann-
bei Schwetzingen,
S. des Alt. V.
u. G cm breit an
heim
Baden
der Schneide,
2,6 rin breit au
der Bahn. Ge-
schweifte Form
10
IVIichelhacli,
Neuenstein,
a:B
Gef. im
Schliz-Heilbronn
O.-A. Hall,
Schloss S.
Schlossberg
Württemberg
bei d. Ruine
Gabelstein
11
Diirkheim, Pfalz
Dürkheim
a: B
Im Bruch gef.
Mehlis-Neustadt
iL'
Pfalz
Mainz
a:C mit fast ge-
raden parallelen
Seiten. Un-
garische Form
Lindenschmit, A. h.
V. I 1, 3, 1
L, Lindenschmit-
Mainz
13
Marien born
b. .Mainz, Rheinhess.
Wiesbaden
a: B
—
Lindenschmit, A. h.
V. I 1,3,1
l 1
Hombach
Mainz
a: B. 9,9 cm 1.
—
Westd. Z. XX (1901)
bei Mainz
Zinnat in
S. 353 Tf. 12 Nr. 5
15
Schierstein,
Wiesbaden
a : B. Ge-
Aus dem
Ritterling- Wies-
Nasf -ii
Nr. 14379
schweifte Form
Rhein
baden
Bi gleitende Funde. 1) Castione: Randäxte, Lappenäxte, Dolche, Gussform zu
Schwertern; Sicheln; Kämme von Knochen; Tongefässe mit Buckeln. — 2) Montale: Lanzen-
spitze ans Siles und Bronze; Sichel: Dolchklingen; Nadeln; schön verzierter Kamm; Ge-
rät.- von Born und Knochen.
— 55 1
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
.Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
L6
Messen,1)
Giessen
a:B
H. Gr. mit
Mitt. d. Hess. Gesch. -
Hessen-Nassau
10 Sk.
Vereins X. Ergz.-
Heft. Fundbericht
1899—1901 8. 31
Kramer-Giessen
IT
Rotheiidittmold,
Niederhessen
Kassel
a:B
—
PinderS.2fiTf.III 36
IS
Neuwied,
Wiesbaden
a: B
Aus dem
Ritterling- Wies-
Rheinprovinz
J. L511
Rhein
baden
19
Ltacharaeh,
Bonn
b : B. 15 Mi 1.
Aus der S.
Lehner-Bonn
Kr. St. Goar,
J.-Nr. L3 111
Geschweift
Seyler
Rheinprovinz
in Bingen
20
Düsseldorf,
Berlin, K. M.
a : B. 13 cm 1.
—
Osborne, Das Beil
Rheinprovinz
f. V. II 9501
Gr. Br. 8,5 cm
Geschweift
Tf. VIII 11
Brunner-Berlin
21
Ingersleben
b. Erfurt, Sachsen-
Gotha
Erfurt
a:B
(Kupfer?)
~
Zschiesche-Erfurt
29
Erfurt,
Prov. Sachsen
Erfurt
a:B
—
Derselbe
23
Egeln,
Kr. Wanzleben,
Prov. Sachsen
Wernigerode
a : B (vielleicht
Kupfer!)
—
Höfer- Wernigerode
21
Xeuhaldeuslebeu,
Braun-
b:B
Fuhse-Braun-
Prov. Sachsen
schweig,
Privat-S.
Geschweift
schweig
25
Meyenburg,
Schwerin
?:B
Meckl. Jahrb. Bd. 12
Brandenburg
Geschweift
S. 137
Beltz-Schwerin
26
Freyenstein,
Kr. Ostpriegnitz,
üraudenburg
Berlin, K. M.
f. V. If6715
b:B
Bruuner-Berlin
27
Wust,2)
Berlin,
?:B
Dep.
Schlemm-Berlin
Kr. Zauche,
Mark. Prov.-
Mit kaum ange-
Brandenburg
M. Nr. L2079
deuteten Rand-
leisten
28
Nattwerder,
Kr. O-t Havelland,
Brandenburg
Ebendort,
II 16999
a:B
—
Dieselbe
29
Qlogau, i
Breslau
b : B. Ge-
Dep.
Schlesiens Vorzeit,
Schlesien
schweifte Form
VI 2HT Fig. 10
r-Breslan
30
Stachel1)
Prag
c : I). Ge-
Dep.
Richlv. Die Bronze-
bei Saaz, Böhmen
schweifte Form
zeit S. 137 Tf. 37
Fig. 6
31
Sarka-Vokovic
Prag
a.B
Piö-Prag
bei Prag, Böhmen
32
Zümka, Böhmen
Dresden,
S. Osborne
a*:B
—
Osborne. Das Beil
Tf. VIII 6
33
Ungarn
Budapest
6 Ex.
a oder a1 : B
—
Bfarton-Budapesi
:;i
Rndki,*)
Posen,
2 Ex. a : B
Dep.
Posener Album
Kr.Samter. l'r Posen
Poln. M.
Tf. 25 Fig. 3, 1
Begleitende Kunde. I) Giessen: Im Hügel enthalten: Petechaftnadeln; Rad-
nadeln: Dolchklinge; Spiralannringe; Spiralrollen: Zierscheibe; Halsringe u. a. — 2) Wust:
1 Lappenaxt. — 3) Glogau: !) Randäxte, 5 Halsringe mit Endösen, 2 Manschetten und
27 Oberarmringe. — T) Stachel: 2 Rand&xte, l Baisringe mit Endösen. 5) Rndki:
Flachspiralen, Spiralzylinder, Ohrring.
— ->.>■_
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
35
Skarbienice1)
Posen,
a: C. Ge-
Gr. Steinkiste
Pos euer Album
b.Znin, Prov. Posen
Poln. M.
schweifte Form
Tf. 17 Fig. 9
36
Eggesin,
Kr. Ueckermünde,
Pommern
Stettin
IIa 2. 17
a:B
Stubenrauch-Stettin
37
Hagenow,
Meckl.-Schwerin
Hamburg
b:A. 12 cm L,
2,5 cm br. an der
Bahn, 3,8 cm br.
an der Schneide,
mit Spuren von
Hammerschläg.
Schneide stumpf
Moorfund
Hagen-Hamburg
38
(Im) Lüue-
burg (sehen),
Hannover
Hannover,
Nr. 7627
a:B
Reimers-Hanuover
39
Salzhausen,
Kr. Winsen, Hannov.
Hannover,
Nr. 4609
a:B
—
Derselbe
40
Danuenberg,
Kr. Lüneburg,
Hannover
Lüneburg,
Nr. 1050
a:B?
Derselbe
41
Meilendorf,
Kr. Burgdorf,
Hannover
Hannover.
Nr. 4600
a:B
"
Derselbe
42
Oberode.
Hannover,
a:B
—
Derselbe
Kr. Münden,
Nr. 5925
Tewes, Unsere Vor-
Hannover
zeit. Uannov.1898
S. 32
43
Kollheini
bei Bremerhaven,
Bremen
Hamburg
b?:C
12,5 cm 1. Ge-
schweifte Form
—
Hagen-Hamburg
44
Halchter,
Brauu-
2 Ex. a:?u.a:B?
An d. weissen
Fuhse-Braun-
Kr. Wolfenbütte],
schweig,
1 Ex von ge-
Schanze in d.
schweig
Braunschweig
Herzogl. M.
Nr. 1682/83
schweifter Form
Schanzen-
breite und im
Stöckenbusch
45
Pestrnp
bei Wildeshausen,
Oldenburg
Hamburg
a:D
11,5 cm 1.
Hagen-Hamburg
!•;
Kieholm,
Kiel,
a:B mit
—
Krölmke, Untersuch.
Kspl. Gelting,
K. S. 11 L68
fast parallelen
Seiten
vorgsch. Bronzen
Scblesw. -Holstein
Schl.-Hlst.2.Aufl.
Hamburg 1 900 S. 8
Nr. 2
Mestorf-Kiel
IT
Nord-Dlth-
Kopenhagen
e: K
—
Osborne, Das Beil
marseben. Holstein
Geschweift
Tf. IX 1
l.s
Husuiii,
Kiel,
a : B. Ge-
Im Mühlen-
Mitt. d. Antlnop. V.
Schlcsw. -Holstein
K. S. 11 L68
schweifte Form
teich, auf ein.
Wohnplatz
in Schlesw. -Holst.
Heft XV B. 20
Mestorf-Kiel
r.i
Gildendorf,3)
Privatbesitz
a:? Ge-
Im Süder-
Diescllx'
Kspl. Meldorf,
schweifte Form
moor
Scbiesw.-Holstein
50
Dänemark
Kopenbagen
a : H u. a : C
Zinnann.
Teils keilförmig,
teils geschweift
Sophus Müller, Ord-
ning 11 Fig. 125
und Fig. L26
Begleitende Funde. 1) Skarbienice: 1 Randaxt; 2 Schinalmeissel; 1 Stäbchen
mit Km < Imithm. ! Gudendorf: Pr. von Bronze.
553 —
Lfd.
Nr.
F ii ml ort.
Genauere Angaben
Museuni
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur l'und-
geschichte
Nachweis
51
Schonen,
Schweden
Stockholm
a : B u. a : C
Sehr zinnarm.
Geschweift
—
Montelius, S. 21
Fig. ."»1 u. 52
52
Tile,1)
Schonen
Stockholm
b:C. Mit Kabel-
Ornament, auf den
Seitenflächen.
Englisch -irische
Form. Geschweift
Dep.
lorl S. 55
53
Yorkshire,
England
London,
Brit. AI.
a : B. Schön
verziert. Ge-
schweifte Form
Kemble, Horae fe-
rales Tf. IV 4
54
Bandon,
Grafschaft Cork
Irland
Privatbesitz
3 Ex. b : B
22,1 rni 1., reich
verziert auf dem
Blatt u. d. Seiten
der Klinge. Ge-
schweifte Form
Ebendort Tf. IV :!
.Vi
Cork,
Munster, Irland
Berlin, K. M.
f. V. Vdlo
?:C. Ge-
schweifte Form
—
Brunner-Berlin
56
Tara,
Grafschaft Meath,
Irland
London,
Brit. M.
a : B, fast gerade
gestreckt,
12 cm 1.
Kemble, Horae fe-
rales Tf. IV 7
."iT
Irland
Nash Mills,
S. Evans
a:B
—
Evans, Bronze* Im-
plements S. •;.';
58
Hissarlik
Berlin,
K. M. f. V.
a : B, b : B, g : B
Zinnarm
2. Stadt
Troja
Osborne, Das Beil
Tf.VIIIFig.8u.10
Montelius S. 11
Fig. 12
59
Cypern
Stockholm
g:B
Ebendort S. 11
Fig. 11
B. Die Randäxte.
I. Der „armoricanische" Typus
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
1
Teti,
Sardinien
—
a : A
—
Biaterianx pour
l'hist. de rhomme
[884 p.208FigJL26
Schlemm-Brrlin
•>
Ilbano,
Sardinien
Coli. Gouin
Sardinien
a : A
Gr.
Pinza in Monnmenti
antichi V6L XI
1901 p.267Kg.l U
Selil.'inm-Berlin
3
Albasanta,
Sardinien
Ebendort
a : A
Gr.
Ebendort \>. 268
Fig. 1 12
Schlemm-Berlin
1
Bfedocj
Frankreich
St. Germain
en Laye
Nr. L7470
a : A
Type armoricain
Mortui«'. M
preh.Tt66Fig.672
."»
LnzaroheSt
Dep. Seine et Oise
Frankreich
Berlin, K. M.
f. \ . V,i 8 1 1
a? : B IT,.") cm 1.
Mit Rinnenbildg.
Brunner-Berlin
Begleitend.' Funde. 1) Pilo: 11 ßandäzte; Fr. von Dolchen: ."» Halsriuge;
1 Armring: 1 Noppenring u. a. m.
Zeitschrift fOr Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft & :;i;
554
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angab' n
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
6
Estavayer,
Zürich,
a : A1
Pfahlbau
Gross, Les Protohel-
Schweiz
S. Gross
vetes 1883 S. 12
Tf. XIII 10
T
Hageiiau
Mülhausen
8
Offweiler,
Kr. Hagenau
Merzweiler,
Oberbronn
S. Rauch
Kr. Hagenau
a:B
—
Naue jun.-München
. in
Mommenbeim,
Kr. Strassburg
Mülhausen
11
Anenheim,
Kr. Strassburg
12
Rohracker,
O.-A. Canstatt
Württemberg
Stuttgart,
Staats S.
;i:A'?
"
Sixt-Stuttgart
13
Waldsee,
Donaukreis
Württemberg
Ebendort
a:B
Derselbe
U
Degerndorf
Nürnberg,
a.B
H. Gr. Sk.
ScheidemandeLÜber
bei Parsberg,
S. Scheide-
Hügelgräberfelder
Mittelt'ranken
maudel
bei Parsberg I.
S. 10 T1.V9
15
Laubenheiin,
Mainz
a: A
Aus dem
Westd. Z. XVIII
Hessen-Darmstadt
Rhein
Tf.VFig. 17
16
Rettbergan
Mainz
2 Exempl.
Aus dem
Westd. Z. XVII
bei Biebricli,
a : A und
Rhein
S.374Tf.V Fig. 3
Hessen-Darmstadt
d.-B1
und XIX S. 396
Tf. 16 Fig. 8
IT
Trier,
Rheinprovinz
Stettin
Nr. 3696
aJ:B
—
Stubenrauch- Stettin
18
Bingerbrfick,
Bonn
a:A
Aus dem
Lehner-Bonn
Kr. Kreuznach,
J.-Nr. 15061
15 cm 1.
Rhein
Rheinprovinz
19
Heil, Kr. Hamm,
Westfalen
Dortmund
a: A1
Im Moor
-2,~> m tief
Baum-Dortmund
20
Udestedt,
Kr. Weimar,
Sachsen -Weimar
Anderbeck,
Pr. Sachsen,
S. Rimpau
a : A
Höfer -Wernigerode
21
(iosek,
Halle
a:B
H. Gr.
Förtsch, Jahresschr.
Kr. Querfurt,
Am Silber-
f. d.Vorg. d.sächs.-
Prov. Sachsen
graben
thüring. Länder I.
s <;i
Kloptleisch, C. der
Dtsch. A. G. L882
S. 177
Förtsch-Halle
J'J
HobMa.lt.
Kr Sangerhansen
Prov. Sachsen
Erfurl
a:B
Zschiesche-Erfurt
23
\ Hierin iinde, *)
Prenzlan
a : A1 9, [cm 1.
1 lep. I in tief
Schumann in Nach-
Brandenburg
im Kies
richten 1901 8.30
Begleitende Funde. 1) Anger munde: Drei Scheibennadeln; eine schön mit
Spiralen verzierte Gürtelplatte; eine Halsborgc; zwei Handbergen; drei Armspiralen;
eine Hirten itabnadel u. a.
— ÖDÖ
Variante.
Zur Fund-
Lfd.
Fun d 0 it.
Nr.
1 lenauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschi'-htf
Nachweis
24
Hoppeurade
Berlin
a : A 12 cm 1.
KembleHoraeferales
bei Oranienburg,
K. M. r. \.
Tl. IV Fig. 11
Brandenburg
Brunner-Berlin
2.'»
Neustadt a.d.D.,
Neu-Ruppin
a : A 16 cm 1.
—
Begemann, Gymna-
Brandenburg
Zietensches
M. Nr. 1 1 1
2— l,J cm br.
sial-Prograiimi
von Neu - Ruppin
1891/92 S. 12
26
Treptow,
Kr. Teltow,
Brandenburg
Berlin
K. M. f. V.
I f 258
arA1
Bi niiner-Berlin
27
Wustrau,
Ebendort
a : A MitRinnen-
—
Derselbe
Kr. Runpin,
I f 3150
bildung
Brandenburg
28
Wildberg,
Ebendort
a: B MitRinnen-
—
Derselbe
Kr. Rappin,
11 Hol
bildung
Brandenburg
29
Liniini.
Ebendort
a: A1 Mit Rinnen-
—
Derselbe
Kr. Ostbavelland,
I f 289
bildung
Brandenburg
30
Fohrde.
Ebendort.
2 Ex. a : A1 und
—
Derselbe 4702 5-'!
Kr. Westhavelland
If 1752/3
? : B
Brandenburg
31
Königsberg
in der Neumark,
Brandenburg
Ebendort
II 9892
a:B
Derselbe
32
Glasovr,
Kr. Sohlin,
Brandenburg
Berlin, Mark.
Provinz -M.
Nr. 11546
a : A
Torfmoor
Schlemm-Berlin
öö
Langen, *)
Ebendort
a: A
Dep.
Dieselbe
Kr. Ruppin
19773
2' tief im
Brandenburg
Torf
34
Liepiritz-See,
Kr.Nieder-Barnim,
Brandenburg
Ebendort
II L8354
a : A
Dieselbe
35
üsluchow,'2)
Prag
a : A Mittelrippe
Hock er- Gr.
Pic, Starozitnosti-
Böhmen
längs des
Klingenblattes
zeme Ceske I. 1.
S. 116
3G
Doluja Palenica,
Sarajewo
a: A
Im Acker
Mitteil, aus Bosnien
Bosnien
roh gearbeitet
and Eerzeg. VI
(1899 S.524Fig.22
.">7
Klecko am See,
Posen
a : A1
Dep.
Pos. Alb. S. HITf. 19
Kr. Gnesen,
Poln. M.
Fig. 8
Pr. Posen
:'„s
Bromberg,
Pr. Posen
Stettin
Nr. Hill
a:A
—
Stubenrauch- Stettin
39
Passenheim,
Königsberg
i. Pr.
a:B
—
Bezzenberger-
Kr. Orteisburg,
Königsberg
Ostpreussen
Prussia-M.
lu
Podejuch,
Stettin
a: A1
Beim Abtrag.
PL All.. III. TL 11
Kr. Greifenhagen,
Kat.-Nr.1469
des Bahnhof-
Stubenrauch- Stettin
Pommern
terrains
41
Kloekowj
Berlin
a i : B
—
Brunner-Berlin
Kr. Beigard,
K M. f V.
1.2,8 cm 1.
Pommern
Ic 705
Begleitende Funde, r Langen; Zwei Rand&xte. — ■_' Osluohow: Eine tri-
angulär.' Dolchklinge mit fünf Nieten; ein Doppelknopf; Noppenringe; zwei Tongel
— 556
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
42
Mühlenkamp,
Kr. Bublitz,
Pommern
Stettin
1245
a:B
—
Stettiner Monats-
blätter 1896 S. 63. 2
Stuben rauch- Stettin
43
Snccow,
Kr. Saatzig,
Pommern
Stettin
L998
a : A
Auf dem
Acker
Derselbe
44
Vorder-Wendorf
bei Wismar,
Meckl.-Schw.
Schwerin
ax:A
10 cm 1.
Beltz-Schwerin
45
Dannenberg,
Kr. Lüneburg,
Hannover
Lüneburg
1048
a:B
Reimers-Hannover
4<j
Sonnen borstel,
Kr. Nienburg,
Hannover
Hannover
5616
a:B
Derselbe
47
Scharmbeck.
Kr. Osterholz,
Hannover
Berlin
K. M. f. V.
11 284
arA1
Mit Andeutung
einer Rast
Brunuer-Berlin
48
Lüchow,
Hannover
Ebendort
11 23
a1 : A1 lö cm 1.
dünn,
meisselförmig
Derselbe
2. Der „norddeutsche" Typus «»
L0
Caterano,
im Tal des Anio,
Italien
Pouilly s. Saone,
Cöte d'Or,
Frankreicli
Agen,
Dep. Lot et Garonne,
Frankreich
Lessard,
Dep. Cotes du Nord,
Frankreich
Fasanenan
bei Bibrich,
Hessen-Darmstadt
Kelsterbach,
Hessen-Darmstadt
Main/.
Rettbergau
bei Bicbrich,
i a-Darmatadl
Frankfurt a. M.
II' en-Nassau
Rom
K.-Nr.
53741/2
Berlin
K. M. f. V.
Va 839
Mainz
Ebendort
Ebendort
Ebendort
Frankfurt
a. Main
Stadt. Hist.M.
Nr. 37 \ß ii-
.".IST
Berlin
K.M. f. V.
2 Ex. a : B
a:B
a.B
a:C
a: C L6 cm I.
a:C
a1 : C in der
obern Hälfte sind
d. Seiten schwach
nach aussen
gewölbt
a':B 13,4 cm I.
2 Ex.~a:C
L2,0 ii. L2,8 cm I.
a:B
Dep.
Aus dem
Rhein
Im Main
nahe der
Sclnveden-
schanze gef.
Aus dem
Rhein
Ebenso
Ein Ex. in
einer Kies-
grube in
Westend gef.
Colini im Bull. d.
Paletnologia IX
(1903) S. 214
Brunner-Berlin
Materiaux pour
l'hist. de l'homme
IV (1868), S. 24
Fig. 16
Mortillet, Musee
preh.Tf.66Fig.663
Westd.Z.XXI(1902)
S. 427 Tf. VII
Fig. IS
Westd. Z. XXII
(1903) S. 122
Tf. IV Fig. 7
Ebendort Fig. 8
Westd. Z. XIII S. 293
Tf. IV Fig. 7
Welcker - Frankfurt
a. M.
üsborne. Das Beil,
Tf. IX (i
— 557
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
11
Schwarz,
Kr. Alsfeld, He
Giessen
a:B
H. Gr. Sk.
Mitt. des Geschichts-
vereins in Giessen,
X. Ergänzungs-
heft. Fundbericht
S. 63
12
Laufen
a. d. Salzach,
Oberbayern
München
Staats-S.
a:C
~
Birkner-München
i:'.
Plavnic1)
Prag
a:C L7,8 cm 1.
Dep.
Richly, Bronzezeit,
b. Hudweis, Böhmen
6,8 cm breit an
der Schneide
S.122;Tf.2S,Fig.7
1 1
Sobenitz')
Ebendort
a:C
Dep
Ebendort S. 135,
bei Leitmeritz,
in einem
Tf. 35, Fig. 1-:.,
Böhmen
Tongefäss
u. Tf. 86, Fig. 10
i:>
ßollwitz,
S. Stimming
a:B
Moorfund
Voss und Stimming,
Kr. Brandenburg
in Branden-
Vorg. AI. au- der
a. d- H.
burg
Maik Brandenb.
L887 I, Tf. Vi!
IG
Kyritz,
Prov. Brandenburg
Schwerin
a:C 11 cm 1.
—
Beltz-Schwerin
17
Königsberg
i. d. Neumark,
Brandenburg
Berlin
K. M. f. V.
II 9893
a : C Bahn befeilt
—
Brunner-Berlin
IS
Lunow,
Kr. Angermünde,
Brandenburg
Ebendort
II 11040
a:C
Derselbe
l'.i
Prenzlau
Berlin
a: B mit Steg-
Coquische
Schlemm-Berlin
(aus dem Kreise),
Märkisches
und
S.
Brandenburg
Pr.-M.
II 18246
Rinnenbildung
20
Febrbellin,
Neu-Ruppin
a1 : B 9,M cm 1.
—
Begemann. Die vorg.
Brandenburg
Zietensches
M. Nr.: (TS
2,0 — 4,3 cm Kr.
Alt. des Zieten-
schen M. I S. 10
21
Melle iiau3)
(Arnimshain),
Uckermark,
Brandenburg
Prenzlau
a:C
Dep. Moorf.
Schumann, Nachr.
1901, S. 79
22
Potzlow,
Kr. Templin.
Brandenburg
Berlin
K. M. f. V.
II 2332
a?:B
~
Brunner-Berlin
•);;
Mohriu,
Ebendort
a : B Andeutung
—
Derselbe
Kr. Königsberg
i. d. N.,
Brandenburg
II 9891
einer Rast
24
Scliönfeld,
Ebendort
a : B roher Guss,
_
Derselbe
Er. Arnswalde,
IL f. 3119
kupferfarbig
Brandenburg
25
Grausee.
Kr. Ruppin,
Brandenburg
Ebendort
I f. 2! IT
a : C 11 cm 1.
Derselbe
26
Alt-Mellentin,
Berlin
a:Bj
Im Acker
Schlemm-Berlin
Kr. Soldin,
Märkisches
gef.
Brandenbarg
Pr.-M. L1547
Begleitend'' Funde. L) Planne : Drei Rand&xte, zwei cyprische Nadeln u. a. m. —
2) Sobenltz: Viele Rand&xte der Varianten b:C und f:C desselben Typus: massive offene
Halsringe. — 3) Mellenau: 2 Absatz&xte; 3 Scheibennadeln; r> Armspiralen; 2 Brillen-
spiralen: I Halsbergen; 4 Halsringe; 1 Halsring mit Endösen; 1 Spule: 1 Sichel: Reste
von :'. Goldspiralen, von l Tongefäss u. a. m.
558 —
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Anganen
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
27
Kl.-Dübzow,
Stettin
a:C
Unter einem
Phot, Alb. III Tf. 11
Kr. Stolp, Pommern
K. Nr. 1096
Stubben
Stubenrauch-Stettin
28
Bliesen,
Danzig
a : B 12,5 cm 1.
Lissauer, AI. d.
Kr. Graudenz,
7 cm br. an der
Bronzezeit, S. 11,
Westpreussen
Schneide
Tf. III 6
Conwentz-Danzig
29
Mariensee,
Ebeudort
a : C 15,3 cm 1.
_
Ebendort Fig. 8
Kr. Carthaus,
0,5 cm br. an
Conwentz-Danzig
Westpreussen
der Schneide
30
Greulsberg,
Kr. Pr. Holland,
Ostpreussen
Ebendort
a^B
Derselbe
31
Lötzen, Ostpr.
Königsberg
Prussia-M.
a:C
—
Bezzenberger-
Königsberg
32
Rauschen,
Kr. Fischhausen,
Ostpreussen
Ebendort
a:C
~
Derselbe
Ol
. 1. 1
Gerinau,
Kr. Fischhausen,
Ostpreussen
Ebendort
a:C
Derselbe
34
Tilsit, Ostpr.
Königsberg
Prussia-M.
a:B
—
Bezzenberger-
Königsberg
35
Altpreussen und
Masuren
Ebendort
2 Ex.
a : B u. a : C
—
Derselbe
36
Carlswalde
in Litauen, Ostpr.
Ebendort
a:C
—
Derselbe
:i<
Bromberg,
Prov. Posen
Stettin
a:C
—
Stubenrauch-Stettin
38
Posen
Berlin
K.M.f.V.
Id 10'. ii'
a : B 15,1 cm 1.
—
Brunner-Berlin
39
Schulpforta,
Halle
a:B 11 cm 1.
Förtsch
Kr. Naumburg,
Prov. Sachsen
40
Reideborg,1)
Berlin
a : B ziemlich
Dep.
Brunner-Berlin
Saalkreis,
K.M.f.V.
schmal mit
Prov. Sachsen
11 4152
Quergrat
11
Kläden,2)
Salzwedel
3 Ex. a:C
Dcp.
7. Jahrosb. des Alt-
Kr. Stendal,
13,3 — 17 cm 1, u.
märkisch. V. Neu-
Prov. Sachsen
4,7—5,9 cm br.
an der Schneide.
Zwei davon mit
Andeutung einer
Rast
haldensleben 1844
S. 11 Abb. 2
Zecblin-Salzwedel
Höi'er- Wernigerode
42
(Quedlinburg,
Prov. Sachsen
Quedlinburg
■1 Ex.
a : B u. a : C
2 Einzel f.
Höfer-Wernigerode
1.'.
Crumpa,
Kr. Querfnrfc,
Prov. Sachsen
Berlin
K. M. f. V.
rg L307
a:C
—
1 Iranner-Berlin
II
Osterfeld,
Ebendort
a : B Andeutung
Derselbe
Kr. Weissenfe] .
Ig 2238
einer Rast
Prov. Sachsen
Begleitende Funde. I) Reidcburg: '_' Salsringe mii Endösen; 1 Armspirale. —
2) Kläden: '.» Bandäxte; l Speerspitze.
559
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
N'aehv, eis
1.".
Wieserode,
Mansfelder
Gebirgs-Kr..
Prov. Sachsen
Berlin
K. \l. f. V.
Ig 327
a:B kupferfarbig
—
Brunner-Berlin
w
Sachsenburg,1)
Kr. Eckartsberga,
Prov. Sachsen
Berlin,
K M. f V.
Ig 3370b
a:B
H. Gr.
1 »■ reelbe
IT
Osterburg,
Prov. Sachsen
Berlin
Mark. M.
11 9693
a:C
In der
Hellried
Schlemm-Berlin
48
1!»
Wetzlar,
Rheinprovinz
Sassenburg,
Kr. Warendorf,
Westfalen
Bonn 1928
Münster
S. d. Y. f.
G. u. A.
K. Nr. 7/8
a : B 1 1,8 cm 1.
2 Ex. a : C
10 u. 12 cm 1.
Ein Ex. an der
Sehneide defekt
Jn der Ilaide
Lehner-] tonn
Wonnstall -Coesfeld
;.o
Riosenbeok,
Kr. Tecklenburg,
Westfalen
Ebenderi
Nr. 11
a : B s cm 1.
—
Derselbe
:.i
Alstiitte,
Kr. Ahaus, Westf.
Ahaus
S. d. A. V.
a:B 12 cm 1.
Andeutung einer
Rast
Im Sande
gef.
Derselbe
52
Borken,-)
Kr. Borken, Westf.
Haus Offer
Ldkr.
Münster
a : B S cm 1.
—
Wormstall -Coesfeld
.")." !
Alten-Bork,
Kr. Lüdinghausen,
Westfalen
Dortmund,
a:C
Zwischen
2 H.-Gr.,
1,24 in tief
im Sande
Daum-Dortmund
:>i
Thedingen,
Kloster, Kr. Leer,
Hannover
Emden
a:B
Moorf.
8' tief
Reimers-Hannover
55
Lüuebnrg,
Umgegend,Hannov.
Hannover
7628, 1620
2 Ex.
a : B und a : C
—
Derselbe
56
Wendisch- ßvern,
Kr. Lüneburg,
Hannover
Ebendbrt
L3844
a : C
Derselbe
.")7
Holthusen,
Kr. Ülzen, Hannov.
Ebendort
13 838
a:C
—
Derselbe
58
Bargfeld,
Kr. Ülzen, Hannov.
Ebendort
1612
a:B
—
Derselbe
.">!>
Wölpe,
Kr. Nienburg,
Hannover
Ebendort
5613
a :C
1 h rselbe
(Kl
Bttckeburg,
Schaumburg-Lippe
Ebendort
IIS
a:B
—
Derselbe
iil
Scbeessel
bei Rotenburg
Hannover
1 Limburg
a^B
Hagen-Hamburg
62
Pestrup
bei Wildeshausen,
Oldenburg
Ebendort
a : B 8,7 cm 1.
sehr kräftiges Ex.
Derselbe
63
Bechterfeld,
Ann Vechta,
Oldenburg
Oldenburg
a:B schlanke
Kenn. 1 1,87 cm 1.
Martin
Begleitende Funde 1) Sachsenburg: l Kurzschwert-; Flintgeräte 1 Badnadel).
— 2) Borken: 1 Ex. desselben Typus mit der Variante a : F.
— 560
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
(14
Linswege
bei Westerstede
Oldenburg
Oldenburg
a : B 10,8 cm 1.
schlank
Martin
65
Wildesbausen,1)
Ebendort
2 Ex.
Dep. auf
Derselbe
Oldenburg
Gesamtfund
Nr. 36
a : B und a : C
Stegemanns
Kamp im
Dünensaude
15' tief gef.
66
Osterlindern,
Amt Cloppenburg,
Oldenburg
Ebendort
a : C 7,63 cm 1.
Derselbe
67
Eitzum am Elm,
Gandersheim
a:B
Fuhse-
Kr. Wolfenbüttel,
Priv. S.
Braunschweig
Braunschweig
Ribbentrop
68
Linden,
Berlin
a : B Andeutung
—
Brunner-Berlin
Braunschweig
K. M. f. V.
II 927
einer Rast
69
Wendhoff2)
bei Roebel,
Meckl.- Schwerin
Schwerin
a : C mit Steg
Dep.
Friderico-
Francisceum S. 65
Beltz-Schwerin
70
Vielist3)
bei Waren,
Meckl.-Scbwerin
Schwerin
a:C 10 cm 1.
Dep. 1 m tief
im Moor
Beltz-Schwerin.
71
Kargow
bei Waren,
Meckl.-Schwerin
Privatbesitz
a : C 15 cm 1.
—
Derselbe
72
Waren,
Güstrow
a: C
Einzelfund
Derselbe. Vergl.
Meckl.-Schwerin
Meckl. Jahrb. 67,
S. 1(17
73
Marnitz
Schwerin
a : C 12 cm 1.
Angeblich
Friderico-Francis-
bei Parchim,
Gr.
ceum S. 71
Meckl.-Schwerin
Beltz-Schwerin
71
Kalsow
bei Wismar,
Meckl.-Schwerin
Ebendort
a : C 14,5 cm 1.
Im Torf
Derselbe
75
Wietow
bei Wismar,
Meckl.-Schwerin
Ebendort
a : C 13 cm 1.
—
Derselbe
76
Heinrichsliagen4)
Neustrelitz
a:B 11,3 cm 1.
Dep.
Olshausen, B. V.
bei Woldegk,
1. 1 cm br. an
188C S. 433.
Meckl.-Strelitz
der Schneide
77
Oldersbeck, )
Kr. Husum,
Si-hlesw.-Holst.
Berlin
K. M. f. V.
Im L151
a^B
Hrunner-Berlin
7s
Hockern»,
Kr. Apenrade,
Schlesw.-Holst.
Ebendort
Im 819
a : C mit Rast
—
Derselbe
7'.»
Terkelsbiill,
Ksp. Tinglaff,
Schlesw.-Hol t.
Kiel 2433
a:B
Mestorf-Kiel
Kröbnke, Untersuch.
vorg. Br. IL Aufl.
S. 10 Fig. 6
Begleitende Funde. I) Wilileshauseii: 2 geknickte Randäxte; 1 Lanzenspitze;
1 Badnadel; I massiver Bing; I Nadelschaft. — 2) Wendhoff: Glatte Halsringe. -
3) Vielisl .: Glatte Binge mit Endösen oder spilz zugehend. — I) Ileinrichshageii: 1 Rand-
axt desselben Typus mit Variante b:C; '! offene glatte Halsringe; 1 Doppelmeissel:
I goldene Bpiralfingerringe and I Punzenstift. — 5) Oldersbeck: 1 Randaxt desselben
I j pus mit der Variante d : C.
561
Lfd.
Nr.
Fun dort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
80
Bichel,
Kspl. Bosau, '
Schlesw. -Holst.
Kiel 6019
a:B
—
Meetorf-Kiel
Kröhnke, ebendort
Nr. 17
sl
Neustadt i. H.,
Schlesw.-Holst.
Ehcndort
6173
a : C
—
1 dieselbe
Kröhnke, Nr. L9
82
Lübeck
Ebendort
7940
a:C
—
Dieselbe
Kröhnke, Nr. 25
89
Torslanda,1)
Kspl. Tierp,
Uppland. Schweden
Stockholm
a:C
Dep.in einer
Kiesgrube
Montelius, Chrono-
logie S. 58
sl
Schonen,
Schweden
Berlin
K.M. f. V.
II 4104
a:C
"
Brunner-Berlin
85
Norwegen
Christiania
a : B
—
Rygh, Norske Obl-
sager 1885 Fig. 95
86
Trier
Trier G. 78
a-b : C
1870 am
Ausfluss des
Altbaches in
die Mosel
gel'., im
Stadtgebiet
des römisch.
Trier
Hettner, Illustr.
Führer p. 116 Nr.9
Graeven-Trier
87
Kenn,2)
Kr. Tier
Trier
P. M. L530
a:B
—
Graeven-Trier
88
Fussgönheim.
Pfalz, B.-A. Speyer
Speyer
2 Ex. a : C
Hildebrand-Speyer
3. Der „süddeutsche" Typus
«irgenti. Sizilien
Palermo,
Geolog. M.
d
B1
Polada,3)
Am Garda-See,
bei Desenzano,
Prov. Brescia
Desenzano,
S. Rombotti
3
f
Ex.
B
Anvergne,
Frankreich
< lambridge
Haas.
Peabody M.
d
:B
Vienne,
Dep. [sere,
Frankreich
St. Gennain
en Laye
'
B
Karsai,
Lothringen,
Frankreich
Verdau
d
:B
Pfahlbau
Schoetensack in Z. f.
E.1897S.24Fig.27
Montelius. Italie
S.ölTf. 1 Fi- L5
Mortillet ]£us< •
preh.Tf.66Fig.659
Ebendort Fig. 665
F. Barthelemy in
Bfemoires de la
d'archeoL
lorraine .">iiie serie
XVII L889 S.262
K. un. -Metz
Begleit en de Funde, l) Torsliinda: Kino schöne ornamentierte Lansenspitxe ;
eine Lochaxt. Ende der I.Periode. — 2) Kenn: Zusammen mit einer Lappenaxt. —
3) Polada: Lanzen und Pfeilspitzen aus Silex; triangulärer Dolch; Gerate aus Holz.
Stein und Ton.
— 562
Lfd.
Nr.
in
II
12
l:i
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
L5
IT
is
L9
Weizen1)
Lei Stühlingen,
Baden
Essingen,-)
O.-A. Aalen,
Württemberg
Miesbach)
Ober-Bayern
Steiuheini,
Hessen-Darmstadt
ßayerseich 3)
im Kranichsteiner
Park,
Hessen-Darmstadt
Dornheini)
Kr. Gross-Gerau,
Hessen-Dannstadt
Frankfurt a. M.
Stallberg4)
bei Eossberg,
Hessen-Nassau
Gerbstadt,
Mansfelder Seekr.
Prov. Sachsen
Leubingen,5)
Kr. Eckartsberge
Prov. Sachseu
LHtgenhof)
bei Grevesmühlen,
Meckl.-Schwerin
Riil/heiin, Pfalz,
B.-A. Germersheim
Wertheim)
Ebendort
< . i in priu,
Liechtenstein
Kavlsrulie
K. N.
IGT — 471
Stuttgart,
Staats-S.
Miesbacli,
S. des Alt. V.
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
Darmstadt,
Kabinets-M.
Darm stadt
Frankfurt
Nr. T0O0
Cassel
Halle
Halle
Schwerin
Speyer
Speyer
Bregenz
d:B
f:B
d:B
d:B
d:B
d:B
d:B-C
Die Ecken der
Schneide ab-
gerundet
d : B IT cm, 1.
d:B Rand-
leiste nur in
der Mitte
d: B
f ? : B 12,5 cm 1.
unten etwas mehr
verbreitert
als der Typus
e:B
e:C-D
f:C-l)
H. Gr.
H. Gr.
Im Stein-
bruch
H. Gr.
Aus dem
Main
gebaggert
H. Gr.
Mit Holzbau
Moorf.
H. Gr.
Photogr. Alb. VII
Tf. 13
Fuudberichte aus
Schwaben (1898)
II S. 4
Sixt-Stuttgart
Naue sen .-München
Dielte nbach, Zur Ur-
geschichte der
Wettprau, Darm-
stadt 1840. S. 293
Tf. I Fig. 14
Koller im Arch. f.
Hessische G u. A.
III, S.263Tf.IX
Fig. 14
Müller-Darmstadt
Müller-Darmstadt
Welcker-
Frankfurt a. M.
Pinder, Bericht . . .
18T8S.21Tf.T-S
Förtsch-Halle
Mitt.des sächs. -thür.
Y. XIV (1878)
S. 556
Förtsch-Halle
Meckl.Jahrb.IVS.38
Bcltz-Schwerin
Hildebrand-Speyer
Derselbe
Much, Atlas Tf. 23
Fig. 8
Begleitende Funde, l) Weizen: I Schwert; 1 Dolchklinge; 1 Nadel mit ge-
chwollenem Hals. - 2) Essingen: 1 Dolch; I geschwollene Nadel; 4 Armringe und
2 Goldringe. 3) Bayerseich: 2 Armringe; i Absatzaxt; ! grosser Dolch und 2 Petschaft-
nadeln. In andern Gräbern desselben Friedhofs befanden sich noch 3 Bz. von 2 Varianten
pus: I. a:B 18 cm I. und 5 cm gr. Br. mit Resten des Holzschaftes zu-
sammen mit einer ge chwollenen dnrchlochten Nadel; 2. a:B zusammen niit Tonschale,
und Dolch; ■'•. d:G mit Beaten des Efolzschaites. — 1 Staüberg: 1 Lanzenspitze.
— ."») Lenblngen: I Randaxt b: F desselben Typus; Dolche: Steinwerkzeuge. — 6) Liitgen-
hof: 1 Halsring und I Dolch ältester Form.
563 —
4. Der „sächsische" Typus
[id.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Museum
Genauere An-
Nachweis
Nr.
Genauere Angaben
gaben
geschichte
1
Pähl,
Weilheim,
c:B-C
Bioorf und
Naue jen.-München
Ober-Bayern
S. des M.Ver.
8' tief
•>
Holirdorf
bei Messkirch,
Baden
Konstanz
b:C
Leiner-Konstanz
0
Erplingen,1)
Stuttgart,
2 Ex.
H. Gr.
.Sixt -Stuttgart
O.-A. Reutlingen,
Staats-S. und
b:0
Württemberg
Urachsche S.
1
Thiergarte»,
Stuttgart,
b:C
—
Präh.Bl. L889, S. 1 '•
Hohenzollcrsches
Privat-S.
Tf. IV 3
Douauthal
.">
Kassel,
Hessen-Nassau
Berlin, K. M.
f. V. II 10845
b : C
—
Brunner-Berlin
6
Schlau,2)
Prag
3 Ex. b : C
In Herd-
l'ir. < lechy prSdh. I
Böhmen
mit beginnender
Stegbildung
gruben und
Hockergr.
S. 189 Tf. V T
i
Oberklee3)
Wien und
12 Ex.
Dep.
Richly, Bronzezeit
(Sobechleby),
Prag
c : C c:Fu.c:F
.">( ) cm tief
S. 133 Tf.34
Bölimen
14,4 - 14,9 cm 1.
in einer
Schüssel
8
Maskovic,4)
Böhmen
Prag
b:C
Dep.
EbendortS.104Tf.19
Fig. 8
Ü
Plavnic,5)
Ohrad bei
:; Ex.
Dep.
EbendortS.122Tf.28
Böhmen
Frauenberg
in Böhmen
b:Cf:Du.f:E
13,1—18,7 cm 1.
4,5-6,1 cm br.
an der Schneide
mit Andeutung
einer Rast
20 cm tief
Fig. 1.4.6
10
Sarka-Vokovk-
bei Prag,
Bölimen
Prag
2 Ex.
a : C u. c : C
Einzelfunde
Piö-Prag
11
Unter-Themeuau)
Wien
3 Ex.
Dep.
Szombathv in Wien.
bei Eundenburg
2=c:C l=a:C
Mitt. XIII 1883
Mähren
Zinnarm
L0.8 12,2 cm 1.
Die grösste Axt
ist an der
Schneide (>.<> an,
in der Mitte
1,3 cm breit
S. 77
12
Miersdorf,
Berlin,
3 Ex. b : C
Dep.
Brunner-Berlin
Sachscn-KoburLr
K. M. f. V.
II 9503 5
eine mit schwach
Rastbildung
i:i
Mittelbausen7)
Erfurt,
3 Ex
Dep.
Zschiesehe-Erfurt
bei Erfurt,
s.
b:C
in einem
Sachsen -Weimar
Zschiesche
b : P u. c : 1 '
Tongefäss
Begleitende Kunde. 1) Erpflngen: Nadeln: L Anhanger; 1 Zängchen; 1 Finger-
ring; Nieten; Haken; 1 Bernsteinperle: l Feuersteinpfeilspitze. _ Schlau: In den
Herdgruben: l DnStic-Nadel; Gerate \on Stein und Knochen. In den Gräbern: Hing.':
Ohrringe aus goldenem Doppeldraht; Steinaxt. 3] Oberklee: 21 Halsringe mit Endösen;
L Armspirale mit 7 Windungen u. a. m. I Kaskoviv: Brüchen; Schwertklinge; Scheiben-
nadel; Armringe; Tüllenaxte u. a. m. — 5) Plavnic : l Randaxt; l Meissel; 2 cyprische
Nadeln u.a.m. t'O Unter-Theinenau: 1 lingförmig zusammengekrümmter Stab, 22 cm 1.
und 6 8mm dick, der wahrscheinlich zur Bei Schaftes diente. 7 Mittel-
liaiisen: l massiver Halsring und l Armring.
564
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Museum
Genauere An-
gaben
Nachweis
Nr.
Genauere Angaben
geschichte
14
Wanden1)
Dresden
2 Ex.
Dep.
Sitzungsb. d. Isis
bei Lommatzsch,
b : B u. c : C
30 cm tief
1884 S. 75
Kgr. Sachsen
Zinnarm
in einem
Tougefäss
Montelius, Chrono-
logie S. 40 Nr. 16
Der Fundort liegt
auf der Flur Wau-
den (Jessen)
Deichmüller-
Dresden
L5
Carsdorf2)
Dresden und
o3 Ex.
Dep.
Deichmüller-
bei Pegau.
Pegau
a : C u. b : C
in einem
Dresden
Kgr. Sachsen
davon 25 Ex. mit
flacher Rast
Tongefäss
•
16
Oetzsch,
Dresden
b:C
Bei der
Derselbe
Bez. Leipzig,
mit flacher Rast
Feld-
Kgr. Sachsen
bestellung
IT
Beimewitz,
•200 Ex. in
297 Ex.
Dep.
B. V. 1879 S. 414
Kr. Halle a. d. S.,
Berlin K.M. f.
a:B b:C und
im Jahre
Brunner-Berlin
Prov. Sachsen
Y., .">5 Ex. in
c:D
1879
Förtsch-Halle
Hannover, 14
Im Durchschnitt:
ausgepflügt
Fuhse-Braunschwg.
Ex. in Dres-
17 cm 1., an
Höfer - Wernigerode
den, 2 Ex. in
der Schneide
Braun seh wg ,
7 cm breit und
2 Ex.
350 g schwer
Anderbeck
S. Rimpeln
17
Gröbcrs
Dresden,
b:C
—
Osborne, Das Beil
bei Halle a. d. S.
S. Osborne
Tf. IX 9
19
Hansneindorf)
Kr. Aschersleben,
Prov. Sachsen
Quedlinburg
2 Ex.
b:C
Höfer -Wernigerode
20
Dederstedt,
Eisleben
11 Ex.
Li einem
Jahresschr. f.d. Vorg.
Mansfelder Seekr.
b:C
Topf mit
d. sächs.- thüring.
Prov. Sachsen
Asche und
Knochen
Länder I S. 141 u.
Tf. XVII
21
Bemistedt,
ebendort
Berlin, K. M.
f.V. Ig 3392
b:C
—
Brunner-Berlin
•)•)
Halle a. d. S.,
Prov. Sachsen
Stettin
5010
b:C
—
Stubenrauch -Stettin
23
Oster fei d,
Kr. Weissenfels,
Prov. Sachsen
Halle
c:C
12 cm 1.
Förtsch-Halle
24
Sehkopau,
(i Ex. in
li»! Ex. b:B
Dep.
Derselbe
Kr. Merseburg,
Halle,
c : C und c : D
1821
Höfer -Wernigerode
Prov. Sachsen
7 Ex. in
8-16,6 cm 1.
gefunden
Deichmüller-
Wernigerode,
Zum Teil von
Dresden
2 Ex. in
rohem Guss und
Prcusker, Blicke in
Dresden
noch nicht
gedengelt
und
geglättet
die vaterl. Vorzeit
II 184:; S. 151
Tf. I Fig. 5:;
IL Jahresber. des
Thüring.-Sächs.V.
Naumburg 1822
S. 11 Tf. I a u. b
Montelius, Chrono-
logie 8. 43
Begleitende Funde. I« Wanden: I trianguläre Dolchklinge; 19 Halsringe mit Endöse;
8 offene, glatte oder quergestrichelte Arm- oder Fussringe; 4 tonmierte desgl.; S schmale
Armspiraleu (eine voll tändig mit 11 Windungen); viele Ringe und Bernsteinstücke. —
:.' Carsdorf: f. Hai ringe mit Emiöse: I offener Halsring mit schwach verjüngten Enden;
3 offene dicke Arm- oder Fussringe.
— 565 —
Lfd.
Nr.
•_'< i
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
31
36
38
Crumpa,
Kr. Querfurt,
Brov. Sachsen
Kalbe a. d. S.,
B -B. Magdeburg,
Prov. Sachsen
Insel,
Kr. Stendal,
Prov. Sachsen
Meli riii gen,
Kr. Bernburg,
Anhalt
Giersleben,
Kr. Bernburg,
Anhalt
Ilbersdorf,
Kr. Köthen,
Anhalt
(Jollbogen,1)
Kr. Zerbst, Anlialt
Lindau,
Kr. Zerbst, Anhalt
Sadersdorf,2)
Kr. Guben,
Brandenburg
Tankow,
Kr. Friedeberg,
Brandenbu
Lippeluie,3)
Kr. Soldin,
Brandenburg
Lautren,4)
Kr. Buppin,
Brandenburg
Granowo,5)
Kr. Buk, Posen
Weisdorf,6)
Kr. Ohlau,
Schlesien
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
Berlin,
K. M. f. V.
Ig 1308
Ebendorl
II ll.'.la
Berlin,
Mark.
Pr.-M.
1 Ex. in
Bernburg,
2 Ex. in
Aschersleben
Privat-S.,
1 Ex. in
Berlin. K. M.
f. \ . II b 31
Kühnau
Nr. Ulla
Ilbersdorf, S.
des Herrn
Eckstein
Kühnau
Nr. 1 ! I
Ebendort
Nr. 117
Guben
Berlin,
K. M. t. V.
If 37:io
Ebendort
E. f. II 48. Od
Berlin,
Miirk M.
L9722
Posen,
Polniseb M.
Breslau
b:C mit
schwacher
Rastbildung
b oder c : C
b:C
5 Ex.
B und b
8 Ex.
a:B b:B d:I
und 5 Ex. = b : C
11,(')— 17,3 cm 1
c:C
b:C
9,8 cm 1.
b:C
6 Ex.
c:C
b:C
b : C
2 Ex.
b:0
c:C
L69 (/ Gewicht
7 Ex. b : C und
c : C Zinnann
r_'.7 vin l.
oben 2.<»r»(|
mitten L,8 „ br.
unten 5,6 - I
Dcp.
in einem
Tonerefäss
üep. L831
in einem
Tongefäss
gefunden
Einzelfund
Dep.
in einem
Tongefäss
Dep.
< )..'! m tief in
einem Topf
zwischen
Baum-
wurzeln
Dep.
im Moor
Im Torf
gefunden
Dep.
Dep.
in einem
Tongefäss
Brunner-B rlin
Derselbe
Schlemm-Berliu
Seelmann-Alten
Derselbe
Derselbe
Derselbe
Derselbe
Jentseh-Guben,
Nachrichten L893
S. 59—63
Brunner-Berlin
Derselbe
Schlemm-Berlin
Pos. Alb. Tf. X 14
SchlesiensYorzeitVl
S.3U6, VII S.357
u. .".1 I
-Breslau
Begleitende Funde. 1) Gollbogeu: 1 SchvertgriiY; _1 Sichel u.a. 2 saders-
dorf: 2 ineinandergedrehte Armspiralen, in welche die 6 ixte eingeiogen waren, ab-
wechselnd mit der Schneide uach oben und unten gerichtet; I kleinerer und 2 grössere
dicke Ringe. 3) Lippehue: 3 ovale, offene Hing-, massiv und an de,, Enden verjüngt.
— 4) Langen: 1 Bandaxt. — 5 «Uauowo: 6 trianguläre Dolche: 1 Sehwcrt>tab: 5 Bais-
ringe mit Endöse: 9 teilweise ganz geschlossene dicke Armring. - 6 Weisdorf: 17 offene
Riuge, teils mit Bndöse, teils mit glatt abgeschnittenen Enden.
5(56
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
39
Glogan,1)
Breslau
10 Ex.
Dep.
Schlesiens VorzeitVI
Schlesien
b : B und b : C
in einem
Tongefäss
S.29G, VHS. 354
Montelius, Chrono-
logie S. 37
Se^er-Breslau
in
Karschau,2)
Ebendort
b : C 22,5 cm 1.
Dep.
Schlesiens VorzeitVI
Kr. Nimptsch,
oben 2 cm | ,
unten 10 „ J Dr-
S. 172 Tf. 7
Schlesien
Seger-Breslau
41
Zedlitz bei Breslau
Ebendort
b:C
Derselbe
42
Wirwitz,3)
Ebendort
4 Ex.
Dep.
SchlesiensVorzeitVi
Kr. Breslau
b:C
S. 307 VII S. 358
Seger-Breslau
43
Rügen, Pommern
Berlin,
K. M. f. V.
Ic 1583
2347/8
3 Ex. 1 ? : C
und 2 b : C
12,25-14,3 cm 1.
Andeutung einer
Rast
Brunner-Berlin
44
Leisterförde
Privat-S. in
b:C
Moorfund
Beltz-Schwerin
bei Boizenburg,
Mecklenburg
Mit Stegbildung
Meckl.-Schwerin
15
Köhleu, Kr. Lehe,
Hannover
Hannover
5539
c:C
—
Reimers-Hannover
IC
Reher,
Kiel
b:C-D
H. Gr.
Kröhnke, Unter-
Ksp. Schenefeld,
G125
Mit Linien-
Sk. in einer
suchungen II. Aufl.
Schleswig-Holstein
gruppen an den
Stein-
S. 22 Nr. 36
Seiten verziert
packung
Mestorf-Kiel
5. Der Typus der „geknickten" Randäxte *
Mainz.
Laugenlonsheim
Kr. Kreuznach
Rheinprovinz
Mainz 3 Ex. 2 = f:C
l = a?:C. 1 Ex.
besitzt einen Steg
mit einer Borte,
die mit einem
Fischgräten-
muster und
schraffierten
Dreiecken ver-
ziert ist. Bei dem
2. Ex fehlt die
Randleiste in der
oberen Hälfte u.
beim dritten liegt
die Einknickung
unterhalb der
Mitte. 11,1 bis
\ '■'</> cm lang
Bonn 1931 d : B II Cm laue
2 Ex. aus dem
Rhein
1 Ex. in der
Umgebung
derStadtgef
Sk. Gr. auf
der Sohle
eines Grab-
hügels mit
Nach-
liestattungen
aus der Hall-
statt- und rö-
mischen Zeit
Westd.Z.XIVS.387
Tf. 14 Fig. 12;
XIX S. 396 Tf.
XVI Fig. 9 und
XXI (1902) S. 427
Tf. 7 Fig 21
Lehner Bonn
Begleitende Funde. 1) Wlogan: 32 teils dicke, massive, fast geschlossene Ringe,
teils dünnere mit Endöse; 2 manschettenartige Armbänder. — 2) Karsehau: Triangulärer
Dolch; flacher Hammer. — 3) Wirnil z. 8 Osenringe.
— 51 17
,fd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
•'
Thicrschneck ' i
bei Camburg
Sachsen- Weimar
Jena
d:C 13,4 cm 1.
3,0 cm an der
Knickiingstelln
and 1. 1 cm an der
Schneide br.
H. Gr.
Kloptleisch in
Correspondenzbl.
d. Deutschen an-
throp. G. 1*71
S. 78
■1
Hobenhausen,
Lippe-Detmold
Detmold
a : B 10,3 cm 1.
Martin-Oldenburg
5
Nordhansen,
Prov. Sachsen
Nordhausen
Nr. 1 1 1
Kossinna-Beilin
6
Thale,2)
Kr. Aschersleben,
Prov. Sachsen
Berlin
K.M. f. \.
II 10 64]
a:B
Dep.
Brunner-Berlin
7
Soden
bei Allendorf,
Hannover
Göttingen
Stadt. M.
Kossinna-Berlin
8
Aligser Heide,3)
Kr. Burgdorf,
Hannover
Hannover
5222
a:D
H. Gr.
aufderHeide
Lindenschmit, A. h.
V. I. 1. 3. 20
Reimers-Hannover
«.)
(nxhafen,
Oldenburg
Cuxhafen,
S. Reinecke
Kossinna-Berlin
Ki
Garistorf,4)
Amt Winsen a. L.
Hannover
Hamburg
a:A— B
1 1 .."» cm 1. Der
Rand ist oben
teilweise gekerbt
und mit kleinen
Halbmonden
verziert
Dep.
Hagen-Hamburg
11
Lüneburg,
Umgebung
Hannover
13803
a: ß
Reimers-Hannover
1-J
>
o
§
Daunen berg,
Kr. Lüneburg
Lüneburg
L051/2
2 Ex. c : B und
a : ? Andeutung
einer Rast
Derselbe
13
K
Bokeloh,5)
Kr. Neustadt
Hannover
IG 159
a:B
In einer Kies-
grube •">//( tief
Derselbe
11
bc
Amt
Veciita
Oldenburg;
Nr. 8
a:B 11,6 cm 1.
2,12 cm breit an
der Schneide,
meisselartig
Kossinna-Berlin
Martin-Oldenburg
15
3
,0
Rethwisch6)
b. Goldenste dt
Ebendort
Nr. 160
H. Gr.
Kossinna-Berlin
16
•X3
o
Wildes-
hansen 7)
Ebendort
Gesamtfund
Nr. 36
2 Ex. a : B
11,37 u. 14,67 cm
lang
Dep. 1875
auf Stege-
mannsKamp
15' tief im
Dünensande
Derselbe
Martin-Oldenburg
Begleitende Funde. 1) Thierschueek: Eine schön verzierte Dolchklinge mit
erhabener Mittelrippe und verbreitertem Griffansatz; drei „Säbelnadeln" mit Kopföse:
•.'Armringe: Knochenpfriemen; Steingeräte; Tongefässe. — 2) Thale: 1 Randaxt: 1 Dolch:
1 Lanzenspitze: Armbergen; Armspiralen; runde Zierknöpfe; kegelförmige tutuli. —
3) Aligser Heide: 1 Feuersteinpfeilspitze. — 4) Garistorf: Eine schön ornamentierte
trianguläre Dolchklinge; 1 Rasiermesser: eine verzierte Pinzette; eine oben schön ver-
zierte Nadel mit doppelkegelförmigem Kopf und 1 Nadel mit kreuzförmigem Kopf und
umgebogenem Hals. — 5) Bokelob: 1 Dolchklinge. — 6j Kethwisch: 1 Wetzstein au>
Kieselschicfer: 1 Pfeilspitzen aus Feuerstein. — 7) Wildeshausen: 1 Radnadel; 2 Rand-
äxte: 1 Lanzenspitze: 1 Armring und 1 Nadelschaft.
— 568 —
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
17
iE
3
Grapper-
hanser
Mark
Amt Yechta
Oldenburg
a : B 12,00 cm 1.
Die Seiten
ausserhalb der
Knickung
gestreckt
H. Gr.
Kossinna-Berlin
Martin-Oldenburg
18
O
Thienfelde,
Amt
Delmenhorst
Ebendort
a : B 11,62 cm 1.
Seiten stark
geschweift
Dieselben
1!)
Xeu-Böddeken,1)
Kr. Büreu
Westfalen
H. Gr.
Kossinna-Berlin
20
Wüstenfelde,2)
bei Neu-Kalen
Meckl. -Schwerin
Schwerin
b:B
mit Stegbildung
1 _'..") cm lang
Dep.
Beltz-Schwerin
21
Oldersbeck,
Kspl. Mildstedt
Schlesw.-Holstein
Kiel 11086
a:B
Einzelf.
Mestorf-Kiel
22
Vildbjerg,
Jütland,
Dänemai'k
Kopenhagen
a:B
Osborne, Das Beil
Tf. IX 12
23
C
►rebäcken,3)
Schonen,
Schweden
Stockholm
2 Ex. e : E und
e:G Andeutuug
einer Rast.
Unterhalb der
Einknickungsind
die Leisten zu
kleinen Lappen
entwickelt.
Montelius, Chrono-
logie S. 56
6. Der Typus der „langgestielten" Randäxte I
1
Chainoson,4)
Wallis, Schweiz
Zürich
d : G 1 ohne
Spitzecken
Gr.
Hecerli & Oechsli,
Urgeschichte des
Wallis S. 10G (10)
u. 121 (28) Tf. I 8
->
Pont de la Morgre
bei Sitten, Schweiz
Genf
d : G > mit An-
deutung einer
Rast, ohne
Spitzecken
Ebendort S. 110 (14)
S. 121 (28) Tf. I 9
• >
i - :»
Liddes, Wallis
Conthey und
Savlese, Wallis
Bern
d : G1 ohne
Spitzecken
Ebendort S.10G (10),
110 (14) u. 124 (28)
Ebendort
c
Bevaix, Kanton
Neuenburg,
Schweiz
Biel
Plahlb.
Ebendort
7
Genf
Zürich
■1 Ex. a?:G2
28,5cm 1.-7 ro.>]>.
25 mm br. an der
Schneide, Ge-
wicht 17.") resp.
I.Vi g.
Schneidenteil
lanzettförmig
Im
Rhonebett
gefunden
Ebendort
Anzeiger f. schwei-
zerische Altert.
VII (1894) S. 359
Tf. XXV
Begleitende Funde. 1) Neu-Böddekcn: 1 Kurzschwert; 1 Petschaftnadel. —
2) Wüstenfelde: •'! andere Eandäite. — •'!) Orebäcken: I Meissel. — 1) Chainoson:
1 trianguläre Dolchklinge mit 2 Nictlöchern und 1 Scheibennadel.
— 569
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichti
Nachweis
8
Döle,
Schw. Jura,
Frankreich
a : I'1
Chantre i Mat>riaux
pour l'h. de l'h.
1878 S. 213 Fig.
113
9
Käme1)
f:G
Gr.
Fonrnier, ebendort
a. d. Durance
S. 155 Fig. 91
Dep. Haute* Alpes,
Frankreich
10
Türkheini,
Kr. Colmar, Elsass
Colmar
a : G l ohne
Spitzecken
Naue jun. -München
11
Hagnau
am Bodensee,
Baden
Konstanz
a : G neben den
Randleisten
noch eine zweite
Leiste
Li'iner-Konstanz
12
Hietsehenhausen,
Kaisers-
In der Nähe
Mehlis-Neustadt
Pfalz
lautern
Privat S.
F. Schneider
eines
Bruches
13
Michelfeld,2)
Heilbronn
drG1
H. Gr. an
Schliz-Heilbronn
0. A. Hall,
Ohne Spitz-
der Strasse
^'iirtemberg
ecken
nach
Gnadenthal
14
Mägerkingen,3)
0. A. Reutlingen
Württemberg
Stuttgart
Staats-S.
2 Ex. d:G?
H. Gr.
Sixt-Stuttgart
15
Haid,
Ebendurt
Ebcndort
d:G?
H. Gr.
Derselbe
16
Kehren,4)
0. A. Tübingen
Ebendort
2 Ex. c : ?
H. Gr
Derselbe
17
Grossenlüder,5)
Kr. Fulda,
Hesseu-Nassau
Kassel
Kossinna-Berlin
18
Eining,
Kegensburg
'{ : G Der obere
Steinmetz - l^gens-
Oberpfalz, Bayern
Teil ist
abgebrochen
burg
19
Slan,
Slan
b?:G Oberhalb
Pic, Starozitnosti
Böhmen
der Schneide ist
das Blatt mit
(i konzentr.
Halbkreisen ver-
ziert. Längs des
Klingenblattes
verläuft eine
Mittelrippe
zemeCeskelS.ll-i
Fig. 22.
20
Putsch,6)
Breslau
1 Ex. 3 a:G
Dep.
Rfertins in Schle-
Kr. Leobscbütz,
1 = e : G Der
siens Vorzeit VI
Schlesien
Schueidcnteil
durch Parallel-
linien schön
vorziert
S. 321
Montelius, Chrono-
logie S. 39 Fig. 92
S( !g< r-Breslau
21
Glogau.
Schlesien
Dresden
a:B
I leichmüller-
Dresden
Begleitende Funde. 1) Käme: 1 Dolchklinge mit •'. Nietlöchern; 1 schön ver-
ziertos Stirnband und 1 durchlochtcr Bärenzahn. — S Michelfeld: 1 Spiralarmband. —
») Mägerkiiigen: 2 Armringe ; 2 Nadeln. — 1 Kehren: l Schwort: 1 Lanzenspitze; 1 mit
Gold verzierte Nadel; 2 goldene Fingerringe. — I Grossenlüder: l geknickte Randaxt.
— 6) Putsch: 10> Randäxte: IT Halsringe mit Endösen nnd 7 Armspiralen.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahr-. 1904. Beft 5. '■'<'<
570
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
Schönau,
Kr. Glogau,
Schlesien
Skarlnniec,1)
bei Znin, Posen
Carthaus,
Westpr.
Sobbowitz,
Kr. Danziger Höhe
Westpr.
Butzow,
Kr. Anklam
Pommern
Qnasteuberg
bei Stargard,
Mecklenb.-Strelitz
Ferdinandshof,
Kr. Uckermünde,
Brandenburg
Berlin
K. M. f. V.
Ie 119
Posen
Poln. M.
Danzig
Ebendort
Stettin 4111
Neubranden-
burg
Nr. 15S5
Berlin
K. M. f. V.
1c 1722
Bahn beschädigt,
Schneide fehlt.
Stil 1!» cm 1.
2,4 cm br.
d:G
a : G * 32 ein 1.
4 cm br. an der
Schneide
Ohne Spitzecken
aiG1
ohne Spitzecken
f:G
a:G
2 Ex.
a.-G1 24,8 cm 1.
a : C 17,2 cm 1.
Gr. (?)
Bohlen,
Dresden
f:D
Auf dem
Sitzuugsb. d. Isis
Kgr. Sachsen
Felde gef.
1899 S. 22
üeichmüller - Dres-
den
Olbersdorf2)
Görlitz
f:E
Dep. beim
Preusker, Blicke in
bei Zittau,
Aufnehmen
die vaterl. Vorzeit
Kgr. Sachsen
einer
Schanze auf
den Kaiser-
I (1841) S. 139
Tf. I Fig. 47
Deichmüller-
feldern am
Kalteustein
Dresden
Klädeii,3)
Berlin
4 Ex. d : B
Dep.
7. Jahresbuch des
Kr. Stendal,
K.M. i.V.
a : G1 und d : G1
Altmärk. V. S. 11
Prov. Sachsen
Ig 945/6
21,5—33,7 cm 1.
Fig. 4 — 7
Salzwedel
2,1—8,3 cm br.
Montelius, Chrono-
S. d.Altmärk.
an der Schneide
logie S. 44 Fig.
V.
120—121
Zechlin-Salzwedel
Höfer- Wernigerode
Leubingen,
Halle
a:G
H. Gr.
Mitt. der Sächsisch-
Kr. Eckartsberga,
20,5 cm 1.
mit Holzhau
thüring. V. XIV
Prov. Sachsen
S. 556
Fort seh- II alle
Moriirkau,
Kühnau
i:(i
Seelmann-Alten
Kr. Dessau,
K.Nr. 158 e
21 cm 1.
II' tz. Anhalt
In einer
Mergelgrube
mit mehre-
ren Äxten in
einem Kreise
liegend gef.
Brunner-Berlin
Posener Alb. Tf.
XVII 10
Lissa.uer , Alt. d.
Bronzezeit S. 20
Tf. XI IG
Conwentz-Danzig
Ebendort S. 20
Stubenrauch-Stettin
Eissauer
Brunner-Berlin
Begleitende Funde. 1) Skarbinlec: I Flachaxt; 2 Schmalmeissel und 1 Stäbchen
mit Einschnitten. — 2) Olbersdorf: 49 Äxte. - 3) KlSdcn: 9 Randäxte; 1 Meissel;
I Speer pitze und 1 Nadel.
— 57]
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
34
Leiberg,
Kr. Büren,
Westfalen
Münster
K. Nr. 70
? : G beschädigt
18 cm 1.
Gr.
Z. d. V. f. G. und
Alt. Westfalens X
S. 218
Wormstall-Coesfeld
35
Mar [aspring,
Landkr. Göttingen,
Hannover
Hannover
5923
a:C
In einer
zertrümmer-
ten Urne (!)
Lindenschmit , A.
h. V. I 1. 3. 1"
Müller-Reimers, Alt.
Tf. VT 54
Reimers-Hannover
36
Harsefeld,
Kr. Stade,
Hannover
Ebendort
5442
a:G
Derselbe
37
Hüllen
bei Eckernförde,
Schleswig-Holstein
Kiel
6125
a:D
Montelius, Chrono-
logie S. 21 Fig. 5(3
Kröhnke , Unter-
suchungen S. 22
Nr. 37
38
Skegrie, ')
Schonen,
Schweden
Stockholm
d: G1
Dep. unter
einem
grossen Stein
Montelius, Ebendort
S. 5G Fig. 163
39
Zala-Szeut-Gröth,
Koni. Zala,
Ungarn
Budapest
a:E
Arch. Ertesit. 1904
S. 178 S. 177 Fig. 3
Marton-Budapest
In
Ungarn,
In verschiedenen
Fundorten
Budapest
6 Ex.
Märton-Budapest
41
Trassein,2)
Kr. Saarburg,
Rheinprov.
Trier
a?:B
etwas bestossen
22,5 cm 1.
• !,7 cm br.
Verziert mit
punktierten Li-
nien parallel
den Randleisten
Depot (?)
Hettner im Korre-
spondenzblatt der
Westd. Z. XXI
(1902) S. 139.
Graeven-Trier
7. Der „ostbaltische" Typus A
Altona
in Curland
Gegend von
Heydekrug (?)
Ostpreussen
IMllkoppen,
Kur. Nehrung,
Ostpreussen
Riga
Dresden
angeblich
aus Hallo
Königsberg
l'rovinzial-M.
2 Ex. a : H
a : H mit bogen-
förmigem oberen
Rande des
Schneideuteiis
a:H
Tischler in Schrift.
der Phys. ökon. G.
1888 [S. 7]
Katalog der Rigaer
Ausstellung 1896
Tf. III Fig. 3
Hausmaun-Dorpat
Tischler ebendort
Osborne, Das Beil
Tf. X Fig. 3
Kossinua-Berlin
Tischler ebendort
Bezzenberger-
Könij,rsberg
Bogleitende Funde. 1) Skegrie: l geknickte Axt und 2 Lanzenspitzen. —
2) Trassem: 5 Randaxte von norddeutschem Typus d:C, d:D und d:G; 1 Kurzschwert;
1 goldene Nadel mit Spiralen am oberen Endo: 1 goldener tordierter Ring; l goldene
Lockenhalter.
— 572
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
4
ScllillilHMl.
Kr. Tilsit,
Ostpreussen
Königsberg
Prussia-M.
a:H
Tischler ebendort
Bezzeuberger-
Königsberg
5
Zeidischken,
Kr. Ragnit,
Ostpreussen
Königsberg
Prussia-M.
a:H
Dieselben
G
Kapnrnsclie,
Heide,
Ostpreussen
Ebendort
a:H
Bezzenberger-
Königsberg
i
Duiikersliöfen.
Kr. Königsberg,
Ostpreussen
Desgl.
■'> Ex. a : H.
Teilweise defekt
Derselbe
8
Gegend von
Insterburg(J)
Ostpreussen
Insterburg
S. d. Alt. V.
a:H
Tischler 1. c.
9
Warnakallen,
Kr. Pillkallen
Berlin
K. M. f. V.
a:H
Tischler 1. c.
Brunner-Berlin
Voss, Merkbuch Tf.
III G
10
Spiegels,
Kr. Kastenburg
Ostpreussen
Königsberg
Prussia-M.
a:H
Bezzenberger-
Königsberg
Tischler 1. c.
11
Dcmbowitz,
Kr. Neidenburg
Ostpreussen
Königsberg
Prussia-M.
a:H
Bezzenberger-
Königsberg
12
Willenberg,
Kr. Orteisburg
Ostpreussen
Ebendort
a:H
Derselbe
13
Dohlen,
Kr. Osterode
Ostpreussen
a:H
Derselbe
11
Montowo,
Kr. Lübau,
Westpreussen
Posen
Poln. M.
Kossinna-Berlin
15
Provinz Preussen
Berlin
K. M. f. Y.
a:H
Tischler, 1. c.
Brunner-Berlin
i«;
Luszezcwo
am Goplo-See,
Kr. Slupca,
Polen
Posen
Poln. M.
a:H
14,5 cw 1.
275 y schwer
Dicht am
Ufer des
Sees in
einem Torf-
lager gef.
Posen er Arch. Mitt.
IS.57Tf.2lFig.5
Kossinna-Berlin
— 573
II. Die Typenkarte der Ruder- und Scheibennadeln.
(Hierzu Kartenbeilage II.)
A. Die Rudernadeln.
Ilrierli erklärte richtig, dass der Ausgangspunkt dieser Nadeln in
den früh verbreiteten Rollennadeln zu suchen ist. bei denen die Rolle
offenbar zum Durchziehen eines Fadens für die Befestigung der Grewand-
falte diente. Denn vor Erfindung der Fibeln vertraten bekanntlich die
grossen Nadeln deren eigentliche Aufgabe, die Kleider zusammenzuhalten,
indem ein Faden oder eine Schnur quer über die Grewandfalte von einem
lande der Nadel bis zum anderen gespannt und dann festgeknüpft wind.-.
Dieser Faden wurde bei der Fibel später durch einen festen Bügel ersetzt,
ich möchte ihn daher kurz als Bügelfaden bezeichnen. Dm aber die leichte
Verschiebbarkeit der einfachen Rollennadeln einzuschränken, schlug man
den oberen Teil des Schaftes dicht unter der Rolle breit und platt, wo-
durch derselbe zu einem besonderen Glied der Nadel erhoben wurde. Die
Egxr
fyi8
Fig.W Fig39
**-j
F.a3f
Nadel bestand nun aus Rolle, Kopfplatte1) und Schaft (Fig. 27). Die
Kopfplatte wurde bald mehr oval, bald mehr rhomboidal gebildet, — so
Lange sie aber klein blieb, machte die Nadel immer den Eindruck einer
Bollennadel. Wir nennen daher diese Nadeln noch zweckmässig Rollen-
nadeln mit Kopf platte (Fig. 28).
Allmählich wurde die Platte immer mehr dekorativ entwickelt und
die ganze Nadel zu einem Schmuckstück umgestaltet. Man machte die
Platte entweder lang und schmal, wie ein gewähnliches Ruderblatt (Fig. 29
oder man machte sie spatenförmig mit glatter, spiegelnder Fläche, so dass
Virchow diese kenn Spiegelnadeln nennen konnte (Fi-. 30), oder man
liess sie oval, machte sie aber grösser und breiter und verzierte sie reich
mit gravierten Linienbändern und schraffierten Dreiecken (Fig. 31). Efi
1) Streng genommen sollte dieser Teil eigentlich als Ealsplatte bezeichnet werden;
da derselbe sieh aber bald zum eigentlichen Kopf der Nadel entwickelt, so ziehen wir es
vor, ihn gleich von Anfang an als Kopfplatte einzuführen.
— 574 —
ist nicht zu verkennen, dass alle diese Nadeln eine Ähnlichkeit mit kleinen
Rudern haben, daher ist der von Bayern eingeführte Name „Rudernadeln*
für dieselben auch ganz zweckmässig. — Die Einrollung am oberen Ende,
gleichsam das Zeichen ihrer Abstammung von der einfachen Rollennadel,
durfte an keiner dieser Nadeln fehlen, da sie zum praktischen Gebrauch
durchaus notwendig war; sie wurde nur mit der Verbreiterung der Platte
ebenfalls breiter. Wo die Entwicklung dieser Rudernadeln aus den ein-
fachen Rollennadeln zuerst stattgefunden hat, ist aus dem bisher vor-
liegenden Material nicht mit Sicherheit zu ermitteln. Wir finden die
ersten Stufen dieser Entwicklung schon im Pfahlbau des Varesesees, ferner
in Wallis, in Württemberg, in Hessen-Darmstadt, in Ungarn, Mähren und
Böhmen, weiter nördlich allerdings nicht; die langen schmalen kennen
wir nur aus dem Kaukasus und (wie es scheint) auch aus Ungarn; die
schön ornamentierten grossen ovalen ferner nur aus dem Wallis und aus
Hessen-Darmstadt; dagegen kommen die spatenförmigen grossen (die Spiegel-
nadeln) ausschliesslich im Kaukasus, auch die mittelgrossen nur in Böhmen
und Ostpreussen vor, während die ganz kleinen, wie Anhänger aussehende,
nur in Hessen-Darmstadt gefunden worden sind. Dazu kommt die ver-
schiedene Zeitstellung der einzelnen Funde. Während die walliser, böh-
mischen und hessischen Funde der älteren Bronzezeit, der Periode der
Randäxte (Montelius I — II), die ungarische Nadel von Tökes der Periode
der Tüllenäxte (Montelius II— III) angehören, müssen wir die Nadel von
Fritzen wegen des begleitenden Bügelringes in die jüngere Bronzezeit
und die kaukasischen bekanntlich in die Hallstattzeit setzen. Es ist daher
ein typologischer Zusammenhang dieser Gruppen zueinander ausgeschlossen.
Wahrscheinlich hat sich die Entwicklung dieser Formen aus der allgemein
verbreiteten und langlebigen Rollennadel an verschiedenen Punkten zu
verschiedenen Zeiten selbständig vollzogen, so in der Schweiz, in Ungarn,
Böhmen und im Kaukasus, — ein Fall von reiner Konvergenz in der
Prähistorie. Der reiche und einheitliche Depotfund von Dexheim weist
allerdings auf eine Verbindung mit dem Wallis hin, da nur an diesen
beiden Punkten die grossen, schön ornamentierten ovalen Rudernadeln
auftreten; dagegen spricht einstweilen das vollständige Fehlen der spaten-
förmigen Nadeln in der Schweiz. Weitere Funde können diese Fragen
erst zur Entscheidung bringen. Vgl. hierzu die Legendi1 S. 578 — 580.
B. Die Scheibennadeln.
Die Versuche, die Rollennadeln immer weiter zu Schmucknadeln um-
zugestalten, waren mit den Rudernadeln noch nicht erschöpft. Man gab
der Platte eine runde (Fig. 32), seltener elliptische Scheibenform (Fig. 33)
und perzierte sie immer mehr entweder mit getriebenen grösseren oder
kleineren Buckeln (Var. b, Fig. 34) oder mit gravierten Parallellinien
in Gestall eines Kreuzes (Var. e) oder in Form von Kreisen, Spiralen
Var. c) oder Zickzackbändern (Var. d, Fig. 35—37) oder endlich man
kombinierte mehrere dieser Ornamente — selten Hess man sie ganz glatt
(Var. ;i. Fig. 38), häufig erstreckt sich das Ornament noch auf den oberen
— r>7.r) —
Teil des Nadelschaftes, [mmer aber wurde der obere Rand eingerollt,
offenbar weil dieser Nadelteil für die Punktion unentbehrlich war. Wo
die Einrollung zu fehlen scheint, ist sie sicher abgebrochen. Zuweilen
half man sich dann durch Einschlagen von Löchern am oberen Rande
oder in der Mitte der Scheibe, wie in Schabernack, Wellendorf und Voss-
w inkel.
Diese Scheihcnnadeln haben nun eine weit grössere Verbreitung, als
die Rudernadeln. Während wir von diesen nur wenige Exemplare über-
haupt kennen, welche weithin zerstreut von Norditalien und dem Kaukasus
bis nach Hessen-Darmstadt und Ostpreussen gefunden worden sind, kennen
wir von jenen allein in Deutschland 29 Exemplare (24 runde und
5 elliptische), welche fast sämtlich aus Norddeutschland herstammen, davon
Fio.n
Fiq.31 V
W\
FaM
Fq3?
1*2 aus Hannover. Wir nennen diese Form daher kurzweg den „nord-
deutschen" Typus der Scheibennadeln. Nur zwei runde Exemplare stammen
aus Württemberg. Eine runde Nadel B 4641 im Museum zu Kopenhagen stammt
aus einer Privatsammlung ohne Angabe des Fundortes, wahrscheinlich aus
Norddeutschland, wie ich auf Grund unseres vorliegenden Materials vermute,
und nicht aus Jütland, wie dort angegeben ist.') Die Scheibe selbst ist
rund, zeigt aber eine Gruppe elliptischer gravierter Linien, welche von
einem Kranz von kleinen Buckeln umgeben ist: die oben« Umrollung fehlt
— dafür ist die .Mitte der Scheibe durchlocht. — Die Schweiz besitzt!
sowohl runde, wie elliptische Scheibennadeln, ebenso l ngarn, dagegen
Böhmen nur drei runde Exemplare.
Die Form und Ornamente der Schweizer Nadeln sind den nord-
deutschen, böhmischen und ungarischen so ähnlich, dass wir eine Be-
1 Diese Notiz verdankt« ich der freundlichen Mitteilung des Hrn. Sarauw in
Koj eahagen.
576 —
ziehung dieser Gruppen zu einander für wahrscheinlich halten müssen,
wenn auch die weite Entfernung von Wallis bis nach Norddeutschland
einerseits und bis nach Böhmen und Ungarn andererseits bisher nur durch
eine Fundstätte in Württemberg überbrückt werden kann. Wir müssen
auch hier weitere Aufschlüsse von der Zukunft erwarten.
Was nun die Chronologie betrifft, so lehren die Fundberichte, dass
die runden und elliptischen Scheibennadeln in Lehmke, Mellenau und
Angermünde mit Randäxten, in l'nter-Rissdorf sogar mit Halsringen aus
Kupfer und Schleifennadeln aus sehr zinnarmer Bronze zusammen ge-
funden worden sind; es kann also kein Zweifel darüber obwalten, dass
sie bereits zu Beginn der Bronzezeit hier in Gebrauch waren. Die mecklen-
burgischen Exemplare scheinen indess nach Beltz schon einem jüngeren
Abschnitt anzugehören, und in dem Giesserfunde von ^Iaskovice ist eine
grob gearbeitete runde Scheibennadel mit Fragmenten von Tüllenäxten
zusammen gefunden worden. Demnach steht es fest, dass dieses Schmuck-
gerät in Deutschland und Böhmen bis tief in die ältere Bronzezeit hinein
(Montelius I — II) beliebt war, wenn auch nicht in dem Masse, wie die
zum Teil gleichzeitigen Radnadeln. Vgl. hierzu die Legende S. 580 — 58-1.
Reinecke hat die Chronologie der Scheibennadeln (Wiener Mitt. 1902
S. 113) hauptsächlich nach der Art der Ornamentierung bestimmt, indem
er die gravierten im allgemeinen für die ältesten, die gebuckelten für die
jüngeren und die mit Spiralen verzierten für die jüngsten erklärt. Unsere
Bestimmung nach den begleitenden Funden führt nicht ganz zu demselben
Resultat. An einigen Nadeln kommen sowohl gravierte wie gebuckelte
Ornamente vor (Dröne), während andere Nadeln mit nur gebuckelten Ver-
zierungen zusammen mit Randäxren gefunden worden, wie schon oben
angeführt. Dagegen sind freilich die mit entschieden jüngeren Beigaben
zusammen gefundenen Nadeln sämtlich gebuckelt.
Merkwürdig ist es, dass in keinem Funde eine Scheibennadel mit
einer Radnadel zusammen auftreten, obwohl sie in Hannover demselben
Gebiet und derselben Zeit angehörten.
Die einzige Beziehung, wrelche zwischen beiden
Schmuckstücken nachweisbar ist, zeigt eine Nadel
von Niedergörne im Museum zu Halle. — Wir wissen,
dass in Nordwestdeutschland die Radnadeln mit drei
Ösen und einem verbreiterten, mit drei Ringen ver-
zierten Rande sehr beliebt waren, während die
Scheibennadeln >tet> eine Einrollung des oberen
Randes aufweisen. Die Nadel von Niedergörne (Fig. .')'.')
hat nun eine volle gebuckelte Scheibe, aber statt der
oberen Einrollung drei Ösen und eine gleiche Rand-
\\ie die entsprechenden Radnadeln offenbar ein Versuch,
Fiij.39
fläch
beide Formen zu kombinieren, dm- aber keine weitere Nachahmung ge-
funden hat.
I'.i-t die Hälfte dieser Nadeln stammt ans Gräbern, hei vielen sind
ausdrücklich Hügelgräber angegeben; die anderen Kxemplare sind einzeln
in .Meeren, auf dem Acker oder in grösseren Depots gefunden worden.
— .)< <
C. Der ostbaltische Typus der Scheibennadeln mit plattem
bandförmigem Spiralkopf (Fig. 40 .
In jeder Beziehung abweichend verhalten sich die Scheibennadeln
mit bandförmigem Spiralkopf. Hervorgegangen aus den Nadeln mit
drahtförmigem Spiralkopf, indem die äusseren zwei bis drei Windungen
des Drahtes bandartig platf geschlagen wurden, kommen sie fast aus-
schliesslich im ostbaltischen Küstengebiete vor, in Kurland, Ost- und
Westpreussen und Pommern; selbst «las eine Exemplar ans Sammenthin
im Kreise Arnswalde, Prov. Brandenburg, liegt noch so nahe der pommer-
schen Grenze, dass es kaum eine Ausnahme von dem obigen Satze hildct.
Diese Nadel gehört eigentlich nicht mehr zu den Scheibennadeln im engeren
Sinne, da sie niemals die Einrollung des oberen
Randes besitzt; nur die Scheibenform des Kopfes
und die anmittelbare Fortsetzung in den geraden
Nadelschaft bietet eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen
dar. Wir kennen von dieser nordostdeutschen Form
bisher etwa 20 Exemplare, von denen acht aus ( )st-
preussen, zwei aus Westpreussen, acht aus Pommern
und je eine aus Kurland und Brandenburg her-
stammen. Die Fundorte sind, soweit dia Fund-
geschichte bekannt ist, teils Hügelgräber, teils Moore
und liegen häufig nahe der Küste Der obere Teil des Xadelschaftes ist
oft tordiert und die Spiralscheibe selbst durch ein anhängendes Kettchen
verziert.
Auch die Zeitstellung dieser Scheibennadeln ist völlig verschieden von
den bisherigen Formen. In Rantau wurden mit ihnen zusammen ein
Axthammer und Osennadeln mit seitlicher Öse gefunden, wonach sm in
den letzten Abschnitt der älteren Bronzezeit gehören; doch berichtete
Bezzenberger, dass in dem Depotfund von Tilsit schon jüngere Bronzen
und in dem von Kerwienen sogar schon Beigaben der Latenezeit auftreten.
F.s müsste diese Nadelform hiernach in Ostpreussen sich durch viele Jahr-
hunderte erhalten halten; jedenfalls weist das Anhängen von Kettchen und
das totulusartige Hervortreten des mittleren Drahtendes der Scheibe bei
den Nadeln von Stanaitschen und Kerwienen auf eine in der Hallstattzeit
sehr beliebte Sitte hin. Vgl. hierzu die Legende S. 584 — ">s">.
— 571
Legende zur Typenkarte der Ruder- und Scheibennadeln.
Die Bezeichnung der Varianten ist aus den Figuren 34 — 38 und deren Erklärung auf S. 575
leicht zu verstehen.
A. Die Rudernadeln.
Die Rollennadeln mit Kopfplatte •
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
Bodio
am Lago di Varese,
Italien
Couthey,1)
Wallis, Schweiz
Renzenbübl,
Thun, Schweiz
Pfeffingen,2)
O.-A. Balingen,
Württemberg
üexhcini,3)
Kr. Oppenheim,
Rheinhessen
N'ontonic,4)
Kr. Schmichow,
Böhmen
Krendorf
bei Saaz, Böhmen
Mailand,
S. Ponti
Zürich
Sigmaringen,
S. Edelmann
Mainz
Prag
Prag
Mehrere Ex. a
Fastrhomboidale
Kopfplatte
2 Ex. a mit
rhomboidaler
Kopi'platte.
Gr. Länge der
Platte etwa 5,25,
gr. Breite etwa
1,(*)4 cm
a. Fast
rhomboidale
Kopfplatte
2 Ex. b mit
Mittelrippe auf
der Rückseite,
10 u. 9 cm breit.
Unten ist die
Nadel geschlän-
gelt: oben fehlt
die Rolle
a. Eine Anzahl
Ex. Kopfplatte
breit eiförmig
6,.'!— 7,2 cm lang
a mit eiförmiger
Kopfplatte, die
:!."> in in lang und
20 mm breit ist.
Schaft 90 mm 1.
1) mit
rhomboidaler
Kopfplatte
Pfahlb.
Gr.
Steinh. Gr.
Dop.
an der
Strasse
Pfeffingen,
Burgfelde
üep.
Sk. Gr.
Hocker
H. Gr.
MonteliusItalieTf.3
Fig. 23 Text S. 48
Mortillet, Musee pr.
Tf. 71 Fig. 728
Heierli und Oechsli,
Urgeschichte des
Wallis, S. 107 (11)
und 116(20) Tf. III
1 u. 2
Mortillet, Musee pr.
Tf. 71 Fig. 729
Edelmann in Pr. Bl.
XI S. 17 Tf. III, 2
Correspbl. d. dtsch.
anthrop. Ges. 1890
S.ölffi
Westd. Z. XX (1901)
S.352Tf. 13 Nr. 5
bis 7
Pamatky XVIII
S. 22
Pic-Prag
Richly, Bronzezeit
S. 196 Tf. 5(i
Fig. 26
Begleitende Funde. 1) Couthey: 1 Scheibennadel; 1 Hängeschmuck und I Diademe.
— 2) Pfeffingen: Aus einem Massenfunde in der Staatssammlung zu Stuttgart, der noch
viele Sicheln, gerippte Armringe, Messer- und Schwertklingen u.v.a. im ganzen L05 Stück
enthielt. — 3) Dexheim: 3 grosse ovale und :i kleine spatenförmige Rudernadeln; 3 Hals-
ringe mit Endösen: viele Täfelchen aus dünnem Blech mit aufgerollten kürzeren Seiten;
kleine Drahtspiralen u. a. m. — 4) Noutonic: ■"> goldene Noppeniinge; 2 Schläfennadeln;
1 Halsschmuck von Brrnsteinpcrlen; 2 manschettenförmige Armbänder, 65 mm im Durchmesser
und 80 //"// lang.
— 579
Lfd.
Nr.
P u n il o r t.
Genauere Angaben
li»
11
Gaya,1)
Mähren
Tökes,-)
Kom. Bercg,
Ungarn
Gata,
Koni. Moson
(Wieselburg)
Versecz,
Kom. Temes
Bntta,
Kom. Fejer
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Brunn
Bndapesl
Budapest
Budapest
Budapest
a. Kopfplatte
abgestumpft ei-
förmig, Schaft
säbelförmig
a. Kopfplatte
breit eiförmig
mit Mittelrippe
a. Kopfplatte
breit eiförmig
11 cm lang
2 Ex. a mit
rhomboidaler
Kopfplatte
2 Ex.
defekt
Sk. Gr.
Dep.
Giesserf.
Gr.
Gr.
Nachweis
Dep.
Berliner Vr-rh. 1890
S. 173 Fig. •-'
Arch. Ertesitö (1893)
XIII S. 261 Fig. 9
llampel, A Bronzkor
III Tf. 199 Fig. 8
Arch Ertesitö XIX
(1899) 8.55Fig.ll
Reinecke in Wiener
Mitt. 1902 S. 113
Arch. Közlemenyek
20 8.42 Tf. Ver-
secz I Fig. 21 u. 22
Marton-Budapest
Arch. Ertesitö S. 425
Fig. II, 1. 2
Marton-Budapest
2. Die Rudernadeln mit langer, schmaler Kopfplatte. +
1
• >
Koban,3)
Kaukasus
Bntta,
Kom. Fejer,
Ungarn
Pilin,
Kom. Nögrad
Berlin,
K. M. f. V.
Budapest
a. Gesamtlänge
bis .jO,ö cm, davon
4 cm auf den
Nadelschaft.
Die Platte selbst
ist •"> cm breit
a. Kopf-
platte kürzer
■wie in Koban
Sk. Gr.
R. Virchow. Das
Gräberfeld von
Koban S. 32 Tf. IV
14 u. Taf. X, 11
Arch. Ertesitö L902
S.424 Fig. II, 4
Märton-Budapest
1
—
Endrefalva,
, )
6
Kom. Ni'igrat
Vlsk,
Kom. Märmaros
Valkö,
Kom. Pesl
Budapest
Märton-Budapest
3. Du
! Rudernadeln
mit spatenförmige
r Kopfplatte.
w
1
Kobau,4)
Kaukasus
Berlin,
K. M. f. V.
a
Sk. Gr.
l; Virchow, Koban
S. .-.2 Tf. V 2, VI
1 u. 2
•>
Andrasfalva. )
Kom. Liptan,
Ungarn
Alt-Bydzow,
Böhmen
Berlin,
K. M. f. V.
II 10409
Prag
b
2 Ex. a.
8 u. 16,7 cm lang
Dep.
Dep.
< rötze-Berlin
Pamatkv XVI 93
bis 96 Tf. VII
Reinecke i. d. Wien.
Mitt. L902 S. 115
Begleitende Funde. 1 Gaya: 2 Rollennadeln; 1 Scbleifenring mit einer End-
schleife aus Doppeldraht. — 2) Tökes: 1 Axthammer; I Spiralnadel; 1 Tüllenaxt. —
3) Koban: Koban-Fibeln u.a. m. — 4) Koban: Koban-Fibel, Rudernadeln u. a. m. —
5) Andrasfalva: 3 Nadeln: 2 Hämmer: l Sichel. — 6 Alt-Bydzow: 1 Randaxt; Draht-
ringe: Gehänge; 1 grosse Zierscheibe u. a. m.
580 —
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museuni
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
Fritzen,1)
Forstbezirk
Dammwalde,
Ostpreussen
Griesheim,
Prov. Starkenburg,
Hessen-Darmstadt
Dexlieim,2)
Kr. Oppenheim,
Rheinhessen
Königsberg
i. Pr.,
Prussia-M.
Mainz
Mainz
etwa 21 cm lang
a sehr klein,
als Anhänger
benutzt
Viele Ex. a
6,2— 7,2 cm lang
H. Gr.
Dep-
Dep
Heydeck in Sitzber.
der Prussia 1883
bis 1886 S. 5 Tf. I
Bezzenberger-
Königsberg
Schumacher im Oor-
respbl. d. deutsch,
antbr. Ges. 1903,
S. 98 Nr. 43
Westd. Zeit. (1901)
XXS.352Tf.XIH
Fig. 8—K)
4. Die Rudernadeln mit grosser, ovaler Kopfplatte. ▲
Conthey,3)
Wallis, Schweiz
Dexlieim,*)
Kr. Oppenheim,
Rheinhessen
Zürich
Mainz
d. Gr. Länge der
Kopt'platte etwa
LO '-in, gr. Breite
etwa 5,75 cm
3 Ex. d 32,3 bis
39,5 cm lang,
davon kommen
auf die Kopf-
platte etwa 10cm
Gr.
Dep.
Heierli und Oechsli,
Urgeschichte des
Wallis S. 107 (11)
u. 116 (20) Tf.II
Fig. 7-12
Westd. Z. XX (1901)
S. 352 Tf. XIII
Fig. 3 und XXII
(1903) S. 421 Tf. IV
Fig. 9 u. 10
B. Die Scheibennadeln.
I. Der „norddeutsche14 Typus mit runder Kopfplatte
Tfcl
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Museum
Genauere An-
gaben
Nachweis
Nr.
Genauere Angaben
geschichte
1
Dröne5)
Zürich
1) und e
Gr.
Heierli und Oechsli,
bei Saviese,
Gebuckdt u. mit
Urgeschichte des
Wallis, Schweiz
graviertem
Kreuz verziert.
Dm. der Scheibe
etwa 7.2 cm
Wallis S. 110(14)
u .116 (20) Tf.II 1
2
Conthey,0)
Zürich
b und d, 32 cm 1.
Gr.
Ebendort S. 107 (11)
Wallis
Dm. der Scheibe
etwa L0,5 cm
u. 116(20) Tf.III3
Umleitende Funde 1) Fritzen: I Bügelring mit <>sen: Armring mit „keleh-
förmigi'ii Endplatten"; 1 Bollennade] und 1 viereckige Beinsteinperle. — 2) Dexheim:
Viele Rollcnnadeln mit Kopfplatte und 3 ßudernadeln mit grosser ovaler Platte. —
3) Conthey: I Spiralarinringe; 1 sichelförmiges Gehänge; durchlochte Muscheln. —
•1) Dexheim: '■'< Halsringe mit Endösen: viele Rollcnnadeln mit Kopfplatte: mehrere
spatenförmigo li'udernadeln: viele Täfelchen aus dünnem Blech mit aufgerollter kürzerer
Seite; kleine Drahtspiralen u. a. — 5) Dröne: Spiralröhrchen; Ringe und Gehänge. —
*'>) Conthey: 2 kleine Bollennadeln mit rhomboidaler Kopfplatte; I reich verzierte „Diademe";
ll.ingeschmuck: I Spiralringe u.a. Ringe.
58
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauer'- Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
0
Einaiedel
Stuttgart,
2 Ex. d
H. Gr.
Sixt-Stuttgart
bei Tübingen,
Staats-S.
Mit -'trirlM-nrn
Württemberg
konzriitrisclit-ji
Kreisen,
deren äusserster
durch Strich-
grupp.verziertist
1
Velvar, Böhmen
Prag
a
—
Pic-Prag
5
Kaniyk,1)
Prag
d, mit konzentr.
Doppelgrab,
Fidemann i.Pamatky
B.-A. Smichow,
Kreisen orna-
Hocker
XVIII (189?
Böhmen
mentiert, gegen
L9cml. Dm. d.
Scheibe etwaöcm
S. 557—558 Nr. 1
Reinecke,Wien.Mitt.
(1902 Bd.32B.113
Pic-Prag
6
Maskovice2)
Prag
b. Nur die
Dep.
Richly, Die Bronze-
bei Leitmeritz,
Scheibe erhalten,
Giesserf.
zeit in Böhmen
Böhmen
grob gearbeitet
in. gross. Buckeln
S. 106 Tf. XX
Fig. 26
i
Dunakeszi,
Budapest,
b
Angeblich
Märton-Budapest
Korn. Pest, Ungarn
Nr. '.M/1889 1
Urnen-
gräberfeld
8
Esztergom,
Budapest,
a
Dep. von
Derselbe
Kom. Esztergom,
Nr. GG/1892 2
Ispitaberg
Ungarn
9
Gäta,3)
Budapest
3 Ex. e
Gr. (5)
A.Söter in Arch. Er-
Kom. Moson,
19 cm 1.
tesitö 1898 S. 1 17
Ungarn
bisl.V2Tf.1 11—13
10
Auleben-Soolberg,
Kr. Sangerhausen,
Prov. Sachsen
Nordhausen
e. Um d. Kreuz-
ornament läuft
ein Krauz von
nach aussen ge-
richt. Dreiecken
Kossinna-Berlin
11
Unter-Rissdorf, ')
Eisleben
e. Die Scheibe
Dep.
Grössler in Jahres-
Mansfelder See-
u. d. Kreuz sind
schr. d. Vorgesch.
kreis, Pr. Sachsen
d. Querstriche
verziert. Der
Nadelschaft ist
a. d. Spitze recht-
winkl. umgebog.
d. sächs.-thüring.
Länder I S. 197 i,
Tf. XXI
Kossinna-Berlin
Höfer - Wernigerode
12
Niedergörne,
Halle
b. Die volle
Stein- Gr.
Schultheiss, Alt. von
Kr. Osterburg.
Scheibe hat in
Wolmirstedt
Prov. Sachsen
der Mitte einen
Buckel, am ober.
Rande 3 Ösen wie
die Radnadeln
u. ist 4,5 cm br. u.
ö cm hoch. Der
Nadelschaft fehlt
Tf. 1X3
Kossinna-Berlin
F <rtseh-Halle
13
Rathenow.
Berlin,
b
Moorf.
Götze-Berlin
Prov. Brandenburg
K. ML f. V.
I f8232
nicht ganz rund
Begleitende Funde. 1) Kamyk: In anderen Gräbern desselben Feldes lagen
viele Nadeln: Gefässc vom Unetictypus: Bernsteinstücke u. a. m. — 2) Maskovice:
Bruchstücke von Rand-, Lappen- und Tüllenäxten, Ringen, Schwertern, Sicheln u. a. —
! (.ata: 1 Halsband (?) aus kleinen Spiralröhrchen und 9 knöcherne kleine Röhrchen. —
4) Unter-Rissdorf: Aus Kupfer: ;'> massive Baisringe mit aufgerollten Enden; t massiver
Armring. Aus zinnarmer Br.: 2 Scheifennadeln.
582 —
Lfd.
Fundort
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
14
Lemmersdorf,1)
Berlin,
•2 Ex. b, mit20cw
Dep. im
Virchow, D. Gräber-
Kr. Prenzlau,
K. M. f. V.
langem, unten
Modderbruch
feld v.Koban S. 34
Prov. Brandenburg
II 5682- 5688
umgebogenem
Schaft. Dm. der
Scheibe 9 cm. —
Die Einrollun{j
am oberen Ende
ist 16 nun breit
.")' tief
Fig.l.j:B.V.(1898)
Bd. :;0 S. 221 »
Götze-Berlin
15
Meilen au,2)
Prenzlau
b
Moorf. in
Schwartz in B. V.
Feldmark Arnims-
20 cm 1.
einem Ton-
1S88 S. 506
hain, Kr. Templin,
gef.
Schumann in Mitt.
Brandenburg
aus d. Prenzlauer
Mus. I 1901 S. 1
16
Schabernack
Berlin,
b. Schaft 16 cm 1.
Flaches Gr.
Yirchow, Gräberfeld
bei Meyenburg,
K. M. f. V.
Dm. der defekten
von Koban S. 34
Kr. Ostpriegnitz,
If 479
Scheibe 10 cm.
Fig. 14 B.V. 1874
Brandenburg
Am ober. Rande
fehlt d. Einrollg.,
dafür sind 5 Loch,
von fast 2 »an
Dm. angebracht
S. 163
Götze-Berlin
17
Clempenovr,3)
Stettin,
b. 26,55 cm 1.
Dep. im Torf
Schumann in Nach-
Kr. Demmin,
J.-Nr. 3972
Dm. der Scheibe
richten 1897 VIII
Pommern
9 cm
S. 7 ff.
Stubenrauch-Stettiu
18
Vosswinkel
Neustrelitz
e. Die Scheibe
Auf dem
v. Buchwald -Neu-
bei Alt-Strelitz,
ist mit einem gra-
Ackerg.
strelitz
Meckl.-Strelitz
vierten Kreuz,
ausserdem am
Rande u. an den
Schenkeln des
Kreuzes m. Quer-
strichen verziert;
sie zeigt ferner
nahe d. Mitte im
unteren Schenkel
d. Kreuz, ein ein-
geschlagen. Loch
19
Heinrichswalde4)
Stralsund
b
Dep. im
Virchow in B. V.
bei Friedland,
Torfmoor
1886 S. Gl:'.
Meckl.-Strelitz
Kühne in Balt. Stud.
1883 S. 313
20
Zierzow6)
bei Grabow,
Meckl. -Schwerin
Schwerin
b
Gr.
Beltz-Schwerin
21
LÜ8SOW6)
Ebendort
b
Gr.
Mecklenbg. Jahrb.
liei Güstrow,
28 cm 1.
1844 S.332
Meckl. -Schwerin
Lisch, Friderico-
Francisceum S.66
Beltz-Schwerin
Begleitende Funde. 1) Lemmersdorf: 2 Lanzenspitzen; 2 gerippte diademartige
Colliers; I Spiralzylinder mit kleinen Endspiralen. -- 2) Mellennu: •"> kleine Goldspiralen
mit 7— '.i Windungen, 1 Flach- und 1 Randaxt; 1 Randmeissel; 1 sichelförmiges Messer;
4 gerippte diademartige Colliers; 1 Brillenspirale; I tutuli; Armringe; Gürtel; Hänge-
üerplatte u. a. — 3) Clcmpenow: 1 gerippte Halsberge; 2 band- und 2 drahtförmige
Annspiralen; 1 offener Armring. — 4) Heinrichs waldc: I diademartiger Halsschmuck: 2 tutuli;
1 Lanzenspitze und viele Armspiralen. — 5) Zlerzow; Halsringe; Handringe; Ilalskragen
(Montelius III). — 6) Lüssow: Funde aus mehreren Gräbern gemischt (Montelius II und III).
— 583
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museuni
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
22
Sparow1)
bei Malchow,
Meckl. -Schwerin
Schwerin
b
—
Beltz-Schwerin
23
Edendorf,
Kr. Uelzen, Hannov.
Hannover,
Nr. 5019
b
—
Reimers-Hannover
24
Lüneburg:
(Umgegend),
Hannover
Hannover,
Nr. 1 1 1 22,
12041
und 12050
3 Ex.
b, c, d
Reimers-Hanuover
25
Kl.-Sommerbcek,
Kr. Bleckede,
Hannover
Ebendort
Nr. 51 »2 1
d
Lindenschmit, A. u.
h. V. II 3, 1, 1
Reimers-Hannover
26
Uelzen,'-)
Hannover
?
d. Dm. der
Scheibe !),-! cm
H. Gr.
v. Estorff, H AI. . . .
Hannover 184<>
S. 82 Tf. VIII 2
27
Kl.-Süstedt,3)
Kr. Uelzen,
Hannover
V
c. Dm. der
Scheibe etwa
10 cm
H. Gr.
Ebendort Tf. VIII 3
und Tf. XI 4
28
Wellendorf,4)
Kr. Uelzen,
Hannover
%j
1). Mit 5 runden
Löchern um ein
mittleres Loch u.
2 Kreisen kleiner
Buckel am Rande
H. Gr.
Ebendort S. 82 Tf.
VIII4u.Tf.Xlu.")
29
Lehmke,0)
Kr. Uelzen,
Hannover
p
b, fast 2!) cm 1.
Dm. der Scheibe
18,2 cm. Die
Buckel sind
sämtl. durch f ein-
gravierte Striche
eingefasst
Gr. 1,5' tief
im Acker
innerhalb ein.
durch aufge-
richtete Feld-
steine gebild.
Vierecks
Ebendort S. 70
Tf.V25.Tf.VniO
u. 24, Tf. VIII 1
Lindenschmit, A. h.
V. II 3, 1. 2
Reimers- Hannover
2. Der „norddeutsche
Ki
Ayent, i
Wallis.
Schweiz
Kl. Siistcdt,
Kr. Ölzen,
Hannover
Marssei,
. Blumenthal,
Hannover
Seharnebeck,
Landkr. Lüneburg
Hannover
Sitten
(Sion)
Hannover
Nr. 177.")
Ebendort
Nr. 5409
Ebendort
Nr. 0020
Typus mit elliptischer Kopfplatte
Gr.
e mit Kreuz-
ornament in
der Mitte
H. Gr.
H. Gr.
Heierli und Oechsli,
Wallis S.lllu. 116
Anz. f. Schweiz. AI.
[V1883Ti32Fig.3
v. Estorff, H. AI...
S. 82 Tf. XI 13
Lindenschmit. A. h.
V. 11 :;. 1 !
Müller-Reimers.
Altert. Tf. . XI 82
Reimers-Hannover
Reimers-Hannover
Begleitende Kunde. 1) Sparow: Gemischte Kunde im Charaktervoll Montelius IEL
— 2) Uelzen-. 1 Zierplatte mit mittlerem starken Dorn, mit <'> konzentrischen Kreisen um
denselben verziert und mit breiter Einrollung am oberen Rande. — 3 Kl.-Süstedt: Ein
schön geschweiftes geripptes Gürtelband mit kleinen Endstollen, L7 cm 1. und 3,8cm hoch.
— 4) Wellendorf: ' Fr. von Armspiralzylindern von 6,5 cm im Dm, an dessen einem
Ende noch eine Öse erhalten ist, der Querschnitt des 3 nm dicken Drahtes ist plankonvex;
ferner Fr. einer hannoverschen Fibula. — 5 Lehmke: l etwa 15,5 cm langes Feuer-
steinmesser; 1 Dolchklinge mit 2 Nieten am verbreiterton (iritl'ansatz, etwa 15,5 cm L;
eine Randaxt etwa I8cwi 1., in der Mitte nach aussen geknickt. — 6) Ayent: Spiralringe.
584
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
5
G
Angerniünde,1)
Uckermark
Brandenburg
Simoutornva,
Com. Tolna
Ungarn
Prenzlau
Budapest
2 Ex. b
30,4 cm 1.
Durchm. der
Scheibe 12 cm
b
Dep.
Angeblich
Urnengrab
Schumann , Nach-
richten 1901 S. 29
Märton-Budapest
c.
Die ostbaltischen Scheibennadeln mit bandförmigem Spiralkopf. *
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
1
Ziepelhof
bei Doblen
in Kurland
Nürnberg,
Germ. Nat-
Mus V. 1085
a. Der obere
Teil der Nadel
ist tondiert
—
Hausmann-Dorpat
2
Sohlaszeu,2)
Kr. Memel,
Ostpreussen
Königsberg
i. Pr.
Prussia-M.
a
H. Gr.
Sitzungsb. d. Prussia
1878/9 S. 27
Katalog des Prussia-
M. 1 S 27 Nr. 141
Abb. 12
Bezzen berger-
Königsberg
3
Tilsit,3)
Ostpreussen
Königsberg
Prussia-M.
2 Ex.
a
Dep.
Sitzungsb. d. Prussia
1903 4
Bezzenberger-
Königsberg
4
Rantau,4)
Kr. Fischhausen,
Ostpreussen.
Königsberg
Provinzial-
M.
Nach Jentzsch
3 Ex. i.d. Gräbern
0. E. und M.
Nach Bezzen-
berger nur
2 Ex.
H. Gr.
Tischler, Seh. d.
Phys.-ökon. G.
1887 S. [11]
Jentsch ebd. 1892
S [31] ff. Tf. IV 10
Bezz^nberger-
Königsberg
.")
Germau,
Kr. Fischhausen,
Ostpreussen
Königsberg
Prussia-M.
a
H. Gr.
Katalog desPrussia-
M. I S. 28 No. 147
Kossinna-Berlin
6
Kerwieneu,5)
Kr. Heilsberg,
Ostpreussen
Königsberg
Provinzial-
M.
a. Dm. d. Spiral-
scheibe 8,2 cm
m. anhängendem
Kettchen
Torffund
Bezzenberger-
Köuigsberg
Begleitende Funde. 1) Angeriiiiinde: 1 Knopf mit unterer Öse; 1 diademartiges
Collier; 2 Handbergen; 1 Fingerberge; 3 Armspiralen; 1 Randaxt; 1 Hirtenstabnadel; 1 mit
Spiralen verzierte Gürtelplatte. — 2) Schlaszen: 1 kleiner Tutulus mit Öse uuter der Basis
und etwas Bronzegeröll. — 3) Tilsit: Halsringe, Armspiralen und 2 Spiralnadelköpfe aus
dünnem runden Bronzedraht (jüngere Bronzezeit). — 1) Kant au: 1 kurzes Schwert mit
4 Nieten am verbreiterten Griffansatz; 1 Axthammer: 1 Ösennadel mit rechtwinkelig ge-
bogenem Halse, seitlicher ringförmiger Öse und kegelförmigem Kopf; 1 kleine Nadel mit
scheibenförmigem Kopf und stumpfwinklig gebogenem Hals; 2 geschwollene Nadeln mit
14 bezw. '!:; tiefen Kerben am Halse; 1 Armbänder mit abwechselnd schraffierten
Quadraten: mehrere gerippte und glatte Armringe; Doppelknöpfe; Perlen aus Bernstein
und Glas (?), Tongcfässe und Feuerstein. — ■>) Kerwieneu: 1 Armspirale der Tenezeit;
2 Halsringe: viele Glasperlen, ausser einer alle kobaltblau, teils einfarbig, teils mit Ein-
lagen von weissem Glas.
— ÖS.") —
Fundort.
Genauere Angaben
M ll-rllll!
\ ariante.
Genauere An-
gaben
Staniiaitschen,
Gr. Gambinnen,
Ostpreussen
Willenberg,
Kr. Stnhm,
Westpreussen
Garthans,
Westpreussen
Treten,
Kr. Rummelsburg,
Pommern
Sammenthin,
Kr. Arnswalde,
Brandenburg
Woitzel,1)
Kr. Regenwalde,
Pommern
Ca in min.
Pommern
TllUl'OW,
Kr. Grimmen,
Pommern
Neddesitz.-)
Kr. Jasmund.
Rügen
Pommern
Königsberg d. Aus der Mitte
Prussia-M. des Spiralkopfe
ist das Ende des
Drahtes tutulus-
artig heraus-
gezogen; an der
Spiralehängt der
AT)t';mLr eines
Kettchens
Königsberg a
Provinzial- Nur die Kopf-
M. scheibe erhalten
Danzig
V. S. 2708
Beriin
K. M. f. V.
Berlin
K. M. f. V.
If. 3120
Stettin
J.-N. 1559 61
Greifswald
Stralsund
Stettin
Der Schaft im
oberen Teile
tordiert
a
d. Oberer Teil
des Schaftes
tordiert: nur
l'/a Windungen
breit und platt
a. 17,3 cm lang.
Dm. der Scheibe
8,3 cm. Oberer
Teil des Schaftes
tordiert
2 Ex. a.
Oberer Teil des
Schaftes tordiert
Zur Fund-
geschichte
Sk. Gr.
Moorfund
H. Gr.
Nachweis
Katalog desPrussia-
M. I S. 26 Nr. I !<i
Bezzenberger-
Königsberg
Kossinna-Berlin
Amtl. Verwaltungsb.
d. Westpr. Prov.-
M. f. 1892 S. 18
Conwentz-Danzig
Krause in Nachr.
L893 S. 88
Kossinna-Berlin
Krause in Nachr.
1893 S. 86 Fig. 1
Voss. Merkbuch Tl. V
Fig. 20
Götze-Berlin
Monatsbl. d. Ges. f.
Pomm. G. u. A.
L898 IX S. 143, 1
Stubenrauch-Stettin
Schumann. Baltische
Studien L896
S. 148 Tf. It 2
Schlemm-Berlin
Pyl, Die Samm-
lungen in Greifs-
wald] L869 S. 29
Kossinna-Berlin
Kossinna-Berlin
Stubenranch-Stettin
Begleitende Funde. 1) Woitzel:
bergen; 4 kleine Schmuckspiralen. — 2)
schmück.
2 Annspiralen ; 2 offene Armbänder; 2 Hand-
Neddesitz: l gerippter, diademartiger Hals*
ntt für Ethnologie. Jahrg. 1904. lieft 5.
-
586
III. Die Typenkarte der Radnadeln.1)
(Hierzu Karteubeilage III.)
Wie bei den Ruder- und Scheibennadeln die Kopfplatte und die
obere Rolle, so sicherten bei den Radnadeln die Radscheibe und der
obere Ring den festeren Schluss der Gewandfalte und verhinderten das
leichte Ausschlüpfen des Nadelschaftes. Anfangs erfüllte offenbar die
Radscheibe allein beide Aufgaben, indem sie durch die grössere Breite
dem Nadelschaft eine festere Lage gab und zugleich durch ihre Lücken
die .Möglichkeit darbot, den notwendigen Bügelfaden hindurchzuziehen.
Allmählich aber übertrug man die letztere Funktion einer besonderen
Ringöse und benutzte das ursprünglich einfache Radkreuz zur dekorativen
Ausgestaltung der Nadel als Schmuckgerät.
Aber auch die Öse selbst wurde später Gegenstand der Dekoration,
indem man sich nicht mit einer begnügte, sondern sie auf zwei, drei und
vier vermehrte und sie zuletzt kronenartig gestaltete.
Wir müssen demnach die Radnadeln in solche ohne Öse und solche
mit 1—4 Ösen unterscheiden, wenn wir ihre verschiedenen Typen näher
kennen lernen wollen.
I. Die Radnadeln ohne Öse (Fig. 41).
Wir kennen bisher 23 Fundstätten mit 31 Exemplaren, von denen die
meisten einen einfachen äusseren Ring und ein einfaches Radkreuz in der
Kopfscheibe besitzen. Von ihnen zeigen 13 die Gestalt von Fig. 42,
fi9.V
Var (t
Fi'ß
F)g H
/f-7«
Variante a, 4 ein Kreuz um einen kleinen inneren Ring (Fig. 43,
Variante b) und 3 ausser dem durch den inneren Ring gehenden Kreuz
noch vier halbe Speichen (Fig. 44, Variante c); von zweien ist die Gestalt
des Kieles nicht näher angegeben. Die übrigen '.) Nadeln weisen teils in
der Gestalt des Kreuzes, teils (\i's Ringes wesentliche Abweichungen auf,
welche wir alsbald kenneu lernen werden.
1 Wegen der Terminologie verweisen wir auf unscrn Vortrag auf der General-
versammlung in Worms im Correspomlenzblafl der Deutschen anthropolog. Gesellschaft
L903, 8. 19.
— 5H7 —
Von jenen 20 Exemplaren stammen 5 aus dein Gebiet der Alpes
(sämtlich mit kleiner Kadscheibe), davon 2 aus den Pfahlbauten Toni Lac
du Bourget und von Auvernier, 1 aus Baden, 7 aus Hessen-Darmstadt und
Nassau; 2 aus der Rheinprovinz, 1 aus der Oberpfalz, 2 aus dem west-
lichen Böhmen und je 1 aus der Provinz Sachsen und aus Oldenburg.
In Hannover linden wir das Radkreuz noch weiter entwickelt zur
Variante d mit acht halben Speichen (Fig. 45) und der Variante e mit
vier Winkelstücken zwischen den Kalken des Kreuzes (Fig. 46).
Von Savoyen aus können wir diesen Typus ohne Öse verfolgen bis
in die Gegend von Toulouse, wo sich noch eine Reihe von bizarren Spiel-
arten in der Ausbildung der Radspeichen entwickelt (Variante a8, e' und
FioH6
Vare
FiW
F,g.¥t
Var.e'1
F.« 19
Kg 50
h\ Fig. 47—41)); andererseits tritt in Sachsen eine besondere Ausbildung
des äusseren Ringes auf. Der einfache, äussere Ring wird nämlich ver-
breitert und durch drei getriebene Kreise verziert (Fig. 45), eine Form,
-welche später in Norddeutschland vorherrschend wird, wie wir bei den
Nadeln mit drei Ösen sehen werden.
Eine Nadel von Weiherried zeigt statt des Kreuzes zwei peripherische
Bogenstücke, Variaute f (Fig. 50).
Von den 31 Exemplaren stammen 12 aus Hügelgräbern, 2 aus Pfahl-
bauten, 1 aus einem Depotfund; von den übrigen waren die Fundverhält-
nisse nicht zu ermitteln.
Was die Chronologie betrifft, so gehören die Pfahlbauten am Lac du
Bourget und von Auvernier wesentlich zu den älteren Bronzestationen,
haben aber auch jüngere Bronzen geliefert; der Fund von Sachsenhausen
stammt aus einer (iruppe von Hügelgräbern, aus welchen Steininstrumente,
ein Kupferdolch und ein Schwert gehoben wurden; der Depotfund von
Wildeshausen enthielt noch vier Randäxte, eine Lanzenspitze und einen
massiven King. Daraus folgt mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass dieser
Typus noch dem ersten Abschnitt der älteren Bronzezeit angehört. Vgl.
hierzu die Leerende S. 593 — 594.
2. Der „oberrheinische- Typus der Radnadeln mit einer Öse.
Die Verbindung der Nadel mit einer Ose i>r höchstwahrscheinlich zuerst
in Deutschland und zwar im oberen Rheintal erfolgt. Kommen Radnadeln
■ohne Ose auch noch in den ausserde utschen Alpenländern und in Süd-
frankreich vor, sii treten Radnadeln mit einer Öse. abgesehen von ein-
— 588 —
zclnm versprengten Stücken, fast nur in Deutschland auf mrd zwar haupt-
sächlich' längs der oberrheinischen Tiefebene und ihrer nördlichen Fort-
setzung bis zum Vogelsberg hin. Von den 191) mir gemeldeten Exemplaren
stammen 103, also mehr als die Hälfte, aus diesem schmalen Fundgebiet
und innerhalb desselben wiederum 76 allein aus dem heutigen Hessen-
Darmstadt, Hessen-Nassau und Homburg. Hier iiuiss diese Nadel ganz
besonders beliebt gewesen sein. Von hier aus verbreitete sie sich östlich
nach Württemberg und dem nördlichen Bayern hin (wo Neukehlheim der
südlichste bayerische Fundort ist), nach Norden durch die hessische Senke
nach der Fulda und weiter bis Eisenach nach Thüringen und der Provinz
Sachsen, von dort nach Hannover, Mecklenburg, Holstein, wo Yaale deu
nördlichsten Fundort in Deutschland bezeichnet.
Einzelne Stücke sind im Norden bis nach Jütland1), im Osten bis nach
Böhmen in die Gegend von Pilsen, nach Schlesien und nach der Provinz
Posen hin versprengt worden, von denen eines angeblich aus einem Grrabe
herstammen soll. — Ein in Budapest befindliches Exemplar ist ohne An-
gabe der Provenienz von einem Händler erstanden und stammt wahr-
scheinlich nicht aus Ungarn.
Sehen wir von den letzteren sechs Stücken ab, so ist das Fundgebiet
dieser Badnadeln ungefähr durch eine Linie begrenzt, welche von Strass-
F,ü5I
F<,52
Var.c'
Fuj 53
EgSH
FgSS
Var.63 fortf
bürg im Elsass über Hechingen mich Regensburg im Süden, von dort über
Ambergj Koburg, Weissenfeis nach Güstrow im Osten, von dort nach Yaale
in Holstein im Norden and weiter ober Bremen, Meppen, Bonn und
Koblenz im Westen nach Strassburg zurück verläuft.
ausser auf diesem oben angegebenen Gebiet sind diese Nadeln über-
haupl nicht bekannl geworden; wir werden sie daher mit Recht als west-
deutsche bezeichnen, und da sie am liüuliusten im oberen Rheintal auf-
treten, diesen Typus den oberrheinischen nennen.
Was nun die üestali der Radscheibe betrifft, so zeigen zwar noch
Ts Stück das einfache Kreuz Ai-v Variante a (Fig. 42), jedoch die meisten
Bchon die Variante c (Fig. 11), nämlich 90 Stück. Es treten ferner schon
eine Reihe von Spielarten auf, welche beweisen, dass das Kreuz jetzt als
dekoratives Element freier ausgebildel wird. So ändert die Variante <•
i Die genaueren Angaben aber die Provenienz der Radnadeln, welche im Museum
zu Kopenhagen Biel befinden, verdanke ich der Güte des Hrn Sarauw daselbst.
— 589 —
im einen) Exemplar dahin ab, dass die zwei Querspeichen nur halb Bind,
während die zwei Längsspei chen ganz durch das Rad gehen <■' (Fig. 51);
die Variante b mit vier Speichen enthält sechs Speieben 1>1 (an zwei
Exemplaren) (Fig. 52) oder es gehen die vier Speichen durch den inneren
Ring ba (Fig. 53) (an vier Exemplaren), oder es lieg! der innere Ritig ganz
im Bereich der oberen Speiche b8 (Fig. 54) (an einem Stück;, oder endlieh
es \\ir«l zwischen äusseren und inneren Ring noch ein dritter mittlerer
eingeschoben b4 (Fig. 55) an einem Exemplar.
Die Variante d (Fig. 45) ist achtmal, e Fig. 16) fünfmal vertreten.
Von den 108 Fundstätten sind lii ausdrücklich als Hügelgräber bezeichne!
worden; zwei sind als Depotfunde, einer als Rheinfund und eineT als
Moorfund gemeldet; zehnmal sind PlaehgräbeT und einmal ein Drnengrab
angegeben worden; bei 47 Fundstätten fehlt die Angabe der näheren
Umstände.
Diese Nadeln gehören ebenfalls noch <\i'v älteren Bronzezeit an und
/war der Blüte derselben (Periode II, Montelius), wie die begleitenden
Funde lehren. In Weischau bei Koburg wurden zwei Randäxte in dem-
selben Grabe mit den Radnadeln dieses Typus gefunden, in Greishecke
bei Wiesbaden stdion eine schön ausgebildete Absatzaxt; auch beweisen
andere Funde, wie trianguläre Dolche. Schwerter, goldene Schleifrnringe.
Armspiralen, schön verzierte Armbänder, kegelförmige tutuli. gerippte
Colliers. Nadeln mit geschwollenem Hals, Bernsteinperlen und blaue Glas-
perlen (Hochstedt), dass die Bevölkerung dieser Gegenden und Zeiten
sehr reich mit Waffen und Schmucksachen versehen war. wie ans der
Legende S. 51)5 — b03 zu erstdien ist.
Diese Radnadeln sind ein echt heimisches Erzeugnis und bezeugen,
wie hoch die Bronzetechnik bereits in deren Fundgebiet entwickelt war.
3. Der ..mitteldeutsche" Typus der Radnadeln mit zwei und vier Ösen.
Allmählich wurden nicht nur die Arme des Radkreuzes nach der
Phantasie des Künstlers mannigfach ausgestaltet, sondern auch die < •>>■
selbst wird als ein dekoratives Element der Schmucknadel behandelt Die
Zahl der Ösen wird auf zwei, drei und vier erhöht, dabei erhalten die
letzteren oft die Gestalt einer Krone.
Nadeln mit zwei Ösen sind im ganzen selten: wir r,j6
kennen nur zehn aus acht Fundorten, von denen zwei
in Baden, zwei in Hessen-Nassau und je einer in Unter-
und Oberfranken, Hannover und Mecklenburg-Schwerin
Hegt. Ihr«' Radscheibe zeigt wiederholt sechs oder acht
Speichen um den inneren Ring, Yar. b1 (Fig. 52), oder
d'J (Fig. 56), während die einfachen Yar. a, o und ba(Fig. 42,
44 u. 53) nur je einmal vertreten sind.
Dagegen erreichen die Radnadeln mit vier oft kronenartig gestalteten
Ösen schon die Zahl 17. Sie stammen aus L5 Fundorten, von denen fünf
in Hessen-Darmstadt, drei in Hessen-Nassau, zwei in der Pfalz, zwei in der
— 590 —
Rheinprovinz und je einer in Unter-, Mittel- und Oberfranken liegen. Wie
aus diesen Zahlen hervorgeht, stammen die meisten dieser Radnadelformen
ebenfalls aus Westdeutschland und besonders aus Mitteldeutschland, wo sie
sicher auch selbständig ausgebildet wurden: wir nennen sie daher kurz
die mitteldeutsche Form. Bei drei Nadeln war die Variante nicht an-
gegeben. Neun von diesen am reichsten ausgestatteten Radnadeln' haben
in der Radscheibe noch peripherische winkel- oder bogenförmige Einsätze
zwischen den Balken des Kreuzes, Yar. e und e1 (Fig. 46 u. 57). Eine
Nadel (Oö'stein) zeigt ausser dem Radkreuz im inneren Ring eine grosse
Zahl Strahlen nebeneinander, welche aber nur zwischen dem äusseren und
inueren Ring verlaufen, Yar. g (Fig. 58); eine andere Radnadel (Darm-
stadt), die statt der vier Ösen vier pfeilspitzenartige Aufsätze besitzt, zeigt
wiederum die Balken des Kreuzes selbst zwischen dem äusseren und inneren
Ring verkürzt, während die zwischenliegenden acht Seitenspeichen schräg
bis zur Mitte verlaufen, Yar. h (Fig. 59). Im Historischen Museum der
Universität Lund liegt eine Radnadel (Nr. 13 227) mit vier kronenartig
gestalteten Ösen, deren Radscheibe durch einen queren und drei vertikale
Stäbe verziert ist. Dieselbe stammt aus Bayern ohne nähere Angabe des
Fg. St
Fig5S
Fif59
Fundortes. — Eine Radscheibe mit nur vier Speichen kommt bei diesem
Typus überhaupt nicht vor. Es ist, als ob die heimischen Bronzekünstler
sich hier die Aufgabe gestellt hätten, immer neue Formen zu erfinden,
um die ursprünglich einfache Radnadel in ein möglichst reich verziertes
Schmuckgerät umzuwandeln. Denn diese Formen kommen nirgends anders
vor als in dem kleinen oben bezeichneten Gebiet.
Schon nach den vielen Spielarten müsste mau typologisch diese Formen
für jünger erklären, als die einfachen mit einer Öse, obwohl diese wieder-
holt mit ihnen zusammen gefunden sind. Jedoch weist der Depotfund von
Wiek in Mecklenburg, welcher ausser der zweiösigen Radnadel auch drei
Absatzäxte und einen Axthammer enthielt, und der Grabfund von Altdorf
in Mittelfranken, welcher ein Messer mit durchbrochener Griffzunge und
Endring enthielt, bestimmt auf einen späteren Abschnitt der älteren
Bronzezeit Montelius 11:111 hin.
Auch diese Nadeln stammen meistens uns Hügelgräbern, eine aus
einem Depotfund und eine aus dem Rhein. Vgl. die Leuenden S. fi<>4 — 605.
— 59] —
4. Der ^hannoversche" Typus der Radnadeln mit drei Ösen.
Ganz anders verhalten sich die Radnadeln mit drei Ösen. Von den
35 Exemplaren, welche wir kennen, entstammen 31 uns dem nördlich von
Hessen gelegenen Teile Westdeutschlands, und von diesen entfallen 20
allein auf Hannover. Auch diese Nadeln stammen fasl sämtlich aus dem
westlichen Deutschland; da die meisten aber in Hannover gefunden worden,
so nennen wir sie kurzweg die hannoversche Form. Von den 33 Fund-
orten liegen je zwei in Hessen-Darmstadt und Hessen-Nassau, je einer in
Baden und der Rheinprovinz, die übrigen 27 liegen dagegen sämtlich
nördlich davon: in Thüringen (1), Provinz Sachsen (2), Hannover (17),
Mecklenburg-Schwerin (2), Holstein und Lauenburg (3), Jütland (l).
Die Radscheibe ist dadurch ausgezeichnet, dass der äussere Rand
verbreitert und durch drei getriebene Ringe verziert ist und dass das
Radkreuz meistens (27 mal) nur vier Speichen enthält, .ledoch kommen
fis60
Fig.61
auch einzelne Exemplare mir sechs, Var. b1 (Fig. 52), mit sieben. Var. d1
(Fig. (50) und mit acht, Var. c und d (Fig. 44 u. 45), ein Exemplar sogar
mit 12 Speichen, Var. ha (Fig. 61) und eins mit peripherischen Einsatz-
stücken vor, Var. e (Fig. 46), die letzteren beiden nur im südlichen Teil
des Fundgebietes. In Strüth bei St. Goarshausen bildet die Kreuzungs-
stelle der einfachen Speichen ein breiteres Feld, Var. a1 (Fig. 62). In
Hannover waren nur die einfachen Varianten a und b (Fig. 42 u. 43)
beliebt, während wir im Rheingebiet die reichste Ausstattung der Rad-
nadeln vorfinden.
Soweit die Begleitfunde ein Urteil gestatten, gehört auch dieser Typus
in die Blüte der älteren Bronzezeit, wenn auch das gebuckelte Collier von
Westerweihe und die dünnen Armsniralen von Behringen bereits auf das
Ende derselben hinweisen.
Wo überhaupt die Fundgeschichte bekannt ist. sind fast >tets Bügel-
gräber als Fundstätte angegeben, einmal (Grossschwabhausen) ist auch
eine Gussform für diese Nadeln gefunden worden. Vergl. hierzu die
Legende S. 605 — 607.
— 592 —
Wiederholt ist die Meinung ausgesprochen worden, dass die Rad-
nadeln sich aus den Scheibennadeln entwickelt hätten. Nach dem mir
vorliegenden Material ist diese Ansicht nicht haltbar. Das reichste Fund-
gebiet der einfachen Radnadeln ist die Rheinebene, das der Scheiben-
nadeln ist Hannover; die hannoversche Form der Radnadel mit drei Ösen
ist aber nur eine Entwicklung der oberrheinischen Form mit einer Öse.
Der freilich unscheinbare Teil der Kopfscheibe, welcher zum Durchziehen
des Bügelfadens diente, unterscheidet stets die Scheibennadeln von den
Radnadeln — dort die unigebogene Rolle, hier die angegossene Öse.
Das einzige Beispiel einer Beziehung beider Nadelgruppen zueinander
bietet die bei den Scheibennadeln besprochene Nadel von Niedergörne,
welche aber nur einige Merkmale der Radnadeln angenommen hat, ohne
den Charakter der Scheibennadel einzubüssen.
Die kaukasischen sogenannten Radnadeln, mit durchbrochener Scheibe
und blitzartig geformten Speichen, welche Virchow und neuerdings
Wilke- Grimma bewogen haben, eine Beziehung zwischen den beiden
Gruppen zu vermuten, können schon ihres jüngeren Alters wegen gar
nicht hierbei in Betracht gezogen werden; ausserdem haben die kauka-
sischen Nadeln unter der Platte eine Halsöse, gehören also in eine ganz
andere Klasse der Schmucknadeln, wie die Radnadeln.
Lange nachdem die Bronzezeit vergessen war, in der römischen
Kaiserzeit, tritt merkwürdigerweise in Kurland und Livland bis nach
Ostpreussen hinein der Gebrauch von Radnadeln wieder auf, welche zwar
eine Ähnlichkeit mit gewissen Radnadeln der Bronzezeit nicht verkennen
lassen,1) jedoch selbstverständlich unter ganz andern Verhältnissen sich
entwickelt haben, wie jene. Diese liegen indessen ausserhalb der Grenzen
unserer diesjährigen Aufgaben und repräsentieren offenbar eine Art zeit-
licher Konvergenz, da ein so langes Fortleben derselben Form durch
die Bronze-, in die Hallstatt- und La Tene-Zeit hinein höchst unwahr-
scheinlich ist.
\j Vgl. Katalog der Ausstellung zum X. archäologischen Kongress in Riga 18%.
Tf. 13 Fig :;-5 u. T£ 26 Fig. 1.'
593 —
Legende zur Typenkarte der Radnadeln.
Die Bezeichnung der Varianten ist ans den Figuren U — 62 and deren Erklärung auf -
bis 591 leicht zu verstehen.
I. Die Radnadeln ohne Öse. •
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
1
Grcsine
am Lac duBourget.
Savojen
Lyon
b
Pf.
f.'hantrc. Age du
Bronze, Tf. 60
Fig. 16
2
Monlsalvi,
Dcp. du Tarn,
Frankreich
Albi, Dep.
du Tarn
3 Ex.
e, e- und h1
< lartailhac in Mater,
pour L'histoire de
l'homme 1879
pag. 488, Fig. 1 s< i
bis 182
i >
Lavene,
Dep. du Tarn,
Frankreich
S. Cassan
in Lavene
2 Ex. a2 und d
Ebendort, pag. 1 '.»■_'.
Fig. 192 193
1
Anvernier
am Neuenburger
See, Schweiz
Zürich
b
Pf.
Gross, Les Proto-
helvetes. Tf. 21,
Fig. 32
Heierli, Lrgeschich.
der Schweiz, S.259
Fig. 248
.")
Bregenz,
Vorarlberg
Konstanz
a
Am Ufer gef.
Fundberichte aus
Schwaben 1 898 VJ
S. 1 1
Leiner-Konstanz
6
Stadlerhof
bei Kaltem, Tirol
S. Thun,
Nonsberg,
Tirol
a, die Speichen
der Radscheibe
sind nach aussen
llügelartig ver-
breitert
Gr.
Much, Prähistorisch.
Atlas, Tf. 67 Fig. 7
7
Weiherried)
Arntsb. Konstanz,
Baden
Konstanz
2 Ex. a und f
etwa 22 cm 1.,
Dm. der Rad-
scheibe etwa
3,2 cm
Beierli, IX. Pfahl-
baubericht 1888,
Tf.lü Fig. 20 n. 21
8. 38
Leiner-Konstanz
s
Unter-Öwisheim,1)
Amt Bruchsal,
Baden
Bruchsal
a, nur einFragui.
der Radscheibe
erhalten
H. Gr.
Wagner-Karlsrohe
9
Geishecke
bei Wiesbaden
2 Ex. a
II. Gr.
Dorow, Opferstätten
und Gr. H., S. B
Tf. II Fig. 3
10
Eichenen,
Kr. Fulda,
Hessen-Nassau
"
c
II. Gr.
'/.. d. V. 1". hessische
G. 1 1837 S. 171
Kossinna-Berlin
11
Niederrode,8)
Kr. Fulda
Fulda
c
II. Cr.
Ebendort, Fig. 2. 1.
'.i. 10
Kossinna-Berlio
L2
Labersrieht,8)
Oberpfalz, Bayern
Nürnberg,
Naturh. M.
a
11. (ir. III in
einer Gruppe
von 11 H.
r ätschr. z. lOOjähr.
Stiftungsfest der
Xaturh.G.i. Nürn-
berg 1901, S. 225
Df.Vl Fig. III 24
v. Forster-Nürnberg
Begleitende Funde. 1 Unter •Öwisheim: In andern 11. Gr. derselben Gruppe:
Buokelurnen; Armring mit Spiralen. - 2 Niederode: Brillenspirale und zwei Armbänder.
- 3) Labersrieht: Ein massiver \rmring, dessen Gussiapfen die roh.' Form einer ein-
fachen Spirale bat: Fr. eines Messers und Tongef
— 5!»4
Lfd
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
13
:i
L5
lii
ls
1!»
20
21
23
Dejsina1)
bei Pilsen, Böhmen
Saclis«Milmrg2)
a. d. Unstrut,
Kr. Eckartsberga,
Provinz Sachsen
Einistorf,
Kr. Bleckede.
Hannover
Bleckede,3)
Hannover
Behringen,4)
Kr. Soltau, Hannov.
Wildeshausen,0)
Oldenburg:
Tunis
bei Speier, Pfalz
Worms,
Rheinhessen
Mainz
Rheinprovinz
Lautenbacli,
Kr. Ottweiler,
Rheinprovinz
Prag
Halle
Berlin,
K. M. f. V.
II 9588
Hannover,
Nr. 5024
Berlin,
K. M. f. V.
II 282
Oldenburg,
Gesamtfund
Nr. 36
Speier
Worms
Mainz
Bonn
J.-Nr. 279
Trier,
r. IC. 6482
2 Ex.
b, mit 3 Kreisen
auf dem ver-
breiterten Bande
verziert, 24 cm 1.
a, zerbrochen
2 Ex. a,
je 180 nun 1.
Dm. der Rad-
scheibe = 30 nun
2 Ex. a, eins
stark beschädigt
a, 14,4 cm 1.
Die Radscheibe
mit Strichen
ornamentiert
H. Gr.
H. Gr. In
einem der
7 Hügel am
Südabhange
d. Hainleite
H. Gr.
H. Gr.
Dep. 1875 auf
Stegemanns
Kamp,
15 Fuss tief
im Dünen-
sande sref.
Sk. Gr. an
d. Westend-
schule
Am Haupt-
weg in der
Neustadt gef,
Pamatky XII, S. 347
Tf. XV 16
Pic-Prag
Jahresb. d. Thür.-
sächs. V. 1821
S. 10
Zschiesche in Vorg.
Alt. d. P.Sachs XI
1892 S. 29 Fig. 80
Förtsch-Halle
Höfer- Wernigerode
Henne — am Rhyn,
Kulturg. d. deut-
schen Volkes P,
Tf. II 13. —
Kossinna-Berlin
Götze-Berlin
Katalog derBerliner
Ausst. 1880 S.169
Nr. 233
Reimers-Hannover
Götze-Berlin
Martin-Oldenburg
Hildebrand-Speyer
Westd.Z.1902S. 115
Corresp. d. deutsch.
G. f. A., Bd. 34,
S. 197
Kohl
Westd.Z. XXII 1903
Tf. V Fig. 3
Lehner-Bonn
Korrespondenzbl. d.
Westd. Z. I S. 135
Hcttner, Illustriert.
Führer S. 116
Nr. 12, 13, 14
Graeven-Trier
Begleitende Funde. 1) Dejsina: Eine Doppclspiral-Fibel; Armbänder längs- und
quergerippt u.a.m. — 2) Sachseiiburg: I Kupferdolch; 1 Steinmeissel: Pfeilspitzen aus
Feuerstein: Tonröhrchen. In den andern Hügeln: ein Schwert und mehrere Steinwerk-
zeuge. — .'!) Bleckede: Radnadel mit drei Ösen. — 4) Behringen: Fr. einer Spirale. —
5) Wildcsliauseii: 4 Randäxte; l zerbrochene Lanzenspitze; 1 massiver mit Strichgruppen
verzierter Armring und ein verbogener Nadelschaft.
595
2. Der „oberrheinische- Typus der Radnadeln mit einer
Ose. +
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
1
Stettfeld1)
b. Bruchsal, Baden
Karlsruhe
( ' .'«7<>7
e
Wagner-Karlsruli'
•>
lluttenlieini.
Amt Bruchsal
Ebendort
C7-_'ii.",
a 1 7.."> iiii 1.
Derselbe
Hügelgräber und
Urnenfriedhöfe in
Baden 1885 S.33ff.
3
Baden
Ebendort
P 77::
S. >l. Alt.-V.
in Mannheim
—
—
Derselbe
t
Wallstadt2)
h. Mannheim, Baden
2 Ex. a
Urnen-Gr. (?)
Wagner, H. Gr. und
Umenfriedhöfe in
Baden 1885 S. 38
Anm.
.">
Laden bürg,
Baden
Darmstaät
■2 Ex. c
—
Schumacher-Mainz
Müller-Darmstadt
6
Freudenhcim
li. Mannheim, Baden
s. <i. Ait.-y.
in Mannheim
2 Ex. a
1) = 22,5 cm 1.
Badscheibe oval,
!,."• cm 1. und
4,2 cm breit.
2) = 20,8 cm 1.
Radscheibe rund.
Dm. 3,8 cm
Gr.
Mannheimer Ge-
schichtsbl. 1903
S. 1 .">■-'
Baumann-Mann-
heim
7
Köddingen,3)
Oberförsterei Wind-
hausen bei Ullrich-
stein,Hess -Darm st.
Darmstadt
c
H. Gr.
Quartalbl. d.hi^t.V.
für d. Gr. Hessen.
N. F. I S. 130
Tf. 13 Fig. 6
Müller-Darmstadt
8
Rom r od.
Oberförsterei
Windhansen,
Hessen- Darmstadt
Ebendort
•_' Ex. c und e
H. Gr.
Müller-Darmstadt
9
Anneröder Heide
zwischen Giessen
und Grünberg,
Hessen-Darmstadt
?
a
Gr.
Dietzenbach. ZurUr-
sesch. d.Wetterau
Darmstadt L843
S. 299 Tf. I 20
lo
Baierseioli. l)
Hessen-Darmstadt
Darmstadt
c
Gr. H. III
Kofier im Arch. für
Hess. G. und Alt.
L902.< III S.2G0
Tf. IX 6—9
Müller- Darmstadt
11
Hahn,
Hessen- Darmstadt
Mainz
a
Westd.ZeitXX 190]
S. :;:»•_' Tf. XIII
Fig. 19
l-_'
Cambach,
Hessen- Darmstadt
Wiesbaden
Xv. i:;-_m
a
—
Ritterling-Wieg-
baden
13
Kelsterbach,
Hessen-Üarmstadt
Darmstadt
a
—
Müller-Darmstadt
11
Eichelsdorf,
Hessen-Darmstadt
Darmstadt
MEx. 11 Ei a
.". Ex. = c
H. Gr.
Derselbe
15
Storndorf,
Hessen-Darmstadi
Darmstadt
sehr beschädigt
Müller-Darmstadt
Begleitende Funde. 1) Stettfeld: 1 Radnadel mit 2 Ösen; •"• offene einfache Arm-
bänder und 1 kleiner Bing. — 2) Wallstadt: Aus den Gräbern von hier: Drahtspirale,
Nadel mit kegelförmigem Kopf u.a.m. Gemischter Kund. — 3) Köddingen: 1 Ann-
spiral«': 1 Nadel mit Doppelspiralkopf und 1 Stück Feuerstein. — 1 Baierseich: 1 Rad-
nadel mit 3 Ösen: 2 Armspiralen von je 12 Windungen.
596 —
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
IG
Maar,
Hessen-Darmstadt
Darmstadt
c
—
Derselbe
17
Hasseurod,
Hessen-Darmstadt
Darmstadt
b-
—
Derselbe
18
Langgöus,
Hessen-Darmstadt
Darmstadt
Wiesbaden
J. G971)
2 Ex. c
sehr defekt
Derselbe
Ritterling-Wies-
baden
19
Mörfelden,
Prov. Starkenburg,
Hessen-Darmstadt
Darmstadt
a
Schumacher-Mainz
20
Giessen,1)
Hessen-Darmstadt
Giessen
4 Ex.
2 Ex. = a u. c
in Gr. V
•2 Ex. = ein Gr. IX
H. Gr. auf
dem Trieb
Sk V u. IX
Mitt. d. Oberhess. G.
V. X 1901. Fund-
her. S. 35, 42- 15
Tf. VI Fig. 1 u. 2
Kramer-Giessen
21
Otterbach,
Kr. Alsfeld,
Hessen-Darmstadt
Giessen
c1. Die Quer-
spei eh. (1. Rades
geh. nicht durch
d.inn.Riug durch
Sk. Gr. mit
Steinsetzung
Derselbe
22
Schwanheim2)
bei Frankfurt a. M.
Wiesbaden
J. 13349/50
n. 1-". .">.")."> 56
1 Ex.
3 a u. 1 c.
In 2 Sk. Gr.
je 2 Ex.
H. Gr. mit
2Sk. l/nhoch
u.l6mimDm.
Annalcn des V. für
Nassauische Alt.
XVIII S. 200
Ritterling
23
Geishecke3)
bei Wiesbaden
Bonn
J.-Nr. 18!) l/i'
2 Ex. a u. c
H. Gr.
Dorow, Opferstätten
u. Gr. H. I S. 26
Tf. X 1 u. 2
Lclmer-Bonn
24
Wiesbaden
1 . AYiesbadeu
.1. 6973 und
6977
2. Berlin
K. M. f. V.
II 10 984
2 Ex. a
d
In d. kleinen
Schwalbach.
Str.
Ritterling-Wies-
baden
Götze-Berlin
25
Saal bürg
b Homburg v. d.H.
Saalburg
a
—
Jacobi, Die Saalburg
S. 502 Tf. 18 Fig. 1
26
Frankfurt a. M.
•
Frankfurt
a. M , Stadt.
Hist. M.
Nr. :J7Ih,
L1949U.5196
3 Ex. 2 a u. 1 c
teilweise zerbr.
1 Ex. c bei
Anlage des
Zoologisch.
Gartens
Welcker - Frankfurt
a. M.
27
Birstein
bei Rückingen
a. d. Kinzig
Hanau
c
~
Z.d.V.f.h. G. u.Ldk.
Suppl. 4 Hanau
IST:1.. Tf. I 5 u. 7
28
Langendlebach
bei Hanau
Hanau
W. --'IM»
c
22 an 1.
Aus d. S.des
Fürsten von
Isenburg
Quilling-Hanau
Begleitende Funde. 1) Giessen: Sk V I Halsring mit Hingebogener Öse und
2 Spiralarmrioge. Sk. IX = Brustschmuck aus 8 Zierscheiben, mehrere Bernsteinperlen und
Spiralröhrchen. - 2) Schwanheim: 1. Sk. Gr. = 2 Armspiralen; 1 Armring mit 2 End-
spiralen and I 1 kegelförmige tutuli mit Löchern zum Anheften. 2. Sk. Gr. = 1 Mittel-
stück ans Bern tein, 5 cm lang, welches in der Länge einmal, in der Quere sechsmal durch-
bohrt ist: 2 Armspiralen ; kegelförmige tutuli, einige mit Dorn ausser den Löchern zum
Anheften. Der Hügel enthielt ausserdem noch 2 massive Eussringe, Scherben von Ton-
il und Kohle. — .'!) Geishecke: I Nadel mit geschwollenem und durchbohrtem
Hals: I Absatzaxt mit 2 Rinnen auf dem Klingenblatt; I Armspirale und eine schön ver-
zierte Scheibe mit < >se.
597 —
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
! Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
•_". •
Setra,1
Kassel
_' Ex. c
11. Gr.
Finder, Bericht üb.
Kr. Eschwege,
je 22 cm 1.
die ness. Alt der
Niederhessen
ehemals kurb
1'r.iv., Ka I L878
8.20Tf.III26-31
:•»(»
Grossenliider,
Kassel
2 Ex. c
H. Gr.
Lissauer-Berlin
Hessen-Nassau
Nr. 523 528
in 2 <ir.
.".1
IMuiikeiiuu,3)
Hessen-Nassau
Kassel
2 Ex. a und c
H Gr.
I derselbe
32
Oberbimbach,4.
1 1 jsen-Nassau
Kassel
b 1 »er mittlere
Eing liegt ganz
im Bereich der
oberen Speiche
oberhalb d. Kreu-
zungspunktes
H. Gr.
Derselbe
S >; !
HochBtadt,8)
Hanau
I Gr. 3 Ex. = c
H.Gr. lNadel
Quilling-Hanau
bei Hanau
I Gr. 218 u.
232
II Gr. 230
II Gr. 2 Ex. = a
des LGr an-
gebl.zwisch.
verbrannten
Knochen
und Asche
::i
Osterholz,6)
Württemberg
Stuttgart
Staats-S.
c
H. Gr.
Sixt-Stuttgart
.' ;."i
Beimersfrtten,
Oberamt Ulm,
Württemberg
Ulm
d
H.Gr.
Fundber. a. Schwab.
11 1894 S. 20
Sixt-Stuttgart
36
Essingen,7)
Stuttgart
c
H. Gr.
Ebendort S. :!— 4
Oberaint Aalen,
Staats-S.
14 cm 1.
Sixt-Stuttgart
Württemberg
• ><
Münsingen,8)
Württemberg
Stuttgart
Staats S.
c
H. Gr.
Derselbe
38
HilMstetten, •')
Württemberg
Stuttgart
Staats-S.
c
H.Gr.
Derselbe
39
Ehuingen,10)
O.-A Böthlingen,
Württemberg
Stuttgart
Staats-S.
4 Ex. c
IL Gr.
Derselbe
K)
Pfronstetten,
Stuttgart
c
Gr.
Katalog d.K.Kabin.,
O.-A. Münsingen,
K. Kabinet
Bronzen Nr. 17 1
Württemberg
Sixt-Stuttgart
41
Haiti.
O.-A. Reutlingen,
Württemberg
V
v
H.Gr.
Hedinger, Neuekelt.
Ausgrabungen auf
der schwäbischen
Alb S. 10 Tf. III
Sixt-Stuttgart
Begleitende Funde. 1) Xetra: 1 Collier, 5c»n hoch und IScm weit; 1 Armband
mit Endstollen, 3,5 cm hoch und Bern br.; 7 Zierscheiben mit konzentrischen Hingen auf der
vorderen Flache, durch welche die Gusshaht verläuft, mit einem ösenartigen Fortsatz am
oberen Rande; l Lanzenspitze, t'4c/n 1: 6 Tüllen je 5 ex« 1. u.a.m. - "_' Grossenlüder:
1 Gr. = 2 Armbänder und 1 Nadel mit Doppelspiralkopf. 2 Hr. - Drahtringe und 1 Nadel
mit geschwollenem Hals. — 3) Blankenau: Fr. von Rh 4) Oberbimbach: l Rad-
nadel mit I Ösen und 3 Armringe. — 5) Hoehstadt: 1 Gr. 2 Armbänder mit starker Längs-
rief elung; Perlen aus Bernstein und blauem Glasüuss; Spiralröhrchen und Reste vonTon-
gefässen. II Gr. i Schwert in ledergefütterter Holzscheide; 1 Absatzaxt. — 6 Osterholz:
l Hals-, 3 Arm- und 3 Pussringe; L Dolch und mehrere Fibeln (!) — 1 Essingen: Collier mit
10 Perlen und 3 durchlochten Plättchen aus Bernstein. - 8 Hünsingen: l Axt; 4 Armringe
und 2 Nadeln. — 9 Huldstetteu : 2 Fingerringe; 1 Armring u. Fr. von Bronze u. Bernstein.
— 10) Ehnlngen: 7 Armringe: 1 Dolch; 2 Nadeln: viele Spiralen und Bernsteinperlen.
— 598 —
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
42
Heilhronn,1)
Heilbronn
2 Ex. c
H. Gr. im
Schliz.O.Heftd.hist.
Württemberg
Schweins-
berger Wald
m.Steiusatza.
gross. Block.
V. Heilbronn 1900
Schliz-Heilbronn
43
Hohebach2)
S. auf Schloss
c
Aus einem
0. Keller, Vicus
a. d. Jaxt.
Neuenstein
In Stücke zer-
Brandhügel
Aurelii S. 54
Württemberg
schlagen
i. Teufelswald
Schliz-Heilbronn
44
Kirch berg
S. auf Schloss
c
—
Ebemlort
a. d. Jaxt, Württemb.
Neuenstein
Schliz-Heilbronn
45
Steinkircheu
bei Kocherstetten,
Württemberg
Heilbronn
2 Ex. 2 c u. 1 d
Roh., nicht nach-
gearbeitet. Guss
Dep.
Derselbe
46
Hammer3)
Nürnberg,
b2
Tiefgruhe im
Naue. Prähist. Bl.
bei Nürnberg
S. d. Natur-
flachen Felde
XII S. 49 ff. Tf.
wissensch. V.
0,4—0,6 im
tief in einer
Brandschicht
VIII 1
v. Förster-Nürnberg
47
Pappeiiheim4)
Berlin,
2 Ex. c
H. Gr.
M. Redenbachei-, Ab-
b.Weissenburg a S.,
K. M. f. V.
handl. üb. d. Grab-
Mittelfranken
hügel am Rötner-
wall S. 22-24 u.
T. II F. 14-16 in
„Beitr. z. Anthr. u.
Urg. Bayerns " 1 903
Götze-Berlin
48
Geisslohe5)
y
c
H. Gr. Sk.
Roth in Prähist, Bl.
b.Weissenburga. S.,
23,6 cm 1.
H. = 0.55 in h.
1S92 S. 19 Tf. III
Mittelfranken
Dm. der Rad-
scheibe = 6 cm
u. 47 Schritt
i.Umf. Oben
eine Nach-
bestattg. aus
d.Tene-Zeit,
darunter in
der Mitte die
Hauptbestatt.
des Sk. von
N. nach S.
49
Amberg,
Oberpfalz, Bayern
?
2 Ex. a u. c
H. Gr.
D. Popp, Abh. über
einige alte Gr. H.
b. Amberg, Ingol-
stadt 1S21 S. 28 bis
30Tf.IIIFig.7u.9
50
Nenhof,0)
2 Ex. in
4 Ex. a
H. Gr. Sk.
Naue sen.-München
Oberpfalz, Bayern
München,
Staats-S.
2 Ex. in
Regensburg
Birkner-München
Steinmetz-Regens-
burg
51
Parsberg, 7)
München,
2 Ex. a
H.Gr.m. Teil-
Naue sen.-München
Oberpfalz, Bayern
Staats-S.
verbrennung
Begleitende Funde. 1) Heilbronu: 1 Bernsteinhalsband; 1 Spiralarmband;
1 offenes Armband und 1 Fussspange mit Endspiralen. -- 2) Hohebach: 1 geschwollene
Nadel; 2 offene Armspangen von halbkreisförmigem Ausschnitt. — 3) Hammer: 1 Dolch-
i mit durchbrochenem Griff. — 1) Pappenheim: Nadeln mit geschwollenem Hals
ond Nadeln mit Spiralgehangen am oberen Ende. — 5) Gcisslolie: 1 offener Armring
leicht gerippt; 1 offener Armring, in der Bütte tordiert; Scherben von 2 schwarzen Ton-
gefS en. 6) Neuhof: I offene, spitz zulaufende Armringe (.'! verziert); 2 offene ver-
zierte Armbänder mit Endstollen. — 7) Parsberg: Halsschmuck aus Spiralröhrchen und
B Spiralscheiben; l Dolch mit Bfittelrippe und -1 starken Griffnägeln; '■'> geschwollene
Nadeln; •"> grosse hohle Knöpfe; 2 futuli und 2 offene gerippte Armbänder.
— 599 —
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
52
Unterbuchfeld
Nürnberg,
c
H. Gr.
II. Scheidemandel,
bei Parsberg
S. Scheide-
mandel
1 ber H.Gr.-Funde
b. Parsberg. 111
Nürnberg 1902
8. 19 Tf. I 2
.">.' '.
Hat/enhof ')
bei Parsberg
Berlin,
K. M. f. V.
II c 10GT
■1 Ex. c
II. Gr. Sk.
'Jütze-Berlin
r.i
Laber srioht,2)
Nürnberg,
2 Ex. a
H. Gr.' VIII
Festschr. z. lOOjähr.
Oberpfalz
Naturh. M.
Die Nadeln lagen
aus einer
Stiftgsfest d. nat.-
an den Schlüssel-
Gruppe
hist. G. Nürnberg
beinen
von 11 H.
1901 8. 229 Tf.
VII Fig. 32
v. Förster-Nürnberg
55
Götzöd,
B.-A. Amberg,
Oberpfalz
München,
Staats-S.
a
H. Gr.
Birkner-München
56
Brunn3)
Regensburg
3 Ex. a
H. Gr.
Steinmetz, Prähist,
b. Laaber, Oberpfalz
linGr.H.V
2 in Gr. IL
XXIII
Forschn.i.d.Umg.
v. Laaber im 55. B.
d. Verh. d. hist. V.
von Oberpfalz u.
Regensburg. S.-A.
S. 16 Tf. IV 4
07
Kegendorf
(Kerm), Oberpfalz
Regensburg
a
—
Steinmetz-Regens-
burg
58
Lippertshofen,
Oberpfalz
Regensburg-
2 Ex. c
Derselbe
59
Allers bürg,4)
Berlin,
4 Ex.
H. Gr. Sk.
Götze-Berlin
Oberpfalz
K. M. f. V.
11 c 3030/33
a-b
2 a und 2 c
Aus 2 Gräbern
60
N'enkehlheini,5)
Landshut,
2 Ex. a
H.Gr.
Birkner-München
Niederbayern
S. d. hist. V.
Polliuger- Landshut
61
Würzburg
Würzburg
d
Phot-Alb.d. Berliner
Ausstellung 1>V"
VIII Tf. 1 -
62
Sulzbach -Langen-
buchenberg,1
B.-A. Obernburg,
Unterfranken
München,
Staats-S.
2 Ex. c
Birkner-München
63
Birkenfeld,7)
B.-A. Marktheiden-
feld, Unterfranken
München,
Staats-S.
2 Ex. c
H. Gr.
1 lereelbe
64
Heekeuhof.
B.-A. Ebermann-
stadt, Oberfranken
München,
Staats-S.
2 Ex. c
H. (ir.
Derselbe
Begleitende Funde. 1) Hatzenhof: I Nadeln; 2 Armspiralen; viele tutuli usw.
(1 Tierkopffibel und andere Fibeln von einer Nachbestattung.; — 2) Labersricht: I Bchön
verzierte breite Armbänder. — 3) Brunn: l durchbrochene, radförmige Zierscheibe, die
von I grossen Buckeln unigehen war. — I Ulersburg: Offene Armringe. — 5] Neu-
kclillicim: 1 Dolch mit 2 Nieten: Armringe; Tongefässscherben mit schrafiierten Drei-
ecken verziert. 6 Salibach-Langenbnchenberg: 2 Armspiralen; I Bernsteinhalskette
(27 runde flache, •"• viereckige dache, 1 vierseitige prismatische und 1 dreieckige flache
Perle, durch kleine Spiralröhrchen verbunden): l kleines Armband mit dreieckigem Quer-
schnitt. - T Birkenfeld: Mit Uallstattbestattung ! 8 Ueckenhof: 1 ovaler vier-
kantiger Armring; l nvaler Ring rai< Endspiralen und 1 Bernsteinprisma mit <> Löchern.
600
Lfd
Nr
65
66
CT
-
69
Tu
Fu ad ort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Weisehan,1) Koburg. S. d.
auf d. Sonnenfelder anthrop. V.
Plateau b. Koburg
Ober- Weissbach-
grund,'-'; Ebendort
Mährenhausen3)
bei Koburg
Meiningen,4)
Umgegend (Themar,
Kaltestaude,
Uollmar, Dörren-
solz, Ober-Katz,
Einschiebt und
Hommerst)
Lenirsfeld
bei Salzungen
Osterkuppe6)
bei Schwarza,
Kr. Schleasingen
Schwarza,6)
Kr. Schleusingen
Botensehirm-
bacli,7) Kr.Querfurt,
Prov. Sachsen
Goseck,8)
Kr. Querfurt,
Prov. Sachsen
Koburg, S. d.
anthrop V.
Koburg, S. d.
antbrop. V.
'-Meiningen,
Altertums-
forsch -V.
Meiningen
2 Ex. c
2 Ex. a
2 Ex. c
e und d
H. Gr.
II. Gr.
H. Gr.
H. Gr.
■_' Ex. in 4 Ex. c
Hohenleuben, Die 2 in Halle
2 Ex. in Halle , sind 23 cm ]., das
Rad ist elliptisch
8 rni 1. u. 5 cm br.
Meiningen
Eisleben
Halle
2 Ex. aus 2 Gr.
c
In einem
Steinhauf am
Bayer (Berg)
H. Gr.
Die 2 Ex.
in Halle sind
L895 von J.
Schmidt a.d
„Hünenkopf*
ausgegraben
Sk Gr.
Sk. Gr.
b. Der Nadel Sk. Gr.
schaft fehlt. Die i In einer
Radscheibe hat flachen Grube
ein. Dm. v. 5,5 c»// in. Holzresten
Nachweis
Lissauer-Bei'lin
Derselbe
Derselbe
Arch. d. Heuueberg.
Altertumsf.- V. in
Meiningen 1839
Tf. I 4 ti. .k ls 12
S.27u. 1S45S.132
Phot. Alb. d. Berliner
Ausst.1880YIT.19
Phot. Alb. VI Tf. 18
Variscia I S. 32
Tf. IV Fig. 1 u. 2
Kossinna-Berlin
Förtsch-Halle
Variscia I Greiz 1892
S. 152 Tf. II 7-9
u Tf. IV Fig. lu. 2
Kossinna-Berlin
Höfer -Wernigerode
Auerbach-Gera
Jahresschr. f. d. Vorg.
d. sächö.-thüring.
Länder. Hallel902
S. 207 Tf. XXII
Ebendort S. 73
Tf. VIII
Förtsch-Halle
Begleitende Funde. 1) Weisebau: 1 Armring mit ilachen Endspiralen; 2 Arm-
spiralen; 1 geschwollene Nadel, undurchlocht : 2 kleine, offene Armringe: 1 trianguläre
Dolchklinge; 1 Knopfsichel: 2 Randäxte; 1 diademartiges geripptes Collier; 14 kleine kegel-
förmige tutnli, an beiden Seiten durchlocht, und 1 Gussklumpen. — 2) Ober-Weissbach-
grund: 1 Ringe ans plattem Draht: 2 Armspiralcn; 2 Spiralen: 2 Fingerringe feiner mit
Endspiralen); 1 Lanzenspitze; 5 tutuli von stahlblauer Farbe, wie in Nr. ('>.">: 1 Halskette von
8 Bernsteinperlen; 1 Halskette von durchlochten Vogelknochen und Zähnen vom Eber, Bär,
zwischen denen an •'> Stellen je 1 Paar Spirallocken herabhängen. — 3) Mähreiibausen:
1 Armring mit Endspiralen; 2 Armspiralen; 6 Scheiben mit oberer Öse und konzentrischen
Ringen auf der vorder d Fläche, durch welche die Gussnaht verläuft (vgl. Nr. 29): 1 Finger-
ring; l kegelförmiger tutulus und 1 Spirallocke.- Li Heiningen : Nadeln mit geschwollenem
Hals; Nadeln mii Doppelspiralen; Rand- und Absatzäxte; Dolchklingen; Pfeilspitzen;
Sil er; Armspiralen; Brillenspiralen; Armring«' mit Endspiralen; diademartige Colliers;
Bernsteinperlen und Gusskuchen von mehr &h2kg Gewicht. — 5) Osterknppe: Armringe
und Drahtfragmentc. 6) Schwarza: Bernsteinperlen. — 7) Rotenschirmbach: 2 Arm-
ringe. 8) Goseck : 2 Zierknöpfe.
60]
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
j Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
71
»Vlbsleben,1)
Mansfelder
Gebirgskreis,
Prov. Saclisen
?
c
C. D. P. Lohmann,
Beitr. zur Unters.
d. Altert a.einig.b.
Welbsleb. vorgef,
heidn. Cberbleibs.
Halle 1789 8. 80
Tf. II Fig. 17-49
Kossinna-Berlin
75
Rosenberg a. Elbe,
Neuhaldcns-
c. Das Rad-
Favreau-
Kr. Kalb.-.
leben, S. des
kreuz ist durch
Neuhaldensleben
Prov. Sachsen
Gymnasiums
Striche verziert
7G
Borstel,
Berlin,
b mit breitem,
Götze-Berlin
Kr. Stendal,
K. M. f. V.
durch 3 Kreise
Prov. Sachsen
I 1 i -285 a
verziertemKande
77
Catlenburg,
Hannover
'_' Ex. b und e
H. Gr.
Müller-Reimers,
Kr. Northeim,
Nr. 5926/7
Altert. S. 59 und
Hannover
Fig. 80
Lindenschmit, A. u.
h.V.1.4. 4. Fig. 4
Reimers-Hanuover
78
Dinklar,-)
Kr. Marienburg,
Ebendort
Hildesheim
2 Ex. c und d
H. Gr.
Führer durch das
M. in Hildesheim
Abt.il S.21Tf.II
Fig. 9 u. 10
Reimers-Hannover
7!»
Meppen,3)
Hannover
Hannover
Nr. 6006
•
H. Gr.
Derselbe
80
Oldendorf,4)
Lüneburg
2 Ex. a
Kossinna-Berlin
Landkr. Lüneburg,
Nr. 1008/9
Reimers-Hannover
Ebendort
81
Edendorf,
Kr. Ülzen,
Ebendort
Hannover
Nr. 51 »27
c
—
Reimers-Hannover
82
Negenborn.-)
Hannover
d
Angeblich in
Müller-Reimers,
Kr. Burggraf,
Nr. 12049
ein. Ton-
Altertümer S. 67
Ebendort
gefäss
Reimers-Hannover
83
Sülze,
Braun-
3 Ex. 2 a u. 1 c
H. Gr.
Fuhse-
Hannover
schweig Nr.
477/8 u. 503
Braunschweig
84
Schmale n beck,6)
Bremen
a 2(),:'> cm 1.
Gr.
Buchenau im Arch.
Kr. Lilienthal,
Dm. der Rad-
des naturw. V. zu
Ebendort
scheibe = 4."> an
An der Öse be-
findet sich noch
ein kleiner Ring
Bremen IX 1S87
S.416ff.
Kossinna-Berlin
Martin-Oldenburg
85
Sternberg,
Meckl.-Schwerin
Schwerin
b 21 cm 1.
Tief im
Torf gel
Beltz-Schwerin
86
Tressow
bei Malchin,
"Ebendort
Ebendort
b 20 cm 1.
Moorf.
1
Derselbe
Begleitende Funde. 1) Welbsleben: 1 Nadel, «lere,, Kopf an der Spitze durch
1 Ring und deren Hals durch ."> schmälere Ringe verzier! ist. — 2) Dinklar: 1 Schwert;
1 diademartiges Collier; durchlochte kegelförmige tutuli u. a. — •"• Meppen: 1 Pinzette. —
H Oldendorf: 1 Diadem mit 10 Rippen: 1 grosse Lanzenspitze; l goldene Fingerringe
aus Doppeldraht und Reste l Armspirale aus dünnem, schmalem Draht. — 5 Negenborn:
Knochen, Drahtspiralen und Buckel. — 6) Schmalenbeck: 2 ArmspiralcylLader von
8 resp. C> Umgängen und 4,7 resp. 2,7 cm Weite: 1 kegelförmiger tutulus; 2 zusammen-
gerollte Blechstreifen und 51 durchbohrte Bernsteinperlen.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Hefl 5. ao
— 602 —
Lfd.
Fundort. -
i
Variante.
Zur Fund-
Museum
Genauere An-
gaben
Nachweis '
Nr.
Genauere Angaben
geschichte
I
87
Vaale, l)
Kspl. Wacken
Schleswig-Holstein
Kiel K. S.
Nr. 6239
b1
H. Gr.
Mestorf-Kiel
88
Massel,
Kr. Trebnitz,
Schlesien
?
c
Wagner, Handbuch
der vorzüglichsten
. . . Altert, aus
heidnischer Zeit.
Weimar 1842 Fig.
768
89
Mogilno,2)
Bromberg
b ' mit 3 Ringen
Sk. Gr.
Kossinna in Z. f. E.
Prov. Posen
Nr. 771
auf dem ver-
0,5 m unter
1902 S. 207
breiterten Rande
der Oherfl.
Schmidt- Bromberg
90
Posen,
Posen
a
—
Koehler, Album der
Provinz
Poln. M.
. . . prähist. Denk-
mäler . . . Posen
1900 Heft II S. 46
Tf. 61 Fig. 31
91
Lhotka3)
Prag
a defekt
Dep.
Richly, Bronzezeit in
bei Pilsen
Brucherz
Böhmen. Wien
Böhmen
1894 S. 94 Tf. 16
bis 18
Pic-Prag
92
Dacbstübel-
Hagenaii
b2
H. Gr. IV
Naue jun.-München
Birkbach.
S. Nessel
Fundstelle
Naue, A. W. Die
Kr. Hagenau,
III
Denkmäler d. vor-
Elsass
römischen Metall-
zeit im Elsass S.50
93
Königshrück,4)
Ebendort
4 Ex c aus
H. Gr. Sk.
Ebendort S. 103 u.
Kr. Hagenau,
3 Gräbern
1) aus H. Gr.
108
Elsass
1 = 15 cm 1.
2 u. 3 = 21 cm 1.
4 = 22 cm
IV
Fundstelle
IV
2 u. 3) aus H.
Gr. V Fund-
stelle I
Naue jun.-München
4) aus H. Gr.
XI
Fundstelle I
94
Strassburg
Donau-
c
Aus dem
Ebendort S. 241 (86)
i. Elsass
eschingen
23,5 cm 1.
Rheinkanal
Naue jun.-München
Berlin K. M.
a
Götze-Berlin
f.V.IKKÜI
95
Aschbach,6)
Speier
2 Ex. c
H. Gr.
Barster, Die Aus-
B. A. Kusel,
21 cm 1.
1,7?« hoch u.
grabungen d. bist.
Pfalz
Dm. d. Scheibe
6,3 cm
22 m i. Dm.
V. d. Pfalz, Speyer
L886 S.öTf. VI 6
Hildebrand-Speyer
Begleitende Funde. 1) Vaale: 1 Armringe und Fr. eines tutulus. — 2) Mogilno:
1 Nadel mit sphäroidem, schön verziertem Kopf; 2 Armspinilcglinder aus 5 — 6 ii\m breitem
Draht und Spiralröhrchen. — 3) Lhotka: Sicheln mit durchlochtem Griff; Nadeln mit
doppeltkegelförmigem Kopf; kegelförmige tutuli; Randäxte; Schwertklingen mit flacher
Mittelrippe; Lanzenspitzen; Armringe: Armbänder und 2 goldene Schleifenringe aus Doppel-
draht. — I) Köiiigsbrück: ad 1: 2 offene Armbänder; ein Drahtring mit 6 Spiralwindungen;
1 Beinring mit Endspiralscheiben. ad2u. 3: 2 hohe Spiralarmbänder; 1 L8 cm. langer Dolch;
1 Beiming mit Endspiralschciben und 1 Tasse, ad 1: 2 hohe Spiralarmbänder; 1 Beinring
mit Endspiralscheiben. — 5) Aschbach: 1 Armband aus 20 '/'/" breitem Blech mit Endspiralen:
2 offene Ilalsringe von L40mm Dm. aus I mm starken Draht mit, imitierter wechselnder
Torsion; 9 Armringe von 60 -80 mm Dm., bis auf einen sämtlich mit parallelen Linien
verziert; ein geschlossener glatter Halsring von li;i mm Dm.; 2 geschlossene glatte Fuss-
ringe von LlO/nwi Dm. mit Sparen der Abnutzung; Scherben von I Tongefässcn.
(508
Lfd.
Fundort.
Variante.
Zur Fund-
Nr.
Genauere Angaben
Museum
Genauere An-
gaben
geschichte
Nachweis
96
Rheiiihcssen,
Mainz
S. d. Alt. V.
2 Ex. a u. c.
—
97
Flonhelm,
ebi'iidort
»
2 Ex. a
—
Schumacher-
98
Gonsenheiiii,
ebendort
"
2 Ex. a
—
Mainz
99
Hcideslieiiu,
ebendort
r>
e
—
ICK)
Mainz,
Mainz
6 Ex. 1 a 1 b2
3 aus dem
Lindenschmit, A. d.
S. d. Alt. V.
1 c
Rhein und
3 aus der
Umgegend
V. h. I 1. 4. Fig. 1,
Westd. Z.' 1898 8.374
Tf. V 13 und 1899
S. Uli Tf. VI 9
101
Dienheim,
Wiesbaden
a
Im Lauben-
Ritterling-
Rheinhessen
J. 1281
heimer
Walde
Wiesbaden
102
Odernheim,
Ebendort
Wiesbaden
J. N. 6970
c
Gr.
Derselbe
103
Leiselheiin,
Worms
2 Ex. a
Sk. Gr. von
Westd. Z. 1883.
Ebendort
W. nach 0.
gerichtet
Museographie für
l.ssi' S. 216 Tf. X
Köhl-Worms
104
Bingen,
Worms
2 Ex. a.
Im Rhein
Westd. Z. 1897.
Ebendort
teilweise
beschädigt
gef.
Museographie für
1896 S. 331)
Köhl-Worms
105
Ibersheini,
Worms
2 Ex. a
Sk. Gr.
Ebendort 1903.
Ebendort
zum Teil
v.W. nach 0.
Museographie für
beschädigt
gerichtet
1902 S. 415
Köhl-Worms
106
Winuingen
Wiesbaden
3 Ex. a, b4 u, c
—
Ritterling-
a d. Mosel,
J. 14 388/9 a
(mit 2 inneren
Wiesbaden
Rheinprovinz
und b
konzentrischen
Ringen)
107
Trechtings-
Bonn
a
Aus der S.
Berichte über die
liaiisin.
J.Nr. 15045
Seyler in
Tätigkeit der Pro-
Kr. St. Goar,
Bingen
vinzialkommission
Rheinprovinz
in der Rheinprov.
... VIII Düssel-
dorf 1904 S. 57
Fig. 28 Nr. 5
Lehner-Bonn
108
Rheinprovinz
Bonn J. Nr.
27'. i u. 2816
2 Ex. a u. c
—
Lehner-Bonn
109
Tyregod,
Kopenhagen
B 6546
d
Saranw-
Amt Vejle,
Kopenhagen
Jütland
110
Sjörslev,
Kspl. Sjörlev
Ljsgaard Harde
Amt Viborg,
Jütland
Kopenhagen
National M.
B. 1765
c
Derselbe
111
Speyer
Speyer
a .V) mm 1.
Dm. der Scheibe
35 mm
Eildebrand-Speyer
112
(irossniedeslieim
bei Frankenthal,
IM'alz
Speyer
a 190 mm 1.
Dm. der Scheibe
43 mm
Derselbe
39
— 604 —
3a. Der „mitteldeutsche" Typus der Radnadeln mit zwei Ösen.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
gescbichte
Nachweis
Stettfeld,1)
Amt Bruchsal,
Baden
Hockenheim,
Amt Schwetzingen,
Baden
Nassau,
Unterbimbacb,
Kr. Fulda,
Hessen-Nassau
Waizenbach2)
in Unterfranken,
Bayern
Morschrciitta,3)
t Oberfranken
Brackel,
Kr.Winsen a.d.Luhe,
Hannover
Wieb,4)
Mecklenb. -Schwerin
Karlsruhe
C. 3766
Mannheim
S. d. Alt.-V.
Wiesbaden
J. 6971
Fulda
Würzburg
S. d. hist. V.
Berlin
K. M. f. V.
II c 2189
Hannover
Nr. 51 122
Schwerin
b1 mit 6 Speichen
am inneren Ring
2 Ex. d*
d etwas defekt
Radscheibe mit
3 Ringen auf dem
verbreiterten
Rande
2 Ex. d2
21,5 cm lang
Gr.
H. Gr.
angeblich
in einem
Tongefäss
H. Gr. Sk.
, Steinkiste"
Dep.
Wagner- Karlsruhe
Westd. Z. XV S. 350
Baumann-
Mannheim
Ritterling-
Wiesbaden
Z. d. V. f. hess. G. u.
L.I 1837 S. 169 ff.
Tf. Fig. 1. 5. 6.
Kossinna-Berlin
Arch. d. hist. V. f. d.
Untermainkreis
III 1 Würzburg
1835 S. 154
Photogr. Album der
Aussteller, v. 1880
Tf. 18 Fig. 1
Götze-Berlin
Müller-Reimers,
Altert. Tf. XI 86
Reimers-Hannover
Mecklenb. Jahrb.
XII S. 415
Kossinna-Berlin
Beltz-Schwerin
3b. Der mitteldeutsche" Typus der Radnadeln mit vier Ösen.
Altdorf,)
Mitttdfranken,
Bayern
Würzburg,
Unterfranken
Kotliniiinnsthal,')
Oberfranken
Berlin
K. M. f. V.
II c 2222
Würzburg
S. d. hist. V.
Bamberg
?
Gr.
H. Gr.
Naue, Präh.Bl. 1893
S. 66 Tf. VIII
Götze-Berlin
Photogr. Alb. VIII
Tf. IS Fig. 2
Hermaun, Die heid-
nischen Gr. H.
Oberfrankens
Bamberg 1842
S. 31 Tf.VI 74
Schlemm-Berliu
Begleitende Funde. 1) Stettfeld: Eine Radnadel mit einer Öse; Armbänder und
ein Ring. — 2) Waizenbach: Eine Nadel mit plattem Kopf und Fr. einer Kette. —
:; Morsrlireulli: Eine zerbrochene runde, getriebene Schale; 2 einfache geschlossene Arm-
ringe; 1 grosse und 1 kleine Bernsteinperle; 2 Brillcnspiralen und Fr. davon, schmale
Zylinderspirale. — I) Wiek: 4 sehr wenig gebogene, dreirippige Sicheln mit hohem
Enddorn; '■< Absatzäxte; 1 Axthammer und 1 sehr lange Lanzenspitze (Montelius II). —
5) Lltdorf: Ein Messer mit durchbrochener Griffzunge und Endring, 21,4 cm lang. —
6) Bothmannsthal: Eine Nadel, Ohrringe, Perlen aus Bernstein und Glas.
605 —
Fundort.
Genauere Angaben
ßildsteinskopf,1)
Oberförsterei
Windhausen,
Hessen-Darmstadt
Oariustadt
Lauterbach
im Vogelsberg,
Hessen- Darmstadt
Unterbimbaeh,
Kr. Fulda,
Hessen-Nassau
Oberbimbach,-)
Hessen-Nassau
Wachenheim,
Pfalz
Herrnslieim
bei Worms,
Rheinhessen
Ottstein3)
bei Worms.
Rheinhessen
Mainz
Niederwetz,4)
Kr. Wetzlar,
Rheinprovinz
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
1 geschichte
Darmstadt
Darmstadt
Lauterbach
Kassel
Dürkheim
Mainz
S. d. Alt.
Worms
Mainz
5. d. Alt. -\
Braunfels
e
defekt
h mit „pfeil-
spitzenartigen
Köpfen"
e 13 cm lang
Von den < >sen
sind nur die
unteren End-
stücke erhalten
e1
zerbrochen
e 20 cm lang
Dm. der Rad-
scheibe 4,3 cm
Die Ösen sind
kronenartig
g 20 cm lang
Dm. der Rad-
scheibe G cm
?
3 Ex. e (?)
H. Gr.
Stein Gr.
H. Gr.
Auf der Burg
zu
Wachenheim
gefunden
Gr.
2 Sk. Gr.
Nachweis
Müller-Darmstadt
Lindenschmit, Alt.
u. h. V. II ;. I
Fig. 1
Kossinna-Berlin
Pinder, Bericht über
d. h. Alt. Kassel
1878 S. 18 Tf. I 13
Lissauer
Mehlis-Dürkheim
Schumacher-Mainz
Westd. Z. II 1883
S. 217 Tf, X 2
Koehl- Worms
Schumacher-Mainz
Schaum, Die fiirstl.
Altertumssammlg.
zu Braunfels 1819
Tf. 1-4
Kossinna-Berlin
4. Der „hannoversche" Typus der Radnadeln mit drei Ösen.
Freinsheim,
Pfalz
Baierseich,6)
Hessen Darmstadt
Ockstadt,
Oberhessen
Erbach
Darmstadt
Darmstadt
H. Gr. III
im Kranich-
steiner Park
Gr.
Schumacher-Mainz
Arch. f. hess. G. u.
Alt. N. F. III 1902
S. 260 T. IX 0-9
Mülk'r-Darmstadt
Müller-Darmstadt
Begleitende Funde. 1) Bildsteinskopf: 1 Nadel mit Doppelspiralkopf: 1 Nadel
mit glockenförmigem Petschaftkopf; 3 Armringe: 1 „Diadem" mit Doppelspiralen. —
2) Oberbimbach: 1 Radnadel mit einer Öse und 3 Armringe. — 3) Oft'stein: 2 Arm-
spiralen von je 25 Windungen und 18 bezw. 13cm Länge. — H Niederwetz: »irab 1:
1 zerbrochene Doppelspirale und 2 Armspiralen. Grab ~: i' Armspiralen: 1 Tutulus;
2 hohle spitze Knöpfe: 1 Kugelkopfnadel: 1 Doppelbrillenspirale: 1 Oherarmspiralzylinder:
4 Doppelspiralen: 1 Nadel mit Schraubenhals: 2 Bernsteinknöpfe u. a. mehr. — 5) Baiers-
eich: 1 Radnadel mit 1 Öse: -2 Armspiralen mit je L2 Windungen.
— 606 —
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
4
Frankfurt a. M. Mainz
S. d. A. V.
a
—
Schumacher-Mainz
5
Strüth,1) Wiesbaden
Kr. St. Goars- J.-N. 11 638
a1 Die
H. Gr.
Annalen d. Ver. f.
Kreuzungsstelle
Nassauische Alt.
li m nfiPfi
bildet ein
XV S. 386
1 1 ■ 1 11 >' 1 1 ,
Rheinprovinz
breiteres Feld
Ritterling -Wiesbad.
(3
Urmitz, Bonn
h2 Die Rad-
—
Berichte ü. d. Tätig-
Kr. Koblenz,
J.-N. 15 584
scheibe hat
keit d.Prov.-Kom.
Rheinprovinz
12 Speichen, in
4 Partien zu je 3
zusammen-
gefasst
d. Rheinprov.VIII
Düsseldorf 1904
S. 57 Fig. 28 Nr. 1
Lehner-Bonn
7
Grossschwab-
Flurstedt
c
—
Verworn, Z. f. thür.
liauseu,
S. d. Pfarrers
Gussform in
G. u.Alt. XII S.658
Thüringen
Alberti
grauschwarzem
bis 662 Tf. I u. II
Schiefer
Kossinna-B erlin
Auerbach-Gera
8
Leitzkau,
Kr. Jerichow I,
Prov. Sachsen
Burg
b
Steinkiste
Nachrichten 1895
S. 78 Fig. 8
9
Neukaldensleben,
Prov. Sachsen
Braunschw.
Stadt. M.
b
H. Gr.
Fuhse-
Braunschweig
10
Alt-Medingen,
Kr. Uelzen,
Hannover
Hamburg
a
19,3 cm lang
Hagen-Hamburg
Kossinna-Berlin
11
Behringen,2)
Berlin
a
H. Gr. Sk.
Nachrichten 1890
S. 2
Götze-Berlin
Kr. Soltau,
Hannover
K. M. f. V.
11 104 a
defekt
12
Toppenstedt,
Kr. Winsen a. d. L.,
Hannover
Hannover
Nr. 5023 und
50-29
2 Ex.
a? u. b.
Reimers-Hannover
10
Lüneburg,
Reg.-Bez., Hannovei
Hannover
7646 u. 12018
2 Ex.
a u. b.
Derselbe
1 1
Blcckede,3)
Hannover
Hannover
5025
b
H. Gr.
Derselbe
15
Garlstorf,
Hannover
a
—
Müller-Reimers,
Kr. Winsen a. d. L.,
5031
Altert. Tf. XI 8^
Hannover
Reimers-Hannover
16
Embsen,
Ldkr. Lüneburg,
Hannover
Hannover
11 972
a
Derselbe
17
Rohlingen,
Ldkr. Lüneburg,
Hannover
Hannover
5032
b
Reimers-Hannover
18
L9
Sollau,
Hannover
llambostcl,
Hannover
11875
Hannover
b
Derselbe
Kr. Soltan, Hannov
12 040
a
H. Gr.
Derselbe
Begleitende Funde. 1) Strütli: Armspiralen; Armbänder mit Endspiralen. —
2) Behringen: Geripptes Collier; mehrere Fr. von dünnen Armspiralen; 5 kegelförmige
Tutuli; einige röhrenartige Beschläge auf Leder. — 3) Bleckede: Eine Radnadel
ohne < i ie.
— <;07 —
Lfd.
Nr.
Fundort.
Genauere Angaben
Museum
Variante.
Genauere An-
gaben
Zur Fund-
geschichte
Nachweis
20
Weaterweihe,1)
Kr. Ülzen,
Hannover
V
a Schaft
abgebrochen
Dm. der Rad-
scheibe •"> cm
H. Gr.
v.Estorff,Heidn.Alt.
S. 82 Tf. VIII *;
Tf. XI 7
Reimers-Hannover
•_M
Hitzacker,
Kr. Dannenberg,
Hannover
Lüneburg
Nr. 1080
»
Derselbe
■>■>
Linden,
Kr. Ülzen,
Hannover
?
a Schaft abgebr.
Dm. der Bad-
scheibe fast 5 cm
H. Gr.
v. Estorff, Heidn.Alt.
S. 82 Tf. VIII 5
Reimers-Hannover
23
Bohlsen,
Kr. Ülzen,
Hannover
?
b Schaft abgebr.
Dm. der Rad-
scheibe 5,5 cm
11. Gr.
v. Estorff, Heidn.Alt.
S. 82 Tf. VIII 7
Reimers-Hannover
21
Fallingbostel,
Hannover
Hannover
Nr. 5030
a
II. Gr.
Derselbe
•_'."»
Meilendorf,
Kr. Burgdorf, Hann.
Hannover
Nr. 5026
a
—
Derselbe
20
Willerding,9)
Ldkr. Lüneburg,
Hannover
Breslau
b 31,3 cm lang
Dm. der Rad-
scheibe 6,3 cm
H.
in einem
Steinsatz
Seger-Breslau
27
Schmalförden,
Kr. Sulingen,
Hannover
Berlin
K. M. f.V.
11 616
b1
defekt
H. Gr.
Götze-Berlin
28
Eidenburg
bei Waren,
Mecklenb. -Schwerin
Schwerin
b
16 cm lang
In ein. Kanal
beim Baggern
gefunden
Mecklenb. Jahrb.
1864 S. 154
B'ltz-Schwerin
29
Woüdow )
bei Gnoien,
Mecklenb. -Schwerin
Stettin
A. d. Samml.
Maass in
Kenzlin
a
Balt. Studien Bd. 28
S. 576
Kossinna-Berlin
Stubenrauch-Stettin
30
Tonndorf4)
bei Wandsbeck,
Kr. Stormarn.
Schleswig-Holstein
Hamburg
d1 mit 2 Ringen
auf d. verbreiter-
ten Rande und
7 Speichen um d.
inneren Ring
Sk. Gr. mit
Steinsetzung
Hamb. Jahrb. I 77
SpliethS. :;7 Nr. 153
Fig. 72
Mestorf-Kiel
Hagen-Hamburg
31
Witzhate,5)
Lauenburg
Privat-S.
a ? Fr.
H. Gr. Sk.
Mestorf-Ki'd
32
Hademarschen,0)
Holstein
Privat-S.
V
Sk. Gr.
Dieselbe
33
Börkop.
Ksp. Gauersland,
Amt Vejle
Kopenhagen
Natiomil-M.
B 2."»:i
d
H. Gr. Um die
Nadel herum
fanden sich
Ornenscherb.
und Asche
Sarauw-
Kopenhagen
Begleitende Funde. 1) Westerweihe: Ein Collier mit abgebrochenen Enden, in
der Mitte 6,5 im hoch, reich verziert mit getriebenen Buckeln, einem Zickzackbogen und
10 schachbrettartig gemusterten Rippen; :'. massive glatte Ringe. - 2 Willerding: Ein
Collier; ein Armring mit knopfförmigen Enden. - '■'> WOBdOW: 2 Sicheln. — 4) Tonn-
dorf: Fr. einer kleinen Spirale und Halsschmuck. — ■">) Witzliavo: .". Armringe und ein
kleiner Ring. — 6) Hademarschen: Ein Dolch und ein grosser Tutulus.
608 —
2. Troja - Mykene - Ungarn. *)
Archäologische Parallelen.
Von
Hubert Schmidt.
In einem Vortrage, den ich im Februar des Jahres 1!>03 in der Berliner
archäologischen Gesellschaft über Troja und Mykene hielt, konnte ich eine
Reihe von Beziehungen zusammenstellen, die zwischen diesen beiden
hervorragenden Fundstellen des Mittelmeergebietes einerseits und Ungarn
andererseits bestanden haben müssen. Das darauf bezügliche Material hat
sich inzwischen vermehren lassen und soll im folgenden in einer aus-
führlicheren Darstellung behandelt werden.
Körperschmuck.
Bei der Beschreibung der trojanischen Schatzfunde in seinem Werke
„Bios" (1881 S.545) wurde Schliemann auf Analogien aus dem III. Schacht-
grabe von Mykene aufmerksam. Seine Vergleiche bezogen sich sowohl
auf die Formen einzelner Schmuckgegenstände, als auf Verzierungen an
solchen. Die ersteren sind kleine goldene Schieber aus Draht mit spiralig
aufgerollten Enden (Heinrich Schliemanns Sammlung trojanischer Alter-
tümer. Berlin 1902. Kat. Nr. 59882) und 6042)8), wozu Schliemann
a. a. O. ähnliche Gegenstände aus dem III. mykenischen Schachtgrabe in
seinem Werke „Mykenä" S. 226 Nr. 297, 299 zitiert. Die Verzierungen
bestehen in Doppelspiralen aus Golddraht, die sich auf einer goldenen
Prunknadel von Troja (Kat. Nr. 6133)1) und einem goldenen Armbande
ebendaher (Kat. Nr. 6003)6) aufgelötet finden; nach Schliemann (Bios
S. 545) sollen sie mit den ebenfalls im EH. Schachtgrabe von Mykene ge-
fundenen („Mykenä" S. 226 Nr. 295, 296) übereinstimmen.
Diese Vergleiche mit mykenischen Formen haben ein begreifliches
Misstrauen gegen das Alter der trojanischen Schatzfunde hervorgerufen
und den Ausdruck desselben auch in der Literatur zur Folge gehabt. So
konnte Chr. Blinkenberg bei seinen Untersuchungen zur vormykenischen
Kultur (Mein, des antiquaires du Nord 1896 S. 1 ff.) einen Zweifel an dem
liehen Alter, das Schliemann den Schmucksachen von Troja zuschrieb,
L) Vorgelegt in der Sitzung vom 20. Februar L904. Die während der Korrektur
hinzugefügten Bemerkungen sind in ecki,^ Klammern [— ] eingeschlossen.
2) Abg. Schi. Ilios S. 546 Nr. 836, 838, 853; A. Götze bei Dörpfeld, Troja u. Ilion
1902. 8.361 Fig. 303d.
o) Abg. Schi. Ilios S. 559 Nr. 909; A. Göl ze a.a.O. Dieser Schieber ist miniaturartig.
4) Abg. Schi. Hin- S. .",11 Nr. 834; A. Götze a.a.O. 8.34] Beilage 4:} Nr. II.
5) Abg. Schi. Ilios S. 551 Nr. 873; A. Götze a.a.O. Beilage 43 Nr. IV.
— 609 —
nicht unterdrücken. Noch entschiedener nimmt Matthäus Much eine
gegnerische Stellung ein. In seinem Buche „Die Heimat der Indo-
germanen • (1902 S. 96ff., 2. Aufl. L904 8. 1 I5ff.) versucht er die trojanischen
Schatzfunde chronologisch in die VI. Ansiedelung von Troja herunter-
zurücken, weil sie, wie er sagt, „eine so tiefgreifende Verwandtschaft mit
den Schatzfunden der Königsburg von Mykenä und ihrer Gräber" auf-
weisen. Er denkt sogar an einen direkten Import derselben "-leichzeiti"-
mittlen sicher eingeführten „mykenischen" Nasen (vgl. Schli eman n-
Sammlung Kat. Nr. 3368ff., 3386«F.).
Die einzige Schwierigkeit, die Fundumstände, beseitigt er damit, dass
er sagt, die Gold- und Silbersachen müssten als Schätze so tief wie möglich
in die Erde versenkt worden sein.
Diese Schlussfolgerungen sind gewiss irrtümlich. Auf Grund der
Nachprüfung, die A. Götze gelegentlich der Neuordnung der Schatzfunde
aus Troja vorgenommen hat (vgl. Dörpfeld, Troja und llion S. 325ff.),
dürfen die Fundumstände und die darauf gestützten Datierungen als
durchaus gesichert bezeichnet werden. Soweit es sich um das Vorkommen
von Gold- und Silberschmuck handelt, haben wir sieben sichere Funde
aus der II. Ansiedelung (A, G, I, K, L, X, Q). Wenn die Hauptmasse der
übrigen (B, C, D, E, F, M, 0, R, S) in die IL— III. Ansiedelung gesetzt
werden kann, so bedeutet das nicht eine jüngere Bntwickelung, die durch
sie gegeben wäre; vielmehr gleichen sich die Typen der beiden Fund-
gruppen so sehr, dass der Unterschied der Fundumstände nicht mehr in
Betracht kommt.
Was diese Fundumstände betrifft, so hält sich Much leider im
wesentlichen an den sogen. „Schatz des Priamus", der als Schatzfund A
eingeführt ist. Ohne mich auf Wiederholungen einzulassen, möchte ich
den Ausstellungen Muchs gegenüber nur auf zwei andere Funde ver-
weisen: Fund I lag auf der Böschung der Burgmauer der ."!. Bauperiode
der IL Ansiedelung zerstreut und Fund Q wurde unmittelbar vor einem
der Hauptgebäude derselben Periode innerhalb der Burgmauer aufgelesen
(vgl. Götze a. a. O. S. 336 f., 341). Freilich beruft sich Much mit Recht
auf die goldenen Zierscheiben, „die in der Regel in Mykenä reicher und
mannigfaltiger dekoriert sind, unter denen sich aber auch Stücke finden,
die den troischen zum Verwechseln ähnlich sind-. Gemeint i>t der Fund 11.
Aber gerade bei ihm sind die Schliemaunschen Angaben so bedenklich,
dass wir mit Götze (S. 335) mit riecht ältere und jüngere Kunde unter-
scheiden dürfen; denn es handelt sich hier um mehrere Fundstellen und
demgemäs8 offenbar um verschiedene, von einander unabhängige Funde.
Die von Much zitierten Stücke (Schliemann llios Nr. 903, 904) fehlen
in der Sammlung, haben aber ein Gegenstück in Kat. Nr. 6030 (Hb) und
treten als jüngere Erzeugnisse den älteren Kat. Nr. 6016 6029 (Ha)
gegenüber.
Zu den Fandumständen treten ferner auch Begleiterscheinungen,
die berücksichtig! werden müssen, unter den Schatzfanden sind Gegen-
stände, die kein Prähistoriker und Archäologe „höchstens der Mykenä-
kultur" zuweisen wird. Die sogen, cyprischen Dolche mit Griffangel sind
— 610 —
mit 7 Exemplaren unter ihnen vertreten: in den Schatzfunden A (Kat.
Nr. 5842— 5847) und K (Kat. Nr. 6050). Nach Ohnefalsch-Richter1)
gehört dieser Typus in die „protokykladische Periode HI" der cyprischen
Kultur, also weit vor die Blütezeit der mykenischen Kultur (vgl. darüber
unten mehr). Nicht minder sind für die Datierung der Schatzfunde auch
die Tongefässe in Betracht zu ziehen, in denen Schliemann die Schätze
vorgefunden hat. Über sie werden wir freilich bei den Funden D, E
und F im Ungewissen gelassen. Zwei andere genügen aber, um jeden
Zweifel zu beseitigen. Nach Schliemann wurde Schatz C in einer Ge-
sichtsvase (Bios S. 385 Fig. 23*2) gefunden. In der Schliemann-Sammlung
ist sie allerdings nicht vorhanden, die Abbildung gestattet aber dem Be-
arbeiter der troischen Keramik mit Sicherheit folgendes zu sagen: die
Technik (Handarbeit) und die noch naturalistische Formengebung sprechen
für die vormykenische Entwicklung der troischen Töpferei. Man vergleiche
selbst aus der dritten Periode der vormykenischen Technik die ent-
Fior. 1.
Fier.
wickelten Formen der Gesichtsvase (Kat. Nr. 1830ff. und bei Dörpfeld,
Troja und Ilion S. 257 f.) und man wird kein Bedenken tragen, die frag-
liche Gesichtsvase für bedeutend älter zu halten. Ebenfalls aus technischen
Gründen gehört zu den älteren Gruppen der vormykenischen Keramik die
Deckelbüchse (Kat. Nr. 824, 825), in der die Fayence- und Goldperlen
des Fundes M enthalten waren (vgl. Götze a. a. O. S. 340).
In beiden Gefässen also finden wir Schmucksachen, die mit dem
sonstigen Inventar der Scliatzfunde zusammengehen.
Wir müssen die Goldsachen aller trojanischen Schatzfunde nach Form
und Technik zusammenfassen; dann läset sich die Trennung des Fundes H
rechtfertigen und die vermeintliche, „tiefgreifende Verwandtschaft" der
trojanischen und mykenischen Funde fällt in nichts zusammen.
Das wird auch augenscheinlich werden, wenn wir einmal die fraglichen
Parallelen mit einander vergleichen.
Der trojanische Schieber (Fig. 1) besteht aus 2 Golddrähten, die
in der Mitte breit gehämmert und so beiderseits mit 2 Lappen versehen
sind; diese Lappen sind röhrenförmig zusammengebogen und gegenständig
ineinander geschoben und so wahrscheinlich noch zusammengelötet; die
freien 4 Enden des Drahtes werden spiralartig zusammengerollt, so dass
I) Zeitschr. f. Et.hnol. L809, Verhandl. 8.320.
— «II —
auf «Ion beiden Seiten des röhren artigen Mittelgliedes je ein Paar Spiralen
zusammengestellt ist.
Ganz anders die mykenischen Schmuckstücke. Wir können drei
verschiedene Typen oder Variationen unterscheiden. Gemeinsam ist ihnen
die Bildung des Mittelgliedes: Em Gegensatze zur trojanischen Art besteh!
hier das Mittelglied aus einer einzelnen Röhre, die aus Goldblech ge-
hämmert und vermutlich in der Längsrichtung verlötet ist.1) Verschieden
dagegen ist die Spiralbildung. Am nächsten der trojanischen Arr kommt
sie bei der Variation a (Fig. 2): für jedes Paar von Spiralen wird ein
(Jolddraht verwendet; dieser ist in der Mitte breitgeschlagen und durch-
locht; mit diesem Loch wird der Draht an jedem Ende auf die Röhre
aufgestülpt und verlötet; die Drahtenden werden nach der Innenseite
spiralig zusammengerollt und ebenfalls an der Röhre angelötet. Im Gegen-
satze zu den trojanischen Typen sind also hier die auf einer Längsseite
der mittleren Röhre befindlichen Spiralen nicht demselben, sondern ver-
schiedenen Drähten an<>ehöriu.
I'iir.
Fig. I.
Letzteres ist wiederum anders bei der Variation b (Fig. 3): hier ist
"beiderseits an der mittleren Röhre in ihrer Längsrichtung ein Golddraht
aufgelötet, während die vier freien Enden nach innen spiralig eingeroll-
sind, so dass also hier, der trojanischen Art entsprechend, jedes Paar der
Spiralen demselben Draht angehört. Entwickelter ist die Spiralbildung
bei der Variation c (Fig. 4): hier befinden sich zu beiden Seiten der
Mittelröhre je 3 Spiralwindungen, die aus einem und demselben Drahte
bestehen; in der mittleren Windung läuft also der Draht doppelt, d. h. er
ist eine fortlaufende Spirale. Sie entsteht dadurch, dass ein Golddraht
in der Mitte umgebogen und mit den beiden Hälften zusammengelegt
wird; an der ümbiegung wird nun dieser doppelte Draht in 7s Länge
spiralig zusammengerollt, dann werden die beiden freien Teile aufeinander
genommen und jedes Ende für sich nach rechts bezw. links spiralig ein-
gerollt: die so entstandene fortlaufende Spirale wird an drei Stellen mit
der Röhre verlötet.
Von der Variation a befinden sich in \then 3 grössere (Nr. 56) und
1) Letztere Einzelheit konnte ich durch Autopsie nicht feststellen, da mir bei meiner
letzten Anwesenheit in Athen (1902) die Poltschränke der Schliemann-Samrolung nicht
geöffnet werden konnten. Doch verdanke ich einer freundlichen Mitteilung von Tsuntas
die Bestätigung, dass die mittleren Röhrchen der Ijftngsrichtnng nach lusammen-
gelötet sind.
— 612 —
3 kleinere (Nr. 57) Exemplare; die Variation b ist in 2 Exemplaren (Nr. 58),
die Variation c in 3 Exemplaren (Nr. 59) vertreten. Die oben eingefügten
Abbildungen sind nach Schliemanns Mykenä hergestellt.
Von einer tiefgreifenden Verwandtschaft der trojanischen und der
mykenischen Goldfunde kann also wenigstens bei den Schiebern nicht die
Rede sein. Die Technik der mykenischen Exemplare ist gewiss als kom-
plizierter zu betrachten; und was die Form, also den Stil anlangt, so
deutet die vielseitige und reichere Verwendung der Spiraldrähte, im be-
sonderen die fortlaufende Spirale, auf eine jüngere Entwicklung. Wir
haben uns also die technischen und formellen Unterschiede der beiden
Fundgruppen aus dem Altersunterschiede zu erklären.
Was zweitens die erwähnten Verzierungen in Form von Doppelspiralen
aus Golddraht anlangt, so fällt der von Schliemann angestellte Vergleich
von trojanischen und mykenischen Formen ganz weg. Denn die von ihm er-
wähnten Parallelen aus dem III. mykenischen Schachtgrabe
Fi- 5- („Mykenä" S. 226 Nr. 295, 296) sind nicht dekoratives
Beiwerk, wie die aufgelöteten Doppelspiralen, sondern
einzelne Schmuckgegenstände, über deren Bedeutung
weiter unten gehandelt werden soll. Man vergleiche Fig. 5,
Teilzeichnuno- vom Armband, mit den unten folgenden
Figuren 7 und 8.
Allerdings hat sich die Doppelspirale als dekoratives Motiv bis in
die spätere niykenische Epoche erhalten. Wir finden es auf goldenen
Schmuckblechen in den Gräbern von Enkomi auf Cypern (Murray,
Smith, Walters, Excavations in Cyprus 1900, pl. VI 523, 525; XI 191,
195; XII 375, 462). Doch bestehen die Spiralen hier nicht aus besonderen,
aufgelöteten Golddrähten, wie in Troja, sondern sind eingepresst oder ge-
stempelt. Also wiederum stossen wir bei allen formellen Berührungen in
technischer Hinsicht auf einen Unterschied zwischen mykenischen und
trojanischen Goldschmiedearbeiten.
Um den Grad solcher Verschiedenheiten richtig zu beurteilen, werden
wir uns eine Vorstellung von dem Zeitunterschiede der mykenischen
Schachtgräber und der IL Ansiedelung von Troja machen müssen.
Die Schachtgräber von Mykene gehören in das Ende der frühniykenischcn
Epoche. Für ihr höheres Alter spricht das Vorwiegen der darin gefundenen
Vasen und Yasenscherben mit Mattmalerei.
Einen terminus post quem ergeben die Vasenscherben in der Art der
Kamaresware oder mit Firnismalerei des sogen. 1. Stils, für die man
nach den Funden von Kahun jetzt das XIX. Jahrhundert v. Chr. an-
setzen darf. ')
1) Unter den bei Furtwängler-Löschcke, Mykonische Tongel'ässc, aufgezählten
56 Nummern vcrtcili-n sicli die verschiedenen Vasrn^attiiii^rn i'olgendermassen: Firnis-
malerei, 3. Stil: Tf. III. 8-12; IV, 14: V, 29; VII, 12; XI, 55, 56. - 2. Stil: Tf. II.
- 1. Stil: Tf. VI, 30-35; VII, II im ganzen 18 Stück. Das übrige gehört der
Mattmalerei an, also 38 Stück. Fragmente des 1. Stils fehlen innerhalb der Gräber
selbst; die des ">. Stils haben einen etwas älteren Charakter als die in dein Schutte ober-
— 613 —
Einen zweiten Vergleich mit ägyptischen Funden ermöglichen die
eingelegten Dolche aus den mykenischen Schachtgräbern; ihre ägyptischen
Analogiestücke Btammen aus dein Grabe der Aahotep, das nach U. Schäfer
dem X\'l. Jahrhundert v. Chr. zuzuweisen ist. Wir werden also für die
Schachtgräber das XVIII. — XVI. Jahrhundert v. Chr. als Spielraum an-
nehmen können.1)
Mit den trojanischen Schatzfunden aber kommen wir Bicher in die
vormykenische Entwicklung, «I. h. mindestens in den Anfang des 2. Jahr-
tausends v. Chr. Bestimmte Parallelen fehlen noch für eine genauere
Datierung der II. Ansiedelung von Troja. Ihre Entwicklung läuft aber
der ägäischen Inselkultur parallel, wie Marmoridole, Bronzedolche, Ton-
gefässe u. a. beweisen.
In derselben Weise also, wie diese sich von der mykenischen Kultur
unterscheidet, haben wir uns den chronologischen Abstand der goldenen
Schieber aus Troja von den mykenischen zu denken. Wenn wir dafür
einen Zeitraum von ca. 300 — 400 Jahren einsetzen, werden wir wohl an-
nähernd richtig die Kluft begrenzen, die die beiden Fundgruppen Klein-
asiens und Griechenlands trennt.
Diese formellen und zeitlichen Unterschiede zwischen trojanischem
und mykenischem ßoldschmuck festzustellen, ist deswegen von Wichtigkeit
und ein dringendes Bedürfnis, weil Much a. a. 0. S. 117f. die idolförmigen
Anhängsel aus Goldblech, die bei dem Stirn- und Ohrschmuck der
trojanischen Frauen .Mode sind, sogar mit den Klapperblechen der Hall-
stattkultur vergleicht und schliesslich „aus inneren und äusseren Gründen"
annimmt, dass „auch der berühmte Goldschmuck von Troja durch seine
Anhängsel in die Zeit verwiesen werde, der diese angehören."
Ich glaube also, dass Much mit seinem Zweifel zu weit gegangen
ist. Ist wirklich der Vergleich mit Formen der Hallstattkultur berechtigt,
dann haben wir eben nach „inneren" Gründen zu forschen, um die
„Ähnlichkeit" des Jüngeren mit dem Älteren zu erklären. Vielleicht be-
ruht sie dann auf dem „prähistorischen" Geschmack, über den die Träger
halb der Gräber gefundenen Scherben desselben Stils, an die sich auch die des 1. Stils
angliedern; vgl. Furtwüngler-Löschke, Myken. Vasen S. 51.
Die schwarz-weiss-rote Gattung aus der Höhle bei Kamares auf Kreta s. bei
J. L. Myres, Proceedings of Soc. of Antiquaries. 2. Ser. XV, 351, pl. 1—4. Mariani,
Aut. Monum. dei Lincei VI Tf. 9—11, p. ;!:S:l. Dieselbe Gattung in Kabun aus der
XII. Dynastie bei Fliuders Petrie, Journal of Hell. Stud. 1890 pl. XIV, 5-10: Kahun,
Gurob and Hawara pl. 27 j Illahun, Kahun and Gurob pl. I. In Knossos auf Kreta findet
sie sich unterhalb der mykenischen Palastschicht: im Hügel von Kephala unmittelbar über
der neolitliiscben Schiebt. Diese kretischen Fände ausführlich behandelt von Hogarth
uud Welch, Jourii. of IL 11. Stud. XXI. 1901 S. 78ff., vgl. unten mehr.
Zur Chronologie der XII. Dynastie L. Burchardt, Zeitschr. f. äg. Sprache
1899 S.89ff., wonach das 7. Jahr der Regierung dos Königs Dsertesen III in die Jahre
1876— IST:) v. Chr. fallen muss.
1) Furtwängler und Löschcke (Myken. Tongef. S. XIII) nahmen für die Schacht-
gräber das XV. .-der XIV. Jahrhundert an. Furtwängler Antike Gemmen III S. 26)
setzt sie gleichzeitig mit dem Knde der Ägyptischen Byksosseit und dem Anfange des
neuen Reiches, die Blütezeit der mykenischen Kunst und Kultur in die XVIII. Dynastie
(ca. L600— 1 WO v. Chr. Geh. .
— 614
zweier zeitlich weit auseinander liegenden Kulturen sich zu erheben nicht
imstande waren — im Gegensatz zu den Trägern der eigentlich mykenischen
Kultur, die uns immer deutlicher als die geistig verwandten Vorgänger
der Griechen erscheinen müssen.
Wie erklärt sich nun aber ihre Verbindung, der offenbare typologische
Zusammenhang der älteren uud jüngeren Formen?
Die Möglichkeit, eine direkte Verbindungslinie zwischen Troja und
Mykene zu ziehen, ist ausgeschlossen. Nichts deutet darauf hin, dass in
Troja oder sonst ihm nahe stehenden Gebieten Kleinasiens eine weitere Ent-
wicklung der trojanischen Goldschmuckformen stattgefunden hätte. In
anderen Gebieten ist sie also vorauszusetzen, vielleicht auf dem griechischen
Festlande oder den ägäischen Inseln, vielleicht aber auch in nördlichen
Kulturkreisen. Mit Vermutungen käme man weiter, wenn die Quelle, aus
der die trojanischen Goldschmuckformen abzuleiten sind, bekannt wäre.
Mit dem ausgebildeten Geschmack und dem erhöhten technischen
Können der mykenischen Blütezeit ist die ganze Entwicklung der älteren
Goldarbeiten jedenfalls in keinem Einklänge. Vielmehr stehen die be-
handelten Schieber aus den mykenischen Schachtgräbern in einem offen-
kundigen Gegensatze zu der grossen Masse des übrigen Goldschmucks
gleicher Herkunft und zeigen in Technik und Form einen altertümlichen
Charakter.
Dieser Gegensatz wird deutlicher durch einen Vergleich der troja-
nischen Goldschmiedekunst mit der mykenischen. Die trojanische ver-
arbeitet den einfachen Golddraht zu Einzelformen und verwendet ihn
neben den Goldkügelchen ebenso, wie diese zur Reliefverzierung durch
Auflöten auf die Goldplatte. Die mykenische Technik beruht auf dem
Vorwiegen der Press- und Treibearbeit, wodurch eine reichere und freiere
Dekoration der Goldplatte oder des dünneren Goldblechs ermöglicht wird.
Die Treibetechnik beschränkt sich in Troja, soweit es sich um die Zier-
kunst handelt, auf die Buckelmanier und kommt
in ganz untergeordnetem Masse, ohne einen auf-
fallenden Effekt zu erzielen, zur Anwendung.
Um so mehr muss es auffallen, dass das-
selbe 3. Schachtgrab von Mykene noch andere,
goldene Schmuck formen von einfacherem, dem
trojanischen sich annäherndem Geschmacke auf-
weist. Es sind 2 Typen hier zu behandeln:
Armspiralen und Ilängespiralen.
1. Armspirale aus Golddraht (Fig. 6, nach
einer flüchtigen Skizze). Das besterhaltene
Exemplar ist Nr. 65 in der Schliemann-Sammlung
zu Athen. Seine Herstellung ist sehr einfach.
Ein Golddraht ist umgebogen und doppelt etwa
in einer Windung spiralartig gewunden; dann läuft
nur der untere Draht in gleicher Weise weiter, der obere wird abgehoben und
in der Weise abwechselnd rückwärts und vorwärts geführt, dass 8 fort-
laufende Spiralen den Lauf des unteren Drahtes begleiten; bei der letzten
Fig. G.
— 615 —
Spirale wird das Ende des oberen Drahtes mit dem freien Ende des
unteren zusammengelötet, ebenso wie jede Spirale für sich durch Lötung
mit dem unteren Draht vereinigt ist. Bruchstücke von ähnlichen Schmuck-
stücken liegen unter Nr. 68, 64, 66 in demselben Pultschrank aus; bei
Nr. 63 und 64 ist auf den Spiralen noch ein besonderer Draht mit spiralig
aufgerollten Enden aufgelötet.
Die Technik dieser Annspiralen geht vortrefflich zusammen mit der
Technik der oben behandelten Schieber desselben (Jrabes, im besonderen
entsprechen die acht fortlaufenden Spiralen des Armschmuckes der
Variation c der Schieber mit den drei, beiderseits aufgesetzten Draht-
spiralen.
Bei Schliemann, Mykenä (S. 226 Nr. 300), ist nur ein Bruchstück
abgebildet.
2. Hängespiralen aus Gold sind in 2 Typen bei Schliemann.
Mykenä S. 226 Nr. 295, 296 abgebildet1) (vgl. Schliemann-Sainmlung Athen
Fi-. 7.
Fi-. 8.
Nr. 53 und 54). Beide sind in 2 Exemplaren vorhanden. Es sind die-
selben, die Schliemann irrtümlich mit den oben erwähnten, ornamentalen
Doppelspiralen zusammengestellt hatte. Fig. 7 und 8, nach Schliemann.
Diese Hängespiralen haben etwa die Grundform eines breiten Ovals,
das oben mit einer ösenartigen Ausbiegung versehen ist, und dessen freie
Enden nach innen spiralartig eingerollt sind. Die eine Nr. 54 besteht
aus einem vierkantigen, im Querschnitt rhombenförmigen, dicken Gold-
draht; die Endspiralen sind unten nebeneinander gestellt; das Ganze scheint
durch Zufall oder absichtlich etwas auseinander gezogen zu sein. Beim
anderen Typus (Nr. 53) ist der Draht dreikantig, im Querschnitt etwa
1) Auch bei K. Hadaczek, Der Ohrschmuck der Griechen und Etrusker (Abhandl.
d. arch. epigr. Sem. d. Univ. Wien 1903) S. 7 Fig. 8 abgebildet. Die beiden anderen,
nach Schliemann (Mykenä) erwähnten „Ohrgehänge" haben mit unseren Hängespiralen
nichts zu tun. Wenn H. S. 13 Anin. 1 in den mykenischen Typen die Vorstufen für seine
„melischen" Anhängsel (Fig. IG— 18) sieht, so kanu ich nicht beistimmen. Wenn er sie
aber als Verwandte der nach aussen gerollten Doppelspirale, die als ornamentales Motiv
schon in Troja vorkommt, betrachtet, so ist das gewiss unrichtig. Denn in der Windung
der Spiralen nach aussen oder innen ist ein Unterschied gegeben, der beide Formen
generell trennt und nicht verwandtschaftlich verbindet. Den Fehler machte schon
Schliemann.
— 616 —
giebeldachförmig, unten flach und breit 1), während oben ein Mittelgrat
läuft; die freien Enden sind um eine halbe Windung weiter nach oben
geführt, so dass die Endspiralen oben nebeneinander zu stehen kommen
und zwar so, dass die vom linken Draht die rechte, die vom rechten
Draht die linke Seite einnimmt; der ganze untere Bogen verbreitert
sich und bietet Baum für eine Verzierung; diese besteht aus Halb-
kreisen, die zu beiden Seiten des Mittelgrats mit nach aussen geöffnetem
Bogen nebeneinander gereiht sind, vermutlich mit Hilfe eines Zirkels ge-
zogen, da überall der Zentralpunkt sichtbar ist und die Wirkung der
Dekoration erhöht.
In Athen befinden sich unter Nr. 55 noch zwei weitere Exemplare
aus demselben Schachtgrabe; sie bringen jedoch nichts Neues; sie sind
nicht verziert und ihre Endspiralen sind nicht so weit nach oben geführt,
wie bei den vorigen. Möglicherweise haben wir uns auch bei Nr. 54 die
Endspiralen gegenständig weiter oben zu denken.
Wo sind nun diese Schmuckformen unterzubringen, wenn sie aus
dem Bahmen der mykenischen Entwicklung herausfallen?
Die Armspiralen lassen sich an die allgemein-europäischen Spiralen
aus Gold und Bronze angliedern. Das Prinzip der Drahtrückbiegung
haben sie mit den Spiralen mit Bückbiegung und den sogen. Noppen-
ringen gemeinsam, die nach dem Vorgange von 0. Tischler durch 01s-
hausen (Zeitschr. f. Ethnol. 1886, XVIII. Verhdl. S. 471 ff.) eine überaus
gründliche und exakte Untersuchung erfahren haben. Allerdings hat bei
den mykenischen Typen die Bückbiegung des Drahtes eine besondere
Bedeutung, insofern sie zur eigenartigen Anordnung von fortlaufenden
Spiralen führt. Bei den nordischen Typen kommen diese nicht vor. Ob
wir es hier mit einer mykenischen Eigentümlichkeit zu tun haben, lässt
sich noch nicht sagen.
Bestimmter kann der Zusammenhang mit dem Norden bei den Hänge-
spiralen erwiesen werden. Sie gehören zu analogen Formenreihen, die
für das ungarische Fundgebiet charakteristisch sind. Hier haben diese
Formen ihre Entwicklung erlebt, hier werden wir also auch ihren Ursprung
zu suchen haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist auf grund des häufigen
Vorkommens dieser Hängeschmucksachen Siebenbürgen als ihr Fabri-
kationszentrum zu betrachten. Soweit sie mir in Ungarn bekannt ge-
worden sind, ist das Material, aus dem sie verfertigt worden sind, durch-
weg Gold, und gerade Siebenbürgen ist reich an Goldfunden aus älterer
Zeit und gewiss eine der bedeutendsten Bezugsquellen für dieses Edel-
metall gewesen. Über das sonstige Vorkommen der Hängespiralen weiter
unten.
1) Einer freundlichen Mitteilung vom Tsuntaa verdanke ich die Angabe: „Der
Durchschnitt der Hängespiralen Nr. 53 ist ungefähr dreieckig; von den 2 Schenkeln des
Dreiecks Lai der äussere mehr konvex, der innere konkav. Die Basis, d.h. die Unterseite
des Drahtet isl nicht ganz gerade, sondern bildet einen kaum merklichen Rücken
in der liitte; dadurch nähert sich dies Spiralenpaar dem unter ."> I und 55, deren Durch-
schnitt rhomboidal ist." Vor dem geschlossenen Pultschrank war es mir nicht möglich,.
die 1,'nter.vite des Drahtes zu untersuchen.
— 617 —
Zwei Grundformen lassen sich im allgemeine!] unterscheiden: eine
breit-ovale (A) und eine Länglich-ovale (B). Jede von ihnen tritt in mehr-
fache!] Variationen auf. Das Gemeinsame und zugleich Wesentliche besteht
Ihm diesen Typenreihen in einer mehr oder weniger starken Ver-
breiterung oder Verdickung der unteren Enden; durch diese Eigen-
schaft ist ihre Bedeutung als Hängezierrat gesichert.1) Der Gold draht hat
entweder einen runden oder einen dreikantigen Querschnitt; einzelne
Typen haben eine blattförmige Verbreiterung des Drahtes. Vermutlich
hängen diese Verschiedenheiten von der Technik ab; denn man kann ge-
gossene, bezw. gewalzte und gehämmerte Stücke unterscheiden. Die
Hammertechnik führt weiter zu den Sondertypen mit hohler Innen-
seite.
Zur Grundform A gehören folgende Variationen:
a) Der nach unten hin verdickte Draht wird in der Mitte nach oben
geführt; die Enden verjüngen sich wieder und werden in kleinen
Spiralen nach innen zusammengerollt; der Querschnitt ist rund.')
Fig. 9 (oberes Exemplar), nach Photographie.
Fisr. 9.
Fiff. in.
Pur. 11
b) Der Draht ist unten am stärksten angeschwollen, in der Mitte nur
ganz wenig gehoben und endigt in einer hakenförmigen Spitze;
der Querschnitt ist dreieckig, die Innenseite ein wenig vertieft,
so dass die inneren Ränder sich scharf abheben, während die
Aussenseiten etwas konvex sind. Als Beispiele dienen die beiden
angehängten Exemplare von der vorigen Abbildung, Fig. '•>.
c) Neben diesen Typen mit weiter Öffnung kommen gedrungene
1) Diese charakteristischen Eigenschaften sind bereits von Olshausen, der sie bei
den Spiral- und Noppenringen a. a. 0. kurz behandelt, richtig erkannt und hervorgehoben
worden.
2) Fig. 9. Die drei ineinander gefügten Exemplare befinden sieh im Universitats-
Museum von Kolozsvär (Klausenburg) und stammen aus Yärtalva. Variation a ist wahr-
scheinlich gegossen und gewalzt, während die beiden anhängenden Exemplare der
Variation b gehämmert sind. Abg. Hampel, A Bronzkor Emlekei Magyarhonbaii I
Tf. 47, 7: ähnlich mit Verzierungen ebenda III S. 228 Fiur. 32. Unsere Textabbildung ist
nach einer Photographie angefertigt Die kettenartige Verbindung mehrerer Exemplare
ist wahrscheinlich sekundär.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahn,'. 190-1. Heft 5. 40
— 618 —
Formen mit sehr enger Öffnung und auffallend starkem, drei-
kantigem Draht vor.1) Fig. 10, nach Photographie.
d) Em« besondere Abart bilden die weit auseinander gezogenen, etwa
mondsichelformigen Typen mit rundem oder kantigem Querschnitt;
die weit auseinander stehenden Enden verjüngen sich plötzlich
sehr stark und werden hakenartig nach oben gebogen.") Fig. 11,
nach Photographie.
Die Grundform B ist in folgenden Variationen vertreten:
a) Die einfachste Form besteht in einem offenen, länglich-ovalen
Ringe, dessen stark verdickte Enden übereinander greifen und
hakenartig nach oben genommen sind.3) Fig. 12, nach einer
photographisehen Aufnahme des Hrn. Professor Cserni in Karls-
burg.
ß) Der zweiten Abart liegt dieselbe Form zugrunde, jedoch wird das
eine Ende zurückgebogen und nach der entgegengesetzten Seite
geführt; so bekommen die beiden Seiten ein ungleiches Aussehen;
Für !-_>.
Fig. 13 a.
Fiar. 13 b.
dasselbe Prinzip der Rückbiegung ist den Noppenringen eigen-
tümlich. (Hängespirale mit einfacher Rückbiegung.4) Fig. 13 a, b,
nach Photographie.
1) Fig. 10. Das abgebildete Exemplar befindet sieb im National-Museum zu Buda-
pest. Im Universitäts-Museum zu Kolozsvär (Klausenburg) habe ich mir von derselben
Form notiert: luv. Nr. 1*71 7238, 70CrJ (aus Väsavolt) und 7237 mit mehr auseinander
gezogenen Enden, 1S70 (aus Belsö, Kom. Szolnok) wahrscheinlich gegossen. Auch im
Museum zu Versecz ist diese Variation in 4 Exemplaren vertreten. Bemerkenswert sind
in Budapest einige ornamentierte: eingeschlagene, kleine Kreise in Beihen (vgl. Hampel
a.a.O. III 8.228 Fig. 32); einige von ihnen sind so gegliedert, dass sie unten im ver-
dickten Teile in zwei Gliedern verlaufen; doch sind diese nicht zusammengelötet, sondern
bestehen aus einem einzigen, massiven Stück Gold.
2 Das abgebildete Exemplar im Universitäts-Museum zu Kolozsvar Klausenburg).
Derselbe Typus ist dort mehrfach vertreten. Vgl. Hampel a. a. 0. I Tf. 48, 4; III S. 254
Fig. :J4 (verziert).
3) Nach freundlicher Angabe des Hrn. Cserni aus dem l nterweissenburger Komitate;
im Karlsburger Museum. Ein ähnliches in Klausenburg Nr 1910. Der Querschnitt ist
rund, also wahrscheinlich gegossen und gewalzt. In Budapest ein Exemplar aus Szihalom,
eine ganze Kette solcher Typen bei Fr. Pulszky, Magyarorszäg Archaeologiaja Tf. 73.
Im naturhistorischen Iloi'museum in Wien notierte ich mir 5 Exemplare desselben Typus
mit der Provenienzangabe „Siebenbürgen".
I) Die beiden abgebildeten Pendants im National-Museum zu Budapest: im ganzen
zählte ich dort 5 Exemplare, teils mit rundem, teils mit kantigem Querschnitt. Ebenso
5 Exemplare notierte ich im naturhistorischen Hofmuseum zu Wien „aus Siebenbürgen":
bei einem derselben ist das zurückgebogene Ende Bpiralig zusammengerollt. Ein Exemplar
besitzt das städtische Museum zu Oedenburg. Vgl. auch Hampel a. a. 0. I Tf. 18, 5.
<;ü) —
y) Eine dritte Variation entsteh! dadurch, dass beide Enden zurück-
gebogen worden und so die Symmetrie wieder hergestellt ist
(Hängespirale mit doppelter Rückbiegung). Aus Ungarn ist mir
allerdings diese Variation nicht bekannt; i « - 1 1 komme weiter unten
darauf zurück. Vgl. Fig. 20.
d Ktwas abweichend von dein bisher heult lichteten Bildungsprinzip
ist eine vierte Variation. Wie bei den Spiralringen wird der
Draht in der Mitte umgebogen und läuft doppelt in 1 '/2 Windungen
von innen nach aussen; der verhältnismässig dünne Draht er-
weitert sich in den unteren Teilen der Windungen blattartig
und hat hier eine Mittelrippe. Die Enden werden auf einer und
derselben Seite nach oben geführt, bandartig breit gehämmert
und in Spiralen nach aussen eingerollt.1) Fig. 14a. b, nach Photo-
graphie.
e) Während bei <3 I parallele Bänder im unteren Teile nebeneinander
laufen, dagegen nur 2 Windungen im oberen Teile dem Zwecke
des Aufhängens dienen, findet sich eine fünfte Variation mit drei
unteren, verdickten und zwei oberen, dünneren Windungen.2)
Fig. 15, nach Photographie.
Fig. 1 La. Fig. 16.
Fig. IIb.
Schon oben ist erwähnt, dass die Hammertechnik zu Sondertypen
mit hohler 1 n neu seite C. führt.
Sie schliesseu sich an die Variationen b und c an: die Abbildung
zeigt eine ganze Reihe von sechs ineinandergeketteten Exemplaren; das
unterste ist verhältnismässig gross und verziert mit Punktreihen und
kleinen nebeneinander gesetzten Halbkreisen.8) Fig. 16, nach Photo-
graphie.
1 Die abgebildeten Pendants im National-Museum zu Budapest Ebendaist dieselbe
Variation in grossen reich verzierten Exemplaren aus Szarvaszö", Kom. Blarmaros ver-
treten: die Beitlicheu Spiralbäoder sind mit doppelten Dreieckreihen verziert: an den
hängenden Spitzen sitzen je zwei eingeschlagene Tunkt.' untereinander.
2) Diese Variation ist in einem, bisher als Unikum anzusehendem Exemplar im
üniversitäts Museum zu Kolozsvar (Klausenburg) vertreten: luv. Nr. 7239.
:: Die abgebildeten Exemplare im Museum zu Budapest; vgl. auch Hampel a.a.O.
1 Tf. is. 1-6; III S. ■_'.-) I Rg. 34.
10*
— 620 —
Das charakteristische Merkmal dieser Typenreiherj, die Verdickung
der unteren Enden, finden wir bei einem noch einfacheren Typus vor:
einer Spirale mit etwa V/2 Windungen. Diese kommt in Troja vor und
zwar gehört sie zum Schatzfund F, den mau mit A. Götze (bei Dörp-
feld, Troja und Ilion S. 333 f.) der IL oder III. Ansiedelung zuzuweisen
hat. Schliemann (Ilios S. 555) kannte 2 Paar aus diesem Funde; nur
eins ist in der Berliner Schliemann-Sammlung unter Kat. Nr. 6014, 6015. *)
Fig. 17 nach der Abbildung im Kataloge. Ein genau entsprechendes
Exemplar ist mir aus Ungarn nicht bekannt; [ein ganz ähnliches dagegen
wird in Anm. 5 erwähnt].
Heibig (Homer. Epos2 S. 244 Fig. 82) hatte diese Spiralen nach dem
Vorgänge von Schliemann als Lockenhalter erklärt. Studniczka (Jahrb.
d. kais. deutsch, arch. Inst. 1896, XI S. 285) trat für ihre Verwendung
als Ohrgehänge ein. Ihr Zusammenhang mit den mykenischen und
ungarischen Hängespiralen2) entscheidet gegen die Deutung als Locken-
halter; eine derartige Verwendung ist bei der einseitigen Verdickung,
Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20.
wodurch der Schwerpunkt nach unten verlegt wird, ausgeschlossen. Zu
gunsten der Deutung als Ohrgehänge wird weiter unten noch mehr vor-
gebracht werden können.
Es ist nun überaus wichtig, dass wir das Verbreitungsgebiet unserer
Schmucktypen weiter nach Osten erweitern können. Als zweites Fabrikations-
zentrum ist für sie der Kaukasus in Anspruch zu nehmen. Allerdings
häufen sich hier die Typen nicht in derselben Reichhaltigkeit und Mannig-
faltigkeit, wie in Siebenbürgen. Sie beschränken sich auf die länglich-
ovale Grundform der Spirale und unterscheiden sich von den ungarischen
erstens in bezug auf das Material, insofern nur selten Gold, in der Regel
Bronze verwendet ist, zweitens in bezug auf die Form, insofern die Ver-
stärkungen der unteren Teile mehr in einer bandartigen Verbreiterung,
ul- in einer Verdickung bestehen.
Neben den einfachen Typen ohne Rückbiegung3) und mit einfacher
1 Abg. im Kataloge auf Beilage 1: l><d A. « ; <> t z e auf Beilage 43 Nr. Va; bei
Schliemann, llios 8.554 Nr.878, 880. K. Hadaczek a.a.O. ist der Zusammenhang
der mykenischen mit den tiojanischen Typen entgangen. Die letzteren erwähnte er S. 5
im Zusammenhange mit gewundenen Golddrähten, die mit unseren Hängespiralen nichts
gemeinsam haben vgl. Kat. Nr. 6143, HIN). Nur das Stück bei Schliemann Nr. 845
gehört hierher.
2 Mit 'Ich angarischen Typenreihen sind die trojanischen Exemplare schon von
Olshansen a.a.O. S. 472 richtig zusammengestellt worden.
■ '■ ohne Iiückbiegung: aus Bronze von Kambulta, am Uruch bei Donifarss ahg.
Kawka V7I1 IT. 89 Nr. 10—13, 15; von Kasbek ahg. Radde, d. Sammlungen des
— 621 —
Rückbiegnng1), die den ungarischen Variationen a und ß entsprachen,
findet sich hier die in Ungarn noch fehlende dritte Variation y mit doppelter
Rückbiegnng und spiraliger Bildung der Drahtenden.9) Fig. 18 — 20.
Audi die Bedeutung; dieser Schmuckstücke ist durch die kaukasischen
Gräberfunde gesichert; sie sind bei den Skeletten an der Stelle der Ohr-
muscheln gefunden worden.3) Daher hat sie B. Chantre a. a. 0. als
pendants d'oreilles bezeichnet. Virchow (Das Gräberfeld von Kobän
kaukasischen Museums V Tf. IV p. L6; von Tschmi abg. Kawkas Tf. 56 Nr. 14; von
Ober-Kobän abg. E. Chantre, Rechercb.es anthropol. dans le Caucase II Atlas pl. l'.i -
nr. 2; — aus Gold: von Kambulta ab»-. Kawkas a. a. 0. Tf. S!) nr. 14, 16.
1) Mit einfacher Rückbiegung: aus Bronze von Ober-Kobän abg. E. Chantre
a. a. <>. nr. 1; — aus Gold abg. Kawkas VIII Tf. 124, 5: von Kasbek abg. Radde a. a. 0.
Tf. III, IV p. 15, 16.
2) Mit doppelter Rückbiegung: aus Bronze von Ober-Kobän abg. E. Chantre
a a. 0. pl. 17, 3-6; R. Virchow, Das Gräberfeld von Kobän Tf. VII, 12; XU, 1, 2;
IX, 1, 2; XI, 1; von Kambulta abg. Kawkas VIII Tf. 89 nr. 17—19, 21; von Phaska
ebenda Tf. 118 nr. 11.
[Während der Korrektur der Druckbogen, die Herr Brunner freundlichst übernommen
hat, bin ich in der glücklichen Lage, nach Besichtigung des historischen Museums
zu Moskau und des kaukasischen Museums zu Tiflis über das Auftreten der Hänu'e-
spiralen im Kaukasus noch folgendes nachzutragen.
Der einfache Typus (A) der breitovalen Spirale aus Gold, zwar nicht ganz "-enau
dem trojanischen Typus entsprechend, aber ihm sehr ähnlich, ist in einem Exemplar aus
Phaskau in Moskau vertreten. Damit scheint der Weg angedeutet zu sein, den diese
Typen von Ungarn nach Troja gegangen sind, obgleich wir genau entsprechende Exemplare
in Ungarn noch nicht aufzuweisen haben.
Bemerkenswert ist ferner, dass auch im Kaukasus, nach einigen in Moskau auf-
bewahrten Fragmenten zu folgern, die Typen aus Gold mit mittlerer Längsrippe auf der
blattartigen Verbreiterung (B b) vorkommen.
Die bronzenen Fabrikate wiegen aber den goldenen gegenüber bei weitem vor.
In Moskau habe ich folgende feststellen können: a) breitovale, fast kreisförmige, massive
also entsprechend dem oben genannten goldenen Exemplare, sehr zahlreich; b) längliche,
massiv und dick: c) längliche, blattartig dünn mit hohler Innenseite: d) diese letzteren
haben häufig die einfache Rückbiegung; e) diese Form d kommt auch mit mittlerer
Längsrippe auf den blattartigen Erweiterungen vor, also wie die goldenen, aber ohne
Spiralenden: f) mit doppelter Rückbildung und Endspiralen.
Zu den in Tiflis aufbewahrten Exemplaren wäre folgendes zu bemerkeu: Die
goldenen sind in den Gräbern von Kasbek (Stepan-Zminda) gefunden, die Farbe des Goldes
ist teils sattgell), teils heller, dem des Elektron entsprechend. Nr. :;i I (Katalog von Radde)
gehört zum einfachen, länglichen Typus mit verdickten Enden. Zahlreicher sind die
Exemplare mit einfacher Rückbiegung (Nr. 312, 313, 315—320 : bei allen diesen Typen
sind nicht nur die Enden verbreitert, sondern auch das mittlere Glied, aber letzteres" nur
;uil' einer Seite SO dass also die drei breiten Flächen Dach einer Seite gerichtet Bind"
diese Verbreitungen sind auf der Innenseite ein wenig konkav. Nr. 31] von derselben
Form hängt an einem offenen goldenen Binge.
Wichtig ist es, dass auch in Transkaukasien die goldenen Hängespiralen vor-
kommen. Nr. 2540, 25 II (Mus, Tiflis) sind in Kolchis bei Parzchanakanewi gefunden: sie haben
doppelte Umbiegung und aufgerichtete Spiralenden, entsprechen also den entwickelten,
nordkaukasischen Bronzetypen, haben aber blattartig dünn ^hämmerte Verbreiterun »en.
Unter den wenigen in Tiflis aufbewahrten Kobänfonden sind auch diese Bronzeexemplare
vertretend
3) Siehe die Abbildungen der Skelette mit eingezeichneten Beigaben bei E. Chantre
a. a. 0. im Text p. ■_'•">. 27, 31.
— 622 —
S. 44) fasst sie als „Schläfenringe", ähnlich den freilich viel späteren
slavischen auf und denkt sich ihre Befestigung entweder an der Kopf-
bedeckung- oder, was noch mehr der Analogie der slavischen Schläfenringe
entsprechen würde, an einem um den Kopf gelegten Bande oder Leder-
riemen. Als Ohrgehänge würden sie nicht unmittelbar im Ohrläppchen
hängend zu denken sein, sondern müssten an einem um die Ohrmuschel
gelegten Faden oder Bändchen befestigt gewesen sein |oder an einem
goldenen Hinge, wie das erwähnte Exemplar in TillisJ.
Dass unsere Schmucktypen im Kaukasus fabriziert, nicht etwa von
Ungarn dahin importiert sind, geht einmal ans der für den Kaukasus
charakteristischen Beschränkung auf eine Form, den länglich-ovalen Typus
hervor; ferner spricht dafür die vorwiegende Verwendung von Bronze, die,
soweit mir bekannt ist, in Ungarn bei den gleichen Typen ausgeschlossen
ist; schliesslich haben die kaukasischen Exemplare in der Drahtformung
und in anderen, formellen Einzelheiten soviel Eigenart, dass man sie von
den ungarischen wohl zu unterscheiden hat.
Umgekehrt ergibt sich aus den vielen Variationen, die den ungarischen
Funden eigentümlich sind, im Kaukasus aber fehlen, das Ursprungsgebiet;
in Siebenbürgen, wo die Natur das Material spendete, müssen diese Typen
auch erfunden worden sein.
Dagegen scheinen sie im Kaukasus von längerer Dauer gewesen zu
sein und sogar sich noch weiter entwickelt zu haben: die bronzenen An-,
bänger mit doppelter Rückbiegung und Endspiralscheiben aus den Gräbern
von Koban reichen sogar in den Beginn der Eisenzeit.
Ein anderes Bild gewinnen wir aus der westlichen Verbreitung
unserer Schmucktypen. Auch in Mähren und Böhmen haben sie sich
gefunden, und zwar sind wir hier ebenfalls in der glücklichen Lage, mit
fest datierbarem Gräberinventar zu rechnen. Es sind die Gräber der
frühesten Bronzezeit mit „liegenden Hockern" vom Unetitzer Typus.
Die Grabbeigaben bestellen also nicht nur aus der für diese Epoche
charakteristischen Keramik, sondern es sind zu nennen: trianguläre Bronze-
dolchklingen. Schleifen- und Noppenringe aus (Johl und sogen. Säbel-
nadeln aus Gold; die goldenen Hängespiralen kommen in den einfachen
Grundformen A und B und in der Variation ß, also mit einfacher Rück-
biegung vor.1) Da ich das böhmische und mährische Material nur nach
Abbildungen kenne, beschränke ich mich auf diese Angaben.
1) Mähren: Grabfund von Eisgrub, 10 km östl. von Nikolsburg, veröffentlicht von
A. Mukowsky. Mitteil, antbrop. Ges. Wien. L896 S. 87 Fig. 1—7: vgl. Öervinka,
Morava za praveku L902 S L69 Fig. 76. Fund von Dobroökovice: zwei ineinander-
hängende breit-ovale Ringe mit einfacher Umbiegung, erwähnt Mitteil, anthrop. Ges. Wien
L899 S 331, aD£- öervinka a.a.O. S. 141 Fig. 58. Die Angabe: „Dieselbe Ringform
wurde in neuester Zeil auch in Böhmen und /.war in Bronze) auf dem Finger eines
bronzezeitlichen Skelettes gefunden" kann sich nicht auf die üängespiralen, sondern auf
die Fingerringe mit ümbiegungen — ein .Merkmal, das beiden gemeinsam ist und offenbar
die Verwechselung veranlasst hat — beziehen, wie Bie /.. B. bei Pia, Cechy predhistoricke
I li \lll. 5, 9, 1": XIV. 7, 10, 11: XV. I, 8 für diese Gräbergruppen belegt sind.
Böhmen: länglich-ovaler Typus in der einfachsten Form in Gräbern des Uneticer
Typuj bei Pia a. a. 0. I S. 167 Fig. 55, 10; Tf. XI, 5, »J. DieserTypus liegt aus Gräbern
— (i-j:J) —
Oh wir aus diesen Parallelfunden auch auf ein drittes Fabrikations-
gebiet für unsere Schmucktypen schliessen dürfen oder ob Dicht vielmehr
die hier auftauchenden Exemplare dem Import aus Dngam zu verdanken
sind, läset sich ohne Autopsie nicht entscheiden. Nach den Abbildungen
gleichen sie ganz und i;ar den ungarischen: auch die Typenbildung weist
keine Eigentümlichkeiten auf, so dass ich eher [mport als einheimische
Fabrikation anzunehmen geneigt bin. Diese Präge ist aber nebensächlich.
Eine hervorragende Bedeutung gewinnen unsere Bängespiralen Bchon durch
ihr Vorkommen in böhmischen und mährischen Hockergräbern. Damit
greifen sie in die frühbronzezeitliche Entwicklung von Zentraleuropa ein
und werden selbst nach oben chronologisch bestimmt. Nehmen wir dazu
die kaukasischen Funde, so haben wir im Gräberfelde von Koban für
die entwickelten Bronzetypen mit doppelter Küekbiegung (Variation y) als
untersten Terminus den Beginn der Eisenzeit.
Daraus ergibt sich, dass unsere Hän»espiralen in ihren Grundformen
und Variationen von der frühen Bronzezeit bis in den Beginn der Eisen-
zeit im Gebrauche waren. Diese zentraleuropäische Entwicklung erhält
nun durch die Funde von Troja und Mykene ihre chronologische Be-
leuchtung. Wir können somit vier chronologische Fixpunkte auf-
stellen, die für weite Gebiete Zentraleuropas und der Mittelmeerkulturen
gleichmässig Geltung haben müssen. Vorausgesetzt ist dabei natürlich
eine gesetzmässige, mit der Zeit allmählich fortgeschrittene Entwicklung
der Typen, wie sie uns nunmehr aus Troja. Mykene. Ungarn, Mähren.
Böhmen und dein Kaukasus vorliegen.
AU Ausgangstypus ist die trojanische Form (Fig. 17) zu betrachten:
ein einfacher, an den Enden verdickter, offener King, dessen Enden, wie
bei der Spirale, übereinander greifen; sie wird für die Entwicklung der
spezifisch ungarischen Typen vorausgesetzt. Wie weit die Weiterbildung
dieser einfachen Spirale vorwärts schreitet, zeigen die mykenischen
Exemplare (Fig. 8): die Spirale ist durch die obere Ansbiegung deutlich
als Hängeschmuck gekennzeichnet; die Verdickungen sind zu breiten
Bändern umgeformt, deren vordere Seite durch eine Bogenverzierung aus-
gezeichnet ist; die Drahtenden sind hoch nach oben geführt und erhalten
als Spiralscheiben eine besondere ornamentale Bedeutung; für diese Formen-
eigentümlichkeit der breit-ovalen Form liegt bei dem Ausgangstypus nicht
einmal ein Ansatz vor.
Was man zwischen diesen beiden Formen als den entgegengesetzten
Polen entwicklungsgeschichtlicli voraussetzen muss, finden wir in den
ungarischen Typen ausgeprägt.
Hier kommen zu den Grundformen ooeh die Variationen mit einfacher
Rückbiegung und die Sondertypen mit hohler Innenseite. Chronologisch
fixiert werden die Typen mit Rückbiegung durch die böhmischen und
mit Hegenden Hockern von Qnetic auch bei Itichly, D. Bronzezeit inBöhmen It. XI I\.
29 vor. Zu den Finger- und Armringen mit ümbieguog vgL Pic* a.a.O. Tf. XI. 3, LO.
XII, l: XIII. '.'. in. in denselben Kreis gehören auch 'ii>' einfachen armspiralen ans
doppell gelegtem Golddraht, wie z. B, die l><i Negranitz a. E. gefundenen; vgl. Weinzierl,
Jahresher. d. Museumsgesellschaft Teplitz für w^1- S. 25 tV. Tf. I, l.
- 624 —
mährischen Funde als zur ältesten Bronzezeit gehörig. Die am meisten
entwickelten Formen mit doppelter Rückbiegung und zwei Endspiral-
scheiben hat das Gräberfeld von Koban im Kaukasus geliefert (Fig. 20),
wo wir überhaupt einen Xebenzweig für die ungarische Formenreihe ge-
funden haben. Vgl. Fig. 14 a, b.
Suchen wir nun nach dieser Entwicklungsreihe die Fundgruppen zu
ordnen, so muss die frühmykenische Kultur, in deren Ausgang die Schacht-
gräber von Mykene zu setzen sind (vgl. oben S. 612 f.), zwischen die
kaukasische Kobankultur und die vormykenische Kultur von Troja II
fallen; diese letztere lässt sich ihrerseits mit der frühbronzezeitlichen
Kultur Zentraleuropas in Parallele setzen, so dass auf einander folgen:
x (?) : ungarische früheste Bronzezeit.
I. Troja: 3. Periode der IL Ansiedlung.
II. Unetitzer Kultur in Böhmen.
III. Mykenische Sehachtgräber: Ende der frühmykenischen Epoche.
IV. Gräberfeld von Koban: Beginn der Eisenzeit.
Bei dieser Aufeinanderfolge ist aber zu beachten, dass zwischen III
und IY der relativ grösste Abstand angenommen werden muss; denn
zwischen beide Epochen fällt die ganze Blütezeit der mykenischen Kultur,
der die Periode des Eisens erst folgt. Dagegen kann der Abstand von
I und II und x nur verhältnismässig gering sein; auch II und III können
nicht so weit auseinander liegen wie III und IV.
Für die vormykenischen Perioden weisen unsere Hängespiralen also
auf nord-südliche Kulturströmungen, die bis in die Zeit der frühmykenischen
Schachtgräber fortgedauert halten. Das bestätigen die goldenen Arm-
spiralen aus dem 3. Schachtgrabe von Mykene; denn ihre eigenartig fort-
gebildeten Formen setzen die einfachen Armspiralen aus doppelt gelegtem
(rolddraht voraus, wie wir sie für den Unetitzer Kulturkreis charakteristisch
gefunden halten.
Diese Armspiralen sind nebst den analog geformten Fingerspiralen
nach Ursprung und Entwicklung — das Merkmal der Rückbiegung ist
allen gemeinsam — die nächsten Verwandten der Hängespiralen: alle diese
Schmuckformen gehören demselben der Kultur von Troja II parallel
stehenden Kultur- und Kunstzentrum au, das wir in Siebenbürgen zu
suchen haben.
Hier sind also die Mittelmeergebiete die vom Norden empfangenden
gewesen: alter diese Beziehungen führten zur gegenseitigen Wechsel-
wirkung, die sich im (ieben und Nehmen äusserte. Dem Süden verdankt
umgekehrt Zentraleuropa einige Bronzetypen, unter denen die sogen.
Schleifennadel und der Dolch mit Grriffangel hervorragen.
Die Schleifennadel reiht sich unter den Grabbeigaben des Aunetitzer
Kultuikieises direkt den goldenen Hängespiralen und Spiral- oder Noppen-
ringen an und ist mich für Niederösterreich bezeugt.1)
I Orber ihr Vorkommen in Böhmen and Niederösterreich (Roggendorf) vgl. Much,
Die Kupferzeit in Garopa, 2. Aufl. S. 373 Fig. 112a, b; er setzt sie in die Mitte des
2. Jahrtausends v. Chr. — In Bockergräbern der frühesten Bronzezeit hei Pie, Cechy
predhistoricke I Tf. XVII. II: XXI, 1 u.a.m.
— 1)25 —
Im ägäischen Kulturkreise ist sie aus Oypero und Troja bekannt ge-
worden. Nach Ohnefal sch-Richter erscheint sie von der viertes
cyprischen Periode an, die zugleich die bemalten Tongefässe in Cypern
gebracht hat.1) In Troja kann man mit Ä.. Götze eine einfache und ent-
wickelte Schleifennadel unterscheiden2), nnd es kann keiD Zweifel mehr
Bein, dass auch der entwickelte Typus „noch in den Rahmen von Periode
II— V« von Troja fällt.
Die Parallelen aus dem Aunetitzer Kulrurkreise weisen ihn BOgar in
den Pormenvorrat der dritten Periode der II. Ansiedlnng, zu dem auch
die Qäogespiralen gehören.
Die cyprischen Dolche mit Griffangel scheinen nach Ohnefalsch-
Richter noch etwas älter zu sein, da er sie der dritten „protokykladischen"
Periode zuweisen will.3) Für unsere Frage hat das keine Bedeutung,
denn in Troja finden wir die Dolche gleicher Form in zwei, sicher der
zweiten Ansiedlnng angehörigen „ Schatzfunden " A und K4) (Kat. Xr. 5842
bis 5847, 6050).
Im mitteleuropäischen Fundgebiete lassen sich für die Dolche zwar
keine sicher datierbaren Kultur- hezw. Gräbergruppen anführen. Aber
wenn wir sie neben der Schweiz, wo sie durch zwei Exemplare vertreten
sind6), in Ungarn in fünf Exemplaren wiederfinden, die man wegen ihres
.Materials der Kupferzeit zurechnet0), so fallen sie in dieselbe Kategorie
von Denkmälern, die für Mitteleuropa, im besonderen für Ungarn, die
südlichen Kultureinflüsse beweisen.
Nun sind das keineswegs Neuigkeiten. Schon Montelius (Chronologie
der ältesten Bronzezeit S. 99f.) stellt alle Denkmäler zusammen, die für
einen Verkehr zwischen den Donauländern und dem östlichen Mittelmeer-
gebiete sprechen, darunter auch die cyprischen Kupferdolche mit Griff-
angel, Schleifennadeln und „goldene Spiralfingerringe mit eigentümlichen
Anschwellungen" nach Schliemann, llios Fig. 878, 880 (letztere sind
also unsere Hängespiralen). Aber diese Beziehungen denkt sich .Mon-
te] in- einseitig als Burnusse, die vom östlichen Mittelmeer inkl. Cypern
ausgeübt würden.
Demgegenüber glaube ich durch die Behandlungen der Typen der
Bange- und Armspiralen gezeigt zu haben, dass eine durchaus selb-
ständige and eigenartige Kultur .Mitteleuropas mit der südeuropäischen,
anter den Einflüssen des Orients sich entwickelnden Bogen, „ägäischen0
Kultur in eine Wechselwirkung tritt, bei der sie mindestens ebensoviel
gibl als empfangt.
Wir hallen gesehen, wie durch diese Wechselbeziehungen die relative
1) Zeitschr. f. EthnoL L899, Verhandl. S. 334: „Zyprisch -kykla.lisi.-he Kultur".
2) Heinr. Schliemaniis Sammlung trojan. Altertümer: Nr. 6403, 6404. A. Götze
bei Dörpfeld, Troja und [lion S. 356f. Fig. 294 d, e.
3) a.a.O. S. 320. Vgl. Naue, die vorröm. Schwerter S.2 Tf. II. I, I.
h Dazu kommen noch einige unbestimmbare Einzelfunde Kat. Nr. 6148— 6150.
.". Antiqua 1885 Tf. 23, 1": 24,5. Undset, Westdeutsehe Zeitschr. V 1886 -
Heierli, Orgesch. der Schweiz S.267 Fig. 270.
6 Pulszky, Kupferzeit in Ungarn S. TT Nr. 3, 6, 7.
— 626 —
Chronologie der verschiedenen Kulturgruppen beleuchtet wird. Ein
absolutes Datum ist nunmehr durch die mykenischeii Schachtgräber
gegeben, die wir nach dem gegenwärtigen Stande der Forschungen (vgl.
oben S. 613) etwa dem XYIII. — XVI. .Jahrhundert zuzuweisen haben. Somit
kommen wir für die 3. Periode von Troja IL für die Aunetitzer Kultur
und für die ungarische .älteste Bronzezeit zu dem ungefähren Datum
•2000 v. Chr. Geb.1)
Wie unmittelbar auch die Beurteilung der nord europäischen Ver-
hältnisse durch dieses Resultat beeinflusst werden muss, beweisen Gräber-
funde der ältesten Bronzezeit, welche auch für die nördlichen Provinzen
das Zusammengehen von Schleifennadeln oder Säbelnadeln mit goldenen
Xoppenringen belegen, so das Gräberfehl vom Röderberge in Giebichen-
stein bei Halle und das berühmte Gral) von Leubingen, lvr. Eckartsberga.8)
Jedenfalls ergibt sich als allgemeines Resultat ein viel engerer Än-
schluss der mitteleuropäischen ältesten Bronzezeitkultur an die süd-
europäische Entwicklung, als man bisher im allgemeinen annehmen zu
müssen geglaubt hat.
Selbst noch die frühmykenische Kultur ist fähig, einzelne „nordisch^,,
Elemente in sich aufzunehmen. In der Folge freilich, mit der Blüte der
mykenischen Kultur gewinnt der Süden einen gewaltigen Vorsprung vor
dem Norden und wird von da an in den Stand gesetzt, immer mehr
Kulturerrungenschaften an den Norden abzugeben, ohne dass dieser es nur
annähernd wieder auf eine Kulturhöhe gebracht hätte, auf der er mit dem
Süden hätte konkurrieren können.
Zur Kultur der Thraker.
Für die Mittelmeerkulturen hat die bisherige Untersuchung die sehr
wichtige Tatsache ergeben, dass die goldenen Schmucksachen, «leren sich
mvkenische Fürsten und, wie wir wohl schliessen können, auch ihre
Standesgenosseu vom griechischen Pestlande bedienten, aus zwei ver-
schiedenen Gruppen zusammengesetzt waren: einerseits Gegenstände von
altertümlichem, der trojanischen Art entsprechendem Geschmack, anderer-
seits das Neue, Moderne, im eigentlichen Sinne ..Mvkenische", dessen Ur-
sprung und Entwicklung im wesentlichen aller Wahrscheinlichkeit nach
auf der Insel Kreta zu suchen ist. Jene repräsentieren im gewissen Sinne
die barbarische Kunst, da ihre Formen auf einen nördlichen Kulturkreis
zurückzuführen sind: das wird nicht nur für die Hängespiralen Geltung
haben, sondern auch von den anderen Schmucktypen, die an die goldenen
Schieber und Armspiralen sich anschliessen, vermutet werden können.
Man darf hoffen, dass von dieser allgemeinen Grundlage uns sich die
Präge nach der Herkunft und dem Ursprung der trojanischen Gold-
1 Much sitzte a. a. <). für * l i « - Schleifennadeln im allgemeinen <lie .Mitte des
2. Jahrtausende v. Chr. Geb. an. Ihr Vorkommen in igypten bei Flinders Petrie Naqada
aml Ballas Tf. LXV, L9 mag noch unberücksichtigt bleiben. Ohnefalsch-Richter setzt
lür seine vierte cyprische Periode «1 i * - Zahlen 2500—1600 \. Chr. an.
■' Montelius, Chronologie der ältesten Bronzezeil B. 62 Nr. 72, Tl.
— 627 —
scbmied ekunst, deren Erzeugnisse bisher unvermittelt in der Blittelmeer-
kultur standen, wird beantworten Lassen.
Zunächst weisen uns die Hängespiralen von Troja und Mykene auf
Siebenbürgen. Je enger aber ihr (Jrsprungsgebiei gefasst werden muss,
um so mehr gewinnen sie durch Form, Stil und Technik ein singuläree
Gepräge, am so eher können sie als nationale Schmuckformen angesehen
werden.
Welches Volk, dürfen wir also für die Zeit der vormykenischen Kultur
im heutigen Siebenbürgen vermuten?
In historischer Zeit, d.h. zur Zeit der Römer, haben hier die Daker
gesessen, der mächtigste Stamm der Thraker, mit dem die Römer in Be-
rührung kamen. Die Bekanntschaft mit ihnen lässl Bich in der antiken
Literatur bis ins vierte Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen, in die Zeil
der neuen attischen Komödie, in der \äog und rhrjs die typischen Vertreter
der Sklavenrollen sind. Die .ältere griechische Überlieferung des fünften
Jahrhunderts v.Chr. kennt in demselben Gebiete die Agathyrsen, die
Öewohner ..des goldreichen Landes, das der Maris 'jetzt Maros) durch-
fliesst" (Herodot IV. 49, 100). Ehre Sitten schildert Herodot (IV, 104)
den thrakischen völlig- gleich, so dass sie als die epischen Vorläufe]- der
Daker gelten können. Jedenfalls alter haben wir in ihnen Thraker zu
sehen. Angehörige des Volkes, das nach Herodot das ^rösste nächst den
Indern war. Weiter lässt sich die Stammesgeschichte an der Hand der
literarischen Zeugnisse freilich nicht zurückverfolgen. Denn nur im all-
gemeinen weist der Dichter der Ilias (XIII. -4 ff.) auf die europäische
Heimat der Thraker und die angrenzenden skythischen Stämme, indem
er Zeus von dem asiatischen Schlachtfelde rückwärts blicken lässt zu den
Thrakern. Mysern, Hippemolgen und Abiern. Die Beständigkeit der Be-
siedelung des Berglandes vorausgesetzt, werden also die Karpathen als das
Stammland der Thraker anzusehen sein.1)
Für die vorliegende Untersuchung handelt es sich nur um die Frage,
ob die Thraker schon in frühmykenischer Zeit in Siebenbürgen _■ -
lialien. Dürfen wir also die eben behandelten Schmucktypen als thrakisch
bezeichnen?
Wenn sie nicht thrakisch wären, gäbe es nur noch eine Möglichkeit:
sie müssteu skythisch sein Diese Annahme würde scheinbar sogar noch
unterstützt werden durch ihr Vorkommen im Kaukasus
Sie i>t aber auszuschliessen. Denn man hätte wegen der Verbreitung
unserer Schmucktypen schon für die frühmykenische Epoche und uoch
weiter zurückliegende Perioden eine beträchtliche Höhe der skythischen
Kultur vorauszusetzen. Line solche aber würde nicht nur im Widerspruch
zum Nomadenleben der Skythen stehen, an dem sie je früher, desto un-
zertrennlicher gehangen haben. Mindern auch der Niederschlag einer
L) Über die Stammesgeschichte der Thraker vgl. Tomaschek, D. alten Thraker
1 99f.; derselbe in Pauly-Wissowa, Realencyclopädie I. 1 Sp. T»; lt.: Müllenhoff, Deutsche
Altertumskunde III l-'il BF., 149; Kiepert, Lehrbuch der alten Geographii
P. Kretschmer, Einleitg. i. d. Gesch. d. griech. Sprache S. 1 T 1 ff.
— 628 —
skythischen Kulturhölie wäre in der ältesten literarischen Überlieferung
zu erwarten. Davon ist aber in den homerischen Gedichten nichts zu
spüren. Nur eine einzige Andeutung, die die Bekanntschaft mit der
Skythenart beweist, finden wir in den schon zitierten Versen XIII, 4 f:
avrog de naliv rgenev öooe <paeiv(b,
voocpiv sq? mnoTiöhov Qoi]xä)v xadoQ(Ojnevog aiav
Mvaatv r1 <\yyeiiäya>v xa\ äyavö&v 'Ijijdj juolycoi'
yXay.rocpa.yan> . . .
Damit Hesse sich Hesiod fr. 232 (Rzach) bei Strabo VII p. 300 zu-
sammenstellen:
AidioTTuq ts Aiyvq ts lös Exv&ag InnrjfioXyovg
Erst durch Herodot (IV, 8 — 10) werden wir über Sitten und Ge-
wohnheiten der Skythen genauer unterrichtet.
In ganz anderem Lichte erscheinen bei Homer dagegen die Thraker.
Im engereu geographischen Sinne sind hier begreiflicher Weise gerade die
südlicheren, am Meere gelegenen Gebiete Thrakiens bekannt.1) Was wir
aber sonst in den homerischen Gedichten über die Thraker als Nachbarn
der Myser und Skythen, über die Fruchtbarkeit ihres Landes, über den
thrakischen Weinbau, dessen Ertrag sogar Handelszwecken nutzbar ge-
macht worden zu sein scheint, über thrakische Sänger, über den
kriegerischen Charakter des Volkes, das in der Gefolgschaft der Troer zu
finden ist, erfahren, spricht für eine weiter reichende und genauere Be-
kanntschaft der Dichter mit der Kultur der Thraker.
Wenn wir vollends lesen, dass die Kampfesweise der Thraker und
ihre Bewaffnung der der Achäer geglichen habe, dass thrakische Schwerter
unter den homerischen Helden eine gewisse Berühmtheit besessen haben2),
so müssen die Dichter unter dem Eindruck einer bemerkenswerten Kultur-
höhe der Thraker gestanden haben; die thrakische Schwertfabrikation
muss sogar so bedeutend gewesen sein, dass sie Anregungen zu Handels-
beziehungen mit den südlich gelegenen Gebieten gegeben hat. Freilich
brauchen wir nicht mit Heibig8) zu den Phönikern unsere Zuflucht zu
nehmen, um die Entwicklung einer thrakischen Kultur zu erklären. Denn
phönikische Erzeugnisse müssen den homerischen Dichtern sehr wohl be-
kannt gewesen sein. Gerade weil sie die thrakische Eigenart betonen,
haben wir phönikischen Einfluss auszuschliessen.
Diese homerischen Hinweise auf eine thrakische Kultur lassen eine
ältere Blütezeit derselben vermuten. Den literarischen Zeugnissen dürfen
wir die oben behandelten Schmucktypen als monumentale der älteren Zeit
parallel setzen. Nur unter der Voraussetzung einer älteren, thrakischen
Kultur erklärt sich die Verbreitung dieser Typen in so früher Zeit von
Siebenbürgen nach Kleinasien und dein südlichen Teile der Balkanhalbinsel.
Langandauernde Kulturbeziehungen müssen zwischen dem Donautieflande
einerseits und dem kleinasiatischen und griechischen Festlande anderer-
llen bei Buchholz, Homer-Realien I, 1 S. 7'.) IV.
2) Die Stellen gesammelt von Helbi^', Homer. Epos2 p. 8 ff.
3) a.a.O. S. ll r.
— 629 —
seits stattgefunden halten. Für die Beurteilung der südlichen Kulturen
ist es aber besonders wichtig zu betonen, dass diese Kulturströme in nord-
Büdlicher Richtung sich bewegt und im wesentlichen die früh- und vot-
mykenischen Epochen ausgefüllt haben.
Man muss sich hüten, an dieses Ergebnis Folgerungen für die Ethno-
logie zu knüpfen. Thrakische Stämme finden wir zwar durch den Ares-
kult in Thessalien, Böotien und Phokis bezeugt.1) Aber hier mir Furt-
wängler (Antike Gemmen 111, 3(i) die Thraker als Träger der mykenischen
Kultur zu betrachten, dürfte wohl zu weit gegangen sein. Denn gerade
das Vorkommen der thrakischen Schmuckformen in einem Königsgrabe
von Mykenä stellt uns ihren Unterschied von der „mykenischen" Art vor
Augen. Immerhin werden wir uns in ethnologischer und sozialer Hinsicht
die Kluft zwischen Thrakischem und Mykenischem nicht allzugross zu
denken haben.
Grössere Bedeutung hat gewiss die Analogie der trojanischen zu den
thrakischen Schmucktypen. Nach den Funden von Bos-öjük in Phrygien2)
dürfen wir mit Kretschmer3) die Troer als Verwandte der Phryger zu
den kleinasiatischen Abkömmlingen der thrakisch-phrygischen Stämme
rechnen. Freilich kann das Vorkommen von thrakischen Zierformen unter
den trojanischen Schatzfunden nicht als Beweis für den thrakischen Ur-
sprung der Troer4) angeführt werden. Denn die betreffenden Schmuck-
stücke konnten aus ihrer Heimat auch durch Handel und Verkehr nach
Troja gelangen, zumal da es sich nur um einige wenige Exemplare handelt
Die Beweismittel für den thrakischen Ursprung der Troer müssen über-
haupt aus den weiter zurückliegenden Kulturepochen hergeholt werden.
Wenn es freilich sicher wäre, dass die trojanischen Hängespiralen ein-
heimische Arbeiten sind, dann würde die Gleichheit oder Ähnlichkeit mit
den angarischen Formen sich nur erklären, wenn sie von Stammgenossen
uiler -verwandten verfertigt sind.
Für die kaukasischen Abkömmlinge der ungarischen Schmucktypen
i>i mit einem grossen Grade von Wahrscheinlichkeit einheimischer Ur-
sprung anzunehmen. Deswegen haben sie in höherem Masse als die
troischen und mykenischen Parallelfunde ethnologische Bedeutung, zumal
da wir nach den noch jetzt zu beobachtenden Analogiefällen auf dem
Gebiete der Völkerkunde allen Grund zur Annahme haben, dass gerade
in der Tracht, im besonderen im Schmuck, die Eigenart eines Stammes
oder gar Volkes zum Ausdruck kommt. Also müssen die A'erfertiger und
Träger der kaukasischen Schmuckformen selbst Abkömmlinge oder Ver-
wandte der Thraker gewesen sein, und die Ausbreitung des thrakischen
Stammes über die Donau hinaus nach Osten bis in die Alpenlandschaft
des Kaukasus gewinnt an Wahrscheinlichkeit.
1) Tümpel in Pauly-Wissowa, Realencyelopädie II Sp. 644ff.
2) A. Körte, Athen. Mitteil. XXIV, 1899 S. 24.
3) Einleitung i d. Gesch. d. griech. Sprache S. 17 1 ff,
4) Olshausen fand in den angeführtrn Analogien eine Stütze für die von Schlie-
mann und Sayce vlroja S. 295; Vorrede S. XIV f | erörterte Ansicht, dass die Trojaner
tlirakischeu Ursprungs wann.
— 6B0 —
Die östliche Erweiterung der thrakisehen Grenzen ist für die
Kimmerierfrage von Bedeutung. Denn je mehr wir berechtigt sind,
unter den kaukasischen Bergvölkern Thraker zu suchen, umso sicherer
wird die Zuweisung der Kimmerier zu den Thrakern sein. Freilich suchte
.Mülleiihoff die Kimmerier vom kimmerischen Bosporus und dessen Um-
gebung zu eliminieren, ihre Vertreibung aus dem Norden des Pontos durch
die vorrückenden Skythen als eine Erfindung der kleinasiatischen Griechen
hinzustellen und „seit unvordenklicher Zeit" dort skolotische Skythen
hausen zu lassen.1! Er glaubt sogar beweisen zu können, dass die Be-
nennung des kimmerischen Bosporus nicht von einem geschichtlichen
Volke der Kimmerier als seinen ehemaligen Anwohnern hergenommen ist.
Für diese Frage kommt es also auf die Erklärung der homerischen
Kimmerier an, die in der Odyssee XI, 14 ff. genannt werden au den
Grenzen der Erde, die Odysseus auf der Fahrt zum Hades auf die Weisung
der Kirke erreicht. Diese Beschreibung des Landes der Kimmerier ver-
weist Mülleiihoff2) in denselben Kreis mythischer Geographie, dem das
Kyklopenland, Ogygia und Scheria angehören.
Wie diese Homerstelle zu beurteilen ist, hat uns Wilamowitz
v. Möllendorf gelehrt3): die Kimmerier sind nicht, wie Müllenhoff
meinte, „ganz zwecklos, durch Kirkes Rede X, 508 ff. nicht vorbereitet
und daher auch unerwartet", sondern sie sind demjenigen zu verdanken,
der die Xekyia mit dem Kirkeabenteuer verbunden hat, also dem jonischen
Redactor der Bücher y. / u. dessen Tätigkeit v. Wilamowitz a. a. O.
S. 140 ff. dem 8. Jahrhundert v. Chr. zuweist. Ihre wirklichen Wohnsitze
müssen da liegen, wo sie nach dem Zusammenhange der Odyssee an dieser
Stelle gedacht werden. Die Kimmerier haben eben den Zw^eck, das Lokal
der Begebenheiten in der ( Myssee fester zu umgrenzen und zu bestimmen.
Gerade umgekehrt lässi sich sagen: Da die Kimmerier nach dem Her-
gange der Begebenheiten nicht erwartet werden, gehören sie nicht in den
mythischen Zusammenhang. Die Sage von den „Dunkelmännern" er-
klärt sich eben daraus, dass der Name Kijujueqioi fremder ungriechischer
Herkunft ist. An dem Zusammenhange der Kimmerier mit dem kimmerischen
Bosporus wird also nicht zu zweifeln sein.
Für die schwierigen Prägen der Ethnographie aber kann nur die
Archäologie neues Beweismaterial liefern. Dürfen unsere ungarischen
Hängespiralen als thrakischer Schmuck weiter gelten, dann spricht ihre
Verbreitung nach Osten bis unter die kaukasischen Bergriesen gegen die
Annahme skythischer Urbevölkerung im Norden des Pontos.
Weiterer Aufschluss für diese Präge ist von der Buckelkeramik
zu erwarten. Ihre Bedeutung für die Kimmerierfrage ist bereits im Zu-
sammenhange mit der troischeu Buckelkeramik4) erörtert worden. Nun
isl es sehr bemerkenswert, dass von den Donau- und Balkanländern aus
1 MüllenhofT, Deutsche Altertumskunde III l'.ui.
2) a; a. 0. i 60
3) Wilamowitz \. Möllendorf: Homerische Untersuchungen S. 165
i Bei Dörpfeld, Troja und üion S. .v.i I ff.
— 68 1 —
die Buckelkeramik ihre Ausläufer aueh nach Osten bis in den Kaukasus
entsendet. Dasselbe Gräberfeld von Koban, «hin wir die entwickelten
bronzenen Eängespiralen zu verdanken haben, hat auch einige Buckel-
becher ans Ton geliefert.1)
Hängespiralen und Buckelkeramik müssen also als gleichwertige
Merkmale angesehen and auch für ethnographische Bestimmungen berück-
sichtigt werden. Sic würden an Bedeutung gewinnen, wenn Bich auch in
Ungarn ihr Zusammengehen nachweisen liesse.
Leider stammen aber die ungarischen Bängespiralen fast durchgehende
von unbekannten Fundstellen oder sind ohne Verbindung mit anderen
Funden verzeichnet werden. Unsicher ist auch die bei Hampel a.a.O.
Tt'. XLVIII. 6 abgebildete Form. Nach einer freundlichen Mitteilung des
Hrn. M. Wosinsky in Szegzärd stammt sie von einem mächtigen Erd-
uall bei Marc/, im Tolnaer Komitat. Dieser Wall war zwar voll von
Brandgräbern mit fein inkrustierten Gefässen ans der Blüteperiode der
ungarischen Bronzezeit8); aber ob die Hängespirale mit ihnen in Zu-
sammenhang zu bringen ist, steht Dicht fest. Es fehlt also noch *\ff
Kulturapparat, in den Bich in Ingam seihst die llängespiralon einordnen
hissen.
Eine Vorstellung davon würden wir uns machen können, wenn die
keramischen Erzeugnisse der ungarischen Bronzezeit nach ihrer Ent-
wicklung uns bekannt wären.
Der Versuch von P. Reinecke, auf Grund der an Zahl sehr geringen
Grabfunde der Bronzezeit die gleichzeitige Keramik zn ordnen, befriedigt
nicht.8)
Danach hätten wir für seine I. und II. Periode nur eine wenig
charakteristische, ornamentlose Keramik zu erwarten; die für Ungarn so
ergiebige Buckelkeramik würde erst in der III. und IV . Periode zur Blüte
gekommen sein.
Dieses späte Auftreten Arv ungarischen Buckelkeramik hat sehr wenig
Wahrscheinlichkeit für sich. Reinecke weist selbst seiner II. Periode
ein Gefäss zu, das eine in Form und Ornamentik ausgeprägte Eigenart
zeigt: es ist ein doppelhenkliger Krug von Rakos-Palota, in dein ein
Bronzeschatz enthalten war (Hampel 1 Tf. 86, 1). Am Umbruch hat er
vier zipfelartige Vorsprünge oder Buckel und setzt bereits eine voll-
entwickelte Buckelkeramik voraus. Den Beginn dieser Richtung keramischer
Pormengebung hat man sich viel früher zu denken. Dafür spricht auch
die eingetiefte Spiralornamentik auf vierbuckligen Gefässen, die in dem
Aufsatz über Tordos zusammengestellt sind4): sie lehnt sich direkt an die
steinzeitliche Spirale in Ungarn an.
I Ä.bg E. Ghantre, Etechercb.es anthropologiquea dans le Caucase II pl. 34, 5;
36»>w, 2.
l') Per Wall abgebildet bei M. Wosinsky, roinaYarmcgye [*örtenete I 250; die
(Masse Tf. TT. 8, 9; 79, 5 12.
3) In seinem Aufsatz über die angarische Bronzezeit: archäol. Ertesitö L899. XIX.
226 ff. 316ff. Ein Auszug in den Mitteil. d. anthrop. Ges. Wien, l\ S. 101 ff.
4) Zeitschr, f. Ethnol, L903.
— 632 —
Jedenfalls werden wir also vermuten oder voraussetzen können,
dass irgend eine der älteren Gruppen der Buckelkeramik in Ungarn
mir den älteren Typen der Hängespiralen zusammengeht. Analoge
jüngere Erscheinungen im Kaukasus aber würde mau sich gut aus der
weiteren östlichen Ausdehnung der thrakischen Stämme erklären und in
einen ursächlichen Zusammenhang bringen mit der Wanderung der
Kimmerier und ihrem Auftauchen in Kleinasien. So würde sogar ihr
Übergang über den Kaukasus und ihr von Osten kommender Ansturm
au verstehen sein, wie ihn Herodot (I, 103; IV, 1, 1 1 ff.) im Gegensatz
zu Strabo (XIII, 586) berichtet, der sie zusammen mit den Treren, also
von Thrakien aus, in der Troas erscheinen lässt.1)
Dieses Vordrängen wird ein allmähliches und langandauerndes ge-
wesen sein, wie man sich Völkerwanderungen immer zu denken hat. Im
östlichen Kleinasien müssen die Kimmerier nach der literarischen Über-
lieferung bereits in der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. gewesen sein.
Das Gräberfeld von Koban gehört in den Beginn der Eisenzeit, also ist
rund um 1000 v. Chr. anzusetzen. Natürlich soll damit noch nicht gesagt
sein, dass diese kaukasischen Gräber von Kimmeriern herrühren. Das
Beispiel der Treren und Kdoner lehrt ja, dass auch andere thrakische
Stämme sich veranlasst sahen, auf die Wanderschaft zu gehen.
Auch die Ereignisse auf europäischem Gebiete, die 'diese thrakischen
Wanderungen veranlasst haben, können keine plötzlichen gewesen sein.
Xach der Überlieferung waren es die Skythen, die die Kimmerier aus
ihren Wohnsitzen verdrängten. Man könnte also erwarten, dass diese Um-
wälzungen, die ohne Zweifel die Kulturzustände beeinflusst haben, auch
in der monumentalen Überlieferung sich wiederspiegeln. Leider ist aber
die archäologische Erforschung Südrusslands noch nicht von so sicheren
Resultaten begleitet und begünstigt, dass wir mit ihrer Hilfe diese wichtigen
ethnographischen Probleme lösen könnten. In der Regel fassen die
nissischen Archäologen die neolithische Kulturepoche Südrusslands als
.. kimmerische" auf und lassen ihr die „skythische" folgen, natürlich unter
Berücksichtigung der historischen Zeugnisse.2) Von den in südrussischen
1; Uiese beiden, eigentlich sich abschliessenden Überlieferungen habe ich bereits
bei Dörpfeld, Troja und Ilion S. 396 ff. in Einklang zu bringen gesucht, ohne auf die
kaukasischen Funde Rücksicht zu nehmen.
Fligier (Zur prähistorischen Ethnologie der Balkanhalbinsel. Wien 1877 S. 10 ff.)
kommt auf grund von Namensgleichnngen zu dem Schluss, dass die Kimmerier mit Recht
im heutigen Südrussland zu lokalisieren und zu den thrakischen Stämmen zu rechnen
sind. Er nimmt sogar religiöse (»emeinschaft mit den kleinasiatischen Überläufern der
Thraker an; ans Ortsnamen im Kaukasus will er schliessen, dass die Kimmerier bis an
den Kauks □ vorgedrungen waren, wahrscheinlich sogar auf der asiatischen Seite desselben
• ii haben.
Letztens würde gut mit der von mir vertretenen Ansicht sich vereinbaren lassen,
womit freilich nicht entschieden sein soll, dass Fligier in allen seinen Schlussfolgerungen
Recht bat.
' l'li beziehe mich auf die Arbeiten und Untersuchungen von Antonowitsch,
Samokwasso, Chainowsky, Skadowski, K na u er über die auf dem <S. arch. Kongresse
zu Moskau L890 verhandelt wurde; vgl. den Bericht von Btieda, Arch. f. Anthrop. 1892
— 6:« —
Kurganen aufgedeckten neolithischen Gräbern pflegt man die mir „liegenden
Hockern", deren Knochen nieist rot ind'ärht sind, als „kimmerische" zu
bezeichnen. Ebensolche sind auch in den Kurganen der Ukraine gefunden
worden und sind überhaupt für «las Gebiet des Dnjepr und Dnjestr
charakteristisch. Die Keramik, die unter den Beigaben nicht fehlt, hat
nach Form und Ornamentik grosse Ähnlichkeit mit der Qordeuropäischen
Keramik der Stein/.eii und reiht sich somit den „alteuropäischen" Gefäss-
gruppen an.1)
Zwei Probleme lässt freilich die Curganforschung noch ungelöst: in
welchem Zusammenhange steht zn diesen alteuropäischen Gefässgruppen
die bemalte Keramik ans dem Ende der Steinzeit? und wie gestaltet sich
bei der Kurgankultur der Übergang zur Bronzezeit? Uie skythischen
Gräber der Kurgane gehören bereits der entwickelten Eisenzeit an. Sehr
auffallend ist es für die Bronzezeit, dass die für den Kaukasus und Ungarn
so charakteristischen Hängespiralen in Südrussland, d. h. an der nörd-
lichen Küste des schwarzen Meeres zu fehlen scheinen; wenigstens sind
mir diese Typen in der mir zugänglichen Literatur aus dieser Gegend
noch nicht begegnet. Bei Bobrinski a. a. 0. findet sich S. 97 ein Ohr-
schmuck abgebildet, der völlig von dem Typus der Spiralen abweicht und
aller Wahrscheinlichkeit nach als ..skythisch" anzusprechen ist. Jedenfalls
gehört er bereits der entwickelten Eisenzeit an, in der griechische Produkte
der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen .Jahrhunderts in den Kurgan-
gräbern erscheinen und lie<>t weit ab von der bronzezeitlichen Ent-
wicklung. I Ich muss mir vorbehalten, auf diese Probleme weiter ein-
zugehen. |
Sollte dieser Manuel der Hängespiralen in Südrussland etwa aus den
Umwälzungen zu erklären sein, die die Bewegung der Skythen und ihre
endgiltige Einwanderung in der bronzezeitlichen Entwicklung Südrusslands
hervorgerufen haken, aus denselben Umwälzungen, die die Bewegung der
K numerier nach Osten und Westen, also auch ihr Vordrängen nach dem
Kaukasus zur Folge hatten?
S. 153 ff. Am ausführlichsten behandelt Graf Bobrinski (Die Kurgane von Smela) seine
Ausgrabungen (1887); vgl. den Bericht von Stieda, Sitzungsber. der Altertumsgesellsch.
Prussia, Jahrg. II. 1887/88 S.67ff. and Arch. f. AnthropoL XXIV L897 S. 359£ Alle
diese Untersuchungen beziehen sich auf das Gronvernemenl Kiew.
li i her die ältesten, steinzeitliclien Kurgane in Südrussland und über den Ursprung
der neolithischen Kultur am Dnjepr und Dnjestr orientiert man sich am besten bei Za-
borowski. Du Dniestre ä la Caspienne (Bullet, de la soc d'anthropol. de Paris L895
S. 122ff.). Abbildungen ündet man in der Krakauer Zeitschrift Zbior III 62 Tl. IV:
XII 58 Tf. IX XIII; ferner Collection Khanenko, Antiquites de la region du Dnjepr
I pl. .">. Über die rotgef&rbten Hockerskelette in Kurganen Südrusalands vgl. auch den
Vortrag von Antonowitsch auf dem IX. russischen Archäologen-Kongress in Wüna
.Bericht von Stieda, Arch. f. Anthropol. XXIII 1895 S. 5171). Der Farbstoff besteht
aus Eisenoxyd; Bronzesachen sind äusserst sehen dabei gefunden worden. Eisen nie.
Leider wird von allen Kurganforschern die Keramik viel zu wenig berücksichtigt; gerade
sie könnte uns über chronologische and ethnologische Fragen in erster Linie aufklären.
Weitere Ausführungen muss ich mir vorbehalten.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904 Heft 5. II
— 634 —
.1 u n g ne oli this che Parallel e n .
Die südrussischen Kurgangräber haben uns bereits einer Kulturepoche
nahe gebracht, deren Beurteilung von den erörterten Beziehungen zwischen
Troja, Mykene und Ungarn abhängig ist: ich meine die neolithische
Kultur der Donau- und Balkanländer.
Aus der chronologischen Stellung, welche den Hängespiralen innerhalb
der mitteleuropäischen Bronzezeit angewiesen werden konnte, ergibt sich
der folgenschwere Schluss, das alles, was in den Donau- und Balkan-
ländern zur neolithischen Epoche gehört, älter sein niiiss als die Kultur
der II. Ansiedlnng von Troja. älter als die ihr parallel laufende Insel-
kultur. noch viel älter als die frühmykenische Periode.
Diese chronologischen Folgerungen sind von entscheidender und grund-
legender Bedeutung für alle vergleichenden Untersuchungen, die sich auf
die Beziehungen der süd- uud nordeuropäischen Kulturen richten. Denn
in allen Fällen, in denen man für neolithische Erzeugnisse der Balkan-
länder und der weiter nordwärts liegenden Kulturgebiete, nach ihrer Form
oder Dekoration mykenische Einflüsse angenommen hat, ist dieses Ab-
hängigkeitsverhältnis umzukehren. Oder besser gesagt: für die sogenannte
ägäische Kultur ist die Frage aufzuweisen, welche nordischen Ein-
flüsse auf die Bildung und Ausgestaltung ihrer Formen massgebend ge-
wesen sind, in wie weit in der neolithischen Kultur der Donau- und
Balkanländer die Vorbedingungen und Voraussetzungen für die Ent-
wicklung der ägäischen Kultur gegeben sind.
In der frühesten Bronzezeit haben, wie oben gezeigt worden ist, be-
achtenswerte Kulturströmungen in nord-südlicher Richtung mindestens
von einem Zentrum aus. das in Siebenbürgen zu suchen ist, nach den
Mittelmeerländern, im besonderen nach den Küsten des ägäischen Meeres
hin stattgefunden.
Es liegt nahe, solche Einflüsse des Nordens auf den Süden in ältere
Perioden zurückzuverfolgen. Je älter aber die Epoche ist, für die sie
festgestellt werden können, um so enger berühren sie sich mit den
Wanderungen derjenigen Stämme, die die Küsten und Inseln des ägäischen
Meere- besiedelt haben, um so mehr fallen sie mit den Quellen und Grund-
Lagen der ägäischen Kultur selbst zusammen.
In der Bronzezeit sind die nord-südlichen Kulturströmungen nur das
Gegenbild zu den Einflüssen, die der Norden in reichlichem Masse vom
Süden erfahren hat. Auch für die älteren Perioden wäre die frage be-
rechtigt, welche Ursachen und welche Rückwirkungen die Berührungen
von mitteleuropäischen Stämmen mit den Gestaden des Mittelmeeres
gehabl haben.
Zur Lösung solcher schwierigen kulturgeschichtlichen und ethno-
graphischen Probleme hat man sehen nach verschiedener Richtung hin
beigetragen.
So h;ii Evana Cretan pictographs and pre-phoenician Script S. li'Tff.)1)
die südeuropäische Plastik der vormykenischen Epoche aus einem Zu-
I /um Teil in Anlehnung an S. Reinach, ['Anthropologie L894 p. •_".>:;.
— 635 —
sammenhange mir der aeolithischen Plastik Mittel- un<l z.T. Nord-
europa8 zu erklären gesucht. Von den aeolithischen Stationen der Balkan-
11 ri< l Donauländer fallen Botmii (Bosnien), Jablanica (Serbien),1) Tordos
ii. a. in Siebenbürgen8), sowie zahlreiche Funde im Stromgebiete des
Dnjestr und Dnjepr8) mit der gleichzeitig auftauchenden bemalten Keramik
ins Gewicht.
Unter ihren Erzeugnissen erregen die der figürlichen Plastik, be-
sonders <li«' von Butmir und aus thrakischen Tumuli*), geradezu Erstaunen,
und man kann sich nicht wundern, wenn man derartige Leistungen im
Rahmen einer primitiven, steinzeitlichen Kultur nur aus den Einflüssen
einer „höher" entwickelten, südländischen Kunststufe erklären konnte. Diese
Annahme weiter aufrecht zu erhalten, machen die chronologischen Schlüsse
unmöglich, die sich aus den erörterten Beziehungen zwischen Troja.
Mvkene und Ungarn ergeben haben.
Berechtigte Bedenken hat ferner die Spiralornamentik erregt.
Man pflegte in der Regel ihren Ursprung aus ihrem verhältnismässig Ge-
ringfügigen Auftreten im mittleren und alten Reiche Ägyptens oder aus
phönikischen bezw. mykenischen Einflüssen abzuleiten.5)
Merkwürdiger Weise beharrt Evans a. a. 0. auf diesem Standpunkte.
Zuerst hat Purtwängler (Antike Gemmen III 26) die Unwahr-
Bcheinlichkeit betont, dass auf der Nachahmung von Spiralen auf kleinen
ägyptischen Skarabäen die Verbreitung der Spiralornamentik aus Ägypten
nach dem Norden beruhen sollte, wo wir sie schon in der jüngeren
Steinzeit eingetieft und aufgemalt in reicher und vollendeter Stilentfaltung
linden.
Ausführlieh hat das einschlägige Material in jüngster Zeit M. Much
in seinem Buche über „die Heimat der Indogermanen" *) zusammengestellt.
Das chronologische Verhältnis der jungneolithischen Spiraldekoration
Mitteleuropas zur mykenischen hat er zwar richtig ins Auge gefasst, indem
er auch die trojanischen Schatzfunde für seine Vergleiche heranzog
(S. 114 ff.) aber die Bedeutung derselben für die Chronologie der euro-
päischen Stein- und Bronzezeit ist von ihm nicht nur nicht erschöpfend
1) M. Yassits im Archiv f. Anthropologie XXVII. 1902.
■2 Zeitschr. f. Ethnol. 1'."':; S. 138 ff. Die Funde am Altflusse bei Kronstadt publ.
von .1. Teutsch, Mitteil. d. anthrop. <:. Wien L900 u. Mitteil ,1. prähist. Kommiss. 1903.
3 Vgl. die unten genannte Literatur.
I' Am .steil zu übersehen bei M. Hörnes. Urgesch .1. bild. Kunst in Europa
Tf. \ und III. Zu den letzteren versäume man nicht das von S. Reinach (Bev. arch.
L895, 1 i>. 379 Fig 3j publizierte Tonidol zu vergleichen, da es eine auffallende Ähnlich-
keit hat mit den Steinfiguren der ägäischen Kultur.
5) Von der wichtigeren Literatur zitiere ich; ündset, Zeitschr. f. Ethnol. --
S. 217. M. Wosinsky, D. prähist Schanzwerk von Lengyel III IV. fl". Naue, Bronze-
zeit in Oberbayern S. 145 ff. S. Müller. Ursprung u. erste Entwicklung d. europäischen
Bronzekultur Anh. f. Anthrop. XV :;.".:i . 0. Montelius, Arch. f. Anthrop. \\I. 36.
Chr. Blinkenberg, Mem. de la so,-, des Ant. du Nord S. lüff. M Hörnes, Urgesch.
d. bild. Kunsl s. 291 ff.
iii Von diesem ^ dl<e ist bereits die zweite Auflage 1 ei Costenoble 1904 erschienen:
der erweiterte Abschnitt übet die (reometrische und die farbige Dekoration der G
und die Spirale im besonderen S. 71ff. Vgl. meii rwähnten Vortrag 1903.
n
— 636 —
ausgebeutet worden, sondern erseheint sogar beträchtlich abgeschwächt
durch seinen Versuch, die trojanischen Schatzfunde „höchstens der Mykenä-
kultur" zuzuweisen (S. 119). Das Misslingen dieses Versuches glaube ich
durch die oben durchgeführte typologische Behandlung der Hängespiralen
erwiesen zu haben.
Für die engeren vormykenischen Beziehungen der Balkan- und
Donauländer zum ägäischen Kulturkreise kommt vor allem die Gefäss-
malerei in Betracht. Sie lässt sich nicht abtrennen von der Spiral-
ornamentik und der Tonplastik. Auch die Kunst, mit mehrfarbigen
Mustern die Gefässe zu bemalen, die in der älteren ägäischen Kultur ihren
Höhepunkt und ihre Blüte auf den sogen, „mykenischen" Vasen erreicht,
erscheint im Vergleiche damit als ein älteres Kulturfaktum in den
mitteleuropäischen Fundgebieten. Hier sehen wir mit der jungneolithischen
Tonplastik auch die bemalte Keramik in lokaler Vereinigung und müssen,
wie bei jener, die Frage aufwerfen:
Steht die Vasenmalerei der älteren, ägäischen Kultur in
einem ursächlichem Zusammenhange mit der jungneolithischen
bemalten Keramik des unteren Donaugebietes?
Da diese Frage auf den ersten Blick namentlich in den Kreisen der
klassischen Archäologie gewiss Befremden erregen wird, von den Prä-
historikern dagegen in der Eegel in dem Sinne beantwortet worden ist,
dass die mitteleuropäische Grefässmalerei unter dem Einflüsse der süd-
europäischen stehen müsste, muss ich ausführlicher auf das einschlägige
Material und die zugehörige Literatur eingehen.
Die Funde gehören meist dem jüngsten Abschnitte der Steinzeit an,
in dem bereits das Kupfer, wenn auch spärlich, aufzutauchen beginnt.
Folgende Fundstellen oder Fundgebiete sind zu nennen:
1. Lengyel, Kom. Tolna in Ungarn, auf der rechten Donauseite,
südlich von Budapest.1)
Die Bemalung habe ich durch Augenschein festgestellt auf den hohen,
zylinderförmigen Füssen von schalenartigen Aufsätzen („pilzförmige Ge-
fässe") und auf zahlreichen Scherben. Teils sind grössere Teile des Ge-
fässes mit roter Farbe überzogen, also nach Art der „monochromen"
Technik behandelt, teils werden auf dem schwarzgrauen Tongrund die
Muster in roter oder gelber Farbe aufgemalt; ausserdem findet sich
Malerei auf gelbem Tone mit gelbem, stumpfem Überzüge. Zu den rot-
oder gelbüberzogenen Gefässen kommen auch grautonige mit schwarzem
Überzuge. Die Muster sind sowohl geradlinige, wie Spiralen und
zwar ist es in der Regel die fortlaufende Spirale, der sogen, laufende
Hund, der in einer oder mehreren Reihen erscheint. Diese Spiralreihen
können mit breiteren oder schmäleren Parallelstreifen vereinigt sein; in
einem Falle habe ich derartige seh rüg laufende Bänder konstatieren
können.
1) M. Wosinsky, D. prähistor. Schanzwerk von Lengyel I— III. Budapest 1888 ff.
Die Fände befinden sich jetzt in den schönen Räumen des Tolnaer Komitats-Museums in
Bzegzard unter dei Fürsorge des Pfarrers M. Wosinsky. Vgl. Bf. Hörnes, Urgesch. d.
bild. Kun-t s. 296f.
— 637 —
.Jedenfalls ordnet sich die Spirale hier in ein Dekorationssystem ein;
und die Farbenskala des Dekors ist abwechselungsreich: zwei Farben
(rot oder gelb) auf zweierlei Intergrimd (gr;ui>r|i\v;irz und gelb).1) Ton-
liereitnng und Brand sind dagegen noch nicht aber das gewöhnliche Mass
prähistorischer Töpferei hinausgekommen.
Uie Keramik von Lengyel stammt ans Skelettgräbern mit „liegenden
Hockern" und steinzeitlichem Grabinventar, gehört also noch der reinen
Steinzeit an.
2. Tordos bei Broos, am südlichen Ufer des Maros, Koni. Bunyad
(Siebenbürgen). ~)
Die bemalte Keramik ist a. a 0. S. 450ff. behandelt worden. Technisch
ist es. wie in Lengyel, .Mattmalerei auf monochromem Grunde. Die .Mal-
farben sind rot, violettrot und violettbraun; die Muster gleichfalls gerad-
linige und Spiralen. Das Dekorationssystem lässt sich aber bei dem
trümmerhaften Zustande der Überreste nicht sicher feststellen: meist scheint
es sich um grossere Volutenanordnungen zu handeln. Dass jedoch diesem
Kreise die fortlaufende Spirale nicht unbekannt ist. zeigen die Stücke
mit eingetieften Ornamenten (a. a. 0. S. 446).
AYie eng noch die Malerei mit der monochromen Technik zusammen-
hängt, beweisen Gefässe, deren aufgemalte Ornamente für sich durch
Politur glänzend gemacht sind. Zum Teil geht die .Malerei noch neben
der Tiefornamentik her: aufgemalte Farbstreifen können durch eingetiefte
Furchen begrenzt werden oder die Zonen mit eingetieften Ornamenten
bleiben tongrundig, die übrige Fläche wird mit rotem Überzug versehen
und geglättet.
Beachtenswert ist eine bemalte Gefässgruppe, die sich durch scharf
gebrannten Ton und weissen Überzug auszeichnet, technisch also schon
eine vollkommenere Stufe vertritt, als die vorliegende Keramik von
Lengyel.
Die Funde von Tordos stammen von Ansiedelungsplätzen; die zu-
gehörigen Gräber fehlen uns noch.
Noch bedeutender und, wie es scheint, wichtiger sind die sieben-
bürgischen Funde am Altflusse bei Kronstadt, deren Aufdeckung
wir Julius Teutsch ebenda zu verdanken halten: von diesen kommen
für die laufende Untersuchung in Betracht, die vom
3. Priesterhügel bei Brenndorf, Koni. Kronstadt und von Erösd
am rechten Altufer. Koni. Earömszek.8)
Die verschiedenen Gefässgruppen sind folgende:*)
li Ein gul erhaltenes Exemplar bei Wosinsky a.a.O., II S. L93f. beschrieben.
2) Darüber zuletzt: Zeitschr. f. Ethnol. 1903 S. I38ff.
.">) Gewonnen im Laufe mehrerer Jahre und veröffentlicht ?on Julius Teutsch,
Mitteil, anthrop. Gesellsch. Wien L900 S. L93ff. IfitteiL d. pr&hist. Komm. <L k. Akad. d.
Wiss. Wien L903. Proben dieser Funde sah ich im Jahre L902 im Wiener Hofmuseum;
ebensolche 3ind oenerdings auch nach Berlin ins kgl. Blas, f. Völkerk. gekommen und die
Grundlage für die obigen Ausführungen gewesen: vgl. Zeitschr. f. Ethnol. L904, 1451
I Die hier gegebene Anordnung und Charakteristik weicht von der bei Teutsch
a. a. 0. S. 1 1 IV. nichl unwesentlich ab. [Die Sammlung Teutsch sah ich erst Juli 1904.
— 638 —
I. monochrome, ohne Bemalung;
a) rohe, unpolierte, graue oder rötliehe Ware z. T. in Tieftechnik
verziert.
I>) fein-monochrome, schwarz oder braun, überzogen und gut poliert,
z. T. „gerippt", d. h. mit horizontalen, flachen Hohlkehlen ver-
schen. Unter den gut polierten fallen als Sondergruppe solche
heraus, deren äusserer Rand und innere Seite geschwärzt sind,
während die untere Hälfte der Aussenseite braun oder gelb ist.
In diesen beiden Gruppen ist Tonbereitung und Brand noch
unvollkommen; vgl. die Technik der Gruppen IIa, b.
IL die bemalten Gefässe.
Um gleich die Hauptsache vorauszuschicken: das Wesentliche ist
technisch die Verbindung der Malerei mit der monochromen
Technik; dieselben Gefässe, die ohne Ornamente monochrom in aus-
gezeichneter Technik vorliegen, werden mit Mustern bemalt; die Malerei
vertritt also hier die Tiefornamentik; den Malgrund gibt die monochrome,
überzogene, gut polierte Oberfläche ab und zwar hat diese die Grundtöne
grau, schwarz, hellbraun. Von eigenartiger Wirkung sind die halb*
geschwärzten Gefässe, die eigentlich „bichrom" zu bezeichnen wären.
Was Tonbereitung und Brand dieser soeben gekennzeichneten
Gefässe anlangt, so stimmen sie mit der Gruppe I b überein. Der Ton
ist nicht besonders fein geschlemmt, grau erdfarben, im Bruche z. T.
etwas gerötet, aber wenig und selten, meist dunkelgrau oder auch kohlen-
schwarz und an den Bruchrändern vielfach bräunlich. Die Oberfläche ist
mit einem farbigem Überzuge versehen und meist sehr gut poliert, schwarz
oder hellbraun; auffallend sind die schon erwähnten „bichromen" mit ge-
schwärztem Räude. Das mag der Einfluss des Brandes sein, der diese
Schwärzung hervorruft, ist aber jedenfalls absichtlich und künstlich.
In einem Falle lässt sich sogar ein Neben- bezw. Untereinander von
3 Tönen feststellen: oben eine schwarze Zone, darunter eine hellbraune
gut geglättete, unter dieser schliesslich eine graugelbe, nicht geglättete.
(Gruppe II, 1.)
\ on dieser Gruppe zeichnet sich eine andere (II, 2) durch bessere
Technik aus und geht mit der gleich zu nennenden polychromen Keramik
zusammen; ihr Ton ist rötlich braun, gut durchgebrannt und mit einem
eleganten braunen, gut polierten Überzuge versehen. Die aufgemalten
weisses schmalen Streifen stimmen mit dev vorigen grautonigen Gruppe
völlig überein.
Auch ist bei beiden die nicht sichtbare Innenseite gleichartig behandelt,
graugelb, roh, mit Spuren von Hissen, die der Gegenstand zurückgelassen
hat. womit die Fläche bestrichen wurden ist.
Was die Formengebung anlangt, so sind beiden Gruppen horizontale,
flache Bohlkehlen charakteristisch; dazu treten entweder Tupfen in
>\<-v Grösse der Pingerspitzen, die auf die hellen Stege zwischen den
Hohlkehlen eingedrückt werden, oder auch scheibenförmige und ovale
Buckel, die mitunter von halbrunden, in der Mitte sich verbreiternden
Wülsten umgeben sind.
— 639 —
Nach der Bemalung kann man bei Gruppe II. I folgende I ater-
gruppen unterscheiden:
a) mit weisser oder gelblicher Farbe, die auf die polierte Ober-
fläche aufgetragen wird, dass Weiss vielfach sehr dünn, z. T.
scheint die Farbmasse abgesprungen zu sein, bo dass nur weise
schimmernde Linien zurückgeblieben Bind, das Gelb etwas dicker
und fester. Die einfachsten Muster bestehen in horizontalen,
schmalen Streifen, die auf die Stege /wischen die Eohlkehlen
gesetzt werden; auch die oben genannten 'rupfen werden mit weisser
Farbe aberzogen; ferner Zickzackmuster und dergl. (vgl. dazu bei
Teutsch Fig. 79—84; 88—90; unter diesen ist auch ein Spiral-
muster beachtenswert). Die Buckel. Scheiben und Wülste sind
ebenfalls von weissen Farbstreifen umzogen. (Nach Teutsch
Gruppe II, la und II, 2.)
b) mit mattroter Farbe; doch kann ich nicht feststellen, ob diese
hellrote Farbe allein und selbständig sich findet; in den mir vor-
liegenden Fällen wird sie auf das dünn aufgetragene Weiss auf-
gesetzt, das dem Rot als Untergrund dient, wahrscheinlich, damit
dieses besser haftet. Die roten Streifen, die besonders am Rande
beliebt zu sein scheinen, sind auffallend breit gehalten.
Ohne Autopsie kann ich nicht sagen, ob die von Teutsch mit den
Figuren 85 und 86 gegebenen Stücke (= Gruppe II, 1 b) mit den eben
beschriebenen etwas gemein haben: sie sind weiss und rot bemalt, also
bichrome Malerei.
Was unsere, in der Brenntechnik fortgeschrittenere Gruppe (II. 2)
betrifft, bo wird sie ebenso mit einfachen schmalen Streifen bemalt, wie
die Gruppe II, 1. (iute Proben dieser Art liegen von Erösd vor. Wichtig
ist ein Bruchstück, auf dem das Creme grössere Flächen auf der polierten
Oberfläche zwischen den breiten Hohlkehlen einnimmt.
Von untergeordneter Bedeutung scheint eine dritte Gruppe zu sein,
für die charakteristisch ist:
«•) Verbindung von Kitztechnik (Tiefornamentik) mit roter
Farbe als Grundton (bei Teutsch Fig. 87).
Ob hier monochrome Technik oder Malerei vorliegt, kann ich nicht
entscheiden.
Dagegen spielt eine überwiegende Bolle die vierte Gruppe, die wir
mit gewissem VorbehaH als
d) polychrome Malerei bezeichnen wollen ( Teutsch Q, 3 .
Die Technik weis! hier in Tonbereitung und Brand einen entschiedenen
Fortschritt gegenüber unserer Gruppe II. 1 auf und schliessl sich an die
der Gruppe II. 2 an. Bei dünnwandigen Gelassen ist der Ten fein ge-
schlemmt, im Bruch durchweg gebrannt, und /.war entweder gelb oder ins
rötliche übergehend oder durchweg gleichmässig Biegelrot und klingend
aar! gebrannt; bei dickwandigen Gefassen isl der Ton /.war etwa- gröber,
aber auch immer gleichmässig durchgehends gebrannt. In keinem Falle
— 640 —
ist jedoch die Kenntnis der Töpferscheibe bei den in Berlin befindlichen
Stücken beobachtet worden.
Die gewöhnliche Dekorationstechnik besteht im Auftragen von 3
bis 4 Farben und nachheriger Politur der ganzen Oberfläche.
Bei flüchtigerer oder gröberer Technik mag letztere unterblieben sein,
aber in vielen Fällen zeigt sich ein emailartiger Glanz, der dem mehr-
farbigen Gefäss gewiss ein prächtiges Aussehen verlieh.
Nach dem Verfahren beim Auftragen der verschiedenen Farben lassen
sich folgende Untergruppen unterscheiden:
a) das ganze Gefäss wird nach Art der „monochromen" Technik
farbig überzogen, gelb oder braun; darauf werden die weissen
Muster aufgemalt und als dritte Farbe folgt mattschwarz, womit
das Weiss eingefasst wird. Also die 3 Farben werden aufein-
ander gesetzt.
ß) der Überzug des ganzen Gefässes unterbleibt. Die Farben, weiss,
braun bezw. gelb oder rotbraun, werden nebeneinander auf dem
Tongrunde aufgetragen; als dritte folgt mattschwarz, das neben
das Weiss, aber auf die dunklen Töne, braun oder rotbraun, ge-
setzt wird. Also die 3 Farben werden teils nebeneinander,
teils aufeinander gesetzt.
y) die 3 Farben, weiss, braun bezw. rotbraun oder gelb, und schwarz
werden gewissermassen als gleichberechtigt und gleichbedeutend
nebeneinander auf den Tongrund gesetzt.
d) 4 Farben habe ich in einem Falle konstatiert: creme und rot-
braun nebeneinander in breiten Streifen auf dem Tongrunde,
schwarz und weisslich-grau als Deckfarben, das erstere auf dem
Rotbraun, das letztere auf dem Creme in schmalen Streifen als
Randeinfassung.
Diese Gruppierung a — «3 ist überaus wichtig und, wie es scheint, allein
massgebend für die Beurteilung der ganzen Polychromie. Bevor ich aber
auf sie näher eingehe, will ich noch eine fünfte Hauptgruppe der be-
malten Gefässe hervorheben, die bei Teutsch keine genügende Be-
achtung und Würdigung gefunden hat; sie scheint auf Erösd beschränkt
zu sein und ist als
e) bichrome Malerei abzusondern, wohl zu unterscheiden von den
„bichromen" Gefässen, die oben im Zusammenhange mit den
„monochromen", d. h. einfarbig überzogenen und geglätteten, aber
ursprünglich garnicht bemalten genannt worden sind.
Tonbereitung und Brand sind auf derselben Stufe wie bei der Gruppe d.
Zwei Unterabteilungen möchte ich dabei unterscheiden:
aa) Die eine entspricht den vorigen polychromen Gruppen, unter-
scheidet sich nur von ihnen durch die Beschränkung auf zwei
Farben: weiss und schwarz; beide werden auf den nicht über-
zogenen und nicht polierten Tongrund aufgetragen, weiss in
breiteren und schmäleren, scheinbar spiralig verlaufenden
Streifen, schwarz als Randeinfassung. Die Technik ist im
— (541 —
ganzen sehr flüohtig; Politur des Ganzen scheint auch Aus-
nahme zu sein,
bb) J)io weisse Farbe dieni zum Überzüge des ganzen Gefasses und
wird Malgrund für Bchmale, mattschwarze Streifen oder Linien,
welche die Zeichnung oder «las .Muster abgeben.
Auch hier ist der Ton scharf und hart gebrannt; doch gibt es gröbere
und feinere Arten.
Diese letztere Gruppe bb finden wir hei Teutscli S. 26 Fig. 136—142.
Trifft die obige Charakteristik der polychromen Maltechnik in den
Gruppen a—d zu. dann ergibt sich. dass Teutseh die ursprüngliche Ab-
sicht der Yasendekorateure missversteht und das. was „Gefässmalerei"
eigentlich bedeutet, gänzlich verkennt. Nach Teutscli sind die Gefässe
„in der Regel mit roten, schwarzeingefassten Bandornamenten
verziert: Zwischengrund weiss oder orangerot". (Siehe Fig. '.»1
bis '.'7.i Was hier „Ornament" genannt wird, ist in Wirklichkeit Mal-
grund, und. was „Zwischengrund" heisst, ist eigentliches Ornament.
Wie uns die Gruppe IIa beweist, ist das Dekorationsmittel die
weisse Farbe, und daran haben wir festzuhalten, wenn wir die (iruppelld
verstehen wollen. Der Ausgangspunkt für die Stilentwicklung ist die ein-
fache Linienornamentik, sowohl geradlinige wie spiralige mit weisser
Farbe auf dunklem Grunde, wie sie in der Gruppe IIa zu finden ist.
Gruppe lld bietet schon eine degenerierte Form dieser Spiralornamentik,
einen dekadenten Dekorationsstil. In einzelnen Fällen lässt sich das
augenscheinlich beweisen.
Der Unterschied von Ornament und Malgrund lässt sich erkennen an
dem /wecke, den das .Mattschwarz erfüllt. Abgesehen von der vereinzelten
Technik bei •• wird Schwarz niemals auf Weiss, sondern neben Weiss
gesetzt, dagegen auf Braun oder Rotbraun; daraus geht hervor, dass
die weissen Streifen einfasst; Rotbraun und Braun ist dagegen der Über-
zug <\'-r Gefässfläche, wie die Gruppe lld, a beweist. Auch die poly-
chrome Gattung ist also in ihren Ursprüngen nur die Ver-
bindung zweier Malfarben mit der monochromen Technik: in der
Folge erspart man sich einfach das f herziehen des ganzen Gefasses und
setzt das weisse Ornament neben den dunklen Malgrund: dieser aber
verliert immer mehr an Bedeutung, das Weiss nimmt immer grössere
Teile i\vv Gefässob er fläche für sich in Anspruch und so entsteht beim
Verfall des strengen Stils schliesslich die letzte Gruppe He, bb, wo das
Weiss die ganze Oberfläche überzieht und zum Malgrund wird.
Also liegen in den oben skizzierten Gruppen die Vorgänge vor uns.
die sich bei der allmählichen Entwicklung des Mal>til> hinter einander
abspielen. Wie eng aber die polychrome Gruppe mit der einfarbig be-
malten sich berührt, geht aus der Gruppe II, 2 hervor, die in Tonbereitung
und Brand durchaus mit der polychromen und bichromen übereinstimmt
Im einzelnen möchte ich noch auf folgende Beispiele eingehen, bei
denen mir Teutseh eine irrtümliche Auffassung des vorliegenden Dekors
zu dokumentieren scheint:
— 6-12 —
Bei den „eckig gewordenen" Hakenspiralen der Fig. 103 lässt sich
Ornament vom Malgrund gewiss schwer unterscheiden, weil die Flächen-
wirkung von beiden gleichartig ist: das Ornament wird gebildet von den
schwarzeingefassten, weissen Bändern; der übrigbleibende Malgrund zeigt
das Gegenbild von der eigentlichen Ornamentform. Ganz gewiss haben
wir aber bei dem Fragment Fig. 105 zurücklaufende, weisse Band-
spiralen, nicht, wie Teutsch will, „ineinander greifende Bogenband-
ornaniente"; letztere Gestalt hat nur der Malgrund. Hecht lehrreich ist
Fig. 109, ein Randstück; Teutsch sagt: „aussen sind wieder aneinander
gereihte Rautenfiguren mit denselben raumfüllenden Dreiecken, nur er-
scheinen hier statt der Zentralkreise „schnörkelartige Spiralfrag-
mente". Letztere sind aber die sichtbar werdenden Reste vom Mal-
grund, deren Form durch das Nebeneinandersetzen von zwei weissen
Bandspiralen entsteht; in der Mitte, wo sie am nächsten gegenüberstehen,
werden sie eckig gebrochen, ein Vorgang also, der mit der Umbildung
der Spirale in die Mäanderform parallel geht; dadurch entsteht ein winkel-
förmiger Raum, der durch ein weisses Winkelband ausgefüllt wird; die
schwarzen Streifen sind nur die Einfassungen der weissen Ornamentbänder.
Audi bei dem Bruchstück eines Napfes (Fig. 102), wo nach Teutsch
„die Zeichnung durch die Deckfarbe (creme) auf dem rot grundierten
<ii't'ä>s<> ausgespart und nachher mit schwarzen Linien eingefasst wurde",
sehe ich am Rande des (lefässes einen Ausschnitt aus einer degenerierten
Spiralbanddekoration.
Allerdings liegt das Bestreben vor, möglichst viel von der (Jefäss-
fläche mit der weissen Farbe, die poliert gewiss sehr dekorativ war, zu
überziehen, und es mag dabei den Yasenmalern selbst mitunter das Be-
wusstseio des Unterschiedes von Ornament und Malgrund abhanden ge-
kommen sein. So scheint ein Wechsel in der Bedeutung von Ornament
und Malgrund bei dem Napf Fig. 104 wirklich schon vollzogen zu sein.
Als eine kunstgeschichtlich hoch bedeutsame Parallele für einen der-
artiger Vorgang mag der Übergang vom schwarzfigurigen zum rotfigurigen
Stil in der attischen Vasenmalerei aus dem Ende des VI. Jahrhunderts v. Chr.
erwähnt werden. Doch scheint eine ähnliche Neubelebung des Dekorations-
stils bei unserer neolithischen Keramik nicht eingetreten zu sein. Im
Gegenteil liegen hier bereits die Anzeichen des Stilverfalls vor, und in
der Tat können wir geschichtlich eine weitere Entwicklung der poly-
chromen Malerei nicht verfolgen. Ob die Vasenmalerei der Hallstattzeit
in irgend einem Zusammenhange mit der steinzeitlichen steht, wäre ein
sehr interessiint.es Problem für eine Spezialuntersuchung.
Dagegen ist es beachtenswert, dass die Umbildung der Spiralen in
Mäanderformen auch in der bemalten Keramik vor sich geht, wie die
Figuren L13 und 1*21 zeigen. Die neolithische Vasenmalerei scheint also
in Siebenbürgen der Tieftechnils parallel zu gehen. Ich finde sogar eine
engere Stilverwandtschaft zwischen beiden Gefässgruppen, wenn ich die
zuletzt genannte Fig. 121 mit den eingetieften Mustern eines, in der Zeit-
Bchrifl für Ethnologie \{.H)'/> S. 4 r» 1 Fig. 32c publizierten Bruchstückes aus
K lausenburg vergleiche.
— 643 —
Wir dürfen also nunmehr auch die polychromen Gefässgruppen von
Siebenbürgen im Zusammenhange mit der Büdost-europäischen sogen. Band-
keramik der neolithischen Xci t betrachten.
Der Altlluss tritt nach «lein Durdigaii^ durch «las transsylvanische
Gebirge in <lic untere Donauebene, wo er sich in Rumänien mit der
Donau vereinigt, and bring! uns so in einen unmittelbaren Zusammenhang
mit dem Gebiete des l'ruth, Dnjepr und Dnjestr, wo andere, wichtige
Bpätneolithische Stationen mit bemalter »Keramik entdeckt werden sind.
Da ich dieses Material noch nicht nach Autopsie kenne, will ich mich
auf eine Angabe der Literarischen Notizen beschränken.1)
4. Rumänien. Ansiedlungsplätze von Cucuteni und Radoseni bei
Jassy.9) Die Keramik weist eingeritzte und aufgemalte Verzierungen auf
und zwar geradlinige und Spiralmuster; vg-1. a. a. (>. S. 261 Fig. 8, ■|.
."». Galizien. Absiedlungen und Gräber mit Leichenbrand bezw.
„symbolischen" Bestattungen im Kreise llusiatyn.3)
6. Bukowina. Funde von Schipenitz im I'ruthtale.4)
Besonders zahlreich sind die Funde in dem Nachbargebiete von
7. Südrussland im Gebiete des Dnjepr und Dnjestr. Hier sind wir
auch in der glücklichen Lage, gute Abbildungen von vortrefflich er-
haltenen (iefässen aus der Kollektion Khauenko zu haben.5) Jüngst hat
auch E. v. Stern Ausgrabungen in einer neolithischen Station im Distrikt
von Bieltzy in Bessarabien vorgenommen und in den Trümmern von
Tonkonstruktionen („dans les decombres de construetions en argile")
massenhaft bemalte Keramik der gleichen Art, wie die in Rede stehende
gefunden, darunter solche aus rotem Ton mit schwarzer Bemalung, in
zwei Fällen mit Darstellungen des Menschen und Tieres.")
Am weitesten nach Westen linde ich diese neolithische Keramik in
1 Inzwischen habe ich fast das ganze, einschlägige Material in den Originalen
studieren können, muss mir aber eine ausführlichere Behandlung desselben für ein.' andere
Gelegenheit aufsparen.]
2) Archiva Societatri stiintific si literare dni Jasi 1 257— 270. fcL Hörnes, ürg
d. bild. Kunst S. 210 f., vgl. Zeit*ehr. f. Kthnol. L903 S. 166.
3) Kohn und Mehlis, Materialien I 237. G. Ossowski, Sprawozdanie z wyciezki
paleoetnol. po Galiciyi 1881 p. 35. Weitere Funde aufgezählt von PaDiardi, Mituil.
d. prahlst. Kommiss. Wien 1897 I, I S. 262f. und M. Hörnes, Urgesch. S.214f.
! Romstorfer, Mitteil, d. k. k. Zentralkommission \I\ L893 S. 243, 256 Fig. 29
bis3l. Szombathy im Jahrb. d. Bukowinaer Landesmuseums 1894 S. "». Vgl. M. H
a a. <). S. 2] !.
5 Coli. Khauenko, Antiquitös de la region du Dnjepr I pl. VII. Von der übrigen
Literatur nenne ich: Vortrag von Antonowitsch auf dem X. arch. Kongresa zu Riga
Berichl von Stieda, Arch. f. Anthrop. XXV L898 S 78). Zusammenfassende Berichte
mit Berücksichtigung der ostgalizischen Funde von Zahorowski i Bulla, de la -
d'anthropol. de Paris L900 S l.'-l f. und von Th. Volkov (Oongres internal. d'Anthropol.
et d'Archeologie prehistorique ä Paris 1900 S. U)lft). Volkov nennt Gcfasse in Scheiben-
technik. [Ich habe solche nicht feststellen können.
6 Vortrag auf dem Archaol.-Kongrese in Kharkow L903 Berichl von Th. Volkov,
['Anthropologie 1903 S. 1141). Eine Publikation mit zahlreichen Abbildungen bereitel
E.V. Stern vor. (Auf die Arbeiten von Chwoika (Kiew) komme ich später zurück.
— 644 —
8. Mähren und Niederösterreich. Wohngruben mit zahlreichen
Kulturresten, untersucht von Palliardi.1)
Alle bisher aufgezählten Funde gehören den Gebieten nördlich vom
Balkan an. Es ist überaus wichtig, dass dieselbe jungneolithische poly-
chrome Keramik auch südlich vom Balkan gefunden worden ist.
9. Ost-Rumelien. Tell-Racheff, nordöstlich der Stadt Jamboli.
Hier sind im Jahre 1900 von G. Seure im Auftrage der französischen
Schule zu Athen Ausorabun<>en begonnen und im Jahre 1901 vom fran-
zösischen Konsul in Philippopel, Degrand, im Auftrage der Pariser
Akademie fortgesetzt worden. Eine Sammlung von Funden ebendaher
hat Jeröme zusammengebracht2); er glaubt die Überreste einer Töpfer-
werkstatt gefunden zu haben.
Die von ihm beigebrachten zahlreichen Abbildungen zeigen, dass der
Stil dieser Gefässmalerei sich eng an die Gruppe vom Altflusse anschliesst.
Die weisse Farbe scheint immer mehr zum Untergründe für die Malerei
geworden zu sein. Es vereinigen sich hier geradlinige Horizontal- und
Vertikalmuster mit der Spiralornamentik, ebenso die Ritzteclmik mit der
Malerei. Oben bei der Betrachtung der Siebenbürgener Gruppe hatte ich
von Ausschnitten aus Spiralmustersystemen gesprochen. Derartige Streifen
zeigen auch die ostrumelischen Parallelen in den Fig. 11 und 13. Wieder
Stil degeneriert, sieht man auf den immerhin imposanten Gefässen Fig. 3,
4 und 14: die hakenförmigen Motive, welche in Reihen nebeneinander
gesetzt werden, sind ursprünglich die tongrundigen Zwischenräume von
fortlaufenden Spiralbändern; das Muster am Rande bei Fig. 3 erklärt sich
als Rest von nebeneinander gesetzten S-förmigen Spiralen. Es wäre sehr
wünschenswert, dass die Technik dieser Gruppen ausführlicher und zu-
verlässiger mitgeteilt würde.
Ehe ich selbst einen Versuch wage, die aufgezählte polychrome
Keramik zu beurteilen, will ich die Urteile der Herausgeber oder Be-
arbeiter derselben kurz zusammenstellen.
Wosinsky (1888) führte die Technik der Malerei, sowie die Spiral-
ornamentik der Gefässe von Lengyel auf die Einflüsse der mykenischen
Kultur zurück.
Ossowsky (1881) sieht mit bezug auf die östlichen Gruppen in den
Gefässformen, der Bemalung, sowie in der technischen Behandlung des
Materials die Einflüsse der griechischen, keramischen Kunst.
Palliardi (1897) reiht im mährischen Fundgebiete die polychromen
(n't'ässc als sechste Gruppe unter die gesamte steinzeitliche Keramik
Mährens, die er im ganzen als „Bandkeramik" bezeichnet, und meint,
dass sie zusammen mit dem Obsidian aus Ungarn gekommen sei. Von
dieser westlichen Gruppe sondert er die östliche in Galizien, der Buko-
wina und Rumänien ab und «lenkt an einen Zusammenhang mit myke-
aischer Mattmalerei.
1) Palliardi in: Mitteil. d. prähist. Kommiss. Wien I, I. L897 S. 237 ff.
2) Jöröme, l'epoque nöolithique dans la ralläe du Tonsus (Tlirace) (Rev. archeol.
1902, 2 8. 328 ff. and Cosmos L901 Nr. 834, 835).
— (545 —
Zaborowski (1900) kann in Anlehnung an .sein.- russischen Gewährs-
männer die südrussische Gruppe mit der einheimiachen Industrie, die im
wesentlichen noch neolithisch ist, nicht in Einklang bringen, vergleicht sie
gleichfalls mit der mv kenischen Keramik und führt sie; auf fremden Ur-
sprung zurück. Wäre diese Keramik einheimischen Ursprungs — so
argumentiert man — dann müsste man in der Bronzezeit ihr weiteres
Fortleben erwarten; sie reicht aber nicht über das Ende der Steinzeit
hinaus.
Volkov (1 1)00) — er berichtet über den Pariser Kongress be-
obachtet zwar, dass der „prämykenische" Charakter der polychromen
Keramik umsoniehr abnimmt, je weiter man nach Westen kommt, kann
sich alier alle Erscheinungen nur aus der Einwanderung eines Volkes er-
klären, das Technik und Stil mitgebracht hätte; dabei denkt er sich die
nach dem schwarzen Meere zu abgehenden Flüsse als die Wege, auf denen
die Einwanderer eingedrungen seien.
Teutsch (1900 und 11)03) sieht in den von ihm veröffentlichten
Gruppen Siebenbürgens „barbarische Nachahmungen der mykenischen
Malerei, die schon in der jüngeren Steinzeit und in der früheren Metall-
zeit — etwa in der letzten Hälfte des '2. Jahrtausends v. Chr. — ihre
Ausstrahlungen nach Norden und Nordwesten bis nach Mähren und Nieder-
österreich hatten", und erklärt das „plötzliche" Auftreten dieser Malerei
aus einer Einwanderung von handeltreibenden Gewerbsleuten, die in diese
Gegenden über den Balkan und am Altflusse entlang gekommen sein
sollen; dieses Vordringen nach Norden und den Siebenbürgischen Handel
schreibt er dem phrygischen Stamme zu.
E. v. Stern (1903) weist — allerdings hypothetisch — die durch die
polychrome Keramik Südrusslands vertretene Kultur griechischen Stämmen
der neolithischen Zeit zu, den Trägern der mykenischen Kultur, die sich
auf ihrer Wanderung von Nord nach Süd auf der Balkanhalbinsel, den
ägäischen Inseln und in Kleinasien niedergelassen hätten.
Zwar kenne ich nicht alle oben aufgezählten Gefässgruppen aus eigner
Anschauung, doch glaube ich auf Grund der von mir erworbenen Autopsie zu
der Reihe der bereits geäusserten Meinungen meine eigene hinzufügen
zu dürfen und berufe mich auf den in der Berliner Archäologischen Ge-
sellschaft im 1-Ybruar 1903 gehaltenen Vortrag, in dem ich mich dahin
aussprach, dass in der steinzeitlichen bemalten Keramik Mitteleuropas
nicht nur ein der „mykenischen" Entwicklung vorausgehendes Kultur-
faktum ü-e^eben sei, sondern auch die Voraussetzungen für die Eint-
wicklung der mykenischen Vasenmalerei selbst gesucht werden müssten.1)
Diese Auffassung ist den meisten der oben aufgeführten Ansichten
entgegengesetzt. Nur B. v. Stern kommt ihr im gewissen Sinne nahe:
ob sie sich mit der seinigen deckt, weis ich nicht. Ich will daher ver-
suchen, etwas ausführlicher auf »las aufgestellte Problem einzugehen.
Es kann keinem Zweifel unterließen, dass wir unter den oben auf-
]| [Ich freue mich auch jetzt noch an dieser meiner Auffassung festhalten zu können.]
— (Uli —
gezählten Gruppen bemalter Keramik chronologische und generelle Unter-
schiede werden zu machen haben.
Die massgebenden Kriterien werden wir der Technik der Gefässe
und ihres malerischen Schmuckes zu entnehmen haben. Äussere Umstände
der Auffindung unterstützen uns nur in allzu geringem Masse.
Nach dem übereinstimmenden Urteile aller derjenigen Augenzeugen,
die uns für die Auffindung Bürgschaft leisten, haben wir die Mehrzahl der
Gefässgruppen dem Ende der Steinzeit zuzuweisen, einer Epoche, in der
bereits das Kupfer in spärlichen Mengen aufzutreten beginnt. Dafür
spricht auch in den meisten Fällen der Charakter des Ornamentstils und
die Technik der Malerei, die beide eine lange Übung und einen reifen,
vielleicht überreifen Geschmack voraussetzen. Das betrifft meines Er-
achtens sowohl die östlichen wie die westlichen Gruppen. Nur in Ungarn
begegnen wir Erscheinungen, die eine besondere Beurteilung verdienen.
Im allgemeinen hebt sich sowohl nach den Fundumständen als nach der
Maltechnik und dem strengen Stil der Spiralornamentik die Lengyeler
Gruppe als ältere von den übrigen ab; in sich ist sie durchaus ge-
schlossen und gehört gewiss noch der reinen Steinzeit an.
Eine weiter gehende Scheidung in technisch sehr verschiedene Gruppen
hat die Keramik vom Altflusse zugelassen, die wir den Entdeckungen
von Teutsch zu verdanken haben.
Hier kann auch kein Zweifel übrig bleiben über das relative Alter
der verschiedenen Gruppen; sie folgen etwa in der Reihenfolge, in der
sie oben aufgezählt worden sind. Was die bemalten Gefässe betrifft, so
ist der technische Grundgedanke, wenn ich so sagen darf, bei allen
Gruppen die Verwendung der weissen Farbe auf der mono-
chromen, polierten Gefässfläche, eine Technik, die mit der weissen
Inkrustation der eingetieften Ornamente in einem frenetischen Zusammen-
hange stehen muss, möglicherweise als eine Verfeinerung derselben oder,
als ihr Ersatz zu gelten hat. Somit kann nicht gezweifelt werden, in
welchen Gruppen wir den Ursprung und den Ausgangspunkt für die poly-
chrome Keramik zu suchen haben.
Es sind die Siebenbürgenschen Gruppen in alt- monochromer
Technik mit einfacher, linienartiger Weissmalerei, die oben
S. ß38ff. unter II 1. II 2 und IIa charakterisiert worden sind. Aus diesen
Gruppen haben sich die mit polychromer und bichromer Malerei (II d und
II e) entwickelt.
Ich denke, an diesem Zusammenhange wird ein Zweifel schwerlich
aufkommen können.
Nach «Ich Funden aus Siebenbürgen ist aber die polychrome Malerei
der anderen Fundgebiete zu beurteilen. In keinem derselben ist meines
Wissens eine Gruppe aufgetaucht, die den oben genannten Gruppen II 1,
[12 und II"' ähnlich wäre oder annähernd entspräche.
abseits von dieser Entwicklung scheinen die Gruppen von Lengyel
und Tordos zu stehen. Denn sie beruhen liiclit auf Weiasmalerei, sondern
verwenden farbige Muster auf monochromem Malgrunde. Man wird diese
Maltechnik vielleicht passend ;ils Buntmalerei bezeichnen dürfen, in dem
— 647 —
Sinuc dass der farbige Tonüberzug für die Ornamentik der Gefässe Ver-
wendung findet.
Auf diesem Wege, aber wie es scheint, durchaus selbständig, sehen
wir auch in der Keramik der vormykenischen Epochen Trojas und der
makedonischen Tumuli innerhalb der monochromen Technik eine Vasen-
malerei entstehen.1)
Eine ganz andere Bedeutung hat die Weissmalerei, die an Stelle
der Tieftechnik mit weisser Inkrustation aufkommt. In Siebenbürgen
entwickelt sich daraus ein ganz raffinierter Vasenmalstil, der auf poly-
chromer Technik beruht. Stilistisch stehen auf gleicher Stufe die poly-
chromen Gefässe ans Idiinänieii. (lali/.ieu. Bukowina. Siidrussland und
Ostrumelien. Ob sie auch technisch ihnen gleich stehen, kann nur die
Autopsie ergeben. Daher muss i < - 1 1 mich hier darauf beschränken, die
massgebenden Gesichtspunkte hervorzuheben, und weitere Ausführungen
für spätere Untersuchungen mir vorbehalten.
Jedenfalls scheint mir ein Resultat gesichert zu sein: die oben durch-
geführten stilistischen und technischen Erörterungen stehen im Einklänge
mit den chronologischen Erwägungen; die jungneolithische Gefassmalerei
Mitteleuropas ist eine selbständige Leistung derjenigen Völker, die im
unteren Donautale und in den angrenzenden Gebieten ihren Wohnsitz
gehabt haben. Alle oben angeführten .Meinungen über südliche Einflüsse,
aus denen allein diese ( refässmalerei sich erklären Hesse, müssen ihre
Berechtigung verlieren. Diese Schlussfolgerung lässt sich noch durch
weitere Vergleiche stützen.
Schon in der ältesten Bronzezeit haben sich, wie wir sahen, die
goldenen Sängespiralen Siebenbürgens in südlicher Richtung nach dem
ägäischen Kulturgebiete verbreitet. Auch die bemalte Keramik Sieben-
bürgens, die einer noch älteren Epoche angehört, gestattet uns unsere
Blicke südwärts zu richten.
Die Weissmalerei in «1er ägäischen Keramik. Die Weiss-
malerei auf poliertem monochromen Gefässgrunde spielt nämlich in der
Ornamentik der ägäischen Keramik eine nicht unbedeutende Rolle.
Ihr dortiges Vorkommen ist zu verfolgen, wenn wir uns über das kausale
Verhältnis derselben zur Keramik Siebenbürgens klar werden wellen.
Schon in der ältesten Keramik von Troja ist diese Maltechnik be-
kannt.9) Zwar sind es nur wenige Beispiele, an denen sie sieh feststellen
lässt; aber ihr nachweislich hohes Alter erhöht ihre Bedeutung. Das
Randstück einer Schale vom Typus a, der nur für die älteste Keramik
charakteristisch ist8), zeigt aufgemalte, ineinander geschachtelte Winkel-
muster; ein Zickzackband, dessen vier Linien in den Ecken sich kreuzen,
linden wir quer aber den Bauch einer Kanne gezogen. Fig. -l.4)
i Auf diese interessanten Vorgänge gehe ich hier nicht näher ein. Man vergleiche
die Ausführungen in dem Aufsätze üher 'li<> Keramik der makedonischen Tumuli in der
Zeitschrift für Ethnologie 1904. [Erscheint erst s]
:' Bei Dörpfeld, Troja nnd flion S. 252.
.". Heinrich Schliemanns Sammlung trojanischer Altertümer K;it. Nr. 154.
I Ebenda Kat. Nr. 229.
— 648 —
Das letztere Beispiel ist wichtig, denn es führt uns zu einer Keramik,
die in ihren Formen und in der Technik eine Fortsetzung der ältesten
trojanischen bedeutet und die Weissmalerei besonders reichlich neben der
inkrustierten Tieftechnik verwendet: ich meine die Keramik aus der
Xekropole von Jortan bei Smyrna.1) Hier finden wir auch die Erklärung
für die Entstehung des Zickzackbandes auf der eben genannten trojanischen
Kanne: es ist die gleichmässige "Verbindung von nebeneinander ein-
getieften oder besonders häufig aufgemalten Winkelbändern, die einzeln
als Hängeschmuckmotive zu gelten haben, Fig. 22 (vgl. von Jortan a. a. 0.
Tf. II, 2 mit 7 und 10). 2)
Diese Xekropole ist gewiss eine sehr lange Zeit hindurch in Be-
nutzung gewesen; unter den dort vorkommenden Gefässen finden sich
Formen, die genau der ältesten Keramik von Troja entsprechen, dann aber
auch technisch und formell entwickeltere Stufen der Keramik, so dass
wir annehmen können, dass die Xekropole bis in die frühe Brouzezeit
hinein bestanden hat; ihre Funde Hessen sich für unsere Untersuchung
noch mehr ausnützen, wenn sie nach Anlage, Umfang und Inhalt bereits
ausführlich publiziert worden wäre.
Fig. 21. Fig. 22.
In Troja selbst scheint diese Weissmalerei in der Folgezeit ver-
schwunden zu sein oder wenigstens keine wesentliche Bedeutung gehabt
zu halten. Erst gegen die Zeit der VI. Änsiedlung taucht sie wieder
auf und zeigt sich auf dem Fragment einer schönen gelbbraunen Schüssel
mit Ausguss und grossem, quer über die Öffnung gespanntem Bügel-
henkel.3) Aufgemalt sind mit wreisser Farbe folgende Muster: am ein-
gekehlten Rande vertikale Dreistrichgruppen, auf der Lippe abwechselnd
Punktreihen und DreistrieliLiTuppen; unterhalb des Randes zwei horizontale
Punktreihen, denen sich einzelne Gruppen von in einander geschobenen
Winkeln anfügen; auch der bandförmige Bügelhenkel und die Ausguss-
rinne sind mit parallelen Strichgruppen verziert. Die Art der Malerei ist
1) Die Funde sind zum grossen Teile nach dein Louvre gekommen. Eine vorläufige
Veröffentlichung von M. Collignon in den Comptes rendus des seances de l'Acad. des
Jnsrrijit. <t lielles-I^ftt res l'.ml p. siui'l' Tf. I. II. Kleinere Teile dieser sehr zahlreichen
Funde befinden -icli in Deutschland, u. a. im Berliner Antiquarium.
_' i her diese Fragen vgl. meine Ausführungen in der Zeitschr. für Ethnologie
L903 S. 154.
• '. Abg. „Troja L893" 8.97 Fig. 12. Von Brückner wird es hier (S. % und 101)
als ein Beispiel für mykenische Mattmalerei angeführt. Damit hat es gewiss nichts zu
tun. Wie ich mich Belbst durch Augenschein überzeugt habe, ist es in echter troisch-
monochromer Technik gemacht.
— 649 —
eine durchaus altertümliche, der alttroischen Tiefoniamentik entsprechend;
es kann nur auffallen, dass wir sie an einem so entwickelten Gefässtypus
von Troja wiederfinden. Denn das (Jefäss gehört in den Formenkreis der
VI. Ansiedlung von Troja; gleicher Art sind die Kessel mit Ausgüssen und
quergespannten Bügelhenkeln, die mit Ochsenköpfen verziert sind.1)
Auch in Griechenland lässt sich die Weissmalerei auf monochromem
Gefässgrunde schon für eine sehr frühe Zeit belegen.
Aus der untersten Schicht von Tiryns, wo eine der alt-troischen
ähnliche Keramik sich gefunden hat. stammt ein askosartiges (Jefäss mit
kurzem Halse, abgeschrägter Mündung und oben auf dem Bauche sitzendem
horizontalen Bügelhenkel; der Ton ist bräunlich mit dunkelgraubraunem
Überzüge; auf der Schulter in Weiss aufgemalt
eine einfache Zickzacklinie, Fig. 23.*) Fi- 23-
Dieselbe Maltechnik können wir in vor-
mvkenischer Zeit auf den griechischen Inseln
weiter verfolgen: auf Amorgos finden wir sie
auf einem rotmonochromen Gefässe mit vertikalen
Bandornamenten. 3) In diesem Zusammenhange
erklärt sich auch die Technik einer im Längs-
schnitt ellipsenförmigen Büchse aus dem Depot-
funde von Hagios Ünuphrios auf Kreta4); hier
sind weisse Horizontal- und Zickzacklinien in
bandartiger Gruppierung auf den Tongrund gesetzt.
Ferner spielt auch in der vormykenischen Keramik von Phylakopi
auf Melos die Weissmalerei auf poliertem Grunde eine grosse Rolle.
Leider sind wir aber über die dort gemachten, sehr wichtigen Funde noch
zu mangelhaft unterrichtet; das sehr umfangreiche und vielseitige Auf-
klärung über die ägäische Kultur versprechende Fundmaterial sieht einer
ausführlicheren Publikation entgegen.5)
Auf dieser, in der ägäischen Kultur weit ausgedehnten Grundlage
einer bemalten, monochromen Keramik fusst schliesslich die sogenannte
„mykenische" Vasenmalerei. Denn der „erste mykenische Firnis-
stil" ist nichts anderes als Weissmalerei auf monochromem Grunde. Die
Neuerung beschränkte sich zunächst auf eine technische Erfindung, durch
die die Farben im Brande glänzend wurden; so wurde zwar die Politur
überflüssig-, aber der Dekor änderte sich noch nicht. Man imitiert die
Art der monochromen Gefässe, überzieht wie früher das ganze Gefäss
mit der dunkelglänzenden Farbe und setzt darauf die weissen Ornamente.
Proben dieser Art finden sich unter den Scherbenmassen der Schlie-
mann-Samndung. So stammt aus Mykenä selbst das Bruchstück eines
1) Heinrich Schliemanns Sammlung: trojanischer Altertümer Kat. Nr. 3221 ff. Vgl.
bei Dörpfeld, Troja und Ilion 8.293 1 -'L-. 208 BeiL I" Nr. IV. V.
2) Schliemann, Tiryns 8.75 Nr. ."> In Athen Inv. Nr. 1J18.
3 Bei Dümmler, Athen. Mitteil. XI S. 16 Heil. II. G&
\ Evans, Cretan pie&ographs 8. 115 Fig. 107.
5 Vorläufige Beliebte mehr beschreibender Art im Annnal of the British School at
Athens L896/97, L897/98. [Die Publikation ist bereits erfolgt.]
Zeitschrift für Ethnologie. Jahr^. 1901. Hefr :.. }-j
— 650 —
auf der Scheibe gedrehten Gefässes aus rötlichem Ton mit dickem roten,
firnisartigem Überzuge nach Art der monochromen Technik; darauf
sind mattweisse Horizontalstreifen gemalt (Schliemaun-Sammlung, Inv.
Nr. 10 604).
Klarer in Technik und Dekor sind zwei Scherben aus Orchomenos
von guter Scheibenarbeit, mit dünnem schwarzbraunen Firnis überzogen.
Auf der einen (Schl.-Sammlg. Inv. Nr. 10 966), die vom Halse und der
Schulter einer Kanne herrührt, findet sich am Halse ein weisser Horizontal-
streifen und unmittelbar darunter die Spitze eines gegitterten Dreiecks
oder Rhombus; auf der anderen (luv. Nr. 10 D67) sieht man nur weisse
Parallelstriche.
Auf derartiger, anspruchsloser Dekoration beruht in Kreta auch die
sogen. Kamares wäre, die dem ersten mykenischen Firnisstil entspricht,
aber doch nur eine Vorstufe der eigentlichen kretischen Firnismalerei ist.1)
Nach ihrem Vorkommen in Knossos auf Kreta ist ihre Stellung in der
keramischen Entwicklung gesichert; sie findet sich unmittelbar über der
neolithischen Schicht direkt unter dem Palast und wird von Makenzie
der zweiten, minoischen Periode zugewiesen, die eine Vorstufe der eigent-
lichen Palastzeit von Knossos ist. Ihre chronologische Stellung ist ge-
geben durch gleichartige Funde in Ägypten aus der Zeit der XII. Dynastie,
die wir jetzt dem ersten Drittel des XIX. Jahrhunderts v. Chr. zuschreiben
dürfen. 2)
Dürfen wir nun die Weissmalerei Siebenbürgens mit der gleichartigen
Technik des ägäischen Kulturkreises in einen ursächlichen Zusammenhang
bringen? Und wie hätten wir uns die Vorgänge zu erklären, auf denen
dieser Zusammenhang beruhen soll?
Für einen solchen Zusammenhang spricht in erster Linie ihr gleich-
massiges Vorkommen in Kleinasien: in Trojas unterster Schicht und in
der eng daran sich anschliessenden Nekropole von Jortan bei Smyrna.
Dann erklärt sich auch dieses parallele Auftreten einer uralten Maltechnik
auf die einfachste Weise. Die ältesten Bewohner von Troja haben sie
aus ihrer Heimat, dem thrakischen Stammlande, mitgebracht oder wenigstens
unmittelbar den dort wohnenden Stammverwandten entlehnt So werden
sich auch die Parallelen von Jortan auf dieselben ethnischen Gleichheiten
zurückführen lassen.
Was nun die Inselkultur anlangt, so ist die Weissmalerei auf mono-
chromem Grunde ein Glied in der Kette von Übereinstimmungen derselben
mit der troischen Kultur der IL — V. Ansiedlung.8)
Doch darf man nicht vergessen, dass es immer nur ein beschränkter
Kreis von Gleichheiten ist, die beide Kulturen verbinden: neben den
Steinidolen an Gefässformen die Schnabelkanne, Tiervase, Ringgefässe,
1) Vgl. die oben S. 613 angeführte Literatur. Neuerdings behandelt D. Makenzie
(Journ. of Hellenic Studiea 1903 S. 157—205) die kretische Keramik von Knossos.
2) Auch darüber vgl. die oben angeführte Literatur.
:'>) Dümmler, Athen. Mitteil. XI 2<K> ff. Chr. Blinkenberg, Antiquites pre-
mycenienncs (Mem. de la soc. roy. des antiquaires du Nord 189G). Tsountas, 'E<pr]fx.
anyaiol. 1398 8. L37 ff viv. 3—12.
— 651 —
Zwillingsgefässe, Schnuröseukrug, Schnurösenflasche. Spezifisch troische
Typen, wie das dhra<; äpupixwie?2ov und die Deckelamphora, fehlen auf
den Inseln. Die Entwicklung geht an den verschiedenen Zentren ihre
eignen VYege, und es hält schwer, ein direktes Abhängigkeitsverhältnis
für das eine oder andere anzunehmen.
Xoch ältere Parallelen zu der troischen Kultur entnehmen wir den
kretischen Funden, zu denen wir bereits durch die Weissmalerei in Be-
ziehung getreten sind.
Der genannte Fund von Hagios Onuphrios weist noch weitere
Berührungen mit der ältesten troischen Kultur auf. Ein annähernd kugel-
förmiges Gefäss mit 4 Schnurösen und flachem Stülpdeckel auf niedrigem
Rand *) passt /.um Formencharakter der ältesten troischen Keramik
(Fig. 24); in Troja gehört hierher ein kugelförmiges Gefäss mit vier
röhrenförmigen Schnurösen und Kingfuss2): der Stülpdeckel des kretischen
Fiff. 24.
Fig. -25.
Gefasses hat vier durchbohrte Zapfen am oberen Rande, entsprechend den
vier Schnurösen am Bauche des Gefasses; zu dieser einzigartigen Form
bietet schlagende Analoga die älteste Keramik von Troja in den mauer-
kronenförmigen Stülpdeckeln, die in verschiedenen Varianten vorliegen.3)
Derselbe Depotfund von Hagios Onuphrios enthält noch ein anderes,
beachtenswertes Gefäss, das zwar nicht in der Technik, aber in seiner
Form und Ornamentik einen sehr altertümlichen Charakter bewahrt: eine
kugelbauohige Schnabelkanne mit terrakottafarbener Malerei auf hellgelbem
li kbg. Moiiunicnti aut. d. R. Accad. dci I.incei VI tav. \I1. 52J(Mariani : Evans.
Oretan Pictographa S. L12 Fig. L00.
2) Bei Dörpfeld, Troja und Ilion S. 248 Fig. L09 Kat. Nr. 163.
Bei Dörpfeld, Troja und Ilion S. 249 Fig. L10, 111 = Kat. Nr. 188—195; In
Konstantinopel notierte ich mir eine Hiichse aus Pitana mit analogem Stülpdeckel.
12«
— 652 —
Grunde; die Muster bestehen in Gruppen von vertikalen Parallelstrichen
und von ineinander geschobenen Winkeln, deren Schenkel am Scheitel
sich regelrecht kreuzen (Fig. 25). Dieselben Ornamente haben wir oben
S. 648 in Weissmalerei auf den Kannen aus der Xekropole von Jortan
bei Smyrna beobachtet und darin den Schlüssel für die Erklärung- des
weiss aufgemalten Zickzackbandes auf einem Bruchstück der ältesten
Keramik von Troja gefunden.
Damit schliesst sich der Kreis unserer Beobachtungen; wir sind an
demselben Punkte angelangt, von dem wir ausgingen.
Die älteste ägäische Kultur ist nicht auf die Burgfeste von Troja be-
schränkt geblieben; sie hat deutliche Spuren auch auf den Inseln des
ägäischen Meeres bis nach Kreta und Cypern hin und auf dem griechischen
Festlande hinterlassen.
Die WTeissmalerei aber, ein ihr eigentümliches, an verschiedenen
Zentren ihres Gebietes auftretendes Merkmal, verbindet sie mit keramischen
Erzeugnissen der jungneolithischen Periode Siebenbürgens, eines Kultur-
zentrums, das von nachhaltigem Einflüsse auf die Industrie der Donau-
und Balkanländer gewesen sein muss. In der frühesten Bronzezeit sahen
wir von hier aus Kulturströme auch südwärts gehen in die bedeutenden
Zentren der vor- und frühmykenischen Kultur, nach Troja und Mykenä.
In denselben Zusammenhang dürfen wir jetzt auch die ältere Weissmalerei
auf monochromem Grunde bringen; ihr Auftreten in der ägäischen Kultur
muss aus Siebenbürgen abgeleitet werden.
Da sie nun schon den Trägern der ältesten Kultur von Troja be-
kannt war, diese aber aus dem europäischen Gebiete der Thraker, deren
Urheimat gerade die Karpathen gewesen ist, nach Kleinasien gelangt sind,
so dürfen wir überhaupt die Verbreitung der Weissmalerei innerhalb der
ägäischen Kultur mit den ältesten Wanderungen thrakischer Völkerschaften
oder ihrer Verwandten und ihrer Festsetzung an den Küsten des ägäischen
Meeres verbinden.
Wenn wirklich die Kamaresware, die Vorstufe der eigentlichen „my-
kenischen" Keramik, mit der neolithischen, weissbemalten Keramik zu-
sammenhängt, so hätten wir von den kretischen Funden eine Bestätigung
dieses Zusammenhanges zu erwarten. In Knossos ist die Kamaresware
in einer Schicht gefunden, die unmittelbar über der neolithischen liegt.
In der letzteren hat sich aber bisher Weissmalerei noch nicht nachweisen
lassen. Doch sind die Untersuchungen der neolithischen Schicht von
Knossos durchaus unzulänglich, und die bisherigen Funde ebenda schliessen
das Auftauchen der Weissmalerei keineswegs aus, zumal wir sie an
anderen Fundstellen von Kreta bereits kennen gelernt haben und ebenda
anch Beziehungen zur ältesten trojanischen Kultur nicht fehlen.
In sei ihm- schon oben genannten Bearbeitung der knossischen Keramik
konnte Makenzie für die neolithische Periode nur die Scherbenfunde
ans 2 Versuchsgräben verwerten, die im Westhofe und im 3. Magazin des
Palastes von Knossos zur Bestimmung der älteren Schichten gezogen
worden waren.
— 653 —
Sein Versuch, nach den schichtenweise vorkommenden Scherben unter
Berücksichtigung ihres Zahlenverhältnisses ein Bild von der neolithischen
Keramik von Kreta zu entwerfen, scheint mir allerdings verfehlt zu sein.
Wichtig sind jedenfalls 2 Gefässgruppen: 1. Gefässe mit weiss ausgefüllten
Tief Ornamenten, 2. Gefässe mit schwarzem Firnisüberzuge in Nachahmung
der polierten, monochromen Keramik, jene noch neolithisch im besten
Sinne, diese aus einer jüngeren Übergangsperiode. In der Tat fehlt hier
nur noch die weissbemalte, monochrome Keramik, um alle die oben auf-
gestellten Sätze über die Entstehung der ältesten Firnismalerei, wie sie
in der Kamaresware vorliegt, durch die Funde bestätigt zu sehen.
Unter den auf Tafel IV bei Makenzie abgebildeten Scherben mit
weissen Einlagen finden sich Motive, die für sich noch weitere Ver-
mutungen über einen Zusammenhang der kretischen mit der mittel-
europäischen Dekorationsweise zulassen; es ist ein mäanderartiges Band-
Fie. 26.
Fi*. 27.
muster auf Fig. 30, das die Existenz einer Spiral- und Mäanderornainentik
verrät, wie wir sie unter den siebenbürgischen Funden in charakteristischer
Weise kennen gelernt haben.
Wir dürfen also von der weiteren Aufdeckung der neolithischen
Schicht in Knossos noch schwerwiegende Aufklärung über die Frage er
warten, welche Vorbedingungen für die Entwicklung der rormykenischen
und invkeiiischen Kultur des ägäischen Kreises bereits in der jung-
neolithischen Kultur Mitteleuropas vorgebildet waren. Die hier bereits
aufgedeckten \ . r l . i m 1 ii iii^slin ien fähren mehrfach bis nach Ägypten, wo
wir Keramik mit woissgefüllten .Mustern und Weissmalerei ebenfalls be-
obachten können. Daher möchte Makenzie die ägäisehe Bevölkerung
und die „libysche- Kasse des prähistorischen Ägyptens auf denselben Ur-
sprung zurückfuhren und die von ihnen geschaffenen Kulturen für mehr
oder weniger gleichzeitig halten. Dieser Ansicht beizutreten bin ich nicht
— 654 —
abgeneigt, erwarte aber von weiteren Funden zwingende Anhaltspunkte
von bestimmterem Charakter, als bisher vorliegen.
Immerhin dürfen wir nicht unterlassen, die Fäden, welche Mittel-
europa mit der ägäischen Kultur und weiterhin Ägypten verbinden, fest-
zuhalten. Daher muss ich zum Schluss noch auf einige Kongruenzen von
G ef äs s formen aufmerksam machen, die sich nur aus engeren Beziehungen
zwischen den genannten Gebieten erklären lassen. Ich beschränke mich
zunächst auf 2 Formen:
1. Flache Teller oder Schalen auf hohen, zylinderförmigen,
mehrfach durchlochten Hohlfüssen.
Die abgebildeten Exemplare, Fig. 26 ff., stammen nacheinander:
Fig. 26 aus Lengyel, Korn. Tolna in Ungarn, nach Wosinsky a. a. O.
I Tf. XIII, 73. Dieses Gefäss ist ein regelmässig als Grabbeigabe vor-
kommender Typus aus den oben genannten Hockergräbern mit bemalter
Keramik der neolithischen Zeit und findet sich selbst in vielen Fällen
mit Spiralornamenten bemalt.
Fig-128.
Fi«-. 29.
Fisr. 30.
Fig. 27 aus Trojas unterster Schicht nach Schliemann, Ilios
S. 255 Nr. 50 (= Kat. Nr. 233).
Fig. 28 aus Knossos nach Journal of Hell. Studies 11)01 S. 88 Fig. 15,
zur Kamaresware gehörig, die wir als Vorstufe der mykenischen Keramik
anzusehen und eben erst aller Wahrscheinlichkeit nach mit den älteren
neolithischen Funden Kretas in einen Zusammenhang gebracht haben.
Schon Wosinsky hat in seinem Werke über das Schanzwerk von
Lengyel auf Parallelformell im ägäischen Kulturkreise (die anderen kann
ich vorläufig noch nicht gelten lassen) hingewiesen und glaubt gerade
diesen Typus ;ils Opfergefäss deuten zu müssen, eine Deutung, die jeden-
falls das beharrliche Pesthalten der Form erklären würde. Nach und mit
ihm hm 0, .Montelius (Chronologie der Bronzezeit S. 102) diese „pilz-
förmigen Etöhrengefässe'i unter den Beweisen für einen regen Verkehr
zwischen den Donauländern und dem Mittelmeergebiete genannt. Beide
fassen aber diese Beziehungen als Einfluss des östlichen Mittelmeeres auf
die Donauländer auf: die Chronologie aber zwingt uns gerade dieses Ver-c
hältnia umzukehren.
— 655
Einen etwas variierten Typus zeigt
Fig. 29 ans Vattina bei Werschetz (Ungarn). Hier haben sich Gräber
und Wohnplätze mit Feuerstellen in 2 — 3 Schichten übereinander ge-
funden; unter allerlei Stein- und Knochengeräten nur sehr wenig Bronzen
(nach freundlicher Angabe des Hrn. Franz Millecker in Werschetz
kommen 13 Stücke Bronze auf 3000 andere Objekte). Das abgebildete
Gefäss mit den kleinen horizontal durchbohrten Ösen gebort zu den stein-
zeitlichen Typen Ungarns.
Fs ist höchst beachtenswert, dass ein ganz ähnliches Gefäss in
Ägypten unter den Kulturresten aus den Hockergräbern der ältesten
Dynastien sich rindet (abg. Morgan, recherches sur les origines de l'Egypte
II S. 123). In diesem Zusammenhange mag auch auf das Ringgefäss
(ebenda S. 129), und auf Zwillings- und Drillingsgefässe hingewiesen
werden, die wir in ähnlichen Formen unter der troischen Keramik
haben.
l'itx. 31.
Fisr. 32.
2. Oben sich schliessende, bauchige (Jefässe, nach Art der
Kessel, teils kugelbauchig, teils mit Umbruch der Wan-
dung, ebenfalls auf hohen, zylinderförmigen, teilweise
d urchlochten Hohlfüssen.
Pig. 30 aus Lengyel nach Wosinsky a. a. 0. II Tf. 43, 332.
Pig. .".1 aus Szeged in Ungarn (mir der Nummer 75/884). Die Schnur-
ösen unterhalb des Umbruchs sind zapfenförmig nach unten gerichtet.
Bei einem ganz ähnlichen Gefässe aus Szeged (Nr. 78/884) fand ich diese
Zapfen andurchbohrt, also dekorativ geworden, and dieses .Motiv hat sich
bis in die bronzezeitliche Keramik Ungarns erhalten.
Pig. 32 an- Troja in Miniaturform, aber gewiss einem urns>en <;.-
Fässtypus entsprechend (Kat. Nr. 163), den wir An- ältesten Keramik zu-
rechnen dürfen.1)
Fig. 33 aus Phylakopi auf Bielos nach Bosanquet (Annual of the
British School at Athens III L896/97 8. 52fP. Pig. I).
l Vgl. bei Dörpfeld, Troja and Dion S. 248f.
— 656 —
Fig. 34 aus Pelos auf Melos nach Edgar (ebenda S. 35ff. Fig. 15),
letzteres zu dem Grabinventar der Kistengräber, wie sie auch sonst auf
Inseln vorkommen. Diese Keramik von Pelos weist, ebenso wie die
von Phylakopi, zahlreiche, höchst auffallende Parallelen zur troischen
Keramik auf.
Die Aufzählung von anderen Analogien, die sogar das feiner aus-
gebildete Formengefühl der kretisch-mykenischen Töpfer betreffen, unter-
drücke ich vorläufig.
Jedenfalls dürfen wir die beiden erwähnten Gefässformen zu den Be-
weisen hinzufügen, die uns gestatten, die ägäische Kultur mit dem mittel-
Fie. 33.
Fig. 34.
europäischen Hinterlande, im besonderen mit den Donauländern, zu ver-
binden. Mehrfach führten uns diese Verbindungslinien bis nach Kreta
und Ägypten. Wie erklären wir uns aber diese Beziehungen? Als Kultur-
übertragung?
Ich glaube, dass uns die troischen Parallelen zur Annahme berechtigen,
dass die aus Mitteleuropa auswandernden Stämme die genannten Gerät-
und Zierformen in das ägäische Kulturgebiet mitgebracht haben. Welche
Sprache sie gesprochen haben, wissen wir nicht. Aber wir dürfen an-
nehmen, dass im engeren Bereiche der ägäischen Kultur, in dem sich die
sogen, mykenische entwickelt hat, auch thrakische Stämme an dieser
Entwicklung einen wesentlichen Anteil haben.
II. Verhandlungen.
Sitzung vom 1<>. Juli 1!K)4.
Vorsitzender: Hr. Waldeyer.
(1) Die Gesellschaft beklagt den Verlust zweier ihrer ältesten Mit-
glieder, des Professors Giustiniano Nicolucci in Neapel, welcher zu den
besten Anthropologen Italiens gehörte und seit 1871 unser korrespondierendes
Mitglied war, und des Professors Franz Hilgendorf in Berlin, der für die
Verhandlungen der Gesellschaft stets reges Interesse bewiesen und Beiner
Zeit an der anthropologischen Untersuchung des Haares der Japaner
seihst icgen Anteil genommen hatte. Wir werden beiden Männern ein
treues Andenken bewahren. —
(2) Als neue Mitglieder werden gemeldet:
Hr. Privatdozent Dr. U. Stahr und
„ Professor Dr. Breysig in Schmargendorf.
(.')) Hr. Professor Waldeyer ist zum Mitgliede der Akademie der
W issenschaften in Paris und Hr. Professor Robert Bloch zum Mitgliede
der Akademie der Wissenschaften in Berlin erwählt. Beiden Herren sprach
Hr. Lissauer die Glückwünsche der Gesellschaft zu dieser wohlverdienten
Auszeichnung aus. —
(4) Als Delegierte der Gesellschaft zum Amerikanisten-Kongress in
Stuttgart sind die Herren Traeger und Ehrenreich vom Vorstande ge-
wählt worden. —
(5) Der Hr. Dnterriohtsminister hat der Gesellschaft für das Jahr 1904
wiederum einen ZuBchuss von 1500 Mk. gewährt. Der Vorsitzende spricht
auch an dieser Stelle dem Hrn. Minister den Dank der Gesellschaft aus
und zugleich das Bedauern, dass der Vertrag aber das Erscheinen der
„Nachrichten für deutsche Altertumsfunde" wegen Mangels der erforder-
lichen Mittel nicht verlängert werden konnte. —
— 658 —
(6) Der Vorstand hat beschlossen, dem Verband deutscher Vereine
für Volkskunde als Mitglied beizutreten. —
(7) Als Gäste werden begrüsst die Herren Stabsarzt Dr. Assmy-
Oldenburg, als Vortragender des Abends, Justizrat Assmy-Potsdam und
Regierungsrat Dr. Lehmann-Berlin. —
(8) Über die Reise unseres Mitgliedes, Hrn. Dr. Kieszling, der im
Auftrage des Kaiserl. Deutschen archäol. Instituts gegenwärtig den Pelo-
ponnes erforscht, erfahren wir aus Privatbriefen an Hrn. Prof. v. Luschan
Näheres:
Hr. Kieszling hat sich unterwegs in Dalmatien und in Bosnien auf-
gehalten und rühmt besonders die Arbeiten von Prof. Patsch in Mogorello.
Das dortige Castrum entspricht unseren deutschenLimes-Anlagen, ist aber viel
besser erhalten. Direkt an der Narenta gelegen, diente es mit anderen Au-
lagen dazu, die wichtigste Strasse zwischen der dalmatinischen Küste und
dem bosnischen Hinterland zu sichern. Patsch glaubt, dass es Augusteischer
Zeit angehört. Jedenfalls verdienen die dortigen Ausgrabungen in weiteren
Kreisen bekannt zu werden; Dr. Kieszling möchte alle Herren, die aus
mehr oder weniger wissenschaftlichen Gründen nach Bosnien und Dal-
matien reisen, zum Besuche von Mogorello auffordern.
Von grosser Bedeutung sind ebenso die anscheinend bis in mykenische
Zeit hinaufgehenden Ausgrabungen in Nesaktium mit vielen, teilweise
noch rätselhaften Funden. Auch die vom bosnischen Landesmuseum ver-
anstalteten Ausgrabungen in den Pfahlbauten von Dubica an der
Save verdienen besondere Beachtung. Dr. Kieszling rühmt das weit-
gehende Entgegenkommen, das er von Seiten des Museums in Sarajevo
erfahren.
Im Mai ist dann Sparta das Hauptquartier des Reisenden gewesen.
Von da aus hat er eine der unbekanntesten peloponnesischen Land-
schaften, die Tsakonia, und die Halbinsel Malea erforscht. Der
.luni war der Mani (Maina) gewidmet, der „entsetzlichen Marmor-
wüste" zwischen dem messenischen und dem lakonischen Golf, von der
gewöhnliche Reisende eigentlich nur das südlichste Ende, das Cap Matapau
gesehen haben, und auch dieses nur aus der Ferne vom Deck eines Luxus-
dampfers. Dr. K. klagt sehr über die Sonnenglut, Wegelosigkeit und
Unkultur dieser Lanschaft, boffl aber gleichwohl noch einmal dahin zurück-
kehren zu können, um sich ausschliesslich anthropologischen Untersuchungen
zu widmen, die jetzt hinter seinen geographisch-archäologischen Aufgaben
naturgemäss zurückstehen mussten. Es ist klar, dass eine genaue anthro-
pologisch-ethnographische Untersuchung der Mainoten, die sich
selbst mit Stolz -.^^ Nachkommen der alten Spartaner bezeichnen, eine
überaus dankbare und Lohnende Aufgabe sein würde.
Dr. K. aal dann noch in Arkadien und in Elis gearbeitet und denkt
nun aach Arkadien zurückzukehren. —
— 659 —
(!)) Von Hrn. E. Förstemann ist die folgende Abhandlung ein-
gesandt worden:
Liegen die Tonalamatl der Mayahandschrit'ten in bestimmten Jahren?
Den Hauptinhalt der beiden bedeutenderen Mayahandschriften, des
Dresdensis und des Madridensis, bilden unmittelbar aneinander gereihte
Tonalamatl; der kleinere Parisiensis zeigt sie kaum und kann hier wegen
seiner fortgeschritteneren Zerstörung ausser Acht gelassen werden. Diese
heiligen Perioden von je 260 Tagen, die gewiss hauptsächlich zu Prophe-
zeiungen dienten, werden in den Handschriften nach ihrem Anfangstage
und ihren Hauptteileii, Vierteln von 65, Fünfteln von 52 oder Zehnteln
von 2(5 Tagen angegeben und bei dem ersten dieser Hauptteile wird auch
Beine Zerlegung in kleinere Abschnitte bemerkt. Zuweilen werden auch
mehrere Tonalamatl zu einem Ganzen zusammengefasst.
Die 2G0 möglichen Tage werden durch ihre Lage in den dreizehn
Wochentagen and in den zwanzig Tagen des Uinal (sogenannten Monats)
bezeichnet; die Handschriften geben die erstere durch eine rote Zahl, die
/.weite durch die Hieroglyphe des Tages an; ich bezeichne im Folgenden
die erstere durch eiue römische, die letztere durch eine arabische Zahl,
indem ich den Tag kon = 1 setze. So folgen zum Beispiel im Anfange
des Madridensis die Tonalamatl unmittelbar auf einander, welche mit
MIT, 1 12, II 13 usw. beginnen. Im Dresd. XIII IG, XI 7, III 7, XIII 5 usw.
Jeder der 260 Tage kommt in jedem Jahre mindestens einmal vor; liegt
er in einem der ersten 105 Tage des Jahres, so erscheint er nach
260 Tagen in demselben Jahre noch ein zweites Mal. So weisen also die
Anfänge der Tonalamatl zunächst in keiner Weise auf bestimmte Jahre,
und die Alt. wie sie auf einander in den Handschriften folgen, macht zu-
nächst den Bindruck vollkommener Unordnung und "Willkür: und doch
isl daran bei dem ausgebildeten streng mathematischen Sinne der Mayas
nur schwer zu denken. Denn bei einer näheren Betrachtung des Materials
blickt auch eine Absicht deutlich hervor. Ausscheiden von diesem Material
niuss ich aber die wenigen Fälle des Dresdensis und die zahlreicheren
des Madridensis. in denen die ersten Zahlen, also die Wochentage fehlen
und dadurch die Lage der Tonalamatl unbestimmt wird; nach dieser Aus-
scheidung bleiben mir im Madr. 188, im Dresd. im ersten Teile (Seite 1
bis 45) 60 einzelne Tonalamatl übrig; <\^n zweiten Teil des Dresd. muss
ich seines ganz anderen Charakters wegen unberücksichtigt lassen, da er
fast garnichl einzelne Tonalamatl enthält.
Schon der er^te l'dick auf dieses Material zeiut. da>s an einen Zufall
bei der Ansetzung der Tonalamatlanfänge nicht gedacht werden kann.
Denn von den 60 Fällen des Dresd. fallen nicht weniger als 13 auf den
Tag ahau (17), von den INS Fällen des Madr. nicht weniger als 44 auf
denselben Tag. Jene L3 Fälle sind auf die Wochentage anscheinend will-
kürlich verteilt, aber bei den II Fällen des Madr. zeigt sich eine ent-
schiedene Bevorzugung der Tage I 17 und IV 17. von denen jener 8, dieser
sogar -1 Plätze einnimmt, dagegen die übrigen 11 Wochentage zusammen
nur lö. Die Tage 117 und IV 17 haben aber ihre besondere Wichtigkeit,
— 660 —
jener als Anfangspunkt der astronomischen Zeitrechnung, wenn er am
18. Tage des Uinal kayab, dem Tage des Sommersolstitiums im Jahre
III kein liegt, dieser als Anfangspunkt der historischen Chronologie, wenn
er den 8. Tag des Uinal cumku im Jahre IX ix einnimmt, 17 Tage vor
Schluss des Jahres; vgl. zum Beispiel Kommentar zum Dresd. S. 50 und
an andern Stellen. Es werden also die Fälle des Madr. zu untersuchen
sein, ob sie auf diese Lage in den Jahren passen.
Die Stellen, in denen der Tag I 17 die Tonalamatl im Madridensis
beginnt, sind folgende:
1. Bl. 17a (= Cort. 17). 5. Bl. 91c (= Tro. 22*).
2. Bl. 21 d (= Cort. 21). 6. Bl. 98d (= Tro. 15*).
3. Bl. 42b (= Tro. 15). 7. Bl. 99 d (= Tro. 14*).
4. Bl. 49 c (= Tro. 8). 8. Bl. 101a (= Tro. 11*).
Wo die Zeit des Sommersolstitiums gemeint ist, wird namentlich
dessen Symbol, die Schildkröte, zu erwarten sein. Und so finden wir sie
in der Tat schon in der ersten dieser Stellen, in den andern aber fehlt
sie. Allenfalls können noch auf den längsten Tag die in der Hand zweier
Götter gehaltenen Kalenderräder in der zweiten Stelle deuten. In der
dritten könnte etwa die sonst unerklärliche links stehende Zahl 18 auf
den 18. Tag des Uinal kayab hinweisen. In der fünften weist einiges auf
einen besonders gefeierten Tag (s. Kommentar S. 124), doch lässt sich
darüber nichts Näheres bestimmen. So ist also das Ergebnis in bezug
auf den Tag 117 für den Madr. sehr dürftig; es würde reichhaltiger sein,
wenn die Handschrift mehr auf Astronomisches einginge.
Wir haben uns nun den 21 Fällen für den Tag IY 17 zuzuwenden,
es sind folgende:
1. 14a (= Cort. 14). 11. 63a (Cort. 29).
2. 15 a (= Cort. 15). 12. 63b (Cort. 29).
3. 16a (= Cort. 16). 13. 79c (= Tro. 34i:).
4. 19 b (= Cort. 19). 14. 80b— 81b (== Tro. 33* -32*).
5. 23c (= Tro. 34). 15. 83b (= Tro. 30*).
6. 38a (= Tro. 19). 16. 87 b— 88b (= Tro. 26*— 25*).
7. 40a (= Tro. 17). 17. 93c (= Tro. 20*).
8. 51c (= Tro. 6). 18. lOOd (= Tro. 13*).
9. 60b— 61b (Cort. 26—27). 19. 102c (= Tro. 11*).
10. 62b (Cort. 28) 20. 102d (= Tro. 11*).
21. 111c (= Tro. 2*).
Diese Stellen sind nun darauf durchzusehen, ob sich in ihnen etwa
eine Hindeutung auf die grösste Hitze* oder auf die Nähe des Jahres-
wechsels findet, der ja so manche Tätigkeit erforderte, wie das Beschaffen
neuer Götterbilder und neuer Denksäulen, Trinkgelage, neue Festkleidung
usw. Ist das der Fall, so wird die Lage des Tages IV 17 am 8. Tage
de- cumku im Jahre 9ias wahrscheinlicher. Und in der Tat findet sich
Hehreres der Art.
In den Stellen I und 2 sehen wir wirklich (lütter ihre Hände vor
den neuen Denksäulen erheben. Auch könnte dir vierte Hieroglyphe der
— «61 —
ersten Stellt', mit einer .r) versehen and wahrscheinlich «las Jahreszeichen
enthaltend, auf die 5 Dayeyabtage des Jahresschlusses hinweisen; in der
zweiten Stelle aber ist die vorletzte Hieroglyphe der Kopf ohne Unter-
kiefer mit einer drei vorher ti in 1 bedeutet vielleicht drei Pasttage am
Jahresschlüsse. Die dritte Stelle zeigt zwei Götter, die in ihrer Hand
kan und imix, Speise und Trank halten und sich dadurch, wohl für das
kommende Jahr, als gütig darbietende erweisen. Übrigens sind die drei
eisten Stellen drei unmittelbar auf einander folgende mit demselben Tage
beginnende Tonalaiiiatl. In der vierten Stelle linden wir deutlich eine
Darstellung des Jahreslaufes; Näheres im Kommentar S. 32—33 Auch
die Schildkröte als das Zeichen des vor zehn Tagen stattgefundenen
Soinmersolstitiums fehlt hier nicht. Stelle ."> ist wieder eine Hindeutung
auf den nahenden Jahresschluss ; es wird die Farbe für das Malen der
neuen Götterbilder bereitet. Dagegen die mit der 6. Stelle beginnenden,
auf die Jagd bezüglichen Darstellungen lassen für uns noch keinen weiteren
Bezug auf die Jahreszeit entdecken; das gilt auch von den Stellen 7 und 8.
In Stelle 9 trägt eine Gottheit (E oder F) den Kopf des C in einem Sacke
fort, was doch wohl auf die Ersetzung des Gottes des scheidenden Jahres
durch den des kommenden deutet. In Stelle 10 scheinen zwei Götter jeder
ein Bündel Fäden wie zur Herstellung neuer Kleider für das neue Jahr
zu halten (vgl. unten Stelle 10 und 20), in 11 finden wir vier Götter
trinkend; vielleicht deutet das nächste, aber mit dem Tage XI 15 be-
ginnende Tonalamatl der Handschrift auf das neu beginnende Jahr durch
die aus dem Grunde aufsteigenden Schlangen. In den Stellen 12 und 13
linde ich keim- Beziehung auf die Jahreszeit, in 14 wird entschieden auf
die Hitze hingewiesen (Kommentar S. 108), in 15 auf die sommerlichen
Überschwemmungen (S. 109). Stelle 16 scheint eine Art Ballspiel oder
Ahnliches als sommerliche Unterhaltung darzustellen, 17 bietet mir nichts
Passendes dar. Dagegen sehen wir in 18 das Hineinbringen der neuen
Götterbilder in die Häuser zum Jahreswechsel, in 19 und 20 das Weben
oder die Bereitung neuer Kleider (vgl. Stelle 10), dagegen in 21 nichts
auf die Jahreszeit ( lohendes.
Soviel über das Hervorragen des Tages ahau (17) über die andern
üinaltage. Das führt uns auf die Frage, welcher der dreizehn Wochen-
tage in diesen Tonalamatl der so bevorzugte ist. dass darin eine Ansieht
angenommen weiden muss. Und das ist entschieden der Tau- Xlll. denn
im Dresd. beginnt er die Tonalamatl in 11 von den 60, im Madr. in 27
von den 188 Fällen. Auch das stimmt zusammen, dass XIII der letzte
Wochentag war wie ahau der letzte üinaltag dort, wo man nach aztekischer
Weise die zwanzig Tage mit imi.r begann, und während Xlll mit den
andern Tauen \on 1 — 20 nur je einmal bis dreimal ein 'Tonalamatl be-
ginnt, sehen wir es an solcher Stelle im Madr. mit 17 vereint viermal.
im Dresd. wenigstens dreimal.
Nächst Xlll ist der Wochentag I jedenfalls der für den Beginn der
Tonalamatl beliebteste. Das zeigt sich weniger im Dresd. mit 8 unter
'■(> fallen, deutlicher im .Madr. mit 2 1 unter ISN. Im Dresd. übertrifft
ihn ausser Xlll nur noch III in l» Fällen.
— 662 —
Hieran schliesse ich eine scheinbar entgegengesetzte, aber zu dem-
selben Ziele führende Betrachtung. Nicht bloss die Beliebtheit, sondern
auch das Vermeiden eines Tages lässt auf eine Absicht schliessen. Und
das trifft nicht im Madr., wohl aber im Dresd. für die Zahl Neun zu.
Im ersten Teile des Dresd. (Seite 1 — 45) beginnt unter sechzig Tonalamatl
kein einziges mit dem Wochentage IX oder dem Uinaltage eb (9). Wollte
man die Erinnerung an die neun senores de la noche oder lords of the
cycle vermeiden? oder vermied man den Anklang von bolön = 9 an balam
den Jaguar? oder war der Tag eb als Reiniguugstag (aztekisch malinalli)
zu vermeiden?
Dagegen im letzten Abschnitt des Dresd., wo nach dem Kampf der
Gestirne gegeneinander (Blatt 60) entschieden vom Weltuntergang die
Rede ist, wird plötzlich die Neun geradezu vorgezogen. Die zehn Zahlen
in den fünf Schlangen sind alle annähernd das Neunfache von Zahlen,
die der Gegenwart ziemlich nahe liegen und sie alle schliessen sich deutlich
an 109 (= 10 • 9 -4- 1 • 9) ahaukatun (zu 113 880 Tagen) an, wie ich in
meinem Kommentar zum Dresd. Seite 147 und 172 auseinandergesetzt
habe. Und diese Schlangenzahlen mit Ausnahme derer in der ersten
Schlange gehen alle von dem Nullpunkte IX, 1 aus. Dazu kommen die
Anfangstage der Reihen, die auf jenen Blättern eingeschaltet sind; die
eine, mit Abständen von 54 (6 • 9) Tagen, beginnt in IX 11, die zweite,
mit 65 Tagen, in IV 9.
Kehren wir nun wieder zu den Tonalamatl zurück, so können wir
der in der Überschrift angedeuteten Frage etwas näher treten, wenn wir
für einzelne der in den Handschriften vorhandenen Tonalamatl unter-
suchen, ob sich in ihnen nicht Andeutungen finden, in welches Jahr sie
fallen. Vollkommen sicher aber wird sich die Frage wegen der vielen
Hieroglyphen, deren Bedeutung uns noch unbekannt ist, nicht beantworten
lassen. Ich kann mich hier nur auf wenige Fälle des Dresd. be-
schränken.
1. Dresd. 4b — 5 b finden wir ein freilich nicht ganz fehlerlos ge-
zeichnetes Tonalamatl, von ihm aber umgeben ein Bild eines Ungeheuers,
das an die sonst in der mittelamerikanischen Literatur vorkommende
doppelköpfige Schlange erinnert und in dem wir die immer von neuem
sich gebärende Zeit sehen. Da liegt der Gedanke nahe, dass hier ein
Zeitübergang dargestellt werden soll, etwa als nächstliegender der von
einem Jahre in das folgende. Zwei Reihen Hieroglyphen stehen darüber;
die zweite enthält die Zeichen der wichtigsten Götter. Als viertes dieser
Zeichen, das auf den dreizehnten Tag des Tonalamatl zu fallen scheint,
finden wir die Hieroglyphe des von Schell has mit N bezeichneten Gottes,
der den fünf Unglückstagen am Jahresschlüsse vorsteht und dessen Zeichen
deshalb mit der Zahl 5 versehen ist. Nun aber beginnt das Tonalamatl
mit dem Tage XII 11 (ix) und dreizehn Tage darauf liegt der Tag XII 4.
Dieser aber fällt nur im Jahre XIII kan auf den .lahresschluss, den 25. Tag
des Uinal cum/cu, und so wird die Ansicht ziemliche Wahrscheinlichkeit
haben, dass dies Tonalamatl in diesem Jahre beginnt und in das folgende
Jahr I limine hinüberreicht.
— 663 —
2. Ein zweites Beispiel entnehme ich aus Dresd. 12c. Hier beginnt
das Tonalamatl mit dem Tage XIII <S; es zerfällt in vier Viertel von je
65 Tagen, deren erstes in 26 + 26 -|- 13 Tage zerlegt ist. Und zum
zweiten dieser 'Feile sehen wir jenen Gott N wieder, hier vollständig
als kahlköpfiger Alter verzeichnet, darüber auch seine eben erwähnte mit
der Fünf versehene Hieroglyphe. Da denken wir wieder an den Schluss-
tag des Jahres 25, L8 und suchen nun den Anfang des Tonalamatl 26 Tage
früher, haben also als dessen Datum XIII 8; L9, 17. Bestärkt werden wir
darin dadurch, dass hinter der Hieroglyphe des N die der Fruchtgottheit E
folgt, welche öfters gerade mit dem Beginn des neuen Jahres verbunden
ist. Nun aber trifft das Datum XIII 8; 1!>, 17 nur im Jahre \ix ein,
ebenso XIII 14; 25, 18. Da nun ferner in 18, 17 der längste Tag liegt,
so handelt dies Tonalamatl von den abnehmenden Tagen oder der schwächer
werdenden Sonne; und das hier von blossen Punkten statt sonst von einer
Linie umgebene Sonnenzeichen finden wir nicht bloss dreimal mit dem
Zeichen eimi (Tod) verbunden unter den Hieroglyphen, sondern auch
dreimal in der Hand der drei darunter abgebildeten Götter, deren letzter
geradezu der Sonnengott ist. Und die letzte Hieroglyphe ist das Zeichen
cauac, was wohl nicht Zufall ist, denn hier erfolgt der Übergang vom
Jahre I ix in das Jahr II cauac \ vor dem cauac aber sehen wir. hier zum
siebenten Male, wieder das Sonnenzeichen.
Xun erinnern wir uns, dass das Jahr I ix im Aztekischen, wo es als
I acatl an der Spitze der grossen 52 jährigen Perioden steht (obwohl ic
erst der auf acatl folgende Tag ist), eine besondere Bedeutung hat, da es
gewöhnlich einen wichtigen Anfangspunkt bezeichnet. Und auch diese
feierliche Bedeutung scheint im Dresd. hervorgehoben zu sein, denn als
ersten der drei abgebildeten Götter finden wir zwar den alten Gott D.
über seinem Haupte aber den Kopf des B, des wichtigsten Gottes im
ganzen Dresdensis, also die Gestalten der beiden mächtigsten Götter
vereint.
3. Weniger sicher bin ich in einem dritten Falle, zu Dresd. 13 c — 14 c.
Das Tonalamatl beginnt mit dem Tage II 12 und ist in zehnmal 26 Tage
zerlegt; die ersten 26 Tage zerfallen in 7 + 3 + 3 + 13; das Ganze handelt
entschieden von der Begattung, wie die vier Bilder deutlich zeigen. Und
in der Tat scheint mir das Tonalamatl der Mayas nicht bloss eine
hieratische Bedeutung zu haben, sondern auch zugleich als Schwanger-
schaftsperiode zu gelten. Von der zweiten, vierten, fünften und neunten
Hieroglyphe der oberen Zeile, die einander vollkommen gleich sind, ver-
mute ich geradezu, dass sie den geschlechtlichen Umgang bezeichnen.
Meine Annahme ist nun, dass das Tonalamatl mit dem Datum II 12; 18.4
beginnt, dass also an derselben Stelle im 17. l'inal mit dem feierlichen
Tage des Sommersolstitiums das darauffolgende anfängt. Dann muss es
im Jahre IV cauac liegen. Hierzu stimmt es mir, dass Bieben Tage nach
dem Anfange das Datuni IX 19; 5, 5 läge, und dies gerade glaube ich in
der ersten Hieroglyphe au sehen, in der die Zahl Vier, ein manik (fort-
nehmende Hand) und das Zeichen des fünften l'inal vereint sind; das
könnte den fünften Uinal weniger vier Taue, also den fünften Tau
— 664 —
desselben bedeuten. Das stimmt auf den 85. Tag des Jahres, die nächsten
(iruppen auf den 88. und 91. Und gerade an der letzteren Stelle sehen
wir das übliche sogenannte "Windkreuz, welches mehrere Bedeutungen zu
haben scheint, hier vielleicht durch die Vierteilung der Fläche den Ablauf
eines Vierteljahres bezeichnet. Die zweiten 26 Tage aber würden mit
dem Datum II 18; 4, 6 beginnen, vielleicht weist darauf das doppelt vor-
kommende Zeichen imix (18) in den Hieroglyphen.
4. Die vierte Stelle finden wir im Dresd. 35b — 37 b. Sie enthält ein
in 5 • 52 Tage geteiltes Tonalamatl, dessen erste 52 Tage in sieben Teile
zerlegt sind. Ich will diese hersetzen, wie sie die Handschrift ergibt,
die Abstände der einzelnen Zeitpunkte aber in Parenthese schliessen:
114 (11) XII 5 (6) V 11 (9) 120 (4) V4 (7) XII 1 1 (!))
VIII 20 (6).
Es folgt dann als Anfang der zweiten 52 Tage I 6. Ich setze dies
Tonalamatl in das Jahr XIII muluc. Dieses aber ist ein ganz hervor-
ragendes als Schluss einer grossen 52jährigen Periode, die nach aztekischer
Weise mit I ias (s. oben) beginnt. Und dass dieses Jahr auch sonst als
ein besonders wichtiges angesehen wird, zeigt z. B. der Dresd. Blatt 58,
der gerade am Schlüsse seiner bedeutendsten Reihe mit diesem Jahre
rechnet (s. Kommentar zum Dresd. S. 134), ebenso der Madr. Blatt 73
(= Cort. 39), worüber ich im Kommentar zum Madr. S. 96 gesprochen
habe. Liegt aber jenes Tonalamatl im Jahre XIII muluc, so müssen die
oben angegebenen Abschnitte auf folgende Daten fallen:
1) I 14; 10, 1. 2) XII 5; 1, 2. 3) V 11; 7, 2. 4) I 20; 16, 2.
5) V4: 20, 2. 6) XII 11; 7, 3. 7) VIII 20; 16, 3. Dazu käme
8) als Beginn der neuen 52 Tage 16; 2, 4.
Und gerade das erste wie das letzte Datum stimmen gut zu dem, was
die Handschrift darbietet. Denn zu dem ersten sehen wir eine grosse
Schlange, aus deren Rachen der Gott B hervorragt; das aber deutet auf
einen grossen Zeitabschnitt, wie wir z. B. aus den fünf Schlangen am
Ende des Dresd. wissen, hier auf die Grenze zwischen zwei Perioden von
je 18 980 (52-365) Tagen. Und von den vier darüber stehenden Hiero-
glyphen mögen die zweite, dritte und vierte nach gewöhnlicher Weise
schon zur zweiten Unterabteilung gehören, die erste aber, ein niit muluc
(sechster Tag) verbundenes caban (Tag 14) deutet gerade auf den 14. Uinal -
tag, den ich hier annehme, im raw/ttc-Jahre. In der letzten Hieroglyphen-
grnppe aber auf Blatt 37b sehen wir ein kin (Tag) verbunden mit dem
-Zeichen des vierten Uinal zoz, des K'ledermausmonats; es ist also, wie ich
annehme, ein Tag dieses Uinal verllossen und wirklich das Datum 2, 4
erreicht. Und dass hier neue 52 Tage beginnen, darauf scheint auch das
Bild darunter zu weisen, in dem aus einer Schnecke, dem Sinnbilde der
Geburt, eine Kindergestalt geboren wird, auf die vom Gotte B eine
Schlange, 'las Symbol der Zeit, heruntergereichl wird-.
Auch der weitere Verlauf der 52 läge, obwohl noch Manches un-
verständlich ist, passt auf das Jahr XIII muluc. Denn muluc gehört dem
Norden au: der eigentliche Nordgott aber ist C und «lieser ist der Herrscher
— 665 —
des Tages chuen, welcher im Bereiche der muluc-Tage liegt. Die Hiero-
glyphe des C finden wir in der Tat in den Gruppen 5 und 6, Bedenken
aber macht mir die in eine Hieroglyphe der '■'<■ and 7. Gruppe (wie auch
zuweilen an anderen Stellen) eingeschriebene Zahl 8; in der 7. Gruppe
könnte sie auf den Tag VIII, in der 3. vielleicht auf den Tag chuen, den
Tag des C hinweisen, doch liegt mir hier eine feste Behauptung fern.
Ebenso unsicher bin ich in bezug auf die in der 4. und 6. Gruppe be-
gegnende Zusammenstellung kin-akbal; in der vierten liegt allerdings der
Tag akbal (20) vor, doch passt das nicht auf die sechste, wo vielleicht
mit dem akbal der Abschluss des zweiten und der Beginn des dritten
final angedeutet sein könnte. Und so ist hier noch manches Andere
unsicher.
5. Unmittelbar im Anschluss an das Vorige steht die fünfte Stelle,
Dresd. 38b— 41b. Und gerade auf das Jahr I ix, das dem XIII muluc
unmittelbar folgt, passt mir diese Stelle, die übrigens ein doppeltes
Tonalamatl enthält, von dem die Handschrift die ersten 104 Tage genauer
mitteilt mit den Abständen IG, 8, 11, 10, 1, L2, 6, 12, 11, 11, 6. Zu den
in der Handschrift angegebenen Tagen füge ich gleich hier die Lage im
Jahre hinzu, wie ich sie annehme: 1) \ 1 l<i; 7, 14. 2) IX 12; 3, 15.
3) IV 20; 11, 15. 4) II 11; 2, 16. 5) XII 1: 12, 16. 6) XIII 2: 13, 16.
7) XII 11: :», 17. 8) V20; 11, 17. 9) IV 12; 3, 18. 10) 113; 14, 18.
11) XIII 14; 25, 18. 12) VI 20; 6, 1. Hiermit ist meine Besprechung im
Kommentar S. 87 — 89 zu vergleichen, wo ich aber jede Gruppe mit einer
um Eins niedrigeren Zahl bezeichnet habe, da ich jetzt den eigentlichen
Nullpunkt mit einer Eins versehe, dort aber die Eins erst für den Ablauf
der ersten Periode nach dem Nullpunkt verwendet habe. Am wichtigsten
ist mir hier die elfte Gruppe, die erste von Blatt 41, wo ich den letzten
Tag des Jahres, also den Übergang von I ix zu II cauac annehme. Das
hierzu gehörige Bild passt vortrefflich, wieder eine aus der Schnecke ge-
borene Gottheit. Und unter den vier dazu gehörigen Hieroglyphen ist die
dritte wirklich das Zeichen cauac, auf das neue Jahr hinweisend, die erste
aber könnte leicht auf den Jahresschlussgott X gehen, die vierte mit dem
Windkreuz auf das Abschliessen überhaupt. Und ferner stimmt hierzu in
der letzten, zwölften Gruppe der Hinweis auf den ersten l'inal pop in der
ersten Hieroglyphe, die das gewöhnliche Bild einer Matte zeigt, auch die
vierte Hieroglyphe mit ihrem kin-akbal kann auf einen Abschluss deuten.
Die neunte Gruppe aber, die ich auf den Tag 3 cumku setze, enthält in
der dritten Hieroglyphe das Zeichen des Schildkrötenmonats kaijab = 17
mit einer Vier verbunden, und das weist mir auf den vierten Tag. wenn
man den Schlusstag des kayab als den ersten ansieht: und auch das zu-
gehörige Bild hat den Schildkrötenkopf und zeig* eine nach oben und
eine nach unten geriohtetfl Fackel, das Zunehmen und Abnehmen der
Tage um diese Zeit andeutend, denn das Sommersolstitium liegt am
Tage 18. 17. Ferner in der /weiten Gruppe, in welcher mit dem Taue
3,15 der L'inal n^an erreicht wird, erscheint /.war nicht der Vogel inoan.
wohl alter der Geier in Bild und Hieroglyphe, in ersterem schwarz, wie
es dem Totenvogel moan geziemt. Das Übrige bleibt noch fraulich.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahr::. 1904. Heft ."•. |;',
— 666 —
6. Es folgt als sechste Stelle das wiederum sich unmittelbar an-
schliessende Tonalamatl 41b — 43b, das ich in dasselbe Jahr I ix setzen
möchte wie das vorige; es zerfällt in 5 • 52 Tage, deren erste 52 die
Abstände 12, 7, 6, 21, 6 haben. Ich setze es nur 78 ((> • 13) Tage später
als das vorige und nehme folgende Lage im Jahre an:
1) VI 14; 5, 18. 2)V6; 17, 18. 3) XII 13; 24, 18. 4) IV 19; 5,1.
5) XIII 20; 6, 2. 6) VI 6; 12, 2.
Danach geht zwischen der dritten und vierten Gruppe wieder ein
Jahreswechsel vor. Und auf diesen Jahreswechsel bereitet schon das erste
Bild und die dazu gehörigen Hieroglyphen (also die zweite Gruppe) vor.
indem hier aus einem Baume ein neues Götterbild herausgearbeitet wird;
die erste der Hieroglyphen aber enthält das Jahreszeichen, die dritte ist
mit dem Zeichen des Südens versehen, und die kommenden Cawac- Jahre
gehören auch gerade dem Süden an. Die dritte Gruppe, der vorletzte
Tag des Jahres, ist wegen Zerstörung mehrerer Hieroglyphen und Un-
klarheit des Bildes nicht zu verstehen, ebenso die vierte Die fünfte
trifft auf den Tag XIII 20, den letzten Tag eines mit I 1 beginnenden
Tonalamatl und gerade ein kin-akbal steht hier als dritte Hieroglyphe.
Dass es sich hier wesentlich um den Eintritt der Regenzeit handelt,
was zu der Lage im Jahre passt, habe ich in meinem Kommentar S. 90
bis 91 auseinandergesetzt.
7. Die siebente Stelle hebe ich aus Dresd. 40c — 41c heraus; sie steht
unmittelbar unter der vorigen. Die 260 Tage sind hier in 5 • 52 geteilt
und die ersten 52 folgen aufeinander mit den Abständen 10, 10, 10, 10, 3, 9,
also mit möglichst gleichmässiger Einteilung. Den Anfang bildet hier der
Tag I ahau (17) und das lässt gleich den Gedanken aufkommen, dass hier
der wichtigste aller möglichen Tage I 17 gemeint ist, der im Jahre I kan
den 18. Tag des katjab (Uinal 17) bildet, hier mit dem Sommersolstitium
zusammenfällt und als Anfang der astronomischen Rechnung betrachtet
wird. Dies vorausgesetzt, ergeben sich hier für die 52 Tage folgende
Daten :
1) 117; 18, 17. 2) XI 7; 8, 18. 3) VIII 17; 18,18. 4) V7;3, 1.
5)1117; 13, 1. (!) V 20; Hi. 1 und als Anfangspunkt der folgenden
52 Tage 7) I 9; 5, 2.
Die vierte Gruppe (ohne den Nullpunkt die dritte) zeigt durch die
hinzugefügten Gestirnzeichen, dass hier mit einer astronomischen Grund-
lage zu rechnen ist. Ausserdem passt sie auf den Übergang aus dem
Jahre III kan in das Jahr IV muluc, und der Gott l>, mit dem Festmantel
bekleidet und eine Schlange (das neue Jahr?) haltend, spricht auch dafür.
In der vorhergehenden Gruppe erscheint vor der letzten Hieroglyphe die
Zahl I; sollte das auf die nahenden Uayeyabtage deuten, deren gewöhnlieh
fünf angenommen weiden, aber in dem rituellen 364-Jahre wohl nur vier
anzunehmen sind? In der sechsten Gruppe deutet mir die Matte wie
schon oben in der fünften Stelle (Dresd. 38b IM») auf den nun er-
— 66 < —
reichten Uinal pop. Merkwürdig ist mir aucli in Gruppe 7 die Zahl 9
vor der zweiten Hieroglyphe; sie könnte damit zusammenhängen, dass hier
der Tag eb (= 9) erreicht ist.
<S. Endlich führe ich hier als achte die Stelle von Dresd. 42c— I5c,
den Schiusa der ersten Hälfte des Dresd.. afi, über den ich im Kommentar
s. L03 — L05 näher gesprochen habe. Dies Tonalamatl, aus 4 • 65 Tagen
bestehend, ist nicht bloss in dem ersten Viertel, sondern bis ganz zum
Schlüsse ins Einzelne geteilt, und zwar jede • '>•"> Tage in 17 -| 6-8. Es
beginnt mit dein Tage XI 11 20, an welchem 260 von I 1 anfangende Tage
enden würden. Die ersten Ii.") Tage verlaufen in folgender Weise:
1) XIII 20. 2) IV 17. 3) XII ä. 4) VII L3. 5) II 1. 6) \ 9.
7) V 17. 8) XIII :>.
.Mit XIII ."> beginnen also die zweiten (i."> Tage, mit XIII 1<) die dritten,
mit XIII 1.") die vierten uud wieder mit XIII _'<> das folgende Tonalamatl.
Die ersten 65 Tage gehören, wie die Handschrift ergiebt, dem Süden,
die zweiten dem Osten, die dritten dem Norden, die vierten dem Westen
an. Dazu stimmt es, wenn ich annehme, dass hier vom Übergang des
Jahres IX ix in das Jahr X cauac die Rede ist und dass der Beginn des
Tonalamatl in den elften Tag des kayub (11, 17) fällt, dann erreicht die
erste Unterabteilung nach 17 Tagen gerade den Tag IV 17; 8, 18, der die
grösste Hitze anzeigt und im Jahre IX ix den Ausgangspunkt aller
historischen Zeitrechnung bildet. Die fünfte Gruppe (abgesehen vom
Anfang die vierte) erreicht dann den Tag II 1; 7, 1, also deu ersten Uinal
des Jahres X cauac. Bis ich widerlegt werde, nehme ich also das Jahr
IX ix als den Anfang dieses Tonalamatl an, doch weiss ich diese Ansieht
wegen des Mangels darauf hinweisender Hieroglyphen nicht zu stärken.
höchstens dadurch, dass die beiden letzten Stellen auf die Jahre III kan
und IX ix passen, die schon Dresd. 24 als Ausgangspunkte aller Zeit-
rechnung nebeneinander stehen.
Ausser diesen beiden Jahren in der 7. und 8. Stelle habe ich oben
in der 2., 5., »i. das Jahr I ii; in der 4. das vorhergehende Jahr XIII muhic,
in der 1. XIII kan angenommen, die alle zu denken geben; nur IV cauac
in der ziemlich unsicheren :>. Stelle fällt als mehr zufällig auf. Es scheinen
also gewöhnlich wichtige Jahre gewählt zu sein, die den Anfang oder
das Ende grösserer Zeiträume bilden.
Mit diesen acht Stellen muss ich es gegenwärtig genug sein lassen:
mehr zu untersuchen, würde den Kaum zu sehr ausdehnen. Und vollende
an die 188 Tonalamatl des Madridensis darf ich umso weniger gehen, als
der unordentliche Zustand dieser Handschrift sehr ausgedehnte Unter-
suchungen verlangen würde. Möge das Thema also zur Weiterförderung
meinen Mitforsehern empfohlen sein. Gelänge es einst, sämtliche Tonalamatl
in bestimmten Jahren festzulegen und endlich vielleicht eine bestimmte
Reihenfolge unter ihnen aufzuweisen, so wäre damit auch die teilweise
noch recht zweifelhafte Ordnung festgestellt, in der die Handschriften zu
lesen sind, und das wäre ein sehr wichtiger Fortschritt.
13*
— 668 —
(10) Hr. Finn überreichte die folgenden Mitteilungen über
neuere Ausgrabungen in Skandinavien.
1. Fund aus dem älteren Steinalter in Dänemark.
In dem etwas nördlich von Nästved auf Seeland belegenen Torfmoor
— es bedeckt einen Flächeninhalt von 2000 Morgen und ist somit wohl
das grösste auf der Insel — wurde im Juni d. J. beim Torfstechen ein
interessanter Fund gemacht, nämlich eine ziemlich gut erhaltene Land-
gangsbrücke, die auf beiden Seiten mit Steinsetzungen umgeben ist. Das
Vorkommen von zahlreichen Feuersteinsplittern und Abfällen aller Art
lässt erkennen, dass dieselbe aus dem älteren Steinalter herstammt. Da
die Brücke auf dem Sandboden errichtet worden ist, der die Unterlage
für das Moor bildet, so liegt die Annahme ziemlich nahe, dass das Moor
früher ein See gewesen ist und mit dem Meere in Verbindung gestanden
hat. Auf Veranstaltung des Nationalmuseunis wird die Brücke noch im
Juli vollständig ausses-raben und untersucht werden.
-o~ö"
2. Neue Altertumsfunde in Westgotland.
Im vorigen Jahre erhielt das historische Museum in Stockholm zweimal
verschiedene in wissenschaftlicher Hinsicht interessante Altertumsfunde
zugesandt, die auf den Ländereien der Besitzung Finnestorp, Kirchspiel
Larf, Westgotland (in der Nähe des Wetternsees) gemacht worden waren.
In der zweiten Juniwoche d. J. wurde auf Veranlassung der Antiquitäts-
akademie eine vorbereitende Untersuchung des betreffenden Geländes
durch die Kandidaten 0. Frödin und G. Hallström vorgenommen.
Das an Altertümern reiche Gelände besteht aus Anschwemmungen an
der Mündung des Finnestorpsbaches in den Fluss Lidan und umfasst ein
Areal von etwa 300 qm. Hiervon sind jetzt etwa 75 qm vollständig unter-
sucht worden. Dabei wurden grosse Mengen von altertümlichen Sachen
aus Eisen und Bronze, wie Schwerter, Speerspitzen, Riemenschnallen,
Spangen usw., sowie zwei schöne Beschläge aus vergoldetem Silber ge-
funden; ausgebreitet über einen grossen Teil des untersuchten Geländes
kamen ausserdem eine bedeutende Menge von Pferdezähnen vor.
Aus den Untersuchungen ging deutlich hervor, dass die Funde aus
Begräbnissen sich nicht herschreiben, vielmehr sind sie mit den bekannten
Moorfunden zu vergleichen, die bei mehreren Gelegenheiten in Dänemark
gemacht worden sind und wozu man bisher in Schweden eigentlich nichts
entsprechendes gefunden hat. Verschiedene Umstände, wie die zerstreute
Lage der Sachen sowie deren augenscheinlich mit Absicht vernichteter
Zustand deuten hier aber auch an, dass religiöse Motive der Niederlegung
zu Grunde gelegen haben — mit anderen Worten, dass hier ein Opfer-
platz gewesen ist. Auf diese Weise erhält auch die grosse Menge der
Pferdezähne eine recht natürliche Erklärung.
I)i<' Gegenstände dürften aus der Zeit um «las Jahr 400 n. Chr. her-
rttbren.
Die rntersiichungen werden wahrscheinlich im nächsten Sommer fort*
gesetzl werden.
— 669 -
:). Ans Urnen ^räbern auf Alsten bei Stockholm.
Auf «lein Gelände des Gutes Alsten, Bromma-Kirchspiel, in der Nähe
von Stockholm, wurden kürzlich auf Veranlassung der Antiquitätsakademie
in Stockholm von dem Assistenten Dr. E. Eck hoff Untersuchungen auf
einer Stelle vorgenommen, auf welcher man prähistorische Begräbnisplätze
vermutete. Die Untersuchungen waren auch von Erfolg gekrönt, indem
sogleich zwei Begräbnisse gefunden wurden, in denen sich Urnen mit den
Resten von verbrannten Leichen sowie mehrere Nietnägel befanden, die
nach allem zu urteilen, von Booten herrührten. In einer grossen Urne
wurde das seltene Verhältnis konstatiert, dass in derselben eine kleinere
Urne eingesetzt worden war, die Asche und Nietnägel enthielt. Fernei
wurde ein Ohrgehänge aus Bernstein gefunden; dasselbe ist viereckig,
konisch, hat eine Länge von "2 cm und sehr schön erhaltene Ränder, am
schmälsten Ende ist ein Loch gebohrt. Der Fund dürfte aus dem 8. Jahr-
hundert n. Chr. herrühren. Dr. Eckhoff vermeint, dass noch wenigstens
zehn andere Begräbnisstellen vorhanden sind, von denen vielleicht mehrere
aus weit älterer Zeit herstammen möchten.
4. Neue Funde aus dem arktischen Steinalter
in Schwedisch-Xorrland.
Bei der Planierung einer alten Wiese bei Lillsund im Kirchspiel
Ober-Kalix Norrlands Län) wurden im vorigen Jahre drei interessante
Funde aus dem Steinalter der Lappen, dem sogen, arktischen Steinalter.
gemacht, bestehend aus einem kleineren Meissel und zwei 23 cm langen
Steinäxten von einer in der Gegend äusserst ungewöhnlichen Form. Ferner
winde weiter hinab bei dem See Lansjärv bei einem uralten lappischen
Wohnplatze dicht oberhalb des Hofes Karls oder Aminnet ein Hohlmeissel
gefunden. Diese vier Gegenstände sind von dem Jägermeister Hugo
Samcelius in der Absicht erworben worden, dieselben dem historischen
Staatsinuseum zu übergeben, das von ihm schon über zwanzig verschiedene
von diesen seltenen und interessanten Gegenständen erhalten, die sich so
wesentlich von den Steinaltersfunden südlicherer Gegenden unterscheiden.
In der Nähe von Bracke, Kirchspiel Torsby (schwedische Westküste),
wurde kürzlich in einem Torfmoor in einer Tiefe von i> m unter der
Oberfläche ein besonders schön gearbeiteter Angelhaken aus Knochen ge-
funden. Der i;ut erhaltene Angelhaken hat einen Stiel von 7.."> cm Länge,
• He mit Widerhaken versehene Biesnina: ist L5 cm und der Abstand zwischen
der Spitze und dem Stiel beträgt 3 cm. Der Angelhaken stammt jedenfalls
aus dem Steinalter.
5 Das Wikingerschiff v od Tönsberg.
Wie mitgeteilt, sind an dem Steven des bei Tönsberg in der Aus-
grabung befindlichen neuen Wikingerschiffea reiche Bildschnitze-
reien gefunden worden. Wie „Morgenbladet" in Christiania mitgeteilt
wird, sind diese Bildschnitzereien wie bisher am Steven auf jeder Seite
auf zwei breiten Brettern gefunden worden, ebenso wie an einem Teil
der Reeling. Alle können jetzt begreifen, heistil ea in dem Bericht, von
— 670 —
welchem Interesse es ist, dass diese Schnitzereien der Nachwelt in ihrer
ursprünglichen Gestalt erhalten werden, wenn es auf irgend eine Weise
möglich ist. Zeichnungen und Photographien, die, wie wir voraussetzen,
angefertigt werden, sind hier nicht genug; können die Sachen selbst er-
halten werden, dann ist es natürlicherweise weit vorzuziehen. Aber wir
wissen ja, wie es mit den reichen Schnitzereien am Gokstad schiffe ge-
gangen ist; diese waren nicht lange der Einwirkung der Luft ausgesetzt,
bevor sie ganz unkenntlich geworden waren, und so anziehend schön
dieselben waren, als sie an das Tageslicht kamen, ebenso abschreckend
hässlich sind sie nun geworden. — Seit das Gokstadschiff gefunden wurde,
hat jedenfalls die Technik in dieser Hinsicht Fortschritte gemacht. In
der altnordischen Sammlung in Dänemark wird ja z. B. ein hölzerner Axt-
stiel aus dem Steinalter aufbewahrt, der noch ebenso schön aussieht, wie
wenn er gestern gefunden worden wäre. Man sollte doch glauben, dass
es möglich sein müsste, die reichen Schnitzereien an diesem neuen
Wikingerschiff zu konservieren. Man darf nicht vergessen, dass man hier
einen Nationalschatz vor sich hat. Nicht nur unsere Zeit und wir hier
in Norwegen, sondern alle Zeiten und alle zivilisierten Nationen werden
bewundern, was hier gefunden worden ist. Hier muss gefordert werden,
dass alles so gut gemacht wird, wie es überhaupt mit den Hilfsmitteln
der Gegenwart zu tun möglich ist.
Wie vom Ausgrabungsplatze mitgeteilt wird, wird denn auch alles
Holzwerk sogleich wieder mit Erde bedeckt und feucht gehalten; um das
Schiff im heilen Zustande aus dem Kiesenhügel herausschaffen zu können,
müssen nun aber noch viele Tausend Kubikmeter Erde von beiden Seiten
lies Schiffes entfernt werden.
(11) Hr. Professor Gabriel Gustafson, Direktor des Museums in
Christiania, berichtet Näheres an Hrn. Geh. Rat Voss über
das Schiff von Torsberg.
Es wird Ihnen gewiss von Interesse sein, zu erfahren, dass in Norwegen
wieder ein Begräbnis in einem Schiffe aus der Wikingerzeit gefunden ist.
Es wurde im vorigen Herbst in einem grossen Hügel etwa 5 km von der
Stadt Torsberg entdeckt. Im vorigen Monat habe ich die Ausgrabung des
Fundes begonnen, die jedoch grosse Zeit erfordert. Weil das Schiff sehr
tief steht, waren bedeutende Grabungen nötig, um das im Innern des
Schiffes stehende Wasser ableiten zu können. Tch bin nun so weit ge-
kommen. <l;i^s die Länge des Schiffes sich bestimmen lässt, und ungefähr
das Niveau der Reling ringsum erreicht ist. Der nördliche Steven, den
ich als den Hintersteven ansehe, ist schon blossgelegt, und dabei bin ich
überrascht worden, erstens dadurch, dass der obere Teil etwas hervor-
gebeugt ist, und zweitens dadurch, dass der Steven reich ornamentiert ist
durch kräftige Tierornamente im nordischen Stil, auf beiden Seiten in
Relief eingeschnitten. Auch der obere Teil der Reling auf beiden Seiten
i>t ähnlich ornamentiert, gleichwie mehrere Holzstücke, die ich anderswo
im Hügel ausgegraben habe.
— 671 —
Das Schiff ist von Eichenholz, klinkerweise gebaut und von ca. 20 vi
Lange; die grösste Breite kann ich noch nicht genau bestimmen, in jedem
Falle höchstens 5 m. In der Mitte ist eine Grabkammer von Holz gebaut
gewesen, die jedoch schon in alter Zeii leider ausgeraubt und teilweise
zerstört lind noch im vorigen Herbst durch die Grabung des Besitzer-
weiter beschädigt worden ist.
Da ich mitten in der Arbeit nur wenig Zeil habe, bitte ich Sie.
Herr Direktor, mit diesen kurzen Notizen vorläufig sich zu begnügen.
Später werde ich Ihnen gern ausführlichere Aufklärungen geben. Sollte
Ihnen etwas von spezieller Bedeutung sein, oder haben Sie mir gute Rat-
schläge zu erteilen, bitte ich Sie, mir zu schreiben.
Ich wärt; Ihnen auch sehr dankbar für eine Mitteilung über das beste
Mittel, die Holzsachen zu konservieren. Die Schiffsseiten sind, soweit ich
jetzt sehen kann, aus festem Eichenholz und brauchen kaum andere Be-
handlung als Eintränküng mit Teer und Leinöl oder einem ähnlichen Mittel.
Die Sachen aus weichem Holz dagegen sind, wenn sie etwas grösser sind, sehr
schwierig zu behandeln. Wenn ich sie mit Alaun einkoche, muss ich sie
später fleissig mit Leinöl eintränken durch eingebohrte Löcher. I Ja-
Holz wird jedoch durch den Alaun schwer und brüchig, und ich möchte
am liebsten ein Tränkungs mittel haben, «las leichter in das Holz eindringt
und die Holzstücke nicht so schwer macht. Yiele von den Holzsachen
trocknen ohne konservierende Behandlung im Innern ein und werden
dann sehr rissig.
Sie kennen gewiss, Herr Direktor, die neuesten und besten Mittel,
'las alte Holz zu bewahren, und wollen sicherlich mir in dieser Sache
einen guten Rat geben.
(12) Hr. Strauch spricht über
eine Methode farbiger Konservierung frischer Leichenteile für die
Zwecke der somatischen Anthropologie.
Ich erlaube mir, Ihnen hier Resultate einer Konservierungsmethode
zu zeigen, von der ich glaube, dass sie für Sie ein Interesse haben wird.
Teile menschlicher Leichen, einzelne Organe wie Gehirn, Leber,
Lunge. Herz. Nieren, die verschiedenen sogen, „anatomischen Präparate"
werden für gewöhnlich, um sie vor Eintrocknung und Fäulnis zu schützen.
in bestimmten Flüssigkeiten konserviert, wie man sagt ..feucht auf-
gehoben".
Solche Flüssigkeiten waren von Alters her Alkohollösungen, Chloral-
bydratlösungen u. a.
Leider verblassten in diesen Medien die Leichenteile, verloren gänzlich
ihre Farbe und wurden allmählich gleichmässig gelblich-grau.
In neuerer Zeit hat man deshalb sein Hauptaugenmerk bei der Kon-
servierung solcher Präparate darauf gerichtet, dass die natürliche Farbe,
die die Teile bei Entnahme vom Leichnam darboten, später noch, wo-
möglich i'üv immer, erhalten bleibe.
— 672 —
Erinnert sei hierbei an diesbezügliche Studien und Methoden von
Melnikow-Raswedenkow, Jores, Kaiserling, Puppe, Pick u. a.1)
All' diesen gemeinsam ist, dass das Präparat zunächst in eine Formalin-
lösung kommt, wodurch der Blutfarbstoff (das Hämoglobin) in seine saure
Modifikation (saures Hämatin) umgewandelt wird; sodann gelangt das
Präparat noch auf kurze Zeit in Alkohol und dann in besonders starke
alkalische Lösungen (Kai. aceticum, Kochsalz, schwefelsaures Natrium).
Hierdurch wird die anfangs durch das Formalin erzeugte grau-bräun-
liche Farbe des sauren Hamanns in die leuchtend rote, naturähnliche
des alkalischen Hämatins umgewandelt.
Diese Farbe bleibt dann gut erhalten und verleiht den Leichenteilen
dauernd das Aussehen von ganz frischen, wie Sie das an zahlreichen
Präparaten der Vir chow sehen Sammlung im pathologischen Museum
sehen und bewundern können. —
Nun hat der Lehrer der gerichtlichen Medizin in Edinburg, Hr. Harvey
Littlejohn2), versucht und sich bemüht, diese Erhaltung der „natürlichen"
(oder wie wir eben sahen, richtiger gesagt, der „naturähnlichen") Farbe
auch zu erzielen bei Aufbewahrung von Leichenteilen im sogenannten
„trockenen" Zustande („in a dry state").
Solche „trockene" Aufbewahrung beruhte darin, dass man das Präparat,
nachdem es eine Weile in Alkohol gewesen war, in ein luftdicht ver-
schlossenes (flasgefäss brachte, dessen Boden mit einer alkoholgetränkten
Schicht Watte bedeckt ist.
Littlejohn verfuhr nun, um auch dabei die Farbe gut zu erhalten,
in der Weise, dass er die frisch der Leiche entnommenen Organe zuerst
mehr oder weniger genau den erwähnten Methoden von Kaiserling,
Puppe usw. unterwarf und sie sodann in das luftdicht geschlossene Glas-
gefäss brachte, dessen Watteachicht am Boden er mit einer dünnen Formalin-
lösung tränkte.
Die Hauptschwierigkeit, die dabei zu überwinden war, war die, dass
sich an den Wänden des < ilasgefässes, zumal beim Wechsel der Aussen-
temperatur, leicht Kondenswasser — aus der wässrigen Formali nlösung —
niederschlug und dadurch die Organe nicht ordentlich sichtbar wurden.
1) Melnikow-Raswedenkow, Über das Aufbewahren pathologisch-anatomischer
Präparate. Centralbl. f. Pathol. u. patholog. Anatom. Nr. 2, S. 49, L896. — L. Jores, Die
KoiiM-rvierung anatomischer Präparate in Blutt'arbe mittels Formalin. Centralbl. f. Pathol.
u. pathol. Anatom. Nr. 1, S. 134, 1896. — C. Kaiserling, Über die Konservierung von
Sammlungspräparaten mit Erhaltung der natürlichen Farben. Verhdl. d. Berl. Mediz. Ges.
a. d. Jahre 1896, Berlin 1897. — C. Kaiserling, Weitere Mitteilungen über die Herstellung
möglichst naturgetreuer Sarmiihuigspräparate. Virchows Archiv Bd. 147, S. 389, 1897. —
G. Puppe, Über das Prinzip der Konservierung anatomischer Präparate in den ..natürlichen"
Farben mittels Formaldehyd, nebst Bemerkungen über die Verwertbarkeit dieses Mittels
beim forensischen Blutnachweis. Yierteljahrschr. f. gerichtl. Mediz. u. öffentl. Sanitätswesen.
'■'>. Folge, XVII, 2, L898. — C. Kaiserling, Dber Konservierung und Aufstellung patho-
li-anatomischer Präparate für Schau- und Lehrsammlnngen. Verhandl. d. deutschen
Gesellsch. f. Pathol. Dd. II, 8.203, 1900. — L. Pick, über die Methoden anatomische
Präparate naturgetreu zu konservieren. Berl. Klin. Wochenschr. Nr. II u. 12, 1900.
2) Harvey Littlejohn, A new Method of mounting Museum speeimens. The Journal
of Pathology and Bacteriology. Edinburgh and London 1902.
— 673 —
Kr half diesem Übelstande ;ih. indem er die Watteschicht ausser mit
Formal in noch mit etwas reinem (Hycerin tränkte, das ja Wasser beffieriff
aufsaugt.
N ; i < • 1 1 seiner diesbezüglichen Veröffentlichung hielte;, sich die Präparate
in diesem trockenen Zustande wundervoll und halten weder in ihrer Farbe
noch sonstigen charakteristischen Eigenschaften eine merkliche Einbusse
innerhall) von fünf Jahren erlitten.
Ich halie im Institut für Staatsarzneikunde hier diese Littlejohnsche
trockene Methode mit Erhaltung der natürlichen Farbe nachgeprüft und
kann mir sagen, dass unsere Resultate erheblich gegen die der feuchten
Methode zurückgeblieben sind.
Ich könnte Ihnen Herzen. Nieren, Muskeln, vor allem Gehirne zeigen,
feucht und trocken konserviert, und Sie würden keinen Augenblick zögern.
der feuchten Methode den Vorzug ZU gehen.
Nur für Organe des Verdauungstraktus : Speiseröhre. Rachen, Magen,
Darm in den Fällen von Vergiftung mit einer ritzenden Flüssigkeit (z. B.
Karbolsäure), bei denen sich ein fester, trockener Ätzschorf gebilder
hat, ist die trockene Methode der feuchten in der Naturähnlichkeit der
Farbe gleich und durch die grössere Handlichkeit und Leichtigkeit des
1 hunonstrationsobjektes vorzuziehen.
Bei diesen nachprüfenden Versuchen hatte ich auch einmal Gelegenheit
die Präparate eines Falles von Mord durch Stich in den Bauch zu kon-
servieren.
Der Stich drang durch die äusseren Bauchdecken, die Leber, den
Dann, die Bauchspeicheldrüse, die -rosse Bauchschlagader bis in die
Wirbelsäule hinein. Alle Organe dieses Stichkanals wurden dieser trockenen
Konservierungsmethode unterworfen.
Hierbei zeigte sich, dass bei weitem am besten und schönsten das
Stück <\>T äusseren Bauchhaut erhalten blieb.
Die Haut sieht jetzt noch aus wie eine frische Leichenhaut, schön
wachsgelb, zart, mir dem frischer Haut ähnlichen Turgor.
Auch das Fett des Unterhautgewebes erscheint durchaus natürlich.
die Stichwunde hat vollkommen ihre natürliche Farbe und Form bewahrt
\\ orin dieses günstige Verhalten gerade der äusseren Haut bei trockener
Aufbewahrung beruht, ist zur Zeit noch nicht recht klar.
Es hat mich aber veranlasst, in der Folge grössere Hautpartien und
vor allem ganze Körperteile samt ihrer äusseren Hautdecke der Methode
zu unterwerfen.
Die Erfolge sind überraschend gute gewesen, und muss ich mich nur
wundern, warum Littlejohn die Anwendung seiner Methode gerade in
dieser Richtung nicht erwähnt und empfiehlt.
In seiner Abhandlung schlägt er zur Konservierung besonders vor.
die verschiedenen Affektionen des Uterus und der Ovarien bei der Men-
struation, der Schwangerschaft und der Entbindung, Erkrankung der Därme,
Peritonitis, Magenentzündung, Austritt von Blut in verschiedene Gewebe,
extradurale Blutungen u. a. Gehirnerkrankungen.
Ermutigt durch diese Erfolge der Littlejohnschen trockenen und
— 074 —
zugleich farbigen Methode der Konservierung gerade der äusseren Haut
und des Unterhautfettgewebes unternahm ich es, bei einem bisher un-
aufgeklärt gebliebenen Fall von wahrscheinlichem Mord durch Hals-
schnitt — man fand den Kopf der Frau fast vollständig abgetrennt —
diesen ganzen Kopf in toto einmal nach Littlejohn zu konservieren.
Ich schicke voraus: Die gerichtliche Sektion der Leiche fand am '28. Sep-
tember 1903 statt, der Kopf wurde dann nach der Puppeschen Methode
vom 29. September bis 4. November 1903 feucht konserviert gehalten und
vom 8. November 1903 ab in einem grossen viereckigen (Hase „trocken",
d. h. nur auf Watte, die mit Formalin-Glyeerin befeuchtet war, gelegt und
«las Gefäss luftdicht verschlossen.
Ich habe Ihnen dieses Präparat heute hierher geschafft, damit Sie sich
mit mir über die geradezu wundervolle Erhaltung des Kopfes in voll-
kommen natürlicher Farbe und Form freuen können.
Viel schöner und realistischer als jedes Gemälde und jede Wachs-
nachbilduug, präsentiert sich Ihnen hier dieser Kopf der toten Frau. Nicht
nur ist die Form im ganzen absolut natürlich erhalten, auch alle feineren
Nüanzierungen der Farbe, vom graugelblichen der Stirn und der Nasen-
gegend bis zu dem bläulich lividen Farbenton der abhängigen Teile der
Wangen, der Ohren und des Nackens sind sichtbar. Die Gesichtszüge
sind nicht in irgend einer Weise entstellt, verzerrt, geschrumpft oder ver-
zogen; die Lippen, halb geöffnet, verleihen dem Kopf das durchaus natür-
liche Aussehen einer Schlafenden. Beide grossen Schnittwunden, auch
die Einschnitte, die bei der Sektion gemacht werden mussten, alle Ab-
schürfungen und Kratzeffekte sind sichtbar und erhalten geblieben. Das
einzige, was an dem Kopf vielleicht noch störend wirkt, ist, dass zwischen
den halbgeöffneten Lidern der Augapfel, wenn auch die Farbe der Regen-
bogenhaut erhalten ist, etwas geschrumpft und eingezogen erscheint. Auch
dieser Übelstand wird in der Folge verhindert werden können, wenn man
die Methode von Gosse1) anwendet und in den Augapfel Glycerin injiziert.
Ganz besonders wird das Realistische dieses Präparates dadurch er-
zeugt und hervorgerufen, dass bei dieser trockenen Methode sich auch die
Ifaare in vollkommen natürlicher Beschaffenheit präsentieren. Nicht nur
ist am Kopfhaar der Glanz, die Farbe geblieben, sondern auch die Locken,
Haarsträhne und einzelnen Haare sind in natürlicher Wellung und Kräuselung
sichtbar. Das aber, was meiner Ansicht nach das Vorteilhafteste dieser
Methode ist, ist das, dass in diesem „trockenen" Zustande auch das feine
Flaumhaar liier wie im Leben erhalten und erkennbar bleibt, alle schärferen
Konturen sauft ausgleicht und dadurch dem Antlitz die unendlich feine
Modellierung und zarte Plastik der Natur und des Lebens verleiht.
.Meiner Meinung nach wird diese. Ihnen hier gezeigte Kon servier ungs-;
rnefchode für die somatische Anthropologie gewissen Wert und Wichtigkeit
erlangen.
Wir sind dadurch imstande z. I>. ganze Serien von verschiedenfarbigen
Etassenköpfen in ihrer natürlichen Hautfarbe und Form gut zu konservieren
Notes me4ico-legales, Qeneve 1896.
— 675 -
und hätten für Museen damit ein sehr anschauliches und. da alkoholische
Flüssigkeiten fehlen, absolut feuergefahrloses Sammlungsobjekt.
Für den Unterricht der Anthropologie bieten diese Präparate eben
auch durch ihre vorzügliche Farbe, dann aber auch durch die Leichtigkeit
und Handlichkeit einen grossen Vorteil.
Für die Forschung endlieh, besonders auch die vergleichende Forschung
lassen sich auf diese Weise ganz besonders gut allerlei Abnormi täten und
Missbildungen an Fusa und Hand, Tätowierungen, vornehmlich Narben-
tätowierungen der Haut, abnorme IVhaarungen, die künstlichen Verun-
staltungen an Lippen, Nasen und Ohrmuscheln, charakteristische Runzeln
und Faltenbildungen der Haut /.. 15. die Mongolenfalten am Auge, besondere
Färbungen, wie die sogenannten Mongolonflecke am Kumj)f neugeborener
Mongolenkinder und vieles andere dauernd and natürlich in Farbe und
Form aufheben. —
Hr. Waldeyer: Dazu möchte ich bemerken, dass wir ein Ver-
fahren, Leichenteile, die vorher mit konservierenden Flüssigkeiten behandelt
worden sind, nachher in Alkoholdampf aufzubewahren, schon seit langem
in unserem Institut im Gebrauch haben. Wir legen die Präparate nicht
in Flüssigkeiten, sondern so, dass sich am Boden des Gefässes Alkohol
befindet, worüber wir irgend einen aus Holz gefertigen Rahmen setzen,
und darauf legen wir erst die Präparate. Die von Hrn. Strauch be-
schriebene Formal inmetho de leistet allerdings ooch mehr; denn das vor-
gelegte ausserordentlich schöne Präparat übertrifft alles, was ich bisher
sehen habe.
(13) Hr. Meisner spricht über
Danewerk und Hedeby.
Ein Rückblick auf vormittelalterliche Befestigungen.1)
I.
Wie Birka in Schweden, Wisby auf Gothland, Stargard und Alten-
Lübeck im östlichen Holstein und Jumne auf Wollin, hat in neuester
Zeit Hedeby in der Nähe der Stadt Schleswig die Aufmerksamkeit der
Altertumsforscher auf sich gelenkt. Sein Entstehen, Bestehen und Ver-
gehen wird nur im Zusammenhange mit den Resten der alten Befesti-
gungen verständlich, die in der Höhe von Schleswig den Zugang in die
jütische Halbinsel sperrten. Soweit sie noch vorhanden oder durch ältere
Aufzeichnungen bezeugt sind, bestehen diese Befestigungen aus ver-
schiedenen Zeitperioden augehörigen Abschnitten; ihre erste Anlage fällt
in jene Zeit, in der sich Sage und Geschichte die Hand reicht.
Am nördlichen Talrand der Niederung der Rheider-An, eines Neben-
flusses der Treene, die sich in die Eider, ohnweit ihrer Mündung in die
Nordsee, ergiesst, zieht ein einfacher Erdwall von Hollingstedt bis Kurburg^
etwa 6 km laug und 3,5 m hoch, auf eine weite Strecke in die Niederung
heruntersteigend und hier stellenweise auf einer Art hölzernem Pfahlrost
ruhend, seinem Laufe nach im Volksmunde der Krumniwall genannt.
! S. die KartenskUxeu S. 088 690.
— 676 —
Bei Kurburg gabelt sich die Befestiguugslinie. Der südliche Schenkel
des Winkels geht quer über den flachen Landrücken bis an das steile
Ufer des Selker Noores. Er besteht aus einem Erdwall mit südlich davor
gelegenem Graben, daher Kograben, auch Kurgraben genannt, ein Wort,
das ebensowenig wie die Bezeichnung der Ortschaft Kurburg, mit der er
sicherlich in Beziehung steht, gedeutet worden ist. Diese Linie hat eine
Länge von 5 km, die Ausmasse von der Sohle des Grabens bis zur Krone
des Walles betragen an den besterhaltenen Stellen etwa 6 m, in der Mitte
des vorigen Jahrhunderts aber etwa noch das doppelte. Sie wird durch
eine uralte Strasse, deren hohes Alter die zahlreichen Kegelgräber be-
zeugen, die sie einsäumen, und die noch bis zur Entwicklung des Eisen-
bahnnetzes den Hauptverkehrsweg zwischen Süden und Norden bildete,
den sogen. Ochsenweg1), durchbrochen. An dieser Stelle befindet sich
noch südlich vor dem eigentlichen Walle auf eine kurze Strecke eine Art
A'orwerk, der kurze Kograben genannt.
Der nördliche Schenkel des Winkels bildet das eigentliche Dane-
werk und reicht bis zu dem Ufer des jetzt ausgetrockneten Danewerksees.
Er ist etwa 3 km laus; und besteht aus einem älteren Teile, den eine torf-
artige Schicht oder an einzelnen Stellen eine Lage langer gespaltener
Hölzer oder Palisaden begrenzt, und einer späteren Aufschüttung, so dass
er eine Höhe von 11 m erlangt. Er lehnt sich an das von Norden her
abfallende und überhöhende Hügelgelände. Auch ihn durchbricht der
Ochsenweg. Das Tor hat den Namen Wiglesdor oder Isarndor, fälschlich
auch Fifeldor, und in neuerer Zeit Kalegat2) erhalten.
Eingebettet in die neuere Aufschüttung befindet sich im westlichen
Teile des Danewerkes eine Mauer aus Feldsteinen, nach ihrer mutmass-
lichen Erbauerin die Tyra - Mauer genannt, und weiter östlich bis zum
Kalegat hin eine ebensolche Mauer aus Backsteinen, die nach ihrem Er-
bauer die Waldemars-Mauer heisst, beide vor dem ursprünglichen alten
Erdwall. Am Rande des Danewerksees liegt ein ausgeebneter grosser
O O c5
alter Burgplatz, nördlich vom Danewerk, in unmittelbarer Berührung mit
ihm, die Tyra-Burg3), nach der Königin Tyra, die hier ein Schloss gehabt
haben soll.
Am östlichen Ufer des Danewerksees gabelt sich die Befestigung noch
einmal. Der nördliche Schenkel des Winkels läuft 1 km lang bis zum
Talrand der Niederung der Gottorper Wiesen, einer alten Schleibucht, als
einfacher Erdwall, etwa 2 m hoch, mit Andeutung eines Grabens, in der
Richtung des Danewerkes weiter. Er sperrt die Übergänge über den
1) Ochsenweg, weil auf ilim ehedem das magere Viel] aus Jütland, das der Marschen
entbehrt, io die Marschen Schleswigs und Holsteins getrieben wurde, um dann auf den
englischen und Hamburger Markt zu gelangen.
- Wiglesdor und Fifeldor sind nicht erklärt; letzteres soll auch die Eider bedeuten:
Isarndor Eisernes Tor. Alle drei Bezeichnungen sind auch auf das Tor im Kograben
bezogen worden. Kalegai = Kohlengasse, weil die Holzkohle aus dem Westen ehedem
durch dasselbe nach Schleswig gelangte, s. Sach I, 8.51.
3) Tyra Dannebod, die Gemahlin Gorm des Alten, um die Wende des 10. Jahrb.,
an die uoch viele Sagen erinnern. Waldemar der Grosso II f>7 — 1187.
— 677 —
schmalen AbHuss des Danewerkeees un<l über die Niederung selbst auf
dem Wege nach dem nördlichen Talrande. Der südliche Schenkel zieht
in gerader Linie nach Osten als einfacher Erdwall stellenweise mit Graben,
etwa 3 km lang und l /// hoch. Er heisst nach seinen Erbauern der
Haralds- oder der Margareten- Wall1). Im westlicher Teile ist er
dort, wo eine wichtige Zugangsstrasse auf dem Höhenrücken zwischen
Danewerksee und Busdorfer Teich Läuft, durch einen Doppelwall und
Graben und einen nach Norden ausspringenden Wallbogen verstärkt. Im
Osten stösst er auf einen grossen Halbkreiswall.
Dieser Halbkreiswall, die Oleburg, liegt mit seiner offenen Seite
an dem Haddebyer Noor. Seine Ausmasse betragen 450:600m, die von
ihm begrenzte Fläche 28 ha. Der Wall mit Andeutung eines Aussen-
grabens erreicht eine Höhe von 10 m. Im Norden und Süden hat er Tore
iüv eine Strasse, im Westen eine Öffnung für einen dem Haddebyer Noore
quer durch das Innere zustrebenden Wasserlauf. Im südwestlichen Teile
unterbricht ihn eine Lücke von etwa 12 m Länge, die im Volksmunde die
Stormhiill = Sturmlücke heisst. Vor dieser läuft ein niedriger Parallel-
wall. Ältere Handzeichnungen geben ausser diesem noch zwei Wälle an,
die über den Bergrücken; der sich zwischen der Schlei und dem Haddebyer
Noor hinzieht, laufen.2)
Auf der Spitze dieses Bergrückens liegt ein länglicher Ringwall von
etwa 60:250 m Ausdehnung mit Wall und Aussengraben, der die Hoh-
burg oder Markgrafenburg heisst.
Ganz getrennt in einer Entfernung von 10 km finden sich im Osten
zwischen der grossen Breite der Schlei und dem Wiedebyer Noor nördlich
der Niederung des Osterbeks Reste von Erdwerken, die den Namen der
Ost er wall tragen.
Über die Entstehung dieser Werke berichten Sage, Chronik und
Runeninschrift, dass im Jahre 808 der dänische König Godfred3) mit
seinen Rittern und einem Heere zu Schiffe bei Sliestorp d. i. Schleswig
erschienen ist und beschlossen hat, um sein Land gegen die Einfälle der
Deutschen zu schützen: „die Grenze seines Reiches nach Sachsen mit
einem Walle zu schirmen, in der Weise, dass von dem östlichen Meer-
busen, den die Dänen Östersalt nennen, bis zum westlichen Meere, das
ganze nördliche Ufer des Flusses Ägidora, d. i. Eider, entlang, ein Boll-
werk reichte, nur von einem Tore unterbrochen, durch das Wagen und
Reiter heraus und hereinkommen könnten K Im Jahre 810 starb er, und
sein Sohn Gemming schloss mit den Deutschen Frieden. Nichtsdesto-
weniger dauerten die Einfälle der Deutschen in das dänische Gebiet unter
Heinrich I., Otto I. und Otto II. und selbst noch Lothar fort. Von
Otto IL heisst es. dass er 975 nach einem vergeblichen Versuche, sie zu
nehmen, den Grenzgraben und das Tor erstürmte and dann eine Burg
anlegte, die indes gegen Ende des 10. Jahrhunderts von den Dänen er-
1 Harald Blaatand 936—986, Margarete L387 -1412.
2) Juli. Meiers Handzeichnung im Reichsarchiv zu Kopenhagen >. Fortidsmind.
765- 810.
— 678 —
obert und zerstört wurde. Lothar vermochte nicht das verteidigte Werk
zu überwinden und kehrte um.
Im Laufe des 9. Jahrhunderts Hessen sich Vikingerfürsten in der
Nähe von Schleswig nieder, beunruhigten das dänische Gebiet, nahmen es
vorübergehend in Besitz und legten den Handel der Stadt Schleswig lahm,
mitunter im Bündnis mit den Deutschen.1) Mit ihnen kommt der Name
Hedeby in Gebrauch, der gegen Ende des !>. Jahrhunderts den Namen
Schleswig (Sleaswic, Sliesthorp) vollständig verdrängt, bis in der Mitte
des 13. Jahrhunderts beide Orte nebeneinander und im Anfange des
15. Jahrhunderts wieder nur Schleswig in den schriftlichen Urkunden Er-
wähnung finden.2) Erst gegen Ende des 10. .Jahrhunderts wurden die
Yikinger, nachdem ihre Niederlassung vorübergehend im Besitze der
Dänen war, nach vielen blutigen Kämpfen endgültig durch König Sven
Tveskaeg vertrieben.3)
Während dieser Zeit und später hatte das Danewerk durch Tyra und
Waldemar sehr wesentliche Verstärkungen erfahren und, nachdem die
Feste der Yikinger gefallen war, erbaute erst Harald Blaatand, dann
Margarete einen neuen Wall gegen die Deutschen.
Die Reste der alten Befestigungen haben im Laufe der Zeiten eine
«ehr verschiedene Deutung erfahren.
Als Wall Godfreds wird von den einen der Kograben, von den
anderen der alte Wall des Danewerkes angesehen, von beiden aber der
Krumm wall als seine Fortsetzung bis zum westlichen Meere gedeutet.
Der Kograben gilt anderen wieder als ein viel älterer Wall, der schon
vor Godfred zum Schutze des dänischen Kriegshafens in dem Haddebyer
Noore errichtet war, und noch andere meinen, dass er ein jüngeres Werk
der Dänen sei und nur die Bedeutung eines Vorwerkes vor der eigent-
lichen Befestigung, einer Landwehr oder auch nur eines blossen Grenz-
grabens beanspruchen könne. Fälschlicherweise ist er sogar als ein Werk
der Deutschen gegen die Dänen und als ein Kanal angesehen worden,
weil einmal ein dänischer König seine Schiffe aus der Schlei in die Eider
gebracht haben soll, um die Friesen zu bekriegen.*)
Das Danewerk wird von einer Seite als ein Wall gegen die Deutschen
angesehen, der errichtet wurde, nachdem der Kograben infolge der Nieder-
lassung der Vikinger an der Schlei seine Bedeutung verloren hatte.
Die Ringwälle am Haddebyer Noor, an der Schlei und am Dane-
werksee werden als Reste alter Bauernburgen gedeutet5), wie sie auf der
jütischen Halbinsel sehr zahlreich sind; andere erblicken in der Oleburg
die Niederlassung der Wikinger, Hedeby6), in der Höh- oder Markgrafen-
burg die Burg Otto II.7) Während über die übrigen Bauten, die Tyra-
1) Nord. Fortidsmind. 5. 2U8. — Mostorf S. 20. — Sach I, 5. 46.
2 Such [I, 109 u. w.
6 L014.
•1) Barfod S. 100. Schröder 8. L02. JähnB.
5) Haudelmann 8. L — 13. V^l. die Pläne derselben bei diesem und in Fortidsm.
<•> Mostorf S. 31.
7) Handel in an n S. L0.
— 679 —
and <li<' Waldemars-Mauer und «Ich Margaretenwal] im wesentlichen keine
Zweifel bestehen, wird der Osterwall von den einen für eine Landwehr
für «las Land Schwansen. von den anderen aber als eine künstliche Kon-
struktion einiger Gelehrter <\*'± LS. Jahrhunderts angesprochen, die ihn in
den Resten einiger grosser Riesenbetten haben erkennen wollen.1)
Neuere archäologische Untersuchungen, die an der Hand eine- ein-
gehenden Quellenstudiunis und sorgfältiger Messungen und Aufnahmen,
sowie vorzugsweise von Feststellungen der Lauart Acv einzelnen Ab-
schnitte dieses Befestigungssystems angestellt werden sind, haben zu
folgenden Ergebnissen geführt.2)
Der sogenannte Osterwall zwischen dem Windebyer Noor und der
grossen Breite der Schlei und die Wallstrecke zwischen den Gottorper
Wiesen und dem jetzt trocken gelegten Danevverksee und zwischen diesem
und der Treene-Niederung bei öollingstedt stellen die älteste Ibt'e-ti-uim
dar, die im Anfange des 9. Jahrhunderts von dem dänischen Könige Gbd-
fred errichtet worden ist, um das Land gegen die Einfälle der Deutschen
zu schützen. Nur ein einziges Tor — Wieglestor oder Kalegat - bei
dem Dorfe Klein-Dannewerk auf dem alten Ochsenwege gewählte freien
Durchzug. Zur Zeit Thyra Daunebods und Waidemars des Grossen
wurde dieses Werk westlich von diesem Tore bedeutend verstärkt.
Als sich gegen Ende des 9. Jahrhunderts unabhängige kleine Könige
schwedisch-dänischer Herkunft an dem Haddebyer Xoor festgesetzt hatten,
entstand der als Oleburg bezeichnete Halbkreiswall an diesem Noore und
zugleich als eine Art Zitadelle für diese Niederlassung der Ringwall auf
der Spitze des gegen die Haddebyer Kirche ziehenden Bergrückens, der
heute den Namen Hohburg trägt. Um diesen Halbkreiswall am Hadde-
byer Noor läuft im Südwesten in einer Entfernung von etwa 300m eine
zweite, nur als kleine Erhebung sichtbare Befestigungslinie, die als ein
Belagerungswal] des Königs Sven Tveskaeg gedeutet wird. Ausser für
seine Tore und den ihn durchfliessenden "Wasserlauf hat der eigentliche
halbkreisförmige Wall gegen Südwesten noch eine breite Lücke — im
Volksmunde Stormhull genannt — , die eine Art Bresche darzustellen
scheint, durch die sich die Belagerer unter Schutzdächern einen Zugang
gruben. Wiederholte Grabungen bestätigen, dass es sich um einen be-
wohnten Ort gehandelt hat.3)
bin die Mitte des 10. Jahrhunderts erlag diese Niederlassung nach
vielen Kämpfen dem Angriffe der dänischen Könige. In ihr ist das alte
lledoby zu erblicken, dessen Namen und Bedeutung vor (lern empor-
kommenden Schleswig nunmehr verloren Bring. Als sie gefallen war. ver-
band A^v König Harald Blaatand den tlalbkreiswal] mit der alten Be-
festigungslinie des Königs Godfred durch einen Wall von diesem bis zu
dem Danewerksee und bildete so eine neue Wehr gegen Deutschland,
die später noch in ihrem westlichen Teile durch einen Doppelwall \ er-
Markt wurde.
1 1 Sach II B. 107.
2 Nord. Forlidsm., I. Bd. 1890—1903.
3 Mestorf S. 31.
— 680 —
In dem Winkel, den der Wall des Königs Harald Blaatand mit dem
des Königs Godfred östlich vom Dauewerksee bildet, finden sich Spuren
eines seiner Art nach späteren, mittelalterlichen Werkes, das den Zugang
nach (iottorp und Schleswig deckt. Ebenso finden sich dicht westlich
von dem Danewerksee in der Flucht der alten Wallstrecke die Reste
eines geschlossenen Werkes, das als die Burg des deutschen Kaisers
Otto IL gedeutet wird, die nach Einnahme des Danewerkes 975 von
den Deutschen gegen die Dänen errichtet, indes schon um das Ende des
10. Jahrhunderts von diesen erobert und zerstört wurde.
Südlich von diesen Befestigungen geht vom Südende des Selker
Xoores bis nach Kurburg in gerader Richtung ziemlich von Osten nach
Westen ein Wall — das Kowerk oder der Kograben — , der nach der
Zerstörung der Burg Otto IL als eine Laudwehr oder als ein Grenzgraben
angelegt worden ist, indes, als die Eider wieder die alte Grenze wurde,
bald seine Bedeutung verloren hat. Gegen Süden wTar er mit einem
Graben versehen, woraus geschlossen wird, dass er die jüngste aller Be-
festigungen darstellt. Seine Deutung hat bisher die grössten Schwierig-
keiten gemacht und eine weitere Prüfung aller Verhältnisse kann vielleicht
weitere Klarheit bringen.
Nach dieser in Kürze wiedergegebenen Darstellung der Verhältnisse
der Danewerkbefestigung dürfte es der Mühe wert erscheinen, an der
Hand einer Reihe an Ort und Stelle gemachter Beobachtungen mit Hilfe
der Karten eine solche Prüfung auch von einem allgemeineren kriegs-
wissenschaftlichen Standpunkte aus vorzunehmen. Von den Karten sind
vorzugsweise benutzt die Messtischplatten des Preussischen Generalstabes,
1 : "25 000, die eine genaue Darstellung der Höhenschichten und Profile
gestatten, die nach diesen entworfenen Karten 1:100 000, die genaue
Höhenangaben enthalten, und schliesslich die Karten von Geerz, die
besonders auch die alten Verkehrsstrassen und Geländeverhältnisse wieder-
geben.
IL
Das Gelände des Schleswig zufallenden Teiles der jütischen Halbinsel
gliedert sich in einzelne von Süd nach Nord ziehende Abschnitte. Im
Osten längs der meist steil abfallenden Ostseeküste zieht der bergige, oft
durch tiefe Täler unterbrochene, sehr durchschnittene Ostrand, der im
wesentlichen aus Geschiebeton besteht und reich an Wäldern ist. Ihm
gehören der dänische Wohld, die Landschaft Schwansen und der grösste,
östliche Teil von Angeln an. Westlich folgt ihm ein aus Gesohiebesand
gebildeter Höhenzug, auf dem die Wälder schon seltener sind und zahl-
reiche mehr oder weniger eingekesselte Landseen auftreten. Im Osten
reicht er von Flensburg bis weit nach Angeln hinein, tritt dann bis an
die Stadt Schleswig heran, wo er von einer sumpfigen Niederung der
Grottorper Wiesei) unterbrochen wird, und endet in dein zerklüfteten
Gebirg8stock der Hüttener Berge. Der nun folgende mittelste Teil des
Landes bildet eine durchschnittlich 20 km breite Hochebene mit weiten
Haidestrecken. In der Höhe der l)anewerkstellun<r wird sie im Westen
— 681 —
durch die 2 hm breite Treene - Niederung begrenzt, die sie von dem
schmalen, den Abschluss des trockenen Landes bildenden westlichen
Höhenzug — der Geest — trennt, der im allgemeinen, wenn auch weniger
ausgesprochen, den Charakter des östlichen Höhenzuges trägt. Im Westen
und im Süden begrenzen ihn die Marschen, die den Lauf der Eider und
ihrer Nebenflüsse weit in das Land hinein begleiten.1)
In dieses in der allgemeinen Richtung von Süden mich Norden ge-
gliederte Gelände schneidet von Osten her die Niederung der Schlei,
von Westen her die Niederung der R heider Au als ein Ausläufer des
Treene-Tales, jene etwas nördlicher, diese etwas südliche]-, der Art ein,
dass ihre Endpunkte ungefähr in demselben Meridian des Danewerksees
in einer Entfernung von nur 4 hm auseinander zu liegen kommen. 2)
Die Schlei bildet in ihrem westlichen Teile grosse Buchten, von denen
ausser der grossen Breite das von hohen Ufern umgebene Haddebyer
Noor mit seiner Fortsetzung als Selker Noor die bedeutendste ist. In der
Umgebung der. Stadt Schleswig werden ihre Ufer flacher und zum Teil
sumpfig, wie die ganze Niederung der Gottorper Wiesen, die eine Fort-
setzung der Schleiniederung nach Westen hin darstellt. Von Süden her
nimmt sie die Abflüsse des jetzt trocken gelegten Danewerksees und des
Busdorfer Teiches auf, so dass dieser Teil des östlichen Höhenzuges hier in
zwei Abschnitte zerfällt, den einen zwischen Danewerksee und Busdorfer
Teich und den anderen zwischen letzterem und dem Haddebyer und Selker
Noor. An zwei Stellen verengt sich das Tal der Gottorper Wiesen derart,
dass es von dem westlichen Abschnitt aus nach dem westlich und nördlich
gelegenen Höhenrücken hin unschwer zu überschreiten ist, nämlich an
dem zwar tiefen aber schmalen Einschnitt des Abflusses des ehemaligen
Danewerksees und auf der von den Dörfern Gross- und Klein-Danewerk
nach dem Tiergarten führenden Strasse. Der östliche Abschnitt dagegen
endet nach Norden hin mit freiem Rande, indem er einen schmalen Rücken
in der Richtung nach Haddeby zwischen Schlei und Haddebyer Xoor ent-
sendet, dessen Spitze die Reste eines Ringwalles, der Hohburg, trägt.
Etwa 1 hm weiter nach Süden verschmelzen die beiden Abschnitte und
bilden einen etwa 5 km breiten Rücken zwischen dem Selker Xoor imd
dem Tal der Rheider Au, dessen höchster Punkt der Königshügel (42 m)
ist. Nirgends bietet die Schlei einen freien Übergang; an ihren schmälsten
Stellen ist sie immer noch etwa 100m breit.
Das Tal der 1 {heider Au hat eine Breite von 400 — 1200 m\ nasse
Wiesen und Marschen bilden seinen Grund. Sein nördliches Ufer über-
höht «las südliche, abgesehen von einzelnen Bergkuppen, um einige .Meter.
Altere Übergänge finden sich nur bei Hollingstedt auf einem künstlichen
1) Trap, Schröder S. XVI. Generalstab I, S. 64.
2) Die Entfernung der schiffbaren Buchten von einander war so gering, dass Sveu
Erikson 1151 «'inen Teil seiner Schiffe über Land von Schleswig aus in die Eider. d. i.
in deren Nebenflüsse (Treene bezw. Rheider Au) schaffen lassen konnte. Schröder S 'lob
Barfod S. iMT. Schiffbar aber waren alle Gewässer, die den alten Schiffen mit etwa ljwi
Tiefgang zugänglich waren; Schiffe über Land zu befördern. Belbst auf Höhen, war nichts
Ungewöhnliches, vgl. Nicolayscn.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. I'.hm. Heft 5. 1 1
— 682 —
Damme und in dem obersten Laufe der Aue bei Ochsenlager auf dem
alten Ochsenwege. Zwischen diesem und dem Selker Noor ist das Gelände
frei und gangbar. Östlich davon erschwert das bis au die Hütteuer Berge
hinziehende Westermoor den Anmarsch von Südeu, noch weiter östlich
der bis zu 106 m ansteigende, stark zerklüftete Gebirgsstock der Hütteuer
Berge und das nördlich von ihm liegende Esperehmer Moor und schliesslich
weiterhin ein bis zum Windebyer Noor reichendes, durch viele Wasser-
läufe uud Wiesengründe zerschnittenes Hügelgelände.
Es ist nicht anzunehmen, dass diese Verhältnisse in bezug auf die
Wegsamkeit des Geländes jemals besser gewesen sind, besonders auch,
dass die Schlei und das Tal der Rheider Au leichter zu überschreiten
gewesen sind, wie heutigen Tages. Denn von den Hüttener Bergen bis
zur Ostsee hin dehnten sich die grossen Waldflächen des dänischen Wohld,
in dem sich bis Ende des 13. Jahrhunderts keine Ortschaften nachweisen
lassen, und Schwansen war, wie sein Name sagt, einstmals eine Insel.
Die Schlei aber hatte in ihrer Umgebung Wiesenstrecken,, die vor zwei-
hundert Jahren fast stets mit Wasser bedeckt waren, und im Westen lag
anschliesseud an die gegen die Fluten der Nordsee ungeschützten und
daher allen Überschwemmungen ausgesetzten Niederungen der Eider uud
der Treene das Alluvialtal der Rheider Au, das bis Klein-Rheide hin jahr-
hundertelang ein Sumpf war, auf dem nur ein Verkehr auf Schiffen
möglich gewesen sein kann, und Hollingstedt war ein Hafen, in den die
Schiffe aus der Elbe und Nordsee einliefen.1)
III.
Zum Verständnis der Anlage des Danewerkes erscheint ein Rückblick
auf die Art der Kriegsbauten und der Kriegsführung der nordischen Völker
in vormittelalterlicher Zeit erforderlich.
Befestigungen wurden zum Schutze wichtiger Zugänge oder auch
ganzer Geländeabschnitte angelegt. Beherrschende, weitblickende Stellungen,
die zugleich im Rücken durch überhöhendes oder zerschnittenes Gelände
nach einem Verluste der Stellung eine vorteilhafte Verteidigung und
Deckung des Rückzuges gewährten, wurden bevorzugt, zu gleichem Zwecke
auch mehrere befestigte Linien hintereinander angelegt. An Berglehnen
benutzte oder bildete man Terrassen, in der Ebene aber errichtete man
Wälle aus Steinen oder Rasen und, wo beides nicht zu finden war, aus
Erde, die ein ausgehobener Graben hergab. Diesen legte man je nach
der Beschaffenheit des Geländes bald vor bald hinter den Wall, dort, um
den Zugang zu erschweren, hier, um bei ansteigendem Gelände tiefere
Deckung zu schaffen. Durch Anlehnung an ungangbares Gelände sicherte
man die Flanken gegen Umgehungen oder man schuf geschlossene Werke
in Form von Ringwällen. Im allgemeine]] gab man bei der Sperrung
\) Worsaae S. 15ff. Sach 1 S. 48 u. III. Generalstab I 8. 133ff. Schröder S. 422.
Das grosse Ruderbool von 23,5 X 3,3 m der älteren Eisenzeit, das im Nydamer Moor in
einer jetzt zugewachsenen Stelle aufgedeckt wurde, kann nur auf dem Wasserwege dahin
gelangl sein; das Segelschiff von Tune mass 13,5 X 4,3 w, das von Gokstadt war 20wi lang.
— 683 —
vnii wichtigen Zugängen der linearen Form «Ich Vorzug. Sie schloss
zwar jede Flankierung aus, aber, da die Bewaffnung einen langen und
erfolgreichen Fernkampf unmöglich machte, so erschien sie auch über-
flüssig. Aus gleichem Grunde wählte man für die Ringwälle die Gestalt
des Kreises oder des Kreisabschnittes, die ebenfalls keine Flankierung
gestatten. Fast immer aber nahm man darauf Bedacht, durch Lücken in
der Befestigungsanlage, die durch andere Werke gedeckt oder leicht ge-
sperrt werden konnten, bequeme Ausfallstore zu Gegenstössen zu Lassen.1)
Es ist kein zwingender Grund für die Annahme vorhanden, dass die
verschiedenen Arten der Befestigungen, besonders je nachdem sie mit oder
ohne Graben ausgestattet sind, zu verschiedenen Zeiten entstanden sind
und zwar derart, dass die ältere Befestigung die ohne Graben, die jüngere
die mit Graben ist; vielmehr ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Art
der Befestigung von den örtlichen Verhältnissen abhängig gemacht worden
ist. Wo eine Berglehne oder ein Flussufer vorhanden war oder wo sich
geeignete erratische Blöcke vorfanden und hinreichend Rasensoden aus-
gestochen und aufeinander gepackt werden konnten, dort verzichtete man
auf die Aushebung eines Grabens; wo es daran mangelte, war man ge-
zwungen, ihn auszuheben.2)
Fs ist auch nicht anzunehmen, dass man es nicht für notwendig hielt,
bei -der Anlage einer Befestigung auf vorliegende Höhen Bücksicht zu
nehmen, wTeil die Entscheidung der Nahkampf brachte. Denn damals,
wie jetzt, war es sicherlich von grosser Bedeutung, auf weite Ent-
fernungen den Anmarsch des Feindes einzusehen, um an dem Punkte,
gegen welchen der Stoss gerichtet wurde, die Mannschaft zusammenzuziehen,
und zwar damals noch mehr wie heute, wo schliesslich der Kampf Mann
gegen .Mann auszufechten war: denn Anmarsch und Stoss erfolgte damals
mit grossen Heereshaufen.
Im Norden herrschten die Fusstruppen vor, schon deswegen, weil die
Heere oft auf Schiiten befördert werden mussten, ehe sie in den Kampf
traten. Die Laudung hatte geschützte Häfen und geeignete Ankergründe
und die Sicherung gegen feindliche Angriffe zur Bedingung. So ent-
standen die Schiffslager, die durch einen Halbkreiswall gegen das Land
und durch eine Pfahlreihe gegen die See geschützt wurden. Ebenso
sicherten sich die Landheere, wenn sie gezwungen waren, Halt zu machen,
besonders vor befestigten Stellungen, durch die Errichtung von Wagen-
burgen, oder bei längerem Verweilen durch die Anlage von verpali-
sadierten und mit Wällen umgebenen Standlagern gegen feindliche Ober-
fälle. Die Landheere waren ihrer Stärke und ihres Trosses wegen bei
ihrem Vormarsche auf die Benutzung wegsamen Geländes und ihrer Ver-
pflegung wegen auf besiedelte Landschaften, im allgemeinen also auf die
alten Heerstrassen, angewiesen.3)
L) Hellwald B. 131. Bandelmann. Schröder S. L02. Jahns B.28 u. USff.
2j Olaff Trygg. S. 1. 111 schildert das Danewerk sogar als ans Steinen, Rasen und
Holz errichtel und dranssen daran mit einem tiefen Graben versehen; also eine Kombi-
nation von allem. Sach 1 8. IT.
8 Jahns, s. iisti.
41 •
— 684 —
Eine förmliche Belagerung befestigter Stellungen mit Parallelen,
Laufgräben und Sappeu war den nordischen Völkern unbekannt, auch
zwecklos, weil die wenigen Pfeile und Wurfspeere ihrer Ausrüstung nur
geringe Tragweite und Durchschlagskraft hatten, gegen die der Schild
hinreichenden Schutz gewährte. Auch dass sie unter dem Schutze ihrer
Schilde Breschen gruben, ist nirgends bezeugt und bei blossen Erd-
wällen schwierig, wenn nicht unmöglich. Dem Belagerungswall Sven
Tveskaegs vor dem Halbkreiswall am Haddebyer Noor und der Lücke
in dem Stadtwalle wird daher wohl eine aridere Bedeutung zuzusprechen
sein, als die eines Belagerungswalles und einer Bresche.
IV.
Fränkische und nordische Chronisten berichten, dass im Jahre 808
der dänische König Godfred mit einem Heere zu Schiffe vor dem Hafen
Sliesthorp auf der Grenze seines Gebietes gegen Sachsen erschien und,
um sein Land vor den Einfällen der Sachsen zu schützen, beschloss: „Die
Grenze seines Reiches nach Sachsen mit einem Walle zu schirmen, in
der Weise, dass von dem östlichen Meerbusen, den die Dänen Ostersalt
nennen, bis zum westlichen Meere, das ganze nördliche Ufer des Flusses
Aegidora entlang, ein Bollwerk reichte, nur von einem Tor unterbrochen,
durch das Wagen und Reiter heraus und wieder hinein könnten."1) Da er
zu Schiffe kam, so kann er keinen andern Weg eingeschlagen haben, als
den auf der Schlei.
Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, dass in jenen Zeiten für die
Heere der Deutschen der Übergang über die Eider nur bei Rendsburg-
möglich war, da im Westen die breite Eiderniederung und im Osten der
dänische Wohld ein Vordringen hinderte, und dass der Angriff nur auf
dem Höhenrücken des Landes, auf der alten Heerstrasse, Erfolg haben
konnte, so wird man die beste Lösung des Planes Godfreds darin finden
müssen, dass die der Eider zunächst und parallel gelegene günstige Ver-
teidigungsstellung quer über den Höhenrücken und da, wo er am
schmälsten ist und geeignete Anlehnung der Flanken bietet, befestigt
wurde. Aber es war dabei auch auf eine Sicherung der Schlei und der
Ankergründe bei Schleswig Bedacht zu nehmen, da hier die Heere und
die Flotten der Dänen landeten und ankerten. Das erscheint auch schon
darum um so notwendiger, als zu jenen Zeiten die Schiffsbesatzung darauf
angewiesen war, ihre Mahlzeiten am Lande zuzubereiten.2) Wir wissen
nun freilich nicht, wo die dänischen Kriegsschiffe in jener Zeit anzulegen
pflegten, um Truppen zu landen und ihre eigene Verpflegung zu be-
schaffen; wir können aber aus der heutigen Beschaffenheit der Hafen-
verliiiltnisse <\<-v Stadt Schleswig schliessen, dass die unmittelbare Um-
gebung der Stielt ihrer niedrigen und nassen l'fer wegen einem solchen
Unternehmen keineswegs günstig gewesen ist. Es ist daher wohl eher
anzunehmen, dass schon damals die Flotten der Dänen das Haddebyer
Noor zum Ankern und Landen gewählt haben, das, von hohen Ufern um-
1 Nord. Fortidsm., 5. 208. Mestorf, •">. 20. Sach I, S. 46.
2 Nicolaysen, S. 23.
— 685 —
geben, zugleich auch einen besseren Schutz gegen Wind and Wetter ge-
währte. Auf alle Fälle aber war die Schlei und ihr Südufer gegen eines
8t088 eines von Süden her vordringenden Feindes zu sichern, wenn anders
nicht durch eine Sperrung dieser Meeresbucht den Dänen der Rückzug
abgeschnitten und damit der Erfolg aller ihrer späteren 1 1 eereszüge in
Präge gestellt werden sollte. An die Schlei heran konnte ein solcher
Feind nur auf dem zwischen dem Dannewerksee und dem Eaddebyer
und Selker Noor gelegenen Höhenrücken, und diesen galt es daher unter
allen Umständen zu befestigen und zu halten.
Es sei darum gleich hierbei erwähnt, dass der sogenannte Oster wall
zwischen der grossen Breite der Schlei und dem Windebyer Noor für den
von König Godfred erstrebten Zweck nicht in Frage kommen kann.
Denn abgesehen davon, dass die Halbinsel Schwansen zu jener Zeit von
den Juten überhaupt noch nicht und Angeln nur schwach besiedelt war1),
also keines besonderen Schutzes bedurfte, boten die bereits geschilderten
Geländeverhältnisse und der Mangel an Verkehrs- und Lebensmitteln
einem von Süden her vordringenden Heere unüberwindliche Hindernisse.
Auch war sein Rückzug über die Eider von der Danewerkstellung aus
auf das Äusserste bedroht, und ebenso wrar der Verteidiger gefährdet, der,
mit der Schlei im Rücken, nach einem Verluste der Stellung der Ver-
nichtung preisgegeben gewesen wäre, wenn er nicht über hinreichende
Schiffskörper verfügte. Der Übergang über die Schlei bei Missunde war
alter, wie wir aus der Geschichte wissen, an Ort und Stelle besser zu
verteidigen, als durch die vorgeschobene Linie des Osterwalles, wenn er
zu jenen Zeiten überhaupt in Frage kommen konnte.
Bei alledem kann indessen nicht in Abrede gestellt werden, dass die
Anlage einer liet'estigungslinie längs der in das Land hinein schneidenden
Niederungen des Osterbetts und des vom Windebyer Noor heraufziehenden
Wiesengrundes eine gewisse Ähnlichkeit mit dem längs der Rheider Au
hinziehenden kruinmwall hat; denn hier wie dort ist ein erhöhtes Ufer
hinter einem Plusslaufe durch einen Wall gekrönt. Aber weder in Sage
noch in Geschichte hat der Osterwall jemals eine Rolle gespielt, so dass
mau füglich zweifeln kann, ob die spärlichen Reste des Walles überhaupt
als die Überbleibsel einer befestigten Stellung zu deuten sind.2) Vielleicht
auch hat i\i'V Wall, ebenso wie der westliche Teil des Danewerkes an der
Rheider An. der Abwehr eines zur See vom Windebyer Noor her vor-
dringenden Feindes, dann ahm- wohl wahrscheinlich wendischer Herkunft3).
gedient. Jedenfalls aber wird man nicht behaupten können, dass eine
Befestigung, die. abgesehen durch die Lücke des Danewerksees, noch
durch eine Lücke Mm etwa 15 km Länge zwischen Gottorper Wiesen und
Osterbek unterbrochen wird, mit einem Plane, das ganze Ufer der Eider
ein lang ein Bollwerk, nur von einem Tore unterbrochen, zu errichten, in
Einklang zu bringen ist.
i S ach II, 16.
2 Sach II. L01. Aiun.
3) ^ indebv ist gedeutet als Wendendorf.
— 680 —
Ebenso aber konnte auch der westliche Übergang bei Holliugstedt
für einen von Süden her vordringenden Feind nicht in Frage kommen;
denn die Strasse über die Geestinseln der Landschaft Stapelholm wäre
dazumal für die Heere der Deutschen wegen der Unüberschreitbarkeit
der Eiderniederung sicherlich nicht gangbar und darum ein höchst gefähr-
licher Flankenmarsch vor einer befestigten Stellung durch die Moorgründe
der Rheider Au von Kropp her notwendig gewesen, um an den an und
für sich schon schwierigen, füglich nur aus einem Damme bestehenden
und leicht zu verteidigenden Übergang zu gelangen.
Um den Zweck zu erreichen, den König Godfred erstrebte, war
daher nur eine Sperrung des Landrückens durch eine Befestigung zu
berücksichtigen, auf dem ja auch in der Tat bis in die neueste Zeit
hinein die Hauptstösse der von Süden her vordringenden Feinde er-
folgt sind.
Dazu wäre zunächst eine Befestigung des Abschnittes der Sorge ins
Auge zu fassen gewesen. Indessen, abgesehen davon, dass zu jenen
Zeiten die Grenzverhältnisse in jener Gegend noch sehr unbestimmt
waren, beherrschte die Stellung nicht überall das an manchen Stellen
höhere südlichere Ufer der Sorge und hatte im Rücken die weite Hoch-
fläche von Kropp, die erst 10 km weiter nördlich etwa in der Höhe von
Jagel in ein zerschnittenes Gelände übergeht, das bei einem Rückzuge
die erforderliche Deckung hätte abgeben können. Obschon sich an der
Sorge einige Reste von Schanzen finden, deren Anlage im nordischen
Kriege erfolgt sein soll, so haben hier doch niemals Kämpfe um derartige
Befestigungen stattgefunden; vielmehr ist die Verteidigung gegen die von
Süden eindringenden Feinde von jeher bis auf die neueste Zeit in den
nächsten, weiter nördlich gelegenen, durch seine natürliche Beschaffenheit
besonders geeigneten Abschnitt verlegt worden.
Dieser Abschnitt wird durch die Linie zwischen dem Selker Xoor
und dem oberen Laufe der Rheider Aue gebildet, der der Kograben folgt.
Ihre Länge beträgt nur 5 km; sie beherrscht, wie die auf Grund der
.Messtischplatten entworfenen Profilzeichnungen ergeben, das Vorgelände,
bis auf einige einzelne unbedeutende Bergkuppen vollständig. Im Rücken
hat sie das zerklüftete Gelände des östlichen Höhenzuges mit den ansehn-
lichen und weitblickenden Erhebungen des Königshügels (44 m) und der
Höhen von Gross- und Klein-Dannewerk (35 u. 40 m), von denen aus
das Gelände mit der alten Beerstrasse des Ochsenweges bis Husby hin
noch weiter (50 m) ansteigt, [hre linke Flanke lehnt sich mit steil ab-
Btürzendem Ufer an das 600 vn breite Selker Noor, das durch eine 100 m
breite Enge mit dem Haddebyer Noor und damit mit der Schlei in Ver-
bindung steht. Sie ist somit gegen eine Umgehung hinreichend gesichert,
die nur auf dem grossen Umwege um das Westermoor oder durch einen
Plankenmarsch unmittelbar vor der Stellung erfolgen konnte und schliess-
lich vor der vnii allen Seiten eingesehenen und \mi dem hohen Ufer aus
leicht zu sichernder Knge Malt machen musste und wohl darum auch bis
auf die Kriege der neuesten Zeit niemals versucht worden ist. Die rechte
Planke stützt sich auf die Niederung <\^-r Kheider Au bei Kurburg, die
— 687 —
sie etwa 500//« südlich vor sich lässt. Ehre Spuren verlieren sicli hier in
freiem Felde, jedoch unter Anlehnung an einen von dem Tal der Rheider
Aue nach Norden ziehenden Moorgrund, jenseits dessen der westliche
Teil dos Werkes beginnt, der in seinem ursprünglichen Zustande als die
Ergänzung des ganzen Werkes zu deuten ist. das, dem Entschlüsse
Godfreds gemäss, bis zum westlichen .Meere reichen sollte. Au- diesen
Verhältnissen lässt sich der Schluss nicht rechtfertigen, dass der Wert
des Kograbens als Verteidigungswerk nur gering und seine Bedeutung
nur die eines passageren Vorwerkes oder eines (irenzurabens sein könne;
wäre es doch schon notwendig gewesen, um diese freie Flanke zu um-
gehen, zwischen der Verteidigungslinie und der Rheider Aue vor-
zustossen, um füglich an dem vorerwähnten Moorgrund Halt zu machen.
Allerdings was mit Errichtung und später noch mit der Erhöhung
und Verstärkung des westlichen Teiles der befestigten Linie erreicht
werden sollte, ist nicht ohne weiteres klar. Denn gegen einen von Süden
oder auch von Westen über die Treeno vordringenden Feind hätte eine
Anlage von Einzelwerken bei Hollingstedt genügt, wie sie später auch
ausgeführt worden ist. Es bleibt daher nur übrig, anzunehmen, dass hier
ein zu Schiffe vordringender Feind abgewehrt und die wichtige, am Nbrd-
afer der Rheider Au laufende Verkehrs- und alte Handelsstrasse zwischen
Ilollino-stedt und Schleswig eredekt werden sollte.
Dafür spricht, dass bereits vor Anlage dieses Werkes zwischen
(iodfred und Karl dem Grossen im Jahre 804 ein Friede zu Holling-
stedt geschlossen worden ist1), wohin die deutschen Bevollmächtigten
damals kaum anders als zu Schiffe gelangt sein können und dass sich
später einmal die Deutschen, die den Widerstand der dänischen Be-
tätigung nicht überwinden konnten, auf ihre Schiffe zurückgezogen
halten, auf denen sie doch nur im Bündnis mit den Friesen durch die
Eider in die Treene und die Rheider Aue vordringen konnten. '
Schliesslich vermag diese Annahme vielleicht auch zu erklären, dass der
Krummwall auf eine weite Strecke hin in die sumpfige Niederung herab-
steigt und stellenweise auf einen Pfahlrost ruht; denn einem über die
Niederung zu Lande vordringenden Feinde wäre auch durch eine Be-
festigung der nördlich gelegenen Höhen zu begegnen gewesen, während
der näher an den eigentlichen Flusslauf herantretende Wall ein Ausbooten
an geeigneten Landungsstellen verhindern konnte.
Ausser den bereits geschilderten Vorteilen hatte die Befestigung der
Koffrabenlinie auch noch den Vorzug, dass sie der alten und natürlichen
Grenze des dänischen Gebietes folgte, die wir nicht an der Schlei, sondern
an der Eider zu suchen haben. Sie deckte schliesslich auch die Stadt
Schleswig und die Ankergründe der dänischen Flotte in der Schlei und
entsprach somit in allem dem Plane Godfreds und der Sicherung de-
Landes am vollkommensten.
1) Bavfonl, S. 100. Auch die viel besprochenen Verhandlungen zu Beidenfleth au
der Stör 909 werden dadurch verstandlich, wenn mau den Wasserweg in Betracht sieht,
2 Worsaae, S. 35, der Bich auf die Oluf Trygvesöns-Saga stützt, in der es
auch heisst: Die Deutschen wurden in Wasser und zu Laude geschlagen.
nach der Karle
de? preu.s$:GeneraL<lal>e3
1 :£5O0O.
— 691 -
Wenn man den Krummwall als einen Teil des Godfredswall hinzu-
zieht, so widerspricht die Anlage aucli der vielfach vertretenen Ansicht,
dass das Werk ans zwei Teilen bestanden haben nmss, insofern nicht,
als der eine Teil mit künstlichem Graben quer über den Höhenrücken
zieht, der andere aber, die Niederung der Rheider Au als natürlichen
Graben benutzend, nur aus einem Walle besteht, dieser einem Angriff zu
Wasser, jener einem zu Lande die Spitze bietend.
Man hat nun dagegen geltend gemacht, dass, da der Sohn Godfreds
bereits im Jahre 810 einen Frieden schloss, das Werk überflüssig geworden
wäre und in der kurzen Zeit von zwei Jahren nicht hätte vollendet werden
können. Aber abgesehen davon, dass dieser Einwurf auch jede andere
Linie, so auch das Danewerk, treffen würde, ist es niemals etwas Un-
gewöhnliches gewesen, grade den Frieden zur ungestörten Ausführung
von Schutzwehren für das Land gegen Einfälle der Feinde zu benützen,
die ja tatsächlich auch hier trotz des Friedens wiederholt stattgefunden
haben, und die Arbeit keineswegs als eine so gewaltige zu erachten, dass
das Ausheben eines Walles in dem leichten Boden des Höhenrückens
nicht in Wochen oder Monaten hätte zu Ende geführt werden können1).
Auch als so minderwertig kann das Werk nicht erachtet werden; denn
1842 war der teilweise schon zugewachsene Graben noch 6' tief und der
Wall von der Grabensohle bis zur Krone noch 10 1/2' hoch, an einzelnen
Stellen sogar 10—12' tief und 16—20' hoch2). Auch hatte man nach
altem Brauche die Stellung an der gangbarsten in der Niederung am
Ochsenwege gelegenen Stelle noch durch einen zweiten, 230 — 2.J0 m süd-
lich vor dem eigentlichen Kograben gelegenen Wall mit Graben, den
kurzen Kograben, verstärkt, von dem sich noch Reste haben nachweisen
lassen.
Wenn endlich noch hervorgehoben wird, dass es auffällt, dass der
Wall Godfreds bei den nordischen und fränkischen Chronisten bis
Otto II. nicht erwähnt wird, und darum bis zu jener Zeit wohl nicht
vorhanden gewesen sein könne, so würde dieser Einwand ebenfalls jede
andere Linie treffen. Es ist aber zu bedenken, dass eine so ausgedehnte
Befestigung nicht immer besetzt oder aufgegeben sein und darum ohne
Widerstand genommen werden konnte, wenn die deutschen Truppen zur
rechten Zeit zur Stelle waren.
Sehr viel weniger, wenn überhaupt, entspricht in Anlehnung an den
längs der Rheider Aue laufenden Wall die Wallstrecke von Kurburg über
den alten Danewerksee nach den Gottorper Wiesen dem Entschlüsse
Godfreds. Er beherrscht zwar den Ochsenweg und die Übergänge über
1) Fortidsm. S. 224. Bei 6 m Grundlinie and :'>,."> m Höhe betrug der Querschnitt
des Walles 10,5 gm. Der Kograben ist 6500 m lang: die zu bewegende Erdmasse beträgt
rund 65000 cbm. Bin Mann schafft durch einfache Spatenarbeit in einer Stunde 0,70 cbm
fort. 1000 Mann bei zehnstündiger Tagesarbeit also Tonn,/);,,. Damit wäre der Graben
in rund zehn Tagen ausgehoben: die ganze Streck,' bis Hollingstedt aber in etwa drei
Wochen.
2 Fortidsm. S. 274. - Schröder, S. Im'.
— 692 —
die Gottorper Wiesen und den Abfluss des Danewerksees; aber er gibt
das ganze Vorgelände mit den beherrschenden Höhen des Königshügels
und um , Gross-Danewerk ■ preis und gestattet dem Feinde ungehindert
bis [in die innerste Bucht der Schlei und besonders über den nach
Haddeby streifenden Höhenzug bis an die Einfahrt in das Haddebyer
Noor, also bis zu den mutmasslichen Anlegestellen der dänischen Flotten,
vorzudringen. j:Denn die Insel in dem Burgsee trug zu jener Zeit noch
nicht die Feste Gottorf und der Ringwall auf der Hochburg krönte
damals noch nicht jene Höhe und lag, wenn er selbst als ein älteres
Einzelwerk gedeutet werden könnte1), der eigentlichen Befestigungslinie
zu fern, als dass unter den damaligen Verhältnissen bei dem schwierigen
Gelände in der Niederung des Bustorfer Teiches auf eine gegenseitige
wirksame Unterstützung gerechnet werden konnte, ohne die er für sich
wegen seines geringen Umfanges und darum schwachen Besetzung schwer-
lich hätte einen erfolgreichen Widerstand leisten können. Dazu kommt
noch, dass von einer derartigen Befestigung nicht behauptet werden kann,
dass sie, dem Entschlüsse Godfreds entspricht, dem nördlichen Ufer der
Eider entlang einen Wall aufzuführen, von deren Laufe sie sich noch
weiter entfernt, als der Kograben.
Erwägt man schliesslich noch, dass der alte Wall lange Zeit hindurch
als die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark bezeichnet wird2),
so kann man sich nicht recht vorstellen, welche Bedingungen gegeben
waren, die Grenzlinie so weit bis in die unmittelbare JNahe der Stadt
Schleswig zurückzubiegen und die Schlei mit ihren Buchten als den
gegebenen Ankerplatz der dänischen Flotten so gut wie aufzugeben.
Tatsächlich wird ja auch in allen Verträgen und Verhandlungen des
9. Jahrhunderts zwischen Deutschen und Dänen nicht die Schlei, sondern
die Eider als Grenze bezeichnet und selbst das lange Zeit herrschaftlich
unbestimmte Grenzgebiet der Fraezlaet, d. i. die Gegend um Kropp und
Hütten, umfasste an dieser Stelle nur die spätere Kropper Harde, deren
Gebiet nicht bis an die Schlei reichte, sondern bis auf neuere Zeiten
sogar durch den Kograben begrenzt wurde.
Auffällig ist schliesslich noch, dass von den ältesten Zeiten an auf
Karten und in Beschreibungen sowohl von deutscher wie von dänischer
Seite das Werk vielfach als ein Graben (Gröfft) gezeichnet und bezeichnet
wird8), der bekanntlich der Wallstrecke zwischen Kurburg und den
Gottorper Wiesen, ebenso wie dem Osterwall und der Wallstrecke längs
der Rheider Au, fehlt. Man wird daher diese Anlage auf eine andere
Zeit zurückführen und als für andere Zwecke bestimmt ansprechen müssen.
Iiii diese Verhältnisse Daher zu bestimmen, erscheint es notwendig,
einen Blick auf den 1 [albkreiswall an dem Haddebyer Noor zu werfen,
l , Eandel mann, S. T.
2) Sacli I. 15.
ich I, 17. 50. Barfod, 100. ins.
— 693 —
von dem anzunehmen ist, dass es wegen seines grossen ümfaBges nicht
eine blosse Bauernburg, wie sie in Schleswig sehr häufig zu finden sind !),
sondern die Befestigung einer grösseren Niederlassung darstellt, die, zu-
nächst wohl als Schiil'slager angelegt, allmählich eine grössere Bedeutung
als Sitz kleiner Berrscher erlangt hat, die den dänischen Königen den
Besitz der Sehlei und der an sie angrenzenden Landschaft streitig machten.
Es ist auch fernerhin anzunehmen, dass die Befestigung auf dem gegen
die Kirche von Haddeby auslaufenden Höhenrücken, der Ringwal] der
Hochburg, mit diesem Halbkreiswal] in Beziehung gestanden hat. Denn
überall, wo sich aus jenen Zeiten eine grössere Niederlassung mit mehr
städtischem Charakter erhalten hat, finden wir befestigte Residenzen der
jeweiligen Machthaber in ihrer Nähe und ohne diese die Einfahrt in den
Hafen des lladdebyer Moors beherrschende Zitadelle ist die Nieder-
lassung nicht denkbar2). Und nur als solche kann dieser Ringwall ge-
deutet werden. Denn in seiner ganzen länglich viereckigen Gestalt und
seine durch eine Art Vorwerk nach Art der alten Burgen vervoll-
kommneten Anlage unterscheidet er sich recht wesentlich von einer alten
Bauernburg, für die er angesprochen worden ist, und ebensowenig kann
er, vom militärischen Standpunkte aus betrachtet, als die Burg Kaiser
Ottos II. überhaupt in Frage kommen, die, wenn sie einen Schutz gegen
N'unleii gewähren sollte, nur in der Nähe der Hauptverkehrsstrasse, des
alten Ochsenweges, den sie beherrschen musste, also sehr richtig an der
Stelle der Tyraburg, angelegt werden konnte.
Dazu kommt noch, dass dieser Ringwall nach einer alten Hand-
zeichnung8) in das ganze System von Befestigungen um die Niederlassung
am Eaddebyer Noore einbezogen erscheint. Etwa '200 m vor und parallel
dem Halbkreiswall beginnt auf den vorliegenden Höhen nördlich von dem
Dorfe Wedelspang in Anlehnung an den Hauptwall eine zweite Wallinie,
die dann längs des Weges nach Bustorf bis zu dem kleinen durch den
Halbkreiswall zum Haddebyer Moore fliessenden Bache verläuft, um hier
wieder nach dem Hauptwalle umzubiegen und dem Bachlaufe noch
ein Stück zu folgen. Die heute noch vorhandenen Reste dieser Linie
entsprechen dem als Belagerungswall des Königs Sven Tveskaeg ge-
dachten Erdwerken. Nach alle dem, was wir von alter Befestigungskunst
wissen, werden sie aber als die Überbleibsel eines grossen Ravelins auf-
zufassen sein, das das dahinter gelegene, als Stormhull bezeichnete Aus-
fallstor in dem Hauptwalle gedeckt hat. Denn, wie bereits erwähnt.
eine Bresche durch einen so mächtigen, besetzten Wall zu graben, dürfte
ausserordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich sein und der (Jepflogen-
heit der Alten nicht entsprechen, die selbst mit künstlichen Mitteln die
Wälle zu ersteigen und auf diese Art zu erstürmen pflegten. Ebenso ist
ein Belagerungswall mit offenen Flanken in der Parallele nicht zu er-
kennen, da sich die Belagerer durch geschlossene Lager schützten, wie
1) Hand ''Im an n, S. ;'..
2) Fortiilsinin.l. r. 8.239. Mestorf, 8.21.
3) Forüdsminder, 8. 280.
— 694 —
noch sehr viel später ein dänischer König bei der Belagerung' der Festung
Gottorf, der auf dem Hesterberge eine Wagenburg errichtete.
Nördlich von dem Bache setzt sich eine zweite Befestigungslinie über
den Höhenrücken nach der Schleiniederung fort. Ihr folgt in einem
Abstände von etwa 200 m östlich eine weitere Wallsperre des Höhen-
rückens, so dass der Zugang zu der Burg oder Zitadelle auf diesem
Höhenrücken doppelt gedeckt und ihre Verbindung mit dem Halbkreis-
walle ebenfalls durch eine doppelte Linie gesichert ist.
Im ganzen betrachtet, bietet die ganze Niederlassung das Bild einer
geradezu musterhaften Anlage. An einem hochumuferten Hafen, dessen
Einfahrt noch durch Pfahlwerk geschützt war, im Osten durch ungang-
bares Gelände gedeckt, zieht sich der alte Lagerplatz, wo das westliche
hohe Ufer einer sanft ansteigenden, von einem, den Wasserbedarf
deckenden Bache durchflossenen Niederung Raum gibt, bis zu den vor
ihr liegenden Höhen hinauf, die mit doppelten Wällen gekrönt sind und
nach der Einfahrt in den Hafen hin einen Ringwall tragen.
Es ist nicht anzunehmen, dass die Dänen, so lange sie im un-
bestrittenen Besitz der Schlei waren, also vor der Niederlassung der
Yikinger, Veranlassung hatten, ihre Kriegshafen im und ihr Schiffslager
am Haddebyer Noor besonders stark zu befestigen. Man wird daher mit
Recht die Entstehung dieser Befestigungen auf die Niederlassung der
Vikinger beziehen können.
Es ist auch einleuchtend, dass, wenn mit dem Auftreten dieser Feinde
der Dänen der Name Hedeby neben Schleswig erscheint und wenn wir
heute noch eine Ortschaft mit sehr alter Kirche, die auch dem Noor den
Namen gegeben hat, mit sehr ähnlich klingendem Namen vorfinden, das
alte Hedeby der alte Halbkreiswall, die Oleburg, ist.
Dagegen hat man eingewendet, Hedeby und Haddeby zwei ver-
schiedene Orte sein müssten *), weil Hedeby das Dorf an der Heide be-
deutet und die Heide hier nicht so nahe herantritt, dass der Name
gerechtfertigt erscheinen könnte, und weil der Name lange Jahrhunderte
hindurch einzig und allein für die Stadt Schleswig in Gebrauch gewesen
wäre. Man hat daher das alte Hedeby auf das Nordufer der Schlei in
die unmittelbare Nähe der Stadt Schleswig, auf den sogenannten Holm,
verwiesen, an welcher Stelle früher auch die Heide ziemlich dicht an die
Stadt herangetreten ist. Indessen abgesehen davon, dass hier die Hafen-
verhältnisse wegen der flachen Ufer besonders ungünstig gewesen sind,
linden wir auch heute noch in der Umgebung des Haddebyer Noores
ausgedehnte .Moore, die in dieser Gegend auf noch weiter gehende Heide-
strecken schliessen lassen, und, wenn wir uns vorstellen, dass die Nieder-
la8sung eist vorübergehend, dann dauernd im Besitz der Dänen und bis
zu ihrem Verfall der Kriegshafen und die Residenz ihrer Machthaber ge-
wesen i-t. so erscheint es nicht unmöglich, dass sie von ihr aus ihre
Anordnungen und Verfügungen getroffen und ihren Namen auf das mehr
ich II, s. 113.
— 695 —
und mehr in < L * * 1 1 Hintergrund getretene Schleswig in Anwendung gebracht
haben.
Auffallend ist ferner, dass Städtenamen auf by in Schleswig nicht
vorkommen und in Jütland äusserst selten und dann wohl nur bei Städten,
die erst in neuerer Zeit aus dörflichen Niederlassungen hervorgegangen
sind, anzutreffen sind. Daraus wäre zu schliessen, dass auch Hedeby
keine städtische Gründung gewesen ist, sondern ursprünglich wie die
übrigen Orte auf by in der Umgebuug von Schleswig eine dörfliche
Niederlassung, deren Namen auf Hafen, Lager und Burg übernommen
worden ist.1) Damit stimmt auch, dass man bis jetzt noch kein älteres
Mauerwerk bloss gelegt hat.
Eis ist eigentlich selbstverständlich, dass die dänischen Könige, wenn
sie dem eroberungslustigen Feinde die Tür zu Einfällen in ihr Gebiet
nicht offen halten wollten, gegen diese starke Stellung eine Schutzwehr
errichten mussten. Diese aber konnte nur das eigentliche Danewerk
sein, das sowohl den Ochsenweg, wie die Übergänge über den schmalen
Abiluss des Danewerksees und die Hügelkette über die Niederung der
Gottorper Wiesen sperrt2). Auch diese Linie folgt der geraden Richtung
und benutzt westlich vom Danewerksee die nach Süden gegen das
Klieider Au-Tal abfallenden Hänge der Hochfläche von Husby zur An-
lehnung.
Diese Verhältnisse vermögen vielleicht auch zu erklären, dass bei
den Vorstössen der Deutschen bis Otto II. der sperrenden Befestigung
keine Erwähnung geschieht. Denn der Kograben musste nach der Besitz-
nahme von Hedeby durch fremde Herrscher aufgegeben werden und die
Herstellung des Danewerkes ist wahrscheinlich, ebensowenig wie das
System von Befestigungen um Hedeby, auf einmal fertig gestellt worden,
da dieses häutig genug nur vorübergehend in den Händen der Feinde
war. Sie erklären auch, dass Otto IL, nachdem er den Kograben ge-
nommen hatte, das Wiglesdor, d. h. das Tor im Danewerke besetzt and
verteidigt fand und es erst nach einem vergeblichen Versuche, den
Durchgang zu erzwingen, später, 975, mit stürmender Hand nehmen
nuisste.3)
Als dann nach langen Kämpfen in der zweiten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts Hedeli\ wieder dauernd in den Besitz der dänischen Herrscher
kam, wurde ein neuer Wall von der Oleburg bis zum Danewerksee mit
der Front muh Süden aufgeworfen, der Harald- oder Margareten -Wall.
Mit Recht kann man fragen, aus welchem Grunde man nicht auf die
vorteilhafte Stellung des Kograbens zurückging: zumal da der neue Wall
die tiefe und von beiden Seiten eingesehene Niederung des Busdorfer
1) An Hedeby und Haddeby erinnert das englische the heath uud tbe haddur, das
beides die Heide bedeutet. Auch für Haddebotb, eine andere alte Bezeichnung für
Hedeby, trifft das hier Gesagte zu. Bud = Lager; vergl. Mattenbuden in Danzig und die
Darstellung bei Nicolaysen.
2 Vielleicht das Oster-Kalegatt, b. Schröder, S. L01.
3) Mestorf, S.21.
— 696 —
Teiches zu überschreiten hatte. Wir wissen aber, dass zu jener Zeit das
Danewerk wenigstens durch eine Feldsteinmauer und eine neue Erdauf-
schüttung eine wesentliche Verstärkung erfahren hatte und so, wie die
Befestigungen um Hedeby im Osten, hier im Westen eine ungemein
starke Stellung darstellte, und es ist daher anzunehmen, dass man es für
hinreichend fand, diese beiden starken Stellungen durch einen Wall
zu verbinden, statt den verfallenen Kograben von neuem wieder aufzu-
bauen.
Während mm der westliche Teil dieser neuen Befestigungsanlage
von der Niederung des Busdorfer Teiches bis zu der der Rheider Au
immer neue Verstärkungen, so durch Aufführung einer Backsteinmauer,
durch neue Erdaufschüttimgen, durch die Anlegung des Doppelwalles mit
doppeltem Graben, erfuhr, verfiel der östliche Teil und damit die stolze
Feste Hedeby mehr und mehr. Es wird wohl nicht allein die Ver-
sandung des Hafens schuld gewesen sein, die eher als eine Folge seiner
Nichtbenutzung angesehen werden kann, sondern auch die ungünstige
Lage der Festung durch Aufgabe der südlich vor ihr liegenden Höhen,
mit dem die ganze Umgebung beherrschenden Königshügel als Schlüssel-
punkt der ganzen Stellung, besonders nach Vervollkommnung der Wurf-
geschosse und Einführung der Feuerwaffen. Mit dem Verfall von Hedeby
mag auch der Gebrauch seines Namens seltener geworden sein, bis der
des emporblühenden Schleswig die Alleinherrschaft erlangte.
Über die Lage der Burg Otto IL ist viel gestritten worden; auch
der sogenannte mittelalterliche Wall am westlichen Ende des Margareten-
walles ist dafür gehalten worden. Indes, abgesehen davon, dass diese
Burg, von dem hier vertretenen Standpunkte aus betrachtet, in die Nähe
des Ochsenweges zu verweisen ist, entspricht seine Gestalt nicht der eines
geschlossenen Werkes; denn er umspannt in flachem, nach Norden aus-
springendem Bogen eine Sehne von 700 m Länge. Es ist auch nicht an-
zunehmen, dass dieser Wall eine mittelalterliche Befestigung darstellt,
die ihre Front nach Norden gerichtet hat; denn es ist nicht abzusehen,
welchem Zwecke sie dienen sollte. Da sein einfacher Bau mit dem
übrigen einfachen Teile des Margaretenwalles übereinstimmt, so wird die
Annahme nicht von der Hand zu weisen sein, dass dieser Bogen den
ursprünglichen Teil dieser Verbindungsstrecke darstellt und der Doppel-
wall südlich von ihm einer späteren Zeit angehört, in der es nötig war,
diese Stelle, über die verschiedene Wege nach Norden führen, besonders
zu decken. *)
Von dem hier vertretenen Standpunkte aus ist der Kograben als der
Wall Godfreds und der Krummwall als seine Fortsetzung bis zum west-
lichen Meere, die Oleburg als Hedeby und die Hohburg als seine Zitadelle,
das Danewerk als ein Wall gegen Hedeby, die Tyraburg als Otto IL
Burg zu deuten, dem Osterwall aber einen Zusammenhang mit diesen
Befestigungen nicht zuzusprechen. —
1; S. die Karte von Thorseu bei Mestorf.
— 6<>7 —
Quellen:
Trap, Topografie af Slesvig.
J. Mestorf, Danewerk und Heithabu (Mitteilungen 1901).
H. Handelmann, Vorgeschichtliche Befestigungen. 1S80.
M. Jahns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens. 1880.
A. Sach, Das Herzogtum Schleswig. 1896. 1899.
F. Barl'od, Fortaellinger af Faedrelandets Historie. 1858.
J. J. A. Worsaae, Danewirke; deutsch von Courländer. 1848.
Generalstab, Der deutsch-dänische Krieg 1864.
J. v. Schröder, Topographie des Herzogtums Schleswig. IL Aufl. 1854. a
S. Müller og C. Neergaard, Danevirke, archaeologisk undersoegt, beskrevet og tydet.
(Nordiske Fortidsminder. I. Bind. 1890—1903.)
N. Nicolaysen, Langskibet fra Gokstad.
(14) Hr. Assmy spricht über seine
Reise von Peking nach Kangoon durch China und Chinesisch -Tibet.
Der Vortrag wird später erscheinen. —
(15) Hr. Waldeyer legt den Schädel eines Battakers aus Tjinta
Rudja auf Sumatra vor, der von dem Farmer Hrn. Ernst daselbst an
Hm. Becher nach Berlin geschickt worden und von einer Charakteristik
der Battaker im allgemeinen und des einstigen Schädelbesitzers „Si Russih"
insbesondere begleitet war. —
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft 5. 15
Ausserordentliche Sitzung vom 23. Juli 1904 in Zehlendorf.
Vorsitzender: Hr. Lissauer.
Auf den Wunsch des Vorstandes hatte Hr. Professor Adolf Fischer
in Zehlendorf die Gesellschaft eingeladen, die Neuerwerbungen seiner
chinesisch-japanischen Sammlung zu besichtigen. Eine grosse Zahl
von Mitgliedern hatte an dem Ausfluge Teil genommen und folgte mit dem
grössten Interesse der freundlichen Führung des Hrn. Fischer durch die
schönen Räume, welche mit den kostbarsten ethnologischen Stücken aus-
gestattet waren.
An der Sammlung hat .lapan den bei weitem grössten Anteil; doch
sind auch aus China einige hervorragende Prunkstücke aus ältester Zeit
vorhanden. Davon ist an erster Stelle ein in Holz geschnitztes und in
bunten, nicht grellen Farben gemaltes bezw. lackiertes Wandbild aus der
Mingdynastie zu nennen, das eine ganze ll!2 m breite Wand einnimmt
und, eingeteilt in 12 Felder, die Jubelfeier eines hohen Mandarinen dar-
stellt, dem zu Ehren zahlreiche Glückwünschende sich nahen, Musikanten
aufspielen und Haus und Garten mancherlei festliche Veranstaltungen auf-
weisen. In der Mitte des an Figuren überreichen, aber in allen Details
mit ebenso viel künstlerischer Sorgfalt als Zierlichkeit ausgeführten Bildes
thront der Würdenträger, ein Greis von hohen Jahren. Das Kunstwerk
ist gleich allen Teilen dieser Sammlung nicht modern, die meisten gehen
in ihrem Ursprung, bestimmbar nach dem Namen der Künstler und anderen
Anhaltspunkten, 100 — 300 Jahre, einzelne Bronzen aber bis ins 7. Jahr-
hundert zurück.
Von grosser dekorativer Wirkung ist ein \) m breiter, aus acht Schiebe-
türen bestehender japanischer Wandschmuck, genannt die Drachenbrücke,
früher einem ebenso genannten japanischen Kloster angehörig. Er ist
ausgezeichnet durch die Darstellung einer von blühenden Kirschbäumen
überschrittenen roten Brücke mit schön geschwungenem Bogen, zwischen
denen man in eine Landschaft auf Goldgrund sieht. In ziemlich beträcht-
licher Anzahl sind in der Sammlung nicht nur die auf Goldgrund ge-
malten sechsteiligen Wandschirme, sondern auch hölzerne, bemalte Schiebe-
türen vertreten. Itei denen d;is grob gemaserte Zedernholz bevorzugt zu
Bein scheint. Eine sehr figurenreiche Darstellung, ein Rollbild, das 200
bis 250 Jahre all ist, zeigl das [nnere ei nes japanischen No-Theaters
aus alter Zeit während der Vorstellung. Die Schauspieler agieren
— 699 —
auf der Bühne, im Zuschauerraum aber scheint verhältnismässig geringe
Aufmerksamkeit dem Spiel geschenkt zu werden; denn es wird Tee ge-
reicht und in Gruppen geplaudert. Auch hier ist die Ausführung der
Einzelheiten so sorgfältig, wie man sie von den Niederländern etwa bei
Breughel gewöhnt ist. Sehr interessant sind überhaupt die in der
Sammlung in Menge vertretenen japanischen Wandbilder, meist auf feinsten
Seidenstoff gemalt, doch auch auf Papier. Vou den grossen Stücken der
Fisch ersehen Sammlung seien noch zwei wundervolle bronzene Löwen-
köpfe genannt, die aus einer vergessenen Vorratskammer des kaiserlich
chinesischen Sommerpalastes herrühren, in Wahrheit aber europäische,
vermutlich italienische Arbeit vom Ausgang des 11. oder Anfang des
r_\ Jahrhunderts sind. Sie sassen wohl einst oberhalb oder seitwärts des
Kapitals einer Säule in einer christlichen, romanischen Basilika und wurden
von den Eroberungszügen der Mongolen im ersten Drittel des 13. Jahr-
hunderts als „Reiseerinnerungen" mitgenommen. Einen besonderen Reiz
der Sammlungen bilden die in überraschender Fülle vorhandenen Zeugen
japanischer Kleinkunst und japanischen Kunstgewerbes. Da ist vor allem
die wenigstens 150 Jahre alte, in den Farben aber so frisch, als stammte
sie von gestern, erhaltene Darstellung eines Festzuges — Makemono —
gemalt auf eine Stoffrolle von kaum 20 cm Höhe, ein Werk aus der Maler-
schule Matahei, von einer Unerschöpflichkeit in der Abwechselung von
Gruppen, Gesichtern und Trachten, dass Stunden nötig wären, um allen
Einzelheiten die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Von den
Leistungen des japanischen Kunstgewerbes, im besonderen seiner Be-
fähigung für feinste Metallarbeiten, legt eine Spezialsammlung Zeugnis
ab, die eine Fülle verschiedener Ausführungsformen von so einfachen
Dingen enthält, wie die Stichplatte eines Schwertes, wie der Knauf des
Schwertgriffes oder die Scheide, in der, an Stichplatte und Schwertscheide
angeschlossen, jedes japanische Schwert auch ein Dolchmesser birgt. —
Prof. Fischer hat sich auch noch dadurch verdient gemacht, dass er in
Japan durch einheimische oder europäische Maler Bilder von Volkstypen
der Gegenwart nehmen Hess, u. a. auch Strassenbilder von Tokio.
Zum Schluss sprach der Vorsitzende Hrn. Fischer im Namen der
Gesellschaft für die erwiesene Freundlichkeit den wärmsten Dank aus.
4.V
I. Literarische Besprechungen.
Dr. C. H. Stratz, Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwickelung,
Dritte Auflage. Stuttgart. F. Enke 1904.
Unter den verschiedenen verdienstvollen Werken, welche in Hrn. Stratz ihren
Urheber haben, nimmt das unter obigem Titel jetzt in dritter Auflage erschienene Werk
einen besonders hervorragenden Platz ein. Es ist, wie ich aus dem eigenen Munde des
Autors weiss, ein Liebliugskind desselben, und wer möchte leugnen, dass ersichtlich ein
ausserordentlicher Fleiss und Mühe auf dasselbe verwendet wurde. Es kommt hinzu die
glänzende und vornehme Ausstattung des Werkes, worin der Verleger dem Autor in ver-
dienstvoller Weise zur Seite gestanden hat.
Ich bin gewiss der Letzte diese neue Leistung meines hochverehrten Freundes zu
unterschätzen und seine grossen Verdienste bei Herstellung derselben nicht warm an-
zuerkennen; trotzdem bin ich leider gezwungen in manchen schwerwiegenden Punkten,
die dabei zur Erörterung kommen, eine ablehnende Haltung einzunehmen, und glaube dies
im Einverständnis mit dem Autor um so weniger unterdrücken zu sollen, als eine Ver-
ständigung nur durch offene Aussprache erzielt werden kann.
Es ist eine alte Erfahrung, die Lieblingskinder geraten nicht immer in hervor-
ragendem Masse, wenn auch noch so viel Sorgfalt auf ihre Erziehung verwendet wird,
woran gewiss meist gerade die einseitige Vorliebe der geehrten Urheber die Schuld trägt.
Bei aller Anerkennung für die ausgedehnten Studien in diesem Gebiete und für den
reichen Schatz der gesammelten Erfahrungen kann ich mich der Überzeugung nicht ver-
schliessen, dass auch Hr. Stratz dabei seine Lieblingsideen in zu einseitiger Weise ver-
folgt, und fürchte, dass der so wünschenswerte Erfolg seiner Bemühungen dadurch in
erheblicher Weise geschädigt wird.
Im Kampf gegen zwei dämonische Gewalten, wie sie mächtiger und widerstands-
fähiger gar nicht gedacht werden können: Modetorheit und üble Angewohnheit
soll der Herkules, welcher diese vom Mark der Menschheit zehrenden Vipern erwürgt,
wohl noch geboren werden; wenn irgend wo, so gilt hier der Wahrspruch: Viribus unitis!
Nur zähe Ausdauer und möglichste Verbreitung des Prinzips, allmählich die üble Ge-
wöhnung durch eine vernünftigere Gewöhnung zu verdrängen, kann nennenswerte Fort-
schritte zeitigen. Hr. Stratz unternimmt den Kampf im Vertrauen auf seine reichen Er-
fahrungen und seine innere Überzeugung ganz allein: Möchte der Erfolg mit ihm sein, ich
bin leider nicht imstande dies für wahrscheinlich zu halten. Die Autoren, mit denen er
Schulter an Schulter kämpfen sollte, mit denen er auch bei abweichenden Anschauungen
Fühlung nehmen müsste, werden achselzuckend mit einer beiläufigen Bemerkung abgetan.
So habe ich, um nur ein Beispiel anzuführen, den Namen des in diesem Gebiet unzweifel-
haft verdienstvollen Prof. Schnitze-Naumburg vergeblich in dem Buche gesucht; auch
zu meinen eigenen mehrfachen literarischen Äusserungen über die betreffenden Fragen hat
Hr. Stratz, obwohl sie ihm bekannt waren, nicht geglaubt Stellung nehmen zu sollen.
Es bleibt also nur übrig, dass diejenigen, welche es ernst meinen mit einem Streben
nach vernünftigerer Praxis in Ausbildung und Bekleidung des Körpers besonders beim
— 701 —
weiblichen Geschlecht, ihrerseits versuchen die verloren gegangene Fühlung mit dem
Autor wieder zu gewinnen.
Dabei ist zunächst ein grosser, sehr schätzenswerter Teil des Werkes gesondert zu
behandeln, in denen Hr. Stratz die Nacktheit, die primitive Kleidung als Körper-
schmuck, den Einfluss der Klimate, der Rassen und der Kultur auf die Form
desselben bespricht und an zahlreichen, geschickt gewählten Beispielen dartut.
Es entwickelt sich daraus in natürlicherweise die Betrachtung der tropischen
Kleidung im Vergleich zur arktischen, sowie der Volkstracht bei aussereuropäischen
und europäischen Kulturvölkern. Audi hier sind zahlreiche, prächtige Illustrationen dem
Text beigegen, die besonders da sehr lehrreich sind, wo es möglich war, die unbekleidete
Figur der bekleideten an die Seite zu stellen.
In der Tat nagt aber auch hier schon trotz des bestechlichen Äusseren der Wurm
heimlich in der Frucht; denn der Unparteiische dürfte wohl sein Urteil dahin abgeben,
dass der Autor seiner im Prinzip wohl aufrecht zu haltenden Anschauung, die ursprüng-
lichste Form der Bekleidung überhaupt sei die Körperausschmückung
gewesen, einen zu breiten Spielraum gewährt hat; der Übelwollende aber wird die
hämische Bemerkung vielleicht nicht unterdrücken: das Werk handele ja eigentlich gar
nicht von „Frauenkleidung", sondern „Frauenentkleidung". Der Wetterschutz sollte
doch wohl neben der Körperverzierung als ein gleichberechtigter Faktor in Rechnung
gestellt werden; zieht doch der anthropoide Affe sich auch seine Decke über, nicht um
den Körper zu schmücken, sondern weil ihn friert.
Man liest mit einer gewissen Bestürzung in der Schlussbetrachtung (S. 40-">): „Die
Frauenkleidung ist festen, unabänderlichen Gesetzen unterworfen, sie dient ausschliesslich
zum Schmuck des Körpers und wird geringer und dadurch besser, wenn der Körper
schöner wird." Danach mussten schliesslich, wenn das sehnlich erstrebte Ziel erreicht ist,
alle Frauen im Kostüm der medieeischen Venus durch den nordischen Schnee waten.
Wie gut, das wir dem Ziel noch so fern sind!
Offenbar ist in den Kapiteln I— IX dem Leser eine Fülle von wertvollem Beobach-
tungsmaterial geboten, wie es bisher wohl überhaupt noch nicht zusammengestellt wurde,
die besonders hervorragende Gabe des Autors solches Material iu übersichtlicher und ge-
schmackvoller Weise zu ordnen, dürfte ganz allgemein dankbar anerkannt werden und
unwidersprochen bleiben, wenn auch unvermeidlich bei einem derartig umfangreichem
Gebiet der isoliert in seiner Klause arbeitende Forscher gelegentlich Angaben machen
wird, die unter Frage zu stellen sind.
um nur einen Fall anzuführen, der mir persönlich, wie 'man sagt, an die Nieren
geht und meinen Protest herausfordert, so werden als Fig. 25 auf S. (>'> zwei Mädchen
der ägyptisch-arabischen Bevölkerung als „zwei 16jährige Mulattinnen (?i aus Kairo"
dargestellt, was ich als durchaus unzulässig bezeichnen muss. Als „Mulatten" hat man nach
den anthropologischen Grundsätzen den Mischling zwischen einem Weissen und einem
Neger zu bezeichnen; ich bestreite, dass irgend eine Berechtigung [vorliegt weisses
Blut in den betreffenden Personen zu vermuten; auch die nigritische Beimischung, wenn
überhaupt vorhanden, liegt jedenfalls Generationen zurück. Der Typus lässt weder in
der Haarbildung noch in der Form von Nase und Mund, noch in den geschmeidigen
Körperlinien mit wohl ausgebildeten Schultern eine nennenswerte Abweichung vom
ägyptisch-arabischen Tvpus erkennen. Ausgesprochene Mulatten, d. h. Mischlinge von
Weissen und Negern sind zudem in Ägypten recht selten, da das weisse Blut daselbst
erfabrungsmä88ig wieder ausgelöscht wird.
Doch dürfte die grössere Mehrzahl der Leser es als eine „Doktorfrage0 betrachten.
ob man die Personen Mulatten nennen darf oder nicht; die Entscheidung wird derselben
herzlich gleichgiltig sein. Es sind die letzten Kapitel des Werkes X, XI und XII. welche
stark zum Widerspruch herausfordern, und deren Fassung ich um so mehr bedauern muss,
als ich mich mit dem Autor im Streben nach einem bestimmten Ziel eins weiss, die
Meinungsverschiedenheit bezieht sich als<» auf den Weg und die Art und Weise ihn zu
suchen, nicht auf den Gegenstand selbst. Der Autor gibt uns nach seinen statistischen
Erhebungen einen schauervollen Überblick über den heutigen Zustand der Körperentwicke-
Lung des weiblichen Geschlechtes (8.385). Danach würden von 1 » h » im Jahre L870 ge-
— 70-2 —
borenen Mädchen heutigen Tages durch englische Krankheit (35), Skrofulöse etc. (15)r
starkes Schnüren etc. (20), Geburt und Wochenbett (25) im Ganzen 1>5 (!) verunstaltet,
5 völlig normal sein. Ja, sollte es nicht möglich sein bei einigermassen peinlicher Kon-
trolle in diesem Sodom und Gomorrha auch die 5 angeblich gerechten Fünf auszumerzen?
Die Rechnung wäre alsdann doch viel einfacher.
Es ist eine alte Wahrheit, die besonders jedem Arzt geläufig ist, dass es, streng ge-
nommen, keinen normalen oder gesunden Menschen gibt: man kann daher eigent-
lich nur von einem relativ normalen und relativ gesunden Menschen sprechen.
Die Meinungen, wer dazu gerechnet werden muss und wer nicht, werden stets geteilte
sein, wofür Hr. Stratz selbst ein eklatantes Beispiel beigebracht hat. Er bildet als
Fig. '253 auf S. 372 einen geöffneten weiblichen Torso ab mit der Unterschrift: Ver-
lagerung der Baucheingeweide durch Schnüren (Gipsmodell von Ste ger). Dieses
Gipsmodell ist unter Leitung des Anatomen His als normales Objekt über die Natur
abgegossen, wird als solches in Berlin vom Anatomen Wraldeyer für Lehrzwecke der
normalen Anatomie benutzt und ist von mir für das demnächst erscheinende Werk:
„Die Gesundheit", in gleichem Sinne farbig wiedergegeben worden. Von Verlagerung der
Eingeweide durch Schnüren fanden diese drei Anatomen keine Spur; das Heruntersinken
des Magens nach Entfernung der Leber und des Dünndarms ist selbstverständlich, die
Taillenlinie ist frei von jeder Einschnürung.
Wird man somit die Abgrenzung der „verunstalteten" Frauen wohl vielfach in
milderem Sinne durchführen als der Autor und in diesem Punkte abweichende Ansichten
vertreten, so dürfte noch häufiger der Kopf darüber geschüttelt werden, in welcher Weise
Hr. Stratz erhofft innerhalb von Jahrzehnten durch hygienisch-diätetische Massregeln
einen völligen Umschwung in diesen ungünstigen Verhältnissen zu erzielen (S. 898).
Es muss dies um so mehr Bedenken erregen, als die Art und Weise, wie der Autor
die Korsettfrage behandelt, entschieden geeignet ist, Verwirrung in die Reihen derjenigen
zu tragen, welche für eine Verbesserung der Bekleidung kämpfen. Die „minorennen"
Mädchen sollen sich in leichten, lose sitzenden Kleidern mit körperlichen Übungen be-
schäftigen, worauf in 10 Jahren anstatt 30 schon 50 nicht korsettbedürftige Körper an-
getroffen werden würden.
Er hält das Korsett vorläufig für ein notwendiges Kleidungsstück als „Schmuck-
träger" und unterscheidet vor allen Dingen zwischen fehlerhaft sitzenden und richtig an-
gepassten Korsetts, unter welchen er ein Korsett des Dr. Gaches-S arrante als besonders
geeignet warm empfiehlt.
Hierzu ist zu bemerken, dass in Deutschland „Korsett" gleichbedeutend ist mit
„Schnürmieder", und ein Schnürmieder wird eben, wie der Name sagt „geschnürt"
und verändert daher selbstverständlich den Umriss des Körpers. Ein nicht „geschnürtes"
Korsett ist für unsere Frauen ein Unding; ein Korsett wie dasjenige des Dr. Gaches-
Sarrante, welches die Taille gar nicht verändert, würde überhaupt nicht als Korsett
anerkannt werden, sondern als „Mieder", ein Ausdruck der Hrn. Stratz aus unerfind-
lichen Gründen besonders verhasst zu sein scheint. Hie Rhodus, hie salta! Hier kommen
wir zusammen: Schnüren oder nicht schnüren! Der-Ausdruck für das Kleidungsstück
tut nichts zur Sache, aber erklärt der sachverständige Arzt das Korsett für unvermeid-
lich, so wird er trotz aller guten Ratschläge die Frauen nicht vom Schnüren und
zwar von zu festem Schnüren abbringen.
Das betreffende Kleidungsstück muss daher so beschauen sein, dass es ein Schnüren
überhaupt nicht zulässt, im übrigen mag es so fest und so anliegend gestaltet sein,
ale 'ler durch Verwöhnung geschwächte Körper einer Frau es verlangt; meinetwegen mag
man ein solches Kleidungsstück alsdann auch Korsett Gache-Sarrante nennen.
Sehr lehrreich und anschaulich sind die Figuren 2(i(J a, b, c auf Seite 393, \\<> die
knöchernen Stützpunkte im Körper für die Kleidung, der Autor sagt seinen Anschauungen
isa „für das Korsett" in den Körperumriss eingetragen sind. Er hat dabei die
knöchernen Stützpunkte, welche das Schaltergerüst darbietet, obwohl sie von der extrem
ausgebildeten, sogenannten Reformtracht in übertriebener Weise ausgenutzt werden und
beim Mieder, gelegentlich auch beim Korsett Achselbänder zu tragen haben, überhaupt
gar nicht in Rechnung gestellt. Auch hierin dürfte seine Stellung als eine zu extreme
— 703 —
bezeichnet werden müssen, da beim weiblichen wie beim männlichen Körper eine möglichst
grosse Verteilung der Last das Tragen derselben erleichtert und üble Einwirkungen
hintenan hält.
Nachdem ich so im Vorstehenden versucht habe, die Stellung der anderen Autoren
Hrn. Stratz gegenüber anzudeuten, und dem drohenden Missverständnis der Sachlage
beim grossen Publikum entgegenzuwirken, kann ich um so freudiger meine Zustimmung
zu den dringenden Ermahnungen des Autors an alle zur Erziehung der jungen Mädchen
Berufenen geben, mehr als bisher dabei auf die körperliche Pflege derselben Rücksicht
zu nehmen. Das starke Schnüren wird dabei auch von Hrn. Stratz, wie es selbst-
verständlich erscheint, neben den Exzessen in der Ernährung (Essigtrinkeiv, der mangelnden
Bewegung in frischer Luft, ungenügenden Hautpflege durch Bäder als besonders zu ver-
meidende Schädlichkeit erwähnt. Freilich werden nur wenige den Optimismus des
Autors teilen, dass sich diese Schädlichkeiten mit einem Federstrich wegdekretieren Messen,
Bondern sich der Überzeugung nicht verschliessen, dass ein Umschwung nur langsam und
allmählich zu erreichen sein wird.
Die wohlverdiente Anerkennung und Verbreitung wird gewiss auch diesem schönen
Werk des Hrn. Stratz nicht fehlen; wollen wir hoffen, dass mit dieser ausserordentlichen
Verbreitung auch ein entsprechender praktischer Nutzen Hand in Hand gehen möge!
Dann wird der Autor gewiss mit dem Ergebnis der aufgewandten Mühe zufrieden sein
können. Gustav Fritsch.
■I. M. M. van der Bürgt (des Mssionaires d'Afriqne), Dictioimaire Francais-
lviriindi. Bois-Lr-Duc (Hollande). Societe „l'Illustration Catholique".
"1903. 8°. 648 S. Mit Tafeln und Karten.
Wenn wieder einer der Männer, die in heisser Arbeit in Zentralafrika stehen, heim-
kehrt und uns mit einem Buche Nachricht gibt von dem, was er erlebt und erforscht hat,
wird er jedesmal ein dankbares Publikum linden. Ist man sich doch darüber klar, unter
welchen Schwierigkeiten ein solcher Forscher arbeitet, und wie wertvoll Mitteilungen und
Sammlungen aus einer Welt sind, die mehr und mehr von der vordringenden Kultur be-
einflußt und verändert wird. So bietet denn auch das vorliegende Werk eine Fülle inter-
essanten Stoffes. In erster Linie wird wohl die Völkerkunde dabei ihre Rechnung
linden — eine grosse Bienge ethnographischer Notizen sind durch eine Fülle guter Ab-
bildungen erläutert, z.B. S. 257 f. über die Haartrachten, S. 5G0f. über Tätowierungen, am
Schluss aber Hausgeräte, Waffen, Schmuck usw. Aber auch der Linguist wird sich an
dein Buch freuen, das eine wichtige Ergänzung des vom "Verfasser herausgegebenen Essai
de Grammaire Kirundi darstellt. An die Wünsche der deutschen Beamten hat der Verl
in erster Linie gedacht. Er wollte ihnen ein bequemes Nachschlagebuch auch in sprach-
licher Besiehung in die Hand geben. Deshalb hat er auch die Worte franrais-kirundi
geordnet und nicht umgekehrt auch das deutsche und das Suaheli-Wort beigefügt). Diese
Anordnung mag ja für die praktischen Zwecke, die der Verf. verfolgte, von Nutzen sein
— dein wissenschaftlichen Arbeiter erschwert sie das Hineinfinden in die Sprache ungemein.
Man kann nicht kontrollieren, welche Ausdrücke die Sprache selbst darbot, und was vom
Dolmetscher erst ad hoc fabriziert ist. Die Vorstellungswelt des Franzosen und des
Rundi sind so vollständig verschieden, dass unmöglich für jede- französische Wort ein
angemessener Ausdruck im Rundi geprägt sein kann — und doch sieht es nach vor-
liegendem Werk so aus. als wäre dies der Fall. Die umgekehrte Anordnung würde die
Sprache viel besser übersehen lassen und die spraehvergleichende Arbeit erleichtern. Zu-
gleich hätte sie den Verl auf allerlei Unebenheiten aufmerksam gemacht. Zu welcher
Klasse der Nomina rechnet er z. 1>. ukutwi -das Ohr"? uruku pl. impu S. 126 peau ist
!_'."> nur als einzelne Art Haut angegeben, ikikiriza poitrine mit Fragezeichen) fehlt 146,
dafürsteht dort ikikaraa; urukoba peau S. 126 fehlt 125, dafür steht dort ikikoba; akamira-
mbekc pomme d'Adam fehlt I1T usw.
Auch solche Barten der Diktion wie S.29 uwukunzi wa Murungu ku wanta „Liebe
Gottes zu den Menschen" bezw. uwukunsi wanxje kuri wewe .meine Liebe zu dir", die
— 704 —
auf Rechnung der französischen Grammatik kommen, wären vermieden. Wie schon das
Beispiel wanzje zeigt, ist die Schreibung nicht immer glücklich, so möchte ich auch dzj,
cy, kk, vv, rr beanstanden — indessen ist sie doch im wesentlichen verständlich. Sehr
erfreulich ist die für das Bantugebiet so wichtige, scharf durchgeführte Scheidung der
stimmhaften und stimmlosen Laute, die leider in den neuerdings aufgekommenen Suaheli-
Orthographieen verwischt wird (doch schreibt B. nsh z. B. in-inshiviel, wo ich z vermute).
Leider wird der Genuss an dem interessanten Buche dem Leser verkümmert durch die
Neigung des Verf., zu generalisieren und durch seine Gelehrsamkeit.
Wir möchten etwas über die Leute in Urundi wissen und glauben dem Verf., dass
er da gründlich informiert ist — und nicht über „alle Afrikaner-4 — denn da kann der
Verf. nicht informiert sein; z.B. S. 461 „Dawamänner existieren bei allen Negerstämmen
in ganz Afrika."
Auch suchen wir in einem Buch über die Kirundi-Sprache nicht Exkurse über Ur-
geschichte, ägyptische Geschichte u. dgl. m. Der Verf. kann ja in dem allen nicht selb-
ständig gearbeitet haben, sondern muss sich auf Quellen beziehen, die uns auch zugänglich
sind. Dadurch ist sein Buch ausserordentlich angeschwollen und unhandlich geworden.
So viel ich sehe, werden auch gerade die praktischen Absichten des Verf. hierdurch
gestört.
Am schmerzlichsten ist aber alles, was das Buch in sprachvergleichender Beziehung
enthält. Hier fehlt dem Verf. ebenso wie seiner Hauptautorität P. Torrend die streng
wissenschaftliche Schulung. Wenn der Gottesname Mulungu mit Moloch S. 167 zusammen-
gebracht wird, wenn in dem Wort nganza sogar eine Erinnerung an die ägyptische Isis
gefunden wird, S. 528 vgl. G04, wenn imaua, vgl. S. 215, mit Maori anga S. 605 und
S. 591 f. mit Harn, dem Sohne Noahs, und mit dem Manitu der Indianer, wenn S. 613 die
Ba-ntu von den Hi-ndu abgeleitet werden, so sind dergleichen Übungen der Phantasie
in einem ernsthaften Buch für den Leser verdriesslich. In der älteren Afrikaliteratur
findet sich dergleichen in den Vorreden und hier und da einmal im Text — in einer
solchen Ausführlichkeit wie hier aber meines Wissens nirgend. Ich sehe mich genötigt,
darauf aufmerksam zu machen, damit diese Methode tunlichst bei Seite gelegt wird, und
nicht weiter Schule macht.
Man kann nur immer aufs Neue den Rat geben, dass die Forscher an Ort und Stelle
möglichst sorgsam beobachten und fleissig sammeln und die Verarbeitung bezw. Ein-
reibung des Gefundenen in der Heimat vornehmen oder vornehmen lassen, wo man sich
über den Stand der gegenwärtigen Erkenntnis informieren kann. Wenn aus dem müh-
samen Werk die Gelehrsamkeit und alle Reflexionen entfernt wären, wäre die Freude
daran eine ungetrübtere.
Ich möchte noch auf einige Partien aufmerksam machen, die besonders interessieren
dürften, z. B. die Schilderungen des Nascnklemmers und seines Gebrauchs beim
Schnupfen S. 464, die Angaben über die Farben S. 129, verschiedene Gesänge S. 96,
ein Zauberlied S. 98, über die Stellung der Finger beim Zählen S. 114, über die
ausführliche Terminologie des Hirtenberufs nebst einem Lied zu Ehren der Kühe
S. 421 ff. usw. Diese wenigen Beispiele mögen zeigen, eine wie reiche Ausbeute den
Ethnographen beim Studium des Buches erwartet. Carl Mein ho f.
Iwanowski, A. A. : Über die anthropologische Zusammensetzung der
Bevölkerung Russlamls. Moskau L904. 4°. (Aus: Arbeiten der
Anthropologischen Sektion, B. 22.) Russisch.
Verfasser hat sich die schwierige Aufgabe gestellt, aus der grossen Reihe von
Arbeiten, die in den letzten Jahrzehnten von den verschiedensten Forschern über die
Antbropologie der zahlreichen Völkerschaften des rassischen Riesenreiches veröffentlicht
worden sind, Materialien nach bestimmten Gesichtspunkten zusammenzustellen, um so die
Grundlage für eine Vergleichnng und wissenschaftliche Gruppierung der einzelnen Yölker-
BtBmme Bussland nach ihren anthropologischen Merkipalen zu schallen. Freilich war das
dem Verfasser hierbei zu Gebote stehende Material, wie dies ja ohne weiteres verständlich,
— 705 —
von sehr verschiedenem Werte, teilweise lückenhaft, teilweise aucli nicht gross genug,
um einigermassen sichere Schlüsse darauf gründen zu können. Aber mit kritischem Blick
hat der bewährte Forscher diese Fehlerquellen nach Möglichkeit auszuschalten verstanden
und vor allem hat er für seine Arbeit dadurch eine grössere (jlleichmässigkeit geschaffen,
dass er nur männliche Personen von einer bestimmten Altersklasse an (20 Jahre) zum
Vergleiche verwendet hat.
Die anthropologischen Merkmale, auf die er seine Studien gründet, sind: 1. Falbe
der Augen und Haare, 2. Körpergrösse, 3. Längenbreitenindex, 4. Höhen- und Längen-
index, .">. Gesichtsindex, G. Kieferindex, 7. Nasenindex, H. Kumpflänge (Acromion-Raphe
perinaei), !>. Relativer Brustumfang, 10. Relative Armlänge, 11. Relative Beinlänge; doch
war es nicht möglich, für alle Völkerschaften sämtliche der genannten elf Merkmale zu
erhalten.
Auf Grund des vonjhm gesammelten Materials kommt nun Verfasser zu folgender
Gruppierung: 1. Die slawische Gruppe, zu der die Gross-, Weiss- und Kleinrussen (mit
Ausnahme der Kuban-Kasaken), die Polen, Littauer, Syrjanen, die Kasan- und Kassi-
mowschen Tataren und die Baschkiren gehören. Näher als anderen stehen dieser Gruppe
die Astrachanschen Kalmüken sowie die Kalmüken überhaupt. 2. Eine besondere Gruppe
bilden die Loparen, die ganz isoliert dastehen und keinerlei Beziehungen zu einer der
übrigeu Völkerschaften des europäischen Russlands erkennen lassen. -X Samojeden;
gehören zur mongolischen Gruppe. I. I.atüschen. 5. Mordwinen. <>. Die Kleinrussen des
Gouvernements Kiew, die völlig isoliert dastehen. 7. Die Juden; sie haben überall in
ganz Russlacd den gleichen Typus, mit Ausnahme von Livland, wo sie in anthropo-
logischer Hinsicht den Grossrussen näher stehen; doch sind dort nur elf Personen
gemessen. 8. Nicht sicher unterzubringen sind zurzeit die Meschtscherjaken, die sich
noch am meisten den Baschkiren angliedern lassen. 1). Die Armenier; ihr Typus ist noch
einheitlicher und schärfer ausgeprägt, als derjenige der Juden. In gewisser Hinsicht
reihen sich ihnen die Kabardiner an, die aber andererseits auch der ossjetischen Gruppe
nahestehen. Vorläufig müssen sie zwischen beiden einrangiert werden. Auch die Aisoren,
Lulen und die Krimtataren neigen zur armenischen Gruppe, doch sind die beiden ersteren
in einer so kleinen Zahl von Individuen, letztere in einer so geringen Zahl von Merk-
malen untersucht, dass über ihre anthropologische Zugehörigkeit noch kein bestimmtes
Urteil möglich ist. 10. Die ossetische Gruppe, der die kleinrussischen Kuban - Kasaken
sehr nahe stehen. 11. Die Kumüken, die von den übrigeu Völkern des Kaukasus ziemlich
Bcharf unterschieden sind. 12. Lesginer, die zum Teil zur vorhergehenden, teilweise auch
zur kabardischen Gruppe geringe Beziehungen haben. 13. Die Udiner (Jvreis Nuchin,
Gouvernement Elisabetpol). 11. Die Kurdo-perso-asarbeidschansche Gruppe mit den
Kurien, Persern, Asarbeidschanschen Tataren, Meslegauzen und Ischtigarzen. 15. Die
mittelasiatische Gruppe, zu der ausser den Kirgisen und Tarentschen die Afganen,
Dunganen, Sarten, Siboschibinzen uud Chinesen gehören, d.h. die Stämme des ehemaligen
Kuldschinischen Rayons, die schon seit langer Zeit infolge vielfacher Vermischung unter-
einander ihren ursprünglichen Typus aufgegeben haben. Eine isolierte Stellung nehmen
16. die Karakirgisen und 17. die Turkmenen ein. IS. Einige Völkerschaften Xentralasiens
nähern sich der mongolischen Gruppe, die von den Arbunsumunen, den Kalmüken-
Tschacharen, den turfanischen Kalmüken, den Kuldschinschen und Tarbagataischen
Torgouten, den Chalchasen, Samojeden, Talengeten, Burjaten uud Tunguseu gebildet
wird. L9. Eine besondere jakutische Gruppe bilden die Jakuten, denen sich die von
■\leinow untersuchten Nordtungusen und die Astrachanschen Kalmüken angliedern.
20, Nicht unterzubringen sind bis jetzt die von Porotow untersuchten Burjaten, die noch
am ehesten den Astrachansehen Kalmüken angereiht werden können. Völlig isoliert stehen
21. die Ainos und J2. die Ostjaken.
Wenn auch diese Gruppierung infolge der verschiedenen ihr anhaftenden Fehler-
quellen, wie Verfasser übrigens auch selbst zugiebt, zum Teil noch auf ziemlieh
schwankendem Boden steht, und im Laufe der Zeit noch manche Änderung wird erfahren
müssen, so verdient doch die vorliegende, durch Gründlichkeil and Sorgfalt ausgezeichnete
Arbeit geradezu als ein Markstein in der Geschichte der Anthropologie Busslands be-
zeichnet zu werden, da hier zum ersten Male das bisher gewonnene reiche, in zahllosen
— 706 —
Einzelschrifteu zerstreute anthropologische Material von sämtlichen Völkerschaften des
europäischen wie asiatischen Russlands übersichtlich und wohl geordnet zusammengestellt
ist. Besondere Anerkennung verdient auch das Literaturverzeichnis am Schlüsse der
Arbeit, das wohl so ziemlich alle bisher erschienenen anthropologischen Abhandlungen
über Russland enthalten und daher für andere Forscher eine höchst wertvolle und will-
kommene Beigabe bilden dürfte. Vielleicht könnten in dieses Verzeichnis noch eine Reihe
im Journal der Russ. Ges. f. Hygiene erschienener Arbeiten (NoHTAPEirb, K-b Bonpocy o
npnwiiHax-b Bi>iMepenia iniopo^eirb C/EBepo-3ana/iHOfö Ciiönpii; Hkobiü, Hnopo/iiibi Pycc-
Karo c^Bepa: Hkormi, Vracanie iiHopo4iiecKiix'b n\ieMein> ToöoyibCKaro cfcBepa u. a.)
mit aufgenommen werden, die, wenn sie auch nicht gerade anthropologische Messungen
darbieten, doch eine Menge die Anthropologie sehr nahe berührender oder direkt in
ihr Gebiet einschlagender Fragen behandeln. Wilke.
Wilser, Ludwig-, Die Germanen. Beiträge zur Völkerkunde. Eisenach
und Leipzig. 1904.
Die Ergebnisse vieljähriger Studien zur Aufhellung der Geschichte und Ethnographie
der germanischen Stämme im weitesten Sinne legt der Verfasser in einem stattlichen
Bande nieder, der den Inhalt seiner zahlreichen Vorträge und Einzelabhandlungen zu
einem festen und gefälligen Bau vereinigen soll. Inwieweit ihm dies geglückt ist, darüber
dürften Meinungsverschiedenheiten entstehen. Sicher ist ihm die Zustimmung bei
Germanomanen, Rassenfanatikern, Chauvinisten, für die die Germanen das einzig aus-
erwählte Volk, die eigentlichen Kulturträger für die ganze Welt nicht nur sind und sein
werden, sondern auch in früherer Zeit waren, so dass selbst die Kulturen Babyloniens
und Ägyptens ihrer nicht ganz entraten konnten.
Ablehnend dagegen werden sich unbefangenere Leser und weniger sanguinische
Forscher verhalten, die mit Schädelin dices nichts anzufangen wissen, die nicht überall,
wo Blondheit oder gar Dolichocephalie sich zeigt, Germanen wittern, sich vielmehr über
den Unterschied von Rasse und Typus klar sind, die ferner die Germanen nicht so un-
bedingt für Tugendbolde ansehen, und für die ethnologisch kulturgeschichtliche Unter-
suchung eine reinliche Sonderung der Slaven und Kelten von den ihnen physisch viel-
leicht nahe stehenden Germanen für unerlässlich halten. Es kommt also ganz auf den
Standpunkt an, von wo aus man urteilen will. Fachgelehrte sind jedenfalls auf beiden
Seiten vertreten.
Niemand dürfte dem Verfasser wegen seines Fleisses in der Durcharbeitung des
gewaltigen Materials, seines unerschrockenen Kämpfens für seine Überzeugung und der
urbanen Form seiner Polemik, der oft recht unbarmherzigen Kritik gegenüber, die volle
Anerkennung versagen. Vor allem ist es der historische Teil, die Darstellung der
einzelnen germanischen Stämme, ihrer Wanderungen und ihrer primitiven Kultur, die von
grosser Belesenheit und eingehendem Quellenstudium zeugt, doch muss dessen Würdigung
und Kritik den Fachgermanisten überlassen werden. Auch der Abschnitt über den germa-
nischeu Stil bietet manches beachtenswerte und ist geeignet falsche Vorstellungen über
das Barbarentum dieser Stämme zu berichtigen. Vortrefflich sind besonders die Be-
ziehungen des romanischen Stils zur nordischen Holzarchitektur dargelegt.
Eine um so schärfere Zurückweisung verdienen die Abschnitte, in denen der Ver-
fasser seine bekannten Ansichten über die Herkunft und die ethnologische Stellung der
Germanen innerhalb der indogermanischen Völkergruppe darlegt, ohne sie besser zu be-
gründen als bisher. Es werden weniger Beweise als subjektive Ansichten gegeben und
vielfach den Gegnern die Aufstellung stichhaltiger Gegengründe zugeschoben.
Vor allem holt die Argumentation viel zu weit aus, indem sie im wahren Sinne des
Wortes ab ovo anfängt. Der Anfang des Lebens, die Urheimat des Menschengeschlechts,
die Rasscnbildung, der diluviale Mensch Europas sind Fragen, die mit dem Thema: wer
sind und woher kommen die Germanen? nicht das mindeste zu schauen haben, da jede
Möglichkeit fehlt, das indogermanische Urvolk mit der um mehrere Jahrtausende älteren
— 707 -
eiszeitlichen Bevölkerung in Beziehung zu bringen. Was über die urzeitlichen Rassen
Europas gesagt wird, entbehrt jeder sicheren Grundlage, ist zum Teil sogar rein phan-
tastisch, wie die Angaben über Haut, Haar und Augenfarbe jener nur aus Skelettteilen
bekannten Menschen, die Verwandtschaft der alpinen Brachycephalen mit Asiaten und gar
Amerikanern, der fossilen Mcntone-Menschen mit Negern oder Tasmaniern.
Als Repräsentant einer Rasse dürfte höchstens der Neandertalmensch aufzufassen
sein (Homo primigenius), während H. mediterraneus, H. priscus und H. alpinus nichts
sind als völlig unbestimmbare homunculi, im wesentlichen Produkte des Schematismus
unserer westlichen Nachbarn. Sie hätten nur mit der allergrössten Reserve angeführt
werden dürfen. Den Homo priscus von Cro Magnon, Madeleine, Solutre, Mentone be-
trachtet der Verfasser als die Stammform der herrlichen, blonden, langköpfigen, reich-
begabten nordeuropäischen Rasse (Homo curopäus), die dem abschmelzenden Eise nach-
folgend aus Mitteleuropa nach dem südlichen Skandinavien hin vordrang und dort die
Grundlage aller späteren europäischen Gesittung aus sich heraus entwickelte. Die starke
Zunahme dieser reinen und edlen Rasse nötigte zu Wanderungen nach Süden, Südwesten
und Südosten, wo inzwischen unter dem Einlluss rundköpiiger Horden Bastardrassen ent-
standen waren. Diese Züge, deren letzten die Germanen bildeten, sind das, was man
arische Wanderung nennt, denn die edlen nordischen Blonden sind eben das indo-
germanische Urvolk! In der Tat eine äusserst einfache Lösung der schwierigen Frage,
die nur den Fehler hat, dass sie mit den allerdings recht unbequemen Indern und
Eraniern, den eigentlichen Arya, die doch überhaupt erst zur Annahme eines indogerma-
nischen Urvolks Anlass gegeben haben, nichts rechtes anzufangen weiss.
Die Inder, die uns doch die ältesten arischen Sprachproben überlieferten, werden
nur einmal ganz beiläufig erwähnt. Sie passen eben nicht in das Schema, der blonden
und brünetten Komplexion und der Schädelindices, doch hätte wohl der Blonden in
Baktrien und Baltistan gedacht werden können, wenn durchaus alle brünetten Arier Asiens
elende Bastarde sein sollen. Der Verfasser gibt sich <dne überflüssige Mühe, die asiatische
Herkunft der Frindogermanen zu bekämpfen, die in dem früheren Sinne von niemand
mehr ernsthaft aufrechterhalten wird, wogegen die von Schrader, mit allen Hilfs-
mitteln der Wissenschaft formulierte, mit den Sprachverhältnissen am besten stimmende
Hypothese, dass das weite Steppengebiet Südrusslands, allgemein die Länder zwischen Ostsee
und Schwarzem Meer, als ältester eruierbarer Sitz der gesamten arischen Stämme anzusehen
sei, nur ganz flüchtig berührt wird. Die grosse innere Unwahrscheinlichkeit der skandi-
navischen Hypothese beruht doch wesentlich in der Kleinheit uud den ungünstigen
Kxistenzbedingungen dieses Gebietes, das schwerlich jemals eine grössere Bevölkerung,
die fast halb Europa und einen grossen Teil Asiens mit Menschenmaterial hätte ver-
sorgen können, besass. Freilich will der Verfasser von der linguistischen Methode nichts
wissen, was ihn aber nicht abhält, selbst fortwährend sprachliche Argumente mit heran-
zuziehen, manchmal auch invita Minerva!
Je weiter der Verfasser sich von Nordeuropa entfernt, desto phantastischer werden
seine Konstruktionen. Die blonde, nordische und damit germanische Rasse wird auch in
Etrurien, Griechenland, Spanien bei Basken und Iberern, in Asien unter Skythen und
Persern nachgewiesen. Überall wirkte sie als Kulturträgerin, selbst die alten Sumerier
und Babylnnier haben nur durch solche nordischen Einflüsse ihre Kulturstellung erreicht,
insbesondere die Metallkenntnis erhalten. Schon längst weiss man. dass die sumerischen
Wörter „urud" Kupier. „anagM Zinn, „Dalag" Beil als Lehnwörter von den benach-
barten Ariern in uralter Zeit übernommen sind, worüber Schradar ausführlich sich aus-
lässt. Wil-er stellt die Sache schlankweg auf den Kopf uud erklärt die entsprechenden
Wörter „raudus", „naga", ..paracir für germanische, auf die Sumerier übergegangene
ürwörter, ohne auch nur den Versuch einer etymologischen Begründung zu machen.
In den eebt semitischen Namen Dagon, Ann, Samas indogermanische Wurzeln zu
sehen, ist ebenfalls ein starkes Stück! Dass auch die ägyptische Kultur als arisch beein-
flussl bingestelli wird, ist demgegenüber noch harmlos. In ähnlichem Sinne ist der
kulturgeschichtliche Teil behandelt. Nordeuropa wird ausführlich als Ursprungsland der
Bronzekultur dargestellt, während Babyloniens dabei nur auf einigen Zeilen gedacht wird.
Die Germanen sind auch die eigentlichen Erfinder der Buchstabenschrift, die Runen das
— 708 —
urarische Alphabet, von dem alle anderen abzuleiten sind. Dann müsste man doch
■wenigstens Zeichen und Inschriften nachweisen, die älter sind als die ältesten italischen
und griechischen, sonst schwebt die ganze Theorie in der Luft. Offenbar ist dem Ver-
fasser die Steinen sehe Abhandlung in der Bastianfestschrift entgangen, sonst hätte er
es wohl vermieden, seine Runenzeichen in der Reihenfolge aufzuführen, die durch
Stichworte des Vaterunsers als mnemonischem Hilfsmittel bestimmt wird.
Es ist in höchstem Masse bedauerlich, den Verfasser auf solchen Irrpfaden wandeln
zu sehen, um so mehr als der historische Teil des Buches nach Inhalt und Form auch
höhere Ansprüche befriedigt.
P. Ehrcureich.
Geographenkalender. Herausgegeben von Dr. Hermann Haack. 2. Jahrg.
1904/05. Gotha, Justus Perthes.
Als stattlicher Band mit 290 Seiten Text und 16 Karten in Farbendruck führt sich
der 2. Jahrgang des Kalenders ein. Es ist wohl die beste Empfehlung für ihn, dass man
die Überzeugung gewinnt, in wenig Jahren wird er ein unentbehrliches Handbuch für
jeden sein, der die geographischen, ethnographischen und verwandten Disziplinen verfolgt.
Der reiche, sehr übersichtlich geordnete Inhalt stammt von verschiedenen wohlbekannten
Gelehrten. Paul Lehmann übernahm das Kalendarium mit einem Anhang über Sternzeit,
Erddimensionen u. a. Den Rückblick über die Weltbegebenheiten des Jahres 1903 gibt
Paul Langhans. Weltbegebenheiten im Sinne des Kalenders sind ebeuso Eröffnungen
neuer Verkehrswege und Grenzregulierungen wie der macedonische Aufstand. Hugo
Wichmann behandelt die Geographischen Forschungsreisen des Jahres 11)03, und daran
anschliessend Wilhelm Blankenburg die geographische Literatur des Jahres. Nach
Erdteilen und Ländern geordnet, den Inhalt der betr. Schriften kurz charakterisierend, gibt
dieser Teil des Kalenders einen dankenswerten bibliographischen und zugleich kritischen
Überblick. Eine Totenliste des Jahres mit kurzer biographischer Würdigung wurde vom
Herausgeber zusammengestellt. Und seine Arbeit sind auch die wertvollsten und will-
kommensten Abschnitte: Ein umfangreiches Adressbuch aller Lehrstühle, wissenschaftlicher
Anstalten und Gesellschaften der Erdkunde und verwandter Wissenschaften sowie ein Ver-
zeichnis der geographischen Zeitschriften und Verlagshandlungen.
So ist in dem Bande ein reiches Material mit wissenschaftlicher Sorgfalt verarbeitet.
Die Ausstattung ist, wie vom Verlag Perthes nicht anders zu erwarten, eine vortreffliche
und dabei der Preis ein verhältnismässig geringer, so dass man in jeder Beziehung den
Kalender warm empfehlen kann. Traeger.
IV. Eingänge für die Bibliothek.1)
1. Stieda, L., Referate aus der russischen Literatur. Archäologie I und II. Braun-
schweig 1904. 4°. (Aus: Archiv für Anthropologie. N. F. IL) Gesch. d. Verf.
2. Stratz, C. H., Die Fraucnkleidung und ihre natürliche Entwicklung. 3. Aufl. Stutt-
gart: F. Enke 1904. 8°. Vom Verleger.
:;. Lehmann-IS itsche, Rob., Die dunklen Hautflecke der Neugeborenen bei Indianern
und Mulatten. Braunschweig: F. Vieweg u. Sohn 1904 4". (Aus: Globus,
Bd. 85.) Gesch. d. Verf.
1. Lehmann-Nitsche, Rob., La „Mancha Morada" de los recien naeidos. Buenos
Aires 1904. 8°. (Aus: Segundo Congreso Medico Latino-Americano.) Gesch.
d. Verf.
;').. Schultz, W., Das Farbenempfindungssystem der Hellenen. Leipzig: J. A. Barth
1904 8". Vom Verleger,
f.. Schrader, 0., Die Schwiegermutter und der Hagestolz. Braunschweig: G. Wester-
mann 1901. 8°. Vom Verleger.
7. Miske, Kaiman Freiherr von, Die Bedeutung Velem St. Veits als prähistorische
Gussstätte mit Berücksichtigung der Antimon-Bronzefrage. Braunschweig 1904
4°. (Aus: Archiv für Anthropologie. N. F. Bd. IL) Gesch. d. Verf.
S. Kraemer, Hans, Weltall und Menschheit. Bd. 5. Berlin u. Leipzig: Bong u. Co.
1901. 49. Vom Verleger.
'.". lMoss, H. und Bartels, Max, Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. VIII. Aufl.
Leipzig: Tb. Grieben 1904. 8°. Gesch. d. Verf.
10. Festschrift zur 34. allgemeinen Versammlung der Deutschen Anthropologischen Ge-
sellschaft. Dargeboten vom Wormser Altertumsverein. Worms 1903. 4°. Gesch.
d. Hrn. Prof. Lissauer.
11. Bartels, Paul, Berichte über die Herrichtung einer kraniologischen Sammlung, haupt-
sächlich von Schädeln aus der Steinzeit . . . Worms 1904. 4°. ,Aus: „Vom
Rhein", Jahri:. •">.) Gesch. d. Verf.
12. Luscban, F. von, Das türkische Schattenspiel. Leiden 1S88. 4°. (Ana: Internat.
Arch. f. Ethnographie IL) Gesch. d. Verf.
13. Waldeyer, W., Bemerkungen über den Bau der Menschen- und Affen-Placenta.
Bonn: M. Cohen et Sohn 1890. 8°. Aus: Archiv für Mikroskopische Anatomie.)
14. Leemans, C, Börö-Boedoei op het Eiland Java ... Met toelichtenden en ver-
klärenden Tekst, naar de geschreven en gedruckte Verhandlingen van F. C.
Wilsen, J. F. G. Brumund en andere Bescheiden . . . Leiden: E. J. Brill
L873. 8°.
15. Settner, Felix, Illustrierter Führer durch das Provinzialmuseum in Trier. Trier:
Fr. Lintz L908. 8 .
Nr. 13—15 angekauft.
1) Die Titel der eingesandten Bücher und Sonder-Abdrücke werden regelmässig hier
veröffentlicht, Besprechungen der geeigneten Schriften vorbehalten. Rücksendung un-
verlangter Schriften findet nicht statt
— 710 —
16. Elbert, Johannes, Die Entwicklung des Bodenreliefs von Vorpommern und Rügen.
1. Teil. Greifswald: Jul. Abel 1904. 8°.
17. Baier, Rudolf, Vorgeschichtliche Gräber auf Rügen und in Neuvorpommern. Auf-
zeichnungen Fr. v. Hagenows. Greifs wald: Jul. Abel 1904. 8°.
18. De ecke, W., Säugetiere aus dem Diluvium und Alluvium der Provinz Pommern.
Greifswald: F. W. Kunike 1904. 8°.
19. Bilder aus dem pommerschen Weizacker. Stettin 1904. S".
20. Seger, Hans, Der Schutz der vorgeschichtlichen Denkmäler. Denkschrift der Komm.
d. deutsch, anthrop. Ges. (Breslau 1904). 8°.
21. Führer durch das Museum zu hübeck. 5. Au 11. Lübeck 1904. 8°.
22. Bonnet, Robert, Der Skaphokephalus Synostoticus des Stettiner Webers. Wiesbaden:
J. F. Bergmann 1904. 8°.
23. Stubenrauch, Adolf, Die Maasssche prähistorische Sammlung im Altertumsmuseum
in Stettin. Stettin 1904. 8n.
Nr. 16—23 Gesch. d. Hrn. Prof. Lis sauer.
24. Merker, M., Die Masai. Ethnogr. Monographien eines ostafrikanischen Semitenvolkes.
Berlin: Dietr. Reimer 1904. 4°. Vom Verleger.
25. Schweinfurth, G., Der Taumellolch in altägyptischen Gräbern. Berlin 1904. 2°.
(Aus: Vossische Ztg. Nr. .'i:'>7.)
26. Patron, Pablo, Peru primitivo. Notas Sueltas. Lima 1902. 8".
27. Hamy, E. T., Le centeuaire du retour en Europe d'Alexandre de Humboldt et d'Aime
Goujaud de Bonpland. Angers: A. Burdin et Cie. 1904. 8°.
28. Panhuis, L. C. van, Beiträge zur Ethnographie, Linguistik und Entdeckungsgeschichte
Amerikas. Haag: Algem. Landsdrukkerej 1904. 8°.
29. Humbert, M. Jules, La premiere occupation Allemande du Venezuela au XVIe siecle.
Paris: Soc. de Americ. 1904. 4°.
30. Chavero, Alfred, El monolito de Coatlinchan. Mexico: Mus. Nacional 1904. 4".
31. Batres, Leopoldo, 1) Visita a los monumentos arqueologicos de „La Quemada"
Zacatecas. Mexico: Fr. Diaz de Leon 1903 4°. — 2) Exploraciones en Huexotla,
Texcoco y „El Gavilan". Mexico: F. Diaz de Leon 1904. 4°. — 3) Tlaloc?
Mexico: Gante 1903. 4°.
32. Beiträge zur Anthropologie, Ethnographie und Archäologie Niederl. Westindiens. Von
E. Schmeltz, C. Leemans, G. A. Koeze. Haarlem: H. Kleinmann & Co.
1904 4°. (Aus: Mitt. a. d. Niederl. Reichsmuseum f. Völkerk.)
33. Sapper, Karl, Der gegenwärtige Stand der ethnographischen Kenntnis von Mittel-
amerika. Braunschweig 1904. 4°. (Aus: Archiv für Anthropol. N. F. III 1.)
Nr. 24—33 Gesch. d. Hrn. Dr. Träger.
34. Folkinar, Daniel, Album of Philippine Types. Manila: Publ. Printing 1904. Quer-4°.
Vom Bureau d. Philipp. Ausstellung.
35. Quedenfeldt, M., Division et repartition de la population Berbere au Maroc. Trad.
de l'Allemand par H. Simon. Alger: A. Jourdan 1904. 8°. Gesch. d. Hrn.
Simon.
36. Bericht über die Gemeinde-Verwaltung der Stadt Berlin in den Verwaltungsjahren
1895—1900. Teil 2. Berlin: Carl Heymann 1904. 4°. Vom Berliner Magistrat.
37. Codex Magliabecchiano XIII. 3. Ms. Mexicain repr. . . . aux frais du Duc de Loubat.
Rome: Danesi 1904. 8". Gesch. d. Hrn. Herzog v. Loubat.
38. Catalogus der Munten en Amuletten van China, Japan, Corea en Annam. Door H. N.
Stuart. Batavia ä 's Gravenhage 1901. 4°. Von der Batav. Genoot. v. Kunst,
en Wetenschappen.
39. Weulc, Karl, Das Meer und die Naturvölker. Ein Beitrag zur Verbreitungsgeschichte
der Menschheit. Leipzig: Dr. Seele & Co. 1904. 4°. (Aus: Zu Friedrich Ratzeis
Gedächtnis.) Vom Verleger.
40. Behlen, H, Der Pflug und das Pilügen bei den Römern und in Mitteleuropa in vor-
geschichtlicher Zeit. Dillenburg: L. Seels Nachf. 1904. 8°. Gesch. d. Verf.
11. Grierson, P. J. Hamilton, The silent trade, a contribution to the early history of
human intercourse. Edinburgh: W. Green et Sons 1903. 8°. Gesch. d. Verf.
42. Hansemann, 1). v., Das menschliche Skelet. Eine kurze Zusammenstellung für
Nichtmediziner zum Gebrauch bei Ausgrabungen. Berlin: A. Hirschwald 1904.
8°. Gesch. d. Verf.
43. Breysig, Kurt, Die Entstehung des Staates aus der Geschlechterverfassung bei Tlinkit
und Irokesen. Leipzig: Dunker & Humblot o. J. 8°. (Aus: Jahrb. f. Gesetzgeb.,
Verwalt. u. Volkswirtschaft.) Gesch. d. Verf.
44. Sarauw, Georg F. L., En stenalders boplads i Magiemose ved ."Uullerup . . . Koben-
havu 1901. S". (Aus: Aarboger for nordisk oldkyndighet og historie 1903,)
Gesch. d. Verf.
45. Kramar, Ph. C. Karl, Über die sumerisch-gruzinische Spracheinheit. Prag: Selbst-
verlag 1904. 8". Gesch. d. Verf.
4G. Pacher, Paul, Der klägliche Versuch, Eugen Dühring totzuschweigen. Salzburg:
Selbstverlag 1904. 8° (1G('). Gesch. d. Verf.
47. Thieullen, A., Hommage ä ßoucliev de Perthes. Paris 1904. 4°. (Aus: Compt.
rend. de la Societe dY-mulation d'Abbeville.) Gesch. d. Verf.
48. Bellos, Lukas G. |Griechisch], Albanika oder die drei lebenden Dialekte der grie-
chischen Sprache. Athen: Nationaldruckerei 1903. 8°. Gesch. d. Verf.
49. Schaefer, Heinrich, Über die Stirnwaffen der zweihufigen Wiederkäuer oder Artio-
dactylen. München: E. Pohl o. J. 1". (Aus: „Der Deutsche Jäger".) Gesch.
d. Verf.
50. Krause, Eduard, Vorgeschichtliche Fischereigeräte und neuere Vergleichsstüeke.
Berlin: Gebr. Borntraeger 1904. 4°. Gesch d. Verf.
51. Krause, Eduard, Die Werktätigkeit der Vorzeit. Mit einer Einführung. Die Anfänge
der Technik von Max v. Eyth. Berlin: Bong & Co. 1904. 4°. (Aus: Weltall
und Menschheit, 5. Bd.) Gesch. d. Verf.
52. Davenport, C. B., Statistical Methods with special reference to Biological Variation.
2. ed. New York: J. Wiley et Sons 1904. 8°. Gesch. d. Verf.
.">:;. Seier, Eduard, Gesammelte Abhandlungen zur Amerikan. Sprach- und Altertums-
kunde. Bd. -2. Berlin: A. Asher & Co. 1904. 4°. Gesch. d. Verf.
54. Seier, Eduard, Codex Borgia. Eine altmexikanische Bilderschrift . . . Bd. 1. Berlin
1904. 4°. (Herausg. auf Kosten S. E. des Herzogs von Loubat.) Gesch. d.
Herzogs von Loubat.
55. Albrecht, Gustav, Straubes Märkisches Wanderbuch. 21. Aufl. 3 Teile. Berlin:
Jul. Straube 1904. 8°. Gesch. d. Verf.
56. Rosen, Eric v., The Chorotes Indians in the Bolivian Chaco. Stockholm: Haegg-
ströms Boktr. 1904. 8°.
57. Rosen, Eric v., Archaeological Researches on the frontier of Argentina and Bolivia
in 1901-1902. Stockholm: Haeggströms Boktr. 1904. 8°.
Nr. 56 — 57 vom Amerikanistenkongress.
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(Aus: Arch. f. Anthrop. N. F. II 3.) Gesch. d. Verf.
59. Ehrenreich, P., Die Ethnographie Südamerikas im Beginn des XX. Jahrh. unter
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Arch. f. Anthrop. N. F. III 1.) Gesch. d. Verf.
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prähistorischen Steinwerkzeuge. Greifswald 1S99. S". (Aus: »Führer für die
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P. Prosperini 1904. 8°. (Aus: Rivista di Storia Antica N. S. VIII.) Gesch.
d. Verf.
G2. Giuffrida-Ruggeri, V., 1) La capacitä del cranio . . . Roma 1904. 8°. (Aus: Atti
della Soc. Rom. di Antrop. X.) — 2 L'indice tibio-feiuorale e Pindice radio-
omerale. Fireuze L904. 8°. (Aus: Arch. di Anat. e di Embriologia III.) —
'■'<■ !..• ossificasioni di spazi suturali e i parietali divisi. Fireuze L904. S". i^Aus:
Monitore Zool. Italiano \V.) Gesch. d. Verf.
— 712 —
63. Fritsch, G., Vergleichende Betrachtungen über die ältesten ägyptischen Darstellungen
von Volkstypen. Jena: G. Fischer 1904. 4°. (Aus: Naturwiss. Wochenschr III.)
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Chilene Buenos Aires 1904. 4°. (Aus: Anales del Mus. Nacional de Buenos
Aires XI.) Gesch. d. Verf.
68. Fischer, H., Eine altmexikanische Steinfigur. Braunschweig 1904. 4°. (Aus: Globus
Bd. 85.) Gesch. d. Verf.
69. Fischer, Eugen, Nochmals Walkhoffs Lehre von der Kinnbildung. Jena 1904. 8n.
(Aus: Anatom. Anzeiger, XXV. Bd.) Gesch. d. Verf.
70. Fischer, Wilhelm, Ein einfaches und praktisches Verfahren für Hand- und Fuss-
abdrücke auf Papier. München 1904. 4°. (Aus: Korrespond.-Bl. der Deutsch.
Anthrop. Ges.) Gesch. d. Verf.
71. Preuss, K. Th., Der Ursprung der Menschenopfer in Mexiko. Braunschweig 1904.
4°. (Aus: Globus, Bd. 86.) Gesch. d. Verf.
72. Lortet et Hugouneng, Analyse du natron contenu dans les urnes de Maherpra.
Paris 1904. 4°. (Aus: Comp. rend. ... de l'Acad. des Sciences, T. 139 p. 115.
Gesch. d. Verf.
73. Behlen, Eine Ablagerung rheinischen Bimssandes und eine Ansammlung diluvialer
und recenter Eulengewölle am Wildweiberhausfelsen . . . Herborn 1904. 4°. (Aus:
Herborner Geschichtsblätter 1904.) Gesch. d. Verf.
74. Lanz-Liebenfels, J., Anthropozoon biblicum. Biblio-Exegeticon II. Berlin 1904.
8°. (Aus: Viertelj. für Bibelkunde III.) Gesch. d. Verf.
75. Hagen, Karl, Museum für Völkerkunde zu Hamburg. Bericht für das Jahr 1903.
Hamburg 1904. 8°. (Aus: Jahrb. der Hamburg. Wissenschaftl. Anstalt XXI.)
Gesch. d. Ve:f.
76. Hultzsch, E., South-Indian Inscriptions. Vol. III. Part. IL Madras: Governm.
Press 1903. 4°. (Aus: Archaeolog. Survey of India. Vol. 29. Vom Super.
Govt. Press.
77. Bericht des Museums für Völkerkunde in Lübeck über das Jahr 1903. Lübeck 1904.
8°. Gesch. d. Hrn. Prof. Li s sau er.
78. Miske, Kaiman, Freiherr v., Bericht über die im Jahre 1903 in Velem-St. Veit ge-
fundenen Macrocephalen. Wien 1903. 4°. (Aus: Mitteil, der Anthropol. Ges.
in Wien.) Gesch. d. Verf.
79. Driesmans, Heinricb, Menschenreform und Bodenreform. Leipzig: F. Dietrich 1904.
8°. Vom Verleger.
80. Schmeltz, J. D. E., Album of the Ethnography of the Congo-Basin II. 70 piates.
Haarlem: H. Kleinmann et Co. 1901. Quer-2". Angekauft.
(Abgeschlossen den 1. Oktober 1904.)
I. Abhandlungen und Vorträge.
1. Beobachtungen in Kamerun.
Cber die Anschauungen and Gebräuche einiger Nfegerstämme. x)
Von
Dr. A. Plehn, Regierungsarzt a. I).
Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen nur einige zusammen-
hangslose Notizen über gewisse Anschauungen und Gebräuche einzelner
Kamerunstämme mitteilen, die noch wenig bekannt zu sein scheinen.
Zusammenhangslos werden die Mitteilungen, weil ich vermeiden will,
irgendwie zu verallgemeinern, zu kombinieren, zu deuten und namentlich
auch Parallelen zu ziehen. Ich berichte nur, was meine Frau und ich
auf wiederholtes Befragen verschiedener, zuverlässiger Eingeborenen über-
einstimmend erfuhren. Fragen muss man: von selber erzählen die Ein-
geborenen nichts. Aber man muss sich beim Fragen sorgfältig davor
hüten, den Befragten die Antwort in den Mund zu legen. Die Ein-
geborenen sind immer bereit, alles auszusagen, wovon sie vermuten, dass
der Frager es hören möchte. Teils tun sie das aus Bequemlichkeit, teils
aus Gefälligkeit. Beim Fragen muss man stets die Unfähigkeit dieser
Leute berücksichtigen, mit abstrakten Begriffen zu arbeiten. Erst gegen
Ende unseres langen Ivamerunaufonthaltes haben wir tatsächlich verwert-
bare Mitteilungen erhalten, nachdem wir das Vertrauen verschiedener Ein-
geborenen in weitgehendem Mass gewonnen hatten. Auf Anregung unseres
verehrten Freundes Prof. v. Luschan haben wir uns speziell um das
Geheimbundwesen der Dualla bekümmert, welches auch anderen
Stämmen des äquatorialen Westafrika eigentümlich zn sein scheint; aber
nur von den Dualla wissen wir Einzelheiten.
Es existieren verschiedene solche Bundesgesellschaften im Duallagebiet.
„Geheimbunde" sind sie aber eigentlich nicht alle, denn ihre Mitglieder
und Gebräuche sind für die Einheiniischen mindestens teilweise nicht
geheim. Der Europäer dagegen nimmt nur selten etwa- davon wahr. Im
Bereich seiner Einflusssphäre tritt die Wirksamkeit der Bundes-
rereinigungen immer mein- zurück. Die wachsende Aufklärung unter den
1) Vortrag, gehalten in der SitZDDg vom II. Mai L904.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg.1904 Heft 6. i,;
— 714 —
Eingeborenen und die geordnete europäische Verwaltung beschränken die
Machtbetätigung der Bundeswillkür.
Jede der Verbindungen hat ihr Abzeichen; ein für sie charakteristisches
Gerät, welches bei den Festen verwendet wird. Versprechungen und Be-
teuerungen werden durch Bezugnahme auf dieses Gerät bekräftigt. „Es
wird bei diesem Zeichen geschworen" — wenn man so sagen darf. Dass
damit der Bund, welcher das Zeichen führt, die Wahrheit verbürgt, ist
anzunehmen, doch wurde es mir nicht positiv ausgesprochen. Jedenfalls
tritt der Bund dafür ein, dass Forderungen und Drohungen realisiert
werden, welche von einem seiner Mitglieder unter seinem Zeichen mit
seiner Zustimmung übermittelt werden. Die Übermittelung geschieht durch
die Trommelsprache nachts. So wurden z. B. meine beiden Gehilfen
durch die Trommelsprache mit dem Tode bedroht, weil sie am Ableben
eines Landsmannes im Hospital schuld wären. Einer wurde kurz darauf
vergiftet. Gehören die Droher einer Bundesgesellschaft an, was sie in
diesem Fall anscheinend nicht taten, so legen sie dem Opfer das Ab-
zeichen ihres Bundes vor die Tür. Es ist eine Art Fehmgericht.
Meist sind übrigens die Dinge, um welche es sich handelt, un-
schuldigerer Art, und gewöhnlich kommt es auf Erpressung hinaus. Einige
Verbindungen bezwecken nur gemeinsames Vergnügen. So z. B. die
Kongolo, welche Keim Tanz Glocken um den Hals tragen. Harmlos
sind auch die Tambimbe oder Tambinde. Ihr Abzeichen ist die be-
kannte rote Papageischwanzfederkappe, welche ihre Vortänzer tragen; sie
sollen mit Messern und eisernen Nägeln über diejenigen herfallen, welche
sich ihren Spielen zufällig nähern, ohne Bundesmitglieder zu sein. Aber
sie vertreiben die Fremden nur. Freie, wie Sklaven dürfen in diesen
Bund aufgenommen werden.
Weiter gibt es die Mbomako, die Stelzengänger. Sie sind in Dualla
selbst gegenwärtig nicht mehr vertreten, wohl aber in der Xdonga-
niederlassung und vereinzelt auf dem rechten Kamerunflussufer in
Bonaberi und Dibombari. Das Abzeichen ist eine Stelze, als kon-
kreter Ausdruck für die „Grösse" — nicht nur für die physische Grösse —
der Bundesangehörigen, (vielmehr in dem Sinne, in welchem der Küsten-
neger das englische „big" gebraucht). Doch verstehen keineswegs alle
Bundesangehörigen das Stelzenlaufen, sondern nur einige wenige. Die
Stelzen werden am Unterschenkel festgebunden und sind etwa V/2 m hoch.
Es gelang mir nicht, Stelzen zu erhalten, und ich berichte nur nach zu-
verlässigen Angaben. Ich habe speziell darnach gefragt, ob denn etwa
auch die Stelzen demjenigen vor das Hans gelegt wurden, von welchem
die Stelzengänger etwas Bestimmtes forderten, und erhielt eine ganz be-
stimmt bejahende Antwort. Ks wird aber nur eine Stelze hingelegt.
Kinder sieht man in Kamerun öfters zum Vergnügen auf kleinen Stelzen
gehen. Als ich einmal nachts bei .Mondschein einen Krankenbesuch machen
tnusste. geriet ich unter einen Haufen grotesk vermummter Gestalten, die
sich auf einem freieren Platz bei der üblichen Negermusik vergnügten,
und in de]-. 'li Mitte ein ebenfalls verhüllter Stelzengänger umhersprang.
Als die Leute den Europäer erkannten, stoben sie mit Geschrei aus-
— tl:> —
Fi- 1.
einander und verschwanden. Ich hörte nachher, es seien Weineger aus
Liberia gewesen, die als Arbeiter und Soldaten nach Kamerun kommen.
Ich glaube das auch, denn der Gebrauch von Stelzen bei solchen Spiel-
festlichkeiten scheint an der Westküste sehr verbreitet zu sein. Dm
Dualla handelte es sich diesmal jedenfalls nicht.
Der Eintritt in den Bund der Stelzengänger steht in Kamerun Freier
und Sklaven frei.
Ein reiner Sklavenbund ist der der Bajongs. eines grossen
Stammes nördlich von Bali. Seine Angehörigen kommen auf den be-
kannten Wegen aber Bongkeng als Sklaven zum Dibombe und Mungo.
Ihr Abzeichen ist der weitverbreitete Antilopenkopf mit Hörnern und
mannigfachen anderen Zierraten, die er
zum Teil wohl erst an der Küste erhalten
hat; jedenfalls den so oft vorkommenden
Anstrich mit den deutschen Farben (s. Fig. 1).
Den Antilopenkopfsollen nur diese Sklaven
tragen, diese beim Play alter auch alle
(während sonst nur Einzelne die Bundes-
abzeichen führen).
Weiter der Bund der Mungi, zu dem
Freie und Sklaven gehören. Die Mit-
glieder tragen ein oder zwei tätowierte
Kreuze auf der Brust und auf der Haut
des Oberbauchs über dem Nabel. Unser
schwarzer Berichterstatter erzählte: „Sie
können den Menschen sehr krank machen,
so dass er am ganzen Leibe zittert, oft
auch stirbt. .Meistens tun sie es den
Leuten, die ihnen Geld schulden, oder
etwas gestohlen haben. Sie stecken dann
dem Betreffenden einen Mungibusch vor
die Tür oder ins Haus." Ob an dem
Palmbüsche] materielles Gift oder ein
Fluch haften soll, war nicht sicher festzu-
stellen; jedenfalls soll er die Hausbewohner
alle krank machen. Dem Manne, dem das geschieht, bleibt nichts übrig,
als möglichst schnell zu bezahlen. Ist das geschehen, so bringt der nun
befreite Hausbesitzer ..tanzend und mit Gesang den Mungibusch wieder
forf. Die Mungi pflanzen auch einen vergifteten I'fetfer auf das Macabo-
feld dessen, dem sie Leid zufügen wollen. AVenn dieser ihn pflückt, so
missrät die Ernte, oder der Besitzer erkrankt (die diesbezüglichen An-
gaben waren etwas unklar).
Allein Freien mit freien Vorfahren zugänglich, ist der mächtige Bund
der Djingo oder Gingu; seine Mitglieder hat er nur unter den Bell-
leuten, den Jossleuten, sowie unter den Freien in Dibombari. am
Abo und am Wuri. Der angesehene Eäuptling Aqua /.. B. konnte nicht
Mitglied des Bundes werden, weil sein Vater noch Sklave des alten Bell
— 716 -
war. Bei den Spielen und Festen tragen die Sänger des Bundes Kappen
aus Bambusgeflecht mit dichtem Hühnerfederschmuck.
Die Gingu stehen in dem Kufe grosser Macht; sie können Elend
und Krankheit über ganze Dorfschaften bringen. Ein solches Dorf trägt
dann seine Fetische, sowie auch Gerät und allerlei Pflanzen zum Fluss
und wirft alles hinein, „um von vorn anzufangen'1. Die Bedeutung- dieser
Aussage ist nicht ganz klar geworden.1) Vielleicht stellt dieser Gebrauch
ein Opfer dar(?). Die Gingu haben nämlich „Brüder" im Wasser und
im Meere, die „Wassergingu", denen auch sonst nach der Ernte Feld-
früchte geopfert werden. Die Wassergingu, welche man sich als Geister
oder Xixen wird vorstellen müssen, unterstützen die Mitglieder des Gingu -
bundes auf der Mangajagd (die Manga sind Süsswasserrobben, sogen.
Seekühe). Sie „drehen den Manga um", wenn der Jäger sich nähert, so
dass er die Harpune erfolgreich benutzen kann. Andere als Gingus können
mangels dieser Hilfe den Manga mit dem Speer nicht jagen; höchstens
mit Xetzen. „Wenn die Gingu Jemandem ein trocknes Bananenblatt an die
Tür stecken, so muss er elendiglich verderben. Nimmt er das Blatt fort
und wirft es weg, so nehmen die Gingu seine Kühe. Natürlich kann der
Betroffene sich freikaufen; es kommt auch hier schliesslich alles aufs
Geldschneiden hinaus. Die Mitglieder des Gingubundes haben ihre eigene
Geheimsprache.
Ausser von den Wasserdjingo erfuhren wir noch von zwei anderen
Geistern oder Kobolden, mit denen die Phantasie der Eingeborenen in
Dualla sich beschäftigt. Der eine ist Edümo, ein böser Erdgeist, der
die Menschen plötzlich niederschlägt. Er redet durch den Mund von
Weibern, die Krämpfe bekommen, und verlangt z. B. durch deren Mund,
dass die Weiber eines Verstorbenen an bestimmte Verwandte verteilt
werden sollen, sonst würde er viel Krankheit schicken.
Wenn die Dualla ein Loch oder ein Grab graben, so fürchten sie,
dass Edümo herauskommen könne. Die Toten gehen zu Edümo.
Der andere Kobold Ekelle-kette scheint ein neckischer Poltergeist
zu sein. Er wohnt im Busch, hat neun Köpfe und die Leute erzählen sich
von ihm, um sich bange zu machen. Hecht überzeugt von seiner Existenz
sind sie aber nicht; es ist eine Art Rübezahlgestalt. In einem Haushalt
begaben sich z. B. sämtliche Töpfe nachts von ihrem Platz auf einem
Brett an der Wind unter das Bett des Hausherrn mit grossem Gepolter.
Sic wurden an ihren Platz zurückgestellt. Am nächsten Morgen befanden
sie sich aber doch wieder unter dem Bett. Das tut Ekelle-kette.
Eine grosse Rolle spielt in der Phantasie der Schwarzen an der
afrikanischen Westküste der Zauber, welchen einzelne Personen (viel-
1> Möglicherweise bezieht sich auch die von anderer Seite gemachte Mitteilung auf
diesen Gebrauch, dass zu gewissen Zeiten die sämtlichen Hausgötzen im Fluss ver-
nichtet und durch neue Götzen ersetzt werden. Diese Götzen werden von bestimmten
Leuten geschnitzt und neben dem Eingang im Jlause aufgestellt. Ihre Bedeutung ist
nicht klar: wahrscheinlich sollen sie das Haus vor Unheil behüten. Die Kinder fürchten
sich davor, in I)ualla selbst findet man sie kaum; um so häufiger bei den Bergstämmen
(Ngolo, Bakwiri. Bakundu). (Siehe Fig. 2 U. 3,
— 717 —
leicht in ihrer Eigenschaft als Mitglieder bestimmter Geheimbünde?), ver-
üben. Auch die Aufgeklärtesten glauben in gewissem Umfang daran.
So sieht mau vor den Dörfern zuweilen kleine Einfriedigungen von ver-
knüpfte!] Palmblättern, die irgend einen Gegenstand (Topf, Pflanzen oder
dergl.) als Fetisch enthalten. Hier wird eine Art von Gericht abgehalten.
Z. 1>. wird ein gewisses grosses, ganz zähes Iilatt in der .Mitte mit einem
Stein beschwert, und der Angeklagte mtiss versuchen, mit einem Ruck
das Blatt entzwei zu reissen. Gelingt es, so ist er unschuldig. Diese
Fi-'. 2.
Fig. 3.
Einfriedigungen oder kleinen Fetischhütten werden [sango oder Gambi
genannt.
Eine ähnliche kleine Einfriedigung um eine Staude vor dem Hütten-
eingang (Janga) ist bestimmt, das Haus vor Krankheit zu schützen.
Hierher gehört auch der eigenartige Seuchenschutz, welcher von den
Dualla geübt wird. Wenn die Pocken in einer Ortschaft ausbrechen, si>
wird der Geisl der Krankheit durch einen „Buschmann", einen An-
gehörigen des unterdrückten Bassastammes, welcher im Ruf besonderer
Zaubermachl steht, durch mehrtägiges Trommeln und Tanzen aus dem
Dort' vertrieben. Dann wird das Dorf durch Lianenstränge eingefriedigt,
— 718 -
damit die Krankheit nicht wieder hinein kann. Nur über den Haupt-
wegen werden galgenartige Tore aus gebogenen verschnürten Stangen
errichtet. Unter diesen Toren werden als Opfer Tiere, Ziegen und
Banner, vergraben; es werden verschiedene Pflanzen darangehängt ;
daneben besonders auch die bekannten pilzförmigen Termitenbaue aus
Erde. Letztere werden auch seitlich im Boden unter diesen Zaubertoren
befestigt. Den Mittelpunkt des Arrangements bildete einmal (in Nyanga
am Dibombe) ein grosser, frisch getöteter Hund, der über der Mitte des
Durchgangs in besonderer Weise festgeschnürt war; in Didodorf Fische,
die am Torbogen aufgehängt waren (siehe Fig. 4). „Die Buschleute hatten
viel Geld für ihren Zauber bekommen", wurde mir versichert: auch nach
Didodorf waren sie aus Bassa geholt worden.
Fi?. I.
Eine der gefürchtetsten Formen des persönlich ausgeübten Zaubers
wird als Dgala-mu tumbu, „Gewehr des Mundes", bezeichnet. Der
.Medizinmann stellt ein Gift her, mit welchem er das eine Ende eines
Hölzchen bestreicht. Das andere nimmt er in den Mund und probiert
die Wirkung zunächst an einem etwa vorüberlaufenden Hunde. Er spricht
dann: „Dieser Bund soll tot sein-. Ist das Gift gut, so verendet der
Bund. Der Medizinmann verkauft dann das Gift auch an andere. Der
Besitzer begibt sich mit dem giftbestrichenen Hölzchen im Munde zu
Beinern ()|»fcr. und bei der Begrüssung sag< er leise dessen Namen, vielleicht
auch nocli eine Verwünschung dazu. Der angesprochene stirbt dann ent-
weder sofort, oder er siecht langsam dahin, je nachdem es der Zauberer
bestimm! hat. Der Täter rühm! sich dann oft öffentlich seiner Tat; er
bekommt auch wohl Händel („Palaver") mit den Verwandten des Ge-
töteten, aber dem Zauberer geschieht schliesslich nichts. Der Glaube an
— 719 —
diesen Zauber ist ganz allgemein. Mein sonst völlig aufgeklärter Gehülfe
Anjii versicherte meine Frau, dass aucli viele Europäer dadurch stürben;
von einem Kaufmann wisse er es ganz genau.
Der hier geschilderte Aberglauben ist bezeichnend für die stete
konkrete Vorstellungsweise der Eingeborenen: Der Wunsch, <\<'\- abstrakte
Fluch, genügen nicht-, es wird ein materiell vorhandenes Gift mit' unsicht-
bare Weise in «las Opfer „hineingeschossen", wie unser Gewährsmann
sich ausdrückte.
Dieselbe materielle Anschauungsweise tritt auch beim Fernzauber
hervor. Der Medizinmann, oder derjenige, welcher vom Medizinmann die
Macht hat, bekommt seinen Feind in der Gestalt einer Schildkröte in
seine (iewalt. Diese Schildkröte macht er krank und erhält sie krank
oder lässt sie schliesslich sterben. Mit der Schildkröte siecht der Gegner
dahin, und erst, wenn man die Schildkröte gesund werden lässt, gesundet
auch der .Mensch.
Natürlich muss wieder enorm gezahlt werden, damit Schildkröte und
Mensch genesen können. Der Missionar, welcher mir dieses mitteilte —
einer der zuverlässigsten und tüchtigsten, die in Kamerun gearbeitet
haben — erklärte zwar, er glaube nicht an diesen Zauber, versicherte
jedoch zugleich, dass er einen solchen Fall persönlich beobachtet habe.
Bei den Eingeborenen ist der Glaube an Fernzauber fest eingewurzelt.
Als ich mich im Jahr 1900 mit dem Regierungsdampfer dienstlich
auf dem Sannagafluss aufhielt, wurden wir von einem kleinen Jimgen im
Kanu verfolgt, der uns anrief und flehentlich bat, seinem Vater zu Hilfe
zu kommen, welchen die Dorfbewohner in der Nähe töteten, da er be-
schuldigt werde, ihre Landsleute „vergiftet" zu haben. Ich fand einen
älteren .Mann auf sehr unbequeme "Weise unter einem Blätterdach in der
Mitte des Dorfes befestigt. Er war im vorgerückten Zustande des Ver-
nungerns. Die Untersuchung ergab, dass der Mann weit jenseits de>
Sannagastromes zu Hause war. und durch Fernzauber gewirkt haben
sollte.
Wiederum ein konkretes Substrat für einen bestimmten Unheilswnnsch,
stellen Holzsplitter dar, welche auf die Pusspfade gelegt werden und dem
Passanten, der sie berührt, ein spezifisches schweres Pussleiden zuziehen.
Es gibt auch einen Zauber, welcher unsichtbar macht. Die Elefanten -
jäger erwerben ihn für sehr viel Geld, und meist noch mit der Bedingung,
dass ein Zahn <les erbeuteten Tieres dem Medizinmann gehört. Die
Jäger gehen dann im Vertrauen auf ihre Unsichtbarkeit tollkühn Ins auf
wenige Schritte an ihre Beute heran und erlegen viele Tiere. Bald aber
ersteht irgendwo ein anderer Zauber, welcher stärker ist. und der Elefant
tötet dann seinen ihm sichtbar gewordenen Verfolger.
Wieder ein anderer Zauber, der in einer Abwaschung besteht, soll
:i Schlangenbiss schützen. Mir wurde eines Morgens von einem alten
Bassasklaver eine last armdicke Hornviper zum Kaut' angeboten, welche
der kaum bekleidete Mann frei mit beiden Münden festhielt und mir zur
Ansieht entgegenstreckte. \l> ich sah. da-- sie keineswegs t<>t. sondern
höchst munter war. trat ich unwillkürlich ein paar Schritte zurück. Diese
— 720 —
Äusserung der Furcht seitens des weissen Doktors, der bei den meisten
Eingeborenen doch für den grössten Zauberer gilt, entlockte dem Bassa
einen Ausruf des Staunens. Er wickelte dann die Hornviper um seine
Arme, um seinen Hals, und als ich saute, sie sei doch wohl tot, und ich
hätte mich getäuscht, setzte er sie auf den Boden und fing- sie wieder mit
den Händen als sie entfliehen wollte. Meine Gehilfen, die dabei standen
und dolmetschten, behaupteten auf meine diesbezügliche Frage, die
Buschleute verständen garnicht, der Schlange die Giftzähne fortzunehmen,
and ich niuss gestehn, dass ich auch nicht wüsste, zu welchem Zweck sie
das tun seilten, da sie die Schlangen niemals zähmen oder im Hause
halten, wie die Inder. Ich stehe hier durchaus vor einem Rätsel, denn
selbst wenn diese Schlange keine Giftzähne gehabt haben sollte, so ist
doch nicht zu erklären, weshalb sie gar keinen Versuch zu beissen
machte, wo sie doch eben erst gefangen war. Dass sie das nicht tat,
konnte ich aus allernächster Nähe beobachten.
Verschiedene Stämme, z. B. die Bali und Jaunde; auch einzelne
Weistämme fürchten den „bösen Blick", ganz besonders, wenn er sich
auf die Genitalien richtet, denn er bewirkt dann Impotenz. Es wird
deshalb von diesen Leuten, z. B. bei ärztlichen Untersuchungen, wo sie
sich entblössen müssen, mindestens der Penis mit grosser Gewandheit bei
geschlossenen Beinen zwischen die Oberschenkel geklemmt, und so dem
Blick entzogen, der ihm schaden könnte.
Zur Stärkung der Körperkraft, ganz speziell der Potenz, tragen die
Eingeborenen fast überall Pantherzähne an einer dünnen Schnur um die
Hüften. Diese Zähne stehen deshalb sehr hoch im Preise.
Es Liegt auf der Hand, dass von den fremden, nur vorübergehend in
Kamerun tätigen Negern wenig über ihre Anschauungen zu erfahren war.
Die kruneger aus Liberia, die zuverlässigsten und wertvollsten
Arbeitei- der Westküste, verehren den Mond; sie opfern ihm Reis und
halten ihre Spiele bei Vollmond. (Die Dualla tanzen zwar auch gern
beim A'ollmond, aber nur. weil es da eben hell ist.) Wenn beim Abend-
schein die schmale Sichel des neuen Mondes eben sichtbar wird, dann
herrscht bei ihnen Freude, und es besteht eine Art Wetteifer, wer den
jungen Mond zuerst entdeckt.
Die Km Legen grossen Werl auf die Treue ihrer Frauen. Sie nehmen
nur seh]' wenig Frauen auf ihre Arbeitsfahrten mit und bewachen sie auf
das Bchärfste, ohne sie aber einzuschliessen. Bei Untreue Ertappte
weiden unter entsetzlichen Martern getötet.
Bei den Weinegern, die ebenfalls aus Liberia stammen und dort
in einem gewissen Hörigkeitsverhältnis zu den Kninegern stehen, gelten
die Mitglieder einzelner Familien für ansterblich, während das Gros mit
dem Tode zu existieren mithört. Ich erfuhr dies aus Anlass von Obduk-
tionen, die ich ausführte. Sie wurden stets ohne jeden Widerspruch
gestattet. AI- aber der Sergeant Bolma IV wegen Verdacht auf Beri-Beri
sezier! werden sollte, gab es seitens der sonst so wohldisziplinierten
Soldaten die tollsten Auftritte. Die Leiche wurde erst aus dem Hospital,
dann aus dem Leichenhaus geraubt, und schliesslich machte ich die
— 721 —
Sektion, umdrängt von einer Schar der Kameraden des Toten, welche
Acht gaben, dass nichts verschwinden sollte, weil es dem Toten im
Jenseits dann fehlen würde. Boima entstammte einer besonders vor-
nehmen Familie, welche den Vorzug der Unsterblichkeit besass.
Einige interessante Erkundigungen konnte ich auf einer Reise
machen, <lie mich 1901 in die Gebirge nordöstlich von Nkossi führte,
wo nahe Verwandte der Nkossi wohnen. Hier fielen mir an den meisl
gut gehaltenen Wegen, etwa ] , Stunde vom Dorfeingang künstlich s:e-
reinigte, freie Plätze unter den Waldbäumen auf, in deren Mitte mehr
oder weniger umfangreiche Pyramiden von alten irdenen Töpfen ver-
schiedener (irösse aufgetürmt waren, wie sie die Leute dort zum Kochen
benutzen. I>ei näherem Zusehen zeigte sich, dass in den Boden sämt-
licher Töpfe ein Loch geschlagen war; sie waren meist dicht mit grünem
Moos überwachsen. Gelegentlich fand ich auch an den Wegen sonst
solche Töpfe aufgehäuft, und in ihrer Nähe zuweilen einzelne, offenbar
absichtlich durchlöcherte Zeugstücke und verschiedene Geräte, z. B.
Tragkörbe der Frauen, Holzschüsse] und -Löffel; nie etwas von Wert.
Ks war offenbar, dass diese Dinge mit dem Totenkultus zu tun hatten.
Die Eingeborenen selltst Leugneten es zunächst freilich hartnäckig. Die
Missionare in Nyansosso bestätigten aber meine Vermutung, und machten
folgende Angaben: Wenn ein erwachsener oder annähernd erwachsener
Dorfbewohner stirbt, so wird die Leiche vom Medizinmann geöffnet und
es wird festgestellt, ob etwa ein Dritter durch Zauber den Tod verschuldet
hat. und weiter, wo der Tote resp. sein unsichtbares Äquivalent sich auf-
hält. Ich komme noch darauf zurück. Der Tote wird dann in der Nähe
Beines Eauses begraben, und es werden ihm die wichtigsten Geräte, deren
er sich im LeKen bediente. — den Männern ihr Bergstock, Speer, Messer;
den Frauen Tragekorb, Feldhacke, Holzschüssel usw. — teils in die
( i ruft mitgegeben, teils auf ihr niedergelegt; ebenso Zeugstücke und dergl.1
Gleichzeitig bringt Jeder, welcher freundliche Gefühle gegen den Toten
hegte, einen irdenen Topf und stellt ihn vor dem Haus des Toten nieder.
ab Ausdruck der Trauer. So häufen sich die Töpfe mehr oder weniger;
es ist eine grosse Schande für den Toten und seine Familie, wenig Topfe
zu haheii. bh habe diese Topfpyramiden verschiedentlich photographiert;
unglücklicherweise sind mir die Platten abhanden gekommen. Nun wird
L) Bei den Ngolo wird den „grossen" Leuten d. i. mächtigen) neben 'lern anderen
«.tT.tt auch ihr Gewehr in die Gruft mitgegeben: die ärmeren bebalten diesen wertvollen
nstand für sich. I>ie ganz Armen bekommen überhaupt nichts mit.
Eine eigentümliche Sitte der Ngolo ist es, auf dem Grabe der Manner einen g< -
Bpannten Bogen aufzustellen. Sie legen dann heimlich eine frisch erlegte Antilope dazu
und sagen, dass der Tote noch einmal gejagt hat. Alle Ngolo Bind j ger.
l>ie Bakwiri geben ihren angesehenen Toten einen Teil des Viehes mit in die
Gruft, das ihren ganzen Reichtum ausmacht, und das Bie ausser bei ganz besonderen Ge-
legenheiten sonst niemals zu schlachten pflegen.
Auch die Nkossi verzehren gewöhnlich nur die Kadaver des gefallenen Viehes,
und zwar noch im Zustand ziemlich vorgeschrittener Verwesung. Geschlachtet werden
ein/' ine Rinder nur bei grossen Festlichkeiten, wenn die Dorfschaften sich gegenseitig
besuchen.
mehrere Tage laug das übliche afrikanische Totenfest gehalten, und zum
Schluss wird die ganze Topfsammlung von den Angehörigen und Freunden
des Verstorbenen mitsamt den Gebrauchsgegenständen, welche nicht mit ver-
graben wurden, in feierlichem Zuge zu jenen Totenplätzen vor dem Dorf
gebracht und dort aufgehäuft. AVenn ich mich recht erinnere, so geschieht
die Überführung nachts beim Scheine von Feuerbränden. Unglücklicher-
weise ist mir nicht nur ein Teil meiner photographischen Platten, sondern
auch das Tagebuch von jener Reise verloren gegangen, welches noch ver-
schiedene Einzelheiten über diese interessanten Totenplätze der Nkossi
enthielt. Ich erinnere mich aber noch, dass die Nkossi nach deu An-
gaben zuverlässiger Missionare glauben, der Tote (also sein unsichtbares
äquivalent) halte sich während der ersten Tage, — der Tage der Toten-
feier — , in der Nähe des Grabes bei seinem Hause auf und folge dann
seinen Sachen zu den Topfplätzen ausserhalb des Dorfes. Diese Plätze
spielen auch, abgesehen von der Totenfeier, als Aufenthalt der Ver-
storbenen eine Rolle für die Nkossi, doch vermag ich darüber keine
genauen Mitteilungen mehr zu machen.
Die Sitte, ihre Verstorbenen öffnen zu lassen, ist bei den Völker-
schaften im Norden und Nordosten des Kamerungebirges weit verbreitet.
Sie findet sich z. B. bei dem grossen Stamm der Bakundu, um den
Oberlauf des Mungo, bei den Balung und bei den Ngolo in den
Humpibergen, sowie bei allen ihren Nachbarn. Die Topfplätze scheinen
den Nkossi allein eigentümlich zu sein.
Ich erwähnte schon, dass die Leichenöffnung geschieht, um die
etwaige Schuld Dritter am Tode festzustellen. Wie das gemacht wird,
ist Geheimnis der Medizinmänner; ob immer ein fremder Zauber für den
Tod verantwortlich gemacht wird, oder nur unter Umständen, vermag ich
ebenfalls nicht anzugeben. Die Feststellung der Schuld eines Dritten
durch den Medizinmann oder andere alte erfahrene Leute, führt nicht
ausnahmslos dazu, dass der Schuldige zur Rechenschaft gezogen wird.
Auf den zweiten Gesichtspunkt, von welchem aus die Leichen unter-
sucht werden, möchte ich noch etwas näher eingehen. Bei den Kamerun-
negern der verschiedensten Stammeszugehörigkeit ist der Glaube ver-
breitet, dass ein inmaterielles Äquivalent des Menschen, „die Seele", schon
während des Lebens den Körper zeitweise verlassen kann.
Die Seele sucht dann Tierkörper auf, namentlich, wenn der mensch-
liche Körper schläft. Gewöhnlich liegt diesem Vorgang die Absicht des
Menschen zu Grunde, in der Gestalt des Tieres Unheil oder Schaden zu
stiften, and es ist wieder ein Zauber dazu nötig, um seine Seele in das
gewünschte Tier aberzuführen. Dabei sind aber die Beziehungen der
Seele zu ihrem menschlichen Körper keineswegs ganz aufgehoben. Ist
die Seele z. B. in einen Elefanten übergegangen, und der Ellefant wird
erlegt, so Btirbt auch der menschliche Körper, welchen die Seele sonst
bewohnte. Auch fremder Zauber kann die Seele eines andern, dann meist
in niedere Tiere überführen, und mit ihnen in die Gewalt des Feindes
bringen, der sie <|iiält. krank macht und tötet. Ich erinnere an die
Geschichte \on der Schildkröte.
- 723 -
Gewöhnlich aber sucht die Seele grosse Tiere auf: den Elefanten,
den Leoparden, das Krokodil. Dies geschieht, wie gesagt, Bowohl nach
dem Tode, wie während des Lebens. Bei den Nkossi sollen /.. I).
Pleuraverwachsungen bedeuten, dass die Seele des Toten in einen
Elefanten überging. Haben min in letzter Zeit gerade Elefanten Schaden
in den Pflanzungen der Dorfschaft angerichtet, so kann die Familie des
Toten zum Ersatz herangezogen werden.
Eine gewisse Rolle, seihst, für die europäische Rechtspflege draussen,
spielten noch his in die letzte Zeit meines Kanieniiiiinfentlialtes die
..Krokodilpalaver" und die „Tigerpalaver" als Folge dieses Aberglaubens.
Wird (du Eingeborener beim Baden im Fluss vom Krokodil genommen,
oiler im Busch vom Panther getötet, so vermuten die Dorfbewohner den
Zauber eines Dritten, welcher in der Gestalt des Raubtieres das Unheil
verübte. Dann wird der Medizinmann des Dorfes nach dem Schuldigen
befragt. Dieser gibt nicht immer gern Auskunft, denn er hat die Rache
der Angehörigen des Betroffenen unter umständen zu fürchten. Die Be-
fragung durch den Häuptling kann aber sehr peinliche Formen annehmen.
.Mein Bruder hat einem so befragten Medizinmann einen Ann und ich
glaube, auch noch einen Fuss, nach dem Examen amputieren müssen.
Die meisten Zauberer machen ihre Angaben früher, und dann wird die
als schuldig bezeichnete Person getötet. Oft sind es auch mehrere
Personen.
Die Leute halten das für einen selbstverständlichen Akt der Gerechtig-
keit und sind erstaunt, wenn kurz darauf der Bezirksamtmann oder
Richter mit einigen Polizeisoklaten erscheint, um den Häuptling, den
Medizinmann und die bei der Tötung ihrer Stammesgenossen sonst Be-
teiligten wegen Mordes aufzuhängen.
Gestatten Sie noch einige Worte über Anthropophagie und Menschen-
opfer! Zuverlässige Nachrichten über die Ideen, welche Beidem am
Guineabusen zu Grunde liegen, sind äusserst spärlich, denn natürlich hat
der Eingeborene bald heraus, dass der Europäer diese Gebräuche mit
Abscheu betrachtet, und die Aufgeklärten und Intelligenten unter den
Eingeborenen, «leren Vertrauen sich im Lauf der Jahre gewinnen lässt,
schämen sich vielfach dieser Sitten ihrer Rassegenossen, und streiten
alles ab.
Trotzdem ist es sicher, dass die Anthropophagie bei allen Stämmen
um den Guineabusen herrscht, von den Ölflüssen nach Osten und nach
Süden bis /.um Kongobecken.
Ausnahmen mag es geben, and selbstverständlich hört der Gebrauch
überall dort auf. wo das Europäertum zu wirklichem Einfluss gelangt i>t.
Ebenso nach Osten und Norden hin an den Grenzen der mohamedanischen
Machtsphäre. Aber selbst die Dualla haben in ihren Hauptnieder-
lassungen am Kamerunfluss noch vor einem Sienschenalter bei besonderen
Gelegenheiten <\w Anthropophagie gehuldigt. Von London Bell, dem
Bruder des bekannten, 1898 verstorbenen King Bell, wird bestimmt
behauptet, dass er diese Zeiten miterlebt habe. Die in ständiger Fehde
miteinander lohenden Bakoko- und Panswestämme verzehren di< je-
— 724 —
fallenen oder gefangenen Gegner, und bei den Bergstämmen im Norden
des Kamerungebirges wird es nicht anders sein. Jedenfalls ist ja bekannt,
dass die NTgolo in den R u in pi bergen lNDÖ eine Handelskaravane über-
fielen und gefangen nahmen, worauf sie die sämtlichen gegen 200 Mit-
glieder derselben töteten und verzehrten. Im Kamerungebirge selbst, bei
den Bakwiri, habe ich von solchen Gebräuchen nichts gehört. Nach
dem Sturm auf Dsgai, im Hinterlande von Südkamerun wurden die
gefallenen feindlichen Neger nach dem amtlichen Bericht des Ober-
lazarethgehilfen Peter von den sogenannte!] Bundesgenossen, welche
dem kleinen Soldatentrupp gefolgt waren, ohne sich am Kampf zu be-
teiligen, teilweise verzehrt. Die Angehörigen eines Stammes öffneten die
Schädel der Gefallenen, kochten das Gehirn und rieben ihren Körper
damit ein. Dieses Verfahren deutet wohl mit auf den Glauben hin, dass
Kraft. Mut und Klugheit des Feindes durch Genuss seines Fleisches, oder
hier durch das Einreiben mit seinem Gehirn, auf den Sieger übergehen
sollen. In demselben Licht wird man den Gebrauch der Ngolo betrachten
dürfen, ihre Gefangenen durch Erschlagen mit der Keule oder durch Auf-
hängen zu töten, damit sie kein Blut verlieren. Ich möchte annehmen,
'Ins- sie dies deshalb vermeiden, weil sie glauben mögen, mit dem Blut
verlasse die Kraft den Körper, und sie diese doch in sich aufnehmen
wollen. Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, dass nur die
erwachsenen Männer sich an solchen Mahlzeiten beteiligen dürfen. Frauen
und Kinder erhalten nichts. Jedenfalls halte ich es für grundverkehrt,
in der Anthropophagie heim westafrikanischen Neger lediglich die Be-
friedigung des Nahrungsbedürfnisses zu erblicken, und in dem Gebrauch,
die Gefangenen ohne Blutverlust zu töten, eine besonders verabscheuungs-
würdige Gourmandise zu sehen. Wäre letzteres der Fall, wie man zu-
weilen behaupten hört, so würde das Verfahren doch gelegentlich auch
bei Tieren angewandt werden.
Was die Art der Zubereituni;' anlangt, so werden die menschlichen
Körperteile von den P an gwe stammen, und anscheinend auch von den
Bakoko mit Palmöl gekocht; von den Ngolo werden sie teils mit
Wasser gekocht, teils am freien Feuer gebraten. Auch vom Kongo sah
ich ein Photogramm in Kamerun, welches zeigte, wie man die Körper-
teile am freien Feuer röstete.
Bei weitem nicht so verbreitet, wie die Anthropophagie, scheinen die
Menschenopfer um den Guineabusen zu sein. Es hängt das wohl damit
zusammen, dass der Glauben an eine überirdische Macht grossen Styls,
welche .Menschenopfer fordern könnte, hier fehlt, und durch den Glauben
an kleinlichen Menschenzauber ersetzt wird. Ferner damit, dass die Vor-
stellungen von einem Portleben nach dem Tode teils ebenfalls fehlen,
teils höchst primitive sind. So fällt die Hauptveranlassung für die
umfangreichen Menschenschlächtereien fort, welche bei den Dahomey
und hei >\i-i\ \sh;inti vollführt werden, um den verstorbenen Grossen die
standesgemässe Bedienung ins Jenseits mitzugeben.
Einen anklang an diese Gebräuche konnte man nur beim Tode des
bekannten King Bell wahrnehmen. Damals — ich befand mich selbst
in Kamerun — sollen wirklich Leute in den Sklavendörfern für ihn getötei
«ein. Nach manchem, was in jener Zeil geschah, erscheint mir das wohl
glaubhaft, wenn es auch in aller Stille geschehen sein muss. Die den
Europäern aus Anläse der Leichenfeiorlichkeiten vorgeführten umfäng-
lichen Schaustellungen haheu den eigentlichen Mittelpunkt der von der
ausgedehnten Familie und ihrer zahlreichen Hörigkeit veranstalteten
Zeremonien sicherlich nicht ausgemacht.
Tatsache ist ferner. Mass während der ganzen Dauer dm- Totenfest-
lichkeiten, soviel ich mich erinnere, mehrere Wochen lau-, durchaus kein
Botenkanu von der Regierung zum Nachrichtendienst nach Victoria,
Bamba usw. gemietet werden konnte, weil die Leute fürchteten, beim
Passieren der vielen einsamen Kreeks von den angeblich dort lauernden
Kanus der Bellleute abgefangen und zu Ehren des alten Bell getötet zu
werden. Auch gelangten damals mehrfach Nachrichten über derartige
( ieschehnisse ans Gouvernement, ohne dass sich hinterher freilich etwas
Tatsächliches hat feststellen lassen.
Dagegen sollen Menschenopfer nach den mündlichen Erzählungen des
englischen Konsuls in Opobo, Mr. Kaseman, in gewissen Gegenden im
Bereich der oberen Ölflüsse allgemein üblich sein, in Gegenden, wo von
englischer Oberherrschaft kaum dem Namen nach etwas bekannt ist.
Speziell in der Erinnerung ist mir die Angabe, dass zur Zeit der grossen
Marktversammlungen für die mehrtägige Dauer der Zusammenkünfte
halbwüchsige Knaben an den Bäumen beim Zugang zu den Versammlungs-
platzen festgenagelt werden, um elend zu sterben. Sie sollen, so drückte
Kaseman sich aus, die Aufmerksamkeit der Gottheit auf sich ziehen und
sie veranlassen, günstigen Handel zu gewähren. Mr. Kaseman ver-
sicherte, als Augenzeuge zu erzählen.
Meine Damen und Herren! Ich bin am Ende meiner Mitteilungen.
Unsere Aufzeichnungen und Notizen haben sich beim Sammeln als zahl-
reicher erwiesen, wie ich ursprünglich glaubte, und so musste ich Ihre
Zeit ohnehin länger in Anspruch nehmen, als es sonst in dieser Gesell-
schaft üblich ist. Den zweiten Teil meines Berichtes — Mitteilungen
über das abweichende Verhalten der äthiopischen Rasse gegen ver-
schiedene Krankheitseintliisse — muss ich deshalb einer späteren Gelegen-
heit vorbehalten.
Hr. Staudinger macht hierzu die folgenden Bemerkungen:
Zunächst möchte ich auf den letzten Punkt, den der Hr. Hedner in
Beinern hochinteressanten Vortrag berührt hat. zurückkommen. Er betrifft
die Menschenopfer: diese kommen vielfach in benachbarten Gegenden von
Kamerun vor, beispielsweise in dem Gebiet der Ölflüsse und am unteren
bis mittleren Niger. So wurden auf einer Insel, die Onitscha gegenüber
liegt, ZU meiner Zeit viele Menschen geopfert, doch waren es nur schlechte
Sklaven und Kinder, welche eigens zu dem Zwecke -.'kauft wurden.
Wir haben in Westafrika zu unterscheiden zwischen blossen Opfern,
d. h. Töten von Menschen, die entweder bei Festen, Todesfällen usw., oder
aus religiösen Gründen irgendwelcher An und Menschenfressereien d.h.
Anthropophagismus), die zum Teil, d. h. der grossen Hauptsache nach auch aus
— 726 -
religiösen, rituellen, richtiger Fetischgründen, stattfinden. Auf die grossen
Menschenopfer, wie sie z. B. auch in Aschanti, Dahome, Benin stattfanden,
soll hier nicht eingegangen werden, dagegen möchte ich erwähnen, dass
Anthropophagismus auch in den Nachbargegenden von Kamerun vielfach
noch stattfindet. Teils dient er bei manchen Stämmen als Abschreckungs-
mittel, indem in der Schlacht gefallene oder gefangene Feinde von den
Siegern vor/ehrt werden, wobei allerdings noch zu berücksichtigen ist,
dass oft auch mit dem Verzehren eines besonders tapferen Feindes der
Aberglaube verknüpft ist, dass dadurch die Tapferkeit und der Mut auf
die sich an dem Mahl Beteiligenden übergeht.
Diese Sitte ist sehr verbeitet und findet sich nicht nur bei Negern.
Erwähnen möchte ich bei der Gelegenheit noch, dass die Herero, welche
aus dem Osten stammen und uralte Traditionen haben, erschlagenen männ-
lichen Feinden das Skrotum usw. abschneiden (und zwar mit einem ganz
eigentümlichen Schnitt), wie manche semitisch-hamitischen Völker, z. B.
sind Fälle bei den Abessiniern in dem Feldzuge gegen die Italiener vor-
gekommen. Die Herero sollen aber auch mitunter die Hoden besonders
tapferer Feinde verzehren, damit deren Mut auf sie übergeht, obgleich sie
natürlich weit entfernt vom Kannibalismus sind. Die in Zeitungen erwähnten
„grausamen Verstümmelungen" haben also einen tieferliegenden Grund.
Kinen Fall, der sehr deutlich zeigt, dass das Verzehren von Menschen
oft aus alten religiösen, bezw. Geheimbundsursachen oder als Strafe aus-
geübt wird, konnte ich 1886 in Brass an der Nigermündung sicher er-
kunden. Dort hatten einige junge Leute unter erschwerenden Umständen
eine Verschwörung gegen ihre Chiefs gemacht. Sie wurden durch ein
Juju (d. i. Fetisch-) gericht verurteilt, getötet und aufgefressen zu werden.
Dies geschah auch. Aber durch einen Häuptling, der nicht mitessen wollte,
wurde die Sache ruchbar und es kam dabei ans Tageslicht, dass längst ge-
taufte Christen sich an dem Mahl beteiligt hatten. Nun gibt es aber auch
in Afrika Kannibalismus aus rein tierischen Gründen, d. h. Stämme oder
Leute essen Menschen, teils aus Genusssucht, um das süsse Fleisch zu
kosten, teils um ihren Fleischhunger zu stillen. Solche Fälle werden aus
dem Kongoflussgebiet vielfach gemeldet. Inwieweit Fleischmangel früher ein-
mal die erste Ursache dazu gegeben hat, ist bekanntlich eine schwebendeFrage.
Berühre ich nun kurz die Geheimbünde, so zeigt sich da auch so
manches Verwandte mit Kamerun, von Alt-Calabar ausgehend bis zur
Krukliste und darüber hinaus. Man darf auch nicht unberücksichtigt
lassen, dass der Einfluss von Benin sich sehr weit erstreckt hat. Auf die
sehr verschiedenen Ursachen und Zwecke der Geheimbünde gehe ich hier
nicht ein. Die Übereinstimmung gewisser Gebräuche usw. lässt sich z. B.
I>ci gewissen, für die Neger mit einem Nimbus umgebenen Tieren, z.B.
dem Zitterwels, der in Benin um! an der benachbarten Küste eine Rolle
spielt, nachweisen. Wir besitzen jetzt viel Material eingehender Art über
die Gebräuche der Uwe und anderer Togostämme, ich habe mich schon
längere Zeit mit diesen Kragen beschäftigt und ich glaube, dass wir bald
Aufschlüsse der interessantesten Art erhalten werden. Zum Verständnis
muh alten Benin gehört /.. B. auch die Kenntnis von Sitten und Gebräuchen
bei den Yorubas, Daheims und Togoleuten («I. Ii. Kwej. (iewisse Gebräuche
findet man allerdings lud den verschiedenstes Völkern verbreitet. So war
»•s eine meiner erstell Beobachtungen im Urwald bei Artidschere aber
Fetisch oder Jujumachen bei Km- und Weileuten, die dort ale Arbeiter
lebten und welche beim Juju gegen einen Leoparden heulende Töne auf
einem Bambus hervorbrachten, dass Weiber diesem Fetisch (aus ganz be-
stimmten Gründen) nicht zuhören durften, beinahe ebenso, wie es in dem
schönen v. d. Steinen sehen Buch über die Naturvölker Brasiliens zu Lesen ist.
Eine andere hochbemerkenswerte Sache ist der Schlangenkultus. Näher
will ich darauf nielit eingehen, nur erwähnen, dass er in vielen Teilen Nord-
und Zentralamerikas von den Negern eingeführt ist und seltsamerweise
auch in Gegenden, wo jetzt noch die Indianer Schlangenkultus oder doch
Schlangenverehrung bezw. -Feste halten. Vom Mississippi. Texas. Louisiana
beschreibt ihn <>. Meinecke, auch auf Haiti gibt es bei den äusserlich
zur christlichen Religion bekehrten Negern noch Wududienst, d. h. Wudu-
ismus, ähnlich wie in Porto Novo. Weidah und früher in Klein-Popo und
anderen Plätzen. Selbst .Menschenopfer sollen noch auf Haiti ab und zu
\ orkommen.
Sehr interessiert hat es mich ferner, dass der Hr. Vortragende eine
verhältnismässig wohl selten beobachtete Sitte, das Gehen auf Stelzen,
auch für Kamerun vorbrachte. Ich fand es auch in Innerafrika und zwar
bei den muhamedanischen Haussa. So trat einmal einer unserer Diener,
der bei den .Maskeraden zur Rhamadanzeit verschiedene teils komische,
teils furchterweckende Figuren darstellte, grotesk auf Stelzen auf. Adel-
leicht hat das Stelzengehen früher einmal eine grössere Verbreitung in
Westafrika gehabt.
über das Auftreten von allerhand heidnischen Mummenschanz zur
Zeit des islamitischen Khainadaii dürfen wir uns nicht wundern, denn auch
bei uns sind christliche Feste zeitlich mit denen aus der alten Heidenzeit
zusammengelegt worden.
Bin anderer Punkt betrifft die Suggestion. Der Hr. Vortragende sagte,
dass man mit dem Hinweis auf die sterbende Schildkröte dem Neger
Furcht einjagen will. Ks ist ganz leicht zu verstehen, dass mancher Neger
eine wahnsinnige Furcht bekommt, wenn man ihm sagt: „dann, wenn
diese Schildkröte stirbt, wirst Du auch sterben" und er erfährt, dass die
Schildkröte gestorben ist. Mit solchen Mitteln arbeiten oft die Fetisch-
Leute, sie suggerieren ihrem Opfer irgend eine geheimnissvolle Krankheit,
machen seinen Tod abhängig von dem vorhergehenden Sterben eines
Tieres. Den Menschen, welchen sie bei Seite schaffen wollen, befällt ein
-ro>ser Schrecken, eine Mutlosigkeit und Apathie, er siecht sichtlich hin.
nimmt schliesslich keine Nahrung mehr zu sich und stirbt endlich an Bnt-
kräftung oder aus Furcht.
Hoffentlich werden noch manche solcher Fälle genauer beobachtet, <la
sie psychologisch interessant sind. Wir dürfen erwarten, dass bald mehr
aus der Fülle von Aufzeichnungen der Missionare von der Goldküste,
Togo usw. veröffentlicht wird, denn gerade diese haben teilweise sehr
gute Beobachtungen gemacht.
— 728 —
Ich gehe nun zu den Bemerkungen über die Anwendung von Giften
aber. Her Neuling, welcher an die Westküste von Afrika gelangt, wird
bald mehr oder weniger sohaurige Fälle von Vergiftungen von Europäern
durch die Eingeborenen, Giftmorde der Neger usw. hören. Dass Gifte
eine grosse Rolle in Westafrika spielen, isr bekannt. Es wäre wichtig,
zu erkunden, welche Gifte wirklich angewendet werden, und unter welchen
Umständen dies geschieht, ferner welche Vergiftungsfälle nur in der Ein-
bildung der betreffenden Europäer beruhen und wo die Todesfalle auf
Krankheiten zurückzuführen sind.
Nicht ganz kann Loh mich mir den Ausführungen «Ifs Hrn. Vortragenden
über seine Ansiohr über den Gedanken- und Empfindungskreis der Neger
über abstrakte und konkrete Begriffe einverstanden erklären, nämlich dass
der Neger nicht fähig wäre ihm nicht direkt greifbare Dinge sich in
seinem geistigen [deengange vorzustellen. Blanche Stämme oder Individuen
werden sich nur mir konkreten Sachen beschäftigen können. Ander«' gehen
hingegen weir darüber hinaus, das zeigt sich dann aber nicht nur in religiösen
Prägen. Dieses isr u. a. bei einigen Togostämmen, die allerdings wie
manche andere westafrikanische Völkerschaften uralte Beziehungen zu öst-
lichen Kultur- oder doch Elalbkultur-Ländern gehabt haben müssen, um nur
ein Volk herauszugreifen, aus folgendem ersichtlich. Beispielsweise lassen
bei Togoleuten die Verwünschungen und Androhungen gewisser Straten,
die in den Schwurformeln enthalten sind und wonach der Tod dem
Schwörenden unter ganz gewissen Umständen angedroht wird, wenn dies
oder jenes unter gewissen Voraussetzungen des Schwures oder Versprechens
nicht erfüllt ist. doch auf eine viel weitergehende Auffassung schliessen.
Eine ebenfalls recht bemerkenswerte Sache erwähnt ferner der Redner
aus seinen Kameruner Beobachtungen.
Es betriff! dies das Sichunsichtbarmachen, d. h. natürlich den Glauben
der Schwarzen daran. Auch ich hörte davon im westlichen Sudan. In
einem Falle soll ein berüchtigter Räuberfürst, übrigens nach der Be-
schreibung eine wahre Siegfriedsgestalt, der auch hieb-, schuss- und stich-
fest war. die Fähigkeit nach der Iberzeugung der Leute besessen haben,
sich durch einen Gegenstand, den er in den Mund nahm, unsichtbar zu
machen. Man sieht also, wie ähnlich Aberglauben und Vorstellungen über
die Erde verbreitet sind.
F.- zeigt der sehr dankenswerte, interessante Vortrag, wieviel wir
gerade noch bei den Negern Westafrikas an der Küste und in davon
nahegelegenen Gegenden von ihren teilweise geheimgehaltenen Gebräuchen
zu beobachten haben, ehe diese durch die neue Kultur verwischt werden.
Schwierigkeiten stellen sich dem allerdings oft entgegen, darf man
doch nicht vergessen, dass beispielsweise die Mitglieder mancher Geheim-
bünde beim Verrat eines der Hauptgeheimnisse häufig mit dem Tode be-
straft werden. Aber Europäer, die sich längere Zeit in einem Gebiete
aufhalten und namentlich solche, die das Vertrauen der Neger gewinnen.
werden doch «-,, manche«, erkunden können.
— 729 —
2. Language of the Wuddyawiirru Tribe, Victoria.1}
Bj
R. H. Mathew.s, L. S.
I t i 1902 I contributed to the Royal Society of I 8 irh Wal-
articli rix of the Dative tongnes of Victoria. One of I
>ix langnagea was the Wnddyäwürru, bni as my previotu remarks apon ir
rily \<-ry brief, I propose od the present occasion to fnrnisb
examples of the differenl parte of epeech oot tonched apon in my fo
■ igether with a Bhort vocabnlary of Wnddyäwflrru words.
The territory of the Waddyäwärra tribe may be roughly deseribed
ctending from Werribee river to Ballarat; thence sontherly via Lake
Korangamite r<, Cape Otway, and thence by the - back to Werribee
river. Along their «festem bonndary they met and mingled with the
Kullidyan and Dyargürt, who« the Barne as rlj*- Wnddyäwürra
in all essentia] points.
In a paper recently commnnicated to thi ä ety J briefiy described
the language of the Kogai, one of the tribes of Queensland. J now wish
r<i place before the reader one of the langnagea >>t Victoria, for comparison
with my former memoir. The grammatical Constitution of the Wuddyawürru
differs in some important respecte from the Kogai, among whieh the
following may be mentioned.
In the Wuddyäwnrro language many of the nouns. adjectives, pre-
-. adverba and interjections are snbject to inflection for pe
and nmnber. in addition to the pronouns and verbs. In the genitive
of Donns, the p< and the chatte! are both declined. In common
with some "rhor lang - ntral and northwe.stern Victoria, there is
a trial nnmber. made by the addition of the snffix „kullik" to the plural
form of the w<>nl inflected.
All the Information contained in thi- article ha- beea collected by
me in I • i impsofthe aativ« >rd liavi' _ down by
myself from the Lips of the aborigina] .-;
The System of orthography adopted in my previous article will
be followt-d. and need not be recapitnlaied in this paper.
•
The demonstrative and adjectival prononns »erve the pnrpose of the
definite article .the" in the English lans . The indefinite article i-
not >-\}''.
•:h ..incin in dei 3 Februar L904 k- baltenen Vortrage.
_' . i !, A: r:_-inal Languag.-s of Victoria". Journ. - -
XXXVI. | | . ::
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 19W Heft 6.
— 730 —
Nouns.
Number. — Nouns have four numbers — the singular, dual, trial
and plural:
Wangim, a boomerang. Wangimbulin, a couple of boomerangs.
Wangimkullik, three boomerangs. Waiigimgetyaul, several boomerangs.
Gen der. — In the human family, different words are used, as, guli,
a man; bagurk, a wo man; gulkurguli, a boy; ngunyagurk, a girl. The
sex of animals is denoted by adding words meaning „male" and „female"-
respectively, as, goim gulawan, a male Kangaroo; goim ngurdang, a female
Kangaroo.
Case. The cases are indicated by inflexions:
The nominative merely names the thing spoken of, as guli, as man;
kanni, a yamstick.
The causative represents the subject doing some act, as, gulia goang
bakunirring, a man an eel caught.
Genitive. The owner and the property are both infiected, as, guliak
wangimnyuk, a man's boomerang; bagurkak kanninyuk, a woman's yam-
stick. Personal property of any description can be declined by possessive
affixes to the noun, as, wangimik, my boomerang; wangimin, thy boo-
merang; wangimuk, his boomerang, and so on through all the numbers
and persons.
The remaining cases are passed over, being similar in principle to
those of other languages of Victoria already described.
Adjectives.
Adjectives follow the nouns they qualify and take similar declensions
for number and case. They are compared as illustrated in my „Thoorga
Language" L), but differing in words.
Pronouns.
There are two forms of the first person of the dual, trial and plural
— one in which the person addressed is included with the Speaker, and
another in which he is exclusive of the Speaker.
The following are the nominative and possessive pronouns.
1. Person
1. Person
2. »
3. „
Singuli
ar.
I
Bangek
Mine
Bangordigek
Thou
Bangin
Thine
ßangordigin
He
Banguk
Dual
Tlis
Bangordiguk
We, incl.
Bangal
Ours,
incl.
Bangordingal
We,excl.
Bangalluk
Ours,
excl.
Bangordingalluk
You
Bangbula
Yours
Bangordiwula
They
Bangbullang
Their*
l>;iiigordibullang
1) Queensland Geographica! Journal, vol. XVII, pp. •">•"> — 54.
— 731 —
1. Person
'2. „
3. „
1. Person
Bangordingadukullik
Bangordiwiidyakullik
15angordingütkullik
Bangordiganakullik
Bangordingaduk
Bangordiwüdyak
Bangonlingüt
Bangrordigrauak
Trial.
fWe, incl. Bangadnkullik Ours, incl.
lWe,excl. Bangwüdyakullik Ours, excl.
You Bangütkullik Tours
They Banganakullik Theirs
Plural.
I \\ <•, incl. Bangaduk Ours, incl.
lWe,excl. Bangwüdyak Ours, excl.
You Bau gut Yours
."!. „ They Banganak Theirs
The foregoing füll fornis of the pronouns are employed chiefly in
replying to questions. In ordinäry conversation the natives use the pro-
nominal suffixes illustrated undef the heading of „Verbs".
The objective pronouns, me, thee, him, etc., are not found separately,
like the nominative and possessive, but consist of pronominal suffixes to
verbs and other parts of speech, as.
Geriunin (Someone), spoke to me, and so on. See also the example
under „Prepositions". There are likewise forms of the pronouns meaning
„with me", „towards me", „away from me", etc.
. Demonstratives are numerous, but must be omitted for want of space
— Interrogatives — who, wela. "Whose, wekanyuk. What, minga.
V erbs.
Verbs have the singular, dual, trial and plural-numbers. with the
usual persons and tenses. They also possess the „inclusive" and „ex-
klusive" forms in all the numbers beyond the singular.
The following few examples will serve to illustrate the conjugation
of a verb. The singular number in each tense onlv will be given.
1 n d i c a t i v e m o o d
Present Tense.
Singular
Singular
1. Person l speak
-. .. rrhou speakest
3. .. He speaks
ersell
Singular
Pasr Tense.
I spoke
2. .. Thou spokesi
3. ., He spoke
Future Tense.
1. Person I shall speak
2. „ Thou shalt speak
• ». „ lle shall speak
Reciprocal.
speak to each other
We, incl
Dual
Trial We, incl.. speak to each other
Plural We. incl.. speak to each other
I ielan
Grelar
( lola munva
( ielikan
Grglikar
Grölik munya
( irlinvan
(iclinvar
Odin munva
I lekiringal
< iekiringitkullik
( tekiringity
IT'
732
Adverbs.
Xo, nyullawinyar. Yes, ngiyi. Yester-day, dyallinyu. Jomorrow,
yerrandyu. Where, wea. Here, mun. There, kiupan.
Prepositions.
Several prepositions can be inflected for number and person :
1. Person In front of me Kallinyunyik
2. „ In front of thee Kallinyunyun
3. „ In front of hiin Kallinyunyuk
Numerais.
One, ku-i-muty. Two, bullaity.
In conclusion it may be remarked that wben I first commenced the
study of Victorian languages, the subject possessed no literature beyond
a few vocabularies. When Mr. R. B. Smyth published his work on the
,,Aborigines of Victoria", some of his contributors very rashly attempted
to relate one or two native stories in the original tongue. *) I have read
over these abortive productions, and can pronounce them to be mere
ungrammatical Jargon, written by men who knew nothing of the
grammatical structure of the languages they were dealing with.
In the foregoiug pages I have touched only upon the fundamental
elements of the language, for the purpose of keeping this article within
reasonable limits for publication.
Yocabulary.
The following vocabulary contains about 150 English words with their
equivalents in the Wuddyäwürru language. Every word has been written
down by myself in the native camps, and much time and labour have
been bestowed upon the work.
The Family.
English
Wuddyäwürru
English
Wuddyäwürru
Man
guli
W Oman
bagurk
Boy
gulkurguli
Girl
ngunyagurk
Pather
pettyang
Chil.l
burun
Eider brother
war dang
Mother
ngürdang
Younger brother
wangat
Eider sister
dattyerrung
Many men
gulibullaiak
Younger
sister
burrumbarak
Many women
bagurkullaiak
Mother-in-law
nyallungurk
Parts of the
Human
Body.
1 Lead
murk
Shoulder
ngäm
Porehead
men
Arinpit
kurrap
Eye
mir
Elbow
balluty
Eyelid
wurtimir
Ann
tarak
Eyelash
dharaty
Wrist
türnan
Nose
kang
Hand
mnrna
1) „The Aborigines of Victoria", vol. II, pp. 48— 49.
7:5:;
Englieh
\\ mldyau urrii
English
Wuddyawürru
Ear
wem
Thigh
karrip
Beard
ngarle
Knee
bün
Teeth
Hang
Shin
kar
Lipa
wurm
Calf of leg
link
Tongue
dyellung
Pool
tyinnang
Breasi
tyuram
Heel
knnnak
Nawl
warung
Heart
dhurnng
Ribs
nyillilirnan
Liver
boity
Spirit
mump
I na n im;
ite Natur e.
Sun
mirri
Earth
dya
Moon
yern
Water
ngubity
Stars
turtbaram
Fire
win
Sky
wür-wür
Rain
mundar
Clouds
dürnmärung
Night
mürgalyu
Summer
kurkart
Day
mirriyu
Winter
maianyu
Sand
korak
Stone
la
M a mm als.
Kangaroo
goim
Native-bear
agarmbulum
Dog
garl
Wombat
agur-ngur
( »pnssuin
wallert
Xative cat
yurn
Ring-tail opossum
bürnung
Flying- squirrel
dtian
B
irds.
Emu
karwir
Teal duck
birnar
Eaglehawk
ngarapgar
Ibis
bitbitdyerrak
Mountain hawk
gaire
Pelican
bürdüngul
Black cockatoo
dyering
Crow
wa
White cockatoo
dyirnap
Wood duck
wurwirt
Bronze-wing
pigeon
agure
Mtn duck
wanyukai
Blue-mt. parroi
kullingar
Common magpie
pardwang
Native Companion
pöronggity
Piain turkey
tharaiwil
Brown hawk
fvarrar
Black duck
thnlum
Fish.
Small front
thurpiiii
Black-tish
wirrepin
Bei
goang
Prog
dyierm
( Iray-fisb
wi-ity
Rept i les.
Tree iguana
dyulin
Turtle
barribin
Black snake
gurnmil
Sleepj
lizard
wallop
34 —
Invertebrates.
English
Wuddyawurru
English
Wuddyawurru
Louse
münya
F^eech
billity
Nit of louse
lirt
Spider
burnakurrik
Grasshopper
marak
Bulldog aot
ngurung
Locust
ngullanggullang
Mussei
dir
Mosquito
liguyunguyu
March-fly
murron
( 'entipede
dyirrangarrak
Weapons
;i n
d Mauufa ctur es.
Jagged spear
karrup
Boomerang
wangim
Reed spear
tyark
Fighting club
liangal
Spear shield
giram
Tomahawk
kulpallangurk
Waddy shield
mulka
Huntiug spear
der
AVommera
mariwan
Yam stick
kauui
Canoe
gurung
Net bag
kurara
Girdle
murum
Kilt
burrandigim
Woman's apron
dyirburnin
A
dj
ectives.
Long
nyirrim
Grood
guinyebin
Short
mört
Bad
nyulain
Large
dittabil
Red
derpkarring
Small
ngimyagurk
White
darngarin
Tired
dermillin
Black
wurgarin
Bitter
gürrain
V
erbs.
Beat
tyilpai
Stand
dyarrike
Throw
yungak
Sit
bure
Bite
pone
Speak
gele
Walk
yanne
See
nyaiyu
Laugh
wekkili
Hear
ngarwak
Give
wa-ak
Dance
yergeh
Eat
kudyak
Sleep
kumir
Catch
mapmak
Climb
kadne
- 735 -
3. Über M. Merkers „Masai".1)
Von
Carl Meinhof.
In vortrefflicher Ausstattung, mit sehr charakteristischen Illustrationen
zum teil von künstlerischer Schönheit legt der Verfasser die Ergebnisse
seiner Forschungen im Masailande in Deutsch-Ostafrika dem deutschen
Publikum vor. Sein Werk verdient nicht nur die Aufmerksamkeit der
seiehrten Welt, sondern wird auch für einen weiteren Leserkreis eine
sehr anziehende Lektüre bilden. Merk er hat sich mit hervorragender
Sorgfalt in seine Aufgabt" vertieft, und es ist ihm gelungen, ein sehr an-
schauliches Bild des Masaivolkes zu entwerfen und doch die Einzel-
forschung zu berücksichtigen, die der wissenschaftliche Arbeiter von einem
solchen Werk erwartet. Sogar einem so sorgsam beobachtenden Reisenden
wie Baumann konnte es begegnen, dass er über die Masai ein geradezu
vernichtendes Urteil füllte. (Durch Masailand zur Nilquelle. Berlin 1894.
S. 166.) Dem gegenüber ist es für jeden Besucher Ostafrikas, der sich
an den kraftvollen Gestalten der Masai und ihrer energischen Art gefreut
hat, ein wahres Vergnügen, bei Merker zu lesen, wie anders er diesen
Stamm beurteilt.2) Ich will aus dem vortrefflichen Ganzen nichts Einzelnes
besonders hervorheben — es ist alles höchst merkwürdig und spannend
und trügt das Gepräge, dass es auf Grund sorgfältigster Arbeit ge-
schrieben ist.
Das ganze Buch verdient auf das genaueste studiert zu werden. Ich
will nur eine Vorstellung zu geben versuchen von dem Reichtum des
liier Gebotenen: Die ganze Lebensart der Masai wird geschildert von
der Geburt und Xamengebung an, das Leben der Kinder (die Saugflasche).
die Beschneidung der Knaben und Mädchen, das Leben der Krieger mit
ihren Freundinnen, die Behausung der Verheirateten, die Ärzte, die Häupt-
linge, die Schmiede. Wir erfahren alles Wissenswerte über Wohnung,
Tracht, Speise, Kriegszüge, Waffen, Zauberei (das Drohen mit dem Zeige-
finger wird daraus erklärt), Krankheit und Medizin bei Mensch und Vieh
1) M. Mrrkcr, Hauptmann und Kompagniechef in der Kaiserlichen Schutztruppe
für Deutsch-Ostafrika, Die Masai, ethnographische Monographie eines oatairikanischen
Seinitenvolkes. Berlin L904 Dietrich Reimer. 1-1 S. I".
2) Nur einmal, S. 11."», läuft ihm so ein allgemein hartes Wort mit unter, das man
in dieser Schärfe in der ganzen Welt, auch in Deutschland zu hören bekommen kann.
venu jemand sich ül>er mangelnde Zuverlässigkeit der Dienstboten beklagt.
— 736 —
(Schutzimpfung, Moskito als Malariaerreger), Religion (religiöse Bedeutung
der ßesclmeidung), Ehe1), Recht, Geschichte, Tanz und Musik (auch
einige Noten S. 122). Eine Anzahl Märchen und Geschichten, Berichte
über die Helotenstämme der Wandorobbo, Tabellen über anthropologische
Messungen, Tafeln mit Schildwappen und Eigentumszeichen für das Yieh
vervollständigen das vortreffliche Buch.
Auch die Ausführungen des Verfassers über die Musik der Wandorobbo
tragen das Gepräge, dass er sich sehr gründlich in die Sache vertieft hat.
Da er jedoch von europäischen Anschauungen ausgeht (Harmonie), werden
hier exakte Forschungen, wie sie der Verfasser dort nicht ausführen
konnte, wohl andere Resultate ergeben. Immerhin ist es dankenswert,
dass er auch auf dieses schwierige Gebiet seine Untersuchungen aus-
gedehnt hat.
Eine grosse Anzahl Pflanzennamen in Masaisprache und zum Teil
mit der botanischen Bezeichnung findet sich auf S. 340 ff., Diese Namen
sind insofern interessant, als die Verwendung der Pflanzen als Futter,
Medikament, Zaubermittel jedesmal angegeben ist.
Aber trotz des weitgehenden Lobes, das jeder Leser dem Buch zu-
erkennen muss, wird der wissenschaftliche Forscher ganze Partien mit
dem lebhaftesten Befremden lesen. Wir erhalten hier Mitteilungen über
die Urgeschichte der Masai, die auf das frappanteste an biblische Berichte
erinnern, ja zum Teil wörtlich damit übereinstimmen. Der Verfasser ver-
sichert, dass er sie von den alten Masai erfahren hat, nachdem er ganz
mit ihnen vertraut geworden ist. Auf den ersten Blick erscheinen diese
Berichte durchaus unglaubwürdig, und man ist geneigt, an eine Mystifi-
kation des Verfassers zu denken. In den Hungerzeiten sind eine ganze
Anzahl Masai jungen auf Missionsstationen durchgefüttert, und als sie
grösser wurden und sich nicht fügen wollten, entlassen worden. Ich selbst
habe täglich wochenlang mit Masai — verheirateten und unverheirateten
— auf Missionsanstalten zusammengelebt (sie zeichnen sich übrigens auch
da aus durch besondere Zuverlässigkeit oder besondere Unzuverlässig-
keit). Ich besitze auch Niederschriften von einem Masai in Masai und
Suaheli. Diese Leute standen mit ihren heidnischen Stammesgenossen
noch immer in Verbindung. Die Möglichkeit, dass sie die auf Missions-
stationen gewonnene Erkenntnis dem nach alten Geschichten fragenden
Europäer vortrugen bezw. dass ihre Freunde das taten, ist also zweifellos
gegeben. Hierzu kommt, was uns gegen Merkers Berichte bedenklich
machen möchte, dass diese christlichen Masai niemals irgend etwas von
den alten beschichten verlauten Hessen, und dass alle meine nach den
ersten Ankündigungen des vorliegenden Buches eingezogenen Erkundigungen,
<>l> die Masai dergleichen Geschichten kennen, resultatlos verlaufen sind. Auch
beweist es nichts für das Alter dieser Geschichten, dass die biblischen
1) Einige Widersprüche wären hier noch auszugleichen gewesen. So versichert
Mcrkcr S. 333, dass der künstliche Abortus nicht geübt wird, gibt aber S. 191 und 3J2
Nr. 38 das dazu gebrauchte Medikament an und S. ."»0, Note, wann Ehefrauen, S. 83, Note,
wann Mädchen ihn ausüben.
— 737 —
Berichte hier auf das engste mit .Masai- Anschauungen verwebt Bind. Der
Afrikaner, wie überhaupt jeder nicht durch längeren Unterricht historisch
geschulte Mensch bringt es sehr gut fortig, solche neue Erkenntnis mit
alten Erinnerungen zu verschmelzen.
Trotz alledem glaube ich, dass diese Geschichten tatsächlich alt sind,
wenn auch nicht so alt, wie der Verfasser annimmt. Mag vielleicht
einiges in die Leute hineingefragt oder missverstanden sein — das ge-
schieht bei jeder derartigen ersten Aufzeichnung — , doch bleibt dem
Leser der Lindruck, dass wirkliche Masai-Rcniiniszenzen hier vorliegen.
Alles andre, was der Verfasser bringt, stimmt so sehr überein mit dem
( Charakter der Leute, wrie wir ihn sonst kennen und trägt ganz das Ge-
präge, dass es auf Grund bester Beobachtung geschrieben ist.
Wie sollte der Verfasser nun auf einmal jedes Urteil verloren und
sich in der gröblichsten Weise haben täuschen lassen? Dass er das alles
nicht von jungen, sondern von alten Leuten erfragt hat, gibt der Sache
eine besondere Wichtigkeit. Aber eins vermisse ich: eine klare Angabe
darüber, in welcher Weise die Mitteilungen der Masai gemacht sind. Dass
der Verfasser eine ganze Anzahl Masaiworte kennt und auch einiges von
der Grammatik der Sprache weiss, geht ja aus seinem Werk hervor.
Aber von da zu einer Beherrschung der Sprache und zur Aufnahme so
schwieriger Stoffe ist noch ein weiter Weg. Sind diese Mitteilungen
wirklich in Masaisprache gemacht und aufgezeichnet, so bitten wir um
die Veröffentlichung der Originaltexte, damit wir die Übertragung nach-
prüfen können. Erfahrungsmässig ist dieselbe bei solchen mythischen
Stoffen besonders schwierig. Sind die Mitteilungen aber nicht auf diesem
Wege zustande gekommen, so wäre eine Angabe notwendig gewesen, wie
sie vermittelt wurden. In eben dem Masse, wie dabei die Hilfe des
Suaheli oder einer andern Sprache und die Hilfe von Dolmetschern heran-
gezogen i-t. verlieren sie an Zuverlässigkeit. Vielleicht entspricht der
Verfasser diesem Wunsche, sich über die Methode seiner Arbeit zu
Hussein.
Bei der Verschlagenheit der Masai wird mau ja gut tun. sich von
der Richtigkeit der betreffenden Beobachtungen noch immer besser zu
überzeugen. Ich halte es aber, wie gesagt, für durchaus wahrscheinlich,
dass ein erheblicher Teil dieser Erzählungen sich wirklich so vorfindet,
und dass sie auch durch Beibringung der Masaitexte weiden bestätig
werden.1)
Trotzdem glaube ich. dass der Verfasser sich mit seiner überraschenden
Deutung irrt, wonach es sich um alte Berichte handelt, die den Israeliten,
die einst mit den Masai ein Volk gewesen sein sollen, von daher mit
den M;is;ii gemeinsam Bind. Ja der Verfasser trägt kein Bedenken, die
brigena erzählt schon Krapf, Reisen in Ostafrika, T. II S. 268 von seltsamen
Sagen der Masai, in denen ein Halbgott Neiterkob oder Neiteruknh eine Rolle spielt.
Der Name desselben liegt ja offenbar in dem Namen der ersten Frau \or. die Merker
S. 261 Naiterogob nennt. Das spricht dafür, dass jedenfalls ein Kern echter Masai
in Mrrk eis Berichten steckt.
Masai-Überlieferung für älter als die biblische zu halten, um so eine neue
Position zu gewinnen in dem Streit um den Einfluss babylonischer Be-
richte auf die Bücher der Israeliten.
Nach gründlichster Information muss ich es als unrichtig bezeichnen,
dass die Masai mit den Israeliten nahe verwandt, und dass sie überhaupt
„Semiten" sind.
Wenn der Yerfasser auch der Linguistik in der Entscheidung dieser
Frage das erste Wort nicht einräumen möchte, so werden wir, wenn wir
überhaupt von „Semiten" reden, die Linguistik ja gar nicht entbehren
können. Die Bezeichnung „semitisch" ist in wissenschaftlichen Kreisen
zunächst für die sprachwissenschaftliche Betrachtung angewandt. Man
rechnet die Phönizier zu den „Semiten", weil sie eine „semitische" Sprache
sprachen, obwohl die biblischen Berichte sie zu den „Hamiten" stellen;
man rechnet die Araber zu den „Semiten" aus demselben Grunde, obwohl
auch hier „hamitische" Beimischung seit alter Zeit behauptet wird. Man
rechnet die Juden zu den „Semiten" trotz ihrer dem Verfasser bekannten
starken Beimischung alarodischen Blutes. Will man den Ausdruck
„Semiten" in diesem Sinn gebrauchen, so gehören die Masai nicht dazu,
denn man braucht sich mit ihrer Sprache nicht lange beschäftigt zu haben,
um zu sehen, dass sie in diesem Sinne nicht „semitisch" ist.
Alle Hoffnungen, die der Verfasser auf die Linguistik, besonders auf
Arbeiten des von ihm zitierten Jos. Deeg setzt, sind von vornherein
illusorisch. Die linguistische Zugehörigkeit der Masai zu den „Hamiten"
ist völlig klar und von einer Zugehörigkeit zu den „Semiten" kann ernst-
haft gar nicht die Rede sein.
Es ist nun direkt peinlich, wenn der Verfasser, trotzdem ihm offenbar
die Kenntnis semitischer Sprachen mangelt, allerlei hebräische oder andere
Xamen der Bibel versucht aus dem Masai zu erklären. Man hat den
Verfasser bei seinen ethnographischen Schilderungen als einen tüchtigem
fleissigen und umsichtigen Arbeiter kennen gelernt und sieht ihn nun im
trübseligsten Dilettantismus herumirren. Ebenso peinlich ist es, ihn mit
der Quellenforschung des Pentateuch und andern biblisch-theologischen
Dingen operieren zu sehen.
Wenn der Verfasser sprachlich arbeiten wollte, so wäre dazu die Vor-
bedingung gewesen, dass er sich die bereits vorhandene Masai-Literatur
beschaffte, nämlich: Ehrhardt, Vocabulary of the Enguduk Iloigob.
Ludwigsburg 1857, Dr. J. L. Krapf, Vocabulary of the Engutuk Eloikob.
(Vokabular der Wakuafisprache) bei Fues. 1854.
Diese Bücher haben mancherlei Fehler, aber nicht so viele, dass man
sie nicht als Unterlage der Sprachforschung hätte benutzen können, wie
ich mich zum Teil persönlich überzeugt habe.
Es wäre ferner eine wertvolle Vervollständigung des Bnehes gewesen,
wenn alle die vereinzelten sprachlichen Notizen zu einem kleinen Glossar
vereinigt wären.
Ich will an einem Beispiel zeigen, wie nützlich diese Arbeit ge-
M wäre, und wie anfechtbar die vorn Verfasser gethane sprachliche
Arbeil i-t.
— 739 —
Auf S. 153f. i^ibt Verfasser die Wochentage an.
Den Kritiker macht es ja bedenklich, dass der erste Tag- der Wpehe
„heute", der zweite „morgen", der dritte „übermorgen" heisst und dass
dann mit Zahlen weiter gerechnet wird. Wie kommt es aber nun, dase
der vom Verfasser als vierter Tag bezeichnete auf Masai von der Zahl
drei (uni), der fünfte Tag von der Zahl vier (ungwan), der sechste
von der Zahl fünf (miet) und der siebente1) von der Zahl sechs (ile)
gebildet ist? Ist dem Verfasser das nicht aufgefallen? Er sagt kein Wort
darüber, sondern zieht es vor, den Beinamen des siebenten Tages essuliar
irolon (er übersetzt subat richtig mit „gut") mit dem hebräischen Sabbath
zusammenzubringen.
Die Sache liegt doch so — entweder ist die ganze „Woche" in die
Leute hineingefragt, weil man mit „heute" usw. anfängt — oder wenn
die ersten Tage der Woche wirklich so heissen wie der Verfasser angibt,
dass dann der subat eben der sechste und nicht der siebente Tag ist. Ist
er aber bei den Masai jetzt der siebente Tag, während es früher der
sechste war, so liegt etwas Ahnliches vor, wie wir es z. B. im Afar2)
finden.
In Abessynien berühren sich jüdische, christliche und muhammedaniselie
Zählung der Wochentage und daraus sind solche Unstimmigkeiten ent-
standen. Das trifft dann überein mit meinen Ausführungen, die ich
unten gebe.
(Anerkennen möchte ich, dass Verfasser auf Ausdrücke der alten
Sprache gefahndet hat, sie sind sprachwissenschaftlich besonders interessant.)
Anders liegt die Sache jedoch, wenn das Wort „Semiten" nicht in
linguistischem, sondern in ethnographischem Sinne gebraucht wird für
den Typus, der aus der Jahrtausende alten Vermischung hamiti scher und
städtischer Stämme entstanden ist. Ich verstehe hier unter „Hamiten"
die mehr oder weniger hellfarbigen lockenhaarigen Bewohner Nordafrikas,
die entweder nicht-semitische Sprachen sprechen oder nachweislich ur-
sprünglich nicht sprachen.3) Es ist unbestreitbar, dass diese „Hamiten"
mit den „Semiten" ethnographisch und anthropologisch so viel Gemein-
sames haben, dass das nicht zufällig sein kann. Sie werden dadurch
scharf von der übrigen Bevölkerung Afrikas geschieden. Man kann für
diese Erscheinung, wie gesagt, die in die graueste Urzeit zurückreichend»»
gemeinsame Geschichte und die sich hieraus ergebenden gegenseitigen Be-
ziehungen als Grund anfahren, es ist aber nicht unwahrscheinlich, das>
ausserdem noch eine Stammverwandtschaft vorliegt. Genau derselbe
Sachverhalt ergibt sich aber bei einer linguistischen Betrachtung dieser
Völker. Lehnworte aus semitischen Sprachen sind in den hamitischen
massenhaft enthalten, auch der umgekehrte Fall läs-i >i<h nachweisen.
1) In guna l'onile liegt doch wohl ein Druckfehler vor.
2) I > <>i_t fängt die Woche nach mohammedanischer Weise mit Freitag an, aber
Montag bis Donnerstag sind der zweit., dritte bis fünfte Tag nach christlicher Rechnung.
3) Einschliesslich der Ägypter. Ich bin mir über die ethnographische Unzulänglich-
keit obiger Definition klar, glaube mich aber damit für den vorliegenden Zweck ver-
ständlich zu machen.
— 740 —
Aber darüber hinaus haben semitische und hamitische Sprachen gewisse
geraeinsame Eigenschaften, die an eine Urverwandtschaft denken lassen.
Bei beiden ist das grammatische Geschlecht vorhanden, dass den andern
afrikanischen Sprachen (ausschliesslich der Hottentotten) mangelt. Bei
beiden wird die Flexion nicht nur durch Vorsilben und Nachsilben,
sondern auch durch inneren A'okalwechsel vollzogen, wenn auch in den
semitischen Sprachen diese Bildung viel reicher entwickelt ist. Beide
unterscheiden Maskulinum und femininum auch in der zweiten Person. Ja
die Bildungselemente (mit dem Verbum und Nomen verbundene Vor- und
Nachsilben) sind zum Teil für beide Sprachgebiete identisch. Sogar eine
so charakteristische Bildung wie der pluralis fractus des Arabischen ist
(iemeingut der hamitischen Sprachen. Ein durchschlagender Unterschied
bleibt aber ausser der reicheren Verwendung des Vokalismus im Semitischen
der, dass der semitische "Wortstamm drei, der hamitische zwei Radikalen
(AVurzelkonsonanten) enthält. Ausserdem sind die Unterschiede im Wort-
schatz sehr gross, wenn auch allerlei frappante Gleichklänge vorliegen. ')
Soll für diesen grossen semitisch - hamitischen Völkerkomplex im
ethnographischen Sinne das Wort „Semiten" gebraucht werden, so ge-
hören die Masai allerdings dazu. Ich würde eine solche Bezeichnung aber
lieber vermeiden, da sie, wie das vorliegende Beispiel zeigt, irre-
führend ist.2)
So sicher die Masai nämlich zu den Semiten im engeren Sinne nicht
gehören, so sicher gehören sie zu den Hamiten. Die Sprache lässt darüber
keinen Zweifel, wenn auch sich in die Sprache allerlei fremde Elemente
eingedrängt haben. Dieselben sind aber einfach dadurch zu erklären,
dass die südlichen Hamiten durchweg mehr oder weniger mit Negerblut
vermischt sind.3)
Ich meine damit nicht die von dem Verfasser als „Neger" bezeich-
neten Bantu — die Vermischung mit ihnen ist ja offenbar neueren Datums
— sondern mit Sudannegern. Solches Mischvolk mit Mischsprache sind
z. B. die .,nilotischen" Bari, deren nahe sprachliche Verwandtschaft mit
1) Unsere wissenschaftliche Erkenntnis ist eben noch nicht so weit, dass wir mit
.Sicherheit nachweisen können, was hier Lehnworte und was verwandte Worte sind. Auch
fehlt uns heute noch eine irgendwie gesetzmässige und erschöpfende Erklärung für die
Entstehung der dr«iradikalen Stämme des Semitischen. Dass allerlei zum Teil sehr
wertvolle Vorarbeiten auf diesem Gebiet vorliegen, ändert nichts an den Tatsachen, dass
der wichtigste Teil der Arbeit noch zu tun ist, und dass der Versuch, einzelne Vokabeln
einer semitischen Spruche aus einer hamitischen zu erklären, als verfehlt anzusehen ist.
Man muss nicht eine hainitische (z.B. das Masai) und eine semitische (z.B. das He-
bräische) Sprache vergleichen, sondern die Grundformen aller hamitischen mit den Grund-
formen aller semitischen Sprachen, vgl. z. B. Leo Reinisch, Das Zahlwort vier und neun
in den seinitisch-hainitischen Sprachen. 1890. F. Tcmpsky in Wien.
2) Besonders misslich ist eine solche Bezeichnung für den Forscher in abcssynischen
Sprachen und abessynischer Ethnographie, da hier seit uralten Zeiten hamitische und
semitische Sprache sich gegenseitig beeinflussen und ebenso haniitisches und semitisches
Volkstum.
">) Da die Schniiedckunst wahrscheinlich eine Erfindung der Sudanueger ist, ist es
nicht merkwürdig, dass die Schmiede der Masai als eine besondere Kaste betrachtet
werden, die il unrein galten, S. Hoff. Vielleicht sind sie eben hamitisierte Sudanneger.
— 741 —
den Masai schon Lepsius und F. Müller nachgewiesen hat.1) (Lepsius,
Nul)ische Grammatik. Berlin 1880. S. LXI; P. Müller. Grundriss der
Sprachwissenschaft 111, 1 S. 95. Vgl. auch seine Ausführungen über die
Verwandtschaft der Dinka uud Bari, ebenda 1 S. 81.
Wenn der \ erfasser auch mit Hecht die Entscheidung des Linguisten
für die Ethnographie als allein massgebend ablehnt, so kann man doch
die Sprache immerhin als ein sehr wichtiges Merkmal auch in anthro-
pologischer Hinsicht ansehen, und wo es sich wie hier um die Mitteilung
geistigen Besitzes handelt, der ja durch die Sprache vermittelt werden
muss, wird immer die Sprachwissenschaft eine gewichtige Stimme haben.
Nun unterliegt es keinem Zweifel, dass die Sprache der Masai ebenso
wie die Sprache der Wandorobbo zu demselben Sprachstamm gehört, wie
die in Abessynien und seinen Nachbarländern gesprochenen hamitischen
Sprachen. Ich will statt vieler Ausführungen nur einige Beispiele an
Zahlwörtern geben.
Das Zahlwort für 4, welches jetzt im Masai im Gebrauch ist, lautet
ungwan. Es ist, so viel ich sehe, den Sudannegersprachen entnommen:
vgl. Dinka donguan, nguan (unguan), Lur auua, Bari euguan.
In vierzig hat das Masai aber einen ganz andern Stamm für „vier",
nämlich ar-. 40 lautet artam2) und ist zu zerlegen in ar-tam. tarn ist 10.
vgl. digitam 20. (In ossom2) 30, onom 50 und in tomon 10 ist ursprüng-
lich a zu o geworden.) Dies ar- ist aber hamitisch. Vgl.3) Somali afar 4.
davon afartam 40; Galla afuri 4; Aegyp tisch afadu4; lrob-Saho afar 4.
rAfar faray 4; Bedauye fadiq 4. Im Kafa ist ebenso wie im Masai das
f verschwunden, aüdä, aüdö 4.
Mit Masai esied (isiet) 8 vgl. Somali sidet 8 Galla zadet 8.
Mit Masai sal (nach Merker alte Sprache) !> vgl. Somali sagal 9,
Galla zagala 9, cAfar sagal 0, lrob-Saho sägal !>.
Mit Masai domon (tomon) „zehn", vgl. oben -tarn in den Zehner-
zahlen, sowie Somali toban 10, Galla -tama in den Zehnerzahlen z.B.
zadettama 80, 'Afar tabanä 10, lrob-Saho tämmäu 10, Bedauye tamüu.
tamin 10 usw.
Selbstverständlich gibt es eine ganze Anzahl Fälle, wo die Über-
einstimmung nicht so klar ist. Es sind aber auch die Lautverschiebuii::>-
gesetze des Masai noch nicht festgestellt — obiges ist also rein empirisch
gefunden.
Jeder Unbefangene wird nun zugeben, dass diese Gleichkläuge nicht
zufällig sein können, sondern dass hier Lehnworte oder stammverwandt.-
Worte vorliegen, jedenfalls also ein diesen Völkern mit den Masai ge-
meinsames Sprachgut. Hierzu kommt, dass die Masai auch das gramma-
tische Geschlecht unterscheiden und eine dem pluralis fractus ähnliche
Bildung kennen.
1) Die Ähnlichkeit von Kuafi und Bari hat schon Krapf gesehen, Reisen in Ost-
atrika. Knrnthal L858 II B. 889.
2) So richtig bei Merker. In Ehrhardt a. a. O. sind die beiden Zahlen ver-
wechselt.
:>) Ich zitiere nach Keiuiseh.
— 742 —
Dass die Masai früher weiter nördlich gesessen haben, ist nicht
zweifelhaft. Ausser den schon genannten Sprachen der Dinka und Bari
zeigt z. B. auch die Sprache der Nandi (vgl. Hobley, Eastern Uganda
1902) die Spuren der Berührung mit den Masai. Wenn die Erinnerungen
<ler Masai ihre alten Wohnsitze schildern, S. 278 ff., so suche ich dieselben
nicht mit dem Verfasser in Asien, sondern in Afrika in den Ländern am
oberen Nil und eventuell in den Grenzländern Abessyniens. Dort finden
sich Stämme, die, wie diese Berichte schildern, zum Teil den Masai in
Sitte und Lebensgewohnheit ähnlich sind.1)
Die langhörnigen Rinder S. 287 erwähnt am Viktoria Nyanza Juncker,
Reisen in Afrika III, S. 657, ferner Juncker bei den Dinka II, S. 97.
Als abessynische Rasse sind sie bekannt.
Die Geier bei den Dörfern S. 288 erwähnt Juncker I, 289 bei
den Bari.
Das Weissagen aus den Eingeweiden S. 288 finde ich bei Hobley
S. 22 (mit Abbildung) und S. 83; Fischer S. 288 erwähnt z. B. Hobley
S. 26. Auch die Kanäle und Brücken und die Überschwemmungen, deren
die Erinnerungen gedenken, deuten auf den oberen Nil; vgl. Juncker
II, S. 96.
Die aus Holz geschnitzten Figuren S. 281 finden sich bei den Bari,
Juncker I, S. 309 (Abbildung). Ferner erwähnt Juncker I, S. 285 das
Entfernen der unteren Schneidezähne bei den Bari, ebenda ihren Kopf-
schmuck aus schwarzen Federn; vgl. auch den „Hut" der Dinka I, S. 489.
Die in den „Erinnerungen" S. 268 beschriebene Haartracht ist bei
Juncker I, S. 80 abgebildet bei den Beni-Amr.
Der Gottesnamen Njau S. 280, den Verfasser mit hebräisch Jahveh
zusammenbringt, erinnert mich viel eher an den Namen jarö, yarö, wie
er bei den Kafa2) heisst. Vgl. auch Masai ol-donjai „der Heide" mit
fAfar2) düläna.
Wahrscheinlich lassen sich noch andere Punkte der „Erinnerungen"
identifizieren.
Was folgt aus dem allen? — Wenn die Masai früher dort im Norden
in der Nähe Abessyniens sassen, so sind sie schon in alter Zeit mit dem
Christentum und dem Judentum in Berührung gekommen.8) Und wenn
1) Besonders merkwürdig ist dir Notiz bei Hobley a. a. 0. S. 31 oben, dass die
Schneidezähne deshalb entfernt -werden, damit die Frau nicht stirbt. Dass ein Zusammen-
hang der Zahnverstümmclung mit dem sexuellen Gebiet vorlag, wurde schon vermutet.
Hier linde ich zuerst eine bestimmte Angabe eines Eingeborenen darüber. Vgl. auch den
Friedensschluss zwischen Nandi und Masai durch Kindertausch. Hobley S. 42,
2) Nach Reinisch, Die Kafa-Sprache, Wien 1888; Derselbe, Die cAfar-Sprache,
Wien L885.
3 [ch setze als bekannt voraus, dass die Abcssynicr und die ihnen nahe wohnenden
Hamitenstämme, soweit sie nicht zum Judentum übergetreten sind, seit alter Zeit „Christen"
sind: vgl. ■/,. B. L. liei nisc h, Die Kafa-Sprache I, S. 1 1 11'. Vgl. ferner die Ausführungen
von Krapf a.a.O. I, 8.62. Danach feiern die abessynischen Christen Sonntag und
Sabbatfa und haben neben manchen andern jüdischen Gebräuchen die Beschneidung der
Knaben und der Mädchen S. G8f. Vgl. das Füttern der Schlangen I, S. !)9f. bei den Galla
'vgl. Merk er 8.202) neben mancherlei christlichen Einflüssen aus alter Zeit. Vgl. ferner
— 743 —
sie dergleichen alte Berichte besitzen, die in einem handgreiflichen Zu-
sammenhang mit biblischen Berichten stehen, so liegt eben eine Reminiszenz
;nis jener Zeit vor. Ich halte deshalb alle Deutungsversuche des Ver-
fassers für verfehlt. Die „zehn Gebote", wie die Masai sie haben, haben
mit dem Dekalog ja auch im Wesentlichen nur die Zehnzahl gemein
und diese Zählung scheint mir im Masai auch künstlich zu sein oder
dadurch bedingt, das^ der Mensch zehn Pinger hat.
Gegenüber der immer wiederholten Behauptung von der Oberein-
stimmung altisraelitischer und Masai-Sitte, die ja in Einzelheiten gewiss
vorliegt1), kann nicht scharf genug darauf hingewiesen werden, wie gross
andrerseits der Unterschied ist. Den Masai wird zunächst erlaubt, Blut
zu trinken, aber nicht Vieh zu schlachten S. •_><;:;. Dem Israeliten ist das
Blut unbedingt verboten, und die Erlaubnis, Vieh zu schlachten, wird an
die Bedinguni;' geknüpft, d;iss das Blut nicht genossen werde. (Jen.'.». 1:
Lew 3, 17; Deut. 12, 16. Wahrscheinlich sind alle jüdischen Speise-
gebote von dem Abscheu gegen den Blutgenuss diktiert — und dem
Masai ist Blut Lebensmittel ebenso wie Milch. Die Anschauung, dass
Milch und Fleisch nicht gleichzeitig genossen werden dürfen, scheint beiden
gemeinsam zu sein. Sie ist aber im Judentum erst sehr späten Ursprungs
auf Grund von Exod. 23, 19.
' Dem Juden ist der Cienuss erstickten Viehs unbedingt verboten, und
<ler Masai tötet manche Schlachttiere durch Ersticken S. 169 und isst ge-
fallenes Vieh (ebenda).
Die Vorliebe des Masai für die Hunde, die Ehrhardt a. a. 0. S. 25
erwähnt, finde ich bei Merker nicht angeführt. Xach Ehrhardt hat
jedes Kind seinen Hund, und wenn der Hund stirbt, wird als Trauer-
zeichen dem kleinen Masai der Kopf in Streifen rasiert. Merker er-
wähnt nur S. H'.s, dass mau früher ziemlich allgemein Hunde gehalten
hat. In merkwürdigem Gegensatz hierzu steht der S. 262 in den „Er-
innerungen- über den Hund ausgesprochene Fluch und der Abscheu der
Semiten gegen den Hund.
Aus dem allen geht also nur das hervor, dass die schönen Forschungen
des Verfassers gewonnen hätten, wenn er keinerlei Schlussfolgerungen
daraus gezogen hätte. Diese Schlüsse werden sich immer mehr als un-
richtig herausstellen.
Krapfs Ausführungen über jüdische and christliche Einflüsse bei den Kamanten II,
S. 3661 Die Masai halten keine Hühner S. L61, ebenso die Galla. Krapf I, S. 100.
1>;i~ Verhol des Blutgenusses und den Halsschnitt beim Schlachten, wovon die Masai
bei den El-dinel S. 279 erzählen, konnten sie bei den jüdischen (Falasha) oder mohanime-
danischen Stammen des Nordens kennen gelernt haben. Das Beifügen einer Wurzel zum
Meth S.346 Nr. 93 und B.348 Nr. 1l>l' erwähn* Krapf II. S.357.
Vgl. in meiner Ansichl auch Baumann, Durch Masailand zur Nilquelle S. 203.
h l>ass die Woche mit dem Mond zusammenhängt, ist für die biblische Woche in
hohem Masse wahrscheinlich schon nach Gen. i. II und nach der häufigen Zu-ammen-
stellung von Sabbathen und Neumonden — wenn Merker diesen Zusammenhang für das
Ma n ebenfalls behauptet S. |.">|, hat er gewiss recht, vorausgesetzt, dass die Woche bei
den Masai wirklich existiert s. oben .
— 744 —
Das unterliegt ja keinem Zweifel, dass die Nomadenstämme Afrikas
vielfach in ähnlichen Anschauungen und unter ähnlichen Verhältnissen
leben, wie die Stämme des alten Israel. Dergleichen wurde bei manchen
Gesetzen der alten Zeiten vorausgesetzt, ich denke z. B. an das Blutverbot.
Diese Ähnlichkeit hat schon manchen Forscher veranlasst, in Afrika
„Semiten" bezw. „Juden" zu finden; vgl. darüber z. B. die Einleitungen
mancher Grammatiken afrikanischer Sprachen. Dabei werden dann aus
einzelnen zufälligen Gleichklängen in ähnlicher Weise Schlüsse gezogen,
wie der Verfasser die El-eberet mit Ebräern zusammenbringt.
Lassen wir das bei Seite, so kann doch nicht geleugnet werden,
dass die Kenntnis afrikanischer Verhältnisse für den Erforscher des
hebräischen Altertums wegen der hier vorliegenden Analogien von er-
heblichem Nutzen sein würde, und wenn die Mitteilungen des Verfassers
aufs neue zu solchen Studien anregen, so verdient er besonderen Dank.
Will der Verfasser meinen Zweifeln durch den Hinweis darauf be-
gegnen, dass alle Hamitenstämme Afrikas in der Vorzeit einmal aus
Asien nach Afrika eingewandert sein sollen1), und dass ja dann mit ihnen
auch die Masai gekommen sind, so habe ich dagegen nicht viel ein-
zuwenden. Vielleicht ist es so gewesen — aber auf jeden Fall ist dann
der enge Zusammenhang zwischen Juden und Masai, der vom Verfasser
behauptet wird, nicht nachgewiesen, sondern dieser Gedanke ist dann
endgültig aufgegeben. Und das wird das Richtige sein.
1) Vgl. auch Baumann a. a. 0. S. 195.
II. Verhandlungen.
Sitzung vom 22. Oktober 1904.
Vorsitzender: Hr. Lissauer.
(1) Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit der erschütternden
Kunde, dass Hr. Geh. Sanitätsrat, Professor Dr. Max Bartels, seit 1889
Schriftführer der Gesellschaft, am heutigen Morgen im Alter von 61 Jahren
verschieden ist. Wenn der Tod auch für den Verstorbenen eine Er-
lösung von langen, schweren Leiden war, so erfüllte die MitteiluDg doch
alle Mitglieder der Gesellschaft mit tiefem Schmerz. Die aufopfernde
Gewissenhaftigkeit, mit welcher er sich seines Amtes stets angenommen,
und die liebenswürdige Bescheidenheit, mit der er den Wünschen jedes
Mitgliedes entgegenkam, sind noch frisch in aller Gedächtnis. Von den
vielen Ehrenämtern, die er verwaltete, liebte er am meisten das Amt des
Schriftführers in unserer Gesellschaft: diese dankte ihm dafür durch all-
gemeine Gegenliebe, und war Rudolf Virchow auch ihr Haupt, so war
Max Bartels doch ihr Herz.
Als Anthropologe gehörte er noch zu der alten Schule, die mit den
drei Gebieten unseres Arbeitsfeldes gross geworden waren and ihre Tätig-
keit auch auf alle drei auszudehnen vermochten. Sein grösstes Interesse
widmete er aber der somatischen Anthropologie. Seine Untersuchungen
aber die abnorme Behaarung heim .Menschen und über Menschenschwänze
fanden die allgemeine Anerkennung der Fachleute. Sein berühmtes Werk
über „das Weib", welches er aus Bescheidenheit noch immer unter dem
Namen des erstes Bearbeiters erscheinen Hess, obwohl es von ihm gänzlich
umgearbeitet war. erscheint jetzt schon in der achten stets vermehrten
Autlage, ein seltener Erfolg für ein wissenschaftliches Werk. In der
Ethnologie trug er «las Material über „die Medizin der Naturvölker" in
einem besonderen Werk zusammen und für die l rgeschichte und Volks-
kunde lieferte er eine grosse Zahl geschätzter Beiträge in verschiedenen
Zeitschriften.
In der Verwaltung nahm er regen Anteil an allen Geschäften des
Vorstandes. Ami L898 bis 1901 war er Mitglied der Redaktionskommission
Zeitschrift für Ethnologie, Jahr','. 1901 Heft & |n
— 746 —
für die Zeitschrift für Ethnologie; mit besonderer Vorliebe widmete er
sich aber der Sammlung von Photographien, welche unter seiner ordnenden
Hand zu einem ausserordentlich wertvollen Schatz der Gesellschaft heran-
wuchs.
Auf die Aufforderung des Vorsitzenden erhoben sich alle Anwesenden
zu Ehren des Verstorbenen von ihren Sitzen.
Von den andern Mitgliedern des Vorstandes bedauerten nicht anwesend
sein zu können: Hr. Waldeyer, welcher noch nicht von seiner Amerika-
reise heimgekehrt war, Hr. Voss, welcher sich noch auf einer Museums-
reise befand, und Hr. Traeger, welcher sich wieder nach Albanien be-
geben hat, um dort seine früheren Studien fortzusetzen. —
("J) Seit unserer letzten Sitzung hat der Tod leider noch viele andere
hochgeschätzte Mitglieder und Fachgenossen dahingerafft.
Unser Ehrenmitglied, Hr. Professor Rudolf Philip pi, ist am 23. Juli
in Santiago di Chile im Alter von 96 Jahren gestorben. Seine Verdienste
auf den Gebieten der Biologie und Kthnologie sind allgemein bekannt.
Wir verehrten in ihm noch besonders einen Bahnbrecher für deutsche
Methode der Forschung jenseits des Ozeans überhaupt und ernannten ihn
noch im Jahre 1900 bei Gelegenheit seines 70jährigen Doktor-Jubiläums
zum Ehrenmitglied unserer Gesellschaft.
Wir beklagen ferner schmerzlich den Tod unseres langjährigen Mit-
gliedes, des Hrn. Geheimen Regierungsrats Professor Alfred Nehring,
der am "29. September hier gestorben ist. Nehring gehörte zu den Zierden
unserer Gesellschaft, und seine Arbeiten auf dem Gebiete der Prähistorie
und Paläontologie zu den besten überhaupt. Seit 1874 veröffentlichte er
Untersuchungen über die diluvialen Funde von Westeregeln und Thiede,
welche schon durch die genaue Bestimmung der diluvialen Fauna aus-
gezeichner waren; seitdem hat er dieses Gebiet unermüdlich ausgebaut
iiml eine grosse Reihe von Abhandlungen zur Zoologie, Paläontologie
und zur Geschichte der Haustiere veröffentlicht. Auf Grund eingehender
Studien der Steppentiere wies er bekanntlich für Mitteleuropa die Existenz
einer post- oder lnterglazialcn Steppenzeit nach und legte seine epoche-
machenden Untersuchungen 1890 in einem grösseren Werke über Tundren
and Steppen nieder. Er bearbeitete aber auch alles andere paläontologische
.Material mit einer Gründlichkeit und Zuverlässigkeit, dass er bald des
Ruf einer ersten Autorität in seinem fach erwarb. Von allen Seiten
strömte ihm das Material zur Bestimmung der vorgeschichtlichen Tier-
reste zu and wenn er auch oft unter der wachsenden Arbeitslast seufzte,
da >ein Beruf als Lehrer an der Landwirtschaftlichen Hochschule seine
Zeit «loch vorherrschend in Anspruch nahm, so war er dennoch immer
bereit, sein reiches Wissen in den Dienst der Forschung zu stellen. Uns
besonders war er stets ein treuer Berater und wenn er auch durch eine
unglückliche Verkettung verschiedener Verhältnisse in den letzten Jahren
unseren Sitzungen fernblieb, so verfolgte er doch unsere Verhandlungen,
wie er ans wiederholt versicherte, mit grossem Interesse, erteilte uns bis
in die letzte Zeit hinein mit grosser Liebenswürdigkeit auf jede wissen-
— 747 —
schaftliche Frage Auskunft und veröffentlichte noch im vorigen Jahre in
unserer Zeitschrift eine A-bhandlung über einen bearbeiteten Astragalufl
einer Drkuh. Die ganze naturwissenschaftliche Welt wird mit uns seinen
Verlust tief empfinden.
Der Tod hat uns ferner zwei unserer ältesten .Mitglieder entrissen:
Hm. Geh. Regierungsrat Professor von filartens, der unsere vorgeschicht-
lichen Studien durch I5esti Hing der Conchylien stets unterstützte, und
Ihn. Geh. Sanitätsrat Dr. Altraliain, einen fleissigen Besucher unserer
Sitzungen, — weiterhin die Herren Bergwerks-Direktor Rudolf Härche,
Bankier Alexander Meyer Colin, Professor Ernst Robel und General-
Direktor E. Drory.
Wir erwähnen ferner von Nichtmitgliedern dvn Tod des berühmten
Ethnologen Hrn. Professor Friedrich Ratzel in Leipzig, des Hrn. Professor
Dr. Sixt in Stuttgart, welcher als Mitglied der Zentralkommission für
prähistorische Typenkarten und als Redakteur der Fundberichte aus
Schwallen sich um die Vorgeschichte ein grosses Verdienst erworben, und
des Hrn. Professor Dr. Fritz Plehn, welcher als Regierungsarzt in Kamerun
sich durch seine Studien über die tropischen Krankheiten so verdient ge-
macht hat.
Allen diesen .Männern werden wir stets ein ehrendes Andenken be-
wahren. —
(3) Von Hrn. Professor Koganei ist folgendes Dankschreiben aus
Tokyo vom L6. August eingegangen:
Tokyo, 16. August 1904.
An den Vorstand der Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte zu Berlin.
Ihrer geehrten Zuschrift vom 20. Februar erlaube ich mir hiermit zu
erwidern, dass ich die Ernennung zum korrespondierenden Mitgliede der
Gesellschaft dankbar annehme. Es ist mir ein ehrenvoller Titel, einer
Gesellschaft anzugehören, die seit 36 Jahren so viel für unsere Wissen-
schaft geleistet hat. [ch wünsche von ganzem Herzen, dass unsere Gesell-
schaft wie bisher recht erfolgreich gedeihen möge! —
(4) Se. Majestät der Kaiser hat unserem Ehrenmitglied e, dem Fräulein
Professor Biestorf in Kiel, die kleine goldene .Medaille für Kunst und
Wissenschafi verliehen. Wir haben der ausgezeichneten Vertreterin vor-
geschichtlicher Forschung bereits im Namen der Gesellschaft unsere
Gratulation zu dieser hohen Ehrung ausgesprochen.
(5) Als neue Mitglieder werden gemeldet:
i. Hr. Generalleutnant /.. D. von Diesi in Stettin.
2. .. Stabsarzt Dr. Assmv in Oldenburg.
:i. .. Dr. Stimmingin Gross-Wusterwitz bei Brandenburg a.d. II..
praktischer Ar/.t.
1. .. Joachim Otto von der Hagen in Schmiedeberg bei Greifen-
berg in Pommern. —
48*
— 748 —
((i) Die allgemeine Versammlung der Deutschen anthropologischen
Gesellschaft hat in Greifswald unter grosser Teilnahme der Mitglieder aus
ganz Deutschland und berühmter schwedischer Gäste stattgefunden. Über
die zahlreichen Vorträge und Diskussionen, sowie über den Ausflug nach
Rügen, Bornholm, Gotland und Stockholm wird das Korrespondenzblatt
ausführlich berichten; nur der Bericht der Kommission für prähistorische
Typenkarten wird aus praktischen Gründen nach einem Übereinkommen
mit Hrn. Professor Ranke in unserer Zeitschrift für Ethnologie ver-
öffentlicht werden.
Auch der Amerikanisten -Kongress in Stuttgart unter Leitung der
Herren Sei er und Karl von den Steinen hat, wie unsere beiden
Delegierten melden, einen glänzenden Verlauf genommen; Hr. Ehren-
reich wird uns in der nächsten Sitzung darüber näheres berichten.
Hr. Gustav Fritsch hat eine Weltreise angetreten. Hr. und Frau
Seier befinden sich wieder auf einer Forschungsreise in Mexiko. —
(7) Hr. von Le Coq ist vom Königl. Museum f. Völkerkunde nach
Chinesisch-Turkestan gesandt, um die von Hrn. Grünwedel begonnenen
Ausgrabungen wieder aufzunehmen. —
(8) Zu Delegierten für den Internationalen archäologischen Kongress,
der Ostern 1905 in Athen stattfinden soll, sind die Herren Lissauer und
Kieszling, welcher letztere bekanntlich augenblicklich in Griechenland
weilt, gewählt worden. —
(D) Hr. Voss versendet ein Zirkular an alle volkskundlichen Museen
zur Eintragung statistischer Daten über den Inhalt der Sammlungen. —
(10) Hr. Prediger Handtmann übersendet aus Seedorf bei Lenzen
a. Elbe vom 4. August 1904 die folgende Mitteilung, betreffend
Brettcheuweberei.
1. Eigentliche Brettchenweberei fand ich im Jahre 1875 hierher
kommend als Bandweberei ausgeübt durch Frau Gutsbesitzer Wen dt,
geb. Kofa hl, in Breetz bei Lenzen a. Elbe. Die dadurch hergestellten
Bänder sind namentlich als Anhängeösen für Handtücher, Staubtücher,
Wischtücher in praktischen Gebrauch gekommen.
Das von Frau Gutsbesitzer YYondt-Breetz gebrauchte Webebrettchen
isl nach deren Tode in den Besitz einer früher in Wendtschen Diensten
stehenden Arbeiterfamilie Schumacher übergegangen und soll durch
Verheiratung einer Tochter dieser Familie nach dem Dorfe Polz bei Dömitz
in Mecklenburg gekommen sein.
'1. Die Frau des Arbeiters Lemke in Breetz, einem kleinen, nach
der Kirche Seedorf eingepfarrten Wiesendorfe im Kreise Westprignitz,
iiltt uoch immer Brettchenweberei ans. Gelegentlich einer Haustaufe in
dieser Familie Hess ich mir das Webebrettchen vorlegen.
3. Die Eefi I S. 137 u. L38 von Hrn. Schippel dargestellte Borten-
weberei übte ein vor mehreren .Jahren in meinem Haushalt dienendes
Mädchen aus dem Kreise Tilsit mit {rrossem Geschick aus. Name: Marie
— 74!» —
Adomeit, lebt jetzt als „verwitwete Frau Fritze" im Dorfe Mödlicfa
bei Lenzen a. Elbe, sprach litaniscb mit untermischten russischen Worten«
Dieselbe Persönlichkeit fertigte mit grossem Geschick Mooskränze und
Bpielereiknnstwerke ans Strohhalmes an.
(11) Hr. A. van Grennep achreibt uns ans Clamart bei Paris vom
19. August 1904 über das
Tätowieren in Nordafrika.
[ch möchte hiermit einig»- Worte zu Hrn. Paul Trag Handlung
über tunesisches Tätowieren1; hinzufügen.
Das Tätowieren bei den Einwohnern der Hauptstadt Tunis wurde
allerdings schon öfters studiert: das Tätowieren aber <ler in dem ber_ _
Teil d> r i _ schalt wohnenden Khumir beinahe nicht. Vor mehreren
Jahren bemerkte ich in Tuni- einige Khumir. Männer, Frauen und Kinder,
die alle tätowiert waren, und man sagte mir, da-- es so wäre bei allen
Khumir: um so auffallender schien mir dann die Behauptung Dr. Bazins2):
rDans la parti»- septeiitrionale de la Tunisie. les Khoumi^ ne -e tatouent
Meine Beobachtung und die bejahenden Antworten der Tui
auf meine Fragen sind dagegen durch die Abhandlung3) des vorzüglichen
Kenners Tuneso-ns. des Dr. Berthol on bestätigt, welcher drei Arten des
Tätowierens bei den Khumir unterscheidet:
1. ornamentale Tätowierung,
2. Stammes-Tätowierung,
3. Heil-Tätowierim_.
I>.t- häufigste Motiv der ersten Kategorie ist der Palmbaum. we-v. .
man diese Art oft nur nakhla nennt; ein anderes, Behr interessantes
.Motiv i-t die Darstellung eines Mannes mit ausgestreckten Armen und in
♦•ine Art Tunika eingehüllt; diese Figur findet man öfter- ^".rnetrisn-rt.
Das Kreuz gehört zu der zweiten Art. Xach meiner Ansicht hat es nichts
mit dem Christentum zu tun. bo ein einfaches Zeichen kann überall ^anz
unabhängig entstehen: manchmal kann man das direkt nachweisen, z. B.
durch ei: _ 9 er deutschen sowie der asiatischen Eigen-
tnmszeichen. Was die Khumir besonders angeht, - sagt auch Dr. Ber-
tholon ausdrücklich: „La croiz peut avoir um- origine chretienne; la
eroiz est aussi un Symbole anterieur a cette religi"ii . . . il ost a remarquer
que >i ee Bigne avait ete regarde comme un embleme religieux, les indigi
conyertis ä 1 Islam se seraient hates de le bannir de Lernt - - de peur
de ii" pas etre regardes comme des croyants sin« •••:•••-. -
IIi. I igei - -• " nie in Tunis uu4(l nennen
hören; aber vielleicht sprach man ihm von washm (wa-::. . Daq
ja »fein zermalmen", daqq ist als<> „das Zermalmen, das Zerquete
1 Z. f. E. 1904 p. 469 ff.
_' In. l'.azin, Etüde sur le tatouag-.- dans la Regence de Tunis, l'Anthro-
pologie. T. I p. 576, mi*
rtholon. Exploration anthr ; • de la Khoumirie, Bull.de
: pp. 464 —
— 750 —
dakka (mit kef) hat fast den gleichen Sinn, und wenn es sich um
Tätowieren handelt, so bedeutet daqq (bezw. dakk) „das Einreiben fein
zermalmter kolorierender Substanzen".1) Wenn man z. B. Lanes Be-
schreibung des ägyptischen Lebens2) nachliest, so sieht man, dass das
beigegebene Wort dakk sich auf das Einreiben des Stoffes bezieht: „some
smoke-black, or wood, or oil . . . some indigo is rubbed into the punctures.
It is generally performed . . . by g'ipsy women. The term applied to it
is dakk."
Auffallend genug ist, dass weder Lane noch mehrere andere Schrift-
steller (Lane's Arabic-English dictionary natürlich ausgenommen) das
Wort washm für Tätowierung nicht erwähnen, da es doch das richtige,
altarabische ist: „The washm", sagt u. a. Robertson Smith3), „as de-
scribed in the old poets and in the hadith is a sort of tattooing of the
hands, arms and gums, imprinted by women on others of their own sex
by way of adornment"; heutzutage heisst noch überall das tätowierte
Zeichen washm. Ein anderes (semitisches) Wort für diese Art Operation
ist seret (hebräisch), sharat und shart (arabisch).
Manchmal kommt das washm als wasm (Eigentumszeichen) vor4);
aber in dieser Richtung wurde bis jetzt nur wenig gesucht, weder in der
arabischen Literatur noch im Volke; dass washm zugleich als wasm
diente, um Sklaven oder Kriegsgefangene zu kennzeichnen, ist festgestellt,
so in Arabien wie in Nordafrika.
(12) Hr. Oberbürgermeister Dr. Brecht übersendet aus Quedlinburg
die folgende Mitteilung vom 15. August über
die Eolithen von Biere.
Da den sog. Eolithen erfreulicherweise jetzt eine so rege Teilnahme
zugewandt wird, so erlaube ich mir, über ihre Entdeckung in der Provinz
Sachsen einige Mitteilungen zu machen, die den Bericht des Hrn.
Dr. Hahne vom 19. März 1904 (S. 308 der Zeitschrift) ergänzen und zum
Teil berichtigen mögen.
Als die diesseitige Provinzialverwaltung ihre Historische Kommission
gegründet hatte (1876), wurde auch der Professor Fr. Klopfleisch zum
Mitgliede der Kommission gewählt, um vorgeschichtliche Forschungen in
Angriff zu nehmen und für die Errichtung eines Provinzialmuseums Rat
zu geben. In der zweiten Sitzung, an der Klopfleisch teilnahm, am
23. Oktober 1877, legte er eine Anzahl kleiner Feuersteingeräte vor, die
ihm der Lehrer (nicht Kantor) A. Rabe zu Biere anvertraut hatte. Es
\v;ueii Spähne, Schaber mit grader und gebogener Schneide, Sägen, Bohrer
und anderes. Nach Rabes Mitteilungen, so berichtete er, seien diese
1) Siehe die Wörterbücher Lanes, Kasimirskis, der Beyruther Jesuiten usw. s. v.
— 2) E. W. Lane, Manners and Customs of the Modern Egyptians. London
pp. 56 — 57. — 3) W. Robertson Smith, Kinship and Marriage in Early
Arabia. Cambridge 1885 pp. 213— 210. — 4) A. vau Gennep, Les „Wasm" ou
Marques de Proprietö des Arabes. Int. Archiv f. E. L902.
— 751 —
(legenstände in dein Diluvialkiese des Dahlsberges und Hängelberges bei
liiere, wie in der zwischen Dien- und Gross-Mühlingen belegenen Kies-
grube gefunden worden. Er habe sich, als er von diesen Funden erfahren,
sol'oit an Ort und Stelle begeben und sich überzeugt, dass die Sachen in
der Tat aus dem Diluvium und, wie er sieh ausdrückte, aus einer „Feuer-
steinfabrik" herrührten. Auf seinen Antrag beschloss dann die Kommission,
eine Auswahl der Sachen, wenn angängig, zu erwerben und von den
wichtigsten Typen Zeichnungen anfertigen zu lassen, die in dem geplanten
Druckwerke der „Vorgeschichtlichen Altertümer" Verwertung linden sollten.
Infolgedessen sind denn auch 100 der wertvollsten Stücke, die sich jetzt
im Provinzialmuseum befinden, \'üv die Provinz erworben, während die
Berücksichtigung der Funde in der genannten Druckschrift durch Klop-
fleisch aus mir nicht bekannten Gründen unterblieben ist.
Nach 4 oder 5 Jahren meldete mir Er. Rahe, der inzwischen auf
meinen Wunsch mancherlei andere vor- und frühgeschichtliche Pundstücke
in höchst dankenswerter Weise für das hiesige Stadtmuseum gesammelt
hatte, dass er wieder eine grössere Anzahl von Steingeräten aus dem
Kiese der genannten Fundstellen gesammelt halte. Da die Verwaltung
des nun ins Leben gerufenen Provinzialmusemns der Sache zweifelnd
gegenüberstand, so entschloss ich mich, die Sachen kurzer Hand für das
hiesige Museum zu übernehmen, wollte mir aber bei der Eigenart der
Fundumstände doch zuvor noch persönlich von der örtlichkeit eine An-
schauung verschaffen, um die Aufnahme in das Museum bei der Stadt-
verwaltung vertreten zu können. Ich begab mich deshalb nach Biere und
wurde dort an die Stelle des Dahlsberges geführt, wo der grobe Kies, aus
dem der Hügel bestand, abgebaut war. Es zeigte sich hier eine fast
senkrechte Wand von etwa 4 — 5 m Höhe, in der sich mühelos verschiedene
Feuersteinknollen erkennen Hessen. Nach einigein Suchen erkannte ich
aher in etwa .'! /// Höhe auch einen Rundschaber aus Feuerstein, der mit
dem Kiese verwachsen schien. Ich löste ihn aus seiner Lage heraus und
war nun von dem diluvialen Charakter auch der übrigen in den Kiesen
der Gegend gefundenen Feuersteingeräte insoweit überzeugt, dass ich mich
zu der lütte an Hrn. Kalte für berechtigt hielt, die bereits gesammelten
und weiter sich ergebenden Funde aus dem Kiese dem hiesigen Stadt-
museum zu überlassen.
Der Bitte hat denn Hr. Rahe auch einige Jahre lang entsprochen.
so das> sich in dem Museum 181 Stück Feuersteingeräte und dazu fünf
Knochengeräte befinden, die nach den Angaben der Finder aus dem Kiese
der obengenannten Fundstellen herrühren.
1. e'nler hat dann Hr. Rabe im Missverständnis einer Äusserung von
mir angenommen, dass ich auf Vermehrung der diesigen Sammlung keinen
Wert lege und zahlreiche, weitere Fundstücke anderweit abgegeben: so an
den Dr. Wanke! in Olmütz, an den Archivar Ankert in Leitnieritz und
an Dr. Karl Grorjanovic-Kramberger, ohne von diesen Herren die
erhoffte gutachtliche Äusserung über die Bedeutung der Funde zu er-
Indien.
— 752 —
Neuerdings hat Hr. Rabe dann noch Fundsachen derselben Herkunft
an einen Gymnasiasten in Magdeburg und an das dortige Musum abgetreten
und dadurch den Anlass gegeben, dass die Herren Klaatsch und Hahne
von den Funden erfahren haben.
Aus der hiesigen Sammlung habe ich Hrn. Dr. Hahne Ende 1902
eine Auswahl von 49 Stücken anvertraut, die er auch zum Teile in der
Gesellschaft für Anthropologie usw. vorgezeigt hat.
Man wird diesem Forscher sehr dankbar sein müssen, dass er die
Funde zum Gegenstande vergleichender wissenschaftlicher Untersuchungen
gemacht hat; ich möchte aber doch betonen, dass wir die Entdeckung
und erste Würdigung der bedeutsamen Fundstellen dem Lehrer August
Rabe zu Biere verdanken.
(13) Hr. Erich Pernice berichtet aus Greifswald über die
Gräber in Tkurow bei Züssow.
Der Hügel, auf dem gelegentlich der Tagung der deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft in Greifswald eine Ausgrabung veranstaltet wurde,
liegt in nahezu südlicher Richtung 600 m vom Bahnhof Züssow der Linie
Stralsund-Pasewalk. Seine genauere Lage wird durch den trigonometrischen
Punkt 42,3 des Messtischblattes „Züssow" bezeichnet. In dem durch
Wald und Ortschaften vielfach beschränkten Gesichtsfeld hebt er sich
durch seine scharf begrenzte Form unter den übrigen geringeren Boden-
erhebungen deutlich als der charakteristischeste heraus. Seine Grund-
fläche bildet ein in westöstlicher Richtung gestrecktes gleichmässiges
Oval, in dessen Mitte die höchste Erhebung liegt. Zwei geringere Er-
hebungen, von jener durch flache Einsenkungen geschieden, bilden den
Abschluss an den beiden Enden.
Dass der Hügel in vorgeschichtlicher Zeit als Bestattungsplatz diente,
liess sich aus seiner Lage zur Umgebung schliessen. Die Bestätigung
boten ausser mancherlei Anzeichen — dem Funde von zahlreichen grossen
Steinen, von Urnenscherben und Holzkohlenresten — die Aufdeckung
eines Steinringes auf der westlichen Erhebung des Hügels. Die Unter-
suchung des innerhalb dieses Steinringes gelegenen Grabes ist, entgegen
den Absichten des Entdeckers, Hrn. Inspektors Sauerbier, leider nicht
unter fachmännischer Aufsicht erfolgt, vielmehr durch eine heimliche
Raubgrabung vereitelt worden. Es konnte nachträglich folgendes fest-
gestellt werden:
Der Steinring (vgl. Fig. 1) hat einen Durchmesser von 16,50 m und
bestellt aus einzelnen nebeneinander gelegten mächtigen Blöcken von
durchschnittlich 0,7;") m Höhe und Breite. Genau in der Mitte liegt das
Grab. Das Grab, ca. 4w lang und 2,50 m breit, ist ehemals an allen
vier Seiten von grossen Steinen eingefasst gewesen, jedoch sind die Steine
durch die schon erwähnte Raubgrabung namentlich an der Westseite be-
seitigt worden. Die Steine — an der östlichen Schmalseite bildet ein
mächtiger Block aus rotem Granit die Hälfte der Einfassung — sind so
aufgestellt, dass die dem Grabe zugekehrte Seite möglichst eine glatte
Fläche zeigte; sie war bei einigen von Natur vorhanden, bei anderen
— 753 —
wurde sie durch künstliche Abarbeitung hergestellt. Namentlich bei dem
grossen Block der östlichen Schmalseite ist die künstliche Glättimg deutlich
wahrzunehmen. Die Sohle des Grabes, 0,80 m unter der heutigen Ober-
fläche, ist mit kleinen rundlichen Steinen von 0,10 — 0,15 m Durchmesser
gepflastert. Von Decksteinen ist keine Spur gefunden worden, es ist
auch nicht anzunehmen, dass sie bei der neuesten Nachgrabung zerstört
und entfernt worden sind. Da sie wahrscheinlich ehemals vorhandi-n
waren, werden sie schon früher bei der Bestellung entdeckt und heraus-
genommen worden sein. Das ist um so eher denkbar, als der Steinring
teils von Alters her sichtbar war, teils nur 0,10 — 0,20 m unter der heutigen
Oberfläche liegt, der östliche Granitblock 0,25 w, die Deckplatten also
nur durch eine dünne Erdschicht bedeckt gewesen sein können.
Fig. 1.
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Dafür, dass das Grab nicht schon früher einmal ausgeplündert war,
sprechen die Funde, die, wenn auch vielleicht nicht vollzählig, von den
Goldsuohern an Hrn. Inspektor Sauerbier abgeliefert worden sind und
jetzt in der Sammlung vaterländischer Altertümer zu Greifswald auf-
bewahrt werden. Ms sind eine Spirale aus dünnem hellgelben Golddraht
und Fragmente einer Bronzenadel. Knochenreste wurden bei der Nach-
untersuchung nicht gefunden, auch nicht Reste einer Graburne. Die
Analogie des mittleren Grabes spricht dafür, dass der Tete unverbrannt
beigesetzt war.
Die Richtung des Grabes ist von Westen nach Osten.
Die Auffindung dieses Grabes bot dem Hrn. Kurator der Universität.
Geh. Oberregierungsrat v. Hausen. Veranlassung, in dankenswerter wissen-
— 754 —
schaftlicher Fürsorge, den ganzen Hügel einstweilen von der Bestellung
auszuschliessen und die Erlaubnis zu weiteren Ausgrabungen bei der vor-
gesetzten Behörde zu erwirken.
Die ersten Versuche galten der Haupterhebung im Mittelpunkt des
Hügels. Es musste zunächst die Grösse des Steinringes festgestellt werden,
dessen Vorhandensein schon bei der Entdeckung des westlichen Grabes
festgestellt war. Diese Aufgabe bot keine Schwierigkeit. Der King
wurde von Westen bis Norden vollständig, an anderen Stellen, besonders
im Süden nur so weit freigelegt, als erforderlich war, um seinen Verlauf
Fi- -2.
zu erkennen. Der Durchmesser beträgt 19,50 m. Der Ring besteht nicht,
wie l»ei dem östlichen Grabe, aus einzelnen grossen Steinen, sondern er
isi au 8 mittleren und zwischeneingefügten kleineren Steinen wie eine
Zyklopische Mauer ca. 1 m breit und ca. 0,70 m hoch aufgebaut und nur
an einzelnen Stellen sind ganz grosse Blöcke verwendet.
Der von dem King eingeschlossene Teil zeigte sich bei der Unter-
suchung dicht unter der Oberfläche in einer bestimmten Abgrenzung von
mittleren und kleineren Steinen vollständig überdeckt; jedoch lagen diese
Stein,, nicht wie ein Pflaster nebeneinander, sondern, wie bei einem ein-
gestürzten Gewölbe, locker neben- und untereinander. Ein festes unzer-
Btörtee Steingefüge wurde mit einem deutlich in gerundeter Linie ver-
— (.),) —
laufenden Rande bei dem Punkte a (vgl. die Figur 2), 5,50 m von dem
äusseren Steinringe, auf eine Länge von 1— 2 m festgestellt; ein zweites
bei «lein Punkte b, 4,50 m, ein drittes bei c, 6,50 m von dem äusseren
Steinringe entfernt. Ausserhalb dieser drei Stellen lagen nach dem äusseren
Ringe hin keine weiteren Steine mehr. Es war also deutlich, Süss inner-
halb des äusseren Ringes eine Anlage mit anscheinend runder Umfassung
und aufgetürmtem Steinhügel bestand.
Unter dieser Anhebe war das Grab zu vermuten. Um zu ihm zu
gelangen, wurde ein Graben d durch die vermutete Mitte der inneren
Anlage 1,20 m tief bis auf den gewachsenen Boden gezogen, aber es fand
sich ausser kohlendurchsetztem Erdreich keine Spur von Bestattung; daher
wurde ein zweiter breiterer Graben e im rechten Winkel dazu von oben
herab ausgestochen — es fehlten hier vielfach die Steine des angenommenen
aufgetürmten Steinhügels -- und nachdem dieser auf 0,90 m vertieft war.
fand sich ein bronzenes Schwert (Typus der älteren Bronzezeit), den Griff
nach Westen, die Spitze nach Osten gekehrt. Der Tote, der das Schwert
in der Band hielt, also nicht verbrannt war, lag demnach mit dem Kopf im
Westen, mit den Füssen im Osten, so dass er nach Osten blickte. Dicht
neben dem Schwerte wurden Fragmente einer bronzenen Nadel, leider
ohne Kopf, gefunden. Die Grabstelle an sich war damit festgelegt.
. Soweit war die Ausgrabung bei der im Eingang genannten Gelegen-
heit vorgeschritten. Die Liberalität des Kultusministeriums ermöglichte
eine weitere Untersuchung der gesamten Anlage, die bei ihrer offen-
kundigen Bedeutung auch den Teilnehmern der Ausgrabung als wissen-
schaftliche Pflicht erschien.
Um die Ausdehnung und Anlage des Grabes und sein Verhältnis zu
dem oberen Kund festzustellen, musste der Graben e weiter verfolgt
und vertieft werden. Die Vertiefung führte unmittelbar unter der
Stelle, wo die Funde gemacht waren, auf das Sohlenpflaster aus doppelt
faustgrossen Steinen, unter diesen folgte eine 0,20— 0,25 m starke muffige
Schicht, wie ich glaube, durchsetzt mit den in Verwesung übergegangenen
Leichenteilen, und danach der gewachsene Boden.
Auch dieses Grab ist nicht im Zustande der ursprünglichen Anlage
auf uns gekommen. Das Fehlen der Decksteine und der Mangel jeglicher
Knochenreste, die sich in dem sandigen Boden hätten erhalten müssen,
sind deutliche Zeichen dafür. Als untrüglicher Beweis kann der Umstand
dienen, dass aus der Schicht unterhalb des Bodenpflasters kleine Stücke
moderner roter Ziegel, anscheinend von Drainröhren, herausgezogen wurden
— dazn stimmt auch das Fehlen der Steine des aufgetürmten Grabhügels
gerade ober dem Grabe. Fs muss daher als ein angewöhnlich glücklicher
Zufall betrachtet werden, dass bei der früheren Durchsuchung des Grabes
das Schwert nicht gefunden wurde.
Trotz dieser bedauerlichen Wahrnehmung bot das Grab eine Fülle
lehrreicher Beobachtungen. Bei der Fortführung des Grabens e nach Osten
Btiessen wir alsbald auf einen mächtigen, nach aussen bis in die Höhe
der oberen Anlage ansteigenden Stein, der im Osten das Ende des Grabes
bezeichnete. Anfangs schien es, als sei der Stein hierher gewalzt, aber
— 750 —
seine Grösse — er ist 3,50 m lang und 2 m breit — sowie der Umstand,
dass er auf dem gewachsenen Boden ruht, beweist, dass es ein erratischer
Block ist, der schon vor dem Begräbnis hier gelegen hatte. Er war
deutlich für die Anlage des Grabes der Ausgangspunkt. Von ihm aus
wurden die beiden Längswände des Grabes in genau westlich-östlicher
Richtung angelegt. Beim Setzen der Seitensteine stiess man dabei auf
einen zweiten kleineren erratischen Block, den man in seiner ursprüng-
lichen Form liegen liess, anstatt ihn der Linie des Grabes entsprechend
abzuarbeiten; so springt eine Ecke dieses Blockes, die Regelmässigkeit
störend unterbrechend, in das Rechteck ein. Das Westende des Grabes,
wo der Kopf lag, war zerstört und daher nicht mehr festzustellen.
Auch für die Beurteilung der oberen Anlage ergaben sich aus der
Fortsetzung der Untersuchung sichere Resultate. An das östliche Ende
des grossen Steines schliessen nämlich nach beiden Seiten Mauern an, die
sich durch die Rundung ihrer Aussenlinie und ihrer Bauweise deutlich als
Fig. 3.
Fortsetzung der erörterten oberen Anlage zu erkennen geben. Diese Mauer
umgab also das gesamte Grab und zwar nicht in einer genau kreisförmigen,
sondern elliptischen Anordnung, so dass der grössere Durchmesser in der
Richtung von Westen nach Osten, wie das Grab selbst, lag; sie war die
äussere Begrenzung des Steinhügels, der sich in unbestimmter Höhe über
dem Grabe wölbte.
Die Gesamtanlage muss ehemals mit seiner, den geheiligten Grab-
bezirk umfassenden Steinsetzung und dorn innerhalb aufgetürmten Stein-
hügel einen imposanten Eindruck gemacht haben. Sie war bedeutender
als das westlich davon gelegene Grab und ihrer Bedeutung entsprach ihre
Lage auf der höchsten Erhebung des Hügels. Wie sie ausgesehen haben
könnte, veranschaulicht die beistehende Skizze, die keinen weiteren An-
spruch ;ils den der Deutlichkeit erhebt (Fig. 3).
Eis war zu vermuten, dass auch die östliche Erhebung ein gleichartiges
Grab berge. Gleich die ersten Spatenstiche an der geeignet erscheinenden
Stellt! führten zur Bestätigung dieser Vermutung (vgl. I^ig. 4). Hier hatte
der Steinring, >\fi an vier Stellen zur Feststellung seiner Grösse freigelegt
— 757 —
wurde, einen Querdurchmesser von 14?« und eine Breite von Im; an der
Westseite waren die Steine grösser als an der Ostseite. An der Westseite
wurde eine Urne mit menschlichen Knochen und einem kleinen, mond-
sichelförmigen Steingerät hervorgezogen1); sie stand, von kleinen Steinen
rings umgeben, — ein Deckstein wurde nicht mehr gefunden — genau in
der Linie des Ringes, aus dem für die Beisetzung die erforderlichen Steine
beseitigt worden waren. Der Platz hat also in späterer Zeit zu Urnen-
beisetzungen gedient. Wie zahlreich sie ehemals waren, lehrte ein Graben,
der durch die anfangs nicht festgelegte Mitte des Ringes, 1 m breit, gezogen
wurde. Er enthielt massenhafte Urnenscherben der gleichen Qualität und
Steine, die zu ihrem Schutze gedient hatten; mehrfach konnten Plätze
festgestellt werden, an denen ehemals Urnen gestanden hatten, aber bei
lirer Lage, dicht unter der Oberfläche, war nichts intakt geblieben.
Fig. 4.
In der Eoffnung, an dem alsbald festgelegten, genauen Mittelpunkt
der Anlage ein grosses Grab zu finden, Hess ich hier ein Loch in einer
Ausdehnung von :5:4m ausheben. Nach 1,80 m Tiefgrabung, während
welcher Bteta Spuren von späteren Beisetzungen sichtbar wurden, wurde
der gepflasterte Hoden des Grabes gefunden, aber alles übrige war bei
1) Die Urne besteht aus leichtgetrocknetem, mit zahlreichen Steinchen durchsetztem
Tou und zerbröckelt bei schon leichter Berührung-. Schon bei ihrer Auffindung war sie
nicht mehr intakt, sondern in zahlreiche Stücke zerfallen. Es bot daher grosse Mühe,
die ursprüngliche Form zu rekonstruieren. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daas
überall in der Nahe der Hauptanlage Urnenbeisetzungen gefunden worden Bind. Der
ganze Acker, mehrere Sondert Meter im Umkreis, ist durchsetzt damit. Überall waren
die Gefässe so zerbrochen und bröckelig, dass es nicht lohnte, alle Seherben mitzunehmen;
nur die für die Form charakteristischsten habe ich gesammelt und in der Sammlung vater-
ländischer Altertümer niedergelegt.
— 758 —
Seite geräumt. Wäre auch nur ein grosser Stein des Grabes noch an Ort
und Stelle gewesen, hätte er bei der Grösse des Ausstichs gefunden werden
müssen, selbst wenn das Grab nicht genau in der Mitte gelegen hätte,
sondern weiter nach Osten oder Westen verschoben gewesen wäre.
Es ist danach eine Vermutung darüber, wie das Grab ausgesehen
haben mag, nicht angängig; aber die Wahrscheinlichkeit spricht dafür,
dass es dem westlichen Grabe entsprochen hat. Es würde dann das an
bevorzugter Stelle gelegene Grab mit besonderer Pracht ausgestattet
gewesen sein, die beiden anderem sich jenem wie durch den geringeren
Platz, so durch einfachere Ausstattung untergeordnet haben.
(14) Hr. Graf Bobrinsky schreibt aus Smela (Russland) vom
2./15. August 1904
über die Fälschung einer von Hrn. Wilke-Grimnia
erworbenen Statuette.
La Zeitschrift für Ethnologie a bien voulu inserer il y a quelques
annees une notice de ma part ä propos d'une Statuette en bronze, prove-
nant du Caucase. Je signalais alors que ce bronce, dont la Zeitschrift
publiait Timage, etait de fabrication moderne et Toeuvre d'un faussaire.
On vend beaucoup de petits bronzes semblables ä Tiflis, ad usum des
voyageurs.
Je viens aujourd'hui recommencer ma denonciation contre une Statuette
absolument semblable publice dans le tres interessant memoire de Mr. le
Docteur Wilke sur les archäologische Parallelen aus dem Kaukasus und
den unteren Donauländern (Z. f. E., Heft 1 [1904 1 S. 89 Fig. 119 u. 120).
Kaute ur a acquis ce „guerrier" ä Tiflis.
Les dessins, publies par Mr. Wilke ne me laissent aucuns doutes
sur la provenance moderne de ce bronze. Ces statuettes sont des copies
grossieres d'originaux. qu'on trouve de temps en temps dans les sepultures
anciennes, surtout au Daghestan. Les originaux sont rares et d'un travail
beaucoup plus soigne. Ils sont recouverts d'une patine noire, tandis que
les pieces fausses sont generalement enduites d'un vert-de-gris plus clair.
A l'epoque actuelle, oii la contrefacon nous entoure de toutes parts,
je crois qu'il est du devoir de chacun de nous de signaler, des que nous
le pouvons les antiquites douteuses.
(l.">) Hr. Voss überreicht den folgenden Bericht des Hrn. Oesten
aber die bisherigen Arbeiten der
Itethra- Kommission.
Die grosse Talmulde, welche die beiden Landseen, die Lieps und die
Toilense umfasst, stellt eine einheitliche Grundinoränenbildung dar. Die
Lieps bildet den oberen flacheren Teil derselben, die Toilense den unteren
lieferen. Beide sind durch eine inselartige flache Geschiebeablagerung,
den gegenwärtigen „Nonnenhof", getrennt und durch mehrere graben-
artige Wasserverbindungen wieder verbunden, welche die Abflüsse des
Liepswassere in die Toilense bilden. l]s sind dies von Südwesten nach
— 7.")'.) —
Nordosten gehend: der Modd ergraben oder der alte Dach, ein alter
gekrümmter, stark verlandeter Wasserlauf', der noch gegenwärtig die
Grenze zwischen dem Nonnenhof und Wustrow, zugleich die Landesgrenze
/wischen den Landein Strelitz und Schwerin bildet, dann der Alte oder
Fischergraben, welcher für den Verkehr der Fiecherkähne zwischen
Lieps und Tollense dient, der Neue Graben, welcher vor etwa 90 Jahren
zu gleichem Zweck angelegt sein soll, aber bereits in der Schmettau'schen
Karre von 1780 verzeichne! ist und der Nonnenbach mit dem Wiedbach
als Znfluss ans der Lieps. Vgl. hierzu Fig. 1.
Der „Xonnenhof" selbst ist eine flache, zum grössten Teil Bumpfige
Niederung von etwa 800 Morgen Grösse, aus der nur einige kleinere
Flächen als feste sandige Horste, aber ebenfalls flach, hervorragen. Ahn-
liche Bildungen liegen den Inseln in der Lieps. dem Hanfwerder, dem
Kietz- und Binsenwerder, der kleinen Insel „Heidensruh", sowie der
Fischerinsel in der Tollense bei Wustrow zugrunde. Die Lieps mit
dein Nonnenhof und allen Inseln, sowie die Tollense mit der Fischerinsel
befinden sich im Besitz der Stadt Neubrandenburg.
Meine bisherigen Arbeiten mit dem Spaten, der Baggerschaufel, dem
Sackbohrer, welche sich bis jetzt erst auf den Hanfwerder, kleinere Teile
des Nonnenhofes, den Kietzwerder und Teile des Sees selbst erstreckt
haben, ergeben, dass eine ausgedehntere Besiedelungsstätte der Redarier in
der Lieps vorhanden war; sie haben mir aber auch gezeigt, dass man, um
Art und Ausdehnung derselben verstehen und aufdecken zu können, sich
zunächst klar darüber werden muss, welche erheblichen geologischen Ver-
änderungen der Bodenoberfläche seit der Wendenzeit hier stattgefunden
haben und wodurch sie herbeigeführt wTorden sind.
in erster Linie ist hier die Erhöhung des Wasserstandes der Lieps
in Betracht zu ziehen.
Im Jahre 1287 ist, wie eine Inschrift an der Yierrademühle besagt,
diese in Neubrandenburg von Bernhard« Herborts Sohn erbaut worden.
Durch dieses Stauwerk wurde der Wasserspiegel der Lieps um etwa 1,5 m
(bei mittlerem Wasserstande) gehoben. Der bei weitem grösste Teil der
damaligen Oberfläche des Nonnenhofes wurde hierdurch mit einer Was
höhe von 0 — 1,5 m überstaut. In diesem flachen Wasser entwickelte sich,
wie noch gegenwärtig, eine äppige Vegetation von Wasserpflanzen, deren
Botr Bich ansammelten und mit Anschwemmungen durch Wind und Wellen
vereinig! aeue Verlandungen auf den alten Flächen bildeten. Daher findet
man jetzt auf diesen neuen Bodenoberflächen keine Spur von wendischen
Kulturresten, wühl aber solche reichlich unter der neugebildeten Decke
von Pflanzenerde auf der Oberfläche der Wendenzeit. Mehr alle durch
die Erhöhung des Wasserspiegels überfluteten Bodenflächen sind wieder
verlandet, grössere Strecken derselben liegen auch heute noch unter Wasser.
'Teile des früher festen Lande-, die auch über den gegenwärtigen Wasser-
spiegel hervorragen, sind dagegen durch Eisgang und Wellen fortgerissen,
fortgespülf and an anderer Stelle wieder abgelagert, auch über die neuere
Verbindung aufgeschoben und aufgeschwemmt worden. Gleiches ist an
manchen Stellen mit den neuen Landbildungen selbst geschehen. Die
— 760 —
Wirkungen der mit- und gegeneinander arbeitenden Naturkräfte machen
sich an allen Uferstrecken bemerkbar und haben mancherlei Vermischungen
der Bodenteile verschiedener Herkunft herbeigeführt, die nicht immer
leicht verständlich sind. Stets liegt aber die alte, wendische Uferbegrenzung,
die Linie zwischen dem Boden, der zur Wendenzeit Land und dem, der
Wasser war rund 1,5 m unter dem gegenwärtigen mittleren Wasserspiegel.
Ungefähr entspricht der Lage des alten Ufers die in dem Plan Fig. 1
unterbrochen gezeichnete Linie. Man wird, wenn man diese Uferlinie
durch Aufgrabung und Lotung aufsucht und aufmisst, Form und Begrenzung
des zur Wendenzeit trockenen Landes wieder feststellen können. Bei
diesen Aufgrabungen auf dem Nonnenhof würde man zugleich einen Ein-
blick in die Verteilung und Ausdehnung der früheren Besiedelungsstätten
auf dem Nonnenhof gewinnen.
Der Hanfwerder nun (Fig. 2, 3 u. 4), auf den ich nach diesen allgemeinen
Bemerkungen speziell eingehen möchte, ist eine Insel in der östlichen Bucht
der Lieps, die gegenwärtig eine Oberfläche von etwa 7 Morgen Grösse besitzt;
sie enthält einen festeren Horst von etwa 2 Morgen Grösse am Ufer im
Westen, welcher hier den über den See wehenden Stürmen frei ausgesetzt und
daher von den Wellen stark abgespült ist. Die übrigen Ufer sind unter
dem Schutz des nahen Landes nicht abgespült, an diesen hat vielmehr
eine ausgedehnte Anschwemmung und Neuverlandung durch Pflanzenreste
stattgefunden, welche bis zu 90 m in den See hineinreicht. Auf der Insel
habe ich Gräben durch den festen Kern wie durch den angeschwemmten
Teil gezogen. Es hat sich ergeben, dass der feste Horst von ovaler Gestalt
von einem (eingesunkenen) Graben mit Wall umgeben war. Konzentrisch
um beide zieht sich ein Landstreifen von 15 — 18 m Breite, welcher nach
dem Wasser zu abdacht. Der grössere Teil seiner ehemaligen Oberfläche
liegt unterhalb des gegenwärtigen Wasserspiegels. Am alten Uferrand,
etwa 0,8 — 1,0 m unter dem letzteren schliesst dieser Landstreifen mit einer
Uferbefestigung aus Rundhölzern mit zwischen dieselben gesetzten Pfählen
und aufgelegten Querhölzern ab. Diese Uferbefestigung ist an der West-
und an der Nordseite in gleichem Abstände vom inneren Graben vor-
gefunden und freigelegt worden. Die auf dem Hanfwerder ausgeworfenen
Gräben sind, weil derselbe gegenwärtig nicht bewirtschaftet und Vieh
daselbst nicht geweidet wird, offen liegen geblieben, so dass der Befund
leicht wieder zu ermitteln ist und weiter verfolgt werden kann. Innerhalb
der alten Uferbefestigung sind auf dem Hanfwerder zahlreiche wendische
Kulturreste vorhanden und vorgefunden worden; ausser Scherben und
Knochen ein eisernes Messer, eine eiserne Pfeilspitze, ein Zierkamm aus
Knochen usw.
Es sind Funde nur aus jener Zeit gemacht worden. Der grösste Teil
des aus den Gräben ausgehobenen Bodens ist nach Fundstücken noch
nicht durchsucht.
Der Hanfwerder kennzeichnet sich hiernach nicht als eine Tempel-,
\\"lil aber als eine einheitliche burgwallähnlich befestigte WTohnstätte
vielleicht die eines vornehmen Wenden oder Knesen. Die Abgeschlossen-
heit und Unzugänglichkeit des ganzen Liepsgebietcs brachte es mit sich,
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— 762 —
dass ich zur Ausführung der Arbeiten von verschiedenen Seiten in das-
selbe zu gelangen und einen geeignet gelegenen Stütz- und Unterkunfts-
punkt in der Nähe desselben zu gewinnen suchte.
Über Blankensee, über Neubrandenburg, von Penzlin her über Wustrow,
von Neustrelitz über Prillwitz usw. Ich machte hierbei von selbst Be-
kanntschaft mit allen Teilen des Gebietes und gewann dabei eine An-
schauung von der Eigenart desselben, die mich veranlasste, die Nach-
forschungen auf dem Hanfwerder abzubrechen und mich an die nach
Prillwitz zu gerichtete äusserste Spitze des Nonnenhofes zu begeben (siehe
Plan Fig. 1).
Hier untersuchte ich zunächst den „Bachuswall" oder „Bachers-
wall". Es ist dies der von den Wellen noch nicht fortgespülte Überrest
eines künstlich aufgeschütteten Walles von 20 m Breite und 1,7 m Höhe
über der alten wendischen Oberfläche. Er hat jetzt noch eine Länge von
etwa 40 m und schliesst die Spitze des Nonnenhofs nach der Landseite
hin ab. Die nach beiden Seiten über das gegenwärtige Ufer hinaus und
in den See hinein vorhanden gewesenen und durch die Wellen einge-
ebneten Fortsetzungen des Bacherswall sind erkennbar und namentlich
bei dem niedrigen Wasserstande dieses Sommers deutlich hervorgetreten.
Es ist auch zu erkennen, dass der südliche Arm eine Biegung nach Westen
zu gemacht haben muss. Auf der Landseite sind die Überreste eines
verlandeten breiten Grabens noch deutlich wahrzunehmen und durch
Grabung nachgewiesen. Die abgespülten Teile des W alles müssen nach
jeder Seite hin eine Länge von mindestens 50 m gehabt haben, so dass
die ganze Länge der Wallanlage nicht unter 140 m betragen haben kann.
Dieses Schutzwerk war, wie die Lage des Grabens beweist, nach dem
Lande zu gerichtet, das zu schützende Objekt muss mithin auf der nach
Prillwitz zu gerichteten Spitze gelegen haben. Gegenwärtig hat diese
nur eine Landfläche von etwa 4000 <pn. Diese Spitze ist von mir durch
Längs- und Quergraben untersucht. Auf der Oberfläche derselben sind
Reste wendischer Kultur nirgend wahrzunehmen. Sobald man jedoch die
obere, aus Pflanzenresten bestehende Bodenschicht durchstochen hat,
gelangt man in einer Tiefe von 0,7 — 1 m und 0,5 m unter dem gegen-
wärtigen Wasserspiegel auf die wendische Kulturschicht mit vielen Knochen
und Scherben. Die gegenwärtige Landspitze ist von einem ausgedehnten,
unter Wasser liegenden Vorlande umgeben, auf dem Plan Fig. 1 durch
die gestrichelte Linie abgegrenzt. Diese Linie ist, wie bereits bemerkt,
die der gleichen Wassertiefe von 1,5 m, also der alte wendische Uferrand.
Sie hält sich zu beiden Seiten der Landspitze in einem Abstände von
etwa 50 m, weicht aber nach Prillwitz zu bis zu 150 m in den See hinaus.
Innerhalb der von diesem alten Uferrand und dem Bacherswall einge-
schlossenen Seefläche von etwa 3 ha Grösse enthält der Seegrund viel
Knochen, Scherben und Kohle, auch ist ein Stück einer eisernen Kette,
ein Dolch und eine eichene Pfahlspitze gefunden worden. Jede Bagger-
Bchaufel and jede Sackbohrerfullung bringt einige wendische Reste zutage.
Au einer ausgedehnteren Stelle im Süden «1er Landspitze, 30 — 50 m vom
I fer und in 1 — 2 m Wassertiefe sind besonders viele grobe Kohlenstücke
— 763 —
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— 764 —
herausbefördert worden. Die flachgekrümmten Jahresringe dieser Kohlen-
stücke zeigen, dass sie durch Verbrennung starker Hölzer entstanden sind,
es liiuss also hier ein bedeutenderes Bauwerk niedergebrannt sein.
Ich habe nun ferner die kleine Insel, den Kietzwerder, in der Linie
zwischen der Nonnenhofspitze mit dem Spaten untersucht. Die Verhält-
nisse sind hier dieselben wie auf der Nonnenhofspitze; uuter der neueren
Verlandung von 0,5 — 1 vi die wendische Kulturschicht mit Knochen und
Scherben. Auf der Nordseite dieser Insel am Ufer und im flachen Wasser
tindet man besonders viele Stücke von gebrannter Lehmmasse, die mit
Kalk überzogen grau aussehen, deren Natur man daher erst erkennt, wrenn
man sie durchbricht; der Bruch zeigt lebhafte ziegelrote Farbe.
Der Kietzwerder hat zur alten Zeit einen erheblich grösseren Land-
umfang gehallt als gegenwärtig, wie die in dem Plane verzeichnete alte
l feil i nie zeigt. Bei der Erhöhung des Wasserstandes muss die Insel
zunächst ganz oder fast ganz unter Wasser gelegen und kann nur eine
Untiefe gebildet haben, auf welcher alsdann durch Pflanzenwuchs und An-
schwemmung neues Insellaud entstanden ist. Namentlich in der Richtung
von Prillwitz nach der Nonnenhofspitze zu ist die Ausdehnung der Insel
früher erheblich grösser gewesen. Durch Lotungen im See konnte ich
feststellen, dass der See in dieser Linie zwischen Prillwitz und der Nonnen-
hofspitze nur geringe Tiefe hat, und dass diese nach beiden Seiten hin
von dieser Linie ab zunimmt. Die grösste Tiefe fand ich zwischen Prill-
witz und dem Kietzwerder zu 2,5 m, zwischen diesem und der Nonnenhof-
spitze zu "J,8 vi.
Es blieben also nach altem Wasserstande hiervon nur 1 vi und 1,3 m
Wassertiefe übrig. Diese zwischen den drei Punkten sich hinziehende
l ntiefe kann natürlicher Herkunft, sie kann aber auch durch Fortspülung
einer Dammschüttung entstanden -sein, was erst durch genauere Unter-
suchungen festgestellt werden könnte. Jedenfalls war es zur Wendenzeit
bei dem damaligen niederen Wasserspiegel nicht schwer, zwischen Prillwitz
und der Xonnenhofspitze eine Verbindung durch Pfad und Brücken aus-
zuführen und zu erhalten. Wenn ich das Ergebnis meiner örtlichen
Untersuchungen in dem Liepsgebiet zusammenfasse, so darf ich wohl
sagen, es liegt hier eine örtlichkeit mit slavischer Besiedelung vor, welche
im Hinblick auf die Rethrafrage weiterer und eingehender Untersuchung
wert ist und dazu herausfordert. Nach meiner Ansicht dürften die weiteren
Arbeiten sich zunächst darauf richten müssen:
a die alte Uferlinie des Xonnenhofes aufzusuchen, aufzumessen und da-
durch die Gestalt des Xonnenhofes zur Wendenzeit zu rekonstruieren,
!>, die Verteilung der früheren Besiedelung auf diesem Gebiete, zu-
gleich auch auf dem umschliessenden Festlande bei Prillwitz,
\Yii>tio\\ und beim Nonnenbach zu ermitteln und festzulegen,
c) ein Längenprofil mit Querprofilen der Linie Prillwitz-Bacherswall
aufzunehmen und den Seegrund dieser Strecke auf etwa vorhanden
gewesene Dammschüttung oder Brückenlage zu untersuchen,
t\) schliesslich weitere Baggerungen, Bohrungen und Grabungen an
den sich hierbei als besonders aussichtsvoll ergebenden Punkten
\ orzunehmen.
— 7i;."j —
(ic>) Hr. C. V. Lehmann übersendet folgendes
Nachtrag zu seiner Mitteilung über neugefuiidenc
chaldische Inschriften
(oben S. 488—490).
Der in Hrn. Hampartsüms Mitteilung schwer leserlich geschriebene
Name, den ich (S. 489 Abs. I u. 2) als „Andz(?)a las, heisst vielmehr,
wie mir Hr. Hampartsum auf meine Anfrage mitteilt, Ang/. oder in
oeuarmenischer Aussprache An kg. Es ist das bedeutendste Dorf im
unteren Hayöe'-zör, durch welches die Hauptroute und die Telegraphen-
linie Vän-Vostan hindurchgehen und in dessen Nähe eine Brücke über
den Chösh-äb führt. Es ist offenbar identisch mit „Enghel", Zeitschrift
f. Bthnol. 1892 S. 138.
S. 189, Inschrift Nr. .'}. Z. 1 sind die Ergänzungsmöglichkeiten genauer
so zu fassen:
[mAr-gi]s-fti]-se
.Möglich ist aber auch (vgl. S. 490 Abs. 3)
[mE-ri-m]e-[na]-se
st»w ie
[mSar(KI)-d]u-[ri|se
Zeile 3 der Inschrift lies:
• K AK ti . ma . ku-l u •
S. 490 Z. 9 statt ti (verdruckt) lies tu.
Z. 11: Lies IX . C . L . Der darauf folgende senkrechte Keil („I")
ist nahe an das letzte Zeichen herangeschrieben und bildet mit diesem
zusammen eine Zeichengruppe. Dies zeigt der Vergleich mit dem Schluss
der Steleninschrift von Sigkeh. Wie in dieser wird das auf den Senkrechten
folgende als U, nicht als KID zu fassen sein: die beiden Wagerechten,
die l' mehr hat als KID, sind nicht mehr sichtbar.
(17) Von Hrn. Silvestro Baglioni in Göttingen ist uns ein
Beitrag zur Vorgeschichte des Picenum
Zugegangen, welcher später erscheinen wird. —
(18) Hr. A. Baessler legt ein Werk vor über „Altperuanische
Metallgeräte" und erörtert dabei das Thema, ob die alten Peruaner
«las Material, welches sie zum Verfertigen ihrer Metallgeräte verwandten,
durch Schmelzen von natürlich verkommenden Erzgemengen oder durch
künstlich hergestellte Metallmischungen gewannen. —
Hr. Weeren bemerkt, dass bei der Angabe, nach welcher Kivero
Kiesel als Bestandteil kupferner Geräte gefunden halten soll, vielleicht
nur versehentlich Si statt 8n Bteht.
Mr. Baessler stellt fest, dass in dem von ihm angeführten Werk
\"u Rivero und Tschudi (Antiguedades Peruanas) die Formel Si nicht
gebraucht, sondern das Wort Bilice stets ausgeschrieben ist.
(19) Mr. A. Baessler legt ein Werk vor, betitelt: ..Peruanische
Mumien, Untersuchungen mit X-Strahlen" und demonstriert an
Lichtbildern, die nach den mit X-Strahlen gemachten Aufnahmen von
Siumienballen hergestellt sind, in welch verschiedener Art und Weise die
Verstorbenen in diesen im Enkareich beigesetzt worden waren. —
— 766 —
(20) Hr. G. Schweinfurth spricht über
steinzeitliche Forschungen in Oberägypten.
(Hierzu Tafel VI.)
Zum dritten Male wird mir die Ehre zu teil, der Gesellschaft über
meine Beobachtungen und Sammlungen in der Umgegend von Theben
Bericht zu erstatten. Den vorjährigen Mitteilungen weiss ich nicht viel
Berichtigendes hinzuzufügen, aber meine Ergebnisse haben sich durch den
wachsenden Umfang der Ausbeute erweitert und vertieft, und zwar das
letztere im buchstäblichen Sinne gedacht, insofern es mir nun gelungen
ist, weit tiefere als die bisher ermittelten Lagerstätten der Eolithe auf-
zuschliessen, wo Steinwerkzeuge der primitivsten Art in Menge zu finden
waren und von denen, wie Jeder zugeben wird, der sich mit den geo-
logischen Verhältnissen von Ägypten vertraut gemacht hat viele gewiss
noch aus tertiären Epochen stammen mögen.
Ich habe bei Theben im Umkreis von 30 km 38 verschiedene Ortlich-
keiten untersucht und wiederholt ausgebeutet. Gross ist diesmal meine
Ausbeute besonders an Eolithen der mittelquartären Hochterrasse. Ich
habe auch besondere Aufmerksamkeit den lakustren Ablagerungen aus
dem untersten Quartär gewidmet, die man, wie ich bereits früher aus-
geführt habe, in die Epoche der jüngeren Deckenschotter unserer Alpen
verlegen kann, d. h. in das erste Interglazial. Meine in der Umgegend
von Theben gemachten Sammlungen haben 6 — 7000 eolithische und paläo-
lithische Kieselwerkzeuge1) ergeben, ich bin daher wohl in der Lage,
darüber entscheiden zu können, welches Vorkommen als Regel und welches
als Ausnahme zu gelten hätte, und da kann ich denn sagen, dass, wenn
man der Analogie, ja der völligen Identität der in Vergleich gezogenen
Arbeitsweisen irgendwelchen synchronistischen Wert beimessen will, die
in den lakustren Ablagerungen enthaltenen Eolithe ihre oberste Zeitgrenze
in der Epoche von Mesvin finden, die in der mitteldiluvialen Hochterrasse
dagegen ihre jüngsten Einschlüsse der Ubergangsepoche von Mesvin zu
Chelles2) (dem Strepyien von Rutot) zu verdanken haben. Die Be-
deutung einer solchen Art Statistik für den modus probandi wird klar,
wenn man bedenkt, dass bis jetzt in dem vorliegenden Gebiete nur zwei
1) Ich gebe dem Ausdruck „Kiesel" als Gesamtbezeichnung- für die aus einem Gemenge
von krvstallinischer und amorpher Kieselsäure bestehenden Konkretionen den Vorzug vor
Feuerstein aus Gründen der Kürze, namentlich bei Wortzusammensetzungen, uud des
literarischen Sprachgebrauchs, obgleich nicht in allen Gegenden Deutschlands der Name
petrographische Geltung hat. Es ist zu bedauern, dass der alte Ausdruck Flint (woher
„Flinte") im Deutschen verloren gegangen ist. Die Lexikographen schreiben für das
lateinische Silex „Kiesel". Dass das Wort Silex einen Artbegriff darstellt, geht daraus
hervor, dass die Autoren sehr oft lapis oder saxmn hinzufügen, wie wir „Kieselstein"
sagen, und deshalb hat eben auch die Chemie diese Bezeichnung für den Grundstoff Si
silicium adoptiert. Die deutsche Chemie nennt ihn Kieselstoff und knüpft alle Namen
und Verbindungen an das Stammwort Kiesel an. Sie sagt „Kieselsäure", nicht Feuerstein-
B&ure hbw. Im Englischen herrscht der nämliche /wiespalt in bezug auf populäre und
schriftgemässe Bezeichnung zwischen den Worten flint, chert und silex!
2) Auch von Rutot auf Grundlage der gesehenen Fundstücke bezeugt in Mein.
Soc. Anthrop. Broxelles XXIII 1904, Sur la Cause de reclatcment naturel du Silex S. 15.
— 767 —
Klassen von geologisch mit Sicherheit bestimmbaren Ablagerungen von
Kieselmanufakten zu Gebote stehen, deren oberste Zeitgrenzen noch oben-
drein eine bedenkliche Annäherung an einander verraten, insofern die
Arbeitsweise von Mesvin an das Ende der ersten quartären Vergletscherung
und in die zwischen der ersten und zweiten gelegene Übergangszeit, die-
jenige des Strepyien dagegen in den Beginn des Vorstosses der zweiten
quartären Yergletscherung zu verlegen ist. Zum Glück wird bei Theben
eine etwaige synchronistische Unsicherheit durch die in räumlich ge-
schiedener Anordnung auftretenden Schichtungen vollkommen beseitigt.
In betreff der genaueren Stellung, die im Schema der quartären Ver-
gletscherungen derjenigen Epoche anzuweisen wäre, in der die Arbeits-
weise von Mesvin Geltung hatte, habe ich mich an Hrn. Rutot mit der
Bitte gewandt, mir seinen neuesten Standpunkt anzugeben. Darauf ist mir
von diesem hochverdienten Manne mit gewohnt liebenswürdiger Bereit-
willigkeit letzthin die Auskunft zu teil geworden, die ich mir hier wieder-
zugeben erlaube: „Ich habe das Mesvinien immer an das Ende des
Moseen (erste quartäre Gletscherperiode) und das Strepyien -Chelleen-
Acheuleen in die Phase des Vorstosses der zweiten Vergletscherung, da
die Acheulier zur Auswanderung gegen Süden noch vor dem Höhepunkt
der zweiten Vergletscherung gezwungen waren. Die einzige Nuancierung,
die sich aus meinen letzten Studien ergibt, ist die, dass in geologischer
Hinsicht das Mesvinien ganz an das Ende des Moseen oder des Rückzugs
der ersten Vergletscherung zu stehen kommt und dass es ohne Zweifel
ein wenig in den Beginn der zweiten Vergletscherung hinübergreift. Wie
Sie, bin auch ich vollkommen davon überzeugt, dass Sie bei Theben die
exakten Vertreter des Mesvinien, des Strepyien und des Chelleen haben.
Das Acheuleen scheint zu fehlen."
Mit Bezug auf die letzte Äusserung will ich erwähnen, dass mir auf
den Höhen im Nordwesten von Theben allerdings einige wenige Stücke,
namentlich dolchartige und schmale oblonglineare Faustschlägel vor-
gekommen sind, die auch Hr. Rutot als Acheulstücke gelten liess. Im
ganzen enthält meine Sammlung ein Dutzend typischer Exemplare von
dieser Kategorie eines durch die sorgfältigere Formgebung und eine klein-
und vielflächige Zuhauung vervollkommneten Chelleen. Die Zahl ist ver-
schwindend gegenüber den 2 — 3000 paläolithischen Stücken der typischen
Arbeitsweise von Chelles, die ich dort aufgelesen habe. Ausnahmen be-
stätigen die Regel.
Was den Beobachter an den steinzeitlichen Funden bei Theben be-
sonders erfreut. i>t die grosse Klarheit und Einfachheit der die Fund-
unistände und «las Aussehen der Kieselmanufakte begleitenden Umstände.
Wenn man die soeben gemachten geologischen Vorbehalte in Rechnung
bringt, und von dem Phänomen der Patina absieht, «leren Bedingungen
noch lange nicht hinreichend aufgeklärt erscheinen, liegt hier an den
Manufakten «las meiste so klar zu Tage wie in einem aufgeschlagenen
Buch, Statt der buntscheckig < bigarre) und unsauber patinierten. unter sich
auch so angleich beschaffenen Kieselknollen von Belgien hat man es bei
Theben mit einer völlig gleichartigen Kieselmasse zu tun, die ausschliesslich
— 768 —
den untersten Schichten des Eocäns entstammt und deren vorherrschende
Färbung eine zarte undefinierbare, ins rosa spielende Terra di Siena ist,
etwa die Farbe der etwas gebräunten Haut eines Nordländers. Die an
der Oberfläche ausgebreiteten, meist die Plateauhöhen bedeckenden Stücke
sind in mehr oder minder gleichmässiger Weise von dem schönen Rot-
braun der edlen Bronzen eigentümlichen „patina nobilis" überzogen,
während die Rinnsale der Talschluchten von weissen oder cremefarbig
berindeten Naturkieseln erfüllt sind, die den diluvialen Terrassen-
ablagerungen entlehnt als Gerolle zur Patinabildung keine Zeit gefunden
haben. Wie die unter ihnen in grosser Zahl auftretenden cacholonnierten
Manufakte. erinnern sie häufig, infolge ihres zarten Aussehens, an Modelle
aus Gips.
Derartige Umstände erleichtern die Prüfung der einzelnen Stücke.
Ich glaube behaupten zu können, das mir bei Theben noch nie ein Fund-
stück vorgekommen ist, dass mich nach genauer Betrachtung darüber in
Zweifel gelassen, ob ich es mit einem Manufakt oder mit einem auf
natürlichem Wege verletzten Naturknollen bezw. Knollenfragment zu
tun hätte.
In fast jedem einzelnen Falle des Zweifels leitet hier der ursächliche
Zusammenhang der Erscheinungen den Blick des Beobachters auf die
richtige Fährte. Wenn man, um nur ein Beispiel anzuführen, an einem
unserem nordischen Moränenschutt entstammenden Kieselknollen sämtliche
vorragende Ecken, Fortsätze, Höcker und Buckel durch Abschürfungen
und Abspleissungen verletzt sieht, so wird man im Zweifel sein, ob wirk-
lich alle diese Spuren erduldeter Kraftausübimg auch Spuren des absicht-
lichen manuellen Gebrauchs seien. Man wird sich fragen, welche, und ob
überhaupt. Wenn aber, wie das bei Theben die Regel zu sein pflegt,
an solchen mehrhöckerigen oder mehrschenkligen Knollen nur einzelne
Vorsprünge Verletzungen an sich tragen, andere wiederum, und nament-
lich solche, die sich als besonders handlich für den Griff erwiesen, völlig
intakt erscheinen, dann wird man über die wahre Natur eines solchen
Holithen nicht lange im Zweifel bleiben können. Ein solches Beispiel
lieferten die von Prof. Jaeckel beschriebenen Fundstücke von Freyen-
stein, die in jeder Hinsicht den Vergleich mit den Reutelstücken von
Westflandern und von der Thebais bestehen können.
\ndererseits wird man leicht davon überzeugt, dass Verletzungsspuren,
die sich ;m unmöglichen oder an zwecklosen Stellen ergeben, die Annahme
eines beabsichtigten Einoreifens des Menschen oder einer menschen-
ähnlichen Hand von vornherein ausschliessen müssen.
Was bei Theben noch besonders lehrreich und überzeugend wirkt,
ist die Betrachtung der an Ort und Stelle befindlichen gebrauchten Stücke
im Gegensatz zu den neben ihnen liegenden ungebrauchten und noch
völlig intakten. Prof. v. Luschan, den ich auf einigen Exkursionen zu
begleiten den Vorzug hatte, ist dort gleich bei seinem ersten Spaziergang
Yi>n einem ungläubigen Süiilus, wie er sagte, zu einem überzeugten Paulus
bekehrt worden.
— 769 —
Ein sehr verschiedenes Verhalten, wenn man die Eolithe aus Belgien
und aus Ägypten in Vergleich bringt, offenbaren <lie aus den Tiefen des
Moränenschutts zu Tage geförderten Kieselknollen und deren Spreng-
stücke, wie solche sich in unseren nordischen DiluviaHagerungeu genugsam
vorfinden. Diese geben sehr eigentümliche Verletzungen und Oberflächen-
veränderungen, Polituren, Sehrammen, Hohlschliffe, sattelförmige, oft im
Bogen verlaufende Abspleissungen, Abschürfungen der Kruste, polyedritfch-
prismatische Znstutzungen und schliesslich muschelige Kantenabsprengungen
zu erkennen. Von allen diesen Gestaltungen finden sich nur die der
letzterwähnten Kategorie an den eolithischen Kieselmanufakten wieder.
während alle, mit alleiniger Ausnahme etwa der flachen Krusten-
abschürfungen, an Naturkieseln der ausserhalb der diluvialen Ver-
gletscherungsgebiete gelegenen Länder nicht anzutreffen sein dürften.
Mögen auch einzelne der angedeuteten Umgestaltungsformen (wie z. B.
etwa die Politur) infolge von nachträglichen Umlagerungen entstanden,
andere, darunter eine Anzahl hier (weil nicht an Kieseln beobachtet)
nicht weiter in Betracht kommender Formen, wohl auch durch die be-
trächtlichen klimatischen Schwankungen der sog. Interglazialzeiten veranlasst
sein, wenn solche hier wirklich vorhanden waren, so ist es doch klar,
dass, was speziell die Kieselknollen anlangt, die überwiegende Mehrzahl
ihrer Verletzungen auf glaziale Vorgänge zurückzuführen ist. Alle Fund-
und Herkunftsverhältnisse der Kiesel scheinen das zu bezeugen.
Man hat es demnach bei den abweichenden Formen der Kiesel-
verletznng und Umgestaltung mit Erscheinungen zu tun, die als das Er-
gebnis der den Moränen eigentümlichen dynamischen Wirkungen anzusehen
sind, in erster Linie mit den ungeheuren Druckwirkungen, die hier Ab-
spleissungen ermöglicht haben, die sich unter den verschiedensten Be-
dingungen vollziehen konnten. Es darf daher nicht Wunder nehmen.
wenn wir unter den verschiedenen Ergebnissen dieser komplizierten
Kräftewirkung an den Naturknollen auch solche Formen entwickelt sehen,
die den durch den manuellen Schlag hervorgerufenen in hohem Grade
gleich sehen.
So gut wie es eine Dengelung, eine Randschärfung durch Druck und
Pressung, vermittelst Absplitterung von flachen Spänen gibt, ist auch eine
Abspleissung im grösseren Massstabe möglich bei hinlänglichem Aufgebot
von Kraft, wie die langen Qhsidiansplitter1) der Mexikaner beweisen und
die l»is 35 cm langen Kieselabsplisse von Prestigny, die ich in der un-
vergleichlichen Sammlung von Dr. L. Capitan in Paris gesehen habe
uw\ die offenbar das Ergebnis einer ähnlichen Arbeitsweise darstellen, wie
sie in Mexiko geübt worden ist und wie sie daselbst vielleicht noch
beatigen 'Taus geübt wird.")
1) Über die Technik der Kieselpressung hat Eduard Krause in dem Prachtwerk
\on Bans Kraemer, Weltall und Menschheit, Bd. V 8.20 und B. |o, desgl. in früheren
Jahrgängen dieser Zeitschrift mit vieler Klarheit und Sachkenntnis berichtet.
■_') Die im .Museum für Völkerkunde zu Berlin aufbewahrten Obsidiansplitter und
Nuclei, grösstenteils aus den Sammlungen Ton Uhde 184 l— 16) stammend, tragen mancherlei
Eigentümlichkeiten zur Schau. Die bei durchschnittlich l"> em Lange gewöhnlich nur 1 cm
— 770 —
Zu Druckwirkungen bot die Grundmoräne Möglichkeiten in reichem
Masse dar, dazu gesellten sich die Zufälligkeiten des Stosses, vou denen
die zahllosen runden Kegelmarken Zeugnis ablegen, die an der Ober-
fläche mancher den Gebilden der Grundmoräne entstammender Kieselknollen
sichtbar sind. Die vorhin angedeutete, oft überraschende Ähnlichkeit ge-
wisser, dem Gletscherdruck zuzuschreibender Verletzungen mit solchen,
die am natürlichen Knollen (wodurch er zum Eolithen primitivster Art
wird) durch den Gebrauch in der Hand eines menschenähnlichen Wesens,
sei es durch zufällige Ablösung von Splittern und Scherben bei Ver-
wendung des Knollens als Schlagwerkzeug, sei es durch beabsichtigte Ab-
sprengung behufs Kand- und Kantenschärfung entstanden, diese Ähnlich-
keit mit den sogenannten Absplissnarben dokumentiert sich vor allem in
der sehr häufig vollkommen ausgeprägten Gestalt des Schlagbuckels, sobald
es gelingt kleine Scherben im Kiesschutt ausfindig zu machen. Am Negativ,
an der Absplissnarbe, die man für gewöhnlich allein zu sehen bekommt, ist
die dem Schlagbuckel entsprechende Höhlung nicht immer deutlich zu
erkennen. Ganz deutlich ausgeprägt sind aber an diesen meist rundlichen
und meist oval-konkaven Aussplitterungen stets die konzentrischen Bogen-
wellen, die in den ausserglazialen Gebieten überall von einer be-
absichtigten Schlagführung Zeugnis ablegen und die auf der Hohlfläche
der Unterseite hervortreten, die vom Schlagbuckel aus sich gegen das
Ende des Absplisses in die Länge zieht. Diese Bogenwellen bezeichnen
in jedem Fall die Schlagrichtung, da sie ihre konkave Seite ausnahmslos
dem Treffpunkt mit seinem Schlagkegel und der Schlagbuckelschwellung
zukehren. Ob sich in der Natur dieser Bogenwellen, in ihrer bei den
Gletscherverletzungen mehr treppenartig, mit mehr rechtwinkeligen Stufen
ausgeprägten Absätzen, in ihrem unregelmässigeren Parallelismus und der-
Breite messenden Absplisse, die ich dort sah, sind ziemlich stark bogig nach einwärts
'zur Achse des Nucleus) gekrümmt und zeigen auf der Unterseite eine verquer schwach
konvex gekrümmte Fläche, während dieselbe in der Läng.slinie konkav ist. Auf der
Rückenseite, die gewöhnlich mit drei Längsflächen (Facetten) versehen ist, gewahrt man
an ihnen die regelmässigen Narben (Abtrennungsflächen) der vorhergegangenen Absplisse,
und zwar von der einen die ganze Narbe und von den beiderseits daranstossenden je die
halbe. Prof. v. Luschan machte mich auf die eigentümliche Behandlung aufmerksam,
die die Schlagfläche erfahren hat. Dieselbe ist nämlich nicht etwa zugeschlagen, was eine
ungleich ebene, muschelbrüchige Gestaltung derselben bewirkt haben würde, sondern sie
ist rauhgeschliffen, wahrscheinlich vermittelst Sandstein oder Quarzit. Dieses Verfahren
ist vielleicht eins der Erfordernisse der Druckabspleissung, um dem Holz- oder Knochen-
ende des Druckstabs einen festen Stütz- und Druckpunkt behufs Konzentrierung der
Kraft zu gewähren und ein Ausgleiten zu vermeiden. Unter dem Treffpunkt zeigt sich
auch an diesen Absplissen wie an den geschlagenen ein deutlicher Kegel, der in den
Schlagbuckel übergeht, der ganz oben, kaum l/s "" unter der Schlagfläche zu liegen
kommt. Die konzentrischen Bogenwellen auf der weitausgezogenen Hohlfläche der Unter-
ind über dieselbe in ihrer ganzen Länge verteilt und lassen sich im Spiele des
Lichts fast immer mit Deutlichkeit unterscheiden, obgleich sie von einer kaum messbaren
Erhabenheit ein dürften. Aus allem geht zur Genüge hervor, dass — insofern die tat-
sächlich allein durch Pressung und Abdrucken nicht etwa durch Schlag bewirkte Her-
stellung der mexikanischen Obsidiansplitter unangefochten bleibt (bisher bezeugt durch
■ Ich Bericht des Torquemada in Blonarquia Indiana) — ein prinzipieller Unterschied
/wischen den Erscheinungen der Druck* und denen der Schla^wirkung nicht besteht.
— 771 —
gleichen, durchgreifende Unterschiede werden nachweiseu lassen, steht
noch dahin. Ein wichtiges Hilfsmittel zur richtigen Beurteilung der Ent-
stehung fraglicher Absplissnarben erwächst aber dem Beobachter aus all-
gemeinen Erwägungen des Kausalkonnexes; wenn /.. I>. solcheAussplitterungen
mit Sohlagbuckelhöhlung und Bogenwellen sich an Stellen des Kiesel-
knollens vorfinden, wo für das manuelle Eingreifen eines menschenähnlichen
Wesens durchaus keine Veranlassung, für den Gebrauch kein triftiger
Grund in die Augen springt, alsdann wird man sicherlich an einen natür-
lichen Vorgang zu denken hüben. In diese Kategorie verdächtiger Ver-
letzungen gehören auch die von ungeheurer Druckwirkung zeugenden
Absplissnarben mit Bogenwellen, die sich unvermittelt mitten aus der
Fläche, sei es aus der Oberfläche des Kiesels selbst oder einer natürlichen
Klüftung, die bereits vorhanden war, sei es von der Xarbe vorhergegangener
Abspleissungen abheben, Vorkommnisse, die sieh bei Manufakten als kaum
denkbar erweisen würden. Es gibt bei den Gletscherwirkungen sogar
Häufung solcher muscheligen Aussprengungen, die in ihrer Gesamtheit zu-
weilen den Muschelbruch gewisser Mineralien nachahmen. Der durch die
Bogenwellen orientierte Druck- oder Treffpunkt hat in diesen Fällen
keine überhängende Kante (s. unten) zum Spielraum, wie deren eine
beabsichtigt manuelle Schlagführung stets bedarf.
Zu den verdächtigem Beweisspuren menschlicher Existenz gehören
gewiss auch die (unbeschadet der echten, unanfechtbaren, die sich vor-
finden) an vermeintlichen kleinen, zum Teil winzigen Schabern aus ver-
muteten Interglazialschichten bemerkbaren Randaussplitterungen, die denen
der beabsichtigten Randschärfung oder Dengelung in hohem Grade ähnlich
sehen, so namentlich auch infolge ihrer ununterbrochen reihenweisen An-
ordnung. Und doch sind an diesen, an und für sich als beweiskräftig er-
scheinenden Stücken Eigentümlichkeiten wahrzunehmen, die den be-
glaubigten .Manufakten der ausserglazialen Gebiete fehlen. Lebhaften
Zweifel regen in vielen Fällen die Richtungs- und Stellungsverhältnisse
der die angebliche Randschärfung darstellenden Dengelungsnarben an.
Beim Bfanufakt stehen sie mehr oder minder senkrecht zum Rande, sie
sind einfach aneinander gereiht oder, bei wiederholter, infolge zunehmender
Abstumpfung gehäufter Randschärfung reichen die kleinen Absplissflächen
stets bis an den Band, über die vorhergegangenen übergreifend, so dass immei
nur ein 1 lauptabspliss neben dem anderen in der Reihe zu stehen kommt.
Dagegen gewahrt man an den Gletscherscherben sehr häutig, dass diese
Absplissnarben Bchräge gegen den Rand gestellt sind oft sogar geradezu
auf weitere Strecken randläufig sich neben dem Rande einherziehen.
Andere -eben ein eigentümliches Gehäuftsein, vielfältiges Diastomosieren,
Zerlegung in eine Anzahl Facetten zu erkennen, alles Vorkommnisse, die
an den Manufakten nicht beobachtet weiden sind.
Es hat demnach nichts Überraschendes, wenn Leute aus unseren
Gegenden angeblichen Eolithen gegenüber sich sehr vorsichtig in ihrem
Urteil erweisen. Ale Prof. Bracht in Westflandern zum ersten Male
grossen Mengen echter Eolithe sich gegenüber befand, war sein erster
Eindruck der. dass er sich der Dinge erinnerte, die ihm in den Letzten
— 772 —
15 Jahren schon öfter in märkischen Kiesgruben vorgekommen waren.1)
Dr. H. Hahne hat gelegentlich der Diskussion über die einschlägigen
Fragen in <ler vorigjährigen Sitzung2) bereits darauf hingewiesen, dass
..'lic eigentümlichen Druckvorhältnisse der Moränenschiebung sehr wohl
Verlötzungen an den Kieselknollen verursachen können, die den
intentioneilen Absplissen einigermassen analog sind''. In der erwähnten
Sitzung haben, von gleichen Gesichtspunkten geleitet, auch die obersten
Gewährsmänner für die eiszeitlichen Bildungen unserer nächsten Nachbar-
gebiete, Prof. Keilhack und Prof. Wahnschaffe sich sehr skeptisch
über die angeblichen Eolithe von Rixdorf und Britz geäussert. Ich muss
gestehen, dass mir unter den grösseren Kieselknollen dieser Ortlichkeiten
bisher keine zu Gesicht gekommen sind, die vollständig einwandsfreie
Merkmale darboten, um sie als eolithische Manufakte anzuerkennen. Das
Alter der Lagerstellen ist an den meisten Örtlichkeiten gut bestimmt, un-
bekannt sind aber die vorhergegangenen Schicksale der in denselben ein-
gebetteten Gerolle und Manufakte. Die in die Urströme der einzelnen
Epochen einmündenden Gewässer von Nebentälern können, namentlich die
von Süden kommenden, kleine Manufakte, insonderheit die aus nicht
kretazischen Kieseln hergestellten Schaber, von sehr weither herbeigeschafft
haben, wie auch schon das so oft in hohem Grade abgewetzte Aussehen
der letzteren vermuten lässt. Es sind demnach aus solchen Funden Be-
weise für die Bewohnbarkeit aller dieser Gegenden in interglazialen
Epochen, wie in den westeuropäischen Nachbargebieten, nicht abzuleiten,
zumal da ja auch alte Oberflächenzustände als solche nicht mit völliger
Sicherheit nachzuweisen waren. Von einer Überdeckung der Manufakte
in situ, wie bei so vielen belgischen Vorkommen, kann nicht die Rede
sein, wo allein kleine und kleinste Stücke vorliegen. Dagegen sind,
wir gesagt, die von Prof. Jaeckel aus der Priegnitz beschriebenen
Eolithe hinlänglich beglaubigte Stücke. Es sei mir hier gestattet, etwas
näher auf die gewiss sehr ausgedehnte Formenreihe der in den nordischen
Gletscherbildungen an den von der Grundmoräne abgesetzten Kiesel-
knollen wahrzunehmenden Verletzungen und Umgestaltungen einzugehen.
In Erwägung der schier endlosen Fülle von Kombinationen, die von den
dynamischen Wirkungen der Gletscherbewegung abzuleiten wären, dürfen
Mahnungen zur Vorsicht („eonseils de prudence" nennt das A. Rutot)
nicht von der Hand zu weisen sein, um nicht voreilige Schlüsse aus Wahr-
nehmungen von zurzeit noch unzureichender Definierung zu knüpfen.
Wie aber soll die Schwierigkeit einer Aufgabe den Grund dafür abgeben
sich mit ihr überhaupt nicht zu befassen. Aller Anfang ist schwer.
Niemand wird in Abrede stellen, dass manche der aufgezeichneten Formen
mir ausserordentlicher Bestimmtheit in die Erscheinung treten, daher wohl
auch eine bestimmte Beschreibung ermöglichen. Von diesem sicheren
ausgehend, wie ron etwas gegebenem, muss man eben bei der Unter-
Buchung yorschreiten zu <lni anklaren and zweifelhaften Erscheinungen,
1 Zeitechr. L903, 8. 824.
2 Zeitschr. L903, 8. 306.
— 773 —
um sie klarer Einsicht zu erschlossen. Um die Gedanken zu ordnen,
müssen Linien gezogen werden, die in der Natur allerdings nicht vor-
handen sind, deren wir aber bedürfen, und das nennt man System. Vor
allen Dingen hat man sich einer exakteren Ausdrucksweise zu befleissigen.
Ein grosser Teil der Missverständnisse und vermeintlichen Unklarheiten
rührt von der unbeholfenen Art der Bezeichnung her, mit denen ein
gesehenes Ding festgehalten wird, von der terminologischen Kakographie;
man braucht dabei nur an die Zeiten vor Linne zu denken.
Es ist geradezu unmöglich die Grenzen des manuellen Könnens auf
dein Gebiete der Kieselschlagkunst festzustellen, wenn man sich nicht
einmal daran macht, die Merkmale der natürlichen Kiesel Verletzungen zu
definieren und zu analysieren. Die an fast allen Kieselknollen der Mark
Brandenburg wahrzunehmenden Formen versuche ich unter folgende
Kategorien zu bringen:
1. Schrammen. Wo Kieselknollen oder Sprengstücke glatte Flächen
darbieten, die stets durch eine eigentümliche, in ausserglazialen
Ländern nicht in dieser Art angetroffene Politur ausgezeichnet
erscheinen, geben sich sehr häufig feine und gröbere Linien und
Striche zu erkennen, die unter der Lupe gesehen sehr Bonderbare
Einzelheiten ihrer Gestaltung verraten. Prof. Eugen Bracht, als
geübter Naturbeobachter seit Jahren mit diesen Erscheinungen
vertraut, hat zwei verschiedene Formen dieser Striche unter-
schieden, von denen die eine als „Fischgräten-", die andere als
die „Knospenform" zu bezeichnen wäre. Es gibt auch Striche.
die sich bei der Vergrösserung als eine einfache Reihe gleich-
massiger Grübchen entpuppen. Es wird mit den angeführten Bei-
spielen noch lange nicht der ganze Formenkreis dieser Schrammen-
gebilde erschöpft sein.
2. Abspleissungen, zunächst die rundlich-ovalen, manufaktartigem
von denen bereits die Rede war. Wo sie als Randaussplitterungen
auftreten, werden sie kaum anders als durch ihre Stellung und
Anordnung von denen des manuellen Schlags zu unterscheiden
sein. Die die Druckrichtung stets anzeigenden Bogenwellen
werden viel zur Klarlegung der Verhältnisse beitragen.
.'!. Sattelförmige, in der Längslinie und meist nach allen Richtungen
hin kon\e\ gebogene, oft weit ausgezogene breite Abspleissungen,
mit undeutlich entwickelten, verschwommenen Bogenwellen; auch
geben sie. wie es scheint, nie die conchoidalen Schwellungen eines
etwaigen Buckels zu erkennen. Diese Verletzungen greifen nicht
tief in die Masse ein, verlaufen, die Naturkruste des Knollens ab-
Bchürfend, in bogigem Auf- und Absteigen nahe der Oberfläche,
gleichsam aber Berg und Tal, and geben Btets eine glänzende
Politur zu erkennen.
1. Flache A lischü rfuugen der Kruste an vorspringenden Höckern
und Vorsprüngen des Naturknollens. Die Verletzungsfläche bilde!
indes nicht eine vollkommene Ebene, die erstere ist immer
— 774 —
seicht, fast unmerkbar konkav ausgehöhlt, ähnlich den Ab-
sonderungen der alveolaten Kategorie und der Näpfchenbildung
(„ä cupules"), die nicht allein in Gegenden mit trockenem Klima
zu beobachten ist. Dem flüchtigen Blick erscheinen diese seicht
konkav gestalteten Abschürfungen, wie ein mit dem Messer durch
Kruste und Innenmasse des Knollenhöckers, ohne Absatz zwischen
beiden, geführter Schnitt. Solche Verletzungen finden sich auch
an den Kieselknollen des ägyptischen Quartärs, die ursprünglich
aus dem Eocän stammten.
5. P olyedrisch-prismatische Zustutzungen des ganzen Kiesel-
stücks oder eines Teils desselben. Diese Klasse von Um-
gestaltungen gehört zu den merkwürdigsten Erscheinungen, auf
die man in den märkischen Kiesgruben unter den oberen Ge-
schiebemergeln stösst. Die Stücke finden sich in sehr verschiedenen
Grössen vom zollgrossen Rautenwürfel bis zum faustgrossen Polyeder.
Eine stereometrische Definition dieser Körper war bisher nicht
zu erzielen.
6. Hohlkehlartige Schliffe, ausgeschliffene, meist fingerbreite,
manchmal aber auch nur millimeterbreite, stets glänzend-polierte
Rillen und Furchen. Solche Formen finden sich sehr häufig,
namentlich an grösseren Kieselknollen. Sie erstrecken sich nicht
weit über die dargebotenen Flächen und verlaufen oft geradlinig,
dann auch wieder mit mehr oder minder gekrümmter Längslinie.
Ihr Aussehen erinnert an Ausfeilungen mit der Rundfeile.
7. Zerhackte Formen, die in Gestalt von gehäuften Nagel-
einschnitten an Messerklingen oder von halbmondförmigen, wie
von Keilen herrührenden Vertiefungen auftreten und dem Kiesel-
knollen an gewissen Stellen das Aussehen eines mit dem Hack-
messer bearbeiteten Holzes erteilen, indem auf dem Grunde eines
jeden Einschnittes in die Naturkruste die dunkelere Innenmasse
des Kieselknollens hervortritt. Dieselbe Erscheinung habe ich
auch in Oberägypten häufig an den eocänen Kieselknollen der
Quartärablagerungen wahrgenommen. Mit den Kegelbildungen
(s. unten) der Treffpunkte von Kieseln, die heftige Stösse und Schläge
auszuhalten hatten, hat diese Form der Oberflächenzersetzung, die
vielleicht unabhängig von den Gletschereinflüssen entstand, nichts
gemein.
über die Gesetze, nach denen sich die manuell beabsichtigte Kiesel-
sprengung vollzieht, wird man, wenn erst die Physiker und Mineralogen vom
Fach sich des Gegenstandes bemächtigt haben werden, bald ins Reine kommen,
denn, wie ein jeder durch eigene Spreng- und Schlagversuche sich davon
überzeugen kann, treten bei den einzelnen Vorgängen Erscheinungen von
überraschender Regelmässigkeit auf, Das hier beigegebene Schema soll
einen vorläufigen Überblick aber diese Verhältnisse gewähren.
Jeder Abspliss, den man bewirkt, zeigt im Prinzip die nämliche Ge-
staltung, immer hat er die drei Hauptmerkmale des beabsichtigten Schlages
— 775 —
;iii sich: die Schlagfläche, den Schlagbuckel1) und die konzentrischen Boden-
wellen. Nicht immer deutlich ausgeprägt sind die anderen beiden Merk-
male des manuellen Schlags: die Schlagnarbe,
die durch das Vorbeifahren des das Absprengen
bewirkenden „Behausteins" (Ed. Krause) am
Schlagbuckel verursachte Verletzung, und der
unter dem Treffpunkte sich bildende Kegel an
der Spitze des Schlagbuckels. An jedem Ab-
spliss zeigt die Schlagbuckelschwellung die
Unterseite an, während die konzentrischen Bogen-
wellen, indem sie sich gegen den Buckel zu
öffnen, unfehlbar die Richtung der stattgehabten
Schlagwirkung verraten, was beim Verloren-
gehen der Schlagfläche oft von Wichtigkeit sein
kann.
Als Behaustein („percuteur de debitage") be-
währt sich am meisten ein der Kugelgestalt mög-
lichst nahe kommender Kieselknollen, mehr
noch ein kugelförmiger Rollstein aus zähem, krystallinischem Gestein.
Sphäroidische Formen liegen noch besser in der Hand, haben „mehr
Zug.". Der Durchmesser braucht, auch um die grössten Absplisse zu bewirken,
6 cm Durchmesser und das Gewicht 1/zkg nicht zu überschreiten. Die Kraft-
häufung, die aus der Doppelbewegung des Armes und des Handgelenkes
hervorgeht, ist eine unverhältnismässig grössere als die eines gestielten
Hammers von gleichen Grössenverhältnissen, weil man mit letzterem nicht
imstande ist, die kombinierte Kraft zur Erschütterung der Masse auf einen
Punkt zu konzentrieren, wie es die Kugel vermag bei Berührung der Fläche.
Luch verleiht das stiellose Hammerwerkzeug dem Handgelenk freieren
Spielraum zu kurzem Schlag. Deshalb haben auch, wie bei Theben auf-
gefundene Behausteine (von denen ich einen vorlege) beweisen, die
Menschengeschöpfe aller Epochen mit Vorliebe sich solcher Kugelschläger
zum Zerteilen der Kieselknollen und zum Zuhauen der Stücke bedient.
Um von einem Kieselknollen grössere Absplisse von flacher Gestalt
durch den Schlag ablösen zu können, bedarf es einer ebenen oder zuvor
eben gemachten Stelle und einer daran stossenden, etwas überhängenden
Kante. Beide Voraussetzungen finden sich am ehesten am halbierten, ab-
sichtlich oder von Narur mitten durch gesprengten Knollen. Bei dem von
länglicher Gestalt, namentlich den zylindrischen, ist dies jedenfalls die
leichteste Art der Zerstückelung. Die ebene Stelle gestatte! die Kon-
zentrierung der Schlagkraft in dem Treffpunkt, die überhängende Kante
eine Auslösung der der Kieselmasse innewohnenden Spannungsverhältnisse
1) Schon Vfortillet hat darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „bulbus", -bulbe"
Zw ich. '1 fälschlich fax die Anschwellung auf der Unterseite eines beabsichtigten Ab-
splisses Verwendung findet, weil die Schwellung im besten Falle nur dem Teil einer
Zwiebel entsprechen könnte. Unbeanstandet darf dagegen der Ausdruck ..Buckel- o.ler
Koncho'id bleiben, von xöyxi Buckel an der Muschel, Muschel seihst und Buckel am
Schild, -.■... ,>,,_- muschelartig.
— 776 —
im gewollten Sinne. Wenn die Kante nicht überhängt, d. h. wenn sie
einen rechten oder einen stumpfen Winkel bildet, so missglückt in vielen
Fällen der Abspliss. Es löst sich alsdann der Abspliss nicht in Gestalt
eines am Ende scharfkantigen Splitters oder Spahns von der Kernmasse
des Knollens ab, sondern es entsteht ein Staffelbruch von unregelmässiger
Gestalt, eine zwecklose Zersplitterung. Wenn die Trennungsfläche nicht
frei nach unten auslaufen kann, wegen des in dieser Richtung zunehmen-
Widerstandes, so vollzieht sich etwas ähnliches wie beim Holz, das man
nach seinem Faserverlauf spalten will und das an der Stelle einer zu-
nehmenden Verdickung ausbricht und reisst. Der beste und wirkungs-
vollste Schlag wird in der Weise zu führen sein, dass seine Richtung,
herwärts zur Kante mit der Schlagfläche in einem etwas spitzen Winkel,
etwa in 60 — 75 ° zusammentrifft. Dieser Winkel scheint zugleich der der
überhängenden Kante zu sein.
Jeder Abspliss gibt auf der unteren Seite unter dem Treffpunkt einen
kleinen, breiten Kegelsprung zu erkennen;, dessen Spitze mit dem Treff-
punkt zusammenfällt und dessen selten auf mehr als 3 mm Länge regel-
mässig entwickeltes Endstück einen zur Hälfte seitlich hervorragenden Kegel
freilegt. Die Verhältnisse sind nicht an allen Exemplaren so deutlich unter-
scheidbar, wie sie hier beschrieben werden, angedeutet sind dieselben
überall. Der Spitzenwinkel des Schlagkegels (105—115 °) scheint ein
Korrelat des Winkels der Schlagrichtung und diese Beziehung der Aus-
druck eines Gesetzes zu sein, der die Spannungsverhältnisse der Kiesel-
masse regelt. Der kleine Schlagkegel nimmt im weiteren Verlauf der
Abspleissung eine unregelmässige Gestalt an, man sieht ihn durch einige
stufenartige Absätze nach unten zu verbreitert, bis er in die Schwellung
des Schlagbuckels übergeht. Führt man mit einem kugelförmigen Stein
auf die glatte Fläche eines Kieselknollens oder eines Sprengstückes herz-
hafte Schläge aus, so entstehen auf derselben kleine, jeden einzelnen
Treffpunkt bezeichnende, kreisförmige Risse von etwa 3 — 4 mm Durch-
messer, die sich, falls auf einer frisch geschlagenen Sprungfläche des
Kiesels entstanden, sehr deutlich als hellere Kreise oder Halbkreise, auch
als Doppelringe von der dunkleren Masse abheben. Diese Kreisrisse be-
zeichnen die Spitzen der entstehenden Schlagkegelsprünge. Auf dieses
wichtige Merkmal bin ich zuerst durch Dr. H. Hahne, den erfolgreichen
Erforscher der steinzeitlichen Verhältnisse von Magdeburg aufmerksam
gemacht worden. Für die bisher übliche französische Bezeichnung
„etoilures", „Sternsprünge", hätten wir demnach im Deutschen den Aus-
druck „Kegelsprünge" als die eigentlichen Schlagmarken zu setzen.
Wenn man die Schlagmarken an den benutzten Stellen der eolithischen
Schläger oder an den Behausteinen genauer betrachtet, so lösen sich die
verworrenen, sich vielfach kreuzenden Risse und Spaltungen in lauter
Kreisteile und Halbmonde auf, die ebensoviel Kegelnarben und diese
wiederum ebensoviel Treffpunkte bezeichnen. Die Abrollungsverletzungen
an 'Ich Kanten and Vorsprüngen /.eigen stets weit kleinere Verhältnisse.
Von den letzteren wird man die Abnutzungen des Gebrauchs stets dadurch
unterscheiden können, dass bei ihnen die Verletzungen, nicht wie beim
— 777 —
Abrollungsprozess, der die sämtlichen Rand- und Kantenteile gleichmässig
und in ununterbrochener Weise in Angriff nimmt, dass sie nicht überall
anzutreffen sind. Beim Gebrauch gibt es immer ausgesparte Stellen der
Schlagkanten, solche die in gedeckter Lage sich zwischen zwei vor-
springenden Stellen befinden. Bei Werkzeugen, die als Schaber oder ;ils
sägende .Messer in Betrieh gesetzt wurden, werden diese Unterschiede
besonders deutlich, denn das Schaben und Sägen vollzieht sich immer in
bestimmten Richtungen, während die Rollung nach jeder Richtung Spuren
hinterlassen muss.
Der Nachweis einer Buckelschwellung und der sich gegen dieselben
zu öffnenden Bogenwellen wird in den ausserglazialen, nicht von Ver-
gletsoherungen berührten (legenden ein jedes Kieselsprengstück als ein
beabsichtigtes, von der Hand eines Menschengeschöpfes geschlagener er-
kennen lassen. Dasselbe trifft zu für die Randaussplitterungen der Kiesel-
scherben. Dengelt1) man die Scharfkante eines intakten Absplisses, d. h.
vollzieht man an derselben eine dauerhafte „Schärfung durch Hämmerung",
so erweisen sich die durch den „Dengelstein", den „Retouchoir" abgelösten
Splitterchen unter der Lupe als Absplisse kleinster Art, die mit allen
.Merkmalen ausgestattet sind, die wir an den grossen wahrnehmen. Jeder
Dengelungsabspliss wiederholt im Kleinen den Beginn, d. h. das obere
Ende einer beabsichtigten Abspleissung und der Dengelstein wirkt
nicht anders als der Behaustein, nur dass er weit geringerer Kraft
zu seiner Handhabung bedarf. Wir sehen eben als Ergebnis dieses
Prozesses an den aufgefundenen Manufakten immer nur das Negativ,
die Absplissnarbe, während die zur Herstellung der Randschärfung
abgeschlagene Reihe kleiner Absplisse sich alsdann unserer Prüfung
entzieht. Daher werden wir auch das Hauptmerkmal des manuellen
Schlages, den Schlagbuckel im Negativ selten unterscheiden können.
In jedem Falle aber, und das ist zur Beurteilung einer künst-
lichen, beabsichtigten Dengelung die Hauptsache, werden wir der
konzentrischen Bogenwellen und Faltungen gewahr werden, die gegen das
Ende der Hohlfläche am Negativ wie am Positiv in die Erscheinung
treten. Dass uns dieses Merkmal im Bereich unserer nordischen Ver-
gletscherungszone im Stiche lässt, habe ich bereits erwähnt.
Wo Absplissnarben vereinzelt auftreten, was namentlich an uiibeab-
1) Der Ausdruck ..dengeln" und „Dengelung" wurde vou Virchow in früheren
Bänden dieser Zeitschrift zuerst gebraucht und empfiehlt sich wegen seiner Kürze und
Verbindungsfähigkeit mit anderen Worten, als Äquivalent für das französische „retouche",
ein Ausdruck, der im Deutschen nur für etwas Gemaltes zu gebrauchen wäre. Die
Definition des Wortes Dengeln ist: „schärfen einer Schneide durch Hämmern" und in
diesem Sinne entspricht es vollkommen der Randschärfung eines Kieselsplitters sowohl als
auch der Schärfnug einer Sensenschneide. Dass beim Kieseldengeln Ausschartungeu er-
folgen, die eben beim Dengeln der Sense ausgeglichen werden sollen, liegt nicht in der
Absicht der Retouche, die eben am Kiesel keine andere Art Schärfung zuwege zu bringen
vermag, als durch Herstellung einer Reihe kurzer durch Aussnlitterungen erzeugter
Schneiden. Man kann nicht verlangen, dass Worte in übertragener Bedeutung sich voll-
kommen mit ihrem <<niudbegriff decken. Hier ist es die Handhabung, die Beweguug und
der Zweck, die vor allein an das „Dengeln" gemahnen, weniger das Ergebnis.
Zeitschrift fOr Ethnologie. J ah rp;. 190-1. Heft 6- ,",i i
— 778 —
sichtigten Schlagaussplitterungeu der Arbeitsweise von Reutel oft der Fall
ist, könnten dieselben auch mit den napfförmigen Aussplitterungen der
alveolaten Oberflächenverwitterung verwechselt werden.
Die kleinen Kegelnarben der Schlagmarken des Gebrauchs, die in der
nächsten Umgebung solcher Aussplitterungen von den geführten Schlägen
Zeugnis ablegen, müssen zunächst darüber entscheiden. Ausschlaggebend
aber sind durchgreifende Formunterschiede, die eine Napfform der alveolaten
Absonderung nie mit dem Negativ des Schlagbuckels mit der Schlag-
buckelhöhlung verwechseln lassen. Die Napfform ist innen glatt, im
Dmriss mehr oder weniger regelmässig gerundet, kreisförmig, oval oder
elliptisch, ihre tiefste Stelle in der gleichmässigen Aushöhlung liegt in
der Mitte. Beim Negativ des Schlagbuckels dagegen, dessen Umriss
mehr eiförmig erscheint, liegt die tiefste Stelle exzentrisch und auf der
ihr entgegengesetzten verflachten, oft in eine weit ausgezogene Hohlfläche
übergehenden Seite sind stets die konzentrischen Bogenwellen entwickelt,
die an der Verwitterungsalveole fehlen.
Viele von den berufenen Vertretern der heutigen Prähistorie haben
sich prinzipiell von der descriptiv-morphologischen Methode abgewandt,
weil angeblich durch sie nichts bewiesen werde. Unmittelbar allerdings
wenio-, mittelbar aber vieles. Ihr ablehnendes Verhalten fördert nur die
zunehmende Unsicherheit der Ausdrucksweise und statt des für die
Wissenschaft Besten, das Schlechte, die Verwirrung, die Konfusion, aus
der noch nie etwas Richtiges hervorgegangen ist, und, wie bereits Baco
von Verulam angedeutet hat, ist selbst der Irrtum vorzuziehen.
Die Notwendigkeit einer systematischen Formeneinteilung ergibt sich
bei jeder Gelegenheit, wo eolithische Steinwerkzeuge als Zeugen vorn Vor-
handensein menschenähnlicher Geschöpfe angerufen werden. Allerdings,
das muss ja zugegeben werden, ist auf morphologischem Wege nichts für
die Zuweisung eines Manufaktes in diese oder jene Epoche erreicht, —
eolithische Formen primitiver Art werden unter Umständen bis in die
letzte neolithische Zeit hinein zur Verwendung gekommen sein — , allein
das System ist unentbehrlich, sobald eine Definition vereinzelter Funde
verlangt wird oder wenn es sich darum handelt über Häufigkeit oder
Seltenheit gewisser Formen zu entscheiden, wenn Typen aufgestellt oder
die verschiedenen Arten der vermuteten Gebrauclisbestimmung eines
Manufaktes durch Beschreibung zum Ausdruck gebracht werden sollen,
woran sich wiederum weit reichende Schlussfolgerungen für die Lebens-
weise jener Geschöpfe knüpfen lassen. In seinen vorigjährigen Mit-
teilungen1) hatte Prof. Eugen Bracht bereits den Versuch zur Aufstellung
einer Typenreihe westflanderischer Eolithe gemacht, wozu ihn die er-
giebige Fülle der bei Gelegenheit neuer Ausschachtungen der Moseen-
Bchichten auf dem Polygonfelde von Reutel (der klassischen Örtlichkeit)
bei Ypern ans Tageslicht gebrachten Kieselmanufakte besonders angeregt
hatte. Im Doch grösserem Masse bin ich bei der Reichhaltigkeit meiner
ägyptischen Funde auf eine systematische Sichtung und methodische
l. Zeitschr. t Ethnol. S. 825.
— 779 —
< »rdnung der Stücke angewiesen. In meinem Falle kommt auch, wie
bereits angedeutet, das Zahlenverhältnis der einzelnen Formen zur Geltung
and hin ich in der Lage allein schon nach der Stückzahl der Funde zu
entscheiden, ob eine gewisse Form von den Urmenschen nur zufällig auf-
gelesen oder ob sie eine zu bestimmtem Zweck mit Vorbedacht aus-
gewählte, ob sie allgemein in Gebrauch oder nur zufällig anderen Formen
beigesellt gewesen sein möchte.
Die unmittelbare Ingebrauchnahme eines Kieselknollens, sei es in
Gestalt eines Natursplitters oder eines zufällig abgesprengten Stückes, sei
es auch als ganzer Knollen ohne jede weitere Zustutzung, bezeichnet in
der Hauptsache die ursprünglichste Verwertung des Gesteins als Werk-
zeug in der Hand eines menschenähnlichen Geschöpfs. Dazu tritt noch
die roheste Form der Rands chärfung von Kanten und Endstücken sowie
die gelegentliche Benutzung der durch Schläge zufällig beim Gebrauch ent-
standenen Absplisse. Damit wäre der ganze Kreis der Kieselbenutzung und
als Werkzeug Geeignetmachung während der langen Zeiträume, die der
zweiten quartären Vereisung vorausgegangen sind, erschöpft. Rutot hatte
diesen primitivsten Grad der Kieselarbeitsweise für die belgische Region mit
dem Namen des „Reutelien" belegt, er ist aber in seinem neuesten Werk
(le Prehistorique S. 58) zu dem Vorbehalte gelangt, dass eine Unter-
scheidung dieser Arbeitsweise (Industrie) als Epoche nur stratographischen
Wert beanspruchen darf, in Wirklichkeit erstrecke sich dieselbe auf alle
Epochen des Tertiärs, in denen Spuren menschenähnlicher Tätigkeit nach-
gewiesen sind und aufwärts bis zum Quartär der Arbeitsweise von Mesvin,
die mit der beabsichtigten Kieselspaltung anhebt.
Da aber der letzterwähnte Fortschritt, der nach dem Zeitraum langer
Stagnation einen frischen Impuls zu weiterer Entwicklung der Kiesel-
schlagkunst in sich barg, nicht den alten primitivsten Betrieb völlig be-
seitigte und neben den absichtlich gesprengten auch die natürlichen
Sprengstücke und die ganzen Knollen sich noch für lange in Gebrauch
erhielten, so vermag man auch die Arbeitsweise von Mesvin nicht in der
Weise zu definieren, dass sich bei jedem Stück nachweisen liesse, ob es
dieser Epoche angehöre oder nicht. Die Altersbestimmung eolithischer
Fundstücke gehört daher im grossen und ganzen ausschliesslich in das
Gebiet der Geologie. Bei dem oft lange anhaltenden Schweigen der
Geologen ist es eine schwere Aufgabe, Steine zum Reden zu bringen, die
der Inschriften entbehren. Die Prognose fällt für unsere Aufgabe umso
ungünstiger aus. als es auf der Hand liegt, dass die Natur, als Leiterin
der Entwicklung des .Menschengeschlechts, sich gerade bei dieser Gelegen-
heit besonders abgeneigt erweist zur Linienführung übersichtlicher Ge-
schlechtsregister.
Die von K ii tot aufgestellte Obergangsepoche von Bfaffle, nach einein
im Tal der Dendre gelegenen Ort so benannt, wo Ablagerungen derselben
besonders reich entwickelt sind, kommt für Ägyten nicht in Betracht, weil
diese Arbeitsweise durch keinerlei Merkmale der KJeselschlagkunst charak-
terisiert, nur eine stratographische Definition zulässt Die belgischen
Fundstücke sind van den ßeutelstücken durch nichts verschieden.
50*
— 780 —
Aus dem Angeführten geht hervor, dass die Anzahl der Gebrauchs-
formen von Kieselwerkzeugen gegen das Ende des Eolithikums bedeutend
an Umfang gewonnen haben muss. Nur eine systematische Aufzählung
dieser Formen kann Übersicht gewähren. Freilich nach dem Ausspruche
Kutots würden sie sämtlich in die Kategorie jener Manufakte zu ver-
weisen sein, die jede strenge Klassifizierung ausschliessen und deren
Hauptcharakter durch die Phantasie des Arbeiters bedingt war, der dem
Zufall folgend kein Stück nach einer bestimmten Idee geformt hat.1) Ich
meine, in der Auswahl der passenden Stücke lag ein Ersatz für die
mangelnde Plaumässigkeit. Die vom Urmenschen geübte Auswahl der
Naturknollen sowohl als auch der Sprengstücke ward zur Kundgebung des
Beabsichtigten, seines unklaren Willens, vergleichbar dem Gebrauch
einer fremden Sprache, in der man sagt, was man kann, nicht das, was.
man will.
Die Kreaturen schlugen instinktiv, gewohnheits- und erprobungsgemäss
sich die Stücke zu, brachten sie in Einklang mit ihren Zwecken und ge-
wannen auf diese Art eine Übung, in der Keime der Planmässigkeit und
des Systems enthalten waren, eine Übung, die ihrerseits, wie Rutot richtig
bemerkt, später zu der beabsichtigten Formgebung führte. Das erlösende
Wort für die fortschrittliche Entwicklung war mit dem Moment gegeben,
als die beabsichtigte Sprengung und Abspleissung gelang. Bei Handlungen,
die sich auf gleicher Linie bewegen, d. h. durch lange Zeiträume stets in
derselben Absicht sich vollziehen, kann der Zufall, wenn es überhaupt
einen gibt, nicht von Belang sein.
Nach dem Gebrauch, den man von den bekannt gewordenen eoli-
thischen Kieselwerkzeugen machen konnte, teilt Rutot ihre Handhabung
in die des Schiagens, des Kratzens oder Schabens, und in die des Durch-
bohrens oder Durchbrechens. Von diesen ist das Schlagen entschieden
das Hauptsächlichste.
Zu der Handhabung als Kratzer und Schaber wird man, was die
Meisten unerwähnt lassen, in erster Linie das Graben zu rechnen haben.
Alle Tiere, deren Extremitäten mit festen Klauen bewehrt sind, scharren
und wühlen im Erdreich, das ihnen immer wichtige Nahrungsquellen er-
öffnet. Diesem in der Natur begründeten Triebe wird der Urmensch
auf der Suche nach Essbarem (Insekten, Wurzeln) gefolgt sein und bei
der Schwäche seiner Fingernägel zum scharfen oder geschärften Stein
seine Zuflucht genommen haben.
Die Absicht des Durchbohrens ist zunächst durch die Tendenz des
Zerreissens, nach Einführung der Finger und der Hand geboten. Eine
sehr wichtige Aufgabe erwuchs dem schwachbewehrten Urmenschen an-
gesichts der derben Haut eines grösseren Tierkörpers, in die ein Loch
zu reissen war, um zu den inneren Weichteilen und zum Muskelfleisch
zu gelangen. Durch Schläge, mit denen man eine auf harte Unterlage
gelegte II autfalte bearbeitete, entstand oft weit schneller ein Loch, als
vermittels eines spitzen Steins.
l, linl 1. *<>c. d'Anthr. Brux. 1899, XVII S. 247.
— 781 —
Die Frage, mit welcher Epoche diejenige Arbeitsweise anhebt, die
ein gewohnheitsmässiges Schneiden, ein Zerstückeln der Gegenstände durch
den Schnitt in Anwendung brachte, fällt mit der des Sägens zusammen,
denn das eine entwickelt sich naturgemäss aus dem andern, und wie das
Schneiden nur ein modifiziertes Sägen ist, d. h. von einem gewissen Härte-
punkt an gerechnet des Körpers, den es /um Gegenstände hat, seist auch,
unter derselben Einschränkung des Begriffs, ein Messer nur eine Säge.
Je nachdem man es handhabt, hat jedes Messer seinen eigenen Betrieb,
d. h. es funktioniert entweder als Keil oder als Säge. Weiche, minder
zähe Körper (z. B. Butter, Käse), werden vom Messer in seiner Eigen-
schaft als Keil geschnitten; harte nur unter Aufbietung besonderer Kraft.
Bei zäherem und festerem Gefüge bewirkt das Vorrücken einer ein-
gekeilten Schneide in seitlicher Richtung ein Zerren der einzelnen
Zähne an den Fasern und dem Korn des Gefüges, die alsdann reissen
und dem Werkzeug den Weg freigeben, seine Richtung zu verfolgen.
Unter dem Mikroskop, bei lOOOfacher Vergrösserung, löst sich selbst die
Schneide des feinsten Mikrotoms in eine Reihe von vorspringenden
Zähnen auf, wie durch die Untersuchungen von Sehe ff er erwiesen
worden ist.
Nun hat Rutot in seinem mustergültigen Werk (in le Prehistorique
< lans l'Europe centrale, p. 27, '28) die Behauptung aufgestellt, dass die
Urmenschen in allen Epochen unterschiedslos die an Natursprengstücken
sich darbietenden Scharfkanten zunächst ohne weitere Bearbeitung in
Verwendung gebracht, dass sie zu dem Mittel einer künstlichen Rand-
schärfung erst ihre Zuflucht genommen hatten, nachdem die von der Natur
gewährten fertigen Werkzeuge entweder erschöpft oder abgenutzt worden
aeien. Ich möchte der Benutzbarkeit solcher von Natur scharfer Kiesel-
splitter nicht allzusehr das Wort reden, einmal aus Gründen des zweifel-
haft praktischen Erfolges, dann auch mit Rücksicht auf die tiefe Stufe
der bei den Edithen in Betracht kommenden Arbeitsweise. Die infolge
von Verwendung des Kieselsplitters als Schneidewerkzeug erfolgte Ab-
nutzung lässt sich von der auf natürliche Einflüsse zurückzuführenden
Verwitterung und Verletzung wohl nur sehr schwer unterscheiden und ich
nehme an, dass bei inangelnder Definition der Unterschiede aus dem
heutigen Verhalten der Stücke kein Beweis für die Art ihrer stattgehabten
Verwendung zu erbringen sein wird. Wie wollte man auch ohne weiteres
an der Schneide eines solchen Splitters erkennen, ob mit derselben um-
schnitten (gesägt) oder geschabt worden ist.
Viele Anzeichen sprechen dafür, dass das Schneiden, überhaupt ein
vervollkommnetes Verfahren, einen Portschritt darstellt, der erst späteren
Epochen zugute kommen sollte, und dass in den frühesten Zuständen
menschlicher Entwicklung das Hämmern. Blürbesohlagen und Zerkleinern.
dann das Hacken. Graben and Wühlen, schliesslich das Schaben und
Glätten die wichtigstell Äusserungen des menschlichen Intellekts bei Ver-
wendung der primitiven Geräte ausgemacht haben, (legen die gewohn-
heitsmässige Verwendung der Naturschneiden kann man zunächst da-
— 782 —
Sprichwort vorbringen: „allzuscharf macht schartig"-. Weil die Natur-
schneide schon bei geringem Kraftaufwand schnell ausbricht und alsdann
nicht mehr gleichmässig reisst (sägt), also zum schneiden weit untaug-
licher wird, als eiue durch Dengelung geschärfte Kante, wird ihre Ver-
wendung immer nur eine vorübergehende gewesen sein. Man kann auch
mit einem Rasiermesser Brodschnitte herstellen, aber nur wenige, und
bald wird dasselbe wegen der tiefausgebrochenen Scharten für den Zweck
uu tauglicher erscheinen als ein stumpfes Messer. Wollte man also dauernd
schneiden bezw. sägen, nicht bloss mit dem Natursplitter zwei oder drei
Schnitte ausführen, so musste man eine Art Sägeraud herstellen. Die
gedengelte Randschärfung macht die Schneide des Kieselsplitters dauer-
hafter und steht zu der von der natürlichen Scharfkante dargestellten
Schneide in demselben Verhältnis, wie eine Klingenschneide mit einer
solchen zu derjenigen steht, die ohne eine durch das sog. „Abziehen"1
hergestellten Schneidenkante blieb. Die Vorzüge der methodischen Rand-
schärfung, die durch Anbringung von Reihen gleichmässig gestalteter
kleiner Absplissnarben bezw. Teilschneiden oder Aussplitterungen bewirkt
wird, müssen frühzeitig erkannt worden sein.
Sägen in unserem Sinne scheinen erst in sehr späten Epochen zur
Verwendung gekommen zu sein. Unter den altpaläolithischen Stücken
von Theben, die durchweg der in so vielen anderen Gebieten, auch
Europas und Asiens, vertretenen Arbeitsweise von Chelles entsprechen, ist
mir kein Stück mit sorgfältig ausgeschlagenen, in Reih und Glied ge-
ordneten Säge- oder Reisszähnen vorgekommen, wie solche im ägyptischen
Neolithikum, namentlich unter den aus dem Fajum stammenden Fund-
stücken eine so grosse Rolle spielen. Längliche, schmale und dünne
Kieselsplitter, mit denen sich allenfalls schneiden Hesse und die im
jüngeren Paläolithikum vielfache Verwendung und Zustutzung fanden, ge-
hören auf den Flächen um Theben zu den grossen Seltenheiten.
Gewiss werden sich die Urmenschen auch schon in eolithischer Zeit
der nur roh und ungleichmässig gedengelten Absplisse, namentlich der
dünnen zum sägenden Schneiden bedient haben. Das Zerren im Kleinen,
das Zerren am Gefüge des Korns und der Fasern, an Knochen und Holz,
an Sehnen, Haut und Muskeln ward bewirkt durch eine solche Handhabung
des Gerätes zum Zwecke der Zerstückelung.
Zur besseren Übersicht wiederhole ich hier die im vorjährigen Bande
S. 801 gegebene Tabelle der eolithischen und paläolithischen Zeiteinheiten
unter Hinzufügung der für gewisse Gruppen derselben gemeinschaftlichen
Merkmale der Kieselschlagkunst. Eine graphische Darstellung der Syn-
chronismen der Eiszeiten des Quartärs mit den aus den belgischen Funden
sich ergebenden Arbeitsweisen, die ich zur Deutlichmachung von Zu- und
Abnahmeepochen der Vereisungen in Kurven /um Ausdruck bringe,
bietet den Vorzug, dass man auf diese Art über das Dilemma der Inter-
glazialzeiten (ein von manchen Autoren gern vermiedener Ausdruck), am
besten hinauskommt.
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Eolithische und Paläolithische Epochen
des Systems von A. Kiitot.
Arbeitsweisen (Industries):
1. der Tertiärzeit und von
Reutel
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Abnahme
der zweiten
quartären
Vereisung
dritte
quartäre
Vereisung
vierte
quartäre
Vereisung
2. von Maffle
(der Übergangszeit von
Reutel zu Mesvin)
3. von Mesvin
4. von Strepy
(der Übergangszeit von
Mesvin zu Chelles)
5. von ( 'helles . .
6. von St. Acheul
7. von le Moustier
8. der Elfenbeinzeit
9. der Renntierzeit
I. Eolithi-
cum
(unbeab-
sichtigte
Form-
gebung)
Zufällige
Ab-
sprengung
von Ah-
splissen
beim
Gebrauch
IL Palaeo-
lithicum
(beab-
sichtigte
Form-
gebung)
Her-
stellung
beab-
sichtigter
Absplisse
Graphische Darstellung der vier quartären Eiszeiten, mit Eintragungen1) von A. Rutot
(Zeitgrenzen der eolithischen und jinlüolithischen Arbeitsweisen).
1) In der Kurv.' ist Maffleen statt Mafflien zu lesen.
— 784 -
Im Nachfolgenden mache ich den Versuch die eolithischen Kiesel-
werkzeuge, die sich in Ägypten finden, nach den Gesichtspunkten zu
klassifizieren, die sich aus der erkennbaren Auswahl der Xaturknollen
und Sprengstücke, sowie deren allmählich vervollkommneter Herrichtimg
ableiten lassen. Als eine leichtere Aufgabe erscheint es den angedeuteten
Bedingungen nachzuspüren als denjenigen des Zweckes und der Ver-
wendungsweise, denen diese uranfänglichen Werkzeuge gedient haben.
Ich teile die Edithen zunächst ein, erstens in solche, die ganze natür-
liche Kieselknollen darstellen und zweitens in solche, die aus Spreng-
stücken bestehen. Die erste der beiden Kategorien umfasst in zwei Ab-
teilungen die ganzen Knollen, die unverändert in Gebrauch genommen
wurden und andere, die durch absichtliches "Wegschlagen von Splittern
eine rohe Randschärfung erfahren haben, bezw. mit Herstellung einer Art
Schneide versehen worden sind. An den aus Sprengstücken bestehenden
Eolithen unterscheide ich diejenigen, die, von der Natur hergestellt, als
solche aufgelesen und in Gebrauch genommen wurden und zweitens die
ans beabsichtigten Absplissen hergestellten.
Die aus natürlichen Sprengstücken und Scherben gebildeten Eolithe
scheinen in Ägypten, nach der Zahl der aufgefundenen Stücke zu urteilen,
von allen übrigen die am häufigsten gebrauchten gewesen zu sein. Eine
Unterscheidung, wie bei den ganzen Kieselknollen, in solche, die ohne
weiteres, wie sie sich fanden, (das wären die halbierten und zersprengten
Knollen, aber auch nur zum Teil) und in solche, die mit absichtlicher Rand-
aussplitterung versehen, also eigens geschärft wurden, lässt sich hier nicht
durchführen, weil unter den Knollenfragmenten eine allzugrosse Zahl von
Stücken den Übergang zwischen beiden Formenreihen durch eine Dengelung
von nur undeutlich ausgeprägter, mithin zumeist zweifelhafter Art zu er-
kennen gibt. Als eine weitere Kategorie betrachte ich drittens die den
Übergang zur paläolithischen Kieselschlagkunst darstellenden Werkzeuge,
au denen, bei stattgehabter Auswahl und Bevorzugung gewisser Formen
des Xaturkiesels, die Absicht klar zutage tritt, diese Formen in einer
Weise umzumodeln und zu bearbeiten, dass sich aus denselben ein Werk-
zeug von halbwegs gewollter Gestalt herstellen liess.
Typenreihe der eolithischen Manufakte von Theben.
I. Aus ganzen natürlichen Kieselknollen hergestellte Eolithe.
(Arbeitsweise der Tertiärzeit bis inkl. von Reutel.)
a) Mit Abspleissungen und Aussplitterungen versehene, die allein infolge
von Gebrauch entstanden (dazu mit Schlagmarken und Kegel-
sprüngen an Vorsprüngen und Rändern als Zeugen stattgehabter
andauernder Benutzung).
Typus 1. Schläger aus sphärischen Knollen, Kugelschläger.
Eins der primitivsten und zugleich. auch wichtigsten Werkzeuge, das
kugelförmige Kieselkonkret, von dem bereits die Rede war, hat wahr-
scheinlich in allen Epochen der Kieselschlagkunst eine grosse Rolle ge-
— TS.') —
spielt, weil sich mit demselben nicht nur das Zerstückeln der grossen
Knollen, sondern aucli die Herstellung der zu kleinen Werkzeugen ver-
wendbaren Absplisse am bequemsten vollziehen Hess. Die von mir in der
Umgegend von Theben gefundenen Stücke geben sich als vielgebrauchte
Behausteine durch die dichtgedrängten Schlagkegel und Kegelnarben zu
erkennen, die sie im mittleren Teil wie mit einer zerhackten Äquatorzone
umgeben. Da sie in dunkelpatiniertem Zustande von der Oberfläche auf-
gelesen wurden, Hess sich kein Anhalt für eine Zeitbestimmung gewinnen,
ob diese Behausteine einer eolithischen oder paläolithischen Epoche ange-
hören. Unter den in den lakustren Ablagerungen enthaltenen Eolithen sind
mir bis jetzt, wahrscheinlich nur durch Zufall, noch keine Kugelschläger
als Behausteine vorgekommen. Wie heute noch der Kulturmensch, so
bedienten sich also auch bereits die Urmenschen eines Werkzeugs zur
Herstellung eines anderen, nach Reuleaux's Definition eines Körpers,
der dazu dient, einen anderen Körper, das „Werkstück" mechanisch um-
zugestalten, erstlich durch Abtrennung, zweitens durch Verlegung. Bei
den Kieseln und Steinen kommt hauptsächlich der erstgenannte Zweck in
Betracht (der zweite etwa beim Graben und Wühlen). Ein anderes Werk-
zeug sekundärer Art ist der später zu besprechende „Randschärfer" oder
.. Dengler" (franz. „retouchoir").
Typus 2. Schläger aus flachen sphäroidischen Knollen (abgebildet).
Diese lagen sehr gut in der Hand und konnten als vortreffliche Be-
hausteine dienen. Solche flache Knollen müssen sich auch als Unterlage,
als Ambos geeignet haben; denn das solche in der Tat benutzt wurden,
wo sich nicht Felsen darboten, geht aus der Natur der unabsichtlich,
allein durch den heftigen Anprall von harter Unterlage verursachten Ge-
legenheitsabsplisse hervor, durch die die meisten Eolithe gekennzeichnet
sind. Ich selbst habe in Oberägypten noch keine Amboskiesel gefunden
(vgl. Rutot, Prahlst. S. 32, Fig. L2).
Typus :;. Schläger aus flachen, rundlichen, mit handlicher Aus-
buchtung als Griff versehenen Knollen.
Die der Ausbuchtung gegenüberliegende Seite diente zum Schlagen,
und die Hand sass sehr fest und bequem, wie in einer Sattelhöhlung.
Typus I. Schläger aus Knollen, die mit Fortsätzen versehen
bequeme Griffe darbieten (2 Abbildungen).
Diese oft Knochenformeii, namentlich Reptilienknochen, z. B. Ober-
armknochen i „humeriforme" l aufs Täuschendste nachahmenden Konkretionen
spielen auch in der oberen Kreide eine grosse Rolle und sind in den
märkischen Kiesgruben wiederholt als Eolithe oder als Pseudoeolithe auf-
gefunden worden. Die einzelnen Fortsätze and Vorspränge dieser Knollen
unterscheiden sich voneinander durch die Art ihrer Verletzungen und das
Fehlen oder Vorhandensein derselben. Die intakten sind die mit der Hand
am bequemsten zu packenden, das den Schlagkontakt vermittelnde Ende
ist durch die Aussplitterungen und durch Marken des Gebrauchs charakte-
risiert, an anderen Stellen linden sich die Narben von weggesoblagenen und
— 786 —
plattgehämmerten Fortsätzen1), die dem Griffe hinderlich erschienen. Diese
Verletzungen sind nicht immer leicht von den in Gebrauch genommenen
Treffstellen des Werkzeugs zu unterscheiden, mit anderen Worten, wenn
dieser Ausdruck erlaubt ist, die aktiven Schlagmarken von den passiven
Hämmerungsmarken. Die Merkmale der „Handlichmachung" (franz.
accommodation) sind noch nicht mit genügender Schärfe zu definieren ge-
wesen. Professor E. Bracht hat die Formen des vorstehenden Typus in
seiner Typenreihe von Reutel (Zeitschrift 1903, S. 825) „dreiästige Stücke"
genannt.
Typus 5. Schläger aus zylindrischen Knollen (1 Abbildung).
Das Vorkommen zylindrischer oder mehr oder minder gleichmässig in
die Länge gezogener Kieselkonkretionen bedingte örtlich beschränkte oder
für gewisse Örtlichkeiten charakteristische Gebrauchsformen. Zwischen
den Typen 5 und 6, den Zylinderschlägern und den Spitzschlägern halten
die spindelförmigen die Mitte, die bei Theben selten sind, in Westflandern
dagegen eine grössere Rolle zu spielen scheinen, da Prof. E. Bracht sie
in seiner Typenreihe eigens hervorhebt. In meiuer Sammlung befindet
sich ein sehr merkwürdiges Stück von spindelförmiger, oder, wenn man
will, länglich eiförmiger Gestalt. Es stammt aus lakustren Schotterbänken
der Loc. XXVIII und wiegt 700 g\ seine Dimensionen sind 9x6x6««.
Dem Anscheine nach sind an beiden Enden Versuche zur Herstellung einer
Schlagfläche gemacht worden, die querverlaufenden Kanten an den Endflächen
sind aber überall mit Schlagmarken bedacht. Fünf lange Absplissnarben
laufen von dem spitzeren Ende an den Seiten des Knollens entlang, und
an seiner dicksten Mitte hat derselbe drei kreisförmige, bezw. ovale zerhackte
Schlagmarkenhöfe von 3 — 1,5 cm Durchmesser, die mit dichtgestellten
Kegelnarben bedeckt sind, darunter viele, deren Kreisdurchmesser 0,5
bis 0,8 cm misst. Diese runden Narbenhöfe, die alle drei in der Mittelzone
des spindelförmigen Knollens liegen, beweisen, dass mit ihm, wie mit einer
Keule, sehr heftige Schläge auf einen spitzen oder spitzlich abgerundeten
Körper von grosser Härte, etwa auf vorspringende Höcker anderer Kiesel-
knollen geführt worden sind, wahrscheinlich also zu Zwecken der Handlich-
machung eines eolithischen Werkzeugs.
Typus 6. Schläger, bezw. Durchlocher („percoir") aus in eine
Spitze auslaufenden Knollen (Spitzschläger) (2 Ab-
bildungen).
Dies ist eine in den Schotterschichten der diluvialen Ablagerungen
sehr häufig auftretende Form. Die Abnutzung und Aussplitterung am
spitzen Ende des Knollens verraten die Heftigkeit, mit der die Schläge
auf harte Unterlagen, sei es auf Felsplatten oder auf als Ambos gebrauchte
Kieselknollen niedersausten. Das eine der beiden von mir auf S. 787 ab-
gebildeten Exemplare veranschaulicht bereits die Idee des werdenden
Fniistsehlägels und beweist, wie naturgemäss die Entwicklung der Stein-
schlagkunst zunächst bei dieser ersten der t'estumgrenzten Gestaltungen
1; Vgl. Rutot, Flandre occidcntak L900, p. 39, Fig. 12, und Pivhist. p. .">2, Fig. 23.
— 787 -
Typus 2.
Typus 1.
Typus 6.
Typus •").
rypua 10.
Typus 13.
Alle V» nat, Gr.
Eulithe der Arbeitsweise der Tertiärzoit und vou lteutel.
— 788 —
haften bleiben musste. Dem Typus 6 entsprechen auch aufs vollkommenste
die beiden auf S. 834 und 835 des vorjährigen Bandes der Zeitschrift von
Prof. Ja ekel abgebildeten Eolithe von Freyenstein.
Typus 7. Schläger aus Knollen von unregelmässiger, schwer zu
bezeichnender Gestalt.
b) Mit beabsichtigten Abspleissungen zur Randschärfung versehene.
Es wiederholen sich in dieser Abteilung die vorhergegangenen Formen
unter Anbringung einer Art schneidiger Kante, die indes bei diesen nur
einen Teil des Umkreises oder Randes umfasst (solchergestalt den ersten
Beginn der Entwicklung von Beil1) und Meissel bezeichnend), während
an anderen besonders flachgestalteten Knollen eine rundum angebrachte
Randschärfung primitivster Art (als Prototyp des Schabers und Messers) Platz
greift. Die beabsichtigte Randschärfung wird, wie ich beim Typus 39
weiter ausführen will, als eine der beabsichtigten Spaltung und Abspleissung
vorausgegangene Stufe der Kieselschlagkunst zu betrachten sein. In
einigen Fällen mag es schwierig sein, Stellen mit gehäuften Absplissnarben
des Gebrauchs von beabsichtigten Randschärfuugen zu unterscheiden, zumal
da solche zufällige Absplisse beim Schlagen mit der Schmalseite eines
Naturknollens nach beiden Seiten sich ablösen können. Die Regelmässig-
keit ihrer Anordnung, ihre reihenweise Aneinandergliederung und ihre
Stellung werden an diesen Absplissnarben die Herstellung einer künst-
lichen Scharfkante wahrscheinlich machen.
Rutot2) hat bei Reutel in den obersten Pliocänschichten häufig ganze
Knollen gesammelt, die in dieser Weise bearbeitet erschienen („percuteurs
tranchants ä talon brut"). Gewisse Formen werden unter Umständen das
Aussehen von unvollendeten Stücken der Übergangsepoche von Strepy
(Mesvin-Chelles) annehmen können. In diesem Falle wird für Theben
die Fundstelle entscheidend sein, denn die beglaubigten Formen der letzt-
genannten Arbeitsweise finden sich erst in der diluvialen Hochterrasse,
fehlen aber ausnahmslos in den lakustren Bildungen des Altdiluviums.
Die Typen 8, 9, 10, 11, 12 und 13 entsprechen den Typen 1, 2, 3,
4, 5 und 7, mit dem Unterschied der an ihnen angebrachten Schneide.
Typus 10. Schläger aus flachen, mit handlicher Ausbuchtung als
Griff versehenen Knollen, mit Abspleissungen zur
Herstellung einer Art Schneide (1 Abbildung).
Diese häufig auftretende Form veranschaulicht die erste Vorstellung
von einem beilartigen "Werkzeug, das in der Hand des Urmenschen eine
3chlagend abtrennende Wirkung hervorbringen konnte. Rutot hat ein
ähnliche« Stück aus dem Strepyien abgebildet (Prehist. S. 125, Fig. 87).
1) Es dürft«- anfechtbar erscheinen, dieselben Namen von Werkzeugen, die, wie Hammer
uiil Beil, nur in Verbindung mit eiuer Handhabe als solche bezeichnet, werden können,
deren Verwendimg also ausserhalb der Hand statthat, auch für solche in Anspruch zu
nehmen, 'leren Gebrauch direkt unter der Hand erfolgt.
2) Rutot, Flandre occidentale 1900, p, 35 Fig. 4 und lV-hist. p. 82 Fig. 25.
— 781) —
Typus 12. Schläger aus zylindrischen Knollen mit AbspleissuUg BD
zur Herstellung einer Schneide, bezw. Spitze (1 Ah-
bildung).
Typus 13. Schläger aus unregelmässig gestalteten Knollen mit
Abspleissungen zur Herstellung einer Schneide (1 Ab-
bildung).
Nach Rutot beginnt im belgischen Eolithikum erst in der f bergangs-
epoche zum Paläolithiknm der Gebrauch des Werkzeugs als Waffe. ich
nehme für Ägypten eine weit frühere Ingebrauchnahme der Folithe als
Waffen an und dabei erscheint mir das Gewicht des fraglichen Werkzeug-
als ausschlaggebend, denn die Waffe unterscheidet sich vom gewöhnlichen
Werkzeug hauptsächlich dadurch, dass mit ihr eine beschleunigte, womög-
lich augenblickliche Wirkung erreicht werden soll, letzteres also wird
hauptsächlich durch die Wucht des Schlages bestimmt. Kleine Werkzeuge
liegen dafür bequemer in der Hand, lassen sich mit der einen allein in
Bewegung setzen und erreichen durch zahlreiche Wiederholung der Schläge
eine weit grössere Wirkung. Unter den echten Keutel-Eolithen, die ich
bei Theben fand, waren Stücke von 2 kg und selbst von 3 kg keine Selten-
heiten und diese wird man wohl als Waffen gelten lassen müssen, be-
sonders wenn sie noch dazu, wie im vorliegenden Falle durch Anbringung
einer schneidenden Randpartie zum Schädelspalten und zum Zerschmettern
der Knochen eigens erst geeignet gemacht zu sein scheinen.
Das hier (Seite 787) abgebildete Exemplar des Typus 13 ist von mir
aus einer kalkverkitteten Schotterschicht der diluvialen Hochterrasse,
Loc. I ausgemeisselt worden. Dasselbe wiegt 3,1 kg und seine Raum-
verhältnisse sind 20xl5Xl2cm. Von einem Menschen heutiger Art
müsste das Stück beim Schlag mit beiden Händen erfasst werden.
Typus 14. Schläger aus länglichen Knollen mit Abspleissungen
auf einer Seite zur Herstellung einer seitlichen
Seh ihm de (1 Abbildung).
Die Formen dieses Typus bilden die primitivste Form des unter den
aus gespaltenen Knollen hergestellten Werkzeugen eine so grosse Rolle
spielenden Urbildes des Hackmessers (Typus 49) (tranchet, coupereU
hachoir).
Typus L5. Schaber, bezw. Schläger aus rundlichen, flachen, oft
platten förmigen Knollen mit beabsichtigter roher
Randschürfung (Dengelung) (1 Abbildung).
Die randlichen Aussplitterungen bilden oft unterbrochene Reihen und
nicht selten hat es den Anschein, als ob mit diesen meist kleinen, scheiben-
förmigen Kieseln mehr geklopft und geschlagen als geschabt worden sei.
Dann aber wieder stösst man auf unzählige Stücke, deren Randschärfung
einer wirklichen Dengelung entspricht, indem die Aussplitterungen dicht
aneinandergereiht erscheinen. In den obersten Pliocänschichten bei Reutel
hat Rutot Stücke von diesem Typus aufgelesen, die er nicht zu den
häufigen Formen rechnet und deren Gebrauch ihm nur ungenügend erklärt
— 790 -
und bestimmt erschien1) (instruments en silex tabulaire). In den altdiluvialen
Ablagerungen bei Theben dagegen spielen diese meist 6 — 8 cm im Durch-
messer haltenden ovalen, länglich abgerundeten, seltener polygonalen
Flachkiesel eine grosse Rolle. Am Hügel Esbet-el-wüs bei Schaghab
machen dieselben in manchen Schichten die Mehrzahl aller eolithischen
Werkzeuge aus.
Typus 16. Hohlschaber aus ganzen Knollen mit Aussplitterungen
zur Herstellung einer Auskerbung.
TyPus 17. Schaber aus ganzen, meist kleinen Knollen von dicker
Gestalt mit rohen Randschärfungen.
Dieser Typus bildet gewissermassen eine Modifikation des Typus 15
der Flachkieselschaber. Rutot fand ähnliche in Schichten der Arbeits-
weise von Reutel in West-Flandern.2)
II. Aus Sprengstücken von Kieselknollen hergestellte Eolithe.
a) Aus natürlichen Sprengstücken hergestellte, mit und ohne Rand-
schärfung (Dengelung). (Arbeitsweise der Tertiärzeit und von
Reutel.)
Typus 18. Schläger, bezw. Klopfer aus halbierten zylindrischen
Knollen mit Aussplitterungen am Rande infolge von
Gebrauch.
Typus 19. Kegelförmiger Schläger oder Klopfer, bezw. Schaber
aus halbierten Knollen oder aus abgesprengten kegel-
förmigen Knollenfortsätzen, mit Aussplitterungen am
Räude infolge von Gebrauch, bezw. durch absichtliche
Schärfungen (1 Abbildung) hervorgebracht.
Es ist dies, ebenso wie die Typen 20, 21 und 27, eine in merkwürdiger
Übereinstimmung von Belgien und Oberägypten auftretende Naturform von
Werkzeugen der Arbeitsweise von Reutel, bezw. der Tertiärzeit. Rutot
nannte diesen Eolithentypus „Hobelkratzer"3) („grattoir-rabot" und grattoir
dit „rabot"). Er bezeichnet seinen Typus als vermittelst absichtlicher
Sprengung oder Zerschlagens eines länglichen Knollens hergestellt, mit
Hinzufügung einer Randschärfung. Die von mir an allen ausgebeuteten
Stellen der lakustren Schotterablagerungen von Theben gefundenen
Exemplare dieses Typus, desgleichen die der verwandten Typen 20 und 21
gaben nur ausnahmsweise Sprungflächeii zu erkennen, die als Ergebnis
beabsichtigter Halbierungen des Knollens zu deuten gewesen wären. Die
Mehrzahl hatte alle Merkmale der Natur Sprengung an sich. Ich habe
daher auch unterlassen die analogen Formen innerhalb der Kategorie der
beabsichtigten Sprengungen als eigene Typen zu wiederholen. Was nun die
ßandaussplitteruugen anbelangt, so machen an den thebanischen Exemplaren
sehr viele den Eindruck als wären sie allein durch den Gebrauch ent-
1) Rutot, Flandrc occidentale, 1!KH>, S. 53, Pig, U). II.
2; Rutot, Flandre occidentale, 1900, S. 44, Fig. 20. 21.
3 Butot, Flandre occidentale, l'.KK), S. 17. Fig. 28 und Prehist. S.54, Fig. 3G.
— 791
fc
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Typus I.").
Typus 12
Typus 1!
Typus 20.
Typus 2:;.
Typus 2G.
J-j, ■ *! - »v. *
Alle in V,
nat. Gr.
Typus 22.
Eolithe der Arbeitsweise der Tertiärzeit und von Rente!.
- 792 -
standen. Es hat den Anschein, als hätte man sich der durch die Sprung-
fläche dargebotenen Scharfkante am Grunde des Kegels wie eines Hack-
messers bedient. Dabei sind denn auch infolge von wuchtigen Schlägen
längere Absplisse vom Rande aus, in der Richtung zur Kegelspitze ab-
gesprungen. Andere Exemplare bekunden wiederum durch die regelmässig
aneinandergereihten, gleichmässigen Dengelungsnarben am Rande der
Kegelbasis eine beabsichtigte Randschärfung, wie auf der von Rutot ge-
gebenen Figur 28 zu sehen ist. Die Abwetzung und Abnutzung dieser
Randschärfung beweist in anderen Fällen auch, dass dieses Werkzeug
wirklich als Schaber benutzt worden ist. Sehr wohl konnte man z. B.
mit demselben, wie mit einem Hobel über ausgespannte Häute hin- und
herfahren, um sie vom Fleisch zu säubern oder um sie zu enthaaren,
wenn sie verzehrt werden sollten. Als Klopfer konnten diese Instrumente
auch zum Mürbeschlagen von Fleisch und Häuten dienen, zum Aufklopfen
von Nüssen und Zerkrümeln essbarer Wurzeln oder faseriger Rinden.
Typus 20. Flache Kegelschläger, bezw. Schaber, aus seitlich zu-
sammengedrückten, halbierten Knollen, mit Aus-
splitterungen am Rande infolge von Gebrauch und
durch absichtliche Schärfung (1 Abbildung).
Von dieser Form gilt das bei Besprechung der vorhergegangenen Er-
wähnte. Es fanden sich von der vorstehenden so zahlreiche Exemplare
in den lakustren Schottern, dass die Unterscheidung eines eigenen Typus
geboten schien.
Typus 21. Hobelschaber mit Griff, aus halbierten Knollen mit
handlichem Fortsatz und mit randlichen Aussplitte-
rungen, sowohl beabsichtigten, als auch infolge von
Gebrauch entstandenen (1 Abbildung).
Das von Rutot1) als „gestielter Hobelkratzer" (grattoir-rabot ä pe-
doncule) bezeichnete Werkzeug gehört unstreitig zu den merkwürdigsten
Typen des Eolithikums, merkwürdig namentlich wegen der Überein-
stimmung der von den Urmenschen in den entlegensten Gegenden zu
gleichem Behuf aufgelesenen Naturknollenfragmente.2)
Das bei Typus 19 in bezug auf Sprengung der Knollen und Rand-
schärfung Gesagte gilt auch für den vorstehenden.
Dieses Werkzeug war als Klopfer und Mürbeschlager sehr geeignet.
Es findet sich bei Theben in den Schotterablagerungen des Altdiluviums
in den verschiedensten Grössen, von 8—18 cm Länge, bezw. Höhe. Häufig
erlangt die Grundfläche des Werkzeugs eine im Verhältnis zur Höhe weit
grössere Ausdehnung als das hier abgebildete Exemplar zu erkennen gibt.
Manche der Formen erinnern an Maurerkellen. Bei anderen überwiegt der
Griff*. Der Schläger oder Klopfer nimmt alsdann die Gestalt eines Petschafts
oder Stössels an. Der von Prof. Jaeckel auf S. 836 des vorigen Bandes
der Zeitschrift abgebildete Eolith entspricht dieser letzten Bezeichnung.
1) Rutot, Flandre occidentale 1900, S. oö, Fig. :'»7 und Prchist. S. 47, Fig. 29, 30.
2) Das inineralog. petrogr. Institut in Berlin besitzt einen bei Jessenitz nahe Lübtheen
im alten Elbtal (Rügnitz) zu Tage geförderten Eeolithen dieses Typus.
— 793 —
Typus 22. Halbkugelschläger, bezw. Schaber aus halbierten sphä-
rischen Knollen, mit Randaussplitterungen sowohl des
Gebrauchs als auch der beabsichtigten Schärfung
(1 Abbildung).
Diese Form verhält sich in allen Stücken wie Typus li). Sie findet
sich gleichfalls in sehr verschiedenen Grössen, von Talergrösse bis zum
Umfang der Hand. Die kleineren Formen wird man, wie in allen analogen
Fällen, als Schaber, die grösseren als Schläger bezeichnen können.
Typus 23. Plankonvexe Schläger, bezw. Schaber aus der Länge
nach halbierten länglichen Knollen mit roher Rand-
schärfung (Dengelung) und Aussplitterung des Ge-
brauchs (l Abbildung).
Die Form schliesst sich im Prinzip denjenigen der Typen 19 und
•22 an.
Tvpus 24. Längliche Schläger aus unregelmässig gesprengten
Knollen, mit roher Ran dschärfung (Dengelung) und
mit Aussplitterungen des Gebrauchs.
Typus 25. Schläger bezw. Klopfer oder Schaber aus zylindrischen
Segmenten länglicher Knollen, mit Aussplitterungen
des Gebrauchs an den Kanten (1 Abbildung).
Typus 26. Schaber aus flachen Scheibensegmenten von Knollen
mit roher Randschärfung (Dengelung) bezw. Aus-
splitterungen des Gebrauchs (1 Abbildung).
Solche in der Natur häufig, namentlich von Zylinderknollen ent-
stehenden Querscheiben können entweder sehr flache Zylinder darstellen,
dünnen Querschnitten gleich mit parallelen Endflächen, oder die letzteren
konvergieren und laufen zur Hälfte in eine Scharfkante aus, wodurch an
und für sich ein schneidendes Werkzeug dargeboten ist. Wegen der
verquer gestellten Scharfkante musste man dasselbe „Kratzer" („grattoir")
nennen. Rutot gibt (in le Prehistorique S. 93) zur Unterscheidung von
Schaber (racloir) und Kratzer (grattoir) folgende Definition. Ein Schaber
hat eine längsseitige Schneide, die seitwärts in Betrieb gesetzt wird; der
Kratzer hat eine verquergestellte Schneide, die abwechselnd nach hinten
und nacli vorn in Betrieb gesetzt wird. Diese von früheren Autoren auf-
gebrachte Unterscheidung lässt sich meines Erachtens aus logischen und
praktischen (I runden nicht aufrecht erhalten; besonders unter den
eolithischen Schabern, die weit mannigfaltiger gestaltet sind als die mehr
oder minder eine gewollte Form anstrebenden palaeolithischen, ( — weil
die Naturscherben, die an und für sich einen weit grösseren Formenkreis
umfassen, bei ihnen eine so grosse Rolle spielen — ) wäre fast jedes dritte
Stück in eine Art Zwitterstellung gebracht. Letztere vermeidet man am
besten durch völlige Preisgabe des Ausdrucks „Kratzer" als Bezeichnung
einer bestimmten Werkzeugsgruppe. Die genauere Begriffsprüfung wird
solche Entscheidung bestätigen. Das „Schaben" hat zum Gegenstande die
Fläche, der Kontakt zwischen Werkzeug und Werkstück vollzieht sich in
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901 Heft f». 5j
— 794 —
der Linie. Der „Kratzer'1 dagegen hat zum Gegenstand die Linie und
der Kontakt vollzieht sich in einem Punkt. Die Bewegungsrichtung ist
beim Schaben meist die vom Körper abgekehrte, beim Kratzen stets die
zum Körper herwärts gekehrte. Man schabt mit einem Messer, mit einer
längliehen Schneide, aber das Kratzen geschieht mit Nägeln und Klauen,
mit spitzen Körpern.
Typus 27. H albkreis -Schaber , bezw. beilartige Schläger aus
flachen Knollen mit geradliniger, natürlicher Ab-
sprengung auf der einen Seite und mit rohen Schär-
fungen am konvexen Rande (1 Abbildung).
Ein für die eolithische Kieselbenutzung der frühesten Epochen des
werdenden Niltals besonders charakteristisches Werkzeug. Die Umriss-
gestalt ist nicht immer die eines regelmässigen Halbkreises; ich wählte
diese Bezeichnung um gewissermassen den Mittelwert der grossen Formen-
reihe, die vorliegt, zum Ausdruck zu bringen. Auf die Bedeutung des
geradlinigen Naturbruchs bei der Auswahl der Knollen oder Knollen-
fragmente zur Verwertung derselben als Werkzeug hat Rutot aufmerksam
gemacht. Er schreibt diese Bevorzugung der Verwendung zu, die dabei der
Zeigefinger in der Ruhelage findet, wenn er, den geraden Rückenkanten
anliegend, die Bewegimgen des Handgelenks in wirksamer Weise zu regeln
in der Lage ist. Die an den beiden Kanten des Rückens oft sichtbaren
kleinen Aussplitterungen hält Rutot für solche der Handlichmachung.
Ich werde darauf beim Typus 32 zu sprechen kommen.
Typus 28. Halbkreisschaber, bezw. beilartige Schläger aus flachen
Natursprengstücken der, Knollen mit geradliniger
natürlicher Absprengung auf der einen Seite und mit
rohen Schärfungen am konvexen Rande.
Von dem vorigen Typus nur dadurch zu unterscheiden, dass der
Hauptteil des Werkzeugs nicht aus einem ganzen Naturknollen besteht.
Diese Eolithenform spielt im südlichen Belgien, im Tal der Haine unter
den Kieseln, die in den Moseen-Ablagerungen eingebettet sind, eine grosse
Rolle und bezeichnet daselbst (an dem klassischen Standorte von Mesvin,
zwischen Mons und Binche, wo E. Delvaux zuerst diesen Namen für
die Arbeitsweise in Vorschlag brachte) nach den Worten Rutots,1) eins
von den für die Mesvin-Industrie am meisten charakteristischen Werkzeuge.
Rutot nennt dasselbe „grattoir a dos plat".
Von einer Wiederholung dieser Kategorie als eines eigenen Typus in der
Abteilung II, b, die ausschliesslich den Formen gewidmet ist, die der Arbeits-
weise von Mesvin entsprechen, habe ich Abstand genommen. Nach den
an so vielen Örtlichkeiten Belgiens sich stets mit erfreulicher Überein-
stimmung wiederholenden Lagorungsverhältnissen zu urteilen, hat während
der K|mmIh' der Arbeitsweise von Mesvin neben der beabsichtigten Kiesel-
Bprengung auch die frühere, primitivere von Reutel und der Tertiärzeit
ni<lit aufgehört in Betrieb zu sein. In Ägypten waren die Epochen in
L) Kutot , Hainaut in Bull. Soc. d'Authropol. Brux. XVII, 1899, S. '254, 2G7 und 324.
7-.»:,
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" - W
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Typus "-'7.
Typus 33.
Typus 29.
Typus 81 (Oberseite).
Typus 21.
Typus :!•_'.
Typua 36 [Oberseite). Typus 38 [Oberseite).
Alle iu 7, mit. Gr.
Eolitbe der Arbeitsweise der Tertiärzeit und von Beutel,
■M
— 796 —
dieser Hinsicht vielleicht unter sich mehr ausgeprägt. Beweise dafür fehlen.
Ich kann aber feststellen, dass ich den Typus 28 nur iu den seltensten
Fällen mit' solchen Anzeichen angetroffen habe, dass man eine beabsichtigte
Absprengung entweder der gradlinigen, schmalen Rückenfläche oder des
mit konvexem Rande versehenen Teils anzunehmen berechtigt wäre.
Typus 20. Schaber, bezw. Schläger aus unregelmässig gestalteten,
flachen und scharfkantigen Naturscherben der Knollen,
mit feinen Randschärfungen (Dengelung) (1 Abbildung).
Von diesen Schabern finden sich auf den obersten Platteauhöhen in
N.W. von Theben so zahlreiche Exemplare bei einander, hin und wieder
untermischt mit Manufakten palaeolithischen Charakters (alle gleich braun
patiniert) dass die Annahme gerechtfertigt erscheint, sie lägen daselbst
in situ seit den Zeiten ihrer Entstehung. Die auffallend feinen und
kleinen (oft nur 1 mm breiten) Dengeluugsnarben sind anders patiniert
als die Splitter selbst und verlaufen in gleichmässigen, ununterbrochenen
Reihen an den sehr dünn auslaufenden Rändern. Man wäre zu vermuten
geneigt, dass auch in palaeolithischer Epoche solche von Natur scharf-
kantige, dünne Zersetzungssplitter (hauptsächlich entstanden durch alveolate
Oberflächenabsonderung, deren Spuren an ihnen vielfach sichtbar sind)
gern benutzt worden seien und die sorgfältige Dengelung vieler Exemplar»1
würde eine solche Annahme unterstützen; aber die nämlichen Formen des
vorstehenden Typus fanden sich auch häufig in den diluvialen Schotter-
terrassen eingebettet, die bei Theben nirgends in die palaeolithische Zeit
hineinragen. In ihrer Umrissgestaltung und in den Grössenverhältnissen
legen sie grosse Verschiedenheiten an den Tag. Sie sind unregelmässig
polygonal und am Rande oft mit zahlreichen Buchten und Vorsprüngen
versehen, so dass die meist sorgfältige Dengelung allerhand Bedenken in
bezug auf den Gebrauch, den sie fanden, erwecken muss. Viele lassen über-
dies die bekannten Abnutzungsspuren vermissen, als wären sie auf Vorrat
bearbeitet worden.
Typus 30. Schaber, bezw. Schläger aus unregelmässig gestalteten,
flachen, aber nicht scharfkantigen, etwas dicken Natur-
scherben der Knollen, mit Randschärfungen rings-
herum versehen.
Typus 31. Kleine dicke Schaber aus mehr oder minder rundlich,
bezw. quadratisch gestalteten Natursprengstücken von
Knollen mit zum Teil gehäuften Randschärfungen
(2 Abbildungen).
Typus o'l. Schaber, bezw. Dengirr aus geradlinigen Naturspreng-
stücken plattenförmiger Knollen mit Aussplitterungen
an den Kanten infolge von Gebrauch (1 Abbildung).
Solche Formen fanden sich zerstreut ;m verschiedenen Örtlichkeiten,
sowohl auf dm obersten Plateauhöhen als auch unter den in den Schotter-
ablagerungen eingekitteten Kieseln (Loe. XVIII), ebenso auch unter dem
die Talsohle erfüllenden Geröll.
— 797 —
Die an < 1 < -n Kanten geradliniger natürlicher Bruchflächen der plattmi-
förmigen oder prismatischen Folithe sichtbaren, zerstreuten, oft alt-
wechselnd nach beiden Seiten gerichteten und meist kleinen Aus-
splitterungen bieten viel Rätselhaftes im Hinblick auf die Art des statt-
gehabten Gebrauches. Hinsichtlich ihrer Merkmale und des Zusammen-
auftretens mit kleinen Schlagmarken des abnutzenden Gebrauches unter-
scheiden sie sich durch nichts von den an Eolithen gesicherter Bestimmung
wahrzunehmenden Aussplitterungen. Ob solche geradlinige, rechtwinklige
Kanten zum Schaben und Glätten von Holz und Knochen tauglich waren,
erscheint fraglich. Als wahrscheinlicher erweist sich die Annahme einer
Verwendung derselben als Dengler, zum Bandschärfen durch Hämmerung
und Beklopfen der Scharfkanten. Das unregelmässige Aussplittern nach
beiden Seiten zu, das diese rechtwinkligen Kanten meist zu erkennen
geben, desgleichen die an den Rückenkanten der Typen 27 und 28, sowie
an denen von 4<S und 49 vorkommenden Aussplitterungen machen diesen
Gebrauch für den betreffenden Teil des Werkzeuges wahrscheinlicher als
den im Sinne eines Schabers.
In die hier angeregte Reihe von Fragen fällt aber vor allem das
Problem der zuerst von Iiutot in den Kreis der steinzeitlichen Be-
trachtungen eingeführten 1 landrecht- oder Handlichmachung (fr. aecom-
mqdation) scharfer Kanten und unbequemer den Griff erschwerender
Vorspränge und Höcker, wo solche sich am Naturknolleu darbieten.
Rutots Nachweise der an echten Reutelstücken wahrnehmbaren Narben
von weggeschlagenen, bezw. weggehämmerten Höckern und Zapfenfort-
sätzen der Kieselknollen werden diese Eigentümlichkeit der eolithischen
Arbeitsweisen ausser Zweifel stellen. Ich habe beim Typus 5 ein Stück
besprochen, das Verletzungen von sein- regelmässiger Form aufweist, die
nur durch gewaltsames Behämmern spitzer Vorsprünge erklärt werden
können. Zweifelhaft erscheinen mir indes die Fälle, wo zur Herstellung
einer Griffseite gewisse Kanten, auch Scharfkanten von Absplissen und
Natursprengstäcken, die als Schaber Verwendung finden konnten, ab-
gestumpft, bezw. rund gehämmert sein sollen.
Die Annahme einer eigenen Handlichmachung der Griffseite sclnint
mir in vielen Fällen eine gewagte zu sein, weil die abgehärteten, derben
Hände der in Krage kommenden ursprünglichen menschlichen Geschöpfe
einer solchen Rücksichtsnahme auf die Bequemlichkeit des Griffes gar
nicht benötigten. Eine Derbheit ihrer Hände anzunehmen, erscheint jeden-
falls berechtigte]- als ihr Verlangen nach Akkommodation. Wie anders auch
hätte man sielt den Gebrauch der mandelförmigen Faustschläge] vor-
zustellen, der „coups de poing" von Chelles, als dass jene Geschöpfe, auch
noch in paläolithischer Zeit, gar nicht so verweichlichte Fäuste besassen,
wie sie die Annahme einer Handlichmaeliung zur Voraussetzung haben
würde. Ule Faustschlägel vom Typus von Chelles und St. Acheul sind
bekanntlich ringsum mit scharfem Kami versehen und dennoch wird fast
einstimmig von alles Barschem angenommen, dass sie Werkzeuge, bezw,
Waffen waren, die „unter der Hand-, nicht „ausserhalb derselben- in
Gebrauch genommen wurden. Immerhin soll durch die hier vorgebrachten
— 798 —
Bedenken kein Einspruch im Prinzip erhoben sein gegen die Annahme
einer Handlichmachung und Anpassung an den Griff der Kieselwerkzeuge
zur Zeit der eolithischen Arbeitsweisen; meine Vorstellungen richten sich
hauptsächlich gegen die allzuweitgehende Verallgemeinerung einer solchen.
Vielleicht lässt sich ein grosser Teil der vermeintlich handgerecht ge-
machten Kücken von Schabern richtiger als Randschärfer oder Dengier
(retouchoir) auffassen. Ein derartiges Instrument musste bei der Arbeit
mit Steinwerkzeugen beständig zur Hand sein, es war wahrscheinlich
noch unentbehrlicher als der wirkliche Dengelstock im Gürtel des heutigen
Arbeiters mit der Sense.
Typus 33. Pfriemspitzen, bezw. Bohrer (oder Dengier) a,us pris-
matischen Xatursprengstücken der Knollen, mit Aus-
splitterungen an den Kanten infolge von Gebrauch,
bezw. Rand schär fung (1 Abbildung).
Typus 34. Hohlschaber aus natürlichen Aussensprengstücken von
Knollen mit beabsichtigten Aussplitterungen zur Her-
stellung einer Bogenkerbe.
Viele dieser Werkzeuge mögen aus halbierten Kugelknollen des
beschriebenen Typ. 22 abzuleiten sein. Sie stellen das Urbild der ver-
vollkommneten Typ. 41 und 57 vor.
Typus 35. Hohlschaber aus unregelmässigen, flachen und scharf-
kantigen Xaturseherben von Knollen, mit Aus-
splitterungen zur Herstellung einer Bogenkerbe.
Diese Form entwickelte sich aus dem Typus 29. Sehr häufig scheint
die Bogenkerbe unter einem einigermassen geradlinigen oder gleichmässig
gebogenen Rande angelegt, der dem Zeigefinger als Stütze dienen sollte.
Dass man auf diese Weise das Schaben mit weit grösserer Gewalt und
Sicherheit auszuüben vermochte, liegt auf der Hand.
Typus 36. Konvex-konkave Bogenschaber aus natürlich abge-
sprungenen Scheibensegmenten der Morpholithen. mit
roher Randschärfung (Dengelung) (1 Abbildung).
Solche Formen finden sich aller Orten, wo bei Theben Eolithe an-
zutreffen sind. Sie bilden einen der für die steinzeitliche Provinz am
meisten charakteristischen, ihr, wie es scheint allein eigentümlichen Typen
von Theben. Über ihre Entstehung habe ich bereits im vergangenen
Jahre ausführlich berichtet.
Typus 37. Konvex-konkaver Bogenschaber aus natürlichen Spreng-
stücken von Knollen mit Randaussplitterungen zur
Herstellung des konvexen Bogens und der Bogen-
kerbe.
Dieses Werkzeug entspricht dem Typus .'!.'», dessen weiter aus-
geführte zweischneidige Modifikation es darstellt. Beide haben sich aus dem
Typus 29 entwickelt.
- 7!)!) —
Typus 38. Ringschaber, bezw. -Schläger, aus einer von einem
Morpholithen durch natürliche Verwitterung abge^-
sprungenen Scheibe, mit roher Rand schär fang (1 Ab-
bildung).
Über die Entstehung und das Vorkommen dieser Ringe habe ich im
Bande XXXV der Zeitschr. f. Ethnol. von 1903, S. 813, 814, Taf. XIII
und XIV ausführlich berichtet.
IL b) Aus beabsichtigten SprengstUcken (Absplissen). (Arbeitsweise von
Mesvin).
Typus 39. Schaber, bezw. Schaberspitzen oder Spitzen aus Aussen-
absplissen der Knollen mit rohen, ineist gross-
schartigen Randschärfungen (2 Abbildungen).
Die Aussenabsplisse, die auf der Oberseite mit der Kruste des Natur-
knollens versehen sind, geben Spitzen und Schaberspitzen ab, durch die
der Sammler am ehesten zur Verwechselung eolithischer mit paläolithischen
Epochen veranlasst werden kann, da diese Formen in jeder Epoche zu-
stande kommen mussten, weil man ja die Krustenstücke nicht wegwarf.
Als entscheidend für die Epoche der Arbeitsweise kann nur betrachtet
werden der Charakter der mehr oder weniger vervollkommneten Dengelung.
der Randschärfung. Das Vorhandensein einer absichtlich hergestellten
Schlagfläche würde, falls nachweisbar, gewiss als ein Merkmal zu betrachten
sein, das von fortgeschrittener Entwicklung der Arbeitsweise Zeugnis ab-
legen könnte.
Die ersten Absplisse bildeten sich rein zufällig, wenn verfehlte
Schläge auf einen harten Körper stiessen (wie beim Spalten und Zer-
trümmern von Knochen), der als Unterlage die Rolle eines Ambos oder
eines Hackbrettes spielte. Jedermann kann sich durch das Experiment
von dem Vorgang überzeugen, wenn er mit dem abgerundeten, nicht allzu
breiten Ende eines Kieselknollens gegen einen andern von flacher Gestalt
und in ruhender Lage befindlichen heftige Schläge ausführt. Das "N\ erk-
zeug wird auf diese Art zum Werkstück und das Werkstück zum ,."\ er-
fester", nach der Begriffserklärimg von Reuleaux (Kinematik II, S. G70).
Die Ausspleissungen am ganzen Naturknollen gestalten sich in diesem
Falle aus dem Grunde so schön und regelmässig, weil die ganze Kraft des
Schlages, der Rückstoss beim Anprall sich auf den einen Treffpunkt häuft,
wie beim Treffen des kugelförmigen Beh&usteines auf die künstlich her-
gerichtete Schlagfläche, die hier durch die ambosartige Unterlage ersetzt wird.
Solche Splitter konnte der Urmensch ohne weiteres in Gebrauch nehmen,
er wird allmählich auf den Gedanken gebracht worden sein, die Vorteilt'
einer beabsichtigten und methodischen Zerstückelung der Knollen zu er-
kennen, während sein erster Eingriff in die natürlichen Verhältnisse sich
auf das Zuschalten der Ränder besonders flachgestalteter Knollen und
Natursprengstücke beschränkt haben mag. Solche Ränder werden beim
Hämmern und Schlagen durch eine Anzahl ausgesprungener Splitter rauh
und scharf und dadurch zweckmässiger für den Gebrauch. Daher wird
— 800 —
eben der Urmensch frühzeitig auf die beabsichtigte Randschärfung geführt
worden sein.
Ich unterscheide Spitzen von eiförmigen Absplissschabern im all-
gemeinen dadurch, dass bei den ersteren der Längsdurchmesser mit der
Absplissrichtung zusammenfällt, d. h. dass Treffpunkt, Buckel und Spitzt1
bezw. Ende in einer Linie liegen. Solche gedengelte Absplisse, die bei
sonst gleichen Bedingungen nicht in eine Spitze auslaufen, sondern an
ihrem Ende abgerundet oder quer abgeschnitten, oft auch gegen das Ende
zu statt schmäler, breiter werden (sie können in diesem Falle im Umriss
mehr oder minder oval oder vierwinklig oder oder auch spateiförmig sein),
nenne ich „Schaberspitzen". Bei allen im Umriss rundlichen, ovalen oder
ovaten (eiförmigen) Absplissschabern, die diesem Begriff von Spitzen und
Schaberspitzen nicht entsprechen, liegen Schlagbuckel und Absplissrichtung
seitlich von der Längslinie des Absplisses. Beim charakteristischen Beispiel
solcher Werkzeuge, beim Schaber des Typus von le-Moustier, dessen Um-
rissgestalt im Prinzip eine schiefeiförmige ist, liegt die Spitze der ge-
gebenen Definition gemäss schräg seitlich vom Treffpunkte und vom
Buckel.
Die Schaber dieser letzterwähnten Kategorie gehören übrigens vor-
wiegend dem Paläolithikum an und kommen hier eigentlich wenig in Be-
tracht, erwähnen möchte ich nur noch, dass nach der Stellung der Spitze
oder des Eudteils dieser Art Schaber sich auch beurteilen lässt, ob der
Anfertiger des Werkzeugs mit der linken oder mit der rechten Hand zu
arbeiten gewohnt war. Wenn bei Betrachtung der mit dem Schlagbuckel
nach oben gehaltenen Unterseite die Spitze links vom Buckel zu liegen
kommt, so musste das Werkzeug zweckmässig mit der rechten, wenn um-
gekehrt mit der linken Hand erfasst werden. Eine derartige Unterscheidung
/.\vi>clien rechts und links lässt sich auch bei einigen mit seitlichen Längs-
xchneiden versehenen Schabern machen, wie bei Typus 42, 46 und 49.
In die Kategorie der als Schaber verwandten beabsichtigten Aussen-
absplisse würde auch das Seitenstück zum Halbkugelschläger des Typus 22
gehören. Viele derselben mögen aus kugelförmigen Behausteinen ent-
standen sein, die, wie ich selbst erprobt habe, infolge der beständigen
Erschütterung, die sie längs ihrer Mittellinie erhielten, zuletzt in zwei
Hälften zerspringen müssen. Ich habe es nicht für nötig befunden, diese
Formen als einen eigenen Typus in der Abteilung II, b zu wiederholen.
Typus 40. Schaber, bezw. Schaberspitzen oder Spitzen aus Ab-
splissen der Knollen, die auf der Rückseite die Narben
der vorhergegangenen Absplisse tragen, mit rohen, meist
grossschartigen Randschärfungen (mit 2 Abbildungen).
Ich habe unter 39 und 40 eine grosse Anzahl von Formen zusammen-
gefassl (nach der Stückzahl betragen sie die Hälfte aller eingesammelten
Eolithe), die nach ihrer Umrissgestalt, nach dem Charakter und der Aus-
dehnung der an ihnen vollzogenen Randsehärfungen die Unterscheidung
einet Menge von Dnteriypen zulassen würden. Noch verwirrender müsste
sich das Bild gestalten, wollte man alle diese Werkzeuge auch auf
— 801
Typus :'>'.! (von beiden Seiten .
Typus l'.i (von beiden Seiten).
Typus 40 (von beiden Seiten).
Typus 42 (Unterseite).
Typus 16 (Oberseite).
Typus 51 (von beiden Seiten).
Alle in '/,. uat. Gr.
Eolitbe der Arbeitsweise von liesvin.
Typus .">! (von beiden Seiten).
— 802 —
die einzelnen Möglichkeiten ihrer Gebrauchsweise prüfen. Die ersten
Aussenabsplisse haben selten eine andere Umrissgestalt als die rundliche,
ovale oder eiförmige, dagegen sind die Absplisse des Typus 40 natur-
gemäss von der allerverschiedensten Gestaltung. Ich habe von beiden als
Beispiele solche abgebildet, die man im Paläolithikum als ovale oder
oblonge Schaberspitzen bezeichnen würde.
Man unterscheidet Absplisse der beabsichtigten Herstellung von solchen,
die durch Widerprall zufällig entstanden, zunächst durch die auf der
Rückensoite sichtbaren Absplissnarben der beim Zerteilen eines Kernstücks
vorhergegangenen Abspleissungen. Natürlich lässt uns diese Unterscheidung
bei den Aussenabsplissen in Stich. Das bei den letzteren erwähnte Merkmal
zur Unterscheidung der beabsichtigten — ein nachweisbarer Rest der
Schlagfläche — wird für beide Kategorien (Typus 39 und 40) in dem
Falle hinfällig, wo, wie das zuweilen geschah, auch der der Spitze ent-
gegengesetzte Teil des Absplisses, nämlich der über dem Schlagbuckel
gelegene, eine Randschärfung erfuhr, wodurch die Schlagfläche völlig-
beseitigt wurde.
Der Typus 40 der zweiten Kategorie kann sich indes ausnahmsweise
auch bereits in den primitivsten Zeiten durch denselben Vorgang gebildet
haben wie die Aussenabsplisse, wenn z. B. bei fortgesetzten Schlägen mit
demselben Schläger von einem Spitzende des Knollens mehrere aufein-
anderfolgende Absplisse sich lösten. In der Tat hat Rutot solche Pseudo-
Moustierspitzen in den Ablagerungen des alten Eolithikums gefunden. Im
Museum von Brüssel sind beglaubigte Funde aus den Schichten der Arbeits-
weise von Mesvin vorhanden, unter denen sich Spitzen befinden, die
Gr. Mortillet selbst als le Moustierspitzen anerkannt haben soll.1)
Je nach der Art, in der die auf der Oberseite dieser Werkzeuge sicht-
baren Absplissnarben angeordnet erscheinen, werden sich Merkmale zur
Charakterisierung der mehr ursprünglichen oder mehr fortgeschrittenen
Methoden der Abspleissung nachweisen, wohl auch Rückschlüsse ziehen
lassen auf die Gestaltung der übrig gebliebenen Kernstücke oder Nuclei.
Die hier für den Typus 40 als Beispiel gewählte Abbildung zeigt eine sogen.
Moustierspitze; die Absplissnarben der Rückseite lassen aber keinen regel-
mässig gestalteten Xucleus voraussetzen, es gestatten dieselben eher die An-
nahme einer willkürlichen Zerstückelung, als einer planmässigen Abschälung
vimi Kernstücken. Man wird eben an der Vorstellung festzuhalten haben,
dass es den Urmenschen, nachdem sie auf eine beabsichtigte Kieselsprengung
behufs Erlangung zweckentsprechender Stücke verfallen waren, zunächst
darauf ankommen mnsste, möglichst viele kleine Scherben und Splitter zu
gewinnen, und <lass das Zuhauen grösserer Stücke erst bei später erreichter
Vervollkommnung mehr ins Auge gefasst wurde. Daher zeigen denn auch
die meisten Stücke dieser Art den imregclrnässigen Verlauf, die wenigsten
eine mehr parallele Anordnung der Absplissnarben auf ihrer Oberseite.
Nuclei von jener regelmässigen Gestaltung mit langen parallel verlaufenden
Absplissnarben, me solche Rutot (Pröhist. S. 80, Fig. 60) unter den echten
1) Vgl- Rutot, IVliist. S. 8a 84.
— 803 —
Mesvinwerkzeugen bei Spiennes nahe Mons gefumlcii hat, sind mir in den
Schotterablagerungen des Altdiluviums von Theben nicht vorgekommen,
überhaupt fanden sich bis jetzt keine als wirkliche Nuclei zu deutenden
Kernstücke in diesen Schichten, die ihren Abscbluse aoeh während der-
jenigen Epoche gefunden haben, in der für Ä-gypten die Arbeitsweise von
Mesvin Geltung hatte. Die bei Theben an der Oberfläche, in situ bei
den alten Werkstätten aufgelesenen Nuclei, in deren Nähe sehr häufig
noch viele von den zugehörigen und zusammenpassenden Absplissen umher-
lagen, trugen sämtlich Merkmale an sich, aus denen zur Evidenz hervor-
ging, dass diese Stücke der paläolitischen Periode, höchstens noch der
Zeit der im Übergang begriffenen Arbeitsweise von Strepy (Mesvin-( 'hellen
angehört haben müssen.
An vielen dieser Schaber und Schaberspitzen gibt sich die Dnfertig-
keit der Randsehärfungs- (I)engelungs-) Methode durch ein unregelmässiges
Bearbeiten der Scharf kanten, bald von der Oberseite, bald von der Unter-
seite aus zu erkennen. Es liegt auf der Hand, dass die allein zweck-
mässige Methode die kleinen Aussplitterungen von der flacheren, mehr
geebneten Unterseite des Absplisses aus abspringen lassen muss, dass der
Dengler seine Schläge gegen die Unterseite des Randes zu führen hat.
Die Denglungsnarben kommen alsdann auf die Oberseite zu liegen und
bilden im Querschnitt mit der ebenen Unterseite einen spitzen Winkel,
auf diese Art, wie beim Schleifen von Klingen eine Art Abziehkante dar-
stellend. Diese Anordnung ist während der paläolithischen Epochen streng
innegehalten worden und gilt als ein Merkmal der betreffenden Arbeits-
weisen, im engeren Sinne als das Merkmal derjenigen von le-Moustiei\
nach Gr. Mortillets Definition.
Die Eigentümlichkeit der abwechselnd gerichteten Dengelung („re-
touches alternantes") scheint zu den Merkmalen der Arbeitsweise von
Mesvin zu gehören, worauf bereits Rutot aufmerksam gemacht hat, und
es entspricht dein logischen Zusammenhang des steinzeitlichen Werde-
gangs in allen Ländern, dass sie sich auch an den ägyptischen Beispielen
dartun lässt. Eins von den vielen wird an dem kleinen Schaber des
Typus ,")1 klar, dessen Abbildung auf S. 801 unten in der linken Ecke zu
sehen ist.
Typus 41. Hohl-, bezw. Kerbschaber aus Aussenabsplissen der
Knollen mit Aussplitterungen zur Herstellung einer
Bogenkerbe.
Dieses Werkzeug wurde mit Vorliebe aus den mehr rundlich gestalteten.
breiteren Absplissen hergestellt und bildet das Seitenstück zum Typus 34.
dem Hohlschaber aus natürlichem Sprengstück.
Typus 42. Hohlschaber aus beiderseits abgespleissten Spreng-
stücken, mit Aussplitterungen zur Herstellung einer
Bogenkerbe (1 Abbildung).
Diese Form steht zum Typus 40 in demselben Verhältnis wie die
vorhergegangene zum Typus 39.
— 804 —
Typus 43. Konvex - konkaver Bogenschaber aus abgesprengten
Scheibensegmenten der Morpholithen, bezw. Aussen-
absplissen, mit rohen Randschärfungen (Dengelung).
Diese Form entspricht innerhalb der Mesvin-Arbeitsweise dem primi-
tiven Typus 36.
Typus 44. Konvex - konkaver Bogenschaber aus Absplissen von
Knollen mit Aussplitterungen zur Herstellung des kon-
vexen Bogens und der Bogenkerbe.
Diese Form entspricht in dieser Abteilung dem aus Natursplittern
hergestellten Typus 37.
Typus 45. Kingschaber bezw. -schläger aus von Morpholithen
künstlich abgesprengten Scheiben bezw. Aussen-
absplissen, mit roher Randschärfung (Dengelung).
Die Form entspricht in dieser Abteilung dem Typus 38 der vorher-
gegangenen. Gute Beispiele des in Rede stehenden finden sich abgebildet
im vorjährigen Bande XXXV der Zeitschrift Taf. XIII, Fig. 3-6.
In der Erklärung dieser Tafel ist S. 822 als Ursprung der bearbeiteten
Ringe das ältere Paläolithikum angegeben. Ich habe bereits darauf auf-
merksam gemacht, dass solche aus den Naturformen der bei Theben in
den untersten Eocänschichten besonders häufigen Morpholithen sehr leicht
herzustellende Ringe auch in späteren Epochen noch Verwendung ge-
funden haben mögen. Die sehr primitive Art der meist zusammenhangslos
und unregelmässig aneinander gereihten Dengelungsnarben, die sich an
den benutzten Ringstücken erkennen lassen, machen es wahrscheinlich,
dass die gesammelten Stücke ausschliesslich dem älteren oder jüngeren
Eolithikum angehört haben müssen. Ausserdem fanden sich dieselben
Stücke auch mit anderen Eolithen zusammen eingebacken in den Schotter-
ablagerungen des Altdiluviums.
Typus 46. Flacher Scheibenschaber aus vom Knollen abge-
sprengten Scheibensegmenten, mit roher Randschär-
fung (Dengelung) (mit 1 Abbildung).
Diese Form entspricht unter den absichtlich geschlagenen Stücken
dem Typus 26 der Natursprengscheiben.
Typus 47. Pfriemspitze, bezw. Bohrer oder Dengler aus pris-
matischen Absplissen mit Randaussplitterungen zur
Herstellung einer Spitze (mit 1 Abbildung).
M;ni wird die entsprechende Form unter den Natursprengstücken, die
sich zur Herstellung eines solchen Werkzeugs eignen konnten, vermissen.
Es sind derartige auch unter den primitivsten Formen bereits gefunden
worden, unter meinen ägyptischen Sammlungsstücken fehlen sie bis jetzt.
Typus 18. Dreikantige prismatische Schaber, bezw. Dengler aus
Länglichen Absplissen mit Randschärfungen bezw. Ge-
brauchsaussplitterungen an allen drei Längskanten
vd-seli en.
— 805 -
Entspricht unter den absichtlich geschlagenen Stücken dein Typus 33
der vorigen Abteilung II, a. Viele unter diesem Typus zusammenzufassende
Formen werden als charakteristische Dengler (retouchoirs) aufzufassen
sein, bei anderen erscheint die Art der Verwendung zweifelhaft.
Typus 4!). Schläger, bezw. Hackmesser oder Schaber aus läng-
lichen Absplissen mit einseitigen Randschärfungen
oder mit Aussplitterungen zur Herstellung einer
Schneide (mit '2 Abbildungen).
Das Äquivalent dieser Form in der vorhergegangenen Abteilung habe
ich aus Mangel an Fundstücken übergangen. Rutot1) bezeichnet den
Typus als „grattoir h dos". Das Werkzeug besteht nach seiner Auffassung
aus einem prismatischen, länglichen Abspliss, der zwei lange Seitenflächen
darbietet, die sich in sehr spitzem Winkel zusammenstossen und eine
Schneide» darstellen, ähnlich wie bei den zur Herstellung des Typus 42
verwandten Absplissen. Die mehr oder minder geradlinig verlaufende, ver-
dickte Kückenseite wird oft aus Krustenteilen des Naturknollens ein-
genommen, an anderen ist dieselbe durch Hämmerung sorgfältig abgestumpft,
nach Rutots Erklärung handlich gemacht, um dem Zeigefinger als Stütze
zu dienen, wie das bereits von mir bei den Halbkreisschabern der Typen 27
und 28 besprochen worden ist.
Ich habe bei Aufstellung des vorstehenden Typus keinen Unterschied
gemacht zwischen solchen Werkzeugen, die aus Aussenabsplissen, mit nur
einer Bruchfläche und solchen, die der Fassung Rutot's gemäss, aus
scheibenförmig abgeschlagenen Sprengstücken mit zwei Längsflächen ge-
bildet werden, analog der Unterscheidung vom Typus 39 und 40. Ich
wollte für Typus 41) das Hauptgewicht auf die eine Längsschneide legen,
im Gegensatz zu den dreien des Typus 48 und den zweien des Typus 50.
Das vorliegende Werkzeug zeigt in häufigen Fällen eine Reihe von
.Merkmalen, die dafür sprechen, dass es auch als Dengler benutzt wurde.
eine Möglichkeit, mit der in gleicher Weise bei der ganzen Typenreihe
von 47 — 50 gerechnet weiden muss. An den aus scheibenartigen Spreng-
stücken hergestellten hackmesserartigen Schlägern zeigen auch die
ägyptischen Exemplare häufig eine sorgfältige Hämmerung zur Ausgleichung
und Ebnung der geradlinigen Schmalseite des Rückens.
Typus 50. Zweischneidiger Doppel-Schaber aus länglichen Ab-
splissen mit Randschärfungen auf beiden Seiten, bezw.
Aussplitterungen infolge von Gebrauch.
Typus 51. Kleine Schaber aus geschlagenen Sprengstücken, oft
aus zerbrochenen Absplissen (Spitzen) hergestellt, mit
ringsumher angebrachten Bandschärfungen (mit b' Ab-
bildungen).
Solche kleine Schaber scheinen, nach den Kundunistünden, die sie
bei Theben darbieten, zu sehr verschiedenen Epochen in Gebrauch ge-
wesen zu sein. An vielen Stellen der seit Jahrtausenden so gut wie un-
1) Rutot, Hainaut, Bull. See. d'Anthr. Bru\. L899. XV11. 8. 353, Flg. lt. 15.
— 806 —
berührt gebliebenen einsamen Plateanhöhen, wo man ab zu Manufakte
sehr verschiedener Art nebeneinander ausgebreitet liegen sieht, muss man
sich die Frage vorlegen: wodurch unterscheiden sich Eolithe von Manu-
fakteu, die in palaeolithischer Zeit nach eolithischen Herstellungsmethoden
verfertigt worden sind? Die Eolithe in den Ablagerungen geben, infolge
des Durcheinandergewühltseins auch auf engstem Raum eine grosse
Mannigfaltigkeit der Formen zu erkennen, oben dagegen, auf den Plateau-
höhen finden sich von bestimmten Formen grosse Mengen nebeneinander
und man erkennt leicht, dass hier wirkliche Arbeitsplätze noch in situ
erhalten geblieben sind. Zu diesen gehören vornehmlich die kleinen
Schaber und unter ihnen, ausser den bereits besprochenen des Typus 29,
auch die kleinen, (V/2 — 3 cm im Durchmesser), oft dicken und an den
Rändern durch wiederholt gehäufte Dengelung in so auffälliger Weise ab-
gestumpften, dass man nicht begreift, welcherlei Arbeit mit diesen in
Massen auftretenden Werkzeugen ausgeführt sein kann.
Rutot1) hat ganz ähnliche Schaber, denen er ebenso, wie den meinigen
von Theben einen Platz in der Epoche von Mesvin anweist, in den Ab-
lagerungen von Cergy (Seine-et-Oise) und auch in Belgien bei Tamines
gefunden. Die vollendete Sicherheit der Dengelung, die sich an vielen
Stücken zu erkennen gibt, dann auch der Umstand, dass viele aus Bruch-
stücken wahrscheinlich verbrauchter, aber eine sehr vollkommene Be-
arbeitung verratender Spitzen palaeolithischer Art hergestellt zu sein
scheinen, schliesslich die gleichartige Patinierung, die in Übereinstimmung
mit der von unbezweifelten Palaeolithen erschien, veranlassten mich die
Mehrzahl dieser kleinen Schaber als palaeolithische aufzufassen.
III. Beginn der beabsichtigten Formgebung. (Arbeitsweise von
Strepy, Übergangszeit derjenigen von Mesvin zu der von Chelles).
Es handelt sich bei dieser Abteilung um einen bedeutsamen Wende-
punkt in der Kieselschlagkunst. Mit der Epoche, die den Impuls zu un-
aufhaltsamer Entwickelung und Vervollkommnung der technischen Hilfs-
mittel in sich schloss, wird auch die geistige Veranlagung des werdenden
Menschengeschlechts emporgestiegen sein. Ein besonderes Interesse wird
es gewähren, Nachweise dafür zu liefern, dass sowohl in Belgien, wie auch
in Ägypten in gleicher Weise eine deutlich ausgeprägte Übergangszeit dem
Beginn der vervollkommneten palaeolithischen Arbeitsweise vorausgegangen
ist. Obgleich die für dieses Zwischenglied im Gange der Entwickelung
< liiuakteristischen Formen in beiden Gebieten zum Teil wesentlich andere
Bind, geben sie dennoch immer die nämliche Tendenz zu erkennen, ein
Werkzeug herzustellen, zu dessen Gestaltung die Naturform des Roh-
kiesels nur teilweise Beihilfe gewährte, wo zum ersten Male der Versuch
gemacht wurde, die Erzeugnisse der Natur im Interesse des Menschen zu ver-
bessern. So umfangreich auch meine Sammlungen ausgefallen sind, so liefern
sie bis jetzt doch noch lange nicht ein ausreichendes Material, um die
«■inzclnen Glieder dieser wichtigen Formenreiho nach deren mutmasslicher
\) l.'utot, <iiv.'iiM'nt de Cergy, Mem. Spc. d'Authr. Brux. XX, 1902, S. 13.
— KOT —
Entstehungsgeschichte aneinander zu reihen zu einer harmonischen Kette.
Was ich hier biete, kann vorläufig nur als eine kleine Zahl willkürlich
herausgegriffener Beispiele Geltung beanspruchen. Die Werkzeuge dieser
Abteilung finden sich in bescheidenem Verhältnis als jüngsten Gebilde
den Ablagerungen der diluvialen Hochterrasse beigegeben, deren Zeit nur
wenig in diese Cbergangsepoehe hinübergegriffen zu haben scheint, während
andererseits die lakustren Ablagerungen des Altdiluviums bei Theben
nicht über die Zeit der Arbeitsweise von Mesvin hinausreichen, diese aber
voll und in reichster Entwicklung in sich schliessen. Auf den obersten
Plateauhöhen in W. und in NW. über Theben, dagegen spielen die vor-
liegenden Werkzeuge eine grössere Rolle unter den daselbst mit ihnen zu-
gleich an der Oberfläche ausgestreuten Eolithen und Palaeolithen.
Typus 52. Schläger (Faustschlägel) aus ovalsphärischen Knollen
die flach ovalsphärische Form anstrebend, durch Ab-
splissungen auf allen Seiten (mit 2 Abbildungen).
Das hier von beiden Seiten abgebildete Exemplar wiegt 2,4 kg. Es
fand sich fest eingebacken in der Diluvialterrasse von Qurna, Loc. VI.
Viele derselben Art finden sich auf der Oberfläche auf den Höhen. An fast
allen Stücken, die ich fand, haben sich Eeste von der Kruste des Xatur-
knollens erhalten. In vielen Fällen ist es schwer darüber zu entscheiden,
ob diese Rindenteile mit Absicht zum bequemeren Griff stehen gelassen
sind, oder ob ihre Erhaltung nur der Unfertigkeit und Unvollendetheit
des Manufakts zuzuschreiben ist.
Es ist immerhin ein missliches Beginnen, Werkzeuge, deren Gebrauch
nicht aufgeklärt erscheint, benennen zu wollen. Dies ist 'der Fall mit
dem französischen „coup de poing", wofür ich „Faustschlägel" setze, weil
dieses Wort bereits in beiden Sprachen vorhanden ist. Rutot und andere
Autoren bedienen sich aus Vorsicht des Ausdrucks „instrument amygdalo'ide",
eine Bezeichnung, die allerdings den in bezug auf den Gebrauch geäusserten
Bedenken der objektiven Nötigung gerecht wird, dafür aber in höherem
Grade anderweitige Unzuträglichkeiten im Gefolge hat, z. B. den Mangel
eines gebräuchlichen Substantivs, dann besonders auch Widersprüche bei
näherer Formbezeichnung, z. B. wenn man sich genötigt sieht, von
einem ovalen oder dreieckigen Amygdaloi'd zu sprechen, das keins
mehr ist.
Typus 53. Schläger (Faustschlägel) aus ovo'iden Knollen die spitze
Mandelform anstrebend, durch Abspleissungen auf den
Seiten und mit Aussparung einer als Handhabe dienenden
ganzgelassenen Knollenbasis („coup de poing ä talo-n")
(1 Abbildung).
Formen dieser Art finden sich ebenso häufig in den Diluvialterra-scii
Belgiens als Ägyptens. ,,Grob eiförmig gestaltete mir rundlichem Griffteil,
Vorläufer des Faustkeils" nennt sie Prof. E. Bracht in der von ihm auf-
gestellten Typenreihe westflandernscher Manufakte.
SOS —
Typus 52 (von beiden Seiten).
&'*■ ■■ ^ •**-■ xL *'j«.
Typus 54 (von beiden Seiten).
Typus •").'>. Typus 57.
Alle in */, nat. Gr.
Rolithe dei Arbeitsweise von Strepy (Übergangszeit von Mesvin zu Chelles).
— 809 —
Typus 54. Schläger (Faustschlägel; aus ovoiden Knollen die spitze
und flache Mandelform anstrebend, vermittels Ab-
spleissungen, <lie auf der einen Seite durchweg, auf
der underen. unter Erhaltung der Knollenrinde, nur
am Rande angebracht sind (2 Abbildungen).
Während von früheren Sammlern in Ägypten, namentlich ron
de Morgan, Faustschlägel von verschiedener Gestalt, meist der paläo-
litliischen Arbeitsweise zugehörige aufgefunden worden sind, blieben
Formen der vorstehenden Art bisher unerwähnt, obgleich die>ellien gerade
für Theben besonders bezeichnend erscheinen, sozusagen eine Spezialität
der Gegend darstellen.
Die Qrössenverhältnisse des Werkzeugs sind, wie beim paläolithischen
Faustschläge] vonChelles, den grössten Schwankungen unterworfen, unter
meinen Stücken messen die kleinsten 5X4 1.5 cm, bei 700 # Gewicht.
Die grössten erreichen Dimensionen von 13 X 1- • '3 cm bis zu 16X11 •
3,5cm und die schwersten wiegen 700 — 1000p. Ihre Umrissgestalt ist in
den meisten Fällen die breit eiförmige, seltener treten länglich eiförmige auf.
Die lleistellungsweise dieses leitenden Typus („arohitype") ergibt sich
aus der Betrachtung der sehr zahlreichen Exemplare, die ich bei Theben
an den verschiedensten Stellen, in den Schotterbänken des mittleren Di-
luviums sowohl als auch, und hier in grösserer Menge, auf den Höhen an der
Oberfläche ausgebreitet aufgefunden habe. Am Kieselknollen wurde zu-
nächst eine randliche, rundumlaufende Scharfkante abgesprengt — und
zwar geschah dies erstlich vermittelst beiderseits je 3 bis 5 in schräger
Richtung von der Spitze nach abwärts gerichteter Absplisse, alsdann ver-
mittelst dreier anderer, die von der der Spitze gegenüberliegenden Seite (der
Grundlinie dea eiförmigen Dreiecks) aus in der Richtung gegen die Spitze
zu abgeschlagen wurden. Schliesslich wurde ein besonders grosser Abspliss
von der einen Hälfte des solchergestalt zugeschlagenen Knollens durch einen
gegen die untere Scharf kante gerichteten Schlag abgelöst. Es entstand eine
Absplissnarbe von mehr oder minder dreieckigeiförmiger oder lanzettlicher
Gestalt, deren Spitze fast immer dicht unter der Spitze des behaltenen
Knollens zu liegen kam. Die Absplissnarbe, die mehr als ein Drittel der
ganzen Fläche der betreffenden Knollenseite umfassen kann, zeigt dicht über
dem unteren Rande die Höhlung, das Negativ Av> Schlagbnckels und im
weiteren, etwas konkaven Verlauf zur Spitze hin. die konzentrischen Bogen-
wellen. Rechts und links von der grossen Absplissnarbe kommen die
zwei Reihen der seitlichen vorhergegangenen Randschärfungsabsplisse zu
liegen, sodass das Werkzeug auf dieser Seite gleichsam in drei Felder geteilt
erscheint. Her Hauptzweck der nachträglichen Abspleissung des Mittel-
stuckes auf der einen Seite kann nur der gewesen Nein, das Werkzeug
flacher zu gestalten und zum Schalten. Schlagen und Graben, bezw.
Behäufeln geeigneter zu machen. Von An nur am Rande behauenen Seite des
Schlägers, gleichsam der Oberseite aus betrachtet, gleicht das Werkzeug
einem jeuer primitiven Aussenabsplisse mit roher Randschärfung, die wir als
Typus 39 kennen gelernt haben. Ich habe noeh zu erwähnen, dasa auch
an diesen primitiven Faustschlägeln ebensogul wie an denen der Chelles-
Zeitschrifl für Ethnologie. Jahrg. 1901 Heft 6 -,.>
— 810 —
und Ackeul-Kategorie an den Scharfkanten der Umrandung noch eine
nachträglich sekundäre Randschärfung angebracht worden ist.
In der Hochterrasse des mittleren Diluviums von Theben fand ich
FOD diesem Werkzeug im ganzen 13 Stück, was ungefähr 72 vom Hundert
meiner sämtlichen Diluvialfunde ausmacht. Ein einziges Exemplar fand
ich lose im Geröll des Rinnsals des Tales der Königsgräber, wo die Ver-
mutung aufkommen könnte, dass es daselbst ursprünglich einer der
lakustren Ablagerungen eingebettet gewesen sei, die dort anstehen. Ich
werde aber weiter unten ausführen, dass im Grunde dieser Talrinnen
sich nachträglich auch Schotterbänke des mittleren Diluviums abgelagert
haben.
Einen einzigen Faustschlägel von vollkommener paläolithischer Ar-
beitsweise (eher St. Acheul als Chelles entsprechend), ringsherum mit
kleinen Absplissnarben bedeckt und von typisch flach mandelförmiger
Gestalt, fand ich bei Loc. I auf der mit ausgewitterten Kieseln der
diluvialen Hochterrasse bedeckten Fläche. Der weisse Cacholong, den die
Oberfläche des Werkzeuges zu erkennen gab, bezeugte ein früheres Ein-
o-elagertgewesensein in eine Schotterbank. Solche oberste Bildungen
könnten indes weit jüngeren Ursprungs sein als das mittlere Diluvium
Ägyptens, vielleicht einer verschwundenen diluvialen Niederterrasse an-
o-ehört haben.
Typus 55. Nucleiforme Rundschaber bezw. Wurfscheiben, die
Diskusform anstrebend, auf der einen Seite durchweg,
auf der anderen nur am Rande mit Abspleissungen
versehen.
Stellt gewissermassen die kreisrunde, der Zuspitzung entbehrende und
mit durchweg in senkrechter Richtung geführten Abspleissungen versehene
Modifikation des vorigen Typus dar. Ich habe nie, wie es Rutot von ähn-
lichen Funden in Belgien behauptet, solche polyedrische Stücke in ganzen
Haufen beisammenliegend angetroffen, so dass die Vermutung, sie wären
als Wurfgeschosse verwandt worden, in bezug auf Ägypten nicht bestehen
kann. Gegen eine solche Annahme sprechen auch die kleinen Schlag-
und Abnutzungsmarken der Ränder. Derartige scheibenförmige Gebilde
fanden sich an den verschiedensten Stellen unter anderen Werkzeugen
zerstreut. Viele von ihnen mögen zur Herstellung kleiner Schaber vom
Typus 51 gedient haben. Dass identische Formen auch zum Chelleen
gerechnet werden können, beweisen Rutots Funde im Tal der Haine.1)
Typus 56. Schläger bezw. Schaber aus länglichen Knollen, rings-
um auf allen Seiten mit Abspleissungen versehen, aber
von unregelmäsBiger Gestalt.
Wie bei den vorhergegangenen Typen der Abteilung III finden sich
auch an diesen Stücken, die ineist den Eindruck des unfertigen oder
l) Butot, l'n'liist. S. 164 Fig. 117, 118.
— SU —
m issglück teD Versuchs zu vollkommenerem Werkzeug machen, ausgesparte
Krustenteile des Naturknollens. Rundherum behauene Knollen kommen
.schon im nordfranzösischen .Mesvinien vor1), allein die rohen Abspleissungen
geben an diesen eine weit unregelmässigere Anordnung zu erkennen, als
der vorstehende Typus sie darbietet.
Typus 57. Hohl schab er aus dicken Aussen ab splissen des Knollens,
die Form des Herzschabers anstrebend, mit rundlichen
Abspleissungen auf der Rückseite und zur Herstellung
eines regelmässigen Kerbbogens (1 Abbildung).
Die Formen dieser Kategorie, die sich in steter Vervollkommnung
auf die Typen 41, 34 und 1(5 zurückführen lassen, zeigen die bestimmte
Tendenz, sich zu den in der Zeit der paläolithischen Arbeitsweise als ein
Werkzeug von bestimmt ausgeprägter Form gestalteten „Herzschabern"
zu entwickeln. Von letzteren habe ich ganze Reihen von Beispielen, die
an verschiedenen örtlichkeiten aufgelesen ganz deutlich zu erkennen
geben, dass sie nach einer feststehenden Norm zugeschlagen worden sind.2)
Das Werkzeug findet sich noch in der neolithischen Zeit Ägyptens viel-
fach vor und hat alsdann eine noch weiter ausgebildete Formeneinheit
aufgenommen.
Typus 58. Spitzenförmige, aus einem beiderseits mit Abspleis-
sungen versehenen Abspliss hergestellte Faustschlägel.
Diese Form erscheint für die Übergangsperiode zum Paläolithikum
sein- bezeichnend. Wem das Zuhauen der «rossen Knollen zu langwierig
erschien, der griff vielleicht zu dem Auskunftsmittel, abgesprengten grösseren
Spit/.enabsplissen durch seitliches Behauen die gewünschte Form zu geben.
Solche „die Mitte zwischen der Moustierspitze und dem Mandelbeil haltende
Stinke- führt auch Rutot für die Übergangsepoche als charakteristisch an,
und er gibt dazu Abbildungen, die meinen Exemplaren von Theben aufs
Täuschendste entsprechen.3)
.Mit den sieben angeführten Beispielen ist, wie gesagt, die Typenreihe
der Übergangsepoche von der Arbeitsweise von Mesvin zu derjenigen von
(helles noch lange nicht erschöpft. Es kam mir hier nur darauf an. die
wichtigsten und für Theben gerade besonders charakteristischen hervor-
zuheben.
Ich wende mich nun zur besseren Begründung der bisher häufig
gemaohten geologischen Hinweise zu den Fragen der Stratographie, die
für die l'mgegend von Theben noch weit von ihrer endgültigen Klar-
legung entfernt sein mögen.
n Rutot, Gisement de Cergy, Mem. Soc. d'Anthrop. Brux. XX 1902, S. II. Fig. L3.
2} Kutot hat ein Werkzeug dieser von mir der Chelles-Arbeitsweise ingewiesenen
Kategorie in beglaubigten Ablagerungen des Chelleen im Tal der Hain.- gefunden. Vgl.
Prehist. S. 143, Pig, HU.
• '. Rutot, Prehist S. 334, Fig. L50. L51
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Wie bekannt, verdankt das Niltal seine Entstehung jenen tief-
eingreifenden Gebirgsbewegungen, die sich während der mittleren Pliocäu-
zeii über Ägypten und seine Nachbargebiete erstreckten und überall im
entigen Bodenrelief Spuren ihrer Wirksamkeit hinterlassen haben. Der
Einbruch des Niltals, der für gewisse Strecken demjenigen des Roten
Meeres vorausgegangen ist, wird bis zu seiner Vollendung notwendiger-
weise einen langen Zeitraum umfasst haben. Gewiss wird in diesem Zeit-
raum auch «las Bett des von Blanckenhom im Westen des heutigen
Tales nachgewiesenen Urnil von den allgemeinen Umwälzungen der Ober-
tliirhenplastik beeinflusst, vielleicht den Zuflüssen, die ihm von den Ge-
birgen der südlichen Theba'is zustrebten, ein neuer Weg angewiesen
werden sein. Aber massgebend für die Entwicklung des Flusses zu seiner
heutigen Bedeutung muss vor allem der bis dahin wahrscheinlich ander-
weitig abgelenkte Zutritt der oberen Nilgewässer gewesen sein, denen
allein die heutigen umfangreichen Alluvionen zu verdanken sind und die
dem Urnil wahrscheinlich gefehlt haben. Eine solche Entwicklung konnte
nicht das Ergebnis einer plötzlich hereinbrechenden Katastrophe sein.
Ich nehme daher als Übergangsstadium jene Seenbildungen an, deren Ab-
lagerungen durch Blanckenhom für die Zeit des jüngsten Pliocän und
des Beginns des Quartärs in vielen Teilen des ägyptischen Niltals fest-
gestellt worden sind. Als diese Seen sich bildeten, war der Einbruch in
seinen grossen Linien bereits vollendet, aber noch durchfloss kein ver-
bindendes Gewässer, indem es die durch den Einsturz salzreicher Eocän-
kalke und Kreidemergel freigelegten Schichten drainierte, das sich mehr
und mehr ausprägende Talbett, eine Aufgabe, die meines Erachtens erst
dem Nil der späteren Quartärzeit, unserem mittleren und jüngeren Diluvium
entsprechend, zufiel. Man kann annehmen, dass jene unregelmässige Kette
von Seen, die das werdende Niltal erfüllten, zeitweilig eines geregelten
Abflusses entbehrt haben mag, dass einzelne Seen zum Teil versalzten
oder brackig wurden. Die WTassermassen der Pluvialperiode können, wenn
man sich diese Bindernisse des unfertigen Flussbettes vergegenwärtigt,
nicht ausgereicht haben, um die angehäuften Salze zu beseitigen. Es lässt
-ich auch annehmen, dass die Gewässer der Pluvialzeit möglicherweise einer
stark ausgeprägten, jahreszeitlichen Periodizität unterworfen waren, was ihre
Wirksamkeit in Bezug auf Drainierung noch mehr beeinträchtigen musste.
Tatsache ist, dass die lakustren Ablagerungen von Theben und Umgebung
heute durch ihren starken Salzgehalt1), sowie durch die (vielleicht voll-
kommene) Abwesenheit, jedenfalls durch sehr grosse Seltenheit von fossilen
Einschlüssen von Wassertieren9) ihrer Epoche überraschen und augenschein-
lich den Eindruck von Brackwasserbildungen machen.
kenntlich gehört unter den kontinentalen Zentralteilen entströmenden Flüssen
auch heute noch der Nil zu den kochsalzreichsten Gewässern, und zwar entstammt das-
Belbe nicht allein, als der ausgelangte Bestandteil der aus dem Meer abgesetzten Schichten-
gcbilde, den Kreide- and Tertiär bildungen, die er auf seiner nördlichen Strecke durch-
strömt. (Vgl. I'. von Rj cht holen, Das Meer und die Kunde vom Meer. 1904, S. L3.)
2 Dr. Otto Müller, der hochverdiente Diatomeenforscher hatte die Freundlichkeit
die von verschiedenen örtlichkeiten mitgebrachten Proben dieser Kalkablaereriingen einer
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Im Gegensatz zu den von Blanckenhorn in anderen Teilen des Nil-
tales, namentlich in den nördlich des 28 nördlicher Breite gelegenen
Strecken ausgebeuteten, durch Pflanzen- und Konchylienreste aus-
gezeichneten Süsswasserkalken der gleichen Epoche, sind die Lakustren
Kalksedimente des alten Pluvialsees von Theben von einer auffälligen
Armut solcher Kossileinschlüsse, die von der Epoche Zeugnis abzulegen
vermöchten, der sie ihre Ablagerung verdankten. Was man an Fossil-
einschlüssen in ihnen wahrzunehmen vermag, ist dem benachbarten Eocäo-
gebirge entlehnt, wie alle Bestandteile, ans denen sich die Ablagerung
der Kalkmasse selbst, sowie die der Kieselsehotter zusammensetzt. Die
Kieselknollen sind in bestimmten Schichten des Eoeängebirges decken-
oder reihenweise (ta])is de silex) abgesetzt und wiederholen sich in häufigem
Wechsel. Unter den im feinen weissen Kalkstein an sekundärer Lager-
stätte eingeschlossenen Fossilresten spielen Foraminiferen eine grosse Kollo,
ausserdem kann man häufig Alveolinen and Nummuliten wahrnehmen.
Was diese Ablagerungen als lakustre charakterisiert, sind weniger positive
.Merkmale von vorhandenen Dingen als negative von fehlenden: dazu ge-
sellen sich alsdann noch die Analogieen mit den erforschten Verhältnissen
benachbarter Gebiete, die überzeugende Rückschlüsse gestatten. Solche
Analogien sind im Jordantale und im Tale des mittleren Orontes geboten,
wo Blanckenhorn die wahre Natur der Ablagerungen in nach jeder
Richtung hin befriedigender Weise festzustellen vermochte. Zugunsten
einer Seenablagerung kann man aber bei Theben auch auf diejenigen
Merkmale hinweisen, die im Niltale als Beweise für Huviatile Bildungen
unerlässlich erscheinen. Die Terrassenablageruiigen der späteren Diluvial-
zeiten, die hei Theben überall zum Vergleich nabeliegen, sind stets durch
gewisse Grerölle von Gesteinen eruptiven oder metamorphischen Ursprungs
gekennzeichnet, die vom Pluss aus entfernten («ebirgen herbeigeschwemmt
wurden und die in der nächsten Umgebung von Theben nirgends an-
stehend anzutreffen sind. Solche Gerolle fehlen den lakustren Ab-
lagerungen, denen ( iesteinstrümmer überhaupt nur aus den naheliegenden
Bergen des Eocäns zugeführt werden konnten.
Von einem marinen Ursprung der in Rede stehenden Ablagerungen
kann keine Rede sein, da, südlich vom •_".> nördlicher Breite im Niltal
nirgends Fossilreste von plioeänen Meerestieren aufgefunden worden sind.
Dil Annahme einer fjordartigen Buchtbildung von 700 /•/// Länge und nur
10 — 15 km Breite wäre wohl allein schon aus allgemeinen Erwägungen
der geographischen Konfiguration in das (leidet der offenbaren Onwahr-
scheinlichkeit zu verweisen.
genauen ond wiederholten Untersuchung zu unterziehen. Immer stiesa er nur auf zer-
brochene Koraminiferen, von Bacillarien fanden sich keine Spuren. Wären daiin welche
enthalten, hatten sieh mindestens Bruchstücke nachweisen lassen müssen Im gegenwärtigen
Zustande dieser Kalke sind also keine Bacillarien enthalten. Damit ist aber, wie Dr. Otto
Müller meint, ihr Kehlen im Zeitalter der Kalkablagerung keineswegs erwiesen, sie
können durch chemische UmwandelungOU im Kaute der Zeit verschwunden sein. Zu-
verlässige Beobachter berichten, dass Bacillarien, die im Plankton massenhaft vorhanden
waren, in den Grundproben derselben Lokalität mangeln.
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Von diesen Ablagerungen habe ich zwar nur kurze Strecken genauer
in Augenschein genommen, die eine auf der westlichen Nilseite bei Theben
und eine andere auf der östlichen bei Schaghab, an der Nilecke gegen-
über dem alten Flussriegel von Gebelen, aber ich habe doch unter sich
verschiedene Teile an fünf getrennten Örtlichkeiten kennen gelernt und
diese scheinen einen genügenden Überblick zu ermöglichen. Überall
stiess ich auf gleiche, die Einheit der Ablagerungen verbürgende Vor-
kommnisse.
Die Höhe der lakustren Ablagerungen über der nächstanstossenden
Talsohle, wo diese dicht d. h. nicht über 1—3 km davon entfernt, an den
Fuss der eocänen, beiderseits das Niltal einfassenden Steilabfälle anlehnen,
beträgt bei Theben wie bei Schaghab, bei einer Entfernung die 30 km
beträgt, im Maximum gleichmässig 65 m. Wo die abgelagerten, zum
grossen Teil während der darauf folgenden Epochen durch Denudation
abgetragenen Bänke (mit an und für sich talwärts stark fallender Schichtung),
weiter ins Tal vorgerückt sind, nimmt ihre Erhebung graduell ab. Die
allmähliche Verflachung der vorgeschobenen Bänke entspricht den Gesetzen, •
nach denen sich ihre Alllagerung vollzog.
Das bei Theben zur Zeit der Pluvialperiode entstandene Binnen-
gewässer umfasste denjenigen Abschnitt des heutigen Niltals, den zwischen
Gebeleu und Qeneh der von der Hauptrichtung des Nilstroms abweichende
Knick von SW. nach NO. darstellt. Dieser See oder Abschnitt einer Seen-
kette muss ungefähr 10 km lang und im Durchschnitt 12 km breit gewesen
sein und sein Flächenraum mag 1000 qkm betragen haben, liundum der Ufer-
linie folgend lagerten sich die in zahlreichen Schluchten und Tälern von
den umliegenden Höhen herabgeführten Schotter als weitausgezogene
Schuttkegel ab, deren einzelne Schichten von häufig wiederholten, oft in
zahlloser Folge abwechselnden Lagen eines reinen, feinkörnigen und
weissen Kalksteins unterbrochen wurden. Die heutigen Talschluchten, die
von den 400 m über den Nil emporragenden Höhen herabsteigen, haben
sich in die von den Schuttkegelreihen gebildete Randzone der Mulde (des
abgelagerten Seegrundes) eingesägt und verraten daselbst die Einzelheiten
der Schichtung und ihres Inhaltes; die Mitte oder den Grund der Mulde
durchriss schliesslich die nachfolgende grosse Erosion des Nilstromes.
Ich halt.' auf Tafel VI vier Profile von den wichtigsten der von mir aus-
gebeuteten Aufschlüsse dieser lakustren Ablagerungen wiedergegeben.1)
Die wogen ihrer Menge an eingeschlossenen eolithischen Manufakten
interessanteste Stelle ist die am Austritt des Hauptarmes der Uadijen,
27s km oberhalb Qurna gelegene, da, wo dieser aus der dem eocänen
Steilabfall vorgelagerten Stuf«! heraustritt (Loc. XXIN)2). Diese Vorstufe
besteh! aus den lakustren Ablagerungen, und die Talschlucht, die sie
1 ESs >'i hier auf eine in meiner vorigjähri^en Mitteilung (Zeitschr. f. Ethnol.
Bd. XXXV, 8.802) gemachte Verwechselung der Höhen vom „Halbkegel" und von Esbet-
el-wus hingewiesen.
' Zur Orientierung muss ich, in Ermangelung einer Karte, abermals auf die
..Ski/./'' des Gebirge bei Theben" verweisen, die ich in der Zeitschr. d. Gesellsch. für
Brdkunde zu Berlin, L902, Taf. II, gegeben habe.
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durchsägt, hat hier ;m der nördlichen Ecke, die von den Mauern eines
aus römischer oder altchristlicher Zeil erhaltenen rohen Ziegelbaues, wahr-
scheinlich eines Wachthauses, gekrönt wird, senkrechte Wände freigelegt,
an denen alle Schichtenglieder des 62 m betragenden Aufbaues deutlich
in Augenschein genommen werden können. Die Hauptmasse dieser Ab-
lagerungen wird, wie immer, ans den weisberindeten Kieselknollen zu-
sammengesetzt, die eine unter sich lose verbundene oder vermittelst Kalk-
sinterung mehr oder minder fest miteinander verkittete Xagelflne darstellen.
Die Schotterschichten sind von vielen der erwähnten rein weissen, fein-
körnigen Kalkbänke durchsetzt, unter denen zwei sich hier durch ihre
bedeutende Mächtigkeit (von je <! in) auszeichnen. In ähnlicher Weise
sind auch an den übrigen von mir verzeichneten Aufschlüssen die Ablage-
rungen zusammengesetzt, l'herall gibt sich derselbe Wechsel von in
vorwiegend horizontaler Lagerung gleichmässig geschichteten, seltener
durcheinander gewühlten und umgestürzten Schotterschichten und Kalk-
bänken kund, welche letztere, abgesehen von dem in der Richtung der
Schluchten starken Fallen, wie es scheint, stets horizontale Lagerungs-
verhältnisse zu erkennen geben.
Diesen beständigen Wechsel von Schottern und Kalken kann man sich
sehr wohl aus der Natur des benachbarten Gebirges erklären, der, ausser
den' Materialien zu ihrem Aufbau, den lakustren Bildungen auch den Plan
zur Anordnung ihrer Schichtungslinien übermittelt zu haben scheint. Des-
halb sind ja auch diese jüngeren Bildungen von den Gehängen des Mutter-
gebirges so schwer zu unterscheiden und deshalb sind sie so lange un-
erkannt geblieben. Das Eocängebirge ist, wie bekannt, überall in
Ägypten aus abwechselnd weichen und lockeren und aus harten, dicht
gefügten Massen zusammengesetzt. Alle in das Massiv eingeschnittenen
Schluchten haben daher stets einen staffelartig gegliederten Bau und zeigen
eine Reihe von horizontal ebenen und von plötzlich abstürzenden oder
auch zerklüfteten Stufen. Zur Zeit der starken Wasseransammlungen
rollten grosse Kieselmengen an den Bergwänden herunter, es stürzten auch
ganze Felsmassen zu Tal und verstopften an bestimmten Stellen andauernd
die einzelnen Stufen. Durch die entstandenen hindernden Wälle konnte
das Wasser zeitweilig nur wie durch ein Sieb zum Abfiuss gelangen. In
solchen Zeitabschnitten müssen unten in den betreifenden Buchten oder
Uferteilen des Sees die weissen, feinkörnigen Kalke abgelagert worden
sein, teils als feines Trüminermehl mechanisch im Wasser diffundiert,
teils aus gelösten Bestandteilen. Sobald alsdann das Hindernis beseitigt
war, konnten die dahinter aufgestapelten Gerolle sich wieder unten in Be-
wegung setzen und zur regelmässigen Aufschüttung gelangen.1)
1) Ich glaube nicht, dass man, was die oberägyptische Rpgion anbelangt, den häufigen
Wechsel von Kalkstein und Kieselschotter durch die Annahme einer geregelten Periodizität
trockener und feuchter Epocheu zu erklären vermag, wie es Blanckcnhorn für die
nördlichen Seitentaler des ägyptischen Niltales, z. B. im Uadi Rischrasch wahrscheinlich
macht (Zeitschr, d. Deutsch. Geol.-Ges. 19Q1, S. 102). Der Aufhau dieser 60m über-
schreitenden Terrassen, nahe am FUSS der Steilabfälle des Eocängebirges, muss sich in
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Eine Eigentümlichkeit «lieser Bildungen, auf die ich bereits früher
aufmerksam gemacht habe, ist die nur in den allerobersten Schichten
derselben auftretende rote Kalksinterung, die ich au verschiedenen Stellen
wiederholt in allen Stadien der Verhärtung augetroffen habe. Den
härtesten Zustand bezeichnet der sogenannte Brocatellefels, bestehend aus
einer Blasse kleiner Kiesel und Kieselscherben, die in ziegelrotem Kalk
fest eingebacken erscheinen. Diese Bildung als Decke an der obersten
Grenze des Altdiluviums gedacht, schliesst nach oben zu wahrscheinlich
alle älteren Quartärbildungen gegen die Zeit der mittleren ab. Der oft
hohe Salzgehalt der weissen, feinkörnigen Kalkbänke veranlasst an den
Flächen vertikaler Steilwände die oberflächlichen Teile zu feiner Des-
quamation. Diese Schichten der Steilwand an der Austrittsstelle der Uadijen
(Loc. XXIX) können als ein charakteristisches Beispiel der auf die An-
wesenheit des im Schatten wasseranziehenden, in der Sonne dagegen wieder
Wasser durch Verdunstung abgebenden Kochsalzes begründeten Schatten-
Verwitterung hingestellt werden.
Im (ierölle des Kinnsais finden sich gerade in der Nähe der Austritts-
stelle in grosser Menge die schönsten Eolithe, die durch einen vortreff-
lichen Zustand der Erhaltung, zum Teil auch durch ihre Grösse aus-
gezeichnet sind Stücke von 20 cm Durchmesser und von 2 bis 3 kg
Gewicht sind keine Seltenheit. Weder Cacholong- noch Patinabildung
haben vielen dieser Manufakte etwas anzuhaben vermocht. Wie frisch
geschlagen, (be-, ver-, oder „zerarbeitet"1) könnte man sagen, um dem
französischen Ausdruck der „silex travailles, im Gegensatz zu den „silex
tailles", den geschlagenen. Analoges an die Seite zu setzen), mit ihren
von der zarten weissen Naturkruste des Kieselknollens sich scharf abheben-
• I ''ii. dunklen Absplissnarben der beabsichtigten sowohl wie auch der un-
beabsichtigten Aussplitterung, erschienen diese Stücke, die nur selten
Spuren eines gewaltsamen Abgerolltseins zu erkennen gaben. Erst in
diesem Jahre ist es mir gelungen die Schicht ihrer ursprünglichen Ein-
lagerung ausfindig zu machen. Dieselbe macht den obersten Teil eines
10 m mächtigen Schotterkomplexes aus, von dem indes hier nur 4 m an-
stehen, unmittelbar unter einer 6 m dicken Kalkbank, im ganzen über-
lagert von 46 m im Hangenden. Zum Rinnsal der Uadijen senken sich
direkt von der obersten Eolithen führenden Schotterlage 10 — 15 m tief
Schutthalden hinab, den Weg bezeichnend, den die Fundstücke der Tal-
sohle gel nnen haben. Diese Verhältnisse werden dem Leser aus der
auf Tafel VI wiedergegebenen Photographie und dein Profil klar werden.
Die eolithenführende Schicht enthielt von allen in ihr abgelagerten Kiesel-
knollen einen grossen Bruchteil in Arbeit genommener Stücke, meist
Typen der Arbeitsweise von Reute! und unter diesen in auffallender
Zahl -eiche von der Kategorie A^v natürlichen halbierten Sprengstücke,
einer Terhältnismässig kurzen Zeil vollzogen haben. Von einer Periodizität, wie der an-
gedeuteten, 19 t bicL nicht annehmen, dass sie nur kurze Zeiträume, sagen wir zu je
einigen Jahrhunderten, umfasst habet
I Dieser letzte Ausdruck ist von Prof. Bugen Bracht in Vorschlag gebracht worden
(Zeitsdir. für Kthnol. Bd. XXXV, 8.826).
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wie kegelförmige Schläger, „Hobelschaber mir Griff" u. dergl. Ich darf
nicht, unerwähnt Lassen, dass auch in den oberen Schotterschichten der
besprochenen Ortlichkeit (Loc. XXIX), wie am benachbarten „Halbkegel"
ausschliesslich, eolithische Kieselmanufakte eingebacken sind, indes nirgends
in .Menge.
Über die Lakustren Ablagerungen am „Halbkegel" (Loc. XVI II) bei
Theben und am Hügel Esbet-el-wus bei Schaghab, wo ich im vergangenen
Jahre zum erstenmal eolithische Kieselmanufakte in ihrer ursprünglichen
Einbettung fand1), habe ich bereits berichtet. Ich habe diese Örtlich-
keiten wiederholt besucht und viele Fundstücke von daher mitgebracht.
Die auf Tafel VI beigegebenen Profile gehen Aufschluss über die
Lagerungsverhältnisse.
Die Schotterschichten des unteren Teils vom Hügel Esbet-el-wiis
enthalten, im Gegensatz zu denen der Ablagerungen in Nordwest von
Theben, wo alle fast intakt, falls nicht absichtlich zugeschlagen, viele
Kieselknollen, die wie angeschlagen aussehen, aber offenbar nur Spuren
erhaltener Verletzungen an sich tragen, teils von heftigen Stössen, die sie
erlitten, teils von natürlicher Desquamation herrührend. Von den Aus-
splitterungen des Gebrauchs mit ihren Kegelsprüngen oder denen der be-
absichtigten Randschärfung sind diese Narben immer zu unterscheiden.
Die -künstlich geschlagenen Aussplitterungen geben mehr oder minder
negativ konchoidal gestaltete Höhlungen zu erkennen, dazu die kon-
zentrischen Wellenlinien, die sich gegen den Treffpunkt zu öffnen, dagegen
stellen die natürlichen gleichmässig ausgehöhlte Näpfe dar oder dach aus-
gezogene schalenförmige Höhlungen.
Alle Knollen und natürlichen Sprengstücke, die sich an diesem Hügel
linden, scheinen sehr stark und mit vieler Gewalt, etwa zwischen grossen
Blöcken, gerollt werden zu sein. Die Verletzungen und Aussplitterungen
sind sehr oft an Stellen angebracht, wo ihre Gegenwart, falls beabsichtigt,
durchaus keinen Zweck haben konnte, z.B. an buckeligen, den Griff und
die Handhabung durchaus nicht beeinträchtigenden, weil nur schwach
hervorragenden Stellen. Man sieht aber daraus, wie heftig diese Kiesel ge-
drückt und gestossen werden sein müssen, um an allen, auch den unbedeu-
tendsten Vorsprüngen dergleichen Narben davongetragen zu haben. Oft
nehmen diese Verletzungen, wenn sie Mach oder nur unmerklich konkav er-
scheinen, ganz, das Aussehen von Hautabschürfungen an. Die dunkelgefärbte
Kieselmasse hebt sich scharf von der weissen Naturkruste ab. Solche flache
Abschürfungen sieht man, wie erwähnt, häufig auch an den von denGrund-
moräiien unserer nordischen Gletscherbildungen herbeigeholten Kiesel-
knollen, neben den sattelförmig gebogenen und hohlkehlartig ausgeschliffenen
\ erletzungen.
In der Umgegend von Schaghab (Station an Aw Eisenbahn nach
Usuan, 29 km von Luksor) habe ich noch des grossen Tals von Abu-Girua
zu erwähnen, das zwischen Schaghab und Salamieh (Erment-Osf den
Hand des Kulturlandes erreicht und mit den weit ausgedehnten lakustren
I) Vgl Zeitsebr. für Ethnol. Bd. \XX\. 8. 802.
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Ablagerungen, die es durchschneidet, ein ergiebiges Feld für diluvial-
geologische Forschungen abzugeben verspricht, dessen Besuch daher
künftighin nicht genug empfohlen werden kaun. Das bisher noch auf
keiner Karte1) verzeichnete Uadi Abu-Girua hat die Aufmerksamkeit der
Geologen bereits auf sich gelenkt gelegentlich der von Chapman im Geol.
Mag. 1900 S. 308 beschriebenen Foraminiferen, die daselbst (die Original-
zettel im Geologischen Museum von Kairo bezeichnen die Lokalität als
„Wady Abu-Gerwa") in Schichten eines vermeintlichen marinen Pliocäns2)
aufgefunden worden waren, von denen aber Blanckenhorn3) annahm,
dass sie ursprünglich dem unteren Eocän der Nachbarschaft entstammend
mit den anderen Materialien zum Aufbau der altdiluvialen Ablagerungen
verwendet worden seien.
Die eocänen Plateauabfälle, die den Ostrand des Niltals darstellen,
entfernen sich in der Gegend von Theben weiter vom Nil als die auf der
gegenüberliegenden Seite, selbst wenn man von dem Yorsprung bei Qurna
absieht. In SSAV. von Luksor erleidet die Abfallslinie eine Unterbrechung,
um jenseits der Lücke in West mit einer weithin sichtbaren Nase wieder
näher (3 km in Ost von Station Schaghab) gegen den Nil zu vorzuspringen.
Die Gebirgsecke, der Gebel Abu-Girua, bezeichnet den idealen Punkt des
ehemaligen Widerstandes, der den Nillauf zu seiner Abschwenkung im
rechten Winkel nach Nordost veranlasst hat, und am Nordabhang der Ecke
entlang, aus der erwähnten Lücke im Bergabfall hervortretend, geht das
Dadi gleichen Namens von Ost nach West zum Nil.
Den Hand des Kulturlandes erreicht das Uadi Abu-Girua an der
Bahnlinie, 3 km in Nord von Schaghab. Die Rinnsale haben daselbst eine
Breite von 800 — 1000 m, aber 4 km oberhalb, in Nord unter der Berg-
ecke verengt sich die breite, mit weissen Kieselknollen, darunter vielen
Eolithen bedeckte Fläche der Rinnsale und wird beiderseits von 25 — 30 m
hohen Schotter- und Kalksteinwänden eingefasst. Bei der Verengungs-
stelle sieht man auf der Südseite die in vielfachem Wechsel gehäuften
Kalk- und Schotterschichten in einem Winkel von 45° umgestürzt bezw.
abgesunken, mit nordwärts aufgerichteten Schichtenköpfen. Die übrigen
Uferwände geben keinerlei Störung ihrer horizontalen Schichtenlagerung
zu erkennen. Das auf Taf. Y! gegebene Profil dieser auf weite Strecken
durch die Lrosion des Rinnsals aufgeschlossenen Ablagerungen entspricht
der Stelle, welcher die von Chapman untersuchten Foraminiferen mit
dem weissen Kalkstein entnommen wurden, der daselbst vor einigen
Jahren gebrochen und zum Kalkbrennen nach Erment gebracht worden war.
Die oberstes Schotterschichten (e) verraten mit ihrer rotkalkigen Ver-
kittung, nach Analogie der übrigen Vorkommnisse, den Abschluss zum
mittleren Diluvium, trotz einer Höhenlage, die sich oft kaum um 30m
über den beutigen Grund der Rinnsale erhebt. Bemerkenswert ist der
1) Die erste Darstellung von seinem untersten Teil habe ich in der Zeitschr. f. Erd-
kunde 1904, 8. 588 gegeben.
2) Vgl. Geolog. Mag. L900 8.47.
:; In D. Geolog. Zeitschr. L900 8.407—409 and l'.iol 8.376.
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in der mittleren Höhe der Aufschlüsse zu Tage tretende braune Sand-
stein (Schicht c), der zwischen zwei mächtigen Lagen von weissem Kalk-
stein eingeschaltet ist und sich auf der Südseite der Talwanduug an vielen
Stellen durch tiefe Löcher und geräumige Höhlungen verrät. Diese auf
der Westseite von Theben nur andeutungsweise entwickelte Bildung er-
innert an die von Blanckenhorn1) im l'adi \tfih beschriebenen alt-
diluvialen Schichten seiner „Melanopsis-Stufe".
Die weife Fläche, die das l'adi Abu-Girua in seinem unteren Lauf
innerhall) der östlichen Bruchlinien des Niltals durchzieht, ist eine einzige,
gegen den Nil hin graduell, bezw. stufenweise an Mächtigkeit abnehmende
Ablagerung von lakustren Foraminiferenkalken, im wiederholten Wechsel
von verhärteten Schotterschichten. Sie misst über 10 km in der Breite und
bezeichnet das Südende oder einen südwestlichen Zipfel des altquartären
Sees der Pluvialperiode. Ihr Rand wird zum Teil wahrscheinlich von
fluviatilen Bildungen des mittleren Quartärs bedeckt sein. Diejenigen des
jüngsten Quartärs, der diluvialen Niederterrasse entsprechend, finden sich mir
reicher Entwicklung von Muschellagern der Unio Schweinfurthii an der
Eisenbahn östlich von Salamieh, ungefähr gegenüber vom Dorf Erment.
Einen der vielversprechenden Bezirke lakustrer Ablagerungen habe
ich bei Theben im vergangenen Winter zum ersten Male ausgebeutet.
Das gegen Süden weit in das Niltal vorspringende Gebirge von Theben
bildet auf der Westseite dieses Vorsprungs einen tiefen Winkel mit dem
in der Richtung nach Südwest gegen Erment zu weiter verlaufenden Plateau-
absturz. Durch diese Bucht zieht sich ein grosses Talrinnsal, das 3VE km
in Südwest vom Tempel von Medinet-Habu bei dem Isistempel Der-es-
Schelluit am Rande des Kulturlandes ausmündet. Der Gebirgswinkel
bezeichnet eine entsprechende Ausbuchtung jener Seenbildung der Pluvial-
periode, die von Gebelen bis Qeneh reichte. Das Rinnsal von Der-es-
Schelluit hat sich in die weite, mit Schotterablagerungen der jüngeren
Diluvialzeit liedeckte Wellenebene eingesägt, die heute den längst zer-
störten Grund der alten Seenbucht ausfüllt. Aber an den Rändern der-
selben, dem Fusse der Gebirgsabfälle folgend, haben sich auf grosse
Strecken die f berbleibsel der alten lakustren Ablagerungen in Gestalt
weitansgezogener Rampen und wallartiger Bänke erhalten. In einer Ent-
fernung von ungefähr 8 km in NNW. vom genannten Isistempel erreicht
man die ersten vom Rinnsal freigelegten Böschungen und Steilwände dieser
Ablagerungen, die auch hier aus einem beständigen Wechsel von (ftesel-
schottem und weissen Kalksteinbänken aufgebaut erscheinen (Loc. XXXV .
Dass zwischen den lakustren Ablagerungen des ägyptischen Altdiluviums
und denen der diluvialen Hochterrasse, die sieh häufig aneinander an-
schliessen, eine durchgreifend zeitliche Trennung besteht, wird an einem
Vorkommen im Kinnsale der l'adijen auf >\i-v Nordseite des „Halbkegels*
(Loc. NYIlld) besonders ersichtlich. Die dort vom Rinnsal freigelegte
Böschung hat 4 m Höhe und bezeichnet die der Tiefe der Talsohle ange-
hörigen Scliottoraldagerungon der diluvialen Hochterrasse. Dieselben
1 Zeitschr. <L I>. Cool. Ges. 1901 S. 102.
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■müssen zu einer Zeit entstanden sein als die benachbarten lakustren
Vblagerungen in ihrer ganzen Entwicklung (bis zu rel. 45 — 62 tri) bereits
fertig gestellt waren. Denn von dem mit rotem Kalksinter verkitteten
Kieselkonglomerat der Brocatelle, die in dieser Gegend ausschliesslich der
obersten Decke der lakustren Ablagerungen eigen ist, fanden sich hier
/wischen anderem eingebackenen Gerolle grosse Bruchstücke vor. Diese
Schotterlager mögen, trotz ihrer bedeutend niedrigeren Lage, mit denen
gleichaltrig sein, die sich in der Tiefe der Talsohle des Westtales der
Königsgräber angehäuft haben (Loc. XXX). Ich habe die letzteren in
meinen Sammlungen als „Schotterschichten" im allgemeinen bezeichnet.
Unter den Kieselmanufakten der Diluvialterrasse im X. vom „Halbkegel"
(Loc. XVIIId) fanden sich zahlreiche Stücke, die nach dem Grade ihrer
vollkommeneren Kieselschlagkunst zu urteilen, eher der Arbeitsweise des
Überganges von Mesvin zu Chelles als der Kategorie von Mesvin aualog zu
erachten wären. Vollkommener geformte und gleichmässiger gedengelte
Spitzen und Spitzenschaber, werdende Faustschlägel und solche mit un-
bearbeiteter Knollenbasis, mithin Übergänge zur beabsichtigten Form-
gebung des Paläolithikunis gehören in diese Kategorie, die der lakustren
Ablagerung durchaus fehlt.
Im Gegensatz zu der sehr gleichmässig angeordneten Schichtung der vom
Haupttal der Uadijen durchsägten lakustren Bildungen sind dieselben im
südlichen Arm, dem sogen. Tale der Königsgräber (Bibän-el-molük) und
namentlich im unteren Teil desselben weit unregelmässiger abgelagert.
Von abgesenkten Schollen des Eocängebirges, — groben Zusammen-
ballungen von Kalktrümmern und Kieselkonkretionen — , als Inseln unter-
brochen steht die Schichtung hier an. Die bemerkenswerte Stelle liegt
östlich von der nach Süden vorspringenden Steilwand der Nordseite. Im
Grunde sind überall jüngere diluviale Schotter abgelagert, deren Zerfall
eine ungeheure Menge wohlerhaltener, meist nicht cacholonnierter, wie
frischgeschlaffen erscheinender Kieselmanufakte als Gerolle über die Ober-
fläche des Rinnsals ausgebreitet hat, hier, wie immer, das gesamte Eolithikum
und zwar von den primitivsten Formen des Tertiärs und der Reutelepoche
;m bis zur Übergangsepoche von Mesvin zu Chelles (Strepyen) alle Kate-
gorien zur Schau stellend.
Die diesmal bei Theben vorzugsweise ausgebeuteten Örtlichkeiten mit
Ablagerungen des mittleren Diluviums (Hochterrasse) reihen sich der
häufig erwähnten Terrasse von Qurna (Loc. XVI) in nördlicher Richtung
an, dem Rande des Kulturlandes am linken Nilufer folgend. Überall, wo
gelegentlich vom Gebirgsabfall herabkommende Regenbäche Talrinnen
in die Diluvialablagerungen gesägt haben, kann man in die letzteren be-
queme Einsicht erlangen, man braucht nur, wie bei Qurna, den Steil-
wänden der Uferböschung zu folgen. Ausserdem bezeichnete von altersher
jede Austrittsstelle aus den Vorhügeln, jede Schlucht des Bergabfalls an
ihrer Mündung eine Art Schwelle oder gewölbter Rampe, eine Art weit-
lusgezogener Schuttke^el, so dass an diesen Stellen die nachträglich ein-
geschnittenen Ablagerungen eine besonders reiche Entwicklung erreichen
mussten. Aus der Verschmelzung solcher senkrecht auf die Rinne des
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Niltales gestellten Schwellen entstanden eben zum grossen Teil die Diluvial-
terrassen. Die seitlichen Regenbäche brachten das Gerolle und den Kalk-
niederschlag herbei, die Gewässer des Hauptstromes lieferten die tonigen
Alluvionen, die dazwischen eingeschaltet wurden.
Das grösste von den erwähnten nördlich voir*Qurna besuchten Kinn-
Baien ist der einem Flussbett ohne Wasser vergleichbare Chor oder Chaui-
el-'Asab, der 10 km vom Seti-Tempel (Qurna) und dkm in NW. vom Dorfe
Qamuleh den Rand des Kulturlandes bei Negga-el-birkeh erreicht. Der-
selbe durchkreuzt, nachdem er aus dem Gebirgsabfall herausgetreten ist.
den hier in einer Breite von 6 — 7 km sich hinziehenden Teil der wellig-
hügeligen Diluvialterrasse, wie alle hier in Betracht kommenden Talrinnen,
in südöstlicher Richtung.
Das im unteren Teil sich in zwei Arme spaltende Bett ist oberhalb
in einer Breite von 500 — 600 m ungeteilt und mit weissberindeten Kiesel-
knollen erfüllt, unter denen zahllose Eolithe der Arbeitsweisen von Reute 1
und von Mesvin verbreitet sind (Loc. XXXII), die in den Terrassen-
ablagerungen des älteren und des mittleren Diluviums niedergelegt worden
waren. Die Uferböschungen sind im unteren Teil des Chaui-el-'Asab sehr
verflacht, aber 4 km oberhalb der Austrittsstelle beginnen auf der Südseite die
über die Talsohle 8 — 10 m ansteigenden Schotterwände. Sie haben zwischen
den abgelagerten und mit einem festen rötlichen Tonmergel verkitteten
Geröllmassen eine Menge eolithischer Manufakte aufzuweisen. Von der roten
Bindemasse haften noch Überreste an vielen der im Rinnsal zerstreuten
Kieselmanufakte, wodurch ihre Herkunft deutlich angezeigt wird.
Die überwiegende Anzahl dieser Eolithe entspricht dem primitivsten
Typus von Reutel, der sich in Belgien, Nord-Frankreich und Südost-England
während aller Epochen der Kieselbenutzung, die der zweiten quartären \ er-
eisung vorausgingen, unverändert erhalten hat und daher, wie Rutot nach-
wies, keinerlei Merkmale zurUnterscheidung der Industrieperioden abzugeben
vermag. Der enge Rahmen, innerhalb dessen sich diese unentwickelte Stein-
verwendung durch so lange Zeiträume erhalten hat („Stagnation" nennt sie
Rutot) erklärt auch die überraschende Gleichheit der Formen, die sich
an den Eolithen in so weit voneinander entfernten Gebieten zu erkennen
geben. Die Einheiten der Form, in ihrer Zahl an und für sich beschränkt.
konnten eben nur beschränkte Kombinationsreihen ermöglichen, wie solche
durch den Zwang der Notwendigkeit bedingt erschienen.
Bei vielen Manut'akten vom Ohaui-el-'Asab verraten die stark gerollten
Scharfkanten ein langes Umhergerolltsein. bei anderen bezeugt ihr intakter
Zustand eine verhältnismässig ruhige Lagerstätte. Die grosse Mehrzahl
der natürlichen, unbenutzt gebliebenen Kieselknollen zeigt keinerlei Ver-
letzungen. Eine eigentümliche Art Patina, die ich sonst nur selten wahr-
genommen habe, für die aber im Chaui-el-'Asab viele Belege zu erlangen
sind, und /.war sind sie zwischen den weissen, von unveränderter Naturrinde
umgebenen Knollen im Gerolle des Rinnsals anzutreffen, — besteht aus einem
Glaskopf von dunkel waehsgelber, oft an Bernstein erinnernder Färbung.
Manufakte von ausgeprägt paläolithischem Charakter ihrer Arbeitsweise
halie ich im Gerolle dieser grossen Rinnsale nicht angetroffen. Dieselben
- 822 -
fehlen offenbar, wie zu erwarten war, den Ablagerungen sowohl dieser
Hochterrasse als auch, falls eine solche hier zu unterscheiden wäre, der
Niederterrasse, obgleich heutigen Tages grosse Mengen solcher Stücke,
untermischt mit anderen von eolithischem Typus an den Abhängen des
Bergabfalls im Westen* ausgebreitet sind. An diesen Gehängen, selbst
auf Flächen von sehr starker Neigung, rutschen die auf der Oberfläche
befindlichen Kieselknollen und Mannfakte in unserer Epoche nur ganz un-
merklich zu Tal und viele sind seit den Zeiten des älteren Paläolithikums
hier unverändert in situ geblieben. x) Nur, wo die Schluchten ins Gebirge
selbst eingreifen, was im Oberlauf des Chaui-el-'Asab der Fall sein wird,
werden durch ephemere Regenfluten und Erdrutsch einzelne Stücke die
Talsohle erreichen können. Lakustre Bildungen scheinen sich in diesem
Bezirk nicht erhalten zu haben. Wahrscheinlich sind ihre Reste zum Auf-
bau der Terrasse des mittleren Diluviums verwandt worden.
Zwischen dem Rinnsal der Uadijen bei Qurna (Loc. XVI) und dem
Chaui-el-'Asab (Loc. XXXII) verlaufen auf einer Strecke von 9 km sechs ver-
schiedene Rinnsale in südöstlicher Richtung vom Gebirgsabfall zum Rande
des Kulturlandes. Nordwärts auf das erstgenannte folgt zunächst der Chaui-er-
Remele, der bei den Überbleibseln des durch den Kanalbau des Fadilijeh
beseitigten Dorfes gleichen Namens sein Ende erreicht. Unzählige von
Geröll erfüllte Rinnsale vereinigen sich im unteren Teile wie die Strahlen
eines Fächers und veranschaulichen im oberen die Entstehung der
Diluvialterrassen aus dem Zusammenfliessen und dem geebneten Ausgleich
eines ganzen Systems von Schutt- und Geröllkegeln (bezw. Kegelteilen).
Weiterhin folgt nordwärts der Chaui-el-Chalife, der bei dem Schechgrab
dieses Namens ausläuft, ferner der bei dem Dorfe Negga-el-habesch
mündende Chaui-el-habeschi, alsdann der Chaui-ed-düm, der bei der Dum-
palme 1 km im West vom Dorfe Melacha endet, schliesslich, bis zum süd-
lichen Arm des Chaui-el-'Asab noch zwei kleinere Rinnsale, die einer Be-
zeichnung entbehren.
Von besonderem Interesse für die Untersuchung der Diluvialterrassen
ist die Örtlichkeit bei Negga-el-habesch, unweit des nördlichen Endpunktes
der Zuckerrohrbalin und des Verladeplatzes am Nilufer. In dieser Gegend
gliedern sich nämlich in parallel zum Rande des Kulturlandes verlaufenden
Linien die Diluvialablagerungen zu zwei Stufen ab, die sich auf einer
Strecke von 4 km mit besonderer Deutlichkeit offenbaren.
Von den zwei Terrassengliedern erreicht das höhere 10 — 12 m, das
niedere 2 — 2,5 m über dem Niveau der benachbarten Talsohlen. Auf den
ersten Blick hat es den Anschein, als bezeichneten die beiden Stufen die
anderwärts im ägyptischen Niltal nach Blanckenhorns Untersuchungen,
als Hoch- und als Niederterrasse sich kundgebenden Gebilde des mittleren
and des jüngsten Diluvium. Eine solche Unterscheidung wird sich hier
nirlit aufrecht erhalten lassen. Wäre es gestattet, nach den eingelagerten
Baeselmanufakten zu urteilen, so Hessen sich jedenfalls keine Alters-
verschiedenheiten nachweisen. In beiden Stufen finden sich dieselben
1) Vgl. .las Zeitechr. f. Ethnol. Bd. XXXV. S. 813, gesagte.
— 823 —
Alien der Eolithe und zwar in Vertretung sämtlicher Arbeitsweisen auf-
wärts bis zum Strepyen Rutots, dieses mit einbegriffen, dem Übergang
von Mesvin zu Chelles.
Die jüngsten Mildungcn beherbergen hier eben von allem, was vorher-
gegangen, da sie nicht allein ans dem wählend ihrer Epoche erhältlichen
Material aufgebaut wurden, sundern zugleich auch aus den Trümmern
aller vorhergegangenen Epochen. Nur die jüngsten Können, die sich vor-
finden, sichern die Alteisgrenze nach oben.
Dabei ist mir aufgefallen, dass ich überzeugende Fundstücke, die etwas
der Strepyen-Arbeitsweise analoges bei Theben vergegenwärtigen könnten,
nämlich die eigentümlichen, gerade für Theben charakteristischen Kaust-
schlägel (Typus Nr. ö4) von halbwegs beabsichtigter Formgebung (als Über-
gang zur palaeolithischen Arbeitsweise), desgleichen die in dieselbe Kategorie
fallenden Faustschläge] mit ganz gelassener Knollenbasis der Typen 52
und 53 vorzugsweise in der niederen Terrassenstufe fand, was der Annahme
entsprechen würde, dieselbe sei nur als ein jüngeres Glied der mittel-
diluvialeii Bildungen zu betrachten. Nirgends fanden sich in der oberen,
bezw. älteren Stufe solche palaeolithische Kieselgeräte, auch keine Ablage-
rungen von Schalen des Unio Schweinfurthii, die im Niltal überall die Bil-
dungen der Xiederterrasse charakterisiert. Wie in der 5 »n-Terrasse von
Qurna, die ich gleichfalls als ein jüngeres Glied der Hochterrssae des mitt-
leren Diluviums betrachten möchte, sind mir auch in den niederen Ablage-
rungen am Chaui-el-habeschi keine Manufakte vorgekommen, die einer weiter
vorgeschrittenen, mehr vervollkommnetenArbeitsweise zugeschrieben werden
könnten, als diejenigen zu erkennen gaben, die sich in den 10 w-Terrassen
fanden. Andererseits sprechen die 10 in hohe Ablagerungen von Xilton,
die sich im Bereich der höheren Terrassenglieder vorfanden, gegen eine
Hinzuziehung derselben zu den lakustren Ablagerungen der Pluvialperiode.
Die erwähnte örtlichkeit bei Negga-el-habesch (Loc. XXIV) wird
auch über die Ablagerungsverhältnisse zurzeit des mittleren Diluviums
viel Aufschluss erteilen können, sobald erst den mineralogischen Neu-
bildungen und Umgestaltungen, die sich hier vollzogen haben, eine sach-
kundige Untersuchung zuteil geworden sein wird. Die von S. Passarge
bei seinen Kalahari-Forschungen so glänzend befolgten Methoden würden
hier für die Geschichte des Nils unzweifelhaft wichtige Ergebnisse liefern.
\*\%kin oberhalb der Austrittsstelle des Chaui-el-habeschi sind am
Südrande Schotterbänke der 10—12 m Hochterrasse aufgeschlossen, die
zunächst durch ihre teilweise umgestürzten Schichten, dann aber haupt-
sächlich durch die vorzugsweise grossen Kieselknollen, die sie enthalten,
darunter viele Eolithe, in die Augen springen. Ein kalkig versinterter
Sand hat die Kiesel zusammen gebacken, an anderen Stellen bildet
derselbe eigene Schichten von 10 — 15 ewi Dicke. Eine Bienge kleiner
Rollstücke, Trümmer von kristallinischen Eruptiv- und von meta-
morphischen Gesteinen, dann auch rote (Karneol) und gelbe Quarzstücke,
glattpolierte Chalcedone oder Achate finden sich als Zeugen ursprünglich
fluviatiler Bildung in diesem Sandstein, aus dem sie sich auch Aber die
Geröllflächen des Kinnsais verbreitet haben. Der festverkittete Sandstein
— SM —
stellt zwischen den Schottern eingelagert oft auch jene eigentümlichen,
traubenförmigen Kugelbildungen zur Schau, die in Ägypten au so vielen
Stellen angetroffen werden, wo Kalkspath bei seinem Auskristallisieren die
Sandkörnchen mit sich führt. Dieser Trauben- und Kugelsandstein hat ein
ähnliches Aussehen wie jener in älteren Gebilden, in Ablagerungen der
Pluvialperiode (Melanopsis-Stufe Blanckenhorns) auf der Ostseite von
Kairo, namentlich bei der Grabmoschee des Chedivs Tewfik auftretende.1)
Es darf aber aus dieser Analogie keineswegs gefolgert werden, dass
die mitteldiluviale Hochterrasse bei Negga-el-habesch etwa auf einer zum
Teil abgetragenen Bildung des Altdiluviums aufgelagert worden sei. Der
Kugelsandstein findet sich hier in den obersten, wie in den untersten
Schichten eingelagert zwischen den Schottern, die zum Teil Eolithe des
fbergangs von Mesvin zu Chelles (Strepyen) enthalten.
In den Kieselschichten von Negga- el-habesch überrascht das Zu-
sammengewürfeltsein sehr verschiedener, nicht nur Formen der Bearbeitung
der Kieselknollen, sondern auch Zustände der Erhaltung und Oberflächen-
beschaffenheit. Da finden sich nicht selten Kieselmanufakte eingebacken,
die mit derselben braunen oder schwärzlichen Patina versehen sind, die
von langem Liegenbleiben an der Oberfläche Zeugnis ablegt, und daneben
wiederum andere Knollen, die noch mit der hellfarbigen Naturkruste ver-
sehen sind, mit der sie in ihrem ursprünglichen Eocänlager ausgestattet
waren. Andere Manufakte oder Natursprengstücke geben durch einen
milchigen Anflug von Cacholong zu erkennen, dass sie intensiveren Ein-
wirkungen von kohlensäurehaltigen Infiltrationen2) ausgesetzt gewesen sein
müssen, bevor sie hier abgesetzt worden sind. Dieses Zusammengewürfelt-
sein gibt den Ablagerungen ein sehr rezentes Aussehen, das, falls
man die übrigen Erscheinungen ausser Acht Hesse, leicht zu einer
irrtümlichen Altersschätzung führen könnte. Übrigens finden sich ver-
einzelte Stücke, die sich durch Patina und Cacholong von den übrigen
erheblich unterscheiden, auch in den Ablagerungen der Hochterrasse
von Qurna.
Bei der Ausmündung des Chaui-ed-döma in West von Melacha, 6 km
im NW. vom Seti-Tempel bei Qurna stehen auf der Südseite 2 m hohe
Schotterbänke an, (Loc. XXV) die mit einem festverhärteten, bräunlichen
Tonmergel gekittet sind und nur eolithische, keine palaeolithischen Kiesel-
mannfakte darbieten. Alle sind hier mehr oder minder cacholonniert. Die
Bank macht, wie die anderen in gleicher Lage an den unweit des Kandes
des Kulturlandes gelegenen Austrittsstellen der Rinnsale befindlichen, den
Eindruck der llnchterrasse und entspricht trotz ihrer geringen Mächtigkeit
in jeder Hinsicht derjenigen von Qurna. 1 km weiter oberhalb, gleichfalls
l, Vergl. Blanckenhorn, Pliocän- nnd Quart&rzeitalter in Ägypten in D. Geol. Ges.
Jabrg L901, 8. 395
2 Vergl. das in dieser Zeiteehr. 1902, 8. _".»'.> und L903, S. 818 Gesagte. Prof.
W. Deecke bal im Fahrer für die Rügen-Exkursion des vn. Lntern&t. geogr. Kongresses
zu Berlin, L899 l»'i diesem Prozcss auch den Sulfaten und Chloriden von Natrium und
Kalium eine grosse Rolle zugeschrieben. Di«' durch den Prozess bewirkte Zerstörung von
organischen Substanzen i I meines Erachtens nichl genügend erwiesen.
— 825 —
am Südrande < l«*s Rinnsals erhebt sich eine 1<> m hohe Steilwand (Loc.
XXVI) die durchweg aus altem, grauem und uiiYerinengtem Nilton ge-
bildet wird, bedeckt von einer kalkverkitteten Schotterschicht von
1,25 m Dicke. Diese mächtige Niltonschicht lässt sich nach Südwest bis
zu dem \xl%hm entfernten Chaui-el-habeschi (Luc XXIII) verfolgen und
Bie bezeichnet den Abfall der altgerundeten Terrassenwelle, die sich, wie
erwähnt in 1 km Abstand vom Kulturrande hinzieht.
Diskussion.
Er. Lissauer: Wir sind Hrn. Schwein furrh zu grossem Danke
für diese neue Belehrung verpflichtet. Wir ersehen daraus, wie schwierig
die Unterscheidung zwischen natürlichen und künstlich hergestellten Stein-
werkzeugen sein kann. Diese Sicherung der Diagnose wird gewiss dazu
beitragen, viele bisher als Eolithen bezeichnete Funde aus der Literatur
auszumerzen. Jedenfalls ist es notwendig, diesen Weg weiter zu ver-
folgen, und Herr Schweinfurth besitzt ja ein so grosses Material und
beherrscht dasselbe so vollkommen, dass wir gar keinen besseren Lehrer
finden können als Hrn. Schweinfurth selber.
Hr. Hahne: Mit grosser Freude ist es zu begrüssen. dass die Eolithen-
frage in der deutschen Wissenschaft mehr und mehr von ernsten, mass-
gebenden Seiten diejenige Bearbeitung erfährt, die sie braucht zur endlichen
Lösung, und die wir ihr gewünscht1). Solches Eingehen auf die feinsten
Beobachtungen natürlicher Vorgänge und Vorkommnisse am Kiesel ist
die notwendige Ergänzung zu den anthropologischen und technischen
Studien in der Frage.
Wie schon Hr. Schweinfurth bemerkte, habe ich mich bemüht, auch
zur Ausbildung der „feineren Diagnose" in jener Richtung beizutragen.
Ich will nur ein Resultat meiner bezüglichen Untersuchungen mitteilen.
Ausgehend von der erwähnten Kegelidee (W. Hartmann) habe ich be-
klopfte Steine und Klopfsteine untersucht; zunächst solche, die ich seihst
hergestellt hatte. Ich fand, dass die Schlagnarben (etoilures) bestehen aus
den an der Steinoberfläche sichtbaren Teilen ineinandergeschachtelter, sich
durchkreuzender „Schlagkegel". Sie können sich den Beginn dieser
Ineinanderschachtelung leicht vergegenwärtigen, wenn Sie auf eine glatte
(Sprung-) Fläche eines Kieselstückes mit einem Stein aufklopfen, jeder
kräftige Schlag erzeugt ein in die Masse sich fortsetzendes, kegelartiges
Gebilde, das i^ut sichtbar ist. wenn der Kiesel durchscheinend ist. Die
gleiche Ineinanderschachtelung usw. findet sich an neolithischen. paläo-
lithischen. ebenso an eolithischen Klopfsteinen. Prachtvoll sah ich sie in
Hrn. Schwein t'u rths Sammlung ägyptischer Eolithen.
Dann aber habe ich eolithischen Klopfsteinen ähnliche Knollen
aus unserem Diluvium vorgenommen, die an sich schon deshalb fraglich
waren, weil die zerarbeitete Stelle — oder besser <\rv Ausgangspunkt der
l) Sieho diese Zeitschrift 1903, S. 1:96, l'.'ol S. 309 and 183, sowie meine Bemerkung
im Beriebt über den Kongress in Greifswald 1904, im Correspondenibl. der Deutschen an-
thropologischen Gesellschaft. S. d. auch vorläufige Blitteilung über meine Untersuchung
von Pseudo-Eolithen an der Küste von Bügen.
Zoitecbxift für Ethnologie, Jahrg. 1904. Heft 6. 53
— 826 —
gehäuften Absplisse „sinnlos" war, z. B. plötzlich mitten aus einer Fläche
heraus sich abhob. Ich habe nun an vielen solchen Stücken gefunden,
dass an den betreffenden Stellen keiue Schlagkegelanhäufung bestand,
vielmehr eine unregelmässige Zerquetschung des Gesteines. Vor allen
Dingen aber war an den von der betreffenden Stelle ausgehenden Negativen
von Absplissen kein Schlaghügelnegativ erkennbar. Darauf habe ich weiter
alle in meiner Sammlung befindlichen, grösseren Absplisse (eclats) nord-
deutscher diluvialer Herkunft untersucht und habe gefunden, dass an
vielen ebenfalls der Schlaghügel fehlt, und auch die Schlagfläche (plan de
percussion), an der übrigens die Stelle, wo der abspleissende Schlag auftraf
(die Schlagkegel-„Spitze") an absichtlichen Absplissen fast ausnahmslos
erkennbar ist, indem sie ein kleines plattformähnliches Anhängsel der
Schlagfläche darstellt. Dies alles fehlt also an vielen jener Absplisse; sie
beginnen vielmehr mit einer dünnen, zungenförmigen Partie, die nur (an
Stelle des Schlaghügels) bisweilen leicht spindelig verdickt ist und von
längslaufenden, narbenartigen, erhabenen oder vertieften Streifen durch-
zogen wird (diese kommen auch bei sicher absichtlichen Absplissen vor).
An diesen Absplissen und auch an den Absplissnegativen der erwähnten
Knollen, die jener Art von Positiven zu entsprechen scheinen, habe ich
nun eine übereinstimmende Beobachtung gemacht, die sich bezieht auf
die Fläche dieser Absplisse im Gegensatz zu sicher absichtlichen. Bei
vielen sicher absichtlichen Absplissen geht also der Schlagkegel oft mit
einigen Stufen in den Schlaghügel und dieser in die „Absprungfläche" über.
Auf der „Absprungfläche" sind die konzentrischen Bogenwellen mehr
oder weniger deutlich zu sehen. An den bezeichneten fraglichen Stücken
zeigt sich auch Ähnliches; die Bogen sind aber erstens oft deutlich
exzentrisch, manchmal sind es fast gerade quere Linien (Schweinfurth);
das Wichtigste ist aber, dass das Profil der Absprungfläche dieser
Stücke so aussieht, im Durchschnitt: Wo der Umriss des Längs-
durchschnittes eine solche „Welle" trifft, wird die Umrisslinie scharf
ein- oder ausgeknickt, nicht, wie bei den absichtlichen Absplissen, aus-
gebogen. Diese Knicke bedeuten, dass die scheinbaren Wellen, hier an
den fraglichen Stücken scharfe Kämme, Furchen oder Stufen sind. Dieses
Verhalten habe ich an keinen von vielen, vergleichsweise untersuchten,
sicheren, absichtlichen (besonders neolithischen) Absplissen (auch Druck-
absplissen: Obsidianglas) gefunden, es scheint also wirklich ein Merkmal für
natürliche Abpressung zu sein. Ich fand es dann auch an einigen Stücken,
die ich und Andere für neolithische Kernsteine gehalten hatten, die mir
alter verdächtig wurden, schon weil die Absplisse spiralig um den Kern
herumlaufen (Bracht).
Die Umkehrung dieses obigen Befundes, die lauten würde, dass alle
Absplisse mit wirklichen Wollen absichtlich seien, trifft jedoch offenbar
nicht zu.
Betonen will ich hier wieder, dass die Frage des Gebrauchs auch
solcher Naturprodukte durch Menschenhand und ihre Verarbeitung und
Zerarbeitung als „Eolithen" wieder eine andere Sache ist. Es gilt ja gerade
als das Wesen der ältesten (tertiären und altdiluvialen) Menschenwerkzeuge,
— 827 —
dass sie nicht oder nur wenig hergerichtet, wohl aber ausgelesene und
typisch verbrauchte Gesteinssplitter und -trümmer meist natürlicher Ent-
stehung sind (Rutot u. a.). Wie schon früher ausgeführt, weise ich mit
Kutot1) unsere norddeutschen diluvialen Folithen, die ich zwischen und
in Ablagerungen der I. und II. diluvialen Eiszeit fand, den ältesten Stufen
<\i^ Bolithicums, dem Keutelien und Maffleen zu (ev. auch zum Teil noch
dem .Mesvinien). Auffällig- war nur die grosse Zahl der grossen, ge-
brauchten Absplisse, die wir zunächst für absichtlich hielten. Viele von
denen sind jetzt meiner Meinung nach in der ausgeführten Weise als Natur-
produkte zu erkennen; dadurch fügen sich unsere Eolithen nun noch
besser dem von lUitot vertretenen System! Neben diesen natürlichen
finden sich jedoch (ebenso wie im belgischen, ägyptischen und anderen
Eolithicum) auch bei uns viele zweifellose, absichtliche, ebenfalls gebrauchte,
grosse Absplisse. Aber der Kern der Eolithenproblems ist ja nicht die Er-
kenntnis der Entstehung des Werkstückes, vielmehr di-y Nachweis der
Spuren seiner Benutzung durch .Menschenhand, wodurch es erst zum
Werkzeug, zum Eolithen wurde! Gegenüber den hie und da auftretende!]
Missbrauch des Eolithengedankens, ebenso gewissen starren Formen der
Opposition gegenüber, die beide meist Mangel an Kenntnis des Materiales
und der Literatur verraten, kann nicht genug auf das Studium dieser
beiden Dinge hingewiesen werden!
Herr Jäkel: Es ist ja gewiss sehr nützlich, wenn die Erscheinungen
die an den Feuersteinen in der Natur vorkommen, recht genau beobachtet
und mit denjenigen Erscheinungen verglichen werden, die wir an zweifel-
losen Eolithen beobachten. Ich möchte indessen als Geologe in ge-
wissem Sinne davor warnen, mit gewissen Schemata für diese nun das
ganze Gebiet der natürlichen Bruchformerscheinungen beherrschen zu
wellen. Die .Mannigfaltigkeit, die man an den natürlichen Sprung-
systemen beobachtet, ist doch so ausserordentlich gross, dass es wohl sehr
schwer ist, dieselben auf einige wenige Fälle zurückzuführen. Da ich
die Eolithen aus Freyenstein, die ich gelegentlich hier vorgelegt habe.
bereits vor einer Reihe von Jahren dort gefunden hatte, habe ich seit der
Zeit immer im Diluvium auf diese Erscheinungen geachtet. Je nach
der Ilaiie. Zersetzung und Feuchtigkeit des Feuersteins, namentlich auch
ob er frisch aus der Kreide herausgekommen ist oder längere Zeit im
Diluvium gelegen hat, sind die Druckerscheinungen, die er zeigt, ver-
schieden. Es ist ferner von Belang, ob die Feuersteine /.. 1!. am brandenden
Meere einem Steindruck ausgesetzt waren oder aus einer steilen Kreide-
wand heraus auf andere Steine aufgeschlagen sind, ob sie im Flusse
vorwärts bewegt wurden und dabei nicht nur abgerollt, sondern auch ge-
legentlich zwischen anderen Steinen gepressi wurden. Danach sind die
Splitterungen ganz ausserordentlich mannigfach. Ich möchte auch davor
warnen, diese Druckerscheinungen, wie es hier geschehen ist. zusammen-
fassend als Gletscherdruck aufzufassen.
li S. u. a. Wut dt „Le Prehistorique dans L'Europe centrale" S. 6] und 75.
53
— 828 —
Es sind noch nicht 15 Jahre her, dass als „Gletscherdruck" alles
Erdenkliche zusammengefasst wurde; so sind damals die Dreikanter, die,
wie seitdem einwandsfrei festgestellt worden ist, durch angewehten Sand
entstanden sind, auch auf Gletscherwirklingen zurückgeführt worden.
Bevor solche Erscheinungen unter dem Namen „Gletscherwirkungen" auf-
gefasst werden, müsste doch erst untersucht werden, wie in einer Moräne
durch einen vorrückenden Gletscher Feuersteine direkte Druckwirkungen
des Eises oder indirekten, gegenseitigen Druck der Steine erkennen
lassen. Ich weiss nicht, ob solche Untersuchungen jemals angestellt
worden sind, möchte aber glauben, dass die Mehrzahl der natürlichen
Feuersteinverletzungen durchaus nicht entstanden ist mittelbar oder un-
mittelbar durch Gletscherdruck, sondern durch die sehr viel komplizierteren
Verhältnisse, die während der ganzen Diluvialzeit geherrscht haben und
sich vor allem in der oftmaligen Verlagerung der Materialien in den ver-
schiedenen Abschmelzperioden unserer Eiszeiten geäussert haben. Aber
dieser Mannigfaltigkeit gegenüber die natürlichen Druckerscheinungen
an Feuersteinen mit Zirkel und Winkelmass festlegen zu wollen, das
erscheint mir doch bedenklich, namentlich, wenn man damit einem weniger
Erfahrenen die Möglichkeit geben will, zwischen natürlichen und künstlichen
Erscheinungen zu unterscheiden. Dabei könnte, wenn sich die Ansichten
schliesslich auf diesem Grenzgebiet zuspitzen, das Misstrauen, das von
vielen Seiten diesen Eolithen entgegen gebracht wird, unnötig genährt
werden. Ich meine, man wird doch zunächst abwarten müssen, bis die
Verhältnisse weiter geklärt und vor allen Dingen an vielen Punkten
studiert sind — wie es ja durch Hrn. Schweinfurth in vorzüglichster
Weise, mit den ganz anders gearteten Feuersteinbildungen Ägyptens
geschieht. — Bis das in ausgedehnterem Masse der Fall sein wird, wird
man wohl gut tun, die unsicheren Verhältnisse möglichst bei Seite zu
lassen und vor allem diejenigen Erscheinungen zu präzisieren, bei denen
einwandsfrei eine natürliche Einwirkung auf den Stein nachzuweisen ist.
Das dürfte in erster Linie bei solchen Steinen der Fall sein, bei welchen
sich die Verletzungen auf eine Stelle beschränken. Wenn die Feuersteine
irgendwo in der Grundmoräne oder in anderen Materialien. Kies usw.,
gedrückt werden, so werden sie nicht nur an einer Stelle gedrückt, denn
ein solcher Feuerstein liegt in der Masse nicht frei, sondern er wird,
wenn er an einer Stelle absplittert, von anderen Stellen Gegendruck er-
fahren müssen, wie wir das ja ausserordentlich häufig bei den stark de-
formierten Feuersteinen sehen. Haben wir also ein Stück, dass nur an
einer Stelle einen Druckkegel aufweist, so ist dieses Stück in besonderem
Grade verdächtig, ein echten' Eolith zu sein.
Ein ähnlicher Grad von Wahrscheinlichkeit wird da vorliegen, wo es sich
um eine systematische Zuschärfung einer Kante handelt. Diese Fälle werden
immer den Ausgangspunkt für die Feststellung von Eolithen bilden. Aber
die natürlichen Funde so schematisiere!] zu wollen, dass etwa solche, die
sich noch uichi Jahre hindurch mit der Sache beschäftigt haben, an der
Hand solcher Normalfälle eine Unterscheidung zwischen natürlichen Stücken
und Eolithen vornehmen sollen, das scheint mir bedenklich.
— 829 —
Hr. Eid. Krause: [eh bin bereits in meinen Arbeiten über die Be-
arbeitung des Feuersteins (s. Zeitschrift für Ethnologie 1903 S. 5:j7 — bh~2
und in H. Krämers „"Weltall und Menschheit" Bd. 5, S. 20—28 mit Ab-
bildungen) auf diesen Punkt ebenfalls eingegangen und habe an Letzterer
Stelle einige natürlich beeinflusste Stückt." in Abbildungen wiedergegeben.
Ich habe darin ebenso wie Hr. Jäkel hervorgehoben, dass Stücke, die
nur an einer Stelle gedrückt sind, als Eolithe verdächtig sind, während
von der Natur durch Druck beeinflusste Stücke immer mehrere Druck-
stellen aufweisen müssen, da der für die Abspleissungen nötige hohe Druck
harte Widerlager verlangt, deren Anliegestellen sich an dem Silex dadurch
ganz deutlich bemerkbar machen, dass dort ebenfalls Absplitterungen statt-
gefunden haben. In weichem Material liegende Stücke sinken bei starkem
Druck tiefer in ihr Bett ein, ohne dass überhaupt eine Absplitterung, oder
linier Umständen höchstens eine ganz minimale erfolgen kann. Dies gilt
für Druck, während beim Schlag oder Fall sehr wohl nur eine Seite be-
eintlusst werden kann, ohne dass an der übrigen Oberfläche des betroffenen
Steines irgend welche Spuren von Gewalt zu sehen zu sein brauchen. In
dem ersten Falle, beim Schlag, der plötzlich und schnell auf den Stein
einwirkt, erfolgt die absprengende Wirkung, bevor die volle Bewegung sich
dem ganzen Stein mitgeteilt hat. Das Beharrungsvermögen des getroffenen
Steines wirkt als Gegendruck. So können wir mit dem Hammer Steine
in der Hand zerschlagen, ohne viel davon zu merken. Beim Fall wird
natürlich nur die auf einen andern harten Körper auffallende (oder von
ihm getroffene) Stelle beeinflusst, also verletzt, während der übrige Teil
der Oberfläche nur mit dem ihn umgebenden weicheren Medium in Be-
rührung kommt, von dein er keine Verletzung in unserem Sinne erleiden
kann. Hier können also Feuersteine und andere Silex vorkommen, die
nur an einer einzigen Stelle Verletzungen aufweisen, ohne Eolithe zu
sein. Da nun aber in der Natur Schlag und Fall in solcher Heftigkeit.
wie zum Absprengen grösserer Stücke Silex nötig ist, viel seltener auf-
treten als Druckwirkungen, ja gewissermassen nur Ausnahmen bilden, so
behält der Satz Hecht, dass jeder nur an einer Stelle verletzte Silex
zunächst als Eolith verdächtig ist, bis sich seine Verletzung durch ihre
sonstige Beschaffenheit, sowie durch die Fundschicht und andere Umstände
als auf Naturbeeinflussung zurückzuführende erweist.
Die l nterscheidung der einzelnen Arten von Verletzungsspuren, wie
sie Hr. Schweinfurth an seinem überaus reichen Material in monate-,
ja jahrelanger, kritischer Betrachtung feststellte, findet meinen ganzen
Beifall, wenn wir hier sicher auch noch nicht am Binde unserer Er-
kenntnis, sondern erst am Anfang angelangt sind. Die Beschäftigung mit
dieser Präge ist bei den meisten der darin arbeitenden, leider noch so
herzlich wenigen Forschern, noch verhältnismässig viel zu kurz, um scheu
allgemein gültige Grenzen ziehen zu können. Aber jeder auf so ein-
gehenden) Studium beruhende Versuch, wie der des Hrn. Schweinfurth,
bringt uns der Wahrheit näher und ist mit Freuden zu begrüssen. Wollten
wir hier nur mit allgemein anerkannten Tatsachen vergehen, bo würden
wir nicht weit verwärts kommen. Hier müssen uns. wie ja fast überall
— 830 —
in wissenschaftlicher Arbeit, Hypothesen beistehen, ninsomehr, wenn sie
so wohlbegründet und überlegt sind, wie die des Hrn. Schweinfurth.
Mag manche Behauptung später durch bessere Erkenntnis eine Änderung,
ja selbst ein Verwerfen erfahren, sie hat dennoch ihre Schuldigkeit getan:
sie hat zu weiteren Forschungen angeregt. Die Ausführungen des Hrn.
Schweinfurth werden dies in ausgedehntem Masse tun; hoffentlich! denn
bei fortwährender Fahrt in alten Geleisen 1 »leibt man leicht einmal stecken;
da hört alles Forschen auf.
Die von Hrn. Schweinfurth besprochenen, von Hrn. Bracht zuerst
u<> würdigten eigentümlichen Zeichnungen oder Marken auf Feuersteinen
(Fischgräte, Knospenzweig und Kettenglieder) und zwar auf Flächen, auf
denen auch einfache Schrammen (Gletscherschrammen) vorkommen, habe
ich mit Hrn. Schweinfurth auf einem Stück aus diluvialer Schicht der
Provinz Hannover beobachtet, später noch an mehreren. Ich werde darauf
später zurückkommen, nachdem ich die von mir veranlassten vergrösserten
Photographien wie die Stücke selbst eingehend geprüft und einige Ver-
suche vorgenommen haben werde.
Hr. Favre au weist darauf hin, dass er in einer der nächsten Sitzungen
eine Keihe von Eolithenfunden aus der Nahe von Neuhaldensleben der
Gesellschaft vorlegen werde, welche geologisch gut bestimmt sind.
(21) Hr. von den Steinen: In den Gebirgswäldern des brasilianischen
Staates Santa Catharina, im Hinterlande der deutschen Kolonien, leben
die Reste eines Indianerstammes, der Schokleng, die seit langer Zeit
ein ethnographisches Desiderat darstellen, die aber, wo sie sich je zeigen,
auf das Grausamste von den Weissen verfolgt werden. Hr. Dr. Hermann
Meyer hatte auf seiner ersten Reise vergeblich versucht, dieses Problem zu
erforschen. Es gereicht mir nun heute zur Freude, Ihnen die Arbeit eines
Arztes in Santa Catharina, des Dr. Bleyer, vorlegen zu können, der seit
vielen Jahren im Lande weilt und es nach vielen Richtungen durchstreift
hat. Er hat den Volksstamm freilich aus eigener Anschauung nicht kennen
gelernt, aber eine Menge interessanter Einzelheiten aus dem Munde der
Bugreiros, der Indianerjäger, der zahmen Indianer und eines als Knaben
gefangenen Schokleng gesammelt. Er hat auch einen Schädel für die
Gesellschaft abgeschickt, der als eine ausserordentliche Seltenheit gelten
muss, jedoch noch nicht eingetroffen ist.1) Gleichzeitig mit seinem Aufsatz
sendet er die erste Photographie eines Schokleng ein, die ich unter Ihnen
zirkulieren lasse. —
(22) Bericht des Hrn. Dr. Bleyer in Santa Catharina über
die wilden Waldindianer Santa Catharinas: die „Schokleng".
Dil- wilden Waldindianer Santa Catharinas, die Schokleng, wTie sie
von den Cäingäeng(e)-Indianern,8) ihren westlichen Nachbarn, genannt
1) Der Schädel ist mittlerweile angekommen und von Hrn. Lissauer S. .SU genau
beschrieben and abgebildet worden.
■2) Die Cäingäeng(e)-Indianer finden siel in Brasilien zwischen dem Uruguay- und
Ignassüstrome, ferner an den Quellflüssen und dem Mittellaufe des Rio Piquhy, welcher
— 833 —
werden, sich auch selbst so bezeichnen, Bind in Santa Catharina unter dem
Namen „Bügre" bekannt oder seihst unter der irrtümlichen Bezeichnung
von „Botocudos".
Diese Indianer leben zurzeit in kleinen, durch ständige Verfolgung
verminderten Horden von 9 — 50 Mann, (die .Männer. Flauen und Kinder
eingerechnet) in den dichtesten Teilen der noch vorhandenen Urwälder
Santa Catharinas; insbesondere finden sich diese Indianer noch an den
Schokleng-Indiander, Sta. Catharina.
Qaellflüssen des Nordarmes des Itajahy-assü, am Etajahy do Sul, amltajahy-
miriiu an Beinen Quellflüssen, am Oberlaufe des Rio Canöas, an den Neben-
flüssen des Oberlaufes des linken Ufers des louasstistronies. a m Rio Timbo,
in der Nähe der Saltos das Sete Qnedaa, an der Grenze von Biato Uros-o, in denParanä
hinströmt. Diese Indianer sind in Santa Catharina und in l'arana unter der brasilianischen
Bezeichnung von „Coroados" bekannt. Die Sprache der Cäingäeng(e) ist verschieden von
der der Guarani, sowie von der der Schokleng-Indianer. — Die Aussprache des Wortes
Caingl • durchaus guttural. Das in Klammern gesetzte (e) wird von vielen Indianern
nicht gesprochen.
— 832 —
Rio Canoinhas, in der Serra des Morro Itaio (Tajo), Serra do Espigaö do
Bugre, in den Urwalddistrikten zwischen Blumenau, Curitybanos und
Lages, Campos de Saö Joaö, an den Quellflüssen des Rio de Peine, der
Jangada und des Rio Chapecö; ferner, aber sonst weniger häufig durch-
streifen sie den Süden Santa Catharinas, wo ihr Vorkommen noch in
einigen Urwalddistrikten der Munizipieu von Tubaräo und Araranguä be-
stätigt wird. *)
Die Schulden»- sind ein Ja»'d- und Wandervolk. Sie gehen völlig
nackt, nur selten zeigen sie sich in geraubten Kleidern. Eine Hüftschnur
aus Tucümfäden ziert Knaben und Männer. Die Unterlippe ist bei Männern
und Knaben oft durchbohrt; sie tragen in der kleinen Öffnung einen aus-
wechselbaren Holzstift, also keine Holzscheibe wie die „Botocudos'"'- von
Espirito Santo. Ihre Haut ist bräunlich lehmfarben. Die Kopfform ist
aus der beigegebenen Photographie einigermassen ersichtlich. Die Stirn
ist verhältnismässig niedrig. Die Nase ist breit, die Lippen sind etwas
aufgeworfen. Die Augen sind nicht gross oder erscheinen nicht gross
durch den Blick. Sie sind von mittlerer Grösse, dabei von sehr kräftiger
Muskulatur. Die tiefschwarzen Haare werden von Männern und Knaben
kurz getragen, seltener von alten Frauen, wohl des Ungeziefers wegen.
Die Schamhaare werden meist ausgerupft. Die Hände sind zierlich, die
Füsse mittelgross. Die Zähne, von regelmässiger Form und gelblicher
Färl »ung, sind meist gesund. Die Zalmfiäche der Backenzähne älterer
Indianer ist nicht höckerig, sondern nahezu glatt abgerieben und fast immer
ohne Caries. — Der blaue Sacralfleck, welchen ich in charakteristischer
Form bei allen kleinen Kindern der Cäingäeng-Indianer vorfand, dürfte
sich in ähnlicher Weise auch bei allen reinblütigen Kindern der Schokleng-
Indianer nachweisen lassen.
Ihre Wohnstätten oder besser gesagt Schlupfwinkel suchen die
Schokleng in den dichtesten Urwäldern, wo sie aus dünnen Baumpfählen,
Zweigen, Palmblättern, Taquärarohr, Farrnkräutern niedrige rundliche oder
polygone Hütten bauen, in denen sie gewöhnlich nur die Nacht zubringen.
Sie bevorzugen für ihre Ansiedlung ein Terrain, wo sich Flussläufe,
Wasserrinnen und Quellen befinden. Zu den Hütten oder Ranchos, wie
die Brasilier sie nennen, führen nur schmale, kaum für einen Mann passier-
bare, halboffene Fusspfade, „picadas" von den Brasiliern genannt. Diese
picadas verlieren sich stets im dunklen Urwaldgewirr, in Flussläufe.
steinige Bäche, schlüpfrige Wasserrinnen, in denen die Indianer — einer
geht hinter dem anderen — oft stundenlang wandern, um ihre Fährte zu
verbergen, und um zu verhüten, dass ein nicht Eingeweihter bis zu ihren
Hütten vordringe. Die Schwierigkeit des Auffindens dieser Hütten der
Indianer wird noch beschwerlicher, wenn sie sich in den kleinen Neben-
zügen einer gewaltigen Bergkette (serra) aufhalten. — Unsere kleine Ex-
pedition, nur aus ein paar .Mann zu Fuss bestehend, von zwei erfahrenen
brasilianischen Waldläufern geleitet, kämpfte im Dezember 1895 und
I) Die erwähnten Gebiete habe ich fast alle auf meinen Reisen durchstreift. Nur
den Süden des Staate von Santa Catharina kenne ich nicht.
— 833 -
Januar L896 mit ziemlichen Schwierigkeiten, um im Urwaldgebiete von
Colonia Angolina bis zu den verlassenen Hätten der Indianer vor-
zudringen. Leichter gelingt das Auffinden der Schokleng mit Hilfe von
indianischen Begleitern (vom Stamme der den Schokleng feindlichen
Cäingäeng(e), wie ich späten- in Erfahrung brachte.
Das Auffinden der Hütten der Schokleng kann durch Zufall erfolgen,
wenn sie eines ihrer Tanzfeste feiern. — Selche (bdogenhoit bietet sich
dem Reisenden und Jäger bei einer Streiferei im Drwalde. Es mag dann
im Lager der Indianer ein wenig lauter zugehen als gewöhnlich, wo es
sensr still zu sein pflegt. Die Laute des Tanzfestes können leicht gegen
Abend zu den Ohren des Jägers und Wanderers dringen und sein Näher-
kommen veranlassen. Ein Bugreiro1), welcher im (lebüsche am Wasser-
rande \ ersteckt einem solchen Tanzfeste als unberufener Zeuge beiwohnte,
machte uns die nachstehende Angabe:
Die Schokleng pflegen ihre Tänze zu gewissen Zeiten und an sicheren
Orten, mitten im "Walde, auszuführen. Ihr Tanz ist ein Umherhupfen,
ein Stampfen mit den Füssen, begleitet von einem monotonen Gesänge,
unterbrechen von lautem Ausrufen und wiederholtem Händeklatschen. An
Stellen, wo solche Tänze ausgeführt werden, findet man den Boden von
Gras und Blättern befreit. In die Erde gesteckte Baumpfähle, auf denen
ein'Blätterdach ruht, markieren die Tanzstelle. Rings um den bezeichneten
Platz sieht man Feuerstellen errichtet, um die Weiber und Kinder lagern.
Als Getränk bei diesen Tanzfesten dient ein gärender Trank, aus wildem
Bienenhonig bereitet. Diesen Trank nehmen die Männer in grossen
Quantitäten, selbst bis zum Erbrechen und Berauschen zu sich. Die
Indianer fallen nach einem solchen Feste oft in einen todähnlichen
Schlaf. . .
Die Honigwaben werden aus den Gipfeln der Urwaldriesen mit Hülfe
eiserner, entwendeter Beile, seltener mit den noch vorhandenen Stein-
beilen ausgehauen. Das Emporklimmen an den meist glatten Baum-
stämmen, in denen sie Honig vermuten, wird mit Hilfe eines breiten
Klettergürtels bewerkstelligt, welcher aus gespaltenem Taquärarrohr ge-
flochten, rings um den Baum gelegt wird. Der Kletterring ist vollständig
geschlossen. Beim Klettern stellt sich der Indianer zwischen den Hing
und den Baum, den Ring auf den Rücken streifend, die Füsse werden
an den Baum gestemmt, dann wird der Kletterring mit den Händen ruck-
weise hochgeschoben. Das Herablassen vom Baume erfolgt in gleicher
Weise. Bisweilen bedienen sich die Schokleng auch der herabhängenden.
starken Lianen, um bis zu den Baumwipfeln zu gelangen.
Sie sind vorwiegend Fleischesser. Ihre Lieblingsnahrung sind Wild-
Bchweinfleisch, das Fleisch der Tapirs, der Affen, der Papageien, Jacii-
hühner; feiner verzehren sie roh die frischen Bier, welche sie aus den
Nestern der Waldvögel, selbst kleiner Singvögel entnehmen. Das Fleisch
der erlegten Jagdtiere wird ohne Zusatz am Holzspiesse gar gebraten-,
manche Stücke werden auch in einer hergestellten Vertiefung des Bodens
1) Iudianerjäuvr. — Meii-chm olnn -
— 884 —
über glühenden Holzkohlen geröstet. Seltener ist der Gebrauch des Koch-
fleisches, wie z. B. vom Tapir, welches dann in einem primitiven Topfe
aus Ton zubereitet wird. — Von Vegetabilien sind den Schokleng-Indiaiiern
besonders angenehm die Früchte der Pinheiros (Araucaria) und die rund-
lichen, süss-säuerlichen Früchte der Butiapalme. Um diese Früchte zu
gewissen Jahreszeiten zu sammeln, wandern die Indianer oft tagelang und
verlegen selbst ihre Lager dieser Fruchternte wegen. Die Früchte der
Araucaria werden geröstet verzehrt, d. h. man legt die Früchte in glühende
Holzasche, sprengt dann die Schale und isst die gesottene Frucht. Der
Geschmack ist kartoffelartig, mehlig, mit etwas harzigem Beigeschmack.
Die Schokleng verstehen auch aus den enthülsten Früchten der Araucaria
eine weisse Masse zu bereiten, welche grobfaserigem Mehle gleicht. Die
bezügliche Bereitung geschieht in einem Holzmörser mit Hilfe eines
länglichen Steinstampfers, welcher die Früchte zerquetscht. In den Zeiten
der Not verzehren die wilden Waldindianer verschiedene Wurzeln, sowie
auch das Mark von Palmstämmen in rohem Zustande.
Die Schokleng kennen keine Pflanzungen. Sie kennen nicht den
Gebrauch des Matetrinkens wie die Cäingäeng(e), obwohl der Matestrauch
(Hex paraguayensis, Lamb.) in vielen Wäldern vorkommt, wo sich die
Schokleng aufhalten. Sie kennen nicht die Sitte des Rauchens. Sie be-
nutzen kein Kochsalz oder sonstige Gewürze.
Der Gebrauch der Hängematte ist ihnen unbekannt; sie schlafen
nackt auf dem Boden, die Füsse, oft auch der Rücken werden gern dem
Feuer zugewendet. Unter den Kopf legen sie Zweige oder die Wedel
von Baumfarrn.
Feuer wird in bekannter Weise durch Reiben erhalten. Im Übrigen
pflegt das Feuer nur dann im Lager der Indianer auszugehen, wenn sie
die Stätte verlassen.
In ihren Lagern, aber auch auf den Wanderzügen, wenn es die Um-
stände mit sich bringen, fertigen sie die mannigfachsten Gegenstände an,
wie kleinere und grössere Körbe, Schnüre aus Tucümfäden, ihre Jagd-
und Kriegswaffen usw. Ich will mich kurz mit der Beschreibung dieser
Gegenstände befassen. Unter den Körben verdient Beachtung der grosse
Tragkorb, welcher für gewöhnlich aus Taquärarohr hergestellt wird.
Dieser Korb kann unter Umständen sehr primitiv und roh gearbeitet sein.
Diesen Tragkorb, von der Grösse und Forin eines grossen Bienenkorbes,
tragen die Frauen, seltener die Männer auf dem Rücken; er wird durch
eine breite Bastbinde auf der Stirn festgehalten. Dieser Korb dient zum
Transporte der kleinen Kinder auf der Reise, auch selbst dann, wenn die
Frauen durch einen Fluss setzen. Ferner brauchen sie diesen Korb /.um
Herbeitragen von trockenem Holze, sowie /.um Holen von Fleischstücken
von erlegtem und geraubtem Vieh (Ochsen, Pferden, Maultieren), von
welchem sie meist nur besondere Teile als Lieblingsspeise benutzen.
Kleinere Körbe von ebenfalls randlicher Form werden aus Taquärarohr,
aber auch aas Palmstroh verfertigt. Manche Körbchen zeigen Muster von
grünem Zwiscliciigelleeht, und die grüne Färbung ist die natürliche des
gespaltenen Taquärarohrs, welche (dinge Zeit erhalten bleibt. Übrigens
— 835 -
verstehen sie die kleinen Körbe auch zu färben mit Hilfe des Rinden-
saftes der Iraucaria, welcher eine anhaftende rötliche Färbung gibt. Die
Färbung der Körbchen geht später in einen violett-braunen Ton über,
welcher alter nicht Lange anhält. Gefärbte Stücke sind überhaupt selten;
sie mögen vielleicht zu Geschenkszwecken dienen. Oft sind einiger dieser
Körbchen auf ihrer Innenseite mit Bienenwachs aus^eUleht: solche Körbchen
können dann als Honig- oder Wasserbehälter dienen. Einmal Bah ich
ein flaches Körbchen von nahezu rechteckiger Gestalt aus sehr zierlichem
Gewebe hergestellt. Dieses Körbchen diente zum Aufbewahren von ein-
fachem, schwarzem Federschmuck. Ich glaube, dase es sieh im vor-
liegenden Falle um einen Halsschmuck bandelte: die schwarzen Federn
waren anscheinend Jaciifedern: man hatte sie gruppenartig auf einen
Tucumfaden gereiht.
Als einfachen Schmuck benutzen die Schokleng gewöhnlich Hals-
ketten, welche Tierzähne (Affenzähne), Fruchtkerne. Münzen — unter
diesen sah ich brasilianische Vmtens, ältere Kupfermünzen aus Argentinien
und Paraguay — . Blechstücke usw. enthalten. Diese Objekte werden
auf einen Tucumfaden gezogen und so getragen. .Mit l nrecht bezeichnen
die Brasilianer der sertods solche kurze Halsketten der Eingeborenen
mit dem Namen rosarios, also Rosenkränze!
Ich sah zweimal eine Art primitives Gewebe, welches von den
Schokleng - Indianern hergestellt war. Beide Stücke Gewebe (jedes
Stück von etwa SO ,-m Länge und 30 <m Breite), waren dicht und grob-
faserig und ziemlich schwer; sie hatten eine natürliche verwaschene graue
Färbung (wie Bindfaden) und glichen einander völlig im Aussehen, ob-
wohl sie aus verschiedenen Gegenden stammten. Handelte es sich um
ein Lendentuch, ein seltener gebrauchtes Schmuck- oder Kleidungsstück?
Ich vermag es nicht zu sagen! — Es gibt verschiedene Textilpflanzen in
Santa ( atharina; Rame, Urticaria brava, Tucumpalme sind die be-
kanntesten.
Die Schokleng verstehen kleine Tiere aus Holz nachzubilden. Ein
beliebtes Modell ist das Gürteltier1) (von den Brasilianern tatii genannt).
welches sie aus dem Holze (Wurzelholze) der Araucaria zu schnitzen
verstehen.
Sie schnitzen ferner aus Taquärarohr eine Art primitiver Flöte, mit
welcher sie verschiedene Töne hervorbringen. Auch wissen sie Ochsen-
hörner in einfacher Weise so zu bearbeiten, das- sie einen charakte-
1) Ich sah ein Gürteltier aus Stein (etwa 35cm lang), welches im Kästeng
von Santa Catharina in einem Sambaqui gefunden war. Der indianische Künstler
dürfte seinerzeit einige Mühe angewandt haben, am das Tier in Stein (eine Art Sand-
stein) fertig zn stellen. Interessant ist das Wiederauffinden des Gürteltieres im l'r-
walde, aus hartem Holz geschnitzt. — Die meisten Sambaqnis von Santa Catharina
sind meines F.raehtons nicht sehr alt. kaum ein paar Jahrhunderte. Die Indianer pflegten
in früheren Zeiten, wahrscheinlich in der kühleren Jahreszeit [März bis Juli), aus
dem weiten Innern, den grossen Urwäldern, den Camposgebieten an die wärmere Käs"*'
zu wandern, um hier dem Fischfange und dem Muschelsuchen obzuliegen. Mit der Be-
siedlung der Küstenregion durch die Eroberer hörten diese Wanderauge der Indianer auf.
— 836 —
ristischen, weit hörbaren Ton geben, mit welchem sie einander Signale
geben, nicht selten auch den Reisenden zu erschrecken suchen.
Als Signale dienen ihnen sonst: das Nachahmen von Yogelstimmen
— letztere brauchen sie auch zu Jagdzwecken — das Abbrechen von
Zweigen in besonderer Weise, das Einhauen in Baumrinde, das Anzünden
von Wachtfeuern.
Sie sind sehr geschickte Fährtensucher; die Spuren des Wildes oder
des Menschen verfolgen sie auf dem Boden in erstaunlicher Weise.
Als Waffen dienen: Bogen und gefiederte Pfeile, kantige Schlag-
hölzer, die kurze Lanze. Die Bogen sind sehr lang, selbst über 2 m\
sie werden aus hartem, rundem Holze (niemals aus dem Holze der Palmen)
gefertigt. Der Bogen des Häuptlings trägt bisweilen runde Lederstreifen
und -ringe am Schafte, welche in bestimmten Abständen um das Holz
gelegt sind. Beim Schiessen stellen die Schokleng den Bogen zwischen
die grosse Zehe und die anliegende, dabei die Bogenspitze in die Erde
einstossend. Sie benutzen drei bis vier Arten von Pfeilen: Pfeile mit fast
spatenförmiger Eisenspitze, Pfeile mit langer, meist einseitig gesägter
Holzspitze, Pfeile mit aufritzender runder, harter, grosser Kugelspitze
letztere dienen zum Erlegen von Federwild), kleine Pfeile (wahrschein-
lich Kinderpfeile). Statt der Eisenspitze ward früher eine Feuerstein-
spitze benutzt. Ich besitze eine solche Feuersteinspitze von 8 cm Länge
und ö cm grösster Breite. Die Steinspitze ist ebenfalls spatenförmig, nur
nach unten zu ist sie mehr spitz. (Die zeitigen Eisenpfeilspitzen der
Schokleng sind bisweilen etwas grösser gefertigt). Diese Feuersteinspitze
wurde auf freiem Boden, auf einer offenen Fläche in einem Urwald-
distrikte von Curitibanos (Campo Alto am Quellflusse des Canoinhas) im
.Dezember 1902 von dem Hrn. Ingenieur J. Mattos aufgefunden. — Au
diesen Pfeilen lassen sich folgende Teile unterscheiden: Spitze, Holzschaft
in einen Rohrschaft eingefügt, Befiederung, Bindemittel (bestehend aus
Wachs, Harz), Bindestreifen (bestehend aus den langen Wurzelstreifen
von Philodendron; in Gebieten, wie z. B. den Camposdistrikten, wo diese
Schlingpflanze oft nicht vorkommt, vertreten sehr feine, gelbliche Bast-
streifen die Pliilodendronwurzel). Zur Befiederung der Pfeile dienen meist
•die Federn der Jacühühner und der grösseren Raubvogelarten. Sehr
selten ist doppelte Befiederung der Pfeile, wie ich sie bei zwei Pfeilen sah:
Anbringen eines kleinen rötlichen Federringes aus Tucänfedern oberhalb
der Schaftfiedern naht; der Kerbe des Pfeiles. Die Pfeile werden nicht
vergiftet.
Die kantigen Schlaghölzer oder Schlagstöcke sind etwa 1,20 m lang,
sie werden .ins gelblichem Holze gearbeitet. Die Schlagstöcke dienen als
Waffen wie auch zum Gebrauche auf der Jagd, so z.B. zum Töten ge-
stellter Wildschweine durch Schläge auf den Schädel. (Mitteilung der
zahmen < 'äingäeng(e)-Indianer.)
Die kurze Lanze von etwa 1,50 m Länge hat ebenfalls einen kan-
tigen (rhombischen), naturfarbenen, gelben Schaft. In den Schaft ist
eine nur wenig zugespitzte, schaufelförmige Eisenspitze eingelassen,
welche im Modell der Pfeilspitze gleicht.
— 837 —
Die eiserne Lanzenspitze hat nicht selten eine Länge von 20 cm und
eine Breite von 10 cm. I n torlia I >> der Uisenspitze ;mi Schaft findet sich
ein sauber gearbeitetes Geflecht (aus der Rinde der Luftwurzeln von
Philodendron) als Zierde angebracht. Diese kurze Lanze dient al> furcht-
bare Stosswaffe. — Kin Lanzenstoss, welcher gegen einen kleinen Hund
gerichtet war, hob diesen auf die breite Lanzenschaufel derart, dass das
Tier 3 — 4 m weit geschleudert wurde. Der Hund suchte den Indianer
auf einer offenen Fläche zu stellen. (Erhaltene Mitteilung.) Die i:ros>e
Eisenspitze der Lanze dürfte von den Schulden",- ;m> entwendetei] Schaufeln
oder i\{'\\ grosse]] Blattsägeu der Sagemühlen hergestellt werden, welche
sie unter Umständen erlangen können. Ich kenne den Fall des Raubes
einer Blattsäge aus einer Schneidemühle im Urwalde. Das Sägeblatt
wurde später in grosse Stücke zerbrochen, zum Teil bearbeitet, im Lager
der entflohenen Indianer aufgefunden.
Auf der Jagd sind die Indianer immer zu mehreren beisammen
(5 — 7 Krieger); die Frauen und Männer bleiben im Lager zurück. Der
den Jagdzug leitende Führer trägt, wenn er zugleich Eäuptling ist. die
breite Lanze. Jeder Krieger führt seinen Bogen mit sich und meist
mehrere, lose in der Hand gehaltene Pfeile verschiedener Art; die langen
Pfeile lassen das Tragen eines Köchers nicht zu. — Nicht selten begleiten
ein oder zwei Hunde einen solchen Jagdzug; die Hunde streifen frei
umher. Die wilden Indianer haben zurzeit nur noch selten Hunde eigner,
indianischer Kasse; die zur Jagd benutzten Hunde sind vielfach Misch-
typen aller möglichen Passen. — Die Indianer versuchen bisweilen Hunde
in der Nähe der Ansiedlungen zu stehlen. — Im Walde laut jagende
Hunde können den Indianern zum Verräter werden.
Die Schokleng kennen den Gebrauch von Fanggrüben, in welche Holz-
spiesse gesteckt werden, um das hineinfallende Wild zu töten oder aufzu-
spiessen. Derartige Gruben, welche verdeckt auf Wildpfaden angelegt werden,
haben eine Tiefe von über 1,50 m bei einer Breite von 1 — 2 m. Ein aus
einer solchen Grube gezogener Spiess hat eine Totallänge von etwa 1,25 m\
er ist verhältnismässig schmal und nach oben zu degenförmig gespitzt.
Nicht selten finden sich mehrere Spiesse in einer Grube. Die Wildgruben
dürften zum Fange von Wildschweinen und des Tapirs dienen. — Am
Canöasfluss stürzte vor Jahren ein Jäger in eine solche Grube und ver-
letzte sich den Oberschenkel. Die Wunde soll sehr schmerzhaft gewesen
sein, heilte aber völlig aus. (Erhaltene .Mitteilung.)
Die Pfeile der Schokleng eignen sich wenig zum Fischfänge 'Fisch-
schiessen), sie sind zu schwer und zu lang. Ehre westlichen Nachbarn,
die zahmen Cäingäeng(e), welche kürzere Pfeile und Bogen führen.
schiessen Fische mit ziemlicher Geschicklichkeit. Fs ist möglich, dass
die Schokleng-Indianer nur gelegentliche Fischer sind, welche den Fisch-
fang nur unter besonders günstigen Verhältnissen ausüben, so in aus-
trocknenden Flussläufen, zur Laichzeit der Fische an den Flussufern
(früher an der Meeresküste). Übrigens sind die meisten Flüsse Santa
Catharinas relativ arm an Fischen, hingegen ist die Küstenregion, das
Meer, zu gewissen Zeiten ausserordentlich reich an Fischen.
— 838 —
Kanus aus ausgehöhlten Baumstämmen benutzen die Schokleng
heute nicht mehr.
Pfeilschüsse auf Tiere und Menschen scheinen von den wilden
Waldindianern Santa Catharinas unter Beobachtung- bestimmter Regeln
abgegeben zu werden, in der Absicht, tödliche Organe zu treffen. Ein
junger Stier, welchen ich sah, trug den Pfeil im Unterhalse; der Pfeil
mit eiserner Spitze war etwa 40 cm tief eingedrungen. Mit diesem Pfeile
in der Todeswunde war der Stier noch etwa 200 m weit gelaufen.1) Auch
Schüsse in die Rippengegend (hintere Blattgegend) sollen von den
Indianern angewendet werden, um grössere Stücke Vieh durch Pfeilschüsse
zu töten. — Auf Menschen, insbesondere auf zu Pferde sitzende, Schritt
reitende Personen, Maultierführer, Reisende, werden Pfeilschüsse von den
Schokleng gern gegen die Bauchhöhle (Nabelgegend) gerichtet; derartige
Schüsse verursachen infolge der breiten Eisenpfeilspitze eine sehr grosse
Wunde und töten rasch durch Zerreissen der Baucheingeweide und Offnen
der dahinter liegenden grossen Gefässe. Zu Fuss gehende Menschen, in
Waldlichtungen (rocas) arbeitende Leute suchen die Schokleng in die
obere, seitliche Brustgegend zu treffen. Pfeile mit Eisen- oder Holz-
spitze durchbohren in einem solchen Falle den Thorax oft von einer
Seite zur andern. Seltener versuchen die Indianer den Menschen durch
Pfeilschüsse in den Hals, in die Gegend der carotis, zu töten. Zwei
sogenannte Streifschüsse des Unterarmes und des Oberschenkels, durch
Pfeile mit eiserner Spitze herbeigeführt, heilten bei den Verletzten ohne
spezielle Nebenerscheinungen.
Pfeilschiisse auf den Menschen werden im allgemeinen von den
Schokleng nur aus dem Hinterhalte abgegeben. Nicht selten verfertigen
diese Indianer an den Waldstrassen kleine Verhaue aus Taquärarohr, von
den Brasilianern trincheiras genannt, mit offenen Gängen, hinter denen
sie sich seitlich verbergen, um die totbringenden Pfeile auf die Reisenden
besser abschiessen zu können. Die bekannte Furcht der Indianer vor
der Feuerwaffe, welche jeder Reisende in der Form von Reiterpistolen
and Revolvern mit sich führt, mag die Indianer zu dieser Art des An-
griffes veranlassen. Im offenen Kampfe mit Pfeil und Bogen greift der
Schokleng den bewaffneten Mann niemals an. In dem meist dichten Ur-
wähle sind der lange Bogen, die langen Pfeile für den Schokleng eine
ziemlich unbrauchbare Waffe, um gegen den Menschen zu kämpfen; ver-
folgt, bedient er sich des Bogens nicht, sondern zieht die Flucht vor.
]) Der Fall ereignete sich um Quellilusse des Chapecö* auf einer Waldwiese im De-
zember des Jahres 1903 im Besitztume der Herren J. de Araujo Pimpäo und M. Jgn.
de Araujo Pimpäo. Diese Herren pflegen die Indianer des Viehraubes wegen niemals
zu verfolgen. Beide Besitzer verloren jährlich jeder 1—6 Stück Vieh durch die Indianer,
eben oviele wohl auch durch Jaguare (tigre genannt. Niemals ist in diesem Urwald-
gebiete \'>n seiten der Indianer irgend welcher Angriff auf Menschen versucht worden.
Da- getötete Tier winde von den Indianern unberührt gelassen, da sie sich wahrscheinlich
von einem unserer Begleiter beobachtet glaubten und anscheinend fürchteten, beim Zer-
legen des Fleisches überrascht zu worden.
— 839 —
Die Schokleng-Indianer haben heutzutage in den meisten Drwald-
distrikten Santa-Catharinas dem Fremden, «lern Ansiedler, dem Reisenden
gegenüber eine ziemlich feindselige Haltung angenommen. Der Grund
hierfür dürfte mir in der grausamen Behandlung der Indianer zu suchen
sein, welche in vielen, den Urwäldern naheliegenden Camposdistrikten
stattgefunden hat. wo man die Indianer des Viehraubes wegen verfolgt.
Die Grausamkeiten, welche man in einem solchen Falle an einer
Viehraub treibenden Indianerhorde verübte, wurden wahrscheinlich von
entkommenden oder verwundeten Indianern anderen Horden mitgeteilt,
und so entspann sich das Gefühl der Rache, einer Rache, welche dann
später auch auf Unschuldige übertragen wurde. .Mancher Ansiedler,
mancher Reisende, mancher Maultierführer hat, von den Pfeilen
der Schokleng heimtückisch getroffen, im Urwalde seinen Tod
gefunden. Nicht selten bezeichnen Kreuze1) in der Wildnis solche
Stellen, wo Überfälle durch Indianer stattgefunden haben. Doch um das
Tun der Indianer zu verstehen, muss man auch hören, wie man sie be-
handelt hat und wie man sie aufgereizt hat. Die Schilderung nur einer
einzigen Indianer-Xiedermetzelung, welche vor Jahren an Vieh stehlenden
Indianern im Matto do Figuereido ausgeführt wurde, genügt, um nicht
nur die Handlung der Menschen zu kennzeichnen, welche sie in Szene
setzten, sondern um auch den tödlichen Hass der wilden Indianer
zu begreifen.
.Man drang, so berichtete man mir, in den Urwald ein unter Führung
zweier zahmer Indianer aus dem Stamme der ('aingäeng(e). Die un-
glücklichen Schokleng wurden in ihrem Lager vor Sonnen-
aufgang überfallen. Nur einige wenige Schüsse wurden auf
fliehende Indianer abgegeben. Die meisten fielen unter den
wuchtigen Schlägen der Waldmesser, Männern und Frauen
wurden die Köpfe gespalten, so dass das Hirn umherspritzte.
Kinder wurden an den Beinen erfasst und abgeschlachtet! ...Die
Männer empfingen die tödlichen Schläge mit dem Waldmesser
fast ohne Schrei, die Frauen unter entsetzlichen Klagen, die
Hände zum Erbarmen erhebend. Kinder klammerten sich an
den Beinen der Mörder ihrer Eltern fest, doch die Blutmenschen
kannten keine Gnade. — Die nackten entstellten Leichname
wurden wilden Tieren zum Krasse überlassen. — Schwarze
\ asgeier ( ü ru büs) sollen tagelang über der Mordstätte geschwebt
haben. Die elenden Hütten der Indianer loderten in Flammen
auf. Pfeile, Bogen und Gerätschaften der Indianer wurden verbrannt.
Bin oder das andere Indianerkind wurde lebend von den Bugreiros davon-
getragen, um als seltenes Objekt gezeigt zu werden: Mitleid bewegte diese
Menschen nicht!
... Ich besitze eine Photographie im Format L3 : 18, eine Teilszene
einer selchen Biordstätte darstellend. Man sieht den entstellten.
1) Kreuze dieser Art finden Bich häufig an der Strasse zwischen Lageadinho and
Rio Negro sowie an >lor Waldstrasse, welche von Lages nach lmunenau fahrt
— N40 —
schwollenen, nackten Kadaver einer Indianerin, neben ihr liegen
die nackten Körper zweier grösserer Indianerkinder. Die er-
haltenen furchtbaren Schlagwunden sind an den Leichen im
Bilde sichtbar. Das Bild wurde von einem Ingenieur im Urwalde auf-
genommen, einige Tage nachdem die Indianer-Niedermetzelung statt-
gefunden hatte.
Der Hrn. Prof. v. d. Steinen übersandte Schädel eines Schokleng-
Iudianers stammt von einer solchen Stätte. Ein anderer Schädel, einer
Schokleng-Indianerin, tindet sich im Nationalmuseum in Eio de Janeiro.
Ich schenkte, gelegentlich meiner Anwesenheit in Rio de Janeiro im
Jahre 1898, dem Institute diesen Frauenschädel. Dieser Schädel
weist an seiner Decke sieben Verletzungen (Seh lag wunden) auf.
Bei dem einen wie bei dem andern Schädel fehlt leider der Unterkiefer.
. . . Ich machte die Bekanntschaft von drei Bugreiros, welche seit
Jahren ihr furchtbares Handwerk in der Umgegend des Matto do Figuereido
betrieben hatten. Einer dieser Menschen, ein Mestize mit überwiegend
indianischem Aussehen, welcher an vier Indianerverfolgungen1) Teil ge-
nommen hatte, trug den Typus eines geborenen Verbrechers, wie
ihn Lombroso charakterisiert. Die Stirn des Mannes ist verhältnismässig
niedrig, die Augenbrauenbogen sind hervorgewölbt, die Augen sind klein
ohne Glanz, nur bisweilen scheint ein kaltes Aufflammen ihre Beweglich-
keit anzuzeigen. Die Nase ist breit und doch spitz, nach unten zu ist
sie etwas umgebogen, der Mund ist sehr weit gespalten, die eine der
Lippen scheint etwas vorzustehen. Der Unterkiefer ist ausserordentlich
entwickelt. Die Muskelzüge des Gesichts sind wulstartig gebildet. Das
Gesicht, Lippen und Kinn sind völlig bartlos. Der Hals ist nach den
Seiten« zu stark erweitert; der Mann leidet nicht an struma, klagt jedoch
über öfters ihn befallende Hirnkongestionen. Der ganze Gesichtsausdruck
dieses Mannes hat etwas Furchtbares, selbst wenn er freundlich sein will.
Der Mann ist von untersetzter mittlerer Statur. Die Hände sind kurz
und fleischig. Sein Gang hat etwas anschleichendes, oft wie zu einem
Sprunge bereit. — Seine Beschäftigung war, das auf den Campos am
Kunde des Urwaldes weidende Vieh gegen Räuberei zu schützen, nus-
»•ewählte Stücke Vieh mit dem Lasso zu fangen und zu schlachten sowie
Trockenfleisch, carne secca, zu bereiten. In dieser Sphäre seines Wirkens
schien sein ganzes Denken und Tun aufzugehen. Der Mann war
schweigsamer Natur. Die wilden Indianer nannte er „OS bichos", also
die Tiere!
1) Die grausamem Indianerverfolgungen kommen oft nicht zur Kenntnis der
Regierung. Von den unteren Polizciorganon werden sie nieist stillschweigend geduldet
oder als „Selbsthilfe" bezeichnet.
l>i> Tageszeitung „Correio do Povo" in Santa Catharina wendet sich in einem an-
sprechenden Artikel gegen die Indianerverfolgungen. Siehe Nr. 8!) des „Correio do Povo*
vom 26. April 1904. — Auch „A Kepublica" von Curityba schreibt gegen die Indianer-
verfolgungen in einem Artikel aus der Feder des Hrn. Dr. Scbastinö Parana. Vide
Xr. 181 der „Kepublica" vom 6. Augusl 1904.
— 841 —
Die beiden anderen [ndi an er jäger, welche ich sah, tragen eben-
falls Stigma degenerierter Individuen. Glücklicherweise sind Bu-
greiros in Santa Catharina nicht häufig. Diese gransamen Menschen kann
man nur in einzelnen Drwalddistrikten antreffen.
Nur wenige Gegenden gibt es noch im Staate Santa Catharina, wo
die wilden Indianer, den Verfolgungen oichi ausgesetzt, noch eine Bcheue
Annäherung an den Reisenden und Jäger versuchen. Die Schokleng-
[ndianer pflegen eine solche Annäherung dem Wandern- durch Abbrechen
von Zweigen anzuzeigen oder durch loses Werfen mir trockenen Holz-
stücken; nicht selten klopfen sie auch an Baumstämme, um ihre An-
wesenheit bekannt zu geben. Die Indianer hoffen in solchen Fällen, dass
der Reisende nach .\hl»rechen des Zeltes einiges für sie zurücklasse, oder
dass der Jäger, von Mitleid bewogen, ihnen einen kleinen Teil der Jagd-
beute abtrete. Würde den Indianern daran gelegen sein, den Reisenden
zu töten, so würden sie ihm gewiss nicht vorher ihre Gegenwart mitteilen
und gewiss nicht sich solcher Mittel bedienen, die nur dazu angetan sind.
die Beobachtung des Wanderers auf sich zu ziehen.
Fliehende Menschen verschiedener Nationen und Hassen, welche -ich
den Händen der Justiz zu entziehen suchten, haben wiederholt unter den
Schokleng-ludianern Aufnahme gefunden. Ein junger Schokleng, mein
Gewährsmann, mit Namen Dochawa-Gumewa1) berichtete mir von einem
Neger mit gelähmtem Fusse, der in ihrer Horde aufgenommen wurde
Doch trauten »eine Stammesgenossen nicht ganz dein Neger, er musste
Dachte immer allein, getrennt von deu übrigen Indianern schlafen. Ein
nuderer Gewährsmann glaubte als Führer einer Schoklenggruppe einen
Deutschen bezeichnen zu können. Andere Mitteiler wollten portugiesische
Wm-te unter den Schokleng-Indianera gehört haben.
Kinderraub ist öfter von diesen Indianern ausgeführt worden. Im
Distrikte von Saö Joaö wurde im Mai dieses Jahres ein kleines Kind,
welches in der Nähe des Elternhauses spielte, von den Schokleng erhascht
und mitgenommen. Die Indianer liesseu jedoch das Kind nach einigen
Stunden unversehrt im Walde zurück, da sie sich verfolgt sahen. Degen
Ende Juni dieses Jahres wurde im Gebiete von Papanduva ein junges
Mädchen von etwa 14 Jahren von den Schokleng geraubt. Das Mädchen,
ein schwächliches gelähmtes Kind, war von den Eltern mit in die im
Walde gelegene Pflanzung genommen worden. Am anderen Tage fanden
die erfreuten Eltern das Kind in der Nähe der Pflanzung auf. Das
Mädchen gab an, von den Indianern wieder aus dem Walde zurückgetragen
zu sein. Die Zeitungen ..Der Kompass" und „Diario da Tarde" in Curi-
1) Docbiwa-Gucoiwa glaubte sich als Vertreter einer Horde oder Subtribua der
Scbokleng-Indianer zu bekennen, die er mit dem Namen Uwaütäs Twabs' benannte. —
Die zahmen Cäingäeng(e)-Indianer kannten keinen Subtribua der Schokleng mit dem er-
wähnten Namen. — Doch.iwa-Gnm.wa war seinerzeit als Knabe im Distrikte von Born
E&etiro gefangen genommen. Er war einer der wenigen Indianer, welche mit dem Leben
davonkamen: die meisten seiner Stammesgenossen Männer, Frauen und Kinder' Helen
unter den 81« issern .ler Hugreiros. Der Grund zur Verfolgung der Indianer war Yiehrauh
gewesen.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahr-. 190-1. Soft & ."> I
— 84*2 —
tylia berichteten eingehenderes über den Vorfall. — Vor einigen Jahren
wurde in einem Urwaldgebiete am Canoinhasflusse eine Indianerhorde von
Bugreiros verfolgt. Die Indianerjäger trafen inmitten der Horde ein
Mädchen an, welches blonde Haare und eine helle Hautfarbe hatte und
nur indianisch sprach. Da das Mädchen sich weigerte, die Bugreiros zu
begleiten, wurde die nahezu Erwachsen!1 von den wütenden Menschen
niedergemacht.
Krankheiten sollen unter den Schoklenghorden des Ur-
waldes kaum angetroffen werden. Syphilis und Lepra sind un-
bekannt. An einigen Flussufern mögen diese Indianer dem Wechselfieber
ausgesetzt sein, wenigstens waren sie es früher, als sie noch in den
Urwäldern der Küstenregion1) wohnten. Eine vielleicht spezielle Art von
Pediculi capitis wird beobachtet.
Verletzungen durch spitze Dornen kommen öfter vor, seltener sind
Vergiftungen durch Spinnen- und Schlangenbiss. Wunden werden durch
Waschen mit kaltem Wasser und Auflegen von Blättern zu heilen gesucht.
Die medizinischen Kräuterkenntnisse der Schokleng-Indianer sind kaum
nennenswert. In eine andere Lebensweise überführt, sind die Schokleng
leicht infektiösen Krankheiten ausgesetzt, wie der Influenza, Lungen-
entzündungen, akuten Magen- und Darmerkrankungen. Ich behandelte
im Jahre 1898 in Lages einen jungen Schokleng-Indianer, welcher an
Meningitis erkrankt war; der Knabe erholte sich verhältnismässig rasch.
Altere Individuen leiden, selbst bei einer guten Behandlung, öfter an einer
Nostalgia, einer Sehnsucht, zu ihrer früheren Lebensweise zurückzukehren.
Unbeobachtet pflegen solche Personen wieder in die Urwälder zu fliehen.
Verwundete Indianer werden von ihren Stammesgenossen treulich ge-
pflegt. Tote, im Kampfe gefallene Indianer werden von ihren Begleitern
zu bergen und fortzutragen gesucht. Die Toten, welche liegend begraben
werden, finden ein einsames Waldgrab. Zum Graben der Grabstätte be-
dienen sie sich zugespitzter Baumpfähle; die Erde wird mit breiteren
Hölzern oder mit den Händen aus der Grube geworfen. — Die Mord-
stätten 2), wo Xiedermetzelungen ihrer Stammesgenossen stattgefunden
haben, scheinen von ihnen gemieden zu werden. Ob in früheren Jahren
die Schokleng ihre Toten auch in Massengräbern beisetzten, wie solches
iu den Vorzeiten die Cäingäeng(e)-Indianer zu tun gewohnt waren3),
konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Ebenso konnte ich keine
Mitteilung darüber erhalten, ob Totenfest!1 von diesen Indianern gefeiert
werden und ob bei diesen Toten eine besondere Bemalung (schwarz oder
rot) benutzt wird.
L) Febris intermittens herrscht an «ler ganzen Küstcnregion von Santa Catharina
endemisch.
teilen, wo die Bugreiros gehaust haben.
3] I<-h fand in einem Urwald«- am Mittelläufe des Rio Chapecd eine solche alte
Grab tätte der Cäingäeng(e)-Indianer. Die Grabstätte war in der Form von zwei neben-
einander liegenden Erdanfwerfnngen angelegt, welche die ungefähre Figur von Elipsen
hatten. Rings am die Erdhügel war der Boden geebnet. Ein Indianer führte mich zu
dieser Statt« de Bchweigens". Zeil und linstiinde Hessen es leider nicht zu, die Grab-
/u öffnen.
— 843 —
Die Schokleng-Indianer - lauben an ein höheres Wesen und ein Port-
leben nach dem Tode. Eine junge Sehokleng-Indianerin, welche ich
hierüber befragte, konnte mir jedoch keine besondere Auskunft geben,
worin der vorhandene, primitive Kultus besteht
Ober die Vorgeschichte dieses seltsamen Volkes Bowie über etwa
unter ihnen herrschende Sagen war es mir Leider nicht möglich, Nach-
richten zu erhalten. Ihre Vorgeschichte scheint innig mit der deT
Cäingaeng(e)-Indianer, ihren Feinden, verknüpft gewesen zu sein. Vielleicht
waren es die Cäingäeng(e)-Indianer, welche von Westen einfallend, die
Schokleng seinerzeit in die grossen Urwälder und die BJüstenregion von
Santa Catharina drängten. In ehemaligen Zeiten dürfte es häufig /u
grossen Fehden /wischen den beiden kriegerischen Nationen Cäingäeng(e)
und Schokleng gekommen sein, wenigstens berichteten uns dieses die
zahmen Caingaeng(e)-Indianer, welche es ihrerseits von ihren Vätern und
Vorfahren gehört hatten.
In der Lebensweise der Schokleng-Indianer dürfte im Laufe der
Zeiten sich manches geändert haben. Jedenfalls haben diese Indianer
früher in viel grösseren Banden oder Horden gelebt, als es jetzt der Fall
ist. In einem l'rwahlgehiete. welches in der Nähe des Oberlaufes des
Rio Correntes und Rio das Pedras1) gelegen ist, wurde mir von einem
Bewohner der Wildnis eine Stelle gezeigt, wo früher eine grössere, zeit-
weilige Siedlung der wilden Schokleng-Indianer bestanden haben mag.
Die Stelle8), welche sehr versteckt auf der Abdachung eines Bergrückens
inmitten des Waldes gelegen ist, hatte mehrere hunderte von .Metern im
Durchmesser und schien früher von einer sehr niedrigen Erdaufwerfung
in seinem ganzen Umfange eingefasst gewesen zu sein. In der Nähe
dieses seltsamen Ortes fanden sich Punkte, welche eine sehr weite Aus-
sicht über die Wildnis hin erlaubten. Vielleicht haben früher zahlreiche
Indian. 'ilnitten auf dieser Stätte gestanden und hat zahlreiches Indianer-
volk auf dieser heute toten Stelle gelebt. Ähnliche seltene Zentral-
stationen der Schokleng mögen früher in Boa V ista und am Morro Itaio
(Tajo)8) bestanden haben. Wahrscheinlich war es seinerzeit den Schokleng-
Indianern daran gelegen, sich in grösseren Banden und an sicheren Orten
gegen die sie ständig verfolgenden und sie verdrängenden Caingaeng(e)-
[ndianer zu schützen.
Die Zahl der Schokleng-Indianer im Staate Santa Catharina mag
vielleicht noch an .">0<> betragen. Andere Angaben beruhen auf Irrtum.
Die Zahl dieser wilden Indianer wird leicht überschätzt, weil sie ein Jagd-
und Wanderleben führen und in kleine Horden verteilt leben. Diese un-
1) Flüsse im Municipiiim von Curitybanos.
•_') Ich besachte diese kaum bekannte Stelle anter Führung eines Sertanejos und
meiner Begleiter Olegario de Carvalho und Damiaü Nunes im Februar des Jahres L90J
von Lages aus.
3 Jäger und Sertanejos scheinen unter den Kolonisten den Glauben rerbreü
Italien, als ob Tausende von Indianern in einer Art von Berg am Itaio
Bich aufhalten sollen. Ein brasilianischer Offizier hat leider eine derartige Ai _
für ernst genommen und in einem Reiseberichte wiedergegeben.
54*
— 844 —
glücklichen Indianer gehen rasch ihrem Untergänge entgegen. Wir mir
die Herren Franziskanerpater in Lagos mitteilten, wollen sie den Versuch
einer Katechese unter diesen Indianern anbahnen, um die letzten Reste
derselben zu retten. Ich wünsche den frommen Patres von Herzen Erfolg.
Doch dürfte es sehr schwer halten, dieses Jagd- und Nomadenvolk der
Schokleng sesshaft zu machen.
Diese Indianer bedürfen dringend des Friedens, doch Frieden wird
es für die kriegerische Nation der Schokleng wohl nur dann geben, wenn
der letzte dieser Indianer aus den Urwäldern Santa Catharinas verschwunden
sein wird und keine Rache mehr ausüben kann.
„Conquistadas suas terras, batidos seus companheiros, sacrifi-
cados seus filhinhos, — quo fazer o seivagem se nao se insurgir
desesperadamente contra a hecatombe de sua raca?"
Sügma1) führte den Schokleng zur Rache!
Sügma und Cattibü") brachten dem Sohne
der Wildnis den Tod!
Literatur konnte ich bei meiner bescheidenen Arbeit nicht ver-
wenden, da ich solche weder in brasilianischer noch deutscher Sprache
kenne. —
(23) Hr. Lissauer demonstriert3) den oben erwähnten
Schädel eines Schokleng aus Santa Catharina, Brasilien.
Der Schädel, für dessen Übersendung4) unsere Gesellschaft Hrn. Bleyer
zu grossem Danke verpflichtet ist, bildet eine sehr wertvolle Bereicherung
unserer Sammlung. Wie Hr. Bleyer oben angibt, stammt er von einer
Stätte, wo die unglücklichen Sehoklengs oder Bugres von den Indianer-
jägern, den Bugreiros, in grausamster Weise erschlagen und ihre Leichen
den wilden Tieren zum Fräss überlassen worden sind. — Die Spuren
dieser unmenschlichen Behandlung trägt leider auch unser Schädel deutlich
an sich.
Erhaltungszustand: Es fehlt der Unterkiefer, ein Teil des linken
.lochbogens, der untere Teil beider Nasenbeine, Teile der processus nasales
des Oberkiefers, das ganze Keilbein bis auf die grossen Flügel, der
Basilarteil und die Partes condyloideae des Hinterhauptbeins. Die er-
haltene Hinterhauptschuppe ist links durch einen klaffenden, scharfrandigen
Spalt verletzt, der sich schwächer fast bis an das linke tuber parietale
verfolgen lässt. Auch auf der linken Hälfte des Stirnbeins ist ein seichter
von einem Hieb herrührender Eindruck mit queren Schrammen sichtbar,
I) Sügma bezeichnet in der Sprache der Schokleng die fremde Nation.
•J) Cattibri bedeutet Feuerwaffe.
3 Diese Demonstration fand tatsächlich erst nach der Ankunft des Schädels in der
Sitzung vom IT. Dezember statt, wurde aber der Zusammengehörigkeit wegen schon hier
dem Bericht des Hm. Bleyer angeschlossen.
I) Ausser diesem Schädel lag der Sendung noch der Unterkiefer eines 7— 8jährigen
Kindes und das Fragment eines Oberkiefers hei, welche keine besonderen Charaktere
aufweisen.
- 84.") -
welche wahrscheinlich von den Zähnen wilder Tiere erzeugt sind. Der
Oberkiefer und das linke Jochbein waren bei der Ankunft ebenfalls in
mehrere scharfkantige Bruchstücke gespalten, konnten aber ziemlich
genau mir dem Schädel zusammengefügt werden. — Die Farbe des
Schädels ist teils schmutzig gelblich, teils weisslich.
Von einer Deformation ist keine Spur vorhanden. Dieser negative
Befund ist immerhin beachtenswert, da er zu der von Bleyer oben an-
gegebenen Sitte stimmt, dass die Kinder auf der Heise von den Müttern
in Körben auf dem Rücken getragen werden.
Geschlecht: Der Schädel ist im Ganzen schwer und ziemlich dick,
die arcus superciliares sind kräftig entwickelt, weniger die lineae semicir-
culares temporales und occipitales; das Stirnbein zeigt eine deutliche
crista frontalis, ebenso zeigt die sutura sagittalis von der Scheitel-
Fier. l.
Fi«
höhe bis zu den Emissarium hin eine starke crista. welche durch
eine seichte Kinne geteilt ist. Die tubera frontalia sind verstrichen.
die tubera parietalia treten stark heraus. Der obere Augen-
höhlenrand ist dick. Protuberantia occipitalis nur angedeutet.
Alter: Das Gebiss ist kräftig, vollständig entwickelt und massig
abgenutzt. Die Sutura sagittalis ist ganz, obliteriert, die S. coronaria «dien
ebenfalls, unten erst im Beginn der Obliteration; die Lambdanaht ist noch
ganz, erhalten, die Sutura aaso-maxillaris ganz aynostotisch. — Biernach
gehör! der Schädel wahrscheinlich einem Manne im reifen Alter von 40
bis 60 Jahren an.
Norma facialis (Fig. L): 1 ) i «^ Stirn steigt ziemlich hoch über dem
eigentlichen Gesicht auf. Das Mittelgewicht selbst ist ziemlich hoch und
\on mittlerer Breite. Der Augenhöhleneingang ist altgerundet viereckig,
die Queraxe fällt deutlich nach aussen ab, der obere Rand springt massig
— 846 —
vor. Die Nasenbeine sind flach dachförmig, breit; der untere Rand
des Naseneingangs ist abgerundet und geht in seichte Fossae praenasales
über. Die Wangenbeine sind breit, nach hinten gerichtet, mit starker
tuberositas malaris und deutlichem Processus marginalis links.
Der .lochbogen ist geschweift und zierlich. Die Fossa canina ist seicht,
die Juga alveolaria stark ausgeprägt.
Fi- 3. Fig. 4.
Norma occipitalis (Fig. 2): Fünfeckig, etwas mehr hoch als breit,
mit abgerundeten Winkeln, die Seiten Bchwach geschweift, im Ganzen
aber fasi gerade abfallend. Dm- Scheitel ist flach dachförmig, auf
der First längs der Sagittalnahl ••in«' wulstartige Hyperostose mit
schwach pinnenförmiger Einsenkung in der Mitte (Lophocephalus
Sergi). Das rechts noch offene Emissariura liegt dicht an der Sagittalis.
— 847 —
NForma rerticalis (Fig. 3): Eiförmig von mittlerer Breite, vorn ab-
gestutzt. Die Scheitelhöcker treten stark hervor (Pentagonoidee subtilis
Sergi). Phaenozyg.
Xnrina l)as;ilis: Gaumen von mittlerer Breite und Länge, Alveolar-
fortsatz hoch.
Nuiiiia Lateralis (Fig. 4) und mediana (Fig. 5): D;i> Gesicht ist
Bognath (84°), die Nasenwurzel eingesunken, die Glabella her-
vortretend. Di«' Medianlinie verläuft in sanft gestrecktem Bogen nach
hinten and oben bis zum Bregma, von dort ebenso nach hinten und unten
bis zum Lambda, dann etwas weniger gestreckt bis zum Inion, um dann
schnell nach unten und vorn umzubiegen (Kmbolicus Sergi). Die lineae
semicirculares temporales erheben sich nur 25 mm aber die fcubera parie-
talia, so dass die geringste Bistanz zwischen beiden immer noch 85 mm
beträgt. Die beiderseitigen plana parietalia breit und flach konkav. Auf
dem Schläfenbein befindet sich beiderseits über dem Processus mastoidens
und zwischen dem Processus zygomaticus und dem Asterion eine knollige,
glatte Auftreibung.
Nach den unten folgenden genaueren .Massen ist der Schädel ortho-
dolichocephal, mesognath, leptoprosop, mesokonch, platyrrhin
im d 1 eptostaphylin.
Im Anschluss hieran möchte ich Ihnen einen zweiten Schädel unserer
Sammlung vorlegen, der nach der daran befindlichen Angabe einem
Individuum desselben Stammes angehört hat. Derselbe ist von Rudolf
VirchoW in seinen Crania ethnica Americana1) als Schädel eines Bugre
aus Rio Grande do Sul gelegentlich abgebildet mit der folgenden Be-
merkung: „Ich setze zur Yergleichung" (mit den hypsibrachycephalen
Schädeln aus den südbrasilianischen Sambaqui und den Paraderos von
Patagonien) „die Abbildungen eines Bugre aus dem Hinterlande von Rio
Grande do Sul hinzu. Kr zeigt schon die mehr gestreckte Gestalt, welche
die Aboriginerstämme des östlichen Brasilien in so grosser Vollendung
entwickelt hallen.- — An dem Schädel selbst ist aber ein Täfelchen an-
gebunden mit Virchows eigenhändiger Aufschrift: Schädel eines Bugre.
der bei Blumenau St. Catharina 1852 erschossen wurde. Geschenk des
Hrn. Blumenau." Der Schädel stimmt mit den Abbildungen genau über-
ein, su dass die Identität beider zweifellos ist. Da Virchow indess
weder die Klasse noch die Beschreibung des Schädels hinzufügt, so glaubte
ich beides bei dieser Gelegenheit nachholen zu sollen.
Schädel eines Bugre aus Blunienau, Santa Catharina, Brasilien.8)
Erhaltungszustand: Cranium. Es fehlen mir _'4 Zähne: ferner
sind die Spitzen der Processus mastoidei abgebrochen. Der rechte obere
n Berlin 1892 S. 31.
_ Vgl. hierzu die Abbildungen <lca Schädels in R. Virchows Crania ethnica
americana. Berlin 1892, S. :;i Kg. XXVI— XXIX.
— 848 —
Augenhöhlenrand und einige andere Stellen stark abgescheuert. — Die
Farbe ist schmutzig gelbbraun. Ton Deformation nirgends eine Spur.
Geschlecht: Der Schädel ist leicht und glatt, das Stirnbein zeigt
eine starke crista frontalis, die Arcus superciliares sind nur massig-
entwickelt, stärker die lineae semicirculares temporales und occipitales,
die Stirnhöcker sind schwach ausgeprägt. Der obere Rand des Augen-
höhleneingangs ist dünn und scharf, ein Charakter, welcher mehr dem
weiblichen Geschlecht eigen zu sein pflegt. Trotzdem wissen wir, dass
der Schädel einem Manne angehört hat.
Alter: 18 — 20 Jahre. Die Spheno-basilarfuge noch offen, die Weis-
heitszähne sind auf der linken Seite oben und unten noch nicht durch-
gebrochen und die sechs erhaltenen Zähne noch gar nicht abgeschliffen.
— Die Nähte sind sämtlich erhalten,
Xorma facialis: Die Stirn ist verhältnismässig niedrig und schmal,
das Gesicht mittelhoch und -breit, oval, das Mittelgesicht am meisten ent-
wickelt. Der Augenhöhleneingang ist abgerundet viereckig, die Querexe
wenig nach aussen abfallend, die Räuder springen wenig vor, am Dach
wenige Cribra. Die glabella tritt stark hervor, die Nasenwurzel
ist eingesunken, die Nasenbeine sind klein, schmal und dachförmig,
die Nasenöffnung ist relativ hoch und schmal, der untere Nasenrand
isr verstrichen, Fossae praenasales sind angedeutet. Das Jochbein
ist glatt, nach hinten gerichtet, Processus marginalis beiderseits
vorhanden, rechts spitz, links stumpf, Jochbogen zierlich, geschweift.
Processus alveolaris prognath (81°), juga alveoiaria stark ausgebildet-
fossa canina seicht. — Gaumen kurz, schmal und flach gewTölbt, mit
deutlicher Spina nasalis posterior und crista marginalis. Der Unterkiefer
ist klein, zierlich, mit guten Muskelansätzen, die Äste steigen steil auf,
die Gelenk- und Kronenfortsätze sind klein, die Incisur ist flach. Der
untere Rand des Körpers ist geschweift und nicht sehr dick, die vordere
Kinnfläche dreieckig, das Kinn selbst stumpf mit gut entwickelter Pro-
tuberanz, der Alveolarteil ist ganz erhalten, die Alveolen sind grössten-
teils leer.
Xorma occipitalis: Fünfeckig mit abgerundeten oberen Winkeln,
die Seiten fallen fast gerade ab, nach unten etwas konvergierend. Die
obere Spitze zeigt zu beiden Seiten der Sagittalis eine schwache
Kiiinnibildung mit mittlerer Rinne für die Naht. Beide Emissarien
klein, offen. In der Lambdanaht sind mehrere Schaltknochen, ein 11 mm
hoher (os fonticulare posterius) an der Spitze derselben. Die Ober-
schuppe tritt fast halbkugelförmig hervor, ein Tonis occipitalis ist an-
gedeutet, die Muskelleisten sind kräftig entwickelt, eine eigentliche Pro-
tuberantia occipitalis fehlt.
Norma verticalis: breit eiförmig, vorn verschmälert, phaenozyg,
die Pfeilnaht verläuft nicht in der Mitte, sondern mehr nach links zu.
Die Crista frontalis ist stark entwickelt und teilt sich längs
der Sagittalis in zwei Leisten, welche die N;iht bis zur Scheitel-
höhe begleiten, <lio tubera frontalia sind schwach, die parietal ia treten
stark hervor, die Aren- superciliares ebenso vorn (Ovoides byrsoides Sergi).
— 849 -
Norma basalis: Das Foramen magnum ziemlich gross, in der Mitte,
i.nit eiförmig, die rechte Hälfte etwas erweitert, die Processus condyloidei
sind mittelgrosa und stark gebogen. Die Fossae glenoidales tief, die Pars
liasiJaris breit, uneben, die Pr. pterygoidei niedrig und ziemlich breit.
Norniii Lateralis: Alveolare Prognathie (81°). Grlabella ist vor-
tretend, die Nasenwurzel eingesunken. Die .Medianlinie steigt
schräg bis /.ur Höhe der Stirnhöcker auf, verläuft dann in flachem Bogen
bis zum Obelion, um von dort steil bis zum Lambda abzufallen. Von
dort krümmt sie sich in scharfem Bogen um das Inion herum bis zum
Opisthion. Die Lineae semicirculares temporales steigen nur &mm über
die Tubera parietalia auf. sodass sie sich beiderseits nur bis auf 115 mm
nähern. Das planum parietale breit und flach konkav. D;i- Os
temporale isi niedrig, fast Mach, die Ohröffnung hoch, oval.
Die kraniometrische Diagnose lautet nach den unten folgenden Massen:
Orthomesocephal, prognath, chamaeprosop (nach dem Gesichtsindex
Virchow), leptoprosop (nach dem Mittelgesichtsindex Virchow), chamae-
koncli. platyrrhin und leptostaphylin.
Nach dieser kraniometrischen Klassifikation bieten die beiden Schädel
von Individuen ein und desselben Stammes wesentliche Unterschiede, die
auch bei der oberflächlichen Betrachtung sofort auffallen. Indessen stellen
sich doch bei eingehender Prüfung gewisse Ähnlichkeiten im Aufbau her-
aus. Zunacht steht der Längenbreitenindex (73,3 und 77.3) beider Schädel
ziemlich nahe der Grenze der Mesocephalie (75). der Profilwinkel beider
84 und 8] ziemlich nahe der Grenze der Prognathie (82 — 83), eben-
so der Orbitalindex (79,1 und 81,8) ziemlich nahe der Grenze der Chaniae-
konchie 80), — es fallen diese Unterschiede wohl mehr in die Grenzen
individueller Schwankungen und die kraniometrische Klassifikation erweist
sich damit als eine künstliche. Jedenfalls entfernen sich die Längen-
breitenindices nicht so weit von einander, wie dies bei anderen einheit-
lichen Stämmen der Ureinwohner Brasiliens der Fall ist, z. B. bei den
Kayapos1), bei denen die Indices zwischen 73.4 und 83,6, oder bei den
Botokuden8), bei denen die Indices zwischen 69,1 und 80,7 schwanken.
Dagegen besitzen beide Schädel wichtige deskriptive Charaktere gemein-
sam. Zunächst haben beide eine deutliche crista frontalis und eine Hyperostose
in der Gegend des Obelion, welche bei dem jugendlichen Bugre nur eine
Knochenleiste zu beiden Seiten der offenen Sagittalis darstellt, während
sie bei dem alten Schokleng mit vollständig obliterierter Sagittalis bereits
zu einer dicken, wulstigen Auflagerung verschmolzen ist. — Es stehen bei
beiden Schädeln ferner die Tubera parietalia stark hervor, während die
Stirnhöcker selbsl bei dem jungen Bugre nur schwach zu erkennen, bei
dem Schokleng aber ganz verstrichen sind; desgleichen erheben sich die
Lineae semicirculares temporales bei beiden Schädeln nur wenig über die
1) Ehrenreich, Anthrop. Stuilien über die ürbewohnei Brasiliens. Braonschweig
L897, S. L63.
2] Zeitschr. f. Ethnologie 1887, S. 66 IV.
— 850 —
Scheitelhöcker, so dass zwischen diesen und der Medianebene ein breites,
flach konkaves Planum parietale dachförmig über dem fast gerade ab-
fallenden Planum temporale aufsteigt, wie dies besonders die Norma occi-
pitalis erkennen lässt. Bei beiden besitzt das Jochbein ferner einen
Processus marginalis, tritt die Glabella stark hervor, ist die Nasenwurzel
eingesunken, besteht alveolare Prognathie massigen Grades.
Dagegen ist die Stirn beim Bugre viel schmäler als beim Schokleng,
und die Oberschuppe des Hinterhauptes bei ersterem halbkugiig vor-
gewölbt, heim Schokleng mehr nach hinten gestreckt, — Unterschiede,
welche sowohl individuell wie typisch sein können. Eine Entscheidung
hierüber wird erst möglich sein, wenn ein grösseres Material vorliegt.
Zwei Merkmale erfordern eine genauere Würdigung.
Die starke Wulstbildung in der Gegend des Obelion hat Virchow
bereits bei anderen amerikanischen Schädeln1) beschrieben und abgebildet.
Auf Tafel XI bildet er den Schädel eines Caygua aus der Provinz Paranä
ab und sagt in dem beschreibenden Text: „am hinteren Teil der Sagittal-
gegend ein unebener Höcker in der Medianebene." — Denselben Höcker
zeigt deutlich die Hinterhauptansicht eines Schädels aus einer Muschelbank
bei Mechi, Chile, auf Tafel YII. Auch an dem Schädel von Huanila,
Chile, auf Tafel IV, „wird der hintere Teil der Sagittalis jederseits von
einer niedrigen Crista begleitet." —
Ferner hat Ehrenreich2) bei zwei Kayaposchädeln diesen Wulst be-
schrieben und abgebildet uud zwar bei dem defekten Kayapo IV, S. 151
nur „rechts von der Sagittalnaht schwach entwickelt (links zerstört)",
während er vom Kayapo I, S. 145 sagt: „Der Scheitel erscheint exquisit
dachförmig mit sagittalem Wulst und rinnenförmiger Einsenkung."3)
Der Processus marginalis des Jochbeins kommt ferner bei den ver-
schiedensten Rassen vor, wohl aber bei keiner so häufig wie bei den
Botokuden. Virchow4) nannte ihn Tuberositas temporalis ossis malaris,
Stieda5) schlug schon früher dafür den Namen Processus Sömmeringii
vor, — dagegen hat sich der noch ältere Name Processus marginalis, der
von Luschka herrührt, am meisten eingebürgert. — Der Processus ist
allerdings bald als blosse Tuberositas, bald als richtiger Vorsprung aus-
gebildet. Virchow hat ihn an seinen 26 Crania ethnica americana vier-
mal und Ehrenreich an seinen 11 brasilianischen Schädeln2) (4 Karaya,
5 Kayapo. 1 Paumari und 1 Ipurina) zweimal angegeben. Dagegen sagt
der letztere6) von den Botokuden: „die meisten Schädel besitzen ....
die von Virchow so genannte Tuberositas temporalis ossis malaris. Auch
Etey's und Peixoto's Cranien zeigen dieselbe Bildung. Nur bei den
weiblichen ist dm' Fortsatz schwächer entwickelt, bisweilen ganz fehlend.'"
\) In den schon oben zitierten Crania ethnica americana. — 2) 1'. Ehrenreich,
Anthropologische Studien über die Urbewohner Brasiliens. Braunschweig JN!>7. —
■ Der Schädel wurde /.um Vergleich ebenfalls demonstriert. — 4) Verhandlungen der
Berliner Anthropol. G. L875, S. 162 und Crania ethnica americana, S. 28. — .3) Ver-
handlungen der Berliner Anthropol. G. 1880, S. 219. — 6) Z. f. Ethnol. L887, S. 74
— 85 1 —
Was nun die Stellung unserer beiden Schädel zu den übrigen be-
kannten südamerikanischen Schädeln betrifft, so zeigen sie eine un-
verkennbare Verwandtschaft mit den anderen brasilianischen. Die
Schilderung der Eayapo bei Ehrenreich1) zeigt ^<» viele verwandte Züge,
besonders im Gesicht, mit dem Schokleng, dass <lie Verschiedenheit des
Index, der ja bei den vier dort beschriebenen ebenfalls in weiten Grenzen
schwankt, dagegen nicht ins (iewicht fällt, wie Ehrenreich mir Recht
ausgeführt hat. Besonders der Kayapo I steht in vielen Merkmalen und
.Massen dem Schokleng kraniologisch am nächsten.
(Jan/, ähnlich ist das Verhältnis des Bugre zu den weiblichen Boto-
kudenschädeln, welche Ehrenreich2) zusammengestellt hat. Während
aämlich die männlichen Individuen im ganzen hypsidolichocephal sind.
sind die weiblichen mehr orthomesocephal, — bei beiden zeigt die Sagittal-
kurve eine mehr frontale und parietale als eine occipitale Entwicklung des
Schädels; springt ferner die Glabella vor, ist die Nasenwurzel eingesunken,
die Fossa canina seicht, — alles Merkmale, welche der Bugre ebenfalls
zeigt, wie wir oben gesehen haben. Nur die verschmälerte Stirn und das
halbkuglige Hinterhaupt unterscheiden unseren Bugre sowohl von den
meisten Hotokuden wie vom Schokleng. Nur der jugendliche l'ancas-
Botokude vom Rio Doce8), der ganz derselben Altersklasse angehört, be-
sitzt hei einem Os Incae imperfectum ein gleich vorgewölbtes Hinterhaupt.
wie der Bugre, eine Tatsache, welche darauf hinweist, dass diese Vor-
wölbung als ein individueller, vielleicht auch als ein jugendlicher Charakter
aufzufassen sein dürfte.
Übersicht der Masse.4)
Schokleng Bugre
1. Kapazität — ■ 1340 c.c.
•_. Grösstc Horizontallänge Virchow IST L76
Länge 189 181
I. IntertuberaHänge L85 175
5. Gröaste Breite Virchow 137 L36
iL Gerade Höhe Virchow — 128
7. Ohrhöhe Virchow 112 113
8. Horizontale Länge des Hinterhauptes Virchow — Hl
'.>. Entfernung - l^r Nasenwurzel vom Hiuterhauptslnch Virchow — 97
10. r „ n Gehörgang Virchow . . 113 1"1
11. Breite der Schädelbasis 108 9G !
12. Länge der Pars basilaris — 29
13. „ des Foramen magnum 38
11. Breite „ „ „ _
15. Horizontalumfang Virchow 521 500
16. Sagittalumfang des Stirnbeins Virchow 131 li'L
L7. .. der Parietalia Virchow 105 L30
I inkl. das osfon-
ticuli posterius]
li Anthropologische Studien usw. 1. c S. 161.
2 /. f. Ethnologie 1887, S. 67 ff-
3 Orania ethnica americana, Tf. XIII.
i Der leichteren Vergleichung wegen sind die von Virchow in den Crania ethnica
americana gebrauchten Blasse und Indices hier durch Zusah Beines Namens besonders
hnet.
— 852 —
Schokleng Bugre
18. Sagittalumfang der Squama occipitis Virchow — 112
19. „ ganzer Sagittalbogen Virchow — 363
20. Vertikaler Querumfang 300 302
21. Minimale Stirnbreite Virchow 90 81
22. Gesicht Höhe A Virchow — 10!)
23. .. „ B Virchow 70 61
24. .. Breite a Virchow 130
25. .. „ b Virchow 112 99
26. .. „ c Virchow — 93
27. Orbita, Höhe Virchow 36 34
28. Orbita, Breite Virchow 44 43
29. Na^e. Höhe Virchow 53 48
30. „ Breite Virchow 28 (?) 25
;'>1. Gaumen. Länge Virchow 56 51
32. .. ■ Mittelbreite Virchow 41 37
-'..:. .. Endbreite 40 43
34. Prolillänge des Gesichts, Kollmann — 93
35. ProHlwinkel 84° 81°
Berechnete Indiccs Virchow.
Schokleng Bugre
Längenbreitenindex 7:'>,:'> 77,3
Längenhöhenindex — 72,7
Ohrhöhenindex 59,9 64,2
Hinterhauptsindex — 34,6
Gesichtsindex — 83,8
Mittelgesichtsindex, Breite b, Höhe b 62,.") 61,6
( »rbitalindex 81,8 79,1
Nasenindex 52,8 52,1
Gaumenindex 7-">,2 72.-")
Hr. Ehr enr eich: Die ethnologische Stellung' der sogenannten „Bugres"
von S. Catharina ist noch immer recht unsicher, da wir über deren
Sprache noch so gut wie nichts wissen. In Lebensweise und Kulturbesitz
schliessen sie sich freilich durchaus den sog. niederen Gesstämmen an,
deren bekannteste Vertreter die oft mit ihnen verwechselten Botokuden
sind. Auch ist der Name Schokleng, mit dem sie sich nach dem
Zeugnis von August S. Hilaire selbst bezeichnen sollen, ein entschiedenes
Geswort analog dem Kayaponamen Uschikring. Ks besteht jedoch die
Möglichkeit, dass dieser Name nicht ihr eigener ist, sondern ihnen von
ihren Nachbarn, den Käme (Cäingäeng), gegeben wurde. Die von Hrn.
Lissauei' angeführten kraniologischen Tatsachen würden wenigstens für
ihre anthropologische Verwandtschaft mit den Ges ein wichtiges Argument
sein. Eine definitive Entscheidung lässt sich jedoch nicht geben, ehe ein
einwandfreies sprachliches Material vorhanden ist.
Sitzung- vom 19. November 1904.
Vorsitzender: Hr. Lissauer, später Hr. Waldeyer.
(1) Der Vorstand liar an Stelle des verstorbenen Geh. Sanitätsrats
Professor Dr. Max Bartels Hrn. Dr. Neuhauss als Schriftführer kooptiert.
Von Hrn. Traeger sind aus Kroatien und Serbien Grüsse an die
Gesellschaft eingetroffen. —
• (2) Y«»n unseren Mitgliedern sind in den letzten Monaten noch _ -
storben die Herren Dr. Gatte! in Berlin und Geh. Sanitätsrat [deler
in Wiesbaden.
Wir beklagen ferner den schweren Verlust, den die Naturwissen-
schaften insgesamt durch den Tod Av^ berühmten Vulkanforschers Alton-
St übel in Dresden erlitten halten. Unserer Gesellschaft stand er nahe
durch die Ausgrabungen, welche er mit Wilhelm Reiss auf dem Gräber-
feld von A.ncon und selbständig auf der Ruinenstätte Tiahuanaco ver-
anstaltet und deren Ergebnisse in prachtvoll ausgestatteten Werken, welche
eine Zierde unserer Bibliothek bilden, zum Teil gemeinsam mit l'hle.
veröffentlicht worden sind.
Wir weiden das Andenken aller drei Männer stets in Ehren halten. —
(3) Als neue .Mitglieder werden noch für das laufende Jahr gemeldet:
Hr. Dr. E. Simons, Arzt in Charlottenburg,
[ngenieur Xaver Kirchhof in Friedenau,
Stubenvoll in Vukovar a. d. Donau.
(4) Die Alterrunisgesellsehaft l'russia feiert heute den 60jährigen
Stiftungstau. Wir haben der rüstig fortschreitenden Gesellschaft tele-
graphisch unsere herzlichen Glückwünsche ausgesprochen. —
(5) Der Vorsitzende begrüsst die Herren Dr. Lehmann- N itsche
aus La Plata und Professor Thilenius aus Hamburg' als Mitglieder,
und die Herren Dr. Lewitt, Pa--ar_e, Sternbeck und Geh. Baurat
Sehini eilen aus Berlin als Gäste. —
— 854 —
(6) Hr. Lehmann-Nitsche, der sich zurzeit auf Urlaub in Deutsch-
land aufhält, zeigt
altpatagonische, angeblich syphilitische Knochen
aus dem Museum zu La Plata.
Die Frage von dem amerikanischen Ursprünge der Syphilis ist in
neuerer Zeit wieder in den Vordergrund des Interesses getreten und gerade
durch die Arbeiten von Iwan Bloch wesentlich gefördert, wenn nicht gar
gelöst worden. Mit aller Entschiedenheit tritt dieser Autor dafür ein.
und mau muss gestehen, dass seine Darlegungen sehr überzeugend wirken.1)
Auch auf dem letzthin, Ende August d. J., in Stuttgart abgehaltenen
14. internationalen Amerikanistenkongresse hat Bloch dies Thema er-
örtert und dank der vorzüglichen Organisation war das gedruckte Pro-
gramm mit der Übersicht der angekündigten Vorträge noch unmittelbar
vor meiner Abreise aus Argentinien Anfangs Juli in meinen Händen.
Ich entscliloss mich daher, diejenigen menschlichen Knochen aus der
anthropologischen Abteilung des Museums zu La Plata, welche syphilis-
verdächtig waren, mitzunehmen und dem Amerikanistenkongresse wie
heute der Berliner Anthropologischen Gesellschaft zur Nachprüfung vor-
zulegen. Während in Stuttgart die Präparate von Spezialisten nicht nach-
geprüft werden konnten, da solche dem Kongresse nicht beiwohnten,
wird heute Hr. Professor v. Hansemann die Güte haben, sein Urteil
darüber abzugeben.
Aus dem grossen losen osteologischen Material der anthropologischen
Sammlung, in welcher vor allem Araukaner, Calchaqui, San Juan-Ur-
bevölkerung und Patagonier vertreten sind, hatte ich schon früher alles
Pathologische ausgesondert und in besonderen Schrankabteilungen nach
Art eines pathologischen Kabinets miteinander vereinigt. Die aus dem
Chubuttale (Patagonien) aus alten indianischen Grabstätten stammenden
krankhaften Knochen habe ich inzwischen in einer Statistik nach den
verschiedenen pathologischen Veränderungen übersichtlich zusammen-
gestellt und bin im Texte zu dieser kleinen Publikation2) speziell auf
die Krankheit yja §£o%r]v der alten Patagonier, die Arthritis deformans
näher eingegangen. Hr. R. Stegmann hat dann gelegentlich eines
Aufenthaltes in Argentinien so ziemlich das gesamte Material des patho-
logischen Kabinets sowie die armierten Skelette einer Untersuchung unter-
zogen ii 1 1 • 1 darüber vor der Wiener anthropologischen Gesellschaft einen
Vortrag gehalten, der soeben im Druck erschienen ist.8)
Momentan interessieren uns nur die ayphilisverdächtigen Stücke. In
meiner Statistik über die pathologischen Knochen der alten Patagonier
h Bloch, Der Ursprung der Syphilis. I. Band. Jena, Verlag von Gustav Fischer
L901. — Ein Auszug davon ist des gleichen Verfassers Vortrag: Das erste Auftreten der
Syphilis (Lustsenche) in der europäischen Kulturwelt. Jena, Verlag von Gustav
I i eher, 1904.
2j I.'lnnann-Nitsciie, La arthritis deformans de los antiguos Patagones. Contri-
bueiön ;i la antropo patologia. Revista de] Museo de La Plata, XI, p. L99 — 204 (1903)
"0 Stegmann, Knochensystemerkranknngen südamerikanischer Indianer (mit Be-
rücksichtigung altperuanischer Vasen). .Mitt. der anthrop. Ges. Wien. 1904, S. [68]— [89].
— 85.") —
ans dem Chubuttale Bind drei rechte Tibien /.war unter aller Reserve als
„syphilitisch?* aufgezählt, von Hrn. Stegmann aber aach genauer Nach-
prüfung ganz gestrichen worden. Dagegen erklärt er ein Paar Schien-
beine nebst den dazu gehörenden Wadenbeinen, welche aus den gleichen
Grabstätten des Chubuttales stammen, wie jene, in meiner Statistik aber
überhaupt nicht aufgeführt wurden, als einwandfreien Fall. Er glaubt
bestimmt (S. [83J), „dass es sich um multiple gummöse Osteomyelitis
handelt. Die Tibien weisen an verschiedenen Stellen zirkumskripte Auf-
Abli. A.
Aus Stegmann 1. c. S. [84]. Fig. 60 I
treibungen auf. Knuten, die an ihrem höchsten Tunkt Öffnungen zeigen,
die in die Markhöhle hineinführen. Das multiple Auftreten ist charakte-
ristisch für die VtVekt'mii der langen Röhrenknochen. Leider Lässt sich
für diesen einwandfreien Fall der präkolumbianische Ursprung Dicht uach-
w ei-en.-
[ch bemerke hierzu, dass Er. Stegmann nur die beiden Tibien
s. Ubb. A.), nicht aber auch die beiden dazu gehörenden Wadenbeine be-
rücksichtigt und auch nicht sagt, dass die Stücke aus den gleichen Grab-
stätten des Chubuttales, aus der Umgegend der Walliser Kolonie Trelew.
herstammen, wie die in meiner Statistik behandelten. Ich habe da kurz
— 856 —
diese Gräber wie die dazu gehörenden Beigaben charakterisiert und »e-
sagt (1- c. S. 200), dass die Ausgrabungen im Jahre 1893 im Auftrage des
Museums zu La Plata von dem damaligen ersten Präparator Hrn. Santiago
Pozzi vorgenommen wurden, dass die zahlreichen Schädel (über 300) und
Skelette (19 armierte sowie über "2000 lose Knochen) sehr charakteristisch
sind und die betreffenden Leute als Vorfahren der heutigen bekannten
Tehuelche aufzufassen wären; dass die Beigaben, prächtig gearbeitete
steinerne Pfeilspitzen, Wurf kugeln aus Stein, Halsketten aus durchbohrten
Muschelscheibchen, steinerne, offenbar zu Zeremonien bestimmte Äxte von
flacher Hantelform, auch einige grosse Gefässe aus gebranntem Ton, keinen
Abb. B.
Aus Stcgmaun 1. c. S. [83]. (Fig. 58.)
europäischen Einfluss aufweisen und auch nichts direkt Europäisches ge-
funden wurde. Ich kann jetzt zufügen, dass die betreffende Kultur der-
jenigen durchaus gleich ist, welche von Hrn. Yerneau in seinem voriges
Jahr auf Kosten des Fürsten von Monaco herausgegebenen Prachtwerke:
.. Lfs aiiciens Patagons" in guten Tafeln dargestellt wurde und welche ja
auch vorwiegend aus dem Territorium Cliubut stammt, und ich glaubt»
nicht, dass jemand an dem präkolumbianischen Ursprung derselben zweifeln
könnte.
Um nun auf die beiden Tibien zurückzukommen (Abb. A). so scheint
mir eine so prägnante Diagnose, wie sie Hr. Stegmann aufstellt, zweifel-
haft, bei der weitgehenden Wichtigkeit aber eine Nachprüfung an den
Originalen durch Spezialisten durchaus notwendig. Ich selber hatte den
Fall nie für luetisch gehalten. Hr. v. Hansemann wird aber die Gräte
halten, darüber sein kompetentes Urteil abzugeben. Ich zeige Ihnen die
rechte Tibia und die beiden Wadenbeine, die linke Tibia ist in La Plata
geblieben, ihre pathologischen Veränderungen ^ind aber die gleichen wie
bei der rechten und aus Abb. A genügend deutlich zu erkennen.
In seiner Arbeit hat Hr. Stegmann ferner einen Schädel behandelt,
der aus den gleichen Ausgrabungen aus dem Chubuttale stammt wie 'bi-
Material meiner Statistik und die eben besprochenen Beinknochen (s. Abb. 1»
und C). Wenn er sagt, dass die Provenienz, oder besser ausgedrückt die
präkolumbianische Abstammung, nicht völlig gesichert ist, so verweise ich
Abb. C.
Aus Stegmann i. c. S. [83]. (Fig. 59.)
auf das bei dem eben abgehandelten Falle Auseinandergesetzte. Der von
Hrn. Stegmann sehe gut beschriebene und photographierte Schädel zeig<
nach ihm die Anzeichen entweder einer gummösen Erkrankung der Diploe
oder einer infektiösen Diploitis, einer ausgedehnten Osteomyelitis des
Schädeldaches, Hr. Stegmann entscheidet sich aber nicht für die eine
>>der die andere Diagnose and ich habe das Stück auch nicht erst
mitgebracht. Die Abbildungen B und C genügen. Leider ist das
Samte schöne Material aus dem Chubuttale nicht von geschulter Hand
geborgen wurden und fand sich bei meinem Eintritt in das Museum zu
La Plata (1897) den bereits vor. Die Möglichkeit, wie mir jetzt ein-
fällt, dass die vorhin behandelten Knochen der unteren Extremität und
der vorliegende Schädel dem gleichen Individuum angehörten. i>t nicht
tschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft 6. -,-,
— 858 —
ausgeschlossen, sogar recht wahrscheinlich und es ist daher auch des-
wegen zu folgern, dass es sich bei dem Schädel um Osteomyelitis, nicht
Syphilis handelt.
Schliesslich brachte ich den dritten eventuell hier in Frage kommenden
Fall aus dem La Plata-Museum mit. Es ist eine defekte Schädelkapsel
aus dem Rio Negro-Tal, von Hrn. Moreno1) gefunden und 1880 von ihm
der anthropologischen Gesellschaft zu Paris vorgezeigt. Das präkolumbische
Alter ist zweifellos. In der auf Hrn. Morenos Vortrag folgenden Debatte
wurden die pathologischen Läsionen von Bordier, Bertillon Vater und
Broca für luetisch erklärt, aber nicht genauer beschrieben. Hr. Steg-
Abb. D.
Aus Stegmaun 1. c. S. [81 J. (Fig. 56).
mann hat das Versäumte nachgeholt und Abbildungen beigefügt (s. Abb. D
und E). Es handelt sich um ein Trauma und eine Erkrankung der
Schädeldecke und Stegmann kommt nach eingehender Prüfung zu dem
Schlüsse, dass letztere wahrscheinlich in ursächlichem Zusammenhange
mit dem Trauma stehen, es sich also um traumatische Osteomyelitis
handele, dass aber auch kein Zusammenhang anzunehmen und Syphilis
nicht ausgeschlossen sei Bei der Wichtigkeit dieses Falles, welcher schon
wegen des Urteils der französischen Forscher eine genaueste Nachprüfung
verdient, möchte ich ganz besonders darauf aufmerksam machen, ein
sicheres Urteil wird nur ein erfahrener Spezialist zu fällen imstande sein.
Sollten die vorgezeigten Fälle auch nicht die Annahme einer prä-
kolumbianischen Syphilis belegen, so sprechen sie doch nicht dagegen.
L) Moreno, Sur doux cränes prelristoriqucs rapportes du Kio Negro. Bull, de la
Soc. d'Anthr. de Paris, 1880, p. -190-497.
859 —
Wenn man von «lein „amerikanischen" Ursprung- dieser Krankheit redet,
so denkt man von Europa aus nicht an die ungeheure Ausdehnung dieses
Kontinentes und behauptet, ohne sich viel zu überlegen, mit dem Aus-
druck „amerikanisch" doch eine allgemeine Ausbreitung der Krankheit
im Bereiche von ganz Amerika. Nun weisen aber die Studien Blochs
und die alten Quellen auf ganz bestimmte Bezirke, nämlich die Antillen
und den zentralamerikanischen Kontinent, als Stammland der
Syphilis hin. Hier zunächst muss man daher nach den osteologischen
Belegen dieser Krankheit suchen, nicht in Gegenden, wo uns nichts davon
berichtet wird, wie Patagonien, und das gilt gewiss auch von Peru.
Ab!>. E.
Aus Stegmann 1. c. S. [81]. (Fig. 51 )
Hr. v. hLansemann: Ich habe eben diese Knochen zu sehen be-
kommen und muss sagen, dass für mich eigentlich ein zwingendes Be-
dürfnis, sie als syphilitisch zu betrachten, nicht vorliegt, und /.war aus fol-
genden Granden.
Wenn Sie diese Tibia betrachten, finden Sic. dass die vordere Kante
daran vollkommen scharf und dünn, aber nicht verdickt ist ; dagegen sind
zwei Verdickungen fast an der hinteren Fläche vorhanden. Man sieht
ganz deutlich an diesen Stellen grössere Löcher, die tief hineingehen.
Das deutet auf Fisteln hin, die liier offenbar vorhanden gewesen sind.
Fisteln, von denen man sieh vorzustellen hat. dass sie aus dem Innern
des Knochens nach aussen hinausführten, dass es Eiterungen gewesen
sind, die in dein Innern des Knochens vorhanden waren. Dies würde sich
entscheiden lassen, wenn man den Knochen aufsagte und nachsähe, ob
Höhlungen vorhanden sind. Nun sind solche Fistelgänge bei syphilitischen
— 8G0 —
Vorgängen äusserst selten. Ich will nicht leugnen, dass es unter Um-
ständen vorkommen kann, dass eine syphilitische Erkrankung der Knochen
sekundär in eine Eiterung übergehen kann; das ist dann aber sekundär
und gehört nicht eigentlich zum Wesen der Syphilis. Die Eistelgänge
widersprechen also nicht absolut der syphilitischen Art der Erkrankung,
aber sie sprechen auch nicht dafür, jedenfalls sind sie kein Beweis dafür.
Ferner sind solche Verdickungen an der Tibia bei Syphilis etwas
ganz aussergewöhnliches; ich habe eigentlich nie gesehen, dass die Syphilis
so etwas hervorbringt. Die charakteristischen Veränderungen, die ich
unter allen Umständen als syphilitisch ansprechen möchte, betreffen immer
die vordere Kante; da ist die vordere Kante gewölbt und ist rauh an der
Oberfläche. Aber es entstehen da keine Eiterungen. Ich glaube vielmehr,
dass diese Verdickungen etwas ähnliches sind, wie das, was man auch an
den Knochen der Finger sieht und was einen tuberkulösen Prozess dar-
stellt. Man nennt das eine Spina ventosa. Ich will zwar nicht behaupten,
dass das hier notwendig ein tuberkulöser Prozess gewesen ist; es
kann auch ein osteomyelitischer Prozess gewesen sein. Ich habe also
keinen Beweis dafür, dass hier Syphilis vorliegt.
Dabei bemerke ich, dass Professor Seier mir vor einiger Zeit einen
peruanischen Schädel — es wird versichert, dass er aus präkolumbischer
Zeit stammt — vorgelegt hat. Da lagen Veränderungen vor, die nicht
anders als auf Syphilis zu deuten waren. Bei diesem Schädel war das
liesultat ganz eindeutig, und ich konnte ihn durch die Liebenswürdigkeit
des Museums auf dem letzten Dermatologenkongress demonstrieren. Aber
bei diesen Tibien will ich die Verantwortung nicht übernehmen. Ich
will nicht bestreiten, dass es Syphilis sein könnte; aber ich habe keinen
Beweis dafür. Auch an den beiden Fibulae sieht man die Fistel-
bildung. Wenn wirklich so etwas sekundär an der einen oder anderen
Stelle bei Syphilis vorkommen kann, so ist es doch sehr auffällig, dass
an allen diesen Knochen osteomyelitische Bildungen vorhanden sind. Ob
der Prozess nun tuberkulös oder einfach eitrig war, das lasse ich dahin-
gestellt.
Ausser der hier erwähnten Tibia legte mir Herr Dr. Lehmann-
Nitsche ein Schädelfragment vor, das Herr Stegmann in Wien in der
von Herrn Nitsche erwähnten Arbeit auf Seite 81 abgebildet hat. Es
ist derselbe Schädel, der schon im Jahre 1880 der anthropologischen Ge-
sellschaft in Paris von Moreno vorgelegt wurde und über den sich auch
Broca geäussert hat. Wie aus den Angaben des Hrn. Stegmann her-
vorgeht, haben auch die Herren Bordier und Bertillon diesen Schädel
für syphilitisch gehalten, Ilr. Lehmann-Nitsche hat mich gebeten, hier-
unter auch noch einige Worte über dieses interessante Objekt hinzu-
zufügen.
An dem betreffenden Schädel sind offenbar zwei verschiedene Ver-
änderungen sichtbar. Die eine derselben kann als syphilitisch wohl kaum
in Präge kommen. Es ist die von Hrn. Lehmann-Nitsche und auch
von II in. Stegmann geschilderte Erhebung, die auf dem linken Seiten-
wandbein sich befindet und bis auf das Stirnbein übergreift. Von Hrn.
— 861 —
Stegmann wird diese Veränderung- als ein Wall bezeichnet. Ich möchte
sie eher als eine zackige, zum Teil geradezu überhängende Leiste be-
zeichnen. Offenbar sind einige dieser Zacken später abgebrochen. Es
liegt zweifellos am nächsten, diese eigentümliche Leiste als die Folge
eines Traumas aufzufassen. Allerdings betrachte ich das nicht als absolut
sicher, und vor allen Dingen deswegen nicht, weil an der Innenfläche des
Schädels dieser Leiste keinerlei Veränderung entspricht. Sie kann in-
dessen kaum besser verglichen werden, als mit den Verschiebungen, die
Eisschollen machen, wenn sie gegeneinander gedrückt werden, und so
macht es auch hier den Eindruck, wie wenn die Knochenteile 'gesprungen
und gegeneinander verschoben worden wären. Nun kommt für die
Betrachtung der übrigen Veränderung an dem Schädel diese Leiste nicht
weiter in Frage, und es kann deswegen ruhig dahingestellt bleiben, auf
welche Weise dieselbe entstanden ist.
Wesentlicher sind folgende Veränderungen. Die ganze Oberfläche
des Schädels ist durchaus unregelmässig, bald finden sich kleine Er-
höhungen, mehr aber auch Vertiefungen und Dellen, wieder von flachen
Buckeln unterbrochen. Mit Ausnahme der entsprechenden Zustände am
Stirnbein sind diese Veränderungen ausgesprochen narbiger Natur. Be-
sonders deutlich ist das zu sehen am hinteren Rande des Stirnbeins
nahe dem Bregma nach rechts herüber. Nach vorn hin nehmen die Ver-
änderungen stark zu, und hier haben sie nicht mehr den glatten ausge-
heilten Charakter, sondern die etwas hervorragenden Knochenränder setzen
sich gegen die Defekte scharf und kantig ab. Das gilt ganz besonders
von einem direkt auf der Glabella gelegenen Defekt, der das ganze
Schädeldach durchsetzt und auf der Innenfläche zum Vorschein kommt.
so dass hier ein direktes Loch im Schädeldach ist. Daneben sind noch
einige andere Stellen, wo ebenfalls die Erkrankung das Schädeldach durch-
setzt hat und auf der Innenfläche erscheint, aber wo noch nicht vollstän-
dige Löcher entstanden sind. Die Unregelmässigkeit der Knochennarben
erstreckt sich bis auf die Augenränder und greift sogar noch auf die
Jochfortsätze des Stirnbeins über. Im Gegensatz zu diesen ganz ausge-
zeichneten Veränderungen des äusseren Schädeldaches finden sich an der
Innenfläche nur dort Veränderungen, wo, wie vorher geschildert, am Stirn-
bein die Affektion die ganze Dicke des Schädels durchsetzt. Aber auch
hier sind die Ränder dieser Defekte nicht gewulstet wie an der Aussen-
Bäche. Die Lamina interna des Schädels hat auf die Affektion offenbar
nicht mit Knochenwucherungen reagiert.
Das ganze Bild spricht ganz unzweifelhaft für eine Syphilis, denn
ich wüsste in Wirklichkeit keine andere Erkrankung, die einen solchen
perforierenden Defekt zugleich mit so ausgezeichneten glatten Knochen-
narben erzeugen könnte. Auch das ist charakteristisch, dass die Knochen-
neubildung an den Bändern der Defekte lediglich auf die Lamina externa
beschränk! ist und an der Lamina interna nicht hervortritt. Irgend welche
eitrigen Zustände würden niemals imstande sein, so glatte Knochennarben
und eine solche Knochenhyperplasie hervorzubringen. Auch die Tuber-
kulose des Schädeldaches ergibt bekanntlich ein durchaus anderes Bild
— 862 —
als liier vorliegt. Endlich kann man auch eine Geschwulstbildung mit
grösster Sicherheit ausschliessen, und etwas anderes z. B. Lepra, Aktino-
mykose, traumatische Veränderungen usw. könnten ja gar nicht in Frage
kommen. Mir scheint also die syphilitische Natur dieser Veränderungen
erwiesen zu sein, einmal positiv durch die genaueste Übereinstimmung
dieser Veränderungen mit sonst als sicher syphilitisch bekannten, und
zweitens per exclusionem, durch Ausschliessung irgend welcher anderer
Ursachen.
(7) Hr. Hans Virchow legte
zwei Fundstücke von der Oldenburg bei Hedeby
in der Nähe von Schleswig vor, die er im September unter Führung des
Hrn. Dr. Knorr besucht hatte, welcher dort die vom Museum in Kiel
veranstalteten Ausgrabungen leitete. Das eine dieser Objekte ist ein
Stück Trass (von einer Handmühle), wie dort zahlreich gefunden wird,
das andere die abgesägte Krone eines Hirschgeweihes, wie sie gleichfalls
vielfach vorkommen. Übrigens wurden die vorgelegten beiden Stücke
nicht bei der Grabung gewonnen, sondern auf dem Acker gefunden.
(8) Derselbe legte
sechs Photos von Westgrönländern
aus der Gegend von Ivigtut (einzelne Personen und Gruppen) vor, welche
ihm Hr. Fred. Edwards schenkte, der dort jahrelang an dem der dänischen
Regierung gehörigen Kryolith-Bergwerk erst als Angestellter, dann als
Direktor tätig war und diesem Umstände eine genaue Kenntnis der Be-
völkerung verdankt. Die Aufnahmen zeigen die auch sonst bekannte Tat-
sache, dass der westgrönländische Typus in starker Weise und sehr
wechselnden Graden mit europäischem Blute gemischt ist, was dadurch
begünstigt wird, dass die Mädchen es als einen Vorzug ansehen, ein Kind
von einem Europäer zu haben.
(!)) Hr. Ehrenreich erstattet Bericht über den
14. Amerikanistenkongress in Stuttgart.
Der 14. Amerikanistenkongress, der vom 18. — 23. August d. J. in Stutt-
gart tagte, stand an wissenschaftlicher Bedeutung hinter keinem seiner
Vorsänger zurück und übertraf vielleicht alle durch den Reichtum des
Anschauungsmaterials und die Mannigfaltigkeit der behandelten Themata.
Die Befürchtung, dass die ganze Veranstaltung sich im wesentlichen inner-
halb des Kreises der deutschen Interessenten abspielen würde, erwies sicli
glücklicherweise als grundlos. Die Beteiligung ausländischer Forscher war
über Erwarten gross, obwohl ein Teil von ihnen der vielleicht etwas zu
sehr dominierenden, deutschen Sprache nicht mächtig war. Von den
• ■uropiiischen Ländern waren vertreten:
Prankreich durch Prof. Harn y, den Mexikanisten Lejeal, den Er-
forscher Boliviens Grafen Crequi de Montfort.
England durch einen seiner führenden Geister, Sir Clemens Markham.
— 863 —
Schweden durch Prof. Hjalmar Stolpe und Graf von Rosen, den
Chaco-Forscher.
Dänemark durch Prof. Nielsen und den Grönlandforscher Dr. Thal-
bit z e r.
Die Niederlande durch Dr. Panhuys, Mitglied der Surinam-Expe-
dition und den unermüdlichen Dr. Schmeltz-Leyden.
Russland durch die Sibirienforscher Jochelson, Bogoras und
Sternberg.
Nordamerika hatte unsern ausgezeichneten Landsmann Prof. Boas
entsandt, ausserdem Prof. Holmes und Dr. Currier, Präsidenten der
Catholic seminary school in Washington u. a. und last not least den hoch-
herzigen Förderer aller auf die altamerikanischen Kulturen bezüglichen
Studien S. Excellenz den Duc de Loubat.
Aus Südamerika waren erschienen Dr. de .longhe, Mitglied des
Council of British Guiana, Prof. Goeldi-Para, Dr. Lehmann Nitsche-
La Plata sowie Dr. Pablo Patron-Lima.
Die deutschen Amerikanisten im weitesten Sinne waren natürlich
ziemlich vollzählig anwesend, namentlich auch Geh. Rat Reiss-Könitz,
während Prof. Förstemann und Dr. Stübel, dessen Ableben wir
inzwischen betrauern mussten, leider vermisst wurden.
Ihre königl. Hoheit Prinzessin Therese von Bayern bekundet»'
ihr reges Interesse an der Amerikanistik durch ihre unermüdlich»' Teil-
nahme an allen Sitzungen und Demonstrationen bis zum Schlüsse, was
nicht jedes Mitglied von sicli sagen kann.
Se. Majestäf der König Wilhelm II. hatte als Protektor die Gnade.
den Kongress persönlich zu eröffnen und die Mitglieder mit einem gast-
lichen Empfang auf der Wilhelma, sowie später auf dem Schlosse zu
Friedrichshafen zu beehren. Um die äusseren Arrangements hatte sich
der unermüdliche Förderer geographischer und ethnologischer Interessen
Kammerherr ;i 1). Graf Linden als Vorsitzender des wurttembergischen
Vereins für Handelsgeographie, Hr. Oberstudienrat Prof. Lampert, als
Generalsekretär und in seiner Vertretung Hr. Oberbibliothekar Prof.
von Stockmaver sowie Hr. Th. Wanner als Schatzmeister verdient ge-
macht und sich den tiefgefühlten Dank aller Teilnehmer erworben.
In der Eröffnungssitzung erinnerte Prof. H am y- Paris an die vor
grade einem Jahrhundert erfolgte Rückkehr Humboldts und Bonplands
von ihrer denkwürdigen amerikanischen Reise, die die wissenschaftliche
Erforschung Amerikas gleichsam inauguriert und gab eine Reihe biogra-
graphischer Mitteilungen besonders über das spätere Wirken Bonplands
in Paraguay auf grund neuen .Materials. Ms kam hierbei eine auf Ver-
anlassung des Vereine für Handelsgeographie hergestellte Doppelplaquette
zur Verteiluni;- mit den Bildnissen beider Reisenden und zwei andinen
Landschaftsbildern. Rektor Kapff-Stuttgart sprach des weiteren über den
Anteil der Württemberger an der Kolonisation Nordamerikas.
Aus der Reihe der Streng Wissenschaft liehen Vorträge, die vom 19. ab
nur durch den Ausflug nach Schloss Lichtenstein am 21. unterbrochen,
einander folgten, seien nur die wichtigsten hervorgehoben.
— 864 —
Geologischen Inhalts waren die Ausführungen des Prof. Fr aas -Stuttgart,
der die Juraformationen Amerikas und der alten Welt vergleichend darauf
hinwies, dass diese in der neuen Welt den Charakter von Landbildungen
tragen, daher sich dort ein reiches Kontinentalleben entfaltete, zu einer
Zeit, wo Europa und Nordasien noch vom Meere bedeckt waren.
Prof. Hans Meyer-Leipzig, der einigt' seiner interessanten Land-
schaftsbilder aus den Hochgebirgen von Ecuador ausgestellt hatte, besprach
die eiszeitlichen Verhältnisse jener Gegenden und kam zu dem Ergebnis,
dasa die massenhaften vulkanischen Eruptionen während der Diluvialzeit
dem Menschen daselbst keine Existenzmöglichkeit gewährt haben, wogegen
Geh. Rat Reiss die Unwahrscheinlichkeit einer gleichzeitigen Tätigkeit
der dortigen Vulkane hervorhob.
Die Entdeckungsgeschichte trat diesmal etwas in den Hinter-
grund. Nielsen-Kopenhagen und P. Fischer behandelten die Grönland-
uinl Vinlandfahrten der Normannen und die ältesten kartographischen
Darstellungen dieser Länder unter Resumierung früherer Arbeiten, Wolken-
h au er- Göttingen beantwortete die Frage, ob die magnetische Deklination
schon vor Columbus bekannt gewesen sei, bejahend.
Froidevaux-Paris machte auch auf unsere mangelhafte Kenntnis der
Geschichte der westindischen Flibustier aufmerksam und forderte zu einer
diesbezüglichen Durchforschung der spanischen Archive auf.
Lejeal -Paris besprach die historische Bedeutung der Memoriales des
Fray Toribio Motolinia, die die Urform seiner „Historia de las Indias"
darstellen und kürzlich von Icazbalceta in Madrid publiziert sind.
Iwan Bloch-Berlin endlich fasste die Ergebnisse seines Buches über
den Ursprung der Syphilis zusammen durch Erörterung aller Beweise, die
für die amerikanische Herkunft der Krankheit und ihren Import durch die
Miinnschaft des Columbus sprechen.
Die Archäologie brachte eine ganze Reihe interessanter Nova, die
meist durch Lichtbilder illustriert wurden.
Prof. Bässler sprach über seine Analysen peruanischer Metallgeräte
und wies nach, dass die sogenannten Bronzen keine künstlichen Legierungen,
sondern natürliche Mischungen sind, da dem verwendeten Kupfererz Zinn.
Blei und Arsen beigemengt sind. Er führte sodann Röntgenaufnahmen
peruanischer Mumienballen vor, aus denen sich eine Menge neuer Tat-
sachen über die Bestattungsweise ergab, namentlich dass manche Ballen
zwei bis drei Individuen enthalten. Graf Crequi de Montfort-Paris
berichtete über seine Exploration bolivianischer Nekropolen sowie über neue
Ausgräbungen auf dem Ruinenfelde von Tihuanaco, durch die eine Menge
bisher unbekannter Details, wie /.. IS. ausgedehnte Kanalanlagen, festgestellt
\s urden.
Prof. Seier-Berlin erläuterte das berühmte Nephritidol des Quetzal-
couatl, die „Perle" der Stuttgarter ethnographischen Sammlung, und führte
eine Anzahl interessanter Steinbildwerke vom sogenannten Castillo de
Teayo im Distriki von Papantla des Staates Veracruz vor, die in pracht-
voller Ausführung fast das ganze mexikanische Pantheon illustrieren und
— 865 —
beweisen, dass in dieser Provinz der gleiche Kultus wir- in Mexiko selbst
bestand.
Aufsehen ernste <lie Vorlage neuer, phantastische Menschön- und Tier-
gestalten und Kombinationen solcher darstellenden Steinskulpturen vom
Amazonas, die Dr. Goeldi für das Paraenser Museum erworben hat.
Bisher war nur eins dieser völlig rätselhaften Objekte bekannt, das vor
etwa "J'> Jahren von Fischer und Andree beschrieben wurde. Die vor-
gelegten Abgüsse hat Hr. Goeldi gütigst dem Berliner Museum für Völker-
kunde überwiesen.
Die Nachbildung eines anderen, seltenen Stückes des Leydener Mu-
seums überreicht Hr. Schmeltz. Es handelt sich um die berühmte Maya-
Nephritstele, die das älteste Datum der Mayakultur trägt.
Ein besonderes Verdienst erwarb sich Miss Bretten durch Aus-
stellung eines Teils ihrer auf die mühevollste Weise hergestellten Kopien
von Maya- Wandgemälden aus Yucatan, deren nähere Erklärung Hr. Sei er
übernahm. Sie stellen Kriegs- und Opferszenen, Feste, Tänze u. dergl.
dar und zeigen uns die künstlerische Begabung dieses alten Kultur-
volkes in ganz neuem Lichte. In Sicherheit der Zeichnung, Leben-
digkeit des Ausdrucks künstlerischer Komposition, die besonders die Per-
spektive in trefflicher Weise berücksichtigt, übertreffen diese Bilder weitaus
alles, was uns z. B. der alte Orient an Leistungen der Malerei und Zeich-
nung hinterlassen hat.
Die ethnologischen Vorträge in engerem Sinne brachten Spezial-
mitteilungen über Naturvölker. Baron Rosen-Stockholm sprach über die
Ohorotes im nordwestliehen Chaco unter Vorführung interessanter Licht-
bilder. Herrn. Meyer-Leipzig behandelte auf grund seines neuen, noch
unedierten Materials Kunst und Ornamentik der Xingu-Indianer.
Prof. Regel-Würzburg machte Mitteilungen über die indianische Be-
völkerung von Antioquia und betonte die Wichtigkeit einer genaueren
ethnologischen Durchforschung des Atratogebietes. Prof. Sapper-Tübingen
legte ein Manuskript vor, enthaltend die Beobachtungen des Lehrers
ISTärciso aus S. Christobal Verapaz in (iuateniala über die Poconchi-
[ndianer. Dr. Preuss-Berlin erörterte die Parallelen, die /.wischen den
Sonnenfesten der Mexikaner und denen der heutigen Moki bestehen,
während Frau Soler-Steü'litz unter Vorlegung einer reichhaltigen Samm-
lung die Kleidertracht der heutigen mexikanischen Indianerinnen besprach
und darauf hinwies, dass ihr Schnitt im wesentlichen noch der alte sei.
während die Muster unter Einwirkung der Europäer eine eigene Ent-
wickelung eingeschlagen haben. Von den iionlamerikanischen Theinaten
seien nur die Bemerkungen von Prof. Boas-Newyork über den Einfluss
der sozialen Organisation der Kwakiutl auf das ganze Leben dieses Stammes
angeführt. Obwohl die Gentilverfassung hier ers< neueren Datums ist, so
beherrscht sie doch alle Verhältnisse des Rechts, Religionswesens und der
Sitte bis in> Einzelne.
Von aktueller Bedeutung waren diesmal die Vertraue aber Mytho-
logie und Sagenfor8ohung, sofern zweien der hervorragendsten Mit-
glieder der Jesup-Expedition, den russischen Reisenden Bogoras und
— 866 —
Jochelson Gelegenheit geboten wurde, ihre in Ostsibirien angestellten
Untersuchungen über die kulturellen Beziehungen der Nordasiaten zu den
Eskimo und Nordwestamerikanern im Umriss darzulegen. Jochelson be-
handelte die in den Mythen der Korjäcken und Tschuktschen nachweis-
baren amerikanischen Bestandteile und wies auf die grossen Unterschiede
hin, die zwischen den Traditionen dieser Stämme und denen der übrigen
sibirischen, bezw. uralaltai sehen Völker bestehen. Bogoras entwickelte die
Grundzüge der primitiven Weltanschauung und Naturauffassung nach Mass-
gabe der Mythen und des Folklore der Tschuktschen. Im Zusammenhange
mit den Ergebnissen der neuesten Untersuchungen über den Zusammen-
hang der alt- und neuweltlichen Tradition führte der Referent aus, dass
auch die Mythen Südamerikas bis zu einem gewissen Grade sich mit den
paeifischen und asiatischen verknüpfen lassen und dass manche Elemente
auf Japan als Ausgangspunkt hindeuten.
Zur Frage der Märchenwanderungen lieferte auch Dr. Lehmann-
Nitzsche aus Laplata einen interessanten Beitrag durch den Nachweis
der Aufnahme zahlreicher Grimmscher Märchen in den Sagenschatz der
argentinischen Araukanen, den für die chilenischen schon Lenz in Santiago
erbracht hatte. Diese Auswahl möge genügen, um die Reichhaltigkeit des
wissenschaftlichen Programms zu illustrieren. Von den dem Kongresse
überreichten Publikationen sei nur der von Hrn. von den Stein en- Berlin
herausgegebenen und mit Erläuterungen versehenen Sepibo-Grammatik ge-
dacht, deren Manuskript vor einigen Jahren von dem Reisenden Richard
Payer im Ucayale-Gebiet aufgefunden wurde. Es wird uns damit zum
ersten Male ein Glied der weit verbreiteten Familie der Pano-Sprachen
bekannt.
In der Schlussversammlung wurde als nächster Kongressort für 1006
Quebec erwählt.
Den herzlichen Empfang und die grossartige Gastfreundschaft, die ihnen
in der schönen Hauptstadt des Schwabenlandes allerseits zu Teil wurdeT
werden alle Kongressmitglieder in dankbarer Erinnerung behalten.
Ein Ausflug zum Bodensee zur Besichtigung einiger urgeschichtlich
wichtiger Stätten und Sammlungen über Friedrichshafen nach Schaff-
hausen fand zahlreiche Beteiligung und schloss die ganze Veranstaltung
würdig ab.
(10) u. (11) Die Herren Gra ebner und Ankermann sprechen über
Kulturkreise und Kulturschichten in Ozeanien und Afrika.
Beide Vorträge werden später erscheinen. —
Sitzung vom 17. Dezember 1904.
Vorsitzender: Hr. Lissauer, später Hr. Waldeyer.
(1) Auch die letzte Sitzung in diesem Jahre müssen wir leider mit
der Todesanzeige zweier unserer älteren ordentlichen Mitglieder, der Herren
Robert Langerhans und Julius Lange und zweier anderer hochverdienter
Männer beginnen, welche zwar nicht unsere Mitglieder waren, aber durch
ihre Arbeiten uns sehr nahe standen, des Hrn. Stadtrat Mi eck in Prenzlau
und des Hrn. Emil Vouga in Marin am Neuenburger See. Hr Mi eck
war der Schöpfer des Museums in Prenzlau und ein eifriger Förderer der
prähistorischen Erforschung der Uckermark, während Hr. Youga um die
Kenntnis der La Tene-Station am Neuenburger See sich die grössten
Verdienste erworben hat.
Wir werden aller dieser Männer stets ehrenvoll gedenken. —
(2) Als neue Mitglieder noch für das Jahr 1904 sind gemeldet:
1. Hr. Baron Franz Nopcsa in Szacsal, Ungarn.
2. „ Zahnarzt Gustav Schroeder in Kassel.
(3) Hr. Lissauer erstattet namens des Vorstandes und im Auftrage
des Hrn. Waldeyer den
Verwaltungsbericht für das Jahr 1904.
Der Tod hat in diesem Jahre mit ungewöhnlicher Strenge die Reihen
unserer Mitglieder gelichtet, — ein Ehrenmitglied, drei korrespondierende
und 19 ordentliche Mitglieder sind ihm zum Opfer gefallen, darunter
Männer von höchster wissenschaftlicher Bedeutung. Wir haben ihnen in
den einzelnen Sitzungen schon Nachrufe gewidmet; aber die tiefe Trauer,
welche ihr Verlust hervorgerufen hat, besteht in unseren Herzen noch
fort. — Von den Ehrenmitgliedern verloren wir den greisen Professor
Philipp i in St. Jago, so dass deren Zahl nun auf vier gesunken ist.
Von den korrespondierenden Mitgliedern starben im Laufe des
Jahres die Herren Gemellaro in Palermo. Xicolucci in Neapel und
Ujfalvy von Mezö-Kövesd in Florenz; dafür sind fünf neue Mitglieder
gewählt worden: die Herren Capitan, Manouvrier und Rein ach in
Paris, Koganei und Tsuboi in Tokio, so dass die Zahl dieser Mitglieder
nun 113 beträgt,
— 868 —
Von Jen fünf immerwährenden Mitgliedern ist zu unserer Freude
kein Verlust zu melden.
Dagegen hat der Tod unter den ordentlichen alljährlich zahlenden
Mitgliedern recht empfindliche Lücken gerissen. Ich nenne in erster Linie
unseren unvergesslichen Schriftführer Max Bartels, an dessen Stelle der
Vorstand Hrn. Neuhauss kooptiert hat. Sodann starben die Herren
Abraham, F. Ascherson, Belli, Drory, Gattel, Härche, Hilgen-
dorf, Ideler, Jelly, Lange, R. Langerhans, v. Martens, Meyer-
■Cohn, Nehring, Petermann, Pudil, Robel und Rosenthal, — im
Ganzen 19. Ausgetreten sind 10. Neu eingetreten sind 38.
Da die Zahl der ordentlichen Mitglieder am Schlüsse des Vorjahres 513
betragen hatte, so treten wir in das neue Jahr mit einem geringen Mehr
von i>, nämlich mit 522 und mit Hinzurechnung der 5 immerwährenden
mit 527 Mitgliedern ein.
Auch unter den Forschern, welche nicht unsere Mitglieder waren,
aber mit uns denselben wissenschaftlichen Zielen zustrebten, hat der Tod
reiche Ernte gehalten. So sind Männer wie His, Mieck, F. Plehn,
Ratzel, Sixt, Stanley, Stübel, Vouga und Zittel im Laufe dieses
Jahres von uns geschiedeu.
Ich bitte Sie, zu Ehren aller dieser Toten sich von den Sitzen zu
erheben. (Geschieht.)
Sie wissen, welche Ansprüche an unsere Mittel durch die laufenden
Leistungen der Gesellschaft, insbesondere durch die Publikation der Zeit-
schrift für Ethnologie gemacht werden. Sowohl der Umfang dieser Ver-
öffentlichungen, als ihr Reichtum an Illustrationen, welche uns in dem
Wettstreit der Nationen einen so ehrenvollen Platz gewonnen haben, waren
nur möglich, indem wir unsere Jahreskasse fast ganz erschöpften. Nun
werden für das nächste Jahr neue bedeutende Ausgaben erforderlich sein,
um das Generalregister für die Bände 21 — 34, welches nach einem früheren
vergeblichen Versuche endlich fertig gestellt ist, drucken zu lassen und
so eine grössere Brauchbarkeit dieser inhaltreichen Bände für das Studium
zu ermöglichen. Der Staatszuschuss, welchen der Hr. Unterrichtsminister
in liberaler Weise wiederum bewilligt hatte, reicht bei weitem nicht aus,
diese gesteigerten Bedürfnisse zu befriedigen. Wir bedürfen also nach
wie vor einer grossen Hilfe durch zahlende Mitglieder. Mögen Sie daher
nicht in dem Streben ermüden, uns immer neue arbeitende und zahlende
Mitglieder zuzuführen!
Wir müssen an dieser Stelle zu unserm Bedauern wiederholen, dass
der Hr. I nterrichtsminister aus Mangel an verfügbaren Mitteln auch unser
zweites Gesuch, den Vortrag über das Erscheinen der „Nachrichten über
deutsche Altertumsfunde" zu erneuern, abschlägig beschieden hat, so dass
wir ans gezwungen sehen, dieses in weiten vaterländischen Kreisen ge-
schätzte Ergänzungsblatt unserer Zeitschrift eingehen zu lassen. Wenn
nun auch die Bibliographie und die Sammlung von Ausgrabungsberichten
.in- ganz Deutschland, deren Begründung der Minister von Gossler im
Jahre 1*8!> als dir eigentliche Aufgabe dieser „Nachrichten" bestimmt
hatte nicht mehr fortgesetzt werden können, so werden wir doch bemüht
— 869 —
bleiben, Originalberichte über Ausgrabungen in Deutschland in linser«
Zeitschrift für Ethnologie aufzunehmen.
Von unseren Mitgliedern sind mehrere in diesem Jahre von ihren
Forschungsreisen zurückgekehrt, andere befinden sich noch auf Reisen zu
wissenschaftlichen Zwecken. Hr. Grünwedel hat aus Chinesisch-Tur-
kestan wahre Schätze heimgebracht, Hr. Hubert Schmidt hat an den
Ausgrabungen der amerikanischen Expedition in Kussisch-Turkestan regen
Anteil genommen. Hr. und Frau Sei er haben ihre Forschungen in
Mexiko wieder fortgesetzt und sind noch nicht wieder heimgekehrt. Kbenso
befindet sich Hr. K laatsch noch immer in Australien, wo er augenblick-
lich in der Nähe des Carpentaria-Golfs seine anthropologischen Studien fort-
setzt; ebenso weilt Hr. Kiessling noch zu gleichem Zweck in Griechen-
land, Hr. Theodor Koch noch in Südamerika, Hr. Bastian augenblicklich
in Jamaica. Hr. von Le Coq hat sich ferner nach Chinesisch-Turkestan
begeben, um die von Hrn. Grünwedel begonnenen Arbeiten fortzusetzen.
Hr. Fritsch hat eine Weltreise unternommen und Hr. Frobenius wird
in den nächsten 'Pagen eine Forschungsreise nach Afrika in das Gebiet
des Kassai antreten. Wir wmnschen allen diesen Männern von Herzen
Glück zu ihren Unternehmungen und hoffen, dass sie uns wieder neues
Material für unsere Studien in reichem Masse zuführen werden.
Wir haben im Laufe des Jahres in 10 ordentlichen und einer ausser-
ordentlichen Sitzung Vorträge aus allen drei Gebieten unserer Tätigkeit,
meistens von Lichtbildern begleitet, gehört. Den Löwenanteil hat dieses
Mal die Ethnologie davongetragen, — doch blieben die somatische Anthro-
pologie und Urgeschichte daneben an Bedeutung nicht zurück. Ich er-
innere Sie nur an den ausserordentlich wichtigen Vortrag des Hrn. von
Hansemann über den Einfluss der Rachitis auf die Schädelform und an
die fortgesetzten Untersuchungen von Schweinfurth über die Edithen,
welche augenblicklich zu den brennendsten Fragen der Urgeschichte ge-
hören, Fragen, welche in unserer Gesellschaft durch Teilnahme unserer
ersten Geologen an der Diskussion an objektiver Beleuchtung ausser-
ordentlich gewonnen haben.
Frühgeschichtlich, aber nicht weniger interessant sind die von der
Rethra-Kommission neu aufgenommenen Forschungen nach den Über-
resten *\i>* alten Rethra-Tempels, Forschungen, welche Kudolf Vircliow
einst mit lebhaftem Eifer begonnen hatte und nun mit Unterstützung der
Rudolf Virchow-Stiftung auf Grund der von Hrn. Oesten erkannten
Tatsache dass das Niveau der in Frage kommenden Sern sich seit der
Zerstörung Rethras bedeutend gehoben hat. wieder aufgenommen sind
und nach den bisherigen kleinen Anfängen zu grossen Hoffnungen be-
rechtigen.
An dem Ausflug, welcher die Gesellschaft dieses Jahr am 11. und
1l' Juni nach Fürstenberg i. Mecklenburg führte, nahmen recht zahlreiche
Mitglieder Teil; die daselbst von der Gesellschaft Heinrich Schliemann
gewidmete Gedenktafel wurde bei dieser Gelegenheit unter Lebhafter Teil-
nahme der städtischen Bevölkerung feierlich enthüllt und den Behörden
Qbereeben.
— 870 —
Von den wissenschaftlichen Kongressen dieses Jahres wurden zwei
von unsern Mitgliedern besonders zahlreich besucht, der Kongress der
deutschen anthropologischen Gesellschaft, welcher in Greifswald, und der
internationale Amerikanisten-Kongress, welcher in Stuttgart getagt hat.
Der glänzende Verlauf beider Kongresse, in deren Präsidium unsere Ge-
sellschaft so hervorragend vertreten ist, beweist, dass die Arbeiten auf
allen Gebieten unserer Forschung rüstig fortschreiten.
Nach unseren Statuten ist der Vorstand verpflichtet, in der letzten
Jahres-Sitzung der Gesellschaft auch einen Bericht über den Stand der
Sammlungen zu erstatten.
1. Die Bibliothek ist durch die unermüdliche Arbeit des Hrn.
Maass fortlaufend in bester Ordnung erhalten worden. Als wir gegen
Ende des vorigen Jahres die grosse Schenkung der Frau Geheimrat
Virchow erhielten, konnten wir noch nicht übersehen, welche Bücher
wir für unsere Gesellschaft behalten und welche wir nach dem Wunsche
der Geschenkgeberin an das K. Museum für Völkerkunde überweisen
würden. Die gewissenhafte Prüfung unserer Bibliotheks-Kommission, welche
durch die Wahl des Hrn. Maass zu ihrem Mitgliede verstärkt worden
war, hat nun ergeben, dass aus dieser Schenkung 781 Bücher und
1260 Broschüren sicli zur Aufnahme für unsere Bibliothek eigneten. Alle
diese Schriften sind nun als Rudolf Virchow-Bibliothek in einem be-
sonderen Schrank aufgestellt und mit einem eigenen „Ex libris" bezeichnet
worden.
Ausser dieser ungewöhnlich grossen Vermehrung hat die Bibliothek
durch anderweite Geschenke, durch Ankauf und durch Tauschverkehr
einen Zuwachs von 161 Büchern und 188 Broschüren erfahren. Es konnten
ferner 1)7 Bände aus dem Bestände der Zeitschriften und 20 Sammelbände,
104 Broschüren umfassend, gebunden werden. Demnach beträgt der Ge-
samtbestand der Bibliothek augenblicklich 10 615 Bände und 2802 Bro-
schüren.
Trotz des grossen diesjährigen Zuwachses ist sowohl der alphabetische
wie der Fachkatalog regelmässig fortgeführt wrorden, Dank dem ausser-
ordentlichen Interesse und der grossen Arbeitskraft, welche Hr. Maass
der Ordnung unserer Bibliothek gewidmet hat. Ich spreche ihm im Namen
der Gesellschaft hierfür unseren wärmsten Dank aus.
Zu besonderem Danke sind wir der K. Generalverwaltung verpflichtet
für die Aufstellung eines neuen Schrankes, welcher dem schnell wachsenden
Raumbedürfnis unserer Bibliothek, die ja vorherrschend von den Beamten
der K. Museen benutzt wird, zunächst wenigstens genügt.
2. Die anthropologische Sammlung hat in diesem Jahre durch
Überführung eines zweiten Transportes von Schädeln und Skeletten aus
'lein Rudolf Virchowschen Xach'ass in dem alten Pathologischen Institut
in die Räume der Gesellschaft mittels zweier grossen Möbelwagen eben-
falls einen grossen Zuwachs erfahren. Wiederum wie das erste Mal im
Jahre 1902 hat Hr. Gurt Strauch mit grossen Opfern an Zeit und Mühe
in den dunkeln, nicht heizbaren, schmutzigen Bodenräumen des Instituts
— 871 —
schon in den Sommermonaten diesen Transport vorbereitet und ihn dann
im vorigen Monat persönlich überwacht.
Der Transport unifasst 500 — 550 einzelne Schädel und eine grosse
Anzahl zusammengehöriger loser Skelette, welch»' einstweilen in unseren
Räumen nur magaziniert werden konnten.
Noch ist immer nicht der ganze anthropologische Nachläse Virchowa
aus dem Pathologischen Institut überführt worden, — nach ungefährer
Schätzung dürfte noch ein dritter Transport mit mehreren Möbelwagen
erforderlich sein. Durch die Hingebung und Sorgfalt, mit welcher Hr.
Strauch sich diesen mühevollen, unangenehmen Arbeiten unterzog, hat
er sich wiederum um unsere («esellschaft ausserordentlich verdien! ge-
macht. Im Namen des Vorstandes spreche ich ihm auch an dieser Stelle
unseren besten Dank aus.
Ausserdem ist unsere anthropologische Sammlung durch zwei vor-
geschichtliche Skelette aus Worms, einen Schädel aus Friesack und einen
Schädel aus Santa Catharina, Brasilien, vermehrt worden.
3. Die Sammlung der Photographien hat nach dem Tode des
früheren Kustoden, des Hrn. Max Bartels, in Hrn. Xeuhauss einen vor-
trefflichen Hüter erhalten, dessen ordnende Hand bereits den Katalog
vervollständigt und mit den Beständen in Einklang gebracht hat. Nach
seinem Bericht hat die Sammlung in diesem Jahre einen Zuwachs von
343 Blatt erfahren, so dass sie jetzt 8089 Nummern zählt. Ein erheb-
licher Teil des diesjährigen Zuwachses stammt ans dem Nachlass Rudolf
Virchows.
Ausser diesen Einzelblättern besitzen wir noch fünf photographische
Albums mit über 500 Einzelauf nahmen und 25 photographische Werke.
Auch Hrn. Neuhauss spreche ich für diese seine verdienstlich«'
Tätigkeit den besten Dank der (i esellschaft aus.
Zum Schluss sei es mir gestattet, meiner grossen Freude darüber
Ausdruck zu geben, dass es uns gelungen ist, für die Verwaltung unserer
drei Sammlungen drei so ausgezeichnete jüngere Kräfte zu gewinnen. —
(4) Der Schatzmeister Hr. Sökeland erstattet den
Kechnuugsbericht für das Jahr 1904.
Einn ahmen:
Bestand 2 094 ML 59 Pfg.
Verkauf von Effekten 27 365 _ 65 ,
Zinsen vom Kapital und Kursgewinn 1 308 „ "2.") _
Depotzinsen 71 _ 80 ..
Beiträge für 1903 [26 „ — „
."-IT Mitgliederbeitrage für 1904 L034OML —Pfg.
Darunter 26 zu 23 ML, also 26x3 extra .... 78 „ — „
Staatssaschnss 1 ."hhi „ — „
11918 . __ B
Zuechuss vom Hrn. .Minister für die Nachrichten über deutsche
Ä.ltertum8fande 1904 ■ 1000 „ —
Cliches und Korrekturen 275 . 60
Bestand und Einnahmen zusammen: 44 162 Mk. 89 Pfg.
— 872 —
William Schönlank- Stiftung.
Zinsen von L5 000 Mk. 3 V8 prozentiger Pfandbriefe 323 Alk. — Pfg.
525 Mk. — Pfg.
Ausgaben:
Miete an das Völkermuseum 600 Mk. 50 Pfg.
Ankauf von Effekten 27 020 .. 65 .,
Mitgliederbeiträge an die Deutsche Anthropologische Gesellschaft . . 1 545 „ — „
Bankgobühren 66 .. — ..
Einladungen zu den Sitzungen 31 < » 05 ..
Index der Verhandlungen 150 ,, — „
Porti und Frachten 02S .. 32 ,.
Buchbinder für die Bibliothek 579 „ 20 „
Bureau und Schreibmaterial 519 „ 12 „
Remunerationen 'H »
Ankauf -wissenschaftlicher Gegenstände 230 „ 62 „
Stenograph 82 „ 50 „
An Asher & Co.:
Ankauf von Exemplaren unserer Zeitschrift und
überzählige Bogen 579S Mk. 04 Pfg.
Nachrichten für deutsche Altertumsfunde inkl.
Bibliographie aber ausschliesslich der Ab-
bildungen 1140 .. 21 „
Abschlagszahlung für 1904 . 4000 „ — ..
10938 ., 25 „
Bestand am 1. Dezember 1904 1074 ;. <>S ..
441G2Mk. 89 Pfg-
William Schönlank-Stiftung.
Für die Bibliothek ausgegeben 398 Mk. 30 Pfg.
Bestand . 126 „ 70 ,.
323 Mk. — Pfg.
Das Kapitalvermögen besteht aus:
1. den verfügbaren Beträgen
a) Neue Berliner 3'/2 prozentige Pfandbriefe .... 12200Mk.
b) 31/» prozentige Berliner Stadtanleihe 5 400 „
c) :>V, „ „ „ 3 000 „
d) 3V2 „ .. Stadtobligationen .... 8 000 ..
e) 3Va „ „ Stadtanleihe 5 200 „
f) 3Vj „ Neue Berliner Pfandbriefe ... 1 500 „
2. dem eisernen Fonds, gebildet aus den einmaligen
Zahlungen von je 300 Mk. seitens 5 lebenslänglicher
Mitglieder, angelegt in 3'/2 prozentigen Neuen Ber-
liner Pfandbriefen 15<»<> ..
:;. der William Schönlank-Stiftung in 'A1/., prozentigen
Neuen Berliner Pfandbriefen . . . löoQo „
Summa 51800Mk.
Hr. Lissauer weist darauf hin, dass trotz der geleisteten Abschlags-
zahlung- von 4000 Mk. an die Verlagshandlung nach den Erfahrungen der
letzten Jahre noch ein hoher Betrag als schwebende Schuld auf das neue
Jahr öbertrageB werden muss. Die Gesellschaft wird daher wiederum
den Hin. Onterrichtsnihi ister bitten müssen, den bisher gewährten Staats-
zuschuss auch für das Jahr 1905 zu bewilligen.
— 873 _
Die nach § 36 der Statuten erforderliche Entlastung hat der \u--
schuss in seiner Sitzung vom 9. d. AI. dem Vorstände ausgesprochen, nach-
dem zwei seiner Mitglieder, die Herren Friede] und Staudinger die
vorgelegten Rechnungen geprüft und die Entlastung beantragt hatten.
Beiden Herren sowie dem Ihn. Schatzmeister dankte der Vorsitzende im
Namen des Vorstandes für die gewissenhafte Pflichttreue, mir der sie
ihres Amtes Walteren.
Hr. Olshausen erklärt eine Änderung des § 36 der Statuten für er-
forderlich, um die jährliche Übertragung einer schwebenden Schuld auf
das neue Jahr zu vermeiden und behält sich einen dahin zielenden Antrag
an den Vorstand vor. —
(')) Hr. Hans Virchow erstattet den folgenden Bericht über den
Stand der Rudolf Virchow-Stiftung für das Jahr 1904.
In meinem letztjährigen Bericht (s. d. Zeitschr. vorj. Jahrg. S. 999)
konnte ich bereits bis auf den Schatzmeister diejenigen Herren nennen,
welche dem Vorstände der Gesellschaft angehören sollten. Es waren dies
der Oberbürgermeister von Berlin Hr. Kirschner, von unserer Gesellschaft
Kr. Lissauer und ich, von der Gesellschaft für Erdkunde Hr. von den
Steinen, als Vertreter der beiden Klassen der Akademie der Wissen-
schaften die Herren Freiherr von Richtlinien und Diels. Am 10. Januar
traten die Genannten zu einer constituierenden Sitzung zusammen und
wählten zum Schatzmeister Hr. Ludwig Delbrück, der die Wahl annahm.
In derselben Sitzung wurde zum Vorsitzenden bestimmt ich und zum
stellvertretenden Vorsitzenden Hr. von Richthofen. Damit war den
Bedingungen genügt, an welche die Stiftungsurkunde die Tätigkeit der
Stiftung geknüpft hatte. Eine behördliche Bestätigung von dem recht-
mässigen Bestehen der Stiftung wurde seitens des Polizei-Präsidiums erteilt.
Der Vorstand hatte seine erste beschlussfähige Sitzung am 24. Januar.
Nachdem durch die Ergänzung des Vorstandes und die Wahl des
Vorsitzenden die Stiftung aktionsfähig war. war es möglich, zwei der
Stiftung zugedachte, aber noch nicht dem Stiftungsvermögen zugeführte
Schenkungen zu übernehmen, die Ehrengabe der Stadt Berlin zum 80. G -
burtstage meines Vaters im Betrage von 100 00O Mk. und das in den beiden
letztjährigen Berichten genannte Vermächtnis aus dem Nachlasse des
Hr. Oberstabsarztes Dürr. Beides ist geschehen und es ging der Stiftung
aus dem erwähnten Vermächtnis ein Kapitalzuwachs von 4900 Mk. nom.
in Wertpapieren und 333 Alk. 39 Pfg. in baar zu. wovon der letztgenannte
Betrag sich aus einer Baarsumme des Vermächtnisses und inzwischen fällig
gewordenen Zinsen d('\- Wertpapiere zusammensetzte.
Die beiden genannten Schenkungen fanden in >\rv Folgenden Weise
Verwendung: von den erstangeführten 100 000 Mk. wurden 110 000 -Alk.
nom. preussischer Oonsols gekauft, wozu von dem Baarbestande der
Stiftung 498 Mk. 60 Pfg. Mitverwendung fanden. Die aus der Dürrschen
Erbschaft stammenden Papiere wurden bis auf PJ00 Alk. 3 p< t. Deutscher
Reichsanleihe verkauft und von dem Erlös unter Hinzunahme von
Zeitschrift Mi BthDologie. Jahrg. l: m. Heft 6 5g
— 874 —
1186 Mk. 10 Pfg. aus dem Baarbestande der Stiftung 5000 Mk. 3 7,pCt.
Westfälischer Provinzialanleihe angeschafft.
Das Kapitalvermögen der Stiftung setzt sich demnach zur Zeit zu-
sammen aus 200 600 Mk., welche im vorigen Jahresberichte angeführt
wurden, und 116 200 Mk., welche in diesem Jahre hinzugetreten sind, im
Ganzen 316 800 Mk. Diese 316 800 Mk. sind in folgender Weise unter-
gebracht
im Staatsschuldbuch eingetragen 220600 Mk.
im Reichsschuldbuch „ 20200 „
bei der Reichsbank niedergelegt 75 (XX) „
Ich will hier anreihen, dass Frau Geheimrat Bartels mich davon in
Kenntnis gesetzt hat, dass sie zu Beginn des kommenden Jahres die
Summe von 3000 Mk. der Stiftung in Erinnerung an ihren verstorbeneu
Gemahl zur Verstärkung des Kapitals überweisen wird. Es wird auch im
Kreise dieser Gesellschaft mit Genugtuung und Dankbarkeit empfunden
werden, dass der Name eines Mannes, der so lange Zeit und so unermüdlich
mit seiner ganzen Persönlichkeit für die Aufgaben eingetreten ist, denen
zu dienen die Stiftung berufen ist, auch jetzt noch zu fortdauernder
Wirkung mit der Stiftung verknüpft wird.
Ich berichte nun über die Bewilligungen aus der Stiftung bezw. über
die Unternehmungen, zu welchen Beihilfen aus der Stiftung gegeben
worden sind.
1. Die Beihilfe von 500 Mk., welche die Stiftung zu den Ausgrabungen
des Kieler Museums im Gebiete der Oldenburg bei Haddeby in der Nähe
der Stadt Schleswig gewrährt hat, ist zwar schon im vergangenen Jahre
geleistet worden, doch ist diese Summe zum grössten Teile erst im Laufe
dieses Jahres zur Verwendung gekommen, und es ist sogar noch ein Rest
derselben für die Fortführung der Ausgrabungen zurück geblieben. Die
Ausgrabungen an dieser Stelle müssen immer auf einen kleinen Teil des
Jahres beschränkt werden, da sich das ganze in Betracht kommende Gebiet
unter Kultur befindet und einer Anzahl von Besitzern gehört. Die Lokalität
ist Ihnen aus dem Vortrage bekannt, welchen Hr. Generalarzt Meisner
in unserer Gesellschaft gehalten hat (s. dies. Jahrg. d. Zeitschr. S. 675). Das
Stadtgebiet des alten Haithabu. der jetzigen Oldenburg, lehnt sich mit
einer Seite an das Haddebyer Noor und ist auf allen übrigen Seiten durch
einen prachtvoll erhaltenen Wal] abgeschlossen. Die Ausgrabungen wurden
unter der Leitung des Dr. Knorr ausgeführt und haben zur Aufdeckung
einer Reihe von Wohnstätten und bemerkenswerten Funden geführt,
welche Schlüsse auf die Handelsbeziehungen dieser einstmals weltberühmten
Handelsstadt erlauben. Eine wichtige und überraschende Ergänzung haben
die Untersuchungen durch die Aufdeckung von über 100 Skelettgräbern
gefunden, die etwa in die Karolingische Zeit zurückweisen. Wie ich dem
Berichte von Fräulein Mestorf entnehme, sind „die Beigaben zwar spärlich.
aber für die Zeitstellung der Gräber und der Stadt von eminenter
Wichtigkeit, weil oberhalb derselben Wohnungen liegen mit den Hord-
plätzen und massenhaften sachlichen Zeugnissen von den einstmaligen
Bewohnern. Diese Erscheinung ist von historischer Bedeutung, weil man
— ST.") —
die Existenz der Stadt nicht länger als ins zwölfte Jahrhundert annehmen
möchte. Sie fordert eine Portsetzung der Untersuchung".
2. Dem ü-esuch des Ihn. Eelbig, welches schon im vorjährigen
Berichte erwähnt wurde, ist entsprochen worden und es sind ihm für
Zeichnungen, die nach einem Auftrage meines Vaters von Fundobjekten
der Ausgrabungen des Hrn. W. Belck in Schamiramalti ausgeführt worden
sind, 390 Mk. gezahlt worden. Die Zeichnungen sind in den Besitz der
♦Stiftung übergegangen.
3. Über die Untersuchungen der Retlira - Kommission, für welche
300 Mk. bewilligt worden sind, hat bereits Hr. Geheimrat Voss, der Vor-
sitzende der Kommission, einen gedruckten Bericht erstattet. Es geht
daraus hervor, dass die von Hrn. Oesten geleiteten Nachforschungen auf
einen zwischen Tollense und Liepssee gelegenen Gebietsteil, den Nonnen-
hof, sowie auf einige in dem Liepssee gelegene Inseln gerichtet gewesen
sind. Die Untersuchung muss insofern unter sehr eigenartigen Be-
dingungen geführt werden, da ein grosser Teil des Gebietes, um welches
es sich handelt, dadurch unter Wasser gesetzt worden ist, dass im Jahre
1287 in Xeubrandenburg eine Mühlenanlage gemacht worden ist, durch
welche der AYasserspiegel des Liepssees etwa 1,5 m gehoben wurde. Die
im Bereiche der Überflutung im Laufe der Zeit gewachsenen Wasser-
pflanzen haben zu Landbildungen geführt, d. h. zu Bedeckungen des
früheren Niveaus. Andrerseits sind aber auch durch das Spiel von Wind
und Wasser Teile des Ufers abgespült worden. Daher hat die Unter-
suchung nebenbei damit zu tun, die alten Terrainverhältnisse festzustellen.
und es bedarf besonderer Vorkehrungen, um die Arbeiten unter Wasser
ausführen zu können. Es ist daher begreiflich, dass die ausgesetzte
Summe nicht nur verbraucht, sondern überschritten ist. Daher hat sich
die Rethra-Ivommission durch ihren Vorsitzenden um eine Unterstützung
von 3000 Mk. an die Stiftung gewendet. Diesem Gesuche ist entsprochen
und es sind bisher von dieser Summe 1000 Mk. abgehoben worden. Die
Funde von Knochen, Kohle und Scherben aus der Wendenzeit sind reich-
lich, auch einige andere Gegenstände sind gefunden, und die Leiter des
Unternehmens geben sich der Hoffnung hin. über die Stätte des alten
Heiligtums der Eedarier bestimmtere Aufschlüsse zu erlangen.
4. Hr. Sanitätsrat Kohl in Worms hat 400 Mk. erhalten, um seine
Untersuchungen über steinzeitliche Wohn- und Begräbnisplätze in der
Pfalz fortzusetzen. Die Lokalität ist denjenigen Mitgliedern unserer Ge-
sellschaft. welche den Kongress in Worms besucht haben, bekannt. Es
handelt sich um eine Gegend, welche mit prähistorischen Fundplätzen
dicht besetzt ist. Offenbar hat die fruchtbare Rheinebene zu allen Zeiten
zur Bewohnung und Bebauung eingeladen. Die Untersuchungen des
letzten Winters sind reich an Ergebnissen gewesen. Es hat sich bei
Wachenheim ein fränkischer Friedhof gefunden, und es ist zu bemerken.
dass fast bei jeder Ortschaft in jener Gegend auch der zugehörige
fränkische Begräbnisplatz entdeckt wurde, es halten sich an zwei Stellen
Gräber der La Tene-Periode, an einer Stelle Gräber der Hallstadt-Periode,
an einer anderen ein Gräberfeld mit Tumuli aus der älteren Bronzezeit
— 876 —
(Unjetitzer-Typus) gefunden, ferner zwei Wohnplätze der Bronzezeit. Es
geht aus dem Bericht, welchen Hr. Kohl im Korrespondenzblatt des Ge-
samtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 1904 S. 62 — 79
gegeben hat, ferner hervor, dass die Funde aus der Steinzeit nicht weniger
reichlich sind. Es fand sich ein Wohnplätz mit Keramik des Rössener
Typus, zwei solche mit Spiralmäander-Keramik, einige Wohngruben mit
Pfahlbau-Keramik und ein Gräberfeld mit Hockergräbern. Auf Grund
dieser Entdeckungen und des topographischen Verhaltens der einzelnen
Befunde zu einander vertritt Hr. K. von neuem seinen Standpunkt, dass
es sich bei den aufgefundenen keramischen Ornamenten nicht um gleich-
zeitig bestandene, sondern um aufeinander gefolgte Stile gehandelt habe,
er setzt jedoch die Spiralmäander-Keramik jetzt nicht vor, sondern hinter
den Rössener Typus und ist der Meinung, dass die älteste Phase der neo-
lithischen Kultur, die Hinkelstein-Periode, sich zur Rössener Keramik
weiter entwickelt habe und dass in den beiden Perioden die gleiche Be-
völkerung mit Bestattungsart in gestreckter Lage bestanden habe, dass
dagegen die Spiralrnäander-Keramik einer neu auftretenden Bevölkerung
mit Hockerbestattung zuzuschreiben sei. — Ich will dabei erwähnen, dass
Hr. Paul Bartels bei der Untersuchung der in Worms aufbewahrten
Schädel zwei deutlich unterscheidbare Typen glaubte finden zu können.
Seine Untersuchung wurde, wie er berichtet hat, ohne Kenntnis der Be-
ziehungen zu den einzelnen keramischen Funden gemacht und doch deckte
sich seine Unterscheidung der Schädeltypen mit den Unterscheidungen
der Kulturperioden, wie sie Hr. Kohl auf Grund der Keramik gemacht
hatte. - Auf dem oben erwähnten Gräberfelde mit Hockerbestattung
waren fünf Gräber bereits zerstört, sieben weitere konnten aber noch auf-
gefunden werden, von denen fünf mit Beigaben ausgestattet waren. Von
einem dieser Gräber sind in dem gedruckten Bericht die Lagerungs-
verhältnisse durch Abbildung erläutert. Die Skelette lagen auf der linken
Seite Für die Zeitbestimmung wichtig sind die gleichzeitig gefundenen
Zonenbecher. Bei einem Skelett wurde eine Armschutzplatze in der Gegend
des rechten Vorderarmes gefunden.
5. Hr. J. D. E. Schmel tz . Direktor des Rijk's Ethnographisch
Museum in Leiden hat 500 Mk. erhalten als Unterstützung bei der Fort-
setzung einer Publikation, von welcher eine erste Lieferung bereits vorlag,
nämlich einer unter dem Titel „Orania ethnica Philippinica" erscheinenden
mit 25 Tafeln versehenen Beschreibung der durch A. Schadenberg ge-
sammelten Schädel seitens des Hrn. G. A. Koeze. Durch briefliche Mit-
teilung des Hrn. Schmeltz vom 12. Dezember habe ich erfahren, dass
das Werk abgeschlossen ist. [Nächträgl. Zusatz: Dasselbe ist mir in-
zwischen zugegangen. |
Weitere Bewi lligungcii sind in letzter Zeit erfolgt, nämlich
6. An Hrn. Frobenius zur Unterstützung einer Reise ins Gebiet des
Kassai L500 .Mk.
7. An Hrn. Posen. Professor der Botanik an der Universität Breslau,
welcher einer .Mission des Deutschen Reiches nach Abessinien als wissen-
schaftlicher Begleiter ungegliedert wird, 1ÖO0 Mk. zur Beschaffung ethno-
— 877 —
logischer Gegenstände. Diese Summe sowie die vorige sind bereits aus-
gezahlt.
8. In Aussicht gestellt ist eine uoch nicht genau normierte Summe
vmi 400 — T)(>() .Mk. zur Beschattung einer ]diotographischen Ausrüstung,
welche «lein Stabsarzte Hrn. Mansfeld in Kamerun leihweise zur Ver-
fügung ffestellt werden Süll.
Andere, im Vorausgehenden noch nicht aufgeführte, Ausgaben dar
Stiftung sind die folgenden:
für eine Mappe 18 Mk. — IM _• .
für Brief bogen und Umschläge 5 „ 50 „
für notariell beglaubigte Abschrift der Stiftungsurkunde 3 .. 'i1' _
Zahlung an die Hauptverwaltung der Staatsschulden
(Gebühren-Vorschuss) 56 _ — „
Zahlung an die Roichsschuldenverwaltung (Gcbühren-
Vorschuss) ."• „ — „
Zahlung an das Kaiserliche Verkehrssteueramt II in
Strassburg i. E. (in Angelegenheit ihr Dürr sehen
Erbschaft) 13 .. 25 ,.
Dagegen hatte die Stiftung eine Einnahme aus Bankierzinsen, ab-
züglich Spesen, bis zum 18. Dezember von 17."» 31k. 7(1 Pfg.
Eine genauere Kontoaufstellung wird in einer Sitzung- des Vorstandes
am Schluss des Jahres vorgelegt werden, wo eine solche erst definitiv er-
folgen kann, da Ins dahin noch Eingänge an Zinsen zu erwarten sind.
Na ch trag.
Es folgt hier die Jahresrechnung, welche durch den Schatzmeister
<\<>v Stiftung, Hrn. Ludwig Delbrück, in der Sitzung des Vorstandes am
29. Dezember vorgelegt und durch die Vorstandsmitglieder, die Herren
Lissauer und Diels, geprüft wurde.
Jahresrechnung der Rudolf Virchow-Stiftung
für das Jahr 1904.
Effektenbestand.
Ende 1903 besass die Stiftung:
a) bei der Reichsbank deponiert
37.>proz. vorm. 4 proz. preussische Konsols . 102500, — Mk.
:'. '/■.> - preussische Konsols 6 600, — _
3 proz. preussische Konsols L500,— ..
:; .. Deutsche Reichsanleihe 20000,— ..
3 7s proz. Berliner Stadtanleihe 5000,— . L35600,— Mk.
b) bei Delbrück. Leo \ Co. deponiert
.".'/., pni/. Westfälische Provinzialanleihe 65000, - _
zusammen . . . 200600, — Mk.
Im Jahre i;in| vermehrte sich der Effektenbestand der Stiftung durch
a Ankauf vi'ii 3 proz. preussischen Konsols. . . . L10000,— Mk.
37sproz. Westf. Provinzialanleihe . 5000,
aus dem Vermächtnis des in Strassburg i. E.
verstorbenen Hrn. Oberstabsarztes Dr. Dürr
stammende 3 proz. Deutsche Reichsanleihe . 1200, — „ L 16 200, — .
zusammen am 31. Dezember 1904 . . . 316800, — Mk.
— 878 —
Von diesen Effekten sind
1. in das Staatsschuldbuch eingetragen
auf Konto (3 pCt.) V. 793: 3proz. preussische
Kousols 111500,— Mk.
auf Konto (3% pCt. vorm. 4 pCt.) V. 3510:
3x/aProz. vorm. 4 proz. preussische Konsols 102500, — „
auf Konto (3 ' , pCt.) V. 2105: 3 »/, proz.
preussische Konsols . . 0 600,— „ 220600,— Mk.
2. in das Reichsschuldbuch eingetragen
auf Konto (3 pCt.) V. 520: 3 proz. Deutsche Reichsanleihe . 21200,— „
:'>. bei der Reichsbank deponiert
lt. Depotschein 1 335934 3l/8 proz. Berl.Stadtanl. 4000.— Mk.
1335935 3 V2 „ „ „ 1 ooO,- „
1335936 3VS „ Westf. Pr.-Anl. 65000,- „
1369362 31/« * „ - 5000,— . 75000,— „
zusammen . . . 316800. — Mk.
Das Barguthaben der Stiftung bei dem Bankhause Delbrück, Leo
& Co. betrug am 31. Dezember 1903 bezw. 1. Januar 1904 8580,50
und beträgt am 31. Dezember 1904 11 892.—
Im Rechnungsjahre 19o4 waren folgende Einnahmen zu verzeichnen:
1. Zuwendungen,
a) Die von der Stadt Berlin als Ehrengabe zum
80. Geburtstage des verstorbenen Geh. Medizinal-
rates Virchow zur Verstärkung der Stiftung
bestimmten, am 15. Februar 1904 ausgezahlten 100000, — Mk.
1)) Aus dem Vermächtnis des Oberstabsarztes Dr.
Dürr in Strasburg i. E. in bar (19. August 19(>4) 333,39 100333,39 Mk.
2. Verkaufte Effekten.
a) liora. 300 Mk. 4 proz. Frankf. Hypotheken-
bank-Pfandbriefe (8. 12. 04.) 304,25
b) nom. 9<)0 Mk. :,>1/2Proz- Bayr. Hyp.- uud
Wechselbank-Pfandbriefe (8. 12. 04.) . . 905.24
c) nom. "2500 Mk. 4 proz. Preuss. Zentral-
Bod.-Kreditbank- Pfandbriefe (8. 12. Q4.-) . 2606,45 3,si5,95Mk. 3 815,95 „
3. Zinsen.
a) Von den deponierten und in das Staatsschuldbuch
bezw. Reichsschuldbuch eingetragenen Effekten
(21.3., 22.3., 2. 1.. 20.6., 21.6., 20.9., 21.9.,
21.12., 23.12. 1904) 10 192,50 Mk.
b) Von Delbrück, Leo & Co. in laufender Rech-
nung (30.6., 18. 12., 31. 12. 1904) . . . . . . . 191,25 .. 10 383,75
zusammen . . . 114533,09 Mk.
Dem stehen folgende Ausgaben gegenüber:
1. Für Stiftungszwecke,
a) Zahlung an Hrn. Sanitätsrat Dr. Koehl in Worms
(30. I. 04) 100,— Mk.
Zahlung an Hrn. J. D. Schmeltz. Direktor
des Rijks-Ethnographisch Museum in Leiden
(Holland; 30.1.04) . ■ 5ou,- „
Dbertrafir . . . 900,— Mk,
— 879 —
Obertrag . . . 900,- Mk.
c) Zahlung an Hrn. Zivilingenieur G. Oesten in
Berlin (30. 1. 04) 300,— „
dl Zahlung an Hrn. Leo Frobenius in Berlin
(8. 1-J.ol.) 1 500,— „
e) Zahlung an Hrn. Prof. Kosen in Breslau (8. 12.04.) 1 ö<hi.— „
f) „ „ „ Geh. Regierungsrat Dr. Voss
in Berlin (15. 12. 04) 1 i wj* i — „ :.2<KiMk.
2. Gekaufte Effekten.
a) nein. L10000 Mk. 3proz. l'reussische Konsols
(16.2.04) 100 498,60 Mk.
b) noni. Ö(KM) Mk. .l'/aproz. Westf. Prov.- Anleihe
(8.12.04) . . . :> i.m-j.i f. 105500,65 -
3. Allgmeine Ausgaben.
a) Zahlung an Hrn. Maler Georg Hei big in Berlin
für Zeichnungen (3.2.04.) 390,— Mk.
b) Zahlung an die Buchbinderei von G. Fangauf
für eine Ledermappe (9.2.04) 18,— r
c) Zahlung an Hrn. Justizrat Siinson, Notariats-
gebühren und Auslagen (.">. "!. 04) 3,60 „
d) Zahlung an die Gebrüder Unger (3. 8. 04) . . . 5,50 „
e) „ „ „ Hauptverwaltung der Staats-
schulden (Eintragungsgebühren) (20. 2., 11. 3. 04) 5<j. — „
f) Zahlung an die Rcichsschuldenverwaltung (Ein-
tragungsgehuhren) (11.3.04) •"),— „
g Zahlung an das Kaiserliche Verkehrssteueramt II
in Strasshurg i. E. (14. 11. 04) 13,25 „
h) Porto und kleine Spesen bei Delbrück, Leo
& Co. (30.6, 12. L2. 31. 12. 04) . . 2'j,59 .. :>?<»■'. M
zusammen ... 111 221,59 Mk.
Barguthaben am 31. Dezember 1903 8580,50 Mk.
Einnahmen im Rechnungsjahre 1904 114 533,09 _
123113,59 .Mk.
Ausgaben im Rechnungsjahre 1904 111 221,59 ,
Barguthaben der Stiftung am :'-l. Dezember 1904 .... 11892,— Mk.
Das Gesamtvermögen der Stiftung
besteht demnach am 31. Dezember 1904:
1. aus Effekten im Nominalwert von 316800, — ..
_'. aus dein Barguthaben bei dem Bankhause
Delbrück. Leo & Co. von 11892,— _
zusammen . . . 328692, — ML
Der derzeitige Effektenbesitz der Stiftung im Gesamtbetrage von nominal 316800 Mk.
wird für das Jahr 1905 ein Zinsertrag von zusammen 10 124,50 Mk. ergeben und zwar:
LH 500 Mk. 3proz. preussische Konsols ergeben Zinsen 3345,— Mk.
L09100 .. 37«proa. .... . 3818,50 ..
21200 _ 3proz. deutsche Reichsanleihe „ — _
.">iHMi ., 3l/8proz. Berliner Stadtanleihe - . lTJ,— ,
TmHHi _ • i'/._,proz. westfälische Prov. -Anleihe .. .. 2 l.">o. — _
zusammen 316800 Mk. ergeben Zinsen . . . 10424,50 Mk.
Berlin, den 29. Dezember 1904.
— 880 —
(6) Us folgt die Verlesung des § 20 der Statuten durch den Vor-
sitzenden und die
Wahl des Vorstandes für das Jahr 1905.
Dieselbe wird auf Vorschlag des Hrn. Olshausen durch wider-
spruchslose Akklamation vollzogen und ergibt folgende Zusammensetzung
des Vorstandes:
Hr. Lissauer, Vorsitzender;
die Herren Karl von den Steinen und Waldeyer, stellvertretende
Vorsitzende;
die Herren Neuhauss, Traeger und Voss als Schriftführer und
Hr. Sökeland als Schatzmeister.
Sämtliche Herren nehmen die Wahl an.
Hr. Lissauer dankt für das ihm geschenkte Vertrauen und bittet
um Nachsicht für seine Geschäftsführung und um die Unterstützung aller
Beamten der Gesellschaft, da er sich nur schwer entschlossen habe, diesem
ehrenvollen Ruf zu folgen, nachdem Hr. von den Steinen erklärt, dass
er augenblicklich das Amt des Vorsitzenden nicht übernehmen könne. —
(7) Als neue Mitglieder für das Jahr 1905 werden gemeldet:
1. Hr. Dr. phil. O. Richter in Berlin.
2. ,, Prof. Dr. Erich Martini, Marine-Oberstabsarzt in Berlin.
3. „ Hermann Schoede in Berlin.
4. „ Dr. Schulte im Hofe in Berlin.
5. „ Dr. Lewitt in Berlin.
(!. „ Ingenieur C. Giebel er in Gross-Lichterfelde 0.
7. „ Prof. Dr. Wilhelm Kolle in Berlin.
(S) Hr. Dr. Max Kiessling schreibt uns aus Arta vom 13. No-
vember 1904:
„Eben bin ich nach mehrwöchentlichen anstrengendsten Touren ans
«Ion wildesten Teilen des wildesten der europäischen Hochgebirge, dem
Pindos, wieder in kultiviertes Gebiet eingetreten und finde in der alten
griechisch-korinthischen Kolonie Ambrakia Ihren werten Brief vor. Dass
ich ihn erst jetzt erhalte, erklärt die verspätete Beantwortung.
Selbstverständlich bin ich, unserer Verabredung im Frühjahr ent-
sprechend, bereit, als zweiter Delegierter die Gesellschaft auf dem
Athener Kongress zu vertreten, und bitte Sie, dem Vorstande der
Gesellschaft meinen wärmsten Dank für die Ehre der auf mich ge-
fallenen Wahl zu übermitteln. Ich werde durch Hrn. Prof. Dörpfeld
(da ieh selbst erst Ende dieses Jahres nach Athen zurückkehre) bei Hrn.
Cawadiaa einen Vortrag über „die älteste ägäische Kultur und die
II el leiien ■■ anmelden.
Ich werde morgen die türkische Grenze überschreiten und nach Süd-
albanien gehen, wo ich etwa l>is .Mitte Dezember unterwegs zu bleiben
gedenke; hoffentlich treibt es der Winter nicht gar zu arg, er hat mich
im Pindos durch anhaltenden Kegen und grosse Kälte schon derb an-
gepackt.
— 881 —
Sie wissen. Herr Professor, dass meine Reisen zunächst historisch-
geographischen Forschungen gelten müssen; doch habe ich nach Kräften
die Anthropologie der Hellenen, die seit längerem mir besonders am
Herzen liegt, berücksichtigt lind glaube, aunmehr über das Wesentliche
sicher zu sein. Freilich sind noch systematische Aufnahmen dringend
notwendig; «las von mir gesammelte kraniologische Material, aber
<l;is mein Freund, Hr. von Luschan, wohl an Sic and die Gesell-
schaft berichten wird, wird den ersten, sicheren Grundstock dafür
abgeben. Doch hoffe ich, dass es mir möglich werden wird, nach
Jahresfrist noch einmal nach Hellas zu gehen, um ausschliesslich anthro-
pologisch zu arbeiten und zu sammeln.
Spasshafl ist, dass die griechischen Zeitungen spaltenlang über >\^n
deutschen „xQaviooxonog" handeln und allerlei Befürchtungen an sein
„gefährliches Treiben" hier unten knüpfen." —
(9) Der Internationale Anthropologenkongress wird im Jahre 1906
vom 16. — 21. April in Monaco stattfinden. Das Komitee, dessen Präsident
1fr. Hainv. dessen Sekretär Hr. Verneau ist. versendet bereits die Ein-
ladungen. —
(10) Hr. Waldeyer teilt mit, dass er einen eingehenden
Bericht von Hrn. Klaatsch
über dessen ethnologische Forschungsreise in Australien erhalten habe.
Hr. Klaatsch befindet sich zur Zeit in Queensland (Nordaustralien) am
Carpentaria-Golf, wo sich noch wild lebende Ureinwohner in grösserer
Zahl finden. In der Januar-Sitzung wird Weiteres ans dem Berichte mit-
geteilt werden. —
(11) Derselbe demonstriert vier Fälle von
Os tibiale externum Pfltzner,
darunter einen ihm von Prof. II. Virchow zugewiesenen, der mittels
eines Röntgogramms von Oberstabsarzt Dr. Yogtel (f) am Lebenden
Dachgewiesen werden war. Hier war das Tibiale externum doppelseitig
vorhanden, ebenso in einem anderen Falle aus der Berliner anatomischen
Sammlung.1) Zugleich berührt der Vortragende die Frage der Hyper-
daktylie oder Polydaktylie unter Referierung der Arbeiten von Tornier2)
und Ballowitz.8) Vgl. auch die jüngst veröffentlichte Mitteilung des
h Es handeil sich am das Skelet des Mörders Bobbe, vgL Waldeyer: Das
Gehirn des Mörders Bobbe. Korrcspondenzblatl der Deutschen Anthropologischen Ge-
sellschaft L901.
2 Tornier, G., a) Über den Sängetier-Prähallux. Arch. f. Naturgeschichte L891
Bd. I, S. 113. — b Entstehen eines 8chweinefnsses mit fünf Zehen und der B
erscheinungen. Arch. f. Entwickelungsmechanik, herausg. von W. Roux. Bd. XV, S. 327.
IU02. — c Überzählige Büdungen a. die Bedeutung der Pathologie für die Biontotechnik.
Verhdl. de V. Internat. Zoologen-Kongresses zu Berlin, 1901. Jena. Gustav Fischer. —
<li Entstehen von Vordcrfuss-Hyperdaktylie bei Cervusarten. Morphol. Jahrb., XXXI. Bd..
S. 153. L903.
Ballowitz, I '... i ber hyperdaktyle Familien und die Vererbung der Vielfingerig-
keit. Arch. f. Rassen- und Gesellschafts-Biologie, I. Jahrg.. S.347. L904. — b; Das Ver-
- 882 —
Vortragenden an die hiesige Akademie der Wissenschaften1), sowie die
Arbeit H. Virchows über einen Chinesinnenfuss2), bei welchem sich ein
mit dem Talus gelenkendes überzähliges Knöchelchen fand.
In der Diskussion bemerkt Hr. Magnus unter Hinweis auf eine
frühere Mitteilung von P. Albrecht, der einen entfernteren bis zu den
Fischen zurückreichenden Atavismus annahm — so auch Kollmann — ,
dass man die einzelnen Fälle wohl sondern müsse: diese könnten atavistisch
erklärt werden müssen, jene teratologisch. Hr. Waldeyer stimmt dieser
Ansicht zu.3)
(12) Hr. Waldeyer demonstriert ferner mehrere Fälle von
Canalis craniopharyngeus
vom Menschen, Gorilla und Chimpansen und berichtet über die den
gleichen Gegenstand behandelnde, unter J. Kollmanns Leitung entstandene
Arbeit von Sokolow.4)
(13) Hr. Lehmann-Nitsche aus LaPlata demonstriert Abbildungen der
Sammlung Boggiani von Indianertypen ans
dem zentralen Südamerika.
Kurz bevor ich wieder an meinen augenblicklichen Wirkungskreis
nach La Plata zurückkehre, möchte ich Ihnen die Sammlung Boggiani
von Indianertypen aus dem zentralen Südamerika demonstrieren, welche
ich soeben als anthropologischen Atlas herausgegeben habe6). Das Berliner
Museum für Völkerkunde hat ja gewissermassen ein persönliches Interesse
an dem unglücklichen italienischen Forscher, insofern sich dessen letzte
ethnographische Sammlung zum grossen Teil in seinem Besitze befindet
(der andere Teil in Stuttgart). Boggiani kam vor seiner letzten Expedition,
welche für ihn so verhängnisvoll ausfiel, nach Buenos Aires und La Plata,
und zeigte mir u. a. eine prächtige Sammlung selbst aufgenommener
halten der Ossa sesamoidea an den Spaltgliedern bei Hyperdaktylie des Menschen.
Virchows Arch. f. pathol. Anat ., Bd. 178, S. 164. 11)04— c) Das Verhalten der Muskeln
und Sehnen bei Hyperdaktylie des Menschen im Hinblick auf die Ätiologie dieser Miss-
bildung. — d) Über die Hyperdaktylie des Menschen. Klinisches Jahrbuch, herausgeg.
im Auftrage d. Königl. Preuss. Kultusministeriums, Bd. XIII. Jena 1904, Gustav Fischer.
1) Waldeyer, W., Bemerkungen über das „Tibiale extern um". Sitzungsber. der
Königl. Preuss. Akad. d. Wissenschaften, 1904. II. Abt., S. 1326.
2) Virchow, H., Das Skelet eines verkrüppelten Chinesinnenfusses. Zeitschr. für
Ethnologie, 1903. S. 2(56.
'■'<) Waldeyer, 1. c.
4) Sokolow, Der Canalis craniopharyngeus. Arch. f. Anatomie und Pbysiologie,
Anatom. Abteilung, L904. S. 71.
.")) Die Sammlung Boggiani von Indianertypen aus dem zentralen Süd-
amerika. Eerausgegeben von Robert Lehmann-Nitsche, Dr. phil. et med., Buenos-
Aires 1904. Verlag von R. Rosauer, Rivadavia 571. — Auch unter spanischem Titel: La
Colecciön Boggiani de tipos indigenas de Sudamerica central. Publicada por
Robert Lehmann-Nitsche, Dr. phil. et med., Buenos-Aires 1904, Gasa Editora de
R. Ro auer, Rivadavia .">71. —
Das Supplement unter genau dem gleichen Titel mit Hinzufügung von „Supplement"
Im/w. „Suplemento* hinter „Südamerika" bezw. „Sudamerica central".
— 883 —
photographischer Platter im Formate 18:24 cm von verschiedenen Indianer-
typen speziell des Chaco, welche er als Atlas zu publizieren gedachte,
womöglich in den Anales des Museums zu La Plata. Wir korrespondierten
auch uoch darüber, damals liess sich aber sein Plan nicht verwirklichen
und inzwischen zog er wieder hinaus in die Wildnis, wo er den Tod
finden sollte. Das italienische Komitee in Paraguay, welches zu seine)'
Aufsuchung eine Expedition unter dem Spanier Cancio aussandte, nachdem
Boggiani bereits längere Zeil vermisst war, hat jetzt in Mailand einen
sehr interessant geschriebenen Bericht über die Auffindung- seiner und
seines Begleiters ( I a v i I a n Reste veröffentlicht, der aber anscheinend wenig
bekannt geworden ist1). Nachdem hinsichtlich Boggianis Tod kein Zweifel
mehr bestand8), machte ich mich daran, den Verbleib der photographischen
Platten zu ermitteln, welche, wie ich wusste, Boggiani in Buenos Aires
gelassen hatte, um seinen Wunsch zu erfüllen, sie als anthropologischen
Atlas herauszugeben. Da ein genauer Katalog von seiner eigenen Hand
ebenfalls existierte, war betreffs der nötigen Angaben kein Zweifel vor-
handen. Es gelang mir ferner, Hrn. Robert Iiosauer in Buenos Aires als
Verleger zu bewegen, die gesamte Serie mit Ausschluss einiger weniger
Platten, welche zu gelungener Reproduktion untauglich waren, veröffent-
lichen zu dürfen, allerdings in zwei voneinander unabhängigen Abteiinngen.
Die erste Abteilung enthält rund 100 Tafeln, ausserdem als Extratafel das
Bildnis des unglücklichen Boggiani. In einer zweiten Supplementabteilung
sind 14 Tafeln untergebracht, welche, da sie den entblössten Körper dar-
stellen, nicht an ein grösseres Publikum in Buenos Aires verkauft werden
konnten, deren gesonderte Veröffentlichung aber im Interesse des Verlegers
unbedingt nötig war. Durch Bezeichnung dieser 14 Supplementtafeln mit
Ziffern und Buchstaben können sie ohne weiteres in die Hauptserie eingereiht
werden, ohne dass hier eine Störung in der fortlaufenden Xummerierung ein-
träte. Schliesslich habe ich jeder Abteilung ein Vorwort und Inhalts-
verzeichnis in Deutsch und Spanisch mitgegeben, gedruckt als Heft von
gleichem Oktavformate wie die Tafeln, so dass alles zusammen bequem in
dem gleichen Karten untergebracht werden kann. Der Text unter den Tafeln
ist nur in Spanisch, da der Hauptabsatz des Werkes doch für Buenos Aires
und die La Plata-Länder berechnet ist. Line Sonderausgabe mit deutschem
Text hätte die Herstellungskosten erhöht und sich ausserdem nur in
wenigen Worten (fast nur „Indianer" bezw. „Indianerin" statt ..Indio''
bezw. „India") von dem spanischen Texte unterschieden.
Was nun die in der Sammlung vertretenen Stämme anbelangt, so sind
es die Sanapanä, Angaite und Lengua der Mascoi- und die Caduveo
Miiaya). Toba und Payagua der Guaicurügrnppe, ferner die isolierte
Gruppe der Bororö; der Hauptanteil der ganzen Sammlung aber, zwei
1 Alla ricerca >\\ Guido Boggiani. Spedizione Cancio oel Ciaco Boreale (Alto
Paraguay . Relazione e Documenta. Pubblicaiione fatta per cura de] Comitato Pro-
Boggiani. MEilano, k. Bontempelli, Editore, 1903 l-\ L08pp.
2 Robert Lehinann-Nitsche, Nähere Nachrichten über die Ermordung
des verdienten italienischen Reisenden Guido Boggiani. Globus, Bd. 83, Nr. 5,
29. Januar 1903, p. 82,
— 884 —
Drittel, kommt auf die isolierte Gruppe der Ghamacoco. „Die Photo-
graphien", um die folgenden Stellen wörtlich meinem Vorworte zu ent-
nehmen, „sind so vorzüglich, dass nur sehr wenige nicht tauglich zur
Reproduktion waren; was nur irgend ging, wurde mitgenommen." „Die
Aufnahmen sind nicht nach den m. E. mit Recht herrschenden anthro-
pologischen Prinzipien gemacht worden; hiernach soll ja das zu photo-
graphierende Individuum, handle es sich um Brustbild wie um den ganzen
Körper, in straffer Haltung, in mathematischer Stellung nach vorne, von
der Steite und von hinten in gleichem Masstabe (1 : 12,5; 1 : 10; 1 : 7 usw.)
aufgenommen werden und Bertillon hat für sein System die anzuwendende
photographische maschinelle Technik ersonnen und in unübertroffener
Vollendung ausgearbeitet, ohne dass leider seine Methode für die wissen-
schaftliche Anthropologie bis jetzt angewandt worden wäre. In Boggianis
Sammlung sind derartige Aufnahmen wenig vertreten. Dafür aber kommt
ein anderes Prinzip, das künstlerische, zur Geltung; man sieht den danach
aufgenommenen Photographien sofort an, dass sie von einem bedeutenden
Maler gemacht worden sind. Bei manchen Aufnahmen ist das künstlerische
Prinzip ausschliesslich Ausschlag gebend gewesen; man vergleiche z.B. die
schönen Bilder Nr. 61 — 62, das junge Mädchen am Wasser mit dem Zweig
in der Hand, oder Nr. 63 — 64, ein junges Ding lachend vor dem Vorhang,
oder den übers ganze Gesicht lachenden Millet (Nr. 45) oder die ver-
schiedenen Aufnahmen der Tiigule (Nr. 65 — 70). Wie starr muten dagegen
solchen lebenstrotzenden natürlichen Photographien gegenüber mehr oder
weniger streng „anthropologische" Aufnahmen an, wie wir sie eben
charakterisiert haben, z. B. der „kleine Kapitän" Nr. 14 und 15 oder die
beiden Payaguafrauen Nr. 27 — 28 bezw. 30 — 31! Wer weiss, ob nicht das
durch Boggiani zum mindesten für Südamerika zum ersten Male befolgte
künstlerische Prinzip bei anthropologischen Photographien, wie es in der
vorliegenden Sammlung zum Ausdruck kommt, der Anthropologie und
speziell der anthropologischen Photographie ganz neue Fingerzeige geben
wird !
Das Verzeichnis der Tafeln ist Boggianis Originalkatalog; ich habe
nichts weggelassen oder hinzugefügt, nur eine andere Anordnung der
besseren Übersichtlichkeit wegen vorgenommen. Zunächst teilte ich alles
in die grossen sprachlichen Gruppen, dann die Individuen der einzelnen
Stämme gemäss Boggianis Angaben nach Geschlecht — erst männlich, dann
weiblich - und Alter, ansteigend von den jüngeren zu den älteren Personen.
Waren, wie häufig, von einem Individuum mehrere Aufnahmen vorhanden,
so kamen zuerst die vom ganzen Körper in Vorder-, Seiten- und Rücken-
ansicht, dann die Brustbilder in gleicher Reihenfolge.
Nun noch einige Werte, warum die Veröffentlichung auf kleinen losen
Tafeln in Oktavformal ohne weissen Rand) erfolgt, von denen jede nur
ein Bild wiedergibt. Als anthropologischen Atlas denkt man sich ja ein
grosses gebundenes Buch mindestens in Quart, alle Tafeln mit einem
breiten weissen Rande, die man nur in seltenen Fällen herausnehmen und
nebeneinander, das Zusammengehörende zusammen, ausbreiten kann, und
doch i.-t dies gerade für ein wirkliches Studium von erösster Wichtigkeit.
— 885 —
Das kann man mit losen Tafeln ohne weissen Rand bequem erreichen.
Die event. Anordnung unter Glas and Rahmen für Lehrzwecke und zur
Ausstellung in öffentlichen Sammlungen, ohne «lass übermässig viel Platz
verbraucht wird nml die Einordnung neu zugekommenen .Material- isi
damit ohne weiteres ermöglicht. Zur praktischen Unterbringung eines
grösseren anthropologischen Bildermaterials empfehlen sich übrigens in
Mappen aufzubewahrende nicht zu dicke Kartons von indifferenter grauer
oder bellbrauner Farbe etwa in «Im- Grösse 60:75ctw, in welche die un-
aufgezogenen Photographien oder Lichtdrucke usw. eines bestimmten
Stammes mit den vier Ecken in kleine Einschnitte festgesteckt werden.
Bei Zuwachs ist dann ein umstecken und Einordnen sehr leicht und falls
nötig kann der so wie so nicht teuere Karton erneuert werden. So i-t
die Sammlung fortwährend geordnet, das Zusammengehörige beisammen und
auf einer grösseren Flüche dein Auge zur l)e<|iieineii Auf- und Zusammen-
fassung dargeboten. Viel leichter kann es so mit einem Blick die cha-
rakteristischen gemeinsamen Merkmale und unterschiede erfassen ohne zu
ermüden."
Soweit aus meinem Vorwort. Zur bequemen Demonstration habe ich
alle Tafeln provisorisch in ein Leporello-Album eingesteckt und dieses
.auseinandergezogen Ihnen hier an der Wand aufgehängt. Ich hoffe zum
Schluss, dass der in Deutschland gedruckte anthropologische Atlas, der
Boggianis schöne Aufnahmen nun allgemein zugänglich macht, den An-
klang der Fachgenossen wie der winteren Kreise finden möge!
(14) Hr. M. Hellmich, Kgl. Landmesser in Glogau, übersandte folgende
Abhandlung:
Der Götze'sche Böschuugsmesser.
(Siehe Jahr- 1904, S. 115 ff.)
Nachdem ich mir zur Probe und in ganz einfacher Weise den von
Götze angegebenen Böschungsmesser hatte anfertigen lassen, habe ich
denselben zur Aufnahme einiger Schanzen verwendet und für sehr praktisch
befunden. Wenn ich mir erlaube hier an die Götzeschen Ausführungen
anzuknüpfen, so geschieht es nur. um für eine andere Art der Verarbei-
tung der gewonnenen Messungszahlen einzutreten mit Benutzung einer
kleinen Verbesserung an dem Instrument.
Es Lsl nämlich nicht zu leugnen, dass das Instrument, so geeignet es
für den beregten Zweck ist und so sehr auch die damit erzielten Re-
sultate befriedigen mögen, doch immerhin nur eine beschränkte Genauig-
keit seiner Ergebnisse verbürgt. Es ist daher notwendig, die gewonnenen
Zahlen so zu benützen, dass nicht neue Ungenauigkeiten hineingetragen
werden.
Dazu ist al»er allein geeignet die Zahlenmethode im Gegensatz zu
der mir unvermeidlichen Fehlern behafteten Zeichenkonstruktion, die in
dem obenerwähnten Aufsatz vorgeschlagen wurde.
Ich gebe hier in der oberen Doppelreihe Zahlen, wie sie mir dem
Zirkel im Felde gemessen wurden:
— 886 —
Wesl - >- Richtung; der Messung Ost
+ 37
1,96 _3
+ 63 g
2.0 -35 •-
gl 1.86 ~.
1,96 __44
1,80 X
1.95 _52
1.93
-51
1,93 _44
1,95
— 30 +8
1,96 _o.t (l 2.0
Ermittelte
+ 6 — 8 ' Steigungen und
1JÄ 1A 2.0 2°
U 0
1,99 2.00
Horizontal-
abstände
1 1 ii., 11.84 12.52 12.8912.86 12.51 12.07 11.55 11.04 10.60 10.30 10.08 9,94 9.94 10,0 10.0 10,0 10.0 Höhe -^ .
I. gä
i- t- — m in . - ■* — X -• ty - ., , I "© 3
-' Horizontal- z —
~i — — — — m
Entfern uns
Die oberen Zahlen sind, in Zentimetern ausgedrückt und mit Vor-
zeichen (-(- für Steigen, — für Fallen) bezeichnet, die fortschreitend ge-
messenen Höhen der Geländepunkte, auf denen die Zirkelspitzen stehen.
Dabei ist für die Niederschrift der Messungsergebnisse zu beachten, dass
die Richtung, in welcher gemessen wird, oberhalb des Profils durch einen
Pfeil markiert werden muss. Auch habe ich es für zweckmässig ge-
funden, die Zahlen in Stufen, am besten auf quadriertem Papier so an-
zuordnen, dass ein „Steigen" höher und ein „Fallen" tiefer geschrieben
wird, als die vorhergehende Zahl: dadurch entsteht gleich bei der Messung
in rohen Umrissen ein Bild des gemessenen Profils, welches Irrungen im
Ansatz der Zahlen bei der Messung und bei der häuslichen Bearbeitung
vorbeugt.
Die untere Zahl in der oberen Doppelreihe ist die horizontale Ent-
fernung der beiden Geländepunkte, die ebenfalls an dem Zirkel abgelesen
weiden kann.
Dadurch nämlich, dass man neben der Teilung für die Höhenunter-
schiede auch noch die für die Horizontalunterschiede auf der Spannleiste
anbringt, erhält man neben der Kontrolle für die Richtigkeit der Ablesung.
wie gleich erörtert werden soll, zugleich die Grundlage für die von hier
an fehlerfreie rechnerische Konstruktion des gemessenen Profils im Gegen-
satz zu der vorgeschlagenen zeichnerischen Konstruktion, die bei den
kleinen Massen, mit denen gearbeitet werden muss, zahlreiche Fehler-
quellen in sich birgt und alle ihre Ungenauigkeiten summiert.
Will man die zweite Teilung vermeiden, so kann man sich eine
Zahlentafel entwerfen, in der nach der Formel b=)/ca — a2 (nach neben-
stehender Figur 1), wo c die Zirkelspannung, ;i die Geländeerhebung (also
der Vertikalabstand der Zirkelspitzen) and b den Abstand der Zirkel-
spitzen, in der Horizontalen genießen, bedeutet, die Werte dieser Hori-
— 887 —
zontalprojektion, die zu den gemessenen Höhen gehören, abgelesen werden
können. ';
Nimmt man beide Teilungen zur direkten Ablesung auf den Zirkel,
dann übersieht man nach kurzer Übung schon beim Ablesen, «»I» bei dieser
Manipulation etwa ein Fehler
vorgekommen ist, da sich die Fig. l.
zueinandergehörigeii Zahlen sehr
bald hinreichend genau dem Ge-
dächtnis einprägen und man beide
Teilungen immer vor Augen hat.
Aus der so gewonnenen
Doppelreihe von Zahlen berech-
net man nun, wie im Beispiel
gezeigt, gleich darunter die
Höhen der Geländepunkte durch
schrittweises Summieren unter Berücksichtigung der -j- und - und ferner
die Entfernung dieser Geländepunkte von einem beliebigen Anfangs-
punkt.
Höhe
Horizontale
Höhe
Horizontale
Höhe
Horizontal'-
0,00
0,16
0,26
0,33
2,1 K i
L,99
L,98
1,97
l.'.Mi
L,95
L,94
1,93
1 92
0,90
0,92
0,94
0,96
1,79
1.7s
1,77
1,76
L,34
1,36
1,39
1.1"
1,48
L,46
1,44
L,42
0,36
0,97
1.7:.
1,42
U"
0,43
0,99
100
1.74
1,7:;
0,47
0,50
0,53
1 .1 >•_>
L,03
L,72
1.71
0,57
0,60
1,91
1,90
1,06
1.7o
0,63
1,09
1,12
1,68
L,66
0,65
L,89
0,68
1 ,88
1.1.-)
i.<;i
0,71
1.-7
1,18
L,62
0,73
o,7.")
L,86
l ,2( l
L,70
1 ,8i i
0,78
L,84
1,23
1 ,58
0,81
L,83
l ,25
L,56
0,83
1,82
1,27
1,54
1 1,85
1.81
L,30
1 ..'.L»
i >58fl
1,80
i..;-j
1 ..">! »
— 888 —
Mit den so gewonnenen Massen erfolgt dann die Auftragung des
Profils fehlerfrei und nach jeder beliebigen Verjüngung, während man bei
dem zeichnerischen Verfahren immer eiuen verhältnismässigen sehr grossen
Massstab zu wählen gezwungen ist, der die gewonnene Zeichnung ihrer
grossen Ausdehnung wegen wieder unübersichtlich macht.
Zur Erläuterung, welche schönen Ergebnisse zu erreichen sind, füge
ich die Aufnahme der „Schwedenschanze" bei Linz, Kr. Guhrau, bei, eines
ringförmigen Walles, der an einem Nachmittage ohne jede fremde Hülfe
von mir mit dem ersten, primitiven Gefäll messer aufgenommen worden ist.
Es wurden dazu vier Querschnittslinien — N — S, O — W, NO — SW
und NW — SO — abgesteckt und gemessen. Das W- O-Profil ist nach-
stehend im Masstah 1 : 1000 wiedergegeben (Fig. 2).
Von demselben ist ein Teil der Messungszahlen und der daraus be-
rechneten Konstruktionsmasse oben mitgeteilt worden.
Aus diesen Profilen wurden direkt die Entfernungen der Horizontal-
kurven runder Höllenzahlen vom Mittelpunkte aus abgegriffen und in die
Kurvenkarte übertragen, ein Verfahren, wie es einfacher fast nicht mehr
zu ersinnen ist.
Das nachstehende Kärtchen (Fig. 3) ist auf den Masstab 1 : 1000
gebracht. Bei der Zeichnung 1 : 500 geben die Kurven von 2 zu 2 dem
die Formation noch besser wieder.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, noch einiges über den Zirkel zu
sagen, den ich mir nach den gesammelten Erfahrungen für die weiteren
Aufnahmen jetzt habe machen lassen.
Zunächst ist mein Zirkel 1,5 m lang und fasst für gewöhnlich 2 m\
doch lässt sich auch mit einer zweiten Spannleiste eine Spannung von 1 m
erzielen. Die Spannung ist so gewählt, dass Böschungen von fast 45° noch
damit gemessen werden können. Zur bequemen Unterbringung der Spann-
leisten ist die Spannung in 2/.-, d©r Höhe des ganzen Zirkels — vom Kopfe
her gerechnet — angebracht. So können beide Spannleisten an einer
festen Achse angebracht und an den Schenkel in eine Kehlung eingeklappt
werden; wird dann der andere Schenkel herangeschlagen und so der
Zirkel geschlossen, so liegen die Spannleisten im Inneren und sind mit
ihren Teilungen vor Beschädigungen beim Transport geschützt. Je nach-
dem nun mit 1 m oder mit 2 m Spannweite gearbeitet werden soll, wird
die kürzere oder die längere Spannleiste horvorgeklappt und in dem
gegen überliegenden Schenkel durch einen Zapfen mit Mutter befestigt.
Bei der Spannweite von 2 m hängt nun das Pendel an zwei Fäden, die
die Spannleiste zwischen sich nehmen, ans der Achse des Zirkelkopfes
herab. Da die Spannleisten auf beiden Seiten geteilt sind, so kann auf
jeder Seite des Zirkels abgelesen werden. Die Teilung ist jederseits in
zwei verschiedenen Skalen übereinander ausgeführt; die obere, in Zenti-
metern beziffert, gibt die Länge der vertikalen, die untere in Metern die
horizontalen Entfernungen der Zirkelspitzen. Diese Einrichtung ermög-
licht "'S. in freiem Gelände den Zirkel durch Drehen um die in der
Messungsrichtung vorn stehende Spitze weiterzubewegen, da, wie gesagt,
— 889
Fig. 2.
w.
&
esst « sr «s t = V-
rr^-
- » ?
PIlfTFl5
M
' ' ' • ' ' ■ ■ ' ■ t ■ ' ' — ' i . i — > j i . i i i . . : ; i
J^:J!>f*y^^•'•'•■|, ' J? iri ;, s ; : S ; ; j : 5 i I { ; : : ; : * 4 f?
Fiff. 3.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. ükm. Heft 6.
57
— 890 —
<lie Teilung zu beiden Seiten der Spannleiste eine Ablesung- in jeder Lage
gestattet.
Für die Spannweite von 1 m, auf die Bedacht genommen wurde, weil
in mit Wald oder Buschwerk bestandenem Gelände und bei Anlagen von
geringen, oft wechselnden Erhebungen und Senkungen, z. B. bei Lang-
wällen, die Spannweite von 2 m manchen wichtigen Geländepunkt über-
schlagen würde, müssen aber die Pendelschnüre in geringerer Entfernung
über der Spannleiste festgehalten werden, weil ja die Schenkel nicht ent-
sprechend verkürzt werden können und sollen und dadurch der Winkel
im Seil eitel des Zirkels spitzer geworden ist. Dies geschieht durch eine
Metallschiene mit Ausschnitt für die Pendelschnüre in der entsprechenden
Höhe, die bei Verwendung der kurzen Spannleiste eingehängt wird.
Auch diese, sowie das Pendel mit Schnur können im Innern der ent-
sprechend ausgehöhlten Zirkelschenkel untergebracht werden, sodass der
ganze Apparat im reisefertigen Zustand eine nach dem Fusse sich ver-
jüngende Stange von etwa 4 cm zu G cm Stärke am Kopfe darstellt.
Nimmt man hierzu noch ein Winkelprisma zur Absteckung der Kon-
struktionslinien und etwa noch einen Kompass, die beide bequem in der
Westentasche untergebracht werden können, so ist man für die Horizontal-?
und Vertikalaufnahme nicht allzu ausgedehnter prähistorischer Anlagen
von der Art der Burgwälle ausreichend gerüstet.
Hr. A. Götze: Es freut mich, dass der „Böschungsinesser" auch bei
technisch-fachmännischer Seite Anklang findet, vor allem aber, dass er
durch die Ergänzung mit der zweiten Skala leistungsfähiger geworden
ist. Während ich das Summieren der Höhenzahlen in der Praxis schon
seit längerer Zeit anwende, fehlte es mir bisher an der Möglichkeit, in
gleicher Weise die bei der zeichnerischen Übertragung entstehenden Fehler
bezüglich der Horizontaldistanzen zu vermeiden. Diesem Übelstande ist
nun durch die Hellmichsche Verbesserung abgeholfen.
Ich erlaube mir ferner zu bemerken, dass ich eben damit beschäftigt
bin, eine weitere Verbesserung an dem Instrument anzubringen. Es handelt
sich dabei um eine Vorrichtung, welche eine genauere Ausführung der
eigentlichen .Messarbeit im Gelände ermöglicht, namentlich im lockeren
Sandboden, im Moos, im Gras u.dgl. Es bestand da bisher der Übelstand,
dass die Zirkelspitzen unter die Oberfläche des weichen Bodens oder der
Vegetation sdecke eindrangen, so dass man die Entfernung nicht genau
abgreifen konnte. Für solche Fälle schlage ich den Gebrauch von Schuhen
vor, au ileren zweckmässiger Ausgestaltung ich zurzeit arbeite. Sobald
ein befriedigendes Fa-gebnis gewonnen ist, werde» ich mir erlauben, hier-
über an dieser Stelle zu berichten.
(lö) Hr. Hubert Schmidt überreich! einen Nachtrag zu seiner Al>-
handlung über
„Troja-My kene-Ungarn". *)
In bezug auf das Verbreitungsgebiet der ungarischen Hängespiralen
(oben S. 620 ff.) stelle ich auf grund eines freundliehen Hinweises des
1) Di' ei Band S. 608 ff.
— 89] —
Hrn. Olshausen fest, dass derselbe in dem ersten „Nachtrage" w seiner
von mir oben (S. (516) zitierten Arbeit auf 8. 497 nach Y i rchow (das
Gräberfeld von Eoban. Berlin 1883. 8.44, L30, 153. Tf. 6, 12; 7. 1—2;
9, 1 — "2; 11. 1) den Kobantypus (siehe meine Figi 20, Variation y)
schon erwähnt, seine Form bestimmt und auch die Spiralen bemerkt hat;
auch beruft er sieh auf E. Chantre (Materiaux S. II T. XIII [1882]
I». "_?4 1 ff. Tf. 4), der die Kobaner Geräte als „Ohrringe" bezeichnet hat
(vgl. meine Bemerkungen oben auf 8. 621 f.) und teilt mir mit. dass er
die Bedeutung „Ohrringe" für d;is Wahrscheinlichere stets da hält, wo
ein Paar vorhanden ist. dessen einer das Spiegelbild <\e^ andern ist (vgl.
dazu Olshausens zweiten Nachtrag, Berl. Verhdl. 1886 8. 640 unten).
Meinerseits ziehe ich die Bezeichnung „Hängespiralen" vor, weil sie als
indifferent für alle Fälle zutrifft. Meine erste Bekanntschaft mit den
kaukasischen Typen machte ich im Jahre 1902 in Ungarn auf dort im
Privatbesitz befindlichen Photographien von kaukasischen Funden der
Sammlungen in Wladikawkas und Tiflis.
Ferner bemerke ich berichtigend folgendes:
Zu S. i')l 7 ff. Anmerkungen: Das im Universitätsgebäude von Kolozsvär
(Klausenburg) befindliche Museum führt die Bezeichnung: „Sieben-
bürgisches X a t i onal- M useuin zu Kolozsvär".
Zu 8.618 Anm. 1: inv.-Nr. 7237, 7238 in Kolozsvär haben keine
näheren Fundangaben; sie sind gekauft und stammen wahrscheinlich aus
Siebenbürgen. Das Komitat, aus dem Inv.-Nr. 1870 desselben Museums
herkommt, „Belsö-Szolnok" (nicht: Belsö Koni. Szolnok) führt nach der
neuen Regulierung den Namen „Szolnok-Doboka".
(IG) Hr. Paul Bartels überreicht eine Abhandlung:1)
Über Schädel der Steinzeit und der frühen Bronzezeit aus der
Umgegend von Worms a. Rhein.
Wer von Ihnen das Paulusmuseum in Worms besucht hat. der kennt
aUs eigener Anschauung einen wenn auch nur geringen Teil des .Materials.
über das ich mir erlauben möchte. Ihnen hier zu berichten. Hr. Sanitäts-
rat Koehl hat in jahrelanger Arbeit dort eine kostbare archäologische
Sammlung aus der Steinzeit geschaffen, er hat alier nicht verabsäumt, zu-
gleich auch in verständnisvoller Weise die vielen Schätze osteologischen
Materials zu bergen, die zumeist noch in der Verpackung, wie sie aus den
Grabstätten ins Museum transportiert worden, auf den Bodenräumen der
Pauluskirche aüfgestapeli waren, einer Bearbeitung harrend. Ich verdanke
der freundlichen Verwendung von Hrn. Professor Thilenius die Er-
laubnis, diese Bearbeitung übernehmen zu dürfen, und Ich möchte ihm
auch an dieser Stelle nochmals meinen wärmsten Dank dafür aussprechen.
Das Material, welches mir von Hrn. Koehl übergeben wurde, befand
sich zum Teil in keinem günstigen Erhaltungszustand. Nicht, dass dies
hauptsächlich dadurch veranlass! gewesen wäre, dass es während der langen
i Nach einem auf der A.nthropologenversanimlung in Greifswald gehaltenen Pro-
jektionsvortrag.
— 892 —
Zeiten, die es auf den Bodenräumen aufgestapelt lag, in Säcken, noch mit
der Erde angefüllt und von ihr umgeben, aus der es genommen war, teil-
weise zerfallen war, dass beim Transport und durch die Unvorsichtigkeit
der Arbeiter Beschädigungen vorgekommen waren, — vor allem waren diese
Schäden durch den jahrtausendelangen Aufenthalt in den (iräbern entstanden.
Die Schädel sind vielfach durch die Last der umgebenden Graberde
verdrückt, die Knochen waren auseinandergetrieben, zartere Knochenstücke
entweder gänzlich zerdrückt oder überhaupt völlig vergangen.1)
Immerhin ist es mir gelungen, eine Sammlung von etwa 50 ganz
oder grösstenteils erhaltenen Schädeln der jüngeren Steinzeit und der
frühen Bronzezeit einzurichten. In der Zeitschrift „Vom Rhein" (Monats-
blatt des Wormser Altertumsvereins) habe ich in der Julinummer 1904
bereits über diese Sammlung berichtet. 2)
Die Methode der Präparation. wie ich sie mir ausprobiert, habe ich in
dem eben genannten Aufsatz bereits geschildert. Hier möchte ich nur
meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, dass die nach meiner Rück-
kehr aus Worms durch C. Strauch veröffentlichte Methode, die
Rud. Yirchow zu verwenden pflegte, fast genau mit der meinigen über-
einstimmt. Es heisst dort (Preuss. Medizinalbeamten-Yerein, Verh. 1904):
„Die umhüllende Erde spüle man ja nicht mit Wasser ab, da dies sehr
häufig auch die Knochen zum Zerfall bringt. In die Schädelhöhle, Augen-
und Nasenöffnungen eingedrungener Sand oder Lehm kann im allgemeinen
sehr vorsichtig und zart mit, einem hölzernen Stäbchen oder einem kleinen
Borstenpinsel entfernt werden, wenn die Knochen erst einige Zeit an der
Luft gestanden haben und trocken geworden sind. Auch ein Eintauchen
des mürben Schädels in flüssigen Leim, wie es früher Brauch war, wird
heute nicht mehr geübt; er wird sehr leicht gerade in der Leimlösung in
seine einzelnen Stücke zerfallen. Erst wenn er nach einem oder zwei
Tagen lufttrocken geworden ist, man die gröbste Erde entfernt hat, über-
streiche man seine Oberfläche mit flüssigem Wallrath oder Stearin." Ich
habe gewöhnlich mit einem stumpfen Messer gearbeitet und habe zum
Tränken des Knochens Hausenblase benutzt; im übrigen bin ich ebenso
verfahren, wie hier geschildert wurde.
Über die Methoden, nach denen ich die wissenschaftliche Bearbeitung
des Materials vorgenommen habe, will ich hinweggehen, weil ich sie in
meiner ausführlichen Arbeit über die Steinzeitschädel genau zu schildern
gedenke. Nur betreffs der Photographieen niuss ich einige Worte sagen.
Ich machte die Aufnahmen unter Verwendung des Martin sehen Kubus-
kraniophors, mit Hilfe dessen es möglich ist, genau auf einander recht-
winklig stehende Ansichten der vier Nonnen zu erhalten. Um Ver-
zeichnungen möglichst zu vermeiden, wurde die Aufnahme sehr klein, in
genau ljl0 der natürlichen Grösse, hergestellt, wobei ich als Massstab ein
Schildchen von genau V2 cm Länge benutzte, das die Signatur des betr.
Schädels trug. So wurde zugleich die Platte kenntlich gemacht.3)
1) Proj.-Bild J— 4 zur Illustration des Erhaltungszustandes.
■-', Proj.-Bild 5: Gesamtansicht der kraniologischen Sammlung iu der Kreuzgang-
kapelle des Paulusmuseums.
3) Proj.-Bild 6: Schädel Flomborn No. T.'i im Kiibuskraniophor, Proiilansicht.
— 893 —
Die Ergebnisse meiner Untersuchungen enthalten die Beantwortung
von zweierlei verschiedenen Fragen.
Die erste Frage, die icli mir stellen rnusste, war die: Lassen diese ur-
alten menschlichen Reste in ihren anatomischen Eigentümlichkeiten irgend
etwas erkennen, was dafür spräche, dass diesen Menschen innerhall) des
Formenkreises Mensch eine besondere Stellung eingeräumt werden müsste.
etwa wie sie dem Neanderthaler, demSpy- und Krapinamenschen heute zu-
geteilt wird? Icli kann gleich vorausschicken, dass ich ein derartiges Resultat
weder erwartet noch erhalten habe: Die steinzeitlichen Bewohner von
Worms und l'mgegend sind Menschen wie wir gewesen, das geht schon
aus der Betrachtung der Schädel, die ich bisher nur allein untersucht
habe, hervor. Es entspricht dieses Resultat völlig dem, was von anderen in
Europa gefundenen Menschen der jüngeren Steinzeit bekannt ist: besonders
Prof. K oll mann hat ja wiederholt darauf hingewiesen, dass sich der Mensch
seit der jüngeren Steinzeit in seinem Knochenbau nicht verändert hat.
Im dies zu entscheiden, dazu bedurfte es zunächst nur der Betrachtung
des allgemeinen Aussehens der Schädel. Ich zeige Ihnen hier einige be-
sonders charakteristische von verschiedenen Gräberfeldern.1) Diese Schädel
sehen zwar zum Teil etwas fremdartig aus, doch unterscheiden sie sich von
dem allgemeinen menschlichen Typus durchaus nicht.
Noch mehr lässt sich dieses Urteil sichern, wenn man die individuellen
Abweichungen, die Varietäten, welche sich an den einzelnen Schädeln
linden, betrachtet.
Ich habe seit langer Zeit die Literatur über die Schädelvarietäten
gesammelt uud mich bemüht, diejenigen zusammenzustellen, welche sich vom
phylogenetischen oder vom ethnologischen Standpunkte aus als wichtig
erwiesen haben; ich nenne als Beispiele nur den Stirnfortsatz des Schläfen-
beines, das Inkabein, das Os japonicum (ainoicum). So bin ich dazu ge-
kommen, für meine Zwecke ein Beobachtungsschema zu entwerfen, das
eine grosse Leihe von Einzelfragen umfasst und habe die Beantwortung
dieser Fragen zum ersten Mal an den im Berliner anatomischen Institut
vorhandenen Rassenschädeln durchgeführt, indem ich so eine Art An-
hang zum Schädelkatalog lieferte, in ähnlicher Weise, wie es z. IL E.Schm Ld L
Mehnert (bei Schwalbe). .1. Mies u. a. bereits getan haben. Während
Acv Schädelkatalog heut einheitlich durchgeführt ist in Bezug auf alle
Punkte, die durch Messung zu fixieren sind, fehlt es leider noch immer
an einer einheitlichen Ausführung der Schädelbeschreibungen. Mau kann
sehr oft nicht wissen, ob ein Autor eine Varietät nicht erwähnt, weil
er nicht auf sie geachtet hat oder weil sie nicht vorhanden war. So ist
nach dieser Lichtung hin der Schädelkatalog noch wenig verwertbar. Ich
möchte es deshalb als ein erstrebenswertes Ziel bezeichnen, dass wir uns
auch über die Punkte, die bei der Beschreibung eines Schädels in der
Regel beobachtet werden sollen, einigen möchten. Das von mir ver-
wendete Schema habe ich soeben in der Festschrift für Geheimrat Wilhelm
l) Proj.-Bild 7—12: Schädel vun der Bheingewann, von Rheindürkheim, von
Flomborn, vom Adlerberg bei Worms uml aus Wiesbaden.
— 894 -
Krause (Internat. Monatschr. f. Anat. u. Phys. XXI, H. 4 — 6, 1904) ver-
öffentlicht.
Eine Häufung im Auftreten solcher Merkmale, die wir als Merkmale
niederer Kassen zu betrachten geneigt sind, bei einem untersuchten Volke
würde uns berechtigen, demselben eine niederere Stellung in der Stufen
leiter innerhalb des Formenkreises Mensch anzuweisen. Die Beantwortung
meiner Fragen für die Wormser Schädel der Steinzeit und frühen
Bronzezeit ergibt aber, soweit ich es bis jetzt beurteilen kann, keinerlei
Anhaltspunkte für de Ansicht, dass diese Menschen uns als Angehörige
einer besonders niedrig stehenden Rasse gelten müssten.
Ich komme deshalb zu dem Endurteil: diese Menschen waren Menschen
so wie wir, und gehörten wahrscheinlich auch keiner besonders ..niedrig"'
stehenden Rasse an.
Eine zweite Gruppe von Fragen betrifft einen ganz anderen Punkt:
Lässt sich nach dem Knochenbau, speziell nach dem des Schädels, schliessen,
dass diese Menschen einem bestimmten Typus angehörten, und wie ist
dieser zu charakterisieren? Oder waren mehrere Typen vorhanden, und
wie können diese charakterisiert werden?
Ich muss vorausschicken, dass ich vollständig unbefangen mir diese
Fragen beantworten konnte, da ich die archäologischen Streitfragen, die
etwa hätten in Betracht kommen können, nicht kannte, und auch bis ich
mich entschieden hatte, mich davor gehütet habe, im Einverständnis mit
Hrn. Koehl, diese Fragen, und alles, was mich sonst hätte beeinflussen
können, kennen zu lernen.
Sehr bald erkannte ich, dass sich die auf dem Adlerberg bei Worms
gefundenen Schädel unter allen Umständen von den übrigen abtrennen
Hessen. Sie neigen zur Brachycephalie, während all die anderen in
geringerem oder höherem Grade zur Dolichocephalie neigen: auch die
Form der Gesichter ist verschieden, wie ich noch zeigen werde.
Interessant war mir nun, von Hrn. Koehl zu erfahren, dass ich damit,
ohne es zu wissen, die schon der Bronzezeit angehörigen Schädel von den
übrigen abgesondert hatte
Unter den steinzeitlichen Schädeln, die die Bezeichnungen Rheingewann,
Flomborn. Rheindürkheim trugen, lernte ich allmählich dann auch noch
zwei Gruppen unterscheiden: die Plomborner sahen anders aus als die in
der Rheingewann und die bei Rheindürkheim gefundenen Schädel. Letztere
beide vereinte ich zu einer Gruppe, die im allgemeinen weniger dolicho-
cephale, 1110111- an der Grenze zur Mesocephalie stehende Schädel mit
schmaleren und höheren Gesichtern, mit heruntergezogenen Augenhöhlen-
winkeln uinfasst, die zur Orthognathie zu neigen scheinen: während die
Plomborner durch eine höhere Dolichocephalie, durch niedrigere \\n>\
breitere Form des Gesichtes, durch mehr gerundete Augenhöhlen und
durch ihre Neigung zur Prognathie charakterisiert sind. Leider ist es mir
nicht möglich gewesen, diese Unterschiede zahlenmässig durch Messung
festzulegen. Ich habe zwar alle Schädel mögliche! genau nach der Frank-
furter Verständigung zu messen gesucht. Als ich aber nach Beendigung
— 895 —
Uer Messungen mein Material mir der von mir1) angegebenen Methode der
Bestimmung der Brauchbarkeit prüfte, ergab sich, «l;i>> es nicht den An-
sprüchen genügt, die man stellen muss, wenn man ein so feines und
empfindliches Instrument, wie es <lie Methode der Schädelmessung darstellt,
anwenden will. Die Methode beruht darin, dass man mit Hilfe der
Wahrscheinlichkeitsrechnung den Wert feststellt, um den <lie erhaltene
.Mittelzahl nach oben oder unten schwanken kann, und «las Verhältnis
dieser Wertgrösse zu der der beobachteten Schwankungsbreite berechnet;
so erhält man einen Index, den von mir sogenannten Brauchbarkeitsindex,
dessen Höhe anzeigt, ob und in welchem Grade das Beobachtungsmaterial
zu einer kraniometrischen Untersuchung überhaupt geeignet ist.
Hier war nun die Brauchbarkeit, wie sich zeigte, eine äusserst geringe,
und zwar scheint mir, wie ich in meiner ausführlichen Mitteilung noch
begründen zu können hoffe, weniger die innere Ungleichheit der
Beobachtungsreihen, als vielmehr der defekte Zustand der Schädel daran
die Schuld zu tragen.
Ich musste also auf die Berechnung von Mittelzahlen und die Dar-
stellung der typischen Merkmale mit diesem Hilfsmittel vernünftigerweise
verzichten.
Immerhin waren doch aber die Unterschiede nach dem Eindruck, den
ich empfangen, vorhanden, wenn ich diesen Kindruck auch nicht in die
feste Form von Zahlen giessen konnte. Ich habe, allein und mit Hrn.
Koehl, so oft versucht, einen Schädel muh den von mir erkannten Unter-
schieden zu diagnostizieren, und stets mit Erfolg, und habe dann nach
meiner Rückkehr von Worms, als ich die mitgebrachten Platten ent-
wickelte, mich so oft ernstlich geprüft, dass mein Urteil sich immer mehr
befestigt hat.
Um nun auch Ihnen denselben Hindruck verschaffen zu können, den
ich durch das fortwährende Anschauen und Vergleichen der Schädel in
meinem Gedächtnis davongetragen, halte ich zu einem besonderen Hilfs-
mittel gegriffen, das, soviel ich weiss, von Hrn. Professor Emil Schmidt
herrührt. Es gibt ein Instrument, das so fein reagiert wie das Gedächtnis,
das ist die photographische Platte. Ich habe versucht, die typischen
1) Untersuchungen und Experimente au 15O0O menschlichen Schädeln über die
Grundlagen and den Wert der anthropologischen Statistik. X. t' Morph, u. Anthrop. VII.
S. 81— 132, und: Über Vergleichbarkeit kraniometrischer Reihen, Zeitschr. f. Ethn. L903,
Heft <">. — In einem soeben im 8. Baude der Zeitschrift Mir Morphologie und Anthropo-
logie erschienenen Aufsatz.- unterzieht K. E. Ranke meine Methode auf Grund mathe-
matischer Erwägungen einer Kritik, die ihn zn einer völligen Verwerfung des Brauchbar-
keitsindex führt. Ich freue mich, dass damit eine Debatte über diese Frage ins Leben
gerufen ist, und werde die erhobenen Einwände mit Mathematikern von Fach ein*
wissenhaften Prüfung unterziehen, deren Resultat ich später mitteilen werde. Gegenüber
den mit grosser Sicherheil vorgebrachten Ausführungen K. E. Haukes möchte ich aber
Bchon heute sofort bemerken, das9 ich selbstverständlich, wie ich am h seinerzeit ange-
geben, gleichfalls so vorsichtig war, fachmännischen Rat bei Untersuchung dieser Frage
eu erbitten, und dass mir damals, wie auch beut, noch, versichert wurde, meine F
rangen sein. neu einwandsfrei zu sein, wenn auch .ine mathematische Begründbarkeit
meiner Methode nichl ohne weiteres ersichtlich sei. Ich komme später ausführlich auf
diese Dinge zurück.
- 896 -
Eigenschaf teu durch die Methode der photographischen Mittelbilder, wie
sie E. Schmidt in seinen „Anthropologischen Methoden" (Leipzig isss.
8. 307, 308) beschrieben hat, zu fixieren. Sie beruht darauf, dass man
eine Reihe von Bildern, aus denen man ein Mittelbild gewinnen will,
immer auf dieselbe Platte photographiert, jedesmal aber nur einen ihrer
Gesamtzahl entsprechenden Bruchteil der zur Erzielung eines scharfen
Bildes notwendigen Expositionszeit belichtet. Wenn man also z. B. wie
ich 21 Sekunden braucht, um von einer einzelnen Photographie eine gute
Aufnahme zu erhalten, und man will aus sieben Bildern ein Mittelbild
herstellen, so muss man für jeden Einzelfall statt 21 Sekunden nur den
siebenten Teil dieser Zeit, also drei Sekunden, exponieren.
Wie aber der Histologe nicht jede beliebige Serie ohne weiteres zum
Modellieren benutzen kann, sondern einer Definierlinie bedarf, so müssen
auch bei der Herstellung von Mittelbilderu die Einzelbilder in bestimmter
Weise orientiert sein. Zu diesem Zweck paust man alle Einzelbilder nach ein-
ander auf dasselbe Pauspapier durch, indem man darauf achtet, dass jede
folgende Zeichnung sich immer mit der vorhergehenden möglichst deckt.
In dieses Nebeneinander von Linien zeichnet man zum Schluss die mittlere
Umrisslinie ein. Nun versieht man die Pause mit einem Linienkreuz,
legt jede einzelne Photographie so unter die Zeichnung, dass sie sich mit
ihr möglichst genau deckt, und punktiert mit einer Nadel die vier Schenkel
des Linienkreuzes am Rande jeder Photographie. Zur Aufnahme werden
die Photographien, eine nach der anderen, dann so auf einem zweiten
Linienkreuz befestigt, dass die vier Nadelstiche auf den vier Schenkeln
des Kreuzes liegen. Dadurch erreicht man, dass auf der photographischen
Platte immer ähnliche Teile der Einzelbilder auf dieselben Teile der
Platte fallen. Das Gemeinsame summiert sich auf der Platte, so dass ein
scharfes Bild entsteht, während * lie nicht gemeinsamen Umrisse verblassen.
Es ist also ein ganz ähnlicher Prozess, wie er offenbar in unserem
( redächtnis sich abspielt.
Die Mittelbilder der vier verschiedenen Normen1) zeigen denn auch
in rech! deutlicher Weise die Verschiedenheiten der drei von mir unter-
schiedenen Typen. (Vgl. die Abbildungen.)
Wenn ich das gesamte in Worms vorhandene Material durchgearbeitet
haben werde, hoffe ich den Mittelbildern eine grössere Anzahl von Einzel-
aufnahmen als jetzt zugrunde legen zu können.
Vergegenwärtigen wir uns nun. dass dieselbe Gruppeneinteilung, wie
ich sie nach anatomischen Gesichtspunkten getroffen, auch auf Grund
archäologischer Forschungen angenommen wird, indem die Gräberfelder von
der Rheingewann and Rheindürkheim der ältesten Periode der jüngeren
Steinzeit, der älteren Winkelbandkeramik, angehören und gestreckte
Skelette zeigen, während die Flomborner Gräber einer jüngeren Periode.
der sogenannten Spiral-Mäanderkeramik, zugerechnet werden und Skelette
enthalten, die, auf der linken Seite liegend, in hockender Stellung bei-
gesetzt sind, so erscheint «Ins Zusammentreffen zweier verschiedener
l Proj.-Bild 13 L6.
— 897 —
Forschungswege in demselben Endurteil von einigem Werte, indem sie
geeignet sind, sich gegenseitig zu stützen.
Sehr wertvoll wäre es gewesen, auch noch Vertreter ans der Periode
der sogenannten jüngeren Winkelbandkeramik zur Untersuchung verwen-
den zu können. In Worms wurden aber aus dieser Kulturperiode bisher
nur Wohnplätze, noch nicht die dazu gehörigen Grabstätten gefunden.
Hoffen wir, dass es der glücklichen Hand von Hrn. Sanitätsrat Koehl
gelingen möchte, bald auch diese Reste der Wormser Erde zu entreissen!
Mittelbilder der Norma facialis.
Links: Typus von Rheindürkheim und der Rheingewann (ältere^ Winkelbandkeramik),
in der Mitte; Typus von Flomborn (Spiralmänderkeramik ; rechts: Typus vom Adlerberjr
frühe Bronzezeit).
Mittelbilder der Prolilansicht.
Links: Typus vmi Rheindürkheim und der Rheingewann (ältere Winkelbandkeramik] ;
in der Mitte: rypus von Flomborn Spiralmiianderkeramik): rechts: Typus vom Adlerberg
(frühe Bronzezeit).
Zum Schlns- erlaube ich mir hier in allgemeiner Form an alle die-
jenigen Herren, welche Vergleichsmaterial besitzen, die Bitte zu richten,
die ich noch privatim wiederholen werde, mir gütigst eine Untersuchung
desselben gestatten zu wollen. Hrn. Professor Dr. Ritterling, dem
Direkter des Museums in Wiesbaden, sage ich auch an dieser Stelle
meinen Ite-ren Dank für die Liebenswürdigkeit, mit der er mir die
Untersuchung zweier bei Wiesbaden gefundener Schädelfragmente (Periode
der Spiral-Mäanderkeramik) gestatte! hm.
(17; Hr. Götze hält einen Vortrag über
Beiträge zur vorgeschichtlichen Metallurgie.
Der Vortrag wird später erscheinen. —
III. Literarische Besprechungen.
Matiegka, Heinrich, Über Schädel und Skelette von Santa Rosa (Santo
Barbara-Archipel bei Kalifornien). Mit 3 Masstabellen und IG Ab-
bildungen im Texte. Prag-: Fr. Rivnac 1904. 8°. (S.-A. aus den
Sitzungsberichten der Königl. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften
in Prag.)
Wenn auch schon von den andern Inseln des Barbara-Archipels, von S. Catalina.
S. demente, S. Barbara, S. Cruz und S. Miguel, viele Schädel von Virchow, Carr und
Allen beschrieben worden sind, so erfahren wir doch aus der vorliegenden Abhandlung
zum ersten Mal. wie sich die Schädel der einstigen Bewohner der Insel S. Rosa verhalten,
von denen 15 authentisch bestimmte dem Verf. für seine Untersuchung zu Gebote standen:
die 4 Skelette aber, welche dazu gehören, sind die eisten überhaupt, welche von dem
ganzen Barbara-Archipel veröffentlicht worden sind. Es ist daher ein Glück, dass dieses
kostbare Material in die Hände eines so erfahrenen Anthropologen gelangte, wie Hr.
Matiegka bekanntlich ist. Mit grosser Exaktheit werden diese Überreste der längst
ausgestorbenen Indianerbevölkerung von S. Rosa vom Verf. gemessen und beschrieben
und die Resultate mit den Ergebnissen der von andern Autoren veröffentlichten Unter-
suchungen über die Bewohner der anderen Inseln desselben Archipels und anderer mehr
oder weniger entfernter Gegenden verglichen.
Der Verf. konnte so den wichtigen Nachweis führen, dass die S. Barbara-Insulaner
beinahe in allen deskriptiven und osteometrischen Charakteren den anderen Amerikanern
nahe- oder gleichkommen, d. i. wirkliche echte Amerikaner sind. Indessen zeigen sie
selbst doch wiederum lokale Verschiedenheiten von grossem lnter*esse.
Unter den Schädeln der südlichen Inseln S. Catalina und S. demente nämlich über-
wiegen die Dolicho- und Chamaecephalen, unter denen der nördlichen. S. Cruz und
S. Miguel, die Meso- und Brachy-Orthocephalen, dagegen nehmen die Schädel von S. Rosa,
obwohl diese Insel zu den nördlichen gehört, eine Mittelstellung ein. Sie sind meso-
seltener dolichocephal und zumeist orthocephal, haben weiter ein mittelhohes, meso- oder
prognathes Gesicht, mittelhnhe oder hohe orbitae und eine zinneist schmal', hohe Nase.
Dieses Auftreten der Mesocephalen kann man auf verschiedene Weise zu erklären
versuchen, entweder als Mischungsprodukt der Brachy- und Dolichocephalen "der als
Variation <\nr beiden Grundformen oder als eine selbständige Schädelt'orin überhaupt oder
endlich als ein Durchgangsstadium für die Umwandlung der dolichocephalen in die brachy-
cephale Schädelform. Der Verf. entscheidet sich vorsichtigerweise für keinen dieser vier
Krklärungsversuche, glaubt aber doch, dass die ersten beiden nicht mit den vorliegenden
Lehen übereinstimmen. Anregende Bemerkungen über die systematisehe Stellung der
amerikanischen Rasse überhaupt beschliessen die vortreffliche Monographie, welche sich
durch ihre objektive Aulfassung besonders auszeichnet. Lissauer.
— 899 —
Krause, Eduard, Die Werktätigkeit der Vorzeit. In „Weltall und
Menschheit. Herausgegeben von Hans Kraem-er, Band 5. Berlin:
Dcutsclies Verlagshans Bong & Co. (1904). 4°.
Das allgemein anerkannte Prachtwerk der unternehmenden Verlagshandlung, Bans
Kraemers Weltall und Menschheit, hat mit dem vorliegenden ■">. Bande seinen würdigen
Abschluss erreicht. Nach einer geistvollen Einleitung von Max \onEyth, welche mir die
allgemeinen Gesichtspunkte entwickelt, stellt Eduard Krause das tatsächliche Material.
welches die Prähistorie und Ethnologie bereits über die „Anfänge der Technik" erforscht
hat, in knapper und übersichtlicher Darstellung als „Werktätigkeit- der Vorzeil zusammen.
Gewiss war Niemand mehr hierzu berufen, als der vieljährige Konservator am K. Museum
für Völkerkunde, der an den reichen vorgeschichtlichen und ethnologischen Schätzen
desselben seine Erfahrungen gesammelt und dunh eigene Versuche unser Wissen über
viele Abschnitte dieser frühesten Technologie wesentlich bereichert hat. Au» der Schule
Rudolf Virchows hervorgegangen, ist der Verf. überall bestrebt, durch ethnographische
Parallelen die Fragen der dunklen Vorzeit zu erhellen oder doch die gebotene Erklärung
über deren Hinterlassenschaft zu begründen. So werden die ältesten bekannten Werkzeuge
der eolithischen, paläolithischen und neolithischen Zeit nach dem Material, der Formfolge
und der Verwendung ausführlich behandelt: so weiden ferner die Anfänge der Fischerei,
der Bautätigkeit, der Töpferei. Färberei, Gerberei, des Spinnens, Flechtcns und Webens,
der Salzgewinnung, des Ackerbaues, des Kunstgewerbe.- und der Metallgewinnung mehr
oder weniger eingehend dargestellt. Wir erhalten so einen vortrefflichen Leitfaden der
prähistorischen Technologie, welcher eine längst fühlbare Lücke in der vorgeschichtlichen
Literatur ausfüllt und von jedem Forsther auf diesem Gebiete als willkommene Gabe
begrüsst werden muss.
Nur einige Wünsche und Bemerkungen seien für die Bearbeitung einer zweiten Auflage,
welche bald erfolgen dürfte, hier ausgesprochen.
Bei der Kürze der Zeit und dem beschränkten Kaum, welche dem Autor, wie wir
wissen, zu Gebote standen, haben einzelne Kapitel zu wenig Berücksichtigung linden können,
wie das Weben, die Salzgewinnung, der Ackerbau, die Gewinnung und Bearbeitung der
Metalle, welche wohl verdienten, gleich ausführlich behandelt zu werden, wie die Stein-
bearbeitung. Wir bitten daher dringend die Verlagshandlung, dem Autor den hierfür
erforderlichen Kaum zur Verfügung zu stellen.
Bei dem Kapitel über die Eolithen muss die geologische Beurteilung der Fundstelle
noch mehr betont werden, als es geschehen ist, da diese über das Alter der Funde allein
entscheidet und die technische Beurteilung nur den Wegweiser bildet. — Das- aber die
Gegenden, von denen die Gletscher der Eiszeit die Schwemmschichten in die voreisten
Läuder herabbefördert haben, also Skandinavien und Finnland, schon damals bewohnt
gewesen seien, weil in den Diluvialschichten einzelne Kieselmanufakte gefunden v
ist doch eine zu subjektive Ansicht, um in einem populären Werk, wie das vorliegende
doch ist, als wissenschaftliche Tatsache hingestellt zu werden.
Auf S, 84 werden die Goten als Verfertiger der Gesichtsurnen angesehen. Dem wider-
spricht aber die geschichtlich feststehende Tatsache, dass die Hauptsitze der Goten gerade
das heutige Ostpreussen bis zur Nogat und dem rechten Weichselufer waren, während
das Fundgebiet der Gesichtsurnen fasl ausschliesslich auf dem linken Weichsekü
legen ist.
Zum Schluss seien noch einige Druckfehler hier verbessert, welche Leicht irreführen
könnten. Auf der farbigen Tafel bei S. 32 moss es zu 1 und 2 heissen: eolithisch statt
neolithisch; ferner S. 84 bei der oberen Abbildung: Frögg in Steiermark -tatt in K.
ebendorl Zeile IT von (dien: Berendt statt Berndl und bni der uuteren Abbildung: Tlukom
statt Plukom. Lissauer.
— 900 —
H. Belileu, Der Pflug und das Pflügen bei den Römern und in Mittel-
europa in vorgeschichtlicher Zeit. Eine vergleichende agrargeschicht-
liche, kulturgeschichtliche und archäologische Studie, zugleich als ein
Beitrag zur Besiedlungsgeschichte von Nassau. Dillenburg: Verlag von
C. Seels Nachfl. (Moritz Weidenbach). 1904.
Verf. unterscheidet in seinem Werke zwei Urformen des Pfluges: den Haken- und den
Sohlptlug, wobei er jedoch annimmt, dass diese beiden Pflugformen bereits mit eiserner
Pflugschar verseheu sind. Der Hakenpflug besteht, wie der Name schon stegt, ursprünglich
nur aus dem Stabe und dem Blatte, welche mit einander einen mehr oder weniger spitzen
NN inkel bilden: er dient ausschliesslich zur Auflockerung des Bodens und zum Ziehen der
Furchen, zu deren beiden Seiten die aufgewühlte Erde aufgehäuft wird. Der Hakenpflug
wird noch heutigen Tages in zahlreichen Abarten und mannigfachen Vervollkommnungen
allenthalben angetroffen. Zu diesen Vervollkommnungen gehört auch das Anbringen der
Sohle, wodurch die zweite Hauptform des Pfluges, der Sohlpflug, entsteht. Während der
Haken bei seiner Verwendung einen unruhigen und unsicheren Gang zeigt, ist derselbe
durch das Anbringen der Sohle ein ruhiger, stetiger geworden; die Schar nimmt dadurch,
dass sie sich vorn der Sohle auflagert, eine mehr horizontale Lage an. Dieser Sohlpflug
rindet sich am häufigsten sowohl in alter wie in neuer Zeit in den Ländern des mittel-
ländischen Meeres. Auch die alten Römer besassen den Sohlpflug und nicht, wie Meitzen
in seinem Werke „Siedlung und Agrarwesen" behauptet, den Hakenpflug. — Die Römer
waren in der Urbarmachung des Bodens, in der Bearbeitung desselben bereits weit vor-
geschritten. Sie teilten das zu bebauende Land in drei Klassen ein, nämlich in campi,
Ebenen, colles, Hügel und montes, Berge. Auch zwischen den verschiedenen Bodenarten
wird unterschieden, ob derselbe schwer oder leicht, fett oder mager, trocken oder nass
war. Dementsprechend wurden verschiedene Pflugschare angewandt, grosse oder kleine,
leichte oder schwere Pflüge, und zwar richteten sich die Bebauer hierbei nicht allein nach
der Bodenart, sondern auch nach der auszusäenden Frucht sowie nach der Jahreszeit, in
welcher die Aussaat stattfand.
Der römische Pflug war sowohl mit einem Sech (Schar) als auch mit einem Streich-
brett versehen, auch war der Bäderpflug nicht unbekannt.
Verf. führt sodann die zahlreichen Aufgaben an, welche der römische Landmann an
seinen Pflug stellte. Da den Römern aucli die Anwendung des Pfluges bei der Düngung
des Bodens mit Mist und Lupinen bekannt war, bei diesen Arbeiten jedoch ein Wenden
mit dem Pfluge notwendig ist, so ist dadurch ebenfalls bewiesen, dass der römische Pflug
nur ein Sohlpflug gewesen sein kann. Denn wie der Verf. sich selbst an einem dem noch
heute in Meklenburg verwendeten Hakenpfluge sehr ähnlichen Modelle praktisch über-
zeugte, ist das Wenden mit einem Hakenptluge unmöglich. Immerhin ist es aber ziemlich
wahrscheinlich, dass sich die Römer, wenn es der Boden verlangte, neben dem Sohlptlug
auch noch des Hakenpfluges bedienten. Aus allem geht hervor, dass sich der Gebrauch
des Pfluges und die Lodenbearbeitung bei den Römern fast gar nicht von der deutschen
noch heute angewandten unterschieden hat. Jedoch nicht nur der römische Pflug war
dem noch heute verwendeten ausserordentlich ähnlich, auch die seit uralter Zeit — in
der La Tene- und Kömcrzeit — in ganz verschiedenen Gegenden benutzten Ptlüge stimmen
in ihrer Bauart und ihrem (gebrauche wesentlich mit den heutigen überein. Verf. beweist
dies an der Hand einer sorgfältig ausgeführten Übersicht der zahlreichen Funde von
Pflugscharen.
Der Unterschied der alten Ptlüge von den modernen besteht hauptsächlich darin, dass
»gen. Streichbrett ursprünglich zweiseitig war, die Erde also nach beiden Seiten der
gezogenen Furche hingeworfen wurde, während man sich jetzt des einseitigen Streich-
brettes bedient. — Verf. bespricht sodann die sogen. Hochäcker, Terrassierungen und
Rottein (d.h. Steinwälle, welche sich mit Hochäckern und (Jrabhügeln im Zusammenhang
findem im südlichen und westlichen Deutschland. Die Hochäcker sind sicher mit einem
mit dem Streichbrett versehenen Pfluge bearbeitet worden. Ob ihre Bearbeitung aber vor,
während oder nach dem Entstehen der Grabhügel, welche sieb auf diesen Hochäckern
vorfinden und der Hallstattperiode und LaTenezeit angehören, stattgefunden hat, ist noch
— !M)1 —
unbestimmt, ebenso ob die Pllugscharspitzen aus Holz oder Eisen gefertigt waren. Es
linden sich jedoch auch Beweise für die Anwendung eiserner Pllugscharspitzen in prä-
historischer Zeit in Gestalt der mit Pflugsehrammen versehenen aufgefundenen Steine.
Verf. hat selbst bei seinen Ausgrabungen im nassauischen Gebiete zahlreiche, mit solchen
Furchen versehene Steine gefunden. Dabei gemachte Funde entstammen der Mittel- bis
Spät-La Tenezeit, mithin ist das Vorhandensein der eisernen Pflugschar in jener Zeit als
erwiesen zu betrachten. Auch hier hat sich Verf. durch sorgfältig ausgeführte Studien
der dortigen Gegenden bemüht, festzustellen, ob die hier zahlreich anzutreffenden Hügel-
gräber zeitlich in irgend einen Zusammenhang zu bringen sind mit den Ackerrainen,
jedoch auch hier ist er zu keinem bestimmten Resultate gekommen. — Aus allem geht
jedoch hervor, dass der Ackerbau in prähistorischer Zeit in höchster Blüte stand während
der La Tenezeit, dass jedoch auch bereits in früheren Perioden derselbe auf einer ver-
hältnismässig hohen Stufe gestanden haben muss, wofür u. a. die zahlreichen, der jüngeren
Steinzeit angehörigen Funde von Getreidemahlsteinen Zeugnis ablegen. Dementsprechend
iniiNS aber auch schon vorher Ackerbau getrieben worden sein, wodurch allerdings die
Angaben von Caesar und Tacitus, dass ganz Germanien von undurchdringlichen Urwäldern
bedeckt gewesen sei, sich als falsch herausstellen. Verf. vermutet unter hauptsächlicher
Bezugnahme auf Nehrings Werk: „Tundren und Steppe der Jetzt- und Urzeifj Berlin
1890, dass die ersten Bewohner unserer Gegenden vielmehr eine waldlose Steppe oder
Lössboden vorfanden, auf dem sie dann die ersten Ackerbauversuche machten.
W er n er.
Krause, Eduard, Vorgeschichtliche Fischereigeräte und neuere Vergleichs-
stücke. Eine vergleichende Studie als Beitrag zur Geschichte des
Fischereiwesens. Mit 648 Abbildungen auf 16 Tafeln und im Text.
Berlin: Gebr. Borntraeger 1.904. 8*0
Die vorliegende Monographie des Hrn. Ed. Krause schliesst sich zum Teil an das
bekannte Werk von Charles Rau, Prehistoric iishing in Europe and North America an,
bildet aber eine wesentliche Erweiterung desselben besonders nach der ethnologischen
Seite hin und auf dem Gebiete der modernen Fischerei. Die Abschnitte über die Zu-
bereitung der Fische für Nährzwecke, über die Schnellwage und über die sogenannten
Fischotter- oder Biberfallen, welche endgültig als Entenfallen bestimmt werden, verdanken
besonders den eigenen Erfahrungen und Studien des Verf. ihre Entstehung.
Das darin verarbeitete Material ist ein so reichhaltiges, wie es bis jetzt noch in
keinem anderen Werke gesammelt ist, und ein grosser Vorzug dieses mit so grossem
Fleiss und so vieler Sorgfalt verfassteu Werkes beruht zu nicht geringem Teil darin, dass
nicht nur die Literatur, sondern auch das im Königlichen Museum für Völkerkunde hier-
selbst vorhandene einschlägige Material benutzt ist und dass ein sehr grosser Teil der in
dem Werke erwähnten und abgebildeten Originalstücke den Interessenten in der hiesigen
Sammlung jederzeit zur Ansicht und Kontrolle zugänglich ist.
Die Einteilung des Stoffes ist eine klar übersichtliehe und ungezwungen! .
leicht ist, sich zu orientieren.
Sicherlieh wird dieses Werk, dem die weiteste Verbreitung zu wünschen ist, höchst
anregend und befruchtend wirken. Es wird sicherlich auf lauge Zeit hinaus für die ein-
gehendere wissenschaftliche Betrachtung eines für die Ernahrungsfrage des Menschen-
geschlechtes zu allen Zeiten so bedeutsamen Stoffes, wie es die Fischerei i-t. einen der
hervorragendsten Beiträge bilden und wird voraussichtlich zahlreiche Monographien über
einzelne seiner Abschnitte veranlassen.
Prähistoriker, Ethnologen, Fischereifreunde und Gewerbetreibende werden in dem
Werke Genuas and Heiehrung in reichem Masse finden. A. Voss.
IV. Eingänge für die Bibliothek.1)
1. Macnaniara, N. C, The craniology oi' man and anthropoid apes. Washington lUlC.
8°. (.Aus: Smithson. Rep. for 1902.)
2. Gaudry, Albert, The Baousse-Rousse explorations: A study of a new human type,
by M. Verneau. Washington 1903. 8". (Aus: Smithson. Rep. for 1902.)
:!. Holmes, W. H, Fossil human remains founds near Lansing, Kansas. Washington
1900. 8". (Aus: Smithson. Rep. for 1902.)
I. Skeat, W. W., The wild tribes of the Malay Peuinsula. Washington 1903. 8°.
(Aus: Smithson. Rep. for 1902.)
5. Johnston Harry, H, The pygmies of the great Congoforest. Washington 1903. S°.
(Aus: Smithson. Rep. for 1902.)
6. Safford, W. E., Guam and its people. Washington 1903. 8". (Aus: Smithson.
Rep. for 1902.)
7. Jacob, Georg, Oriental elements of culture in the occident. Washington 1903. 8°.
(Aus: Smithson. Rep. for 1902.)
Nr. 1 — 7 vom Smithson. Institut.
s. Strebel, Hermann, Über Ornamente auf Tongefässen aus Alt-Mexiko. Hamburg und
Leipzig: L. Voss 1904. 4°.
9. Rutot, A., Note preliminaire sur les nouvelles decouvertes faites aux environs de
Ressaix, pres Binche (Belgique) Bruxelles 1904. 8°. (Aus: Mem. de la Soc.
d'anthrop. de Bruxelles tom. XXII.)
L0. K'utot, A., Sur les gisements paleolithiques de loess eolien de l'Autricbe-Hongrie.
Bruxelles 1904. 8". (Aus: Mem. de la Soc. d'anthrop. de Bruxelles tom. XXII.)
11. Kutot, A., Sur la cause de Teclatement naturel du Silex. Bruxelles 1904. 8°. (Aus:
Mem. de la Soc. d'anthrop. de Bruxelles tom. XXIII.)
li-'. Rutot, A., A propos du squelette humain de Galley-Hill (Kent). Bruxelles 190 1 . 8°.
(Aus: Mem. de la Soc. d'anthrop. de Bruxelles tom. XXIII.)
13. lliitot, A., Essai d'evaluation de la duree des temps quaternaires. Bruxelles 1904. 8°.
(Aus: Bull, de la Soc. Beige de Geologie tom. XXIII.)
L4. Stasi, Paolo Emilio e E. Regälia, Grotta Komanelli (Castro, Terra (TOtranto).
Stazione con faune interglaciali calda e di steppa. Firenze 1904. 8°.
Nr. 8—14 Gesch. d. Verf.
1">. Juraschek, Fr. v., Otto Hübner's geographisch-statistische Tabellen aller Länder
der Erde. .").;. Ausgabe für das Jahr 1901. Frankfurt a. M.: H. Heller 1904.
8° quer. Vom Verleger.
16. Schoetensack, Otto, Beiträge zur Kenntnis der neolithischen Fauna Mitteleuropas
mit besonderer Berücksichtigung der Funde am Mittelrhein. Heidelberg:
C. Winter 1904. 8°.
1) Die Titel der eingesandten Bücher und Sonder-Abdrücke werden regelmässig hier
veröffentlicht, Besprechungen der geeigneten Schriften vorbehalten. Rücksendung un-
verlangter Schriften findet nicht statt.
— 903 —
17. Ilirtli, Friedrich, Chinesische Ansichten über Bronzetrommeln. Leipzig: 0 Harrasso-
witz 1904. s". (Ana: Mitteil. d. Seminar- für orient. .Sprachen zu Berlin.
Jahrg. VII i
18. Steinen, Karl v. d., Diccionario Sipibo ... Abdruck <ler Handsclu-ift eines Franzis-
kaners mit Beiträgen zur Kenntnis der Pano-Stämme am Ucayali. Berlin:
1). Rei r L904. I .
L9. Stahr, Hermann, Ober die Ausdehnung der Papilla foliata and die Frage einer ein-
seitigen „kompensatorischen Hypertrophie" im Bereiche des Geschmacksorgan>.
Leipzig: W. Engelmann 1903. 8°. ^Aus: Archiv für Entwickelungsmechanik der
Organismen, Bd. XVI.)
-_'<>. Stahr, Hermann, f:her die Papilla foliata heim wilden und heim domestizierten
Kaninchen. Jena: G.Fischer 1902. 8°. (Aus: Anatom. Anzeiger, Bd XXI.
21. Stahr. Hermann, Zur Aetiologie epithelialer Geschwülste. I u. II. Jena: G.Fischer
1903. 8°. Aus: Ccntralhl. f. allg. Pathol. u. Pathölog. Anatomie, Bd. XIV.)
22. Kiau<e, Eduard, Der Fund von Höckricht. Kreis Ohlau. Breslau <>. J. I . Aus:
Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. N. F. Bd. III.)
23. Schmidt, Hubert, H. Gutscher. Vor- und frühgeschichtliche Beziehungen Istriens
und Dalmatiens zu Italien und Griechenland. Berlin 1904. I". (Aus: Berliner
Philulog. Wochenschr., Jahrg. 24.)
Nr. IG 23 Gesch. d. Verf.
24. Klonhaus. Theodor, Kants Rassentheorie und ihre bleibende Bedeutung. Ein
Nachtrag zur Kant- Gedächtnisfeier. Leipzig: W. Kugelmann 1904. 8°.
25. Cataloguej A descriptive, of the Sanskrit manuscripts of the government oriental
manuscripts library, .Madras hy the late M. Seshagiri Sastri vol. T Vedic litera-
ture part I. Madras 1901. 8°.
Nr. 24 und 25 geschenkt vom Verleger.
26. Squier, K. George, Peru. Reise- und Forschungserlebnisse in dein Lande der Incas.
Ins Deutsche übertragen von Prof. i>r. J. Hcinr. Schmick. Leipzig: M. Spohr
1893. 8° Gesch. d. Frl. Schlemm.
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A. Asher et Co. 1904. 2°.
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19U4. 8°. Von der Universitäts-Bibliothek Kristiania.
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d. geistl. usw. Angelegenheiten.
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cinnosti musejniho spolku „Vcela cäslavska" V Caslavi L904. 8°. Vom Museum
in Caslau.
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1904. 8". Vom Verleger.
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49. Fiset, Franz. Da> altfranzösische jeu-parti. Kap. I u. IL Erlangen: Junge & Sohn
1904. 8". (Diss.)
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Ostmongolen, im Vergleiche mit dem mongolischen Urtexte. Berlin 1904. 8°,
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51. Junker, Hermann, l'ber «las Schriftsystem im Tempel der Hathor in Dcudera (Teil 1
u. 2). Berlin: A. Schaefer 1903. 4". (Diss.)
Nr. 48-51 Gesch. d. Hrn. Prof. Magnus.
52. Boman, E., Groupes de tumulus prehistoriques dans la vallee de Lerma (Re publique
Ar gentine). Paris: C. Reinwald 1904. 8". (Aus: L'Homme Prehistorique. Annee2.)
53. Münsterberg, Oskar, Japanische Kunstgeschichte. I. Braunschweig: G. Wester-
mann o. J. 4".
54. Bcrtholon, Origines neolithique et mycenienne des tatouages des indigencs du Nord
de l'Afrique. Paris: Masson et Cie. o. J. 8°. (Aus: Archives d'änthropologie
criminelle . . . N. S. Tom. III.)
55. Treptow, Emil, Der altjapanische Bergbau und Hüttenbetrieb, dargestellt auf Roll-
bildern. Freiberg in Sachsen: Graz & Gerlach 1904. 8". (Aus: Jahrbuch f. <L
Berg- u. Hüttenwesen im Königreiche Sachsen.)
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C. Clavreuil 1905. 8°. (Aus: Notes d'Archeologie prehistorique.)
57. Götze, A, Die Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberge bei Römhild. Jena:
G. Fischer 1904. 8°. (Aus: „Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens''.)
58. Karplus, J. P., Über Familienähnlichkeiten an den Grosshirnfurchen des Menschen.
Leipzig und Wien: F. Deutickc 1905. 8°. (Aus: Arbeiten a, d. Neurolug. Inst,
a. d. Wiener Universität B. XII.
Nr. 52-58 Gesch. d. Verf.
(Abgeschlossen den 15. Dezember L904.J
Berichtigung.
S. 729 Anin. 1 lies: Vorgelegt in der Sitzung vom 20. Februar L904.
Alphabetisches Inhaltsverzeichnis.
* vor der Seitenzahl bezeichnet: Vortrag, Abhandlung, briefliche Mitteilung.
f vor der Seitenzahl bezeichnet: Literarisches, Besprechungen.
A.
717
f324
•517
*329
•866
Abraham, Berlin f
Abraham, 0. und E. v. Hornbostel, Über
die Bednuturg des Phonographen für
vergleichende Musikwissenschaft *222
Abraham, 0. und E. v. Hornbostel, Fhono-
graphierte türkische Melodien "203
Ahsnleissungen an Kieselknollen 77:>
Ägypten, die Ehe in — . Johannes Nietzold
(R. Thurnwald)
— , Knallpeitsche für Feldhüter
(Schweinfurth)
Afrika, Gewerbe in Ruauda (Kandt)
— , Kulturkreise und Kulturschichten
(Ankermann)
Agram, Versaininlung der Wiener Anthro-
pologischen (I osellschaft 456, 187
Ahaus, die Lage der — bei den Mayas
(Förstemann) *138
Altertuinsfande in WestgoÜand (Finn) :ü<;8
Amerika, Studien in den Ruinen von
Yukatan (Seier) *526
Anierikanisten-hongress in Stuttgart G57, 748
— , der 14., in Stuttgart (Ehrenreich) *SG"2
Amiree, R., München. Feuersteinknollen
vom Wohlenberge bei Gifhorn
Anerkennung Baron von Laudaus
Anhänger, beilförmige, aas dem Kau
kasus usw.
Aiikermaiin, Kulturkn lise und Kultur-
schichten in Afrika ,86G
Anmut, die — des Frauenleibes. Friedr.
S. Krauss. ^Max Bartels) t .">.'. 1
Anthroaologen-Kengress, internationaler —
L906 in Monaco 981
Zeitschrift fttr Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft 6.
Seite Seite
Anthropologie, Fortschritte in der Technik
der physischen — . (v. Luschan) *4G5
Antbrouhagie in Westafrika 723
Antimon aus dem Kaukasus usw. 91
Arabern, Metrum und Musik bei den —
(Hartmann) 21 15
Arbeitsweisen, eolithische u. paläolithische 7s;
Archäologen-Kongress in Athen, Delegierte 7 ls
Archäologie Amerikas 864
— , Parallelen aus dem Kaukasus und
den unteren Donauländern (Wilke) *B9
Armorica-Typus der Äxte 544, 553
Armspiralen aus Gold G14
— von Mykene 614
Armringe und Armbänder aus dem Kau-
kasus usw. ÖG
Artefaktnatnr der Funde von Schönebeck
a. E. (Olshausen) *477
— (Halme) 182
— (Bracht) *4SÖ
Aschenkisten, altmexikanische 275
Ascherson, Ferdinand. Berlin f L35
— , P. 70. Geburtstag 513
Issmy, Reise von Peking nach Rangoon
durch China und Chinesisch-Tibet 697
Astragali aus dem Kaukasus usw. 68
Asjlrechl, das — der Naturvölker. Mit
einem Vorworte von J. Kohler. A.
Hellwig. Max Schmidt) t:;-:;
Ausflug der Gesellschaft 51 1. 869
Ausgrabungen in den Balzi Bossi (Iissaner ' \'<->
— in Bosnien und Dalmatien
— zu Füratenberg, Mecklbg. (Lissauer) *514
— von Hügelgräbern bei Selgenan, Zedlin
und Bowen (A. GöteeJ "l )•"•
— in der Pfalz 875
58
li>7
106
65
90Ö —
Seite
*107
*668
1
106
L36
Ausgrabungen in Siebenbürgen (Lemke)
— in Skandinavien (Finn)
Ausschuss
— -Wahl
— , Obmannwahl
Aussterbende Völker in Neu-Guinea
(Dempwolff)
Australien, Forschungsreise des Herrn
Klaatsch 136, *881
— , Kogai-Stämme (Mathews) *2S
Auszeichnung des Hrn. Koch 657
— Fräulein Prof. Mestorfs 747
— des Hrn. Waldeyer 657
B.
*292
*455
634
•453
fl71
Bab, Phonograph und Kinematograph *236
Baessler, A. Altperuanische Metallgeräte *765
— , Peruanische Mumien. Untersuchun-
gen mit X Strahlen *765
Baglioni, Silvestro; Göttingen. Beitrag
zur Vorgeschichte des Picenum *765
Baku, Aufdeckung einer alten Nekro-
pole in — (Rösler.)
— , Gräber mit arabischen Schriftresten
(Roesler).
Balkanländei, neolithische Kultur
Bal/.i Knssi, Ausgrabungen. (Lissauer)
Bartels, Max, Bellucci: La grandine nell'
Umbria
— , Krauss, Friedrich S. : Die Anmut des
Frauenleibes f531
— , Axel Preyer: Indomalayische Streif-
züge f326
— , Rapport der Commissie van Advies
betreffende, 's Ryks Ethnographisch
Museum f322
— , Stratz: Der Körper des Kindes fl70
— , Berlin f 745
— , Paul. Über ein Os praebasioccipitale,
Sergi (Os basioticum, Albrecht) an
einem Chinesen-Schädel
— , Über Schädel der Steinzeit und der
früheren Bronzezeit aus der Umgegend
von Worms am Rhein
Bastian, A. Brief aus Jamaica
Battaker-Schädel. (Waldeyer)
Bauernbiirgen bei Hadeby
Baiilnsrhrirt des Menuas (Raynolds)
Bi'cskiiw-Stiirkow. Prähistorische Funde
(Uoinnick)
Befestigungen, mittelalterliche in Hedeby67.">, 682
Begräbnisse der Schoklöng 842
Begriissiing der Herren G. Schweinlürth
und Boas 514
Seite
Behlen, H. Der Pflug und das Pflügen
bei den Römern und in Mitteleuropa
in vorgeschichtlicher Zeit. Eine ver-
gleichende, agrargeschichtliche, kultur-
geschichtliche und archäologische
Studie, zugleich als ein Beitrag zur
Besiedelungsgeschichte von Nassau
(Werner) *900
ßeiltypen des Kaukasus 39
Belluici, Giuseppe. La grandine nelL
Umbria, con note esplicative e com-
perative e con illustrazioni
(Max Bartels) fl71
Belli, Ludwig, f Frankfurt a. M. 453
Beiualuug der Kayabi-Indianer 467
Beobachtungen in Kamerun (A. Plehn) *713
Bericht über die Tätigkeit der von der
Deutschen anthropologischen Gesell-
schaft gewählten Kommission für prä-
historische Typenkarten (A. Lissauer-
Berlin) *537
Bernstein aus einem Hügelgrab der
Bronzezeit 108
— aus dem Kaukasus usw. 72
Bernsteinuntersuchungen (Olshausen und
Rathgen) *153
Bevölkerung Russlauds, anthropologische
Zusammensetzung, Iwanowski (Wilke) f704
Beweisspuren menschlicher Existenz im
Interglacial 771
Bewilligungen aus der Rudolf Virchow-
Stiftung 874
Bibliothek der Gesellschaft 870
— , Eingänge für die — 172, 327, 532, 709, 902
117
*891
•456
"697
678
*488
"143
— , Neuer Schrank 136
Bibiiiithekskuuiuiisslun 487
llichromle bemalter Keramik 640
Biere, die Eolithen von — (Brecht) 750
Blejer. Die wilden Waldindianer Santa
Catharinas: die „Schokleng".
Blick, böser, in Kamerun
Itlutnpfer bei den alten Mexikanern
Bobrinsky, Graf, Smela, Russland, Über
die Fälschung einer von Hrn. Wilke-
Grimma erworbenen Statuette
Bodstrln in Cuyaba. Nachrichten über
Kuyabi-Indianer
llöschungsinesscr (Götze) *115,
— , der Götzesche (Hellmich)
Bogenschaber, neolithische, von Theben 798,804
BogKlani. Sammlung von Indiauertypen
(Lehmann-Nitsche) *882
Bootsbau in Ruanda 345
Bornnann. Tränken von Gypsabgüssen
zur Konservierung *163
*830
720
244
758
IliC,
890
885
— 907
in Suprasl, Russland
Bortpüfleehterel
(Schnippel)
Bortenweberei
Botociidos s. Schokleng.
ltranco, Tertiär-Silex
Brecht, Quedlinburg. Die Eolithcn
Biere
Brettefcenweberel (B. Haudtmann)
— im Altertum (Götze)
— in Karthago (Lüdtkc)
Brief des Hrn. M. Bartels
— des Hrn. A. Bastian
— des Hrn. Kiessling
— des Hrn. Klaatscli, Brisbane lsT,
— des Hm. Lissauer
— von Frau Schliemann
— d<s Hrn. Hubert Schmidt
— des Hrn. Waldeyer
Brillenspiraleii aus dem Kaukasus usw.
Bronze- .ixte, Typenkarten (Lissauer) *537,
— -runde des Kaukasus (Wilke)
— •Rubren aus dem Kaukasus usw.
— -Schmuck aus einem Hügelgrabe bei
Darmstadt
— -Schwert von Thurow
Bronzesichelfund, der, von Oberthau, Kreis
Merseburg (Hub. Schmidt) *106,
Bronzezeit-Schädel von Worms (P. Bartels)
Bronze- und Eisenpfeile aus dem Kau-
kasus usw.
Brücke aus der Steinzeit, Dänemark
Brunnen auf der Maty-Insel
Bugre, ethnologiuehe Stellung der — ,
Ehrenreich
— , Schädel eines — aus Santa Catharina
(Lissauer)
— , s. Schokleng.
Bukowina, prähistiorisehe Keramik
van der Bürgt, J. M. M.: Dictionuaire Fran-
rais-Kirundi (Meinhof)
C.
Canalis craniopharyngeus vom Menschen,
Gorilla und Chimpansen (Waldeyer)
Castriim in Mogorello, Dalmatien
Chaldcr- Inschriften, neugefundene
(C. F. Lehmann)
Chalikiopoulos, L. : Sitia, die Ostlialbinsol
Kretas {K. Kretschmer)
China, Reise durch —
China- und Japan-Sammlung des Hrn.
Fischer (Lissauer)
Seite
»137
Tis
313
•750
*748
*117
106
453, 487
156
•880
*881
*453
*513
45(1
153
!_>
*540
*39
69
108
7.35
*416
*891
78
668
406
*X.YJ
*847
643
f703
*88"2
658
►765
f326
697
•698
Seit.'
Chlapowskl, v., Pfriemenartiges Knochen-
stück von Obornik *490
Chronologie der Bronzesicheltypen 1:17
— der Fundgruppen der Doppelspiralen 624
Cleve in Tandala, Ostafrika: Zahn Ver-
stümmelungen und ihre Bedeutung für
den Lautwandel 156
Colin, Alex. Meyer, Berlin t 7 17
Conservierung von Holzaltertümern 670
— , farbige, von Leichenteilen (Strauch) *671
— von Leichenteilen (Waldeyer) 675
Coppernikus-Verein in Thorn, Jubiläum 136
Cottbus. Hauptversammlung der Nieder-
lausitzer Gesellschaft 187
Cranla ethnica Philippinica 876
D.
Dämonen-Skulptur aus Java 521
Dänemark, Steinalterfund 668
Danewerk und Hedeby (Meisner) 675
Dankschreiben der Herren Capitan und
Manouvrier *513
— des Hrn. Koganei *747
— des Hrn. J. Kollmann 291
— des Hrn. Salomon Reinach *291
— des Hrn. Schöne 1 1 6
— des Hrn. Strebel 135
— des Museums des Königreichs Böhmen L35
Delegierte zum Amerikanisten-Kongress !'>•"> 7
Ki'uipwolll': Über aussterbende Völker in
Deutsch-Neu-Guinea *:'.si
Dictionuaire FranQais-Kirundi, v. d. Bürgt.
(C. Meinhof) *703
Diluvial -Fundstätten hei Schönebeck a. E.
(0. Olshausen) *477
— -Mensch, der — in Europa, Moriz
Hörnes. (Lissauer) |166
— -Silex von Hundisburg (Favreau) töö
Dolche und Schwerter aus dem Kau-
kasus usw. 81
Dolmen im Kaukasus usw. 93
Domnlck: Prähistorische Funde im Kreise
Beeskow-Storkow *i|:;
Donauländer, Archäologie (Wilke *.">'.»
— , neolithische Kultur 634
Doppelbelle aus dem Kaukasus usw. 7 I
Dopprischaber von Theben 805
Doppclspiralrn aus Golddraht usw. (ins, 612
Dorsalen, die — des Sango (Cleve) ' 163
Drahtzieherei in Ruanda 362
Drorj, E. t Berlin 717
Dualla, Geheimbünde der 713
*5S
— 908
Seite
E.
Ehe, die — in Ägypten, Johannes Nietzold
(R. Thumwald)
Ehrenmitglieder
Ehrenmitglied (Philippi) f
Ehrenreich, P., Der 14. Amerikanisten-
Kongress in Stuttgart
— , Die ethnologische Stellung derBugres
— , Wilser, Ludwig: Die Germanen
Ehrungen der Herren Waldeyer, Koch 10G, G57
Eiseiierzgettinnung, Spuren ehemaliger —
und alter Eisenschmelzhütten im Kreise
Naugard in Pommern (H. Hess von
Wichdorff)
Eiszeit in den Hochgebirgen von Ecuador
Elephas antiquus und Steinwerkzeuge in
den Balzi Rossi
Elfenbein mit Nagespuren (v. Luschan)
Email aus dem Kaukasus usw.
Entdeckung, erste — der Eolithen von
Biere (Brecht)
Entdeckungsgeschichte Amerikas
Eolithe
— der Arbeitsweise der Tertiärzeit, und
von Reutel, aus Ägypten (Schwein-
furth)
— , die — von Biere (Brecht)
Eolithenfrage, Zur — (Olshausen)
— (Hahne)
— (Wahnschaffe)
Ethnologisches aus Abessinien
— und Archäologisches aus dem west-
lichen Persien (Oskar Mann)
Exkursion nachFürstenberg in Mecklenburg
(Lissauer) *514
1
S67
*862
*852
t706
!237
864
526
87
750
864
869
*787
"750
*477
«482
*484
877
"486
F.
Fälschung einer kaukasischen Bronze-
Statuette (Graf Bobrinsky) *758
Pavrean, Diluvial -Silex von Hundisburg *48ö
— , Eolithenfunde bei Neuhaldensleben *830
Fergille, ägyptische Knallpeitsche
(Schweinfurth) *Ö17
Feste auf der Maty-Insel 410
Feuererzeugang bei den Schokleng 834
Peaerstelnknollen von Gif hörn (Andree) *107
Feuerstelntnesser aus einem Hügelgrab der
Bronzezeit 108
Fibeln ;nis dem Kaukasus usw. I1»
Fingerringe aus dem Kaukasus usw. 55
Elnii, Neuere Ausgrabungen in Skandi-
navien *668
Seite
Fischereigeräte, vorgeschichtliche — und
neuere Vergleichsstücke. Eine ver-
gleichende Studie als Beitrag zur Ge-
schichte des Fischereiwesens. Mit 648
Abbildungen. Eduard Krause (A. Voss) f90l
Fischfang der Schokleng 837
Flach- und Randäxte, Typenkarte 538
Flachäxte aus Bronze 540, 550
Flechtarbeiten in Ruanda 348
Flechtens, Technik des — (Max Schmidt) *490
Flibustier, Geschichte der westindischen — 864
Flöten der Schokleng 835
Förstemann, Die Lage der Ahaus bei
den Mayas *138
— , Liegen die Tonalamatl der Maya-
handschriften in bestimmten Jahren? *659
— , 60 jähriges Doktorjubiläuni 513
— , Schelhaas, P. : Die Göttergestalten
der Mayahandschriften f528
Folkloristen-Verband 136
Formen der Bronzesicheln 416
Formengebung, beabsichtigte — au Kieseln 806
Forschungsreisen 869
Forschungsreise des Hrn. Gustav Fritsch 748
— nach Australien (Klaatsch) 136
— des Hrn. Th. Koch nach Südamerika
(K. v. d. Steinen) *293
— . des Hrn. v. Le Coq nach Turkestan 748
Fraueukleidung, die — und ihre natürliche
Entwicklung, C. H. Stratz (Fritsch) f700
Frauenleibes, die Anmut des — , Friedrich
S. Krauss. (Max Bartels) f531
Frauensprache, die — in Ostafrika (Cleve) *460
Frauentreue bei Krunegern 720
Freien- Bunde in Kamerun 715
Fritsch, Forschungsreise des Hm. — 748
— , Gust., Stratz, C. H.: Die Frauen-
kleidung und ihre natürliche Ent-
wicklung f700
Frobenius, Leo: Geographische Kultur-
kunde (Alfred Maass) "529
Fürstenberg in Mecklenburg, Schliemann-
Feier und Ausgrabungen (Lissauer) *51 I
G.
Gäste 106, 291, 456, 658, 853
Gallzlen, prähistorische Keramik 643
Sattel, Berlin f .853
Geburtstag, 70, des Hrn. P. Ascherson 513
, 70., des Em. J. Kollmann 393
— , 70., des Hrn. Strebel-Hamburg 105
-, 7."), der Fr. J. Mestorf-Kiel 168
(iefässformen, wichtige vorgeschichtliche — 654
(jefässgruppen in Troja-Mykenc-Ungarn 638
909 —
Seite
GehVchtmuster, südamerikanische — (Max
Schmidt) *490
Gebelmbuiidwesen der Dualla 713
Geheimsprache der Kogai (Malhews) 33
„Geknickte" Bandäxte
Gemellaro, Palermo t
Gfonep, A. van. Tätowieren in Nord-
afrika
Geographenkalender, Dr. Hermann Haack,
(Traeger)
Geographenknngress Neapel
— zu Washington
Germanen, die — , Ludwig Wilser
(P. Ehrenreich)
Gewerbe in Ruanda (Richard Kandt)
Gipsabgüsse, Tränkung der — zur Kon-
servierung (Rathgen und Borrmanu)
Glockeiianhäiiger aus dem Kaukasus usw.
Godfred und Karl der Grosse
Göttergestalten, die — der Mayahand-
schriften, P. Schellhaas. (E. Förste-
mann)
Götze, A., Ausgrabungen von Hügelgräbern
bei Seigenau, Zedlin und Rowen
— , Beitrag zur vorgeschichtlichen Me-
tallurgie
— , Böschungsniesser *115,
— , Brettcheuweberei im Altertum
— , Monolithgräber
Goldspirale aus einem Hügelgrab bei
Thurow
Grabstätten mit arabischen Schriftresten
in Baku (Roesler)
Graebner. Kulturkreise u. Kulturschichten
in Ozeanien
Grammatik der Kogai (Mathews)
Greifswald, Versammlung der Deutschen
Anthropologischen Gesellschaft 514, 748
Grenzwall Godfreds gegen Sachsen 684
Grönland, Sechs Photos von Westgrön-
ländern (H. Virchow)
Grosse, Knallpeitschen aus Europa
Grypotherium-Ilöhle bei Ultima Esperanza,
Patagonien (Hauthal)
Gnstafson, Gabriel, Christiania. Das Schiff
von Tönsberg
Uäuser auf den Hermit-Inseln
— der Maty-Insel
Hagel, der — in Umbrien,
Bellucci (Max Bartels)
34G, 566 Hahne, Zur Eolithenfrage
l.sT
Ginseppe
182,
*749
f708
L06
487
f70G
*329
lii.",
67
(IST
f528
*143
::s:i7
*890
*ii7
•112
155
866
*30
Seite
391
I ' i.".
t!71
825
303
61
71
•488
*189
"748
331
ll.
Haack, Hermann: Geographenkalender
(Traeger
Haddebv und Hedeby
Hlngescbiuuck aus dem Kaukasus usw.
Hingesplralen aus Gold
Härcbe. Bnd., Prankenstein t
— , Tertiärsilex
llalxringe aus dem Kaukasus usw.
Hammerbelle aus dem Kaukasus usw.
Hamparlsiim, Kanalinschrift des Klennas
— , Inschrift Rusahinis
Handtinann, Ed., Brettchenweberei
Handwerk in Ruanda
Hansemann, von, Über den Einiluss der
Rachitis auf die Schädelform 1 16
— , Über die rachitischen Veränderungen
des Schädels *373, 383
— , Zu den altpatagonischen, angeblich
syphilitischen Knochen s.v.i
Hanuiiian-Relief von Java 520
Hartmann, Metrum und Musik bei den
Arabern 235
Hausflelss in Ruanda 331
Haustlerzustand des Grypotherium 12.~>
Hautbal - La Plata, Die Bedeutung der
Funde in der Grypotheriumhöhle bei
Ultima Esperanza (Südwestpatagonien)
in anthropologischer Beziehung 11! >
— , Grypotheriumhöhle 129, 133
Hautstreifen, bearbeitete — von Grypo-
therium 124
Hedebv und Danewerk (Meisner) 675
— , Zwei Fundstücke von der Olden-
burg bei — (H. Virchow) *862
lieft nadeln aus dem Kaukasus usw. 47
Heimatsehutz, Bund für — 292
Heinrichshölile bei Sundwig, Knochen
(Klaatsch) *117
Hellmich, M., Glogau, Der Götzesche
Böschungschungsmesser 885
Hellwig, A., Das Asylrecht der Natur-
völker. Mit einem Vorworte von
J. Kohler. I (Max Schmidt) f323
Helouan, Ägypten, Kieselmannfakte
(F. v. Luschan :;i;
— , Steingerätesammlung iu Rom 320
*670 Herkunft und A'erbreitung der Bronze-
sicheltypen )■_>>
Herrmann, \\\, Starr: Auftreten des Mon-
golenfleckes bei hfaya-Indianern 137
Hess von Wirhdurf, H., Spuren ehemaliger
f708 Eisengewinnung und alter Eisen-
694 schmelzhntteo im Kreise Naogard in
<>l' Pommern 237
615 Hilgendorf, Franz. Berlin f 657
7 17 Hlmmelpfort. Klosterruine 517
|1862
*519
*119
— 910 —
Seite
Hindumusik, Oppert *233
His, Leipzig f "187
Hüblenfunde 117
— in den Balzi Rossi (Lissauer) *453
Hoernes, Moriz: Der diluviale Mensch in
Europa (Lissauer) fl66
Hobburg, Ringwall bei Schleswig GTT
Hohlfüsse an Tellern und Schalen 65-1
Hohlschaber, eolithische — von Theben T90
Hollingstedt, Friede zu — G8T
Holzgefässschnitzerei in Ruanda 343
Holzschnitzerei in Ruanda 340
Honigwein der Indianer 833
Hornbostel, E. v. Phonographierte tür-
kische Melodien (mit 0. Abraham) *"203
— (und 0. Abraham). Über die Be-
deutung des Phonographen für die
Musikwissenschaft *222
Hügelgrab der Bronzezeit bei Kranichstein,
Darmstadt (Kofier) *108
Hügelgräber in Thurow bei Züssow (Er.
Pernice) *T52
Hütten der Schokleng 832
Hjperdaktjlie oder Polydaktylie 881
I.
Ideler, Berlin f 853
Indianerjagden in Südamerika 838
Indianertvpen aus dem zentralen Süd-
amerika. Sammlung Boggiani (Leh-
mann-Nitsche) *882
Indices des Schoklengschädel 852
Indo-inalajische Streifzüge, Axel Preyer
(M. Bartels) f326
Initiation Ceremonies of the Aborigines
of Victoria (Mathews) *143
Inschrift Menuas und Rusahinis (Ham-
partsum) *488, *489
Inschriften, chaldische, Raynolds *488
— , neugefundene chaldische (C. F. Leh-
mann) 765
Inselkultur 650
Iwanowski, A. A.: Über die anthropolo-
gische Zusammensetzung der Bevölke-
rung Russlands (Wilke) jTul
J.
Jäkel, Zur Eolit.-nfrage *827
Jakrearechuuuf ihr Rudolf Vichow-Stiftung K77
Jamaika-Steinbeil 156
Japan, Ethnologische Objekte (F. W.
K. Müller in
Jentueb, Tertiar-Silex 31 1
Seite
Jolly, Berlin f 105
Jubiläum des Coppernikusvereins in Thorn 136
— , 60 jähriges Doktor- — des Hrn.
Förstemann 513
— des Hrn. Möbius 105
— der Altertumsgesellschaft Prussia 853
— des Hrn. Generaldirektor Schöne 105
Juraformation Amerikas 864
K.
Kamerun, Beobachtungen in — (A. Plehu)
Kanalinschrift des Menuns (Hampartsumj
Kandt, Richard, Gewerbe in Ruanda,
Afrika
Karl der Grosse und Godfred
Karthago, Brettchenweberei (Lüdtke)
Kassai, Reise in das Gebiet des —
Kassenbericht, Sökeland
Kasteiungen bei den alten Mexikanern
Kataloge der Bibliothek
Raukasus, Fälschung von Bronzen (Graf
Bobrinsky)
— und untere Donauländer. Archäo-
logische Parallelen (Wilke)
Kavabi-Indianer (Bodstein und Max
Schmidt)
Keilhack, Die „Tertiär- Silex" des Hrn.
Klaatsch und die neueren Tertiär-
Silex-Funde
Keramik der makedonischen Tumuli bei
Saloniki (Hubert Schmidt)
— , bemalte, der Steinzeit
— , neolithische
Kerbschaber, eolithische von Theben
Ketzin a. H., Monolithgrab (Götze)
Kieselmanufakte in Ägypten, Beobachtungen
an — (F. v. Luschan)
— von Theben
Kieselpressung
Kieselsprengung, manuelle, beabsichtigte
Kieselverletzungen, natürliche
Kieselwerkzeuge
Kiessling, Brief aus Arta
— , Reise im Peloponues
Kind, C. H. Stratz: Der Körper des
Kindes, für Eltern, Erzieher, Ärzte
und Künstler (Max Bartels)
Kiuderraub bei den Schokleng
Kiiundi-IHctioiinaire, v. d. Bürgt (Meinhof)
Klaatsch, Bericht über seine Forschungs-
reise in Australien
— , Fossiler Knochen aus der Heinrichs-
hölile bei Snndwig
*4!)0
*T13
*488
*329
687
*106
876
*872
244
8T0
*T58
39
*466
•303
*143
145
634
803
*113
*:ilT
TOT
769
771
77:;
T66
*880
*658
flTO
841
fT03
•881
117
— 911 —
Seite
Klaalscb. Zur Grypotherium-Höhle *132
— , Reise nach Australien 136
Kleidertracht der mexikanischen Indianer 865
Klettergürtel der Schokleng *:'>■*!
hnallpeitsrlie der Feldhüter Ägyptens
(Schweiufurth) 5 1 1
Knallpeltscben, europäische (Grosse) *519
Knochen aus der Heinrichshöhle
(Klaatsch) "117
— von Obornik mit Nagespuren (Ed.
Krause) *1'.»0 *524
(v. Chlapowski) *490
Knochenwerkzeuge aus der Höhle von
Ultima Esperanza 124
Knö|ife aus dem Kaukasus usw. II
Knopfuadeln aus dem Kaukasus usw. 45
Kobulde in Kamerun 71(5
Kocb, Th. Forschungsreise nach Süd-
amerika *293
Köeberschnltzerei in Ruanda 342
Koehl. Skelette aus der Gegend von
Worms 130
Körbe uud Geflechte aus Südamerika
(Max Schmidt) *490
Körper, der — des Kindes, für Eltern,
Erzieher, Arzte und Künstler, C. H.
Stratz. (Max Bartels) flTO
Körperschmuck, vorgeschichtlicher 608
Kotler -Darmstadt, Ein eigentümliches
Hügelgrab aus der Bronzezeit *108
Kogai-tribes (Mathews) *28
Kongress, geographischer, Neapel 106
Kongresse 870
Konservierung, farbige — frischer Leichen-
teile (Strauch) *G71
Kranicüstein, Darmstadt, Hügelgrab der
Bronzezeit (Kotier) *108
Krankheiten der Schokleng 842
Kraplna, Versammlung der Wiener Anthro-
pologischen Gesellschaft IST
Krause, Eduard, Zur Eolithenfrage 829
— , Vorgeschichtliche Fischereigeräte
und neuere Vergleichsstücke. Eine
vergleichende Studie als Beitrag zur
Geschicbte des Fischereiwesens. Mit
648 Abbildungen auf 16 Tafeln und
im Text (A. Voss) v'.nil
— . Das Knochenstfick aus der Obor-
niker Eiesgrabe mit Nagespuren *490, *524
— , Pflanzliche Reste aus den Diluvial-
schichten von Biere *48ö
— , Die Werktätigkeit der Vorzeit
(A. Lissauer] f899
Rrauss, Friedrich S., Die Anmut des
Frauenleibes (Mai Bartel- f53]
Seite
Kreta Inner, K., Leonidas Chalikiopoulos:
Sitia, die Osthalbinsel Kretas f326
Kreuz in nordafrikanischen Tätowierungen 749
Kreuze aus dem Kaukasus usw. 62
— in tunesischen Tätowierungen
(11. Mielke) ITT
Kreuzzeichen aus dem Kaukasus usw. 85
Kriegsbauteu und Kriegsführung der alten
nordischen Völker und im Mittelalter 682
KJI2, Martin: Beiträge zur Kenntnis der
Quartärzeit in Mähren (Lissauer fl'J8
Kriuniuwall bei Hedeby 675
Kultur der Thraker (Hubert Schmidt) 626
Kullurkrelse und Kulturschichten in Afrika
(Ankermann)
— und Kulturschichten in Ozeanien
(Graebner) *866
Kulturkunde, geographische, LeoFrobenius.
(Alfred Maass) t529
Kulturperioden, die — im Orient und in
Europa, Oskar Montelius. (Lissauer; ;.">•>
Kunstgewerbe in Ruanda 332
Kwakiutl, Verfassung der —
Landwehr bei Hedeby ''>>' '
Lange, Julius, Berlin f 867
Langerbaus, Rob., Berlin f 867
„Langgestielte" Äxte 5iT, Ö68
Language, Organization and Initiation-
Ceremonies oftheKogaiTribes, Queens-
land (Mathews) *28
— of the Wuddyäwfirru Tribe, Victoria
(R. H. Mathews) '729
Lanzen aus dem Kaukasus usw. 79
Lautwandel und Zahnverstümmeluug
(Cleve) 156
Legende zu der Typenkarte der Äxte *Ö50
— zur Typenkarte der Radnadeln *Ö93
— zur Typenkarte der Ruder- und
Scheibennadeln *578
Lehmann, C. F., Neu aufgefundene chal-
dische Inschriften
— , Nachtrag zu seiner Mitteilung über
neugefundene chaldische Inschriften *765
Lehni.inn-Mtsche, Altpatagonische. angeb-
lich syphilitische Knochen aus dem
Museum zu La Plata *S54
— , Die Sammlung Boggiani von Indianer-
typen aus dem zentralen Südamerika '--
Leichenöffnung b>'i Negern 722
Leichenteile, farbige Konservierung
Strauch]
— 912 —
Seite
Lemke, Frl. Elisabeth, Ausgrabungen in
Siebenbürgen 107
Le Coq, v., Reise nach Turkestan 7 ls
Lissauer, A. Ausgrabungen in den Balzi
Rossi *453
— , Erster Bericht über die Tätigkeit
der von der Deutschen anthropolo-
gischen Gesellschaft gewählten Kom-
mission für prähistorische Typen-
karten *537
— , Die chinesisch-japanische Sammlung
des Hrn. Fischer *698
— , Zur Frage der Tertiär-Silex *299, 316
— , Zur Eolithenfrage *825
— , Gedenkrede auf Schliemann *514
— , Gedenktafel für Heinrich Schliemann
in Fürstenberg, Mecklbg. *488
— , Moriz Hörnes: Der diluviale Mensch
in Europa flGG
— , Zum Kassenbericht f872
— , Krause, Eduard: Die Werktätigkeit
der Vorzeit -J-899
— , Kfiz, Martin: Beiträge zur Kenntnis
der Quartärzeit in Mähren flGS
— , Matiegka, Heinrich: Über Schädel
und Skelette von Santa Rosa (Santa
Barbara-Archipel bei Kalifornien) f89S
— , Montelius, Oskar: Die ältesten
Kulturperioden im Orient und in
Europa f528
— , Die Sammlung der Tertiär-Silex des
Hrn. Klaatsch *299
— , Schädel eines Bugre aus Santa
Catharina *847
— , Schädel eines Schokleng aus Santa
Catharina, Brasilien *8 1 1
— , Schumann, Hugo: Die Steinzeit-
gräber der Uckermark f527
— , Typenkarten der prähistorischen Äxte,
Radnadeln, Rudernadeln usw. *538
— , Verwaltungsbericht für das Jahr 1901 "867
Lohnarbelt in Ruanda •'!•"> 1
Lüdlke, W., Kiel. Brettchenweberei in
Karthago *106
Luschan, F. v., Beobachtungen an Kiesel-
manufakten in Ägypten *317
— , Fortschritte in der Technik der
physischen Anthropologie *465
— , Nageepuren an Elfenbein "522
— , Einige türkische Volkslieder aus
Nordsyricn und die Bedeutung phono-
graphischer Aufnahmen für die Völker-
kunde *177
Reite
M.
Maass, Alfred, Frobenius, Leo: Geogra-
phische Kulturkunde f529
— , Quer durch Sumatra, Reiseerinne-
rungen (Stönner) fl71
Masse der Schoklengschädel 851
Mähren, Neolithische Keramik 044
Märchenwanderuiigeii in Amerika 8G(>
Märkte in Ruanda 332
Magnus, Zu: Os tibiale externum (Pfitzner) 882
Mailand, Ausstellung für Transportwesen 136
Mainoten 058
Malerei auf Tongefässen von Troja - My-
kene-Ungarn 038
Maltechnik von Troja 047
Mann, Oskar, Ethnologisches und Archäo-
logisches aus dem westlichen Persien *486
Markgrafenburg, Ringwall Schleswig 077
von Martens, Berlin f 747
Masai, Über M. Merkers — (Carl Meinhof) *735
Mathews, R. H., Some Initiation Cere-
monies of the Aborigines of Victoria *143
— , Language, Organization and initia-
tion - ceremonies of the Kogai-tribes,
Queensland *28
— , Language of the Wuddyawurru Tribe,
Victoria *729
Matiegka, Heinrich, Über Schädel und
Skelette von Santa Rosa (SantaBarbara
Archipel bei Kalifornien). Mit 3 Mass-
tabellen und 16 Abb. (Lissauer) f898
Malschie, Zähmung von Edentaten in Süd-
amerika *131
Maty-lusel, Ethnologisches 399
Mauern des Danewerks 676
Mavahandschrifleu, die Göttergestalteu der,
P. Schellhaas (E. Förstemann) f528
— , die Tonalamatl der — (E. Förste-
mann *659
Medaillons aus dem Kaukasus usw. 04
Meinhof, Carl, van der Bürgt, J. M. M.:
Dictionnaire Fracais-Kirundi f70.'!
— , Über M. Merkers Masai *735
Meisner, Danewerk und Hedeby *675
Melodien, phonographierte türkische —
(0. Abraham und E. v. Hornbostel) *203
Mensch und Grypotherium in der Höhle
von Ultima Esperanza 120, 124
Menschen- und Tiergestalten in Steinskulp-
turen vom Amazonas 865
— und Tierdarstellungen auf südrussi-
scher Keramik 643
Menschenjagd der Schokleng 838
— 913 —
Seite
Menschenopfer in Westafrika 724
llcl.ill.ii ■heilen in Ruanda 359
Metallgeräte, altperuanischc (A. Baessler)
766, 864
tlclallknltui im Kaukasus 96
Metallurgie, alte — des Kaukasus 39
— , Beiträge zur vorgeschichtlichen —
(Götze) ^ 897
Metrum und Musik bei den Arabern
(llaitiuann) *235
Mexiko, Steinkisten, Tepetlicalli, und
ähnliche Monumente (Ed. Seier) *244
Mieck, Prenzlau t 867
Mlelke, R., Kreuze in tunesischen Täto-
wierungei] *477
Mitglieder der Gesellschaft, auswärtige 153
— , korrespondierende 2, L35, 487, 8G7
— , Ehren- 1
— , immerwährende 8G8
— , neue 103, L35, 291, 657, 747, 853,
867, 880
— , ordentliche 5, 868
Mittelbilder vorgeschichtlicher Schädel von
Worms 897
Monaco, internationaler Anthropologen-
kongress 1906 881
— , Museum in 15 I
Mondverehmng bei Krunegern 720
Mongolen Heck bei Maya-Indianern J * 1 7
— s. Sacralileck.
Monolilhgräber (Götze) *112
Montellus. Oskar, Die ältesten Kultur-
perioden im Orient und Europa. I. Die
Methode (Lissauer) f52S
Müller, F. W. K.. Ethnologische Objekte
aus Japan III
Mumien, peruanische — mit X-Strahlen
untersucht (A. Baessler) *765, 864
Muniieiibündel, altmexikanisches 262, 280
Museum des Königreichs Böhmen,
Jubiläum 135
— in Monaco 15 I
Musikwissenschaft, Die Bedeutung des
Phonographen für die vergleichende —
(0. Abraham und E. v. Hornbostel) 222
Mythologie, amerikanische 865
N.
Nachrichten über deutsche Altertumafunde 868
Nadeln aus dem Kaukasus usw. I."i
— mit seitlicher Ose aus dem Kaukasus IT
— s. Radnadeln, Rudernadeln.
Nagespnreu an Elfenhein iv. Luschan) 526
— an Knochen (Kd. Krause) *490, '">JI, *526
Seite
Nagospuren an Knochen und Knochen-
fundin Strauch) 524
Naturforscher, Versammlung deutscher
Nuturforscher und Ärzte in Breslau *292
Nalurknollen und manuell beeiuflusste
Kiesel 769
Naturvölker Südamerikas, Chorotes 866
Neapel, Geographen-Kongress 106
Nchring, A., Berlin f 746
Nekropele, Aufdeckung einer alten in
Baku (Rösler) 292
Nephritfrage, zur (Otto Schoetensack) *141
Nephritidol, amerikanisches in Stuttgart 864
Nephritplatte zu Leiden 137
Nephritstele, Maya- in Leyden 866
Ncu-Gulnea, aussterbende Völker (Demp-
wolff)
Neuhauss, cooptiert als Schriftführer 853
Neujabrsgruss 106
Neiimaiin, 0., Grypothcrium-Fellstück von
Ultima Esperanza *130, 134
—,H., über die rachitischen Veränderungen
der Zähne *381
Nlcolucci, Giustiniano, Neapel f 657
Niederingelheim, Bheinprovinz, Monolith-
grab 115
Niederlausitz s. Versammlung.
Nietzold, Johannes: Die Ehe in Ägypten
zur ptolemäisch-römischen Zeit, nach
den griechischen Heiratskontrakten
und verwandten Urkunden (R. Thurn-
waldt) t.-.l'I
No-Theater, Abbildung 698
Nötling, Tertiärsilex *315
Nonnenhof bei Prillwitz, Mecklenburg,
Arbeiten der Rethra- Kommission.
(G. Oesten) 758
Nordafrika, Tätowieren in — (A. v. Gennep" 7 19
Norddeutscher Typus der Äxte 544 556
Norrland, Funde aus dem arktischen Stein-
alter 669
0.
Ober-Agypten, steinBeitliohe Forschungen
(G. Schweinfurth)
Oberthau, Kreis Merseburg, Bronzesichel-
fund Buh. Schmidt; *106,
Obornik. Knochenstück mit Narben (v. Chla-
powski ''490. (Ed. Krause) *490, 524,
Obsldianspitzcii
Oesten, <}.. Bericht über die Arbeiten der
Rethra-Kommission
Österreich, Nieder-, neolithische Keramik
Ohrrinte aus dem Kaukasus usw.
766
U6
52< I
Tr-
eu
55
— 914 —
Seite
Oldenburg bei Hedeby, 2 Fundstücke von
der — (H. Virchow) *862
— , Ausgrabungen 675. 874
Oleburg, Halbkreiswall, Schleswig 677
Olshaaseii, 0. Die diluvialen Fundstätten
bei Schönebeck a. E. *477
— , Statutenänderung *S73
— und Friedr. Rathgen, Untersuchungen
über baltischen Bernstein (Succinit)
und andere, fossile, bernsteinähnliche
Harze *153
Opperl, Hindumusik *233
Organ der Gesellschaft 1
Organization of the Kogai-tribes (Mathews) *33
Ornamentik, vorgeschichtliche, des Kau-
kausus usw. 83
Os präbasiocripitale von einem Chinesen-
schädel (P. Bartels) *147
— tibiale externa»] Pfitzner (Waldeyer). *881
Ostafrika, Zahnverstümmelung und Laut-
wandel 456
„Ostbaltischer" Typus der Äxte 549. 571
Oslerwall, Erdwerke, Schleswig 677
Ozeanien. Kulturkreise und Kultur-
schichten (Graebner) *866
P.
Peking, Reise von — nach Rangoon
(Assmy) *697
Pernice, Erich, Greifswald, Die Gräber
in Thurow bei Züssow *752
Persien , Ethnologisches und Archäo-
logisches (Oskar Mann) *486
Peru, Alte Metallgeräte (A. Baessler) *765
— Mumienballen, Untersuchung mit
X-Strahlen *864
Petermann, Georg, Frankfurt a. 0. f 453
Prahlbauten von Dubica an der Save 658
Pfahlstellurigen um ein Hügelgrab der
Bronzezeit 109
Pfeil der Kayabi-lndianer 468
Pfellinacber in Ruanda 33 1
Pfeilspitzen aus dem Kaukasus usw. 76
Pflanzenreste aus Diluvialschichten von
Biero (Ed. Krause) *485
Pllug, der, uud das Pflügen bei den
Römern und in Mitteleuropa in
vorgeschichtlicher Zeit, H. Behlen.
(Werner) f.MM)
Pfrlemspitzen, neolithische von Theben T'.is
Pblllppi, Bnd., Santiago de Chile f 746
Phonogramme, Archiv für — (Stumpf) *'_'."> I
Seite
Phonograph, Anleitung zur Handhabung
des Phonographen für Forschungs-
reisende und Missionare (0. Abraham
und E. v. Hornbostel) *232
— und Kinematograph (Bab) *236
in Amerika (K. v. d. Steinen) *236
— und Musikwissenschaft (Stumpf) *234
— , Bedeutung für die Völkerkunde
(F. v. Luschan) *177
— und Völkerkunde (Waldeyer) *236
Photographien- Sammlung der Gesellschaft 871
Photos von Westgrönländern (H. Virchow) *862
Picenuin, Beitrag zur Vorgeschichte des —
(Baglioni) *765
Plniiow, Kreis Angermünde, Monolith-
grab (Götze) *112
Pinzetten aus dem Kaukasus usw. 71
Plastik aus dem Kaukasus usw. 88
— , neolithische 635
Plehn, A. Beobachtungen in Kamerun *490, *713
— , Fritz t 747
Poconchi-Indianer 865
Polichroinie bemalter Keramik 639
Polydaktylie 881
Pommern, Alte Eisenerzgewinnung und
Eisenschmelzhütten (H. Hess vonWich-
dorff) *237
Preyer, Axel: Indomalayische Streifzüge
(M. Bartels) f:»26
Priesterhügel bei Brenndorf und von Erösd,
Ungarn, Bemalte Keramik 637
Prussia, Jubiläum der Altertumsgesell-
schaft 853
Pubertätsweihe der Kogai (Mathews) *34
Pudil, Johann, Prag f 453
Q.
tyuartärzeit in Mähren, Kfiz (Lissauer) flG8
Querschneide an Pfeilspitzen derSchokleng 836
B.
Rachitis, Einüuss der — auf die Schädel-
form, (von Hansemann) "146
— , Veränderungen des Schädels durch
(von Hansemann) :'>7:'>
der Zähne (Neumann) 3*1
Badnadeln 586
— aus dem Kaukasus usw. 51
Randäxte 541, 553
— , goknickte 546, 566
— , langgestielte 547, 568
— , Typen .">ll
— 915
Seite
Rangoon, Reist; von Peking nach —
(Assmy) 697
Rapport der Commissie von Advies be-
fnlfende 's Kijks Ethnographisch Mu-
seum (M. Bartels) f322
Rassenzugehiirigkeit des Kaukusus usw. 94
Rathgen, Friedr. und R. Bornnann, Tränken
von Gipsabgüssen zur Konservierung *163
— und 0. Olshausen, Untersuchungen
aber baltischen Bernstein (Succinit)
und andere fossile, bernsteinähnliche
Harze *153
Ratzel, Frieflr., Leipzig f 717
Rawltz, Bernhard: Urgeschichte, Geschichte
und Politik (K. Thurnwald) fbBO
Ravnolds, Chaldische Inschriften *488
Rechnungsberichl für das Jahr 1904 (Söke-
*871
Paul Wi-
tzln
522, 523
291, *658
*697
293
74G
l; ic-
si:;
land)
Rechts, Vorgeschichte des
lutzki (Max Schmidt)
Regeulraufen aus Java
Reise des Hrn. Kiessling
— von Peking nach Rangoon (Assmy)
Reisebericht aus Südamerika (Th. Koch)
Reisen der Herren Traeger, Voss,
Waldeyer
Religionsgeschichte, Kongrcss zu Basel
Rellgiousvorstellungen der Schokleng
Rethra-Koiniulsslon 292, 869
— , Hrn. Oestens Bericht über die Ar-
beiten der — (A. Voss) *758
— , Untersuchungen der 875
RindeiistoH' in Ruanda .171
Ringscbaber von Theben S<>4
Ritztecbnik und Bemalung auf Tongefässen 639
Robel, Ernst t 7 17
Rüsler, C, Tillis, Die Aufdeckung einer
alten Nekropole in Baku
— , Grabstätten mit arabischen Schrift-
zeicheu in Baku
Rösten und Braten bei den Schokleng
Rnllii.idelu aus dein Kaukasus usw.
Rusentbal, Berlin f
Ruanda, Gewerbe in — (R. Kandt)
Rudernadeln
— aus dem Kaukasus
Rumänien, prähistorische Keramik
Rinnelleii, neolithisehe Keramik
Russland und Rassisch Turkistan, For-
schungsreise des Hrn. Hubert Schmidt
— , Prähistorische Keramik
— , Über die anthropologische Zusammen-
setzung der Bevölkerung — , A. A.
Iwanowski (Wilkei f7n|
292
I.V.
833
IS
135
*:'.2ii
."•7:'.. 578
643
644
136
643
Seite
Rutots System der eulit bischen und paläo-
lithische'u Epochen 7^:;
s.
SacralHeck, der blaue — bei Indianern B31
„Sächsischer" Typus der Äxte 546, 563
Sägen aus dem Kaukasus usw. 7">
Sageiiforschung, amerikanische 8G5
Sammlungen der Gesellschaft B7< I
Schaber, eolithische von Theben 78V)
Schädel, altpatagonischcr — mit Osteo-
myelitis des Schädeldaches 857
— eines Battakers (Waldeyer) c697
— eines Bugre aus Blumenau, Santa
Catharina, Brasilien (Lissauer)
— eines Schokleng 840
— eines Schokleng aus Santa Catharina
(Lissauer) *844
— der Steinzeit und der früheren Bronze-
zeit aus der Umgegend von Worms
am Rhein (P. Bartels) 891
— und Skelette von Santa Rosa (Santa
Barbara - Archipel bei Kalifornien),
Heinrich Matiegka (Lissauer) f898
Schädels, rachitische Veränderungen des.
(v. Hansemann) *14G *373
Schaiulrainalll, Zeichnungen von Fund-
gegenständen der Ausgrabungen von 875
Scheibennadelu 574, 580
— , ostbaltische ">77, .">>!
— aus dem Kaukasus usw. 49
Scheibenscbaber von Theben 804
Schellhas, P.: Die Göttergestalten der
Mayahandschriften (E. Förstemann) \b2S
Schenkungen für die Rudolf Virchow-
Stiftung B73
Schläger, eolithische, von Theben 78 I
Schlagbuckel 77m
Scblleiuann-Feler in Fürstenberg i. MeckL
(Lissauer) "'1 l
— -Gedenktafel (Lissauer) 188, 869
Schiueltz- Leiden. Die Nephritplatte zu
Leiden 137
Schmidt, Hubert, Brief 156
— , Der Bronzesichelfund von Oberthau,
Kreis Merseburg L06, *416
— , Die Keramik der makedonischen
Tunmli bei Saloniki 1 13
— , JnngneolithiBche Parallelen 634
— , Reise nach Südrusslaud uud
Ru-Mseh-Turkestan 136
— , Spätneolithische Ansiedelungen mit
bemalter Keramik am oberen Laufe
des Alttli; 1 1"»
916
Seite
Schmidt, Hubort, Troja-Mykene- Ungarn
*143, *608, *890
Schmidt, Max, Ableitung südamerika-
nischer Geflechtmuster aus der Technik
des Flechtens *490
— , A. Hellwig, Das Asylrecht der
Naturvölker f2QS
— , Nachrichten über die Kayabi-Iudianer,
Matto Grosso *466
— , Wilutzki, Paul, Vorgeschichte des
Rechts f530
Schmuck der Schokleng 835
Schnippe), Die Brettchenweberei und die
Bortenflechterei in Suprasl bei Bialy-
stok, Russland *137
Schnitzereien an dem Wikingerschiff von
Tönsberg (Finn) *699
— (Gustafson) *670
Schönebeck a. E., Diluvial - Fundstätten
(0. Olshausen) *477
Scbönlank-Stiftung 872
Schoetensack, Otto, Zur Nephritfrage "141
Schokleng-Indianer in Brasilien
(K. v. d. Steinen) *830
— , wilde Waldindianer Santa Catharinas
(Bleyer) *830
— , Schädel eines — aus Santa Catharina
(Lissauer) *844
Schrammen an Kieselknollen 773
Schriftenaustausch 14
Schriftführer-Kooptation 853
Schumann, Hugo: Die Steinzeitgräber
der Uckermark (Lissauer) f527
Schurtz, Heinrich: Völkerkunde
(H. Vierkandt) |531
Schweinfurtb, G., Ägyptische Knallpeitsche
„Fergille" *517
— , Steinzeitliclie Forschungen in Ober-
ägypten *76G
Schwerter aus dem Kaukasus usw. 81
Seelenwanderung lebender Neger 722
Seier, Eduard, Über Steinkisten, Tepetlo-
calli, mit Opferdarstellungen und andere
ähnliche Monumente ■IIU. _' I I
— , Studien in den Ruinen von Yukatan *321
*526
8eoche08cbnti in Kamerun 717
Sichelsägen aus dem Kaukasus usw. 75
Siebenbürgen, Ausgrabungen (Lemke) "107
Signale der Schokleng 836
Silex, Tertiär und Diluvial (Lissauer) *299
•316
— , (Keühack) 301
— , (Hahne) "-303
— , (Wahnschall.-, *310
Seite
*311
*313
*315
Silex, Tertiär und Diluvial (Jentzsch)
— , (Branco)
-, (Nötling)
Sitia, die Osthalbinsel Kretas, Leonidas
Chalikiopoulos (K. Kretschmer)
Sitzungen und Vorträge
Sixt, Stuttgart f
Skandinavien. Ausgrabungen in — (Finn)
Skelette aus den Balzi Rossi
— von Worms
Sklavenbünde in Kamerun
Sökeland, Rechnungsbericht für das Jahr
11)04
Sonnenfeste der Mexikaner und der
heutigen Moki
Spiegelnadeln aus dem Kaukasus usw.
Spiralornamentik, neolithische
Spiralröhren aus dem Kaukasus usw.
Spiralschieber, trojanische
Sprache der Maty-Insulaner
— , neuentdeckte, in Südamerika
(Th. Koch)
— ostafrikanischer Völkerstämme
Stanley f
Statutenänderung (Olshausen)
Staudinger, Ethnologisches aus West-
afrika
Steinalterfund in Dänemark (Finn)
Steinalterl'unde, arktische, in Schwedisch-
Norrland
Steinaxt in der Bronzezeit
Steinbeil von Jamaika
Steinen, K. von den, Die Forschungsreise
des Hrn. Th. Koch nach Südamerika *293
— , Zur Grypotherium-Frage *128, 131, 132
134
— , Zur Kunst des Flechtens
— , Phonograph und Kinematograph in
Amerika
— , Die Schokleng-Indianer in Brasilien "830
Steinkiste, altmexikanische bemalte — 26S
Steinkisten, Tepetlicalli, mit Opferdar-
stellungen und andere ähnliche Monu-
mente (Ed. Seler)
Steimnessergott, Opfergott der Mexikaner
f326
869
747
*668
454
136
715
*S71
865
49
G35
70
610
400
*295
330
487
"873
'72ö
G68
6<W
10!)
45G
"512
•236
Steinpfcile aus dem Kaukasus usw.
Stelnskulptiiren von der Insel Java (Stornier)
Steinwerkzeuge mit Elephas antiquus in
den Balzi Kossi
— aus der Höhle von Ultima Esperanza
Steinzeit, Jungneolithische Parallelen
(Hubert Schmidt)
Ansiedelungen mit bemalter Keramik
am oberen Altfluss (Hubert Schmidt)
*244
246
251
76
*519
454
121
*145
917 —
Seite
Steinzeit-Forschungen in Oberägypten
(G. Schweinfurth) 766
— -Funde aus Japan (F. W. K. Müller) *144
Gräber, die — der Uckermark, Hugo
Schumann (Lissauer) f527
Schädel von Worms (P.Bartels) 891
Slm-kliiilin. Urnengräber 669
Stornier, A. Maass: Quer durch Sumatra flTl
— . Steinskulpturen von der Insel Java *319
Stratz, C. H.: Die Frauenkleidung und
ihre natürliche Entwicklung (Fritsch) f7O0
— : Oer Körper des Kindes, für Eltern,
Erzieher, Arzte und Künstler (Max
Bartels) fl™
Strauch, Eine Methode farbiger Kon-
servierung frischer Leichenteile für
die Zwecke der somatischen Anthro-
pologie *671
— , Nagespuren an Knochen *524
Strebet, Hamburg, Jubiläum 135
Studien in den Ruinen von Yucatan
(Ed. Seier) *321, *526
Stübel, Alfons, Dresden f 853
Stumpf, Der Phonograph und die Musik-
wissenschaft 23 I
Stuttgart, Der 1 1. Amerikanisten-Kongress
in — (Ehrenreich) *862
Südamerika, Getlechtmuster und Flecht-
technik (Max Schmidt) *490
„Süddeutscher" Typus der Äxte 545, 561
Sumatra, A. Maass. Quer durch — , Reise-
erinnerungen (Stönner) flTl
Sydow, Kr. Oberbarnim, Monolithgrab 115
Symbole aus dem Kaukasus usw. 85
Syphilis, angebliche — an altpatagonischen
Knochen (Lehmann-Nitsche) *S54
— , präkolum bische 8G<i
Swastika aus dem Kaukasus usw. SC
T.
19
Tätowieren in Nordafrika (A. van Gennep)
Tätowierers, das Handwerkszeug eines
tunesischen — (Paul Traeger)
Tätowierungsmesser
Tätowieruniisinuster
Technik der physischen Anthropologie
(v. Luschan)
— der Bronzesicheln
Tepetlicalli uml ähnliche Monumente 1 16, •_' I I
Tertlär-Silet, Sammlung des Hrn. Klaatsch
(Lissauer) »299, *:'>U;
„Tertiär^, und Diluvial-Silex (Lissauer)
(Keilhark :>. :',oi
(Hahne) 303
169
170
IT:;
165
126
Seite
rTerllä^ und Diluvial-Silex (Wahnschaffe) '310
(Jetzsch) *311
(Branco) »313
(Nötling) 315
Theben, Ägypten, Kieselmanufakte (F. von
Luschan) ;'>1T
Thraker, Kultur der — 626
Thtiruwald, R., Johannes Nietzold: Die
Ehe in Ägypten f324
— Rawitz, Bernhard: Urgeschichte, Ge-
schichte und Politik f530
Thurow bei Züssow, Pommern, Hügel mit
Skelettgräbern der Bronzezeit (Erich
Pcrnice) 752
Tibet, Reise durch — 697
Tibien, altpatagonische, mit Auftreibungen 855
Tierornamente im Kaukasus "•'.»
Tierreste in den Diluvialschichten bei
Schönebeck a. E. (Wahnschaffe) *484
— in der grossen Höhle von Ultima
Esperanza 1 _'' »
Tönsberg, Norwegen, Wikingerschiff (Finn) 669
— , Wikingerschiff (Gustafson) *670
Töpferei in Ruanda 565
Tonalainatli, liegen die, der Mayahand-
schriften in bestimmten Jahren
(E. Förstemann) *659
Tonsystem, türkisches 203
Topfpjramiden im Totenkultus der Neger 721
Tordos bei Broos, Siebenbürgen, Bemalte
Keramik 637
Totenbestattung in Wohnstätten 112
Traeger, Reise nach Albanien Tb;
— Herrn. Haack: Geographenkalender f708
— Das Handwerkszeug eines tunesischen
Tätowierers *46!>, 4T7
Tranporlwesen-Ausstellung in Mailand 136
Troja - .üykenae - l 'ngarn , Archäologische
Parallelen (Hubert Schmi Li *143,
-, Nachtrag (Hubeit Schmidt)
Tunis, das Handwerkszeug eines Täto-
wierers (Paul Traeger) *b'.;i
Türkei, Phonographierte Melodien
(0. Abraham und E. v. Hnrnbostel) *-'"•".
— Phonographierte Volkslieder (F. von
Luschan *177
Typen der Br<>nzesicheln 418
Tjpenkurte, der prähistorischen Äxte
(Lissauer
— der Ruder- und Scheiben - Nadeln
(Lissauer]
— der Radnadeln (Lissauer 587
Txpciikiirteii, prähistorische (Lissauer)
Tjpenrelhe der eolithischen Manufaktc
von Theben (G. Schweinfurtb
— 918
Seite
u.
Uckermark, Die Steinzeitgräber der — ,
Hugo Schumann (Lissauer) f527
Ulvalfy, Baron v. U. von Mezö Hövesd,
Florenz f 135
Ultima Espeninza, Patagonien, Höhle mit
Eesten ausgestorbener Tiere und mit
Spuren menschlicher Bewohnung (Hau-
thal) *119
Unsterblichkeit bei Weinegern 720
riiterrichtsmlnister, Zuschuss 657
Urgeschichte, Geschichte und Politik,
Bernhard Rawitz (R. Thurmwald) f530
Urne aus einem Grabhügel bei Thurow
(Erich Pernice) *757
Urnengräber auf Älsten bei Stockholm
(Finn) 669
lischer, Van, Chaldische Inschrift *489
Y.
Vasenmalerei 636
Versammlung, allgemeine, der Deutschen
Anthropologischen Gesellschaft in
Greifswald 514, 748
— deutscher Naturforscher und Arzte
in Breslau 292
— der Niederlausitzer Gesellschaft zu
Kottbus 4S7
— der Wiener Anthropologischen Gesell-
schaft in Agram 456
Verwallungsherlcht für das Jahr 1904
(Lissauer) *867
Vierkandt, H., Schurtz, Heinrich: Völker-
kunde fö-">l
Vikinger s. Wikinger.
Virehow, Hans, Zwei Fundstücke von der
Oldenburg bei Hedeby *862
— sechs Pliotos von Westgrönländern *862
— Stand der Rudolf Virchow Stiftung
für das Jahr 1904 *873
Voiabular der Kogai (Mathews) *34
Völkerkunde, Heinrich Schurtz (H. Vier-
kandt) *531
— . Bedeutung des Phonographen für
die (F. v. Luschan) *177
Vngflligiireii aus dem Kaukasus usw. <i<i
Volkskunde, Verband Deutscher Vereine
für Volkskunde 658
— , Zirkular des Hrn. A. Voss an die
Museen *748
Volkslledt-r, türkische, aus Nordsyrien und
die Bedeutung pornographischer Auf-
nahme für die Völkerkunde *177
Seite
Volutermadeln aus dem Kaukasus usw. 53
Vorgeschichte des Rechts, Paul Wilutzki
(Max Schmidt) f530
Vorstand der Gesellschaft 1
— der Rudolf Virchow-Stiftung 873
Vorstandswahl 880
Voss, A., Zirkular an die volkskund-
lichen Museen *748
— , Hrn. Oestens Bericht über die
Arbeiten der Rethra-Kommission *758
— , Eduard Krause: Vorgeschichtliche
Fischereigeräte und neuere Vergleichs-
stücke. Eine vergleichende Studie als
Beitrag zur Geschichte des Fischerei-
wesens. Mit 648 Abbildungen f901
— , Reise 746
Vouga, Emil, Marin f 867
Vulkane, tätige, in Afrika 329
W.
Waffen und Werkzeuge aus dem Kau-
kasus usw. 73
Wahl des Vorstandes für das Jahr 1905 880
Wahnschaffe, Tertiär-Silex *310
— , Zur Eolithenfrage *484
WalJejer, Battaker-Schädel *697
— , Bericht von Hrn. Klaatsch *881
— , Canalis craniopharjngeus vom Men-
schen, Gorilla und Chimpansen 882
— , Konservierung von Leichenteilen *675
— , Os tibiale externum (Pritzner) *881
— , Phonograph und Völkerkunde *236
— , Reise nach Amerika 746
Waldindianer, die wilden — Santa Catha-
rinas: die „Schokleng" (Bleyer) *830
Wallanlage auf dem Nonnenhof 762
Wandgemälde, Maya aus Yucatan 865
Washington, Geographenkongress 487
Watussi, Regierende in Ruanda 330
Weercn, Zu den altperuanischeu Metall-
geräten "765
Wegeverhältnisse bei Hedeby 680
Wflssmalerei von Keramik 641, 647
Werktätigkeit, die — der Vorzeit, Eduard
Krause (A. Lissauer) fS99
Werner, Hehlen, H : Der Pilug und das
Pflügen bei den Römern und in Mittel-
europa in vorgeschichtlicher Zeit f900
Westafrika, Ethnologisches (Plehn) *713
(Staudinger) *725
Westgolland, Altertumsfunde 668
Wien, Versammlung der Anthropolog.
Gesellschaft in Agram und Krapina 487
— 1)1!) —
Seite
Wikinger in Schleswig 678
Schiff von Tönsberg (Finn) *G69
, das — bei Tönsberg (Gustafson) 670
Wildgruben der Schokleng 837
Wilke, Archäologische Parallelen aus dem
Kaukasus und den unteren Donau-
ländern *39
— , Iwanowski, A. A.: Über die anthro-
pologische Zusammensetzung der Be-
völkerung Russlands f704
Wilser, Ludwig: Die Germanen (Ehren-
reich) f70G
Wilulzki, Paul: Vorgeschichte des Rechts
(Max Schmidt) f5:',0
Wohlmbcrg bei Gifhorn, Feuersteinknollen
(Andree) *107
Wohnstätten, Totenbestattung in 112
Worms a. Rhein, Schädel der Steinzeit
und der frühen Bronzezeit (P. Bartels) *891
— . Skelette aus der Gegend von 136
Wudd>awurru - Tribe, Victoria, Language
of the (Mathews) *729
Seite
X.
\iiigu-lndianer, Kunst und Ornamentik der B65
V.
Vukafan, Studien in den Ruinen von —
(Ed. Seier) »321
Z.
Zähne, rachitische Veränderungen der —
(Neumann) *381,
Zahnverstüinmelung und Lautwandel (Cleve)
Zauber in Kamerun
Zauberglaube bei Todesfällen der Neger
Zeitstellung des Grypotherium
Zeltschrift für Ethnologie, hohe Kosten
v. Zittel, München f
Zoolngenkongress, VI. internationaler
Zuschuss des Unterrichtsministers
"526
»383
156
716
723
L27
868
105
292
657
Eduard Krause.
Druck Ton Gebr. Unger in Berlin, Bernburper>tr. SO.
Zeitschr. f. Ethnologie. Band XXXVI.
Taf. 1.
Fig.!
Fig. 2
Fig. 3
Fig. 1
a. b. c. d.
Fig. 5
Richard Kandt: Gewerbe in Ruanda. (Abschnitt „Köcherschnitz»
Zeitschr. f. Ethnologie. Band XXX I X
laf. IL
Fig. 1
Fig. 2
Fig. 3
Fig. 4
Fig. 5
Richard Kan.lt. Gewerbe in Ruanda. (Abschnitt „Hilchgefäss
Zettschr. f. Ethnologie. Band A'.YA 17
Taf. 111
Fig. 1
Fi-
Richard Kaiult : Gewerbe in Ruanda. (Abschnitt -Bootsbau-.'
/jit sehr. f. Ethnologie. Band XXXVI.
Taf. I V.
Fig. 1
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Fig. I
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Richard Kandt: Gewerbe in Ruanda. (Abschnitt „Töpferei".)
Zeitschrift für Ethnologie. Band XXXVI.
Inf. V.
Dempwolff: Über aussterbende Völker
Typen junger männlicher Eingeborener von Wuwulo (Maty- Insel).
Zeitschrift für Ethnologie. Band XXXVI.
Taf. VI.
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<i. Schweinfurth: Steinzeitlichc Forschungen in OberSgyptcn.
DEUTSCHES REICH
Flach -und Randäxte aus Bronze
Zeichenerklärung der Typen.
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